Roger Zelazny Die Burgen des Chaos

1

Amber: hellstrahlend auf dem Gipfel Kolvirs inmitten des Tages. Eine schwarze Straße: vom Chaos aus dem Süden durch Garnath herbeiführend, flach und finster. Ich: fluchend und hin und her schreitend, ein gelegentlicher Benutzer der Bibliothek des Palasts von Amber. Die Tür zu dieser Bibliothek: verschlossen und verriegelt.

Der verrückte Prinz von Amber setzte sich an den Tisch, richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das geöffnete Buch. Es klopfte an die Tür.

»Verschwinde!« rief ich.

»Corwin. Ich bin es – Random. Mach auf, ja? Ich habe dir sogar etwas zu essen mitgebracht.«

»Einen Augenblick.«

Ich stand auf, ging um den Tisch, durchquerte den Raum. Als ich die Tür öffnete, nickte Random. Er hielt ein Tablett in der Hand, das er auf einem kleinen Tisch neben dem Lesepult abstellte.

»Das ist ja reichlich«, stellte ich fest.

»Ich habe auch Hunger.«

»Also tu etwas dagegen.«

Dieser Aufforderung kam er nach. Er führte das Messer. Er reichte mir Fleischstücke auf einem Brotstück. Er schenkte Wein ein. Wir nahmen Platz und aßen.

»Ich weiß, du bist immer noch sehr zornig . . .«, sagte er nach längerer Zeit.

»Und du bist das nicht mehr?«

»Nun ja, vielleicht habe ich mich schon mehr an das Gefühl gewöhnt. Ich weiß es nicht. Trotzdem . . . Ja, es kam irgendwie plötzlich, nicht wahr?«

»Plötzlich?« Ich trank einen großen Schluck Wein. »Es ist im Grunde wie früher. Nein, schlimmer. Irgendwie hatte ich ihn sogar gemocht, solange er uns den Ganelon vorspielte. Wo er nun wieder das Sagen hat, gibt er sich so herrisch wie eh und je. Er hat uns Befehle zugebrüllt, die in allen Punkten unerklärt geblieben sind, und dann ist er von neuem verschwunden.«

»Er hat aber gesagt, er würde sich bald wieder melden.«

»Das hatte er das letzte Mal wohl auch vor.«

»Dessen bin ich nicht so sicher.«

»Und seine erste Abwesenheit hat er nicht erläutert. Im Grunde hat er uns gar nichts erklärt.«

»Dafür hat er sicher seine Gründe.«

»Daran beginne ich zu zweifeln, Random. Glaubst du, daß er allmählich den Verstand verliert?«

»Jedenfalls hat er bei ihm noch gereicht, dich zu täuschen.«

»Das war eine Kombination aus primitiver animalischer Schläue und seiner Fähigkeit zur Gestaltsveränderung.«

»Aber das Ziel wurde erreicht, oder nicht?«

»Ja. Es hat funktioniert.«

»Corwin, besteht vielleicht die Möglichkeit, daß du es ihm nicht gönnst, einen funktionierenden Plan zu schmieden, möchtest du vielleicht gar nicht, daß er einmal recht hat?«

»Lächerlich! Mir liegt nicht weniger als jedem anderen von uns daran, das Durcheinander zu ordnen.«

»Ja, aber wäre dir nicht lieber, wenn die Lösung aus einer anderen Richtung käme?«

»Worauf willst du hinaus?«

»Du willst ihm nicht trauen.«

»Das gebe ich zu. Ich habe ihn verdammt lange nicht gesehen – zumindest nicht in seiner wahren Gestalt –, und . . .«

Er schüttelte den Kopf.

»Das meine ich nicht. Du ärgerst dich, daß er wieder da ist, habe ich nicht recht? Du hattest gehofft, wir wären ihn ein für allemal los.«

Ich wandte den Blick ab.

»Darin liegt etwas Wahres«, antwortete ich schließlich. »Doch nicht wegen des leeren Throns oder ausschließlich deswegen. Es liegt an ihm, Random. Ihm. Das ist alles.«

»Ich weiß«, gab er zurück. »Aber du mußt zugeben, daß er Brand hereingelegt hat, was nun wirklich keine Kleinigkeit ist. Seinen Trick begreife ich immer noch nicht: wie hat er nur dich dazu bringen können, den Arm von Tir-na Nog´th mitzubringen? Wie hat er mich veranlaßt, den Arm an Benedict weiterzugeben, wie hat er Benedict im richtigen Moment an den richtigen Ort manövriert, damit sich alles nach Plan entwickelte und er das Juwel zurückhielt? Im Umgang mit den Schatten ist er eben noch immer geschickter als wir. Er erreichte sein Ziel auf dem Kolvir, als er uns zum Ur-Muster brachte. Ich wäre dazu nicht in der Lage. Und du auch nicht. Und er vermochte Gérard zu schlagen. Ich glaube nicht, daß seine Kräfte nachlassen. Meiner Meinung nach weiß er genau, was er tut, und ob es uns gefällt oder nicht, ich finde, er ist der einzige, der mit der augenblicklichen Lage fertigwerden kann.«

»Willst du mir damit einreden, daß ich ihm vertrauen sollte?«

»Ich will dir nur sagen, daß du keine andere Wahl hast.«

Ich seufzte.

»Da hast du wahrscheinlich genau ins Schwarze getroffen«, gab ich zurück. »Es ist sinnlos, verbittert zu reagieren. Trotzdem . . .«

»Dich bekümmert der Angriffsbefehl, nicht wahr?«

»Ja, unter anderem. Wenn wir noch warteten, könnten Benedict und ich eine noch größere Streitmacht ins Feld führen. Für eine solche Aktion reichen drei Tage Vorbereitung nicht aus. Nicht wenn man so wenig über den Gegner weiß.«

»Das muß aber nicht sein. Er hat sich lange unter vier Augen mit Benedict unterhalten.«

»Und das ist das zweite. Die getrennten Befehle. Seine Geheimniskrämerei . . . Er traut uns nicht mehr, als er unbedingt muß.«

Random lachte leise, und ich machte es ihm nach.

»Na schön«, räumte ich ein. »Vielleicht würde ich an seiner Stelle nicht anders handeln. Aber drei Tage, um einen Krieg vorzubereiten!« Ich schüttelte den Kopf. »Da muß er wahrhaft mehr wissen als wir, sonst bringt die Sache nichts.«

»Ich habe den Eindruck, daß es eher ein Überraschungsschlag als ein Krieg sein wird.«

»Nur hat er sich nicht die Mühe gemacht, uns zu sagen, worum es dabei geht.«

Random zuckte die Achseln und schenkte Wein nach.

»Vielleicht verrät er uns mehr, wenn er zurückkommt. Du hast keine Sonderbefehle erhalten, oder?«

»Ich soll mich nur bereithalten und warten, weiter nichts. Was ist mit dir?«

Er schüttelte den Kopf.

»Er hat mir gesagt, ich wüßte schon Bescheid, wenn der richtige Augenblick gekommen wäre. Immerhin hat er Julian angewiesen, seine Truppen bereitzuhalten, um auf Befehl sofort losmarschieren zu können.«

»Oh? Stehen die denn nicht in Arden?«

Er nickte.

»Wann hat er diesen Befehl gegeben?«

»Als du schon fort warst. Er rief Julian durch den Trumpf hier herauf und gab ihm seine Anordnungen; anschließend ritten beide fort. Ich hörte Vater sagen, er würde ihn auf dem Rückweg ein Stück begleiten.«

»Haben sie den Ostpfad über den Kolvir genommen?«

»Ja. Ich habe den beiden nachgeschaut.«

»Interessant. Was habe ich sonst noch versäumt?«

Er rutschte auf seinem Stuhl hin und her.

»Etwas, das mir zu schaffen macht«, antwortete er. »Als Vater in den Sattel stieg und mir zum Abschied zuwinkte, blickte er mich an und sagte: ›Und paß auf Martin auf!‹«

»Ist das alles?«

»Das ist alles. Aber er lachte dabei.«

»Das natürliche Mißtrauen gegenüber einem Neuankömmling, würde ich sagen.«

»Warum aber das Lachen?«

»Keine Ahnung.«

Ich schnitt mir ein Stück Käse ab und aß es.

»Vielleicht liege ich doch nicht so falsch. Kann sein, daß er Martin nicht verdächtigt, sondern nur meint, er müsse vor etwas beschützt werden. Vielleicht ist es auch beides. Oder nichts von alledem. Du weißt ja, wie er sein kann.«

Random stand auf. »Soweit hatte ich das noch nicht durchdacht. Jetzt kommst du aber mit, ja? Du hast dich den ganzen Vormittag hier verkrochen.«

»Na gut.« Ich erhob mich und legte Grayswandir um. »Wo ist Martin überhaupt?«

»Ich habe ihn unten im Erdgeschoß zurückgelassen. Er unterhielt sich mit Gérard.«

»Dann ist er ja in guten Händen. Bleibt Gérard hier, oder kehrt er zur Flotte zurück?«

»Keine Ahnung. Er wollte sich über seine Befehle nicht auslassen.«

Wir verließen die Bibliothek und gingen zur Treppe.

Unterwegs hörten wir Lärm von unten, und ich beschleunigte meine Schritte. Über das Geländer blickend entdeckte ich am Eingang zum Thronsaal eine Gruppe Wächter, die von Gérards mächtiger Gestalt überragt wurden. Alle wandten uns den Rücken zu. Ich sprang die letzten Stufen hinab. Random war nicht weit hinter mir. Heftig drängte ich mich in die Gruppe. »Was geht hier vor, Gérard?« fragte ich.

»Wenn ich das nur wüßte!« antwortete er. »Schau doch selbst! Allerdings kann niemand hinein.«

Er wich zur Seite, und ich machte noch einen Schritt vorwärts. Und einen zweiten. Und mehr nicht. Es war, als stemmte ich mich gegen eine geringfügig nachgebende, aber völlig unsichtbare Mauer. Jenseits des Hindernisses spielte sich eine Szene ab, die meine Erinnerungen und Gefühle in Aufruhr brachte. Die Angst packte mich im Genick und lahmte meine Hände – und das war keine Kleinigkeit.

Lächelnd hielt Martin einen Trumpf in der linken Hand, vor sich Benedict, der anscheinend eben erst gerufen worden war. Ganz in der Nähe, auf dem Podest des Throns, stand ein Mädchen mit abgewandtem Gesicht. Die beiden Männer schienen miteinander zu sprechen, aber ich konnte die Worte nicht hören.

Endlich wandte Benedict sich um und sprach offenbar zu dem Mädchen. Nach einiger Zeit schien sie ihm zu antworten. Martin begab sich auf ihre linke Seite. Während sie etwas sagte, erstieg Benedict das Thronpodest. Nun konnte ich ihr Gesicht erkennen. Das Gespräch setzte sich fort.

»Das Mädchen kommt mir irgendwie bekannt vor«, sagte Gérard, der vorgetreten war und nun neben mir stand.

»Mag sein, daß du sie kurz gesehen hast, als sie an uns vorbeiritt«, sagte ich. »Es war an dem Tag, als Eric starb. Es ist Dara.«

Ich hörte, wie ihm der Atem stockte.

»Dara!« rief er. »Dann hast du . . .« Seine Stimme erstarb.

»Ich habe nicht gelogen«, sagte ich. »Es gibt sie wirklich.«

»Martin!« rief Random, der rechts neben mir auftauchte. »Martin! Was geht da vor?«

Er erhielt keine Antwort.

»Ich glaube, er kann dich gar nicht hören«, meinte Gérard. »Diese Barriere scheint uns völlig zu trennen.«

Randoms Hände stießen gegen etwas Unsichtbares. Er schob mit voller Kraft.

»Probieren wir es alle mal«, sagte er.

Ich versuchte es also noch einmal, und auch Gérard stemmte sich mit ganzem Gewicht gegen die unsichtbare Mauer.

Als wir uns eine halbe Minute lang vergeblich bemüht hatten, trat ich zurück. »Es hat keinen Sinn«, sagte ich. »Wir bekommen das Ding nicht aus dem Weg.«

»Was ist das nur?« fragte Random aufgebracht. »Was hält uns auf . . .?«

Ich hatte sofort eine gewisse Vorstellung gehabt von dem, was da vorging – eine Ahnung, die sich von einem starken Gefühl des déjà vu herleitete. Jetzt allerdings . . . jetzt krampfte sich meine Hand um die Schwertscheide, um sicher zu sein, daß Grayswandir noch an meiner Hüfte hing.

Die Waffe war noch vorhanden.

Wie ließ sich aber das Auftauchen meiner auffälligen Klinge erklären, deren kunstvolle Ornamente vor aller Augen schimmerten, eine Klinge, die urplötzlich in der Luft erschienen war und dort nun ohne Stütze verharrte, die Spitze auf Daras Hals gerichtet?

Eine Erklärung hatte ich nicht.

Die Szene hatte allerdings eine zu große Ähnlichkeit mit den nächtlichen Ereignissen in Tir-na Nog´th, der Traumstadt am Himmel, als daß es sich um einen Zufall handeln konnte. Es fehlte das ganze Drumherum – die Dunkelheit, die Verwirrung, die dichten Schatten, die Gefühlsstürme, die mich geschüttelt hatten – und doch war die Szene ungefähr so bereitet wie in jener Nacht. Es bestand eine große Ähnlichkeit, wenn auch keine hundertprozentige Übereinstimmung. Benedicts Haltung sah irgendwie anders aus – aus größerer Entfernung bildete sein Körper einen anderen Winkel. Ich konnte Dara die Worte nicht von den Lippen ablesen, fragte mich aber, ob sie dieselben seltsamen Fragen stellte. Ich nahm es nicht an. Das Tableau – der erlebten Szene ähnlich, aber auch wieder nicht – war vermutlich am anderen Ende – wenn es überhaupt eine Verbindung gab – durch die Einflüsse gefärbt worden, die Tir-na Nog´ths Kräfte damals auf meinen Geist gehabt hatten.

»Corwin«, sagte Random, »was da vor ihr hängt, sieht mir sehr nach Grayswandir aus.«

»Kann man wohl sagen«, gab ich zurück. »Aber du siehst selbst, daß ich meine Klinge bei mir habe.«

»Es gibt doch keine zweite Waffe dieser Art . . . oder? Weißt du, was da vor sich geht?«

»Ich habe allmählich das Gefühl, als könnte ich es wissen«, antwortete ich. »Was es auch ist, ich kann es jedenfalls nicht aufhalten.«

Plötzlich zuckte Benedicts Klinge aus der Scheide und bekämpfte die andere Waffe, die der meinen ähnelte. Im nächsten Augenblick focht er gegen einen unsichtbaren Gegner.

»Zeig´s ihm, Benedict!« rief Random.

»Sinnlos«, meinte ich. »Gleich wird er entwaffnet.«

»Woher weißt du das?« wollte Gérard wissen.

»Irgendwie bin ich das, der da drinnen gegen Benedict kämpft«, entgegnete ich. »Vor uns sehen wir die andere Seite meines Traums in Tir-na Nog´th. Ich weiß nicht, wie er das geschafft hat, doch es ist der Preis dafür, daß Vater das Juwel zurückbekommen hat.«

»Ich verstehe das nicht«, sagte er.

Ich schüttelte den Kopf.

»Ich habe auch keine Ahnung, wie so etwas möglich ist«, sagte ich. »Auf jeden Fall können wir erst eintreten, wenn zwei Dinge aus dem Thronsaal verschwunden sind.«

»Welche beiden Dinge?«

»Paß nur auf!«

Benedict hatte das Schwert in die rechte Hand befördert, und seine schimmernde Prothese zuckte vor und suchte sich ein unsichtbares Ziel. Die Klingen parierten die Hiebe der anderen, gingen überkreuz und preßten gegeneinander, wobei die Spitzen langsam zur Decke emporstiegen. Benedicts rechte Hand krampfte sich immer mehr zu.

Plötzlich kam die Grayswandir-Klinge frei und bewegte sich an der anderen vorbei. Sie richtete einen gewaltigen Hieb auf Benedicts rechten Arm, auf den Übergang zwischen Prothese und Armstumpf. Im nächsten Augenblick drehte sich Benedict herum, und mehrere Sekunden lang konnten wir nicht erkennen, was da geschah.

Endlich hatten wir wieder freie Sicht: Benedict sank im Drehen auf die Knie. Er umklammerte seinen Armstumpf. Der mechanische Arm mit der Hand hing nahe Grayswandir in der Luft. Er entfernte sich von Benedict und verlor dabei an Höhe, wie die Klinge. Als beide den Boden erreichten, prallten sie nicht auf, sondern glitten hindurch und waren gleich darauf nicht mehr zu sehen.

Ich fiel nach vorn, gewann mein Gleichgewicht wieder und eilte vor. Das Hindernis war verschwunden.

Martin und Dara waren vor uns bei Benedict. Als Gérard, Random und ich das Podest erstiegen, hatte Dara einen Streifen von ihrem Umhang abgerissen und verband damit Benedicts Armstumpf.

Random packte Martin an der Schulter und drehte ihn zu sich herum. »Was ist geschehen?« fragte er.

»Dara . . . Dara wollte Amber sehen«, antwortete er. »Da ich jetzt hier lebe, erklärte ich mich einverstanden, sie hindurchzuholen und herumzuführen. Dann . . .«

»Hindurchzuholen? Du meinst, durch einen Trumpf?«

»Nun . . . ja.«

»Deinen oder ihren?«

Martin biß sich auf die Unterlippe.

»Also, weißt du . . .«

»Gib mir die Karten«, forderte Random und riß Martin das Behältnis aus dem Gürtel. Er öffnete es und begann die Karten durchzublättern.

»Dann kam ich auf den Gedanken, Benedict zu verständigen, da er sich für sie interessierte«, fuhr Martin fort. »Benedict wollte kommen und sehen . . .«

»Zum Teufel!« rief Random. »Hier haben wir einen Trumpf von dir, einen von ihr und einen von einem Kerl, den ich noch nie gesehen habe! Woher hast du die?«

»Zeig mal!« sagte ich.

Er reichte mir die drei Karten.

»Nun?« fragte er. »Hast du sie von Brand? Meines Wissens ist er heutzutage der einzige, der noch Trümpfe machen kann.«

»Ich will mit Brand nichts zu tun haben«, antwortete Martin, »außer ihn umzubringen!«

Doch ich wußte bereits, daß diese Karten nicht von Brand stammten. Sie entsprachen nicht seinem Stil. Die Art der Gestaltung war mir völlig unbekannt. Doch noch mehr beschäftigten mich die Gesichtszüge der dritten Person, des Mannes, von dem Random behauptete, er habe ihn nie zuvor gesehen. Ich aber kannte ihn. Vor mir sah ich das Gesicht des Jünglings, der sich mir vor den Höfen des Chaos mit einer Armbrust in den Weg gestellt hatte, der mich erkannt hatte und daraufhin nicht mehr schießen wollte.

Ich streckte Martin die Karte hin.

»Martin, wer ist das?« wollte ich wissen.

»Der Mann, der die zusätzlichen Trümpfe gefertigt hat«, gab er zur Antwort. »Da er schon einmal dabei war, zeichnete er gleich noch einen von sich selbst. Seinen Namen kenne ich nicht. Er ist ein Freund Daras.«

»Du lügst!« behauptete Random.

»Dann soll Dara uns Antwort geben«, sagte ich und wandte mich an sie.

Sie kniete noch immer neben Benedict, obwohl sie mit dem Wundverband fertig war und er sich wieder aufgerichtet hatte.

»Ja, wie steht es?« fragte ich und fuchtelte ihr mit der Karte vor dem Gesicht herum. »Wer ist dieser Mann?«

Sie blickte auf die Karte und sah dann mich an. Sie lächelte.

»Weißt du es wirklich nicht?« fragte sie.

»Würde ich fragen, wenn ich es täte?«

»Dann schau dir das Bild noch einmal an und anschließend in einen Spiegel. Er ist so sehr dein Sohn wie der meine. Er heißt Merlin.«

Ich bin nicht leicht zu verblüffen, doch hatte dieser Augenblick nichts von Leichtigkeit. Mir war schwindlig. Mein Verstand jedoch arbeitete schnell. Bei einem entsprechenden Zeitunterschied war so etwas möglich.

»Dara«, sagte ich, »was willst du?«

»Ich habe dir schon gesagt, als ich das Muster beschritt«, antwortete sie, »daß Amber vernichtet werden muß. Ich will nur meinen rechtmäßigen Anteil daran.«

»Du sollst meine alte Zelle bekommen«, sagte ich. »Nein, die Zelle daneben. Wächter!«

»Corwin, es ist schon gut«, sagte Benedict und stand auf. »Es ist nicht so schlimm, wie es sich anhört. Sie kann alles erklären.«

»Dann soll sie damit anfangen!«

»Nein. Unter uns, im Kreis der Familie.«

Ich winkte die Wächter zurück, die meinem Ruf gefolgt waren.

»Also gut. Ziehen wir uns in eines der Zimmer zurück, die an den Thronsaal stoßen.«

Er nickte, und Dara umfaßte seinen linken Arm. Random, Gérard, Martin und ich folgten den beiden. Einmal schaute ich auf die leere Stelle zurück, an der mein Traum Wirklichkeit geworden war. So ist der Stoff beschaffen.

Загрузка...