Friedrich Schiller. Die Huldigung der Kuenste

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Die Huldigung der Kuenste.

Friedrich Schiller.

Ein lyrisches Spiel.

Ihrer Kaiserl. Hoheit der Frau Erbprinzessin von Weimar Maria

Paulowna Grossfuerstin von Russland in Ehrfurcht gewidmet

und vorgestellt auf dem Hoftheater zu Weimar am 12. November 1804.

Personen.

Vater.

Mutter.

Juengling.

Maedchen.

Chor von Landleuten.

Genius.

Die sieben Kuenste.

Die Scene ist eine freie laendliche Gegend; in der Mitte ein

Orangenbaum, mit Fruechten beladen und mit Baendern geschmueckt.

Landleute sind eben beschaeftigt, ihn in die Erde zu pflanzen,

indem die Maedchen und Kinder ihn zu beiden Seiten an

Blumenketten halten.

Vater. Wachse, wachse, bluehender Baum

Mit der goldnen Fruechtekrone,

Den wir aus der fremden Zone,

Pflanzen in dem heimischen Raum!

Fuelle suesser Fruechte beuge

Deine immer gruenen Zweige!

Alle Landleute. Wachse, wachse, bluehender Baum

Strebend in den Himmelraum!

Juengling. Mit der duft'gen Bluethe paare

Prangend sich die goldne Frucht!

Stehe in dem Sturm der Jahre,

Daure in der Zeiten Flucht!

Alle. Stehe in dem Sturm der Jahre,

Daure in der Zeiten Flucht!

Mutter. Nimm ihn auf, o heil'ge Erde,

Nimm den zarten Fremdlich ein!

Fuehrer der gefleckten Heerde,

Hoher Flurgott, pflege sein!

Maedchen. Pflegt ihn, zaertliche Dryaden!

Schuetz' ihn, schuetz' ihn, Vater Pan!

Und ihr freien Oreaden,

Dass ihm keine Wetter schaden,

Fesselt alle Stuerme an!

Alle. Pflegt ihn, zaertliche Dryaden!

Schuetz' ihn, schuetz' ihn, Vater Pan!

Juengling. Laechle dir der warme Aether

Ewig klar und ewig blau!

Sonne, gib ihm deine Strahlen,

Erde, gib ihm deinen Thau!

Alle. Sonne, gib ihm deine Strahlen,

Erde, gib ihm deinen Thau!

Vater. Freude, Freude, neues Leben

Moegst du jedem Wandrer geben;

Denn die Freude pflanzte dich.

Moegen deine Nektargaben

Noch den spaetsten Enkel laben,

Und erquicket segn' er dich!

Alle. Freude, Freude, neues Leben

Moegst du jedem Wandrer geben;

Denn die Freude pflanzte dich.

Sie tanzen in einem bunten Reihen um den Baum. Die Musik des

Orchesters begleitet sie und geht allmaehlig in einen edlern Styl

ueber, waehrend dass man im Hintergrund den Genius mit den sieben

Goettinnen herabsteigen sieht. Die Landleute ziehen sich nach beiden

Seiten der Buehne, indem der Genius in die Mitte tritt und die drei

bildenden Kuenste sich zu seiner Rechten, die vier redenden und

musikalischen sich zu seiner Linken stellen.

Chor der Kuenste. Wir kommen von fernher,

Wir wandern und schreiten

Von Voelkern zu Voelkern,

Von Zeiten zu Zeiten;

Wir suchen auf Erden ein bleibendes Haus.

Um ewig zu wohnen

Auf ruhigen Thronen,

In schaffender Stille,

In wirkender Fuelle,

Wir wandern und suchen und finden's nicht aus.

Juengling. Sieh, wer sind sie, die hier nahen,

Eine goettergleiche Schaar!

Bilder, wie wir nie sie sahen;

Es ergreift mich wunderbar.

Genius. Wo die Waffen erklirren

Mit eisernem Klang,

Wo der Hass und der Wahn die Herzen verwirren,

Wo die Menschen wandeln im ewigen Irren

Da wenden wir fluechtig den eilenden Gang.

Chor der Kuenste. Wir hassen die Falschen,

Die Goetterveraechter;

Wir suchen der Menschen

Aufricht'ge Geschlechter;

Wo kindliche Sitten

Uns freundlich empfahn,

Da bauen wir Huetten

Und siedeln uns an!

Maedchen. Wie wird mir auf einmal!

Wie ist mir geschehn!

Es zieht mich zu ihnen mit dunkeln Gewalten;

Es sind mir bekannte, geliebte Gestalten,

Und weiss doch, ich habe sie niemals gesehn.

Alle Landleute. Wie wird mir auf einmal!

Wie ist mir geschehn!

Genius. Aber, still! da seh' ich Menschen,

Und sie scheinen hoch beglueckt;

Reich mit Baendern und mit Kraenzen,

Festlich ist der Baum geschmueckt.

-Sind dies nicht der Freude Spuren?

Redet! Was begibt sich hier?

Vater. Hirten sind wir dieser Fluren,

Und ein Fest begehen wir.

Genius. Welches Fest? O lasset hoeren!

Mutter. Unsrer Koenigin zu Ehren,

Der erhabnen, guetigen,

Die in unser stilles Thal

Niederstieg, uns zu begluecken,

Aus dem hohen Kaisersaal.

Juengling. Sie, die alle Reize schmuecken,

Guetig, wie der Sonne Strahl.

Genius. Warum pflanzt ihr diesen Baum?

Juengling. Ach, sie kommt aus fernem Land,

Und ihr Herz blickt in die Ferne!

Fesseln moechten wir sie gerne

An das neue Vaterland.

Genius. Darum grabt ihr diesen Baum

Mit den Wurzeln in die Erde,

Dass die Hohe heimisch werde

In dem neuen Vaterland?

Maedchen. Ach, so viele zarte Bande

Ziehen sie zum Jugendlande!

Alles, was sie dort verliess,

Ihrer Kindheit Paradies

Und den heil'gen Schooss der Mutter

Und das grosse Herz der Brueder

Und der Schwestern zarte Brust-

Koennen wir es ihr ersetzen?

Ist ein Preis in der Natur

Solchen Freuden, solchen Schaetzen?

Genius. Liebe greift auch in die Ferne,

Liebe fesselt ja kein Ort.

Wie die Flamme nicht verarmet,

Zuendet sich an ihrem Feuer

Eine andre wachsend fort-

Was sie Theures dort besessen,

Unverloren bleibt es ihr;

Hat sie Liebe dort verlassen,

Findet sie die Liebe hier.

Mutter. Ach, sie tritt aus Marmorhallen,

Aus dem goldnen Saal der Pracht.

Wir die Hohe sich gefallen

Hier, wo ueber freien Auen

Nur die goldne Sonne lacht?

Genius. Hirten, euch ist nicht gegeben,

In ein schoenes Herz zu schauen!

Wissen ein erhabner Sinn

Legt das Grosse in das Leben,

Und er sucht es nicht darin.

Juengling. O schoene Fremdlinge! lehrt uns sie binden,

O lehrt uns, ihr wohlgefaellig sein!

Gern wollten wir ihr duft'ge Kraenze winden

Und fuehrten sie in unsre Huetten ein!

Genius. Ein schoenes Herz hat bald sich heim gefunden,

Es schafft sich selbst, still wirkend, seine Welt.

Und wie der Baum sich in die Erde schlingt

Mit seiner Wurzeln Kraft und fest sich kettet,

So rankt das Edle sich, das Treffliche,

Mit seinen Thaten an das Leben an.

Schnell knuepfen sich der Liebe zarte Bande,

Wo man beglueckt, ist man im Vaterlande.

Alle Landleute. O schoener Fremdling! sag, wie wir sie binden,

Die Herrliche, in unsern stillen Gruenden?

Genius. Es ist gefunden schon, das zarte Band,

Nicht Alles ist ihr fremd in diesem Land;

Mich wird sie wohl und mein Gefolge kennen,

Wenn wir uns ihr verkuendigen und nennen.

(Hier tritt der Genius bis ans Proszenium, die sieben Goettinnen

thun das Gleiche, so dass sie ganz vorn einen Halbkreis bilden. In

dem Augenblick, wo sie vortreten, enthuellen sie ihre Attribute, die

sie bis jetzt unter den Gewaendern verborgen gehalten.)

Genius (gegen die Fuerstin).

Ich bin der schaffende Genius des Schoenen,

Und die mir folget, ist der Kuenste Schaar.

Wir sind's, die alle Menschenwerke kroenen,

Wir schmuecken den Palast und den Altar.

Laengst wohnten wir bei deinem Kaiserstamme,

Und sie, die Herrliche, die dich gebar,

Sie naehrt uns selbst die heil'ge Opferflamme

Mit reiner Hand auf ihrem Hausaltar.

Wir sind dir nachgefolgt, von ihr gesendet;

Denn alles Glueck wird nur durch uns vollendet.

Architektur (mit einer Mauerkrone auf dem Haupt, ein goldnes Schiff

in der Rechten).

Mich sahst du thronen an der Newa Strom!

Dein grosser Ahnherr rief mich nach dem Norden,

Und dort erbaut' ich ihm ein zweites Rom;

Durch mich ist es ein Kaisersitz geworden.

Ein Paradies der Herrlichkeit und Groesse

Stieg unter meiner Zauberruthe Schlag.

Jetzt rauscht des Lebens lustiges Getoese,

Wo vormals nur ein duestrer Nebel lag;

Die stolze Flottenruestung seiner Maste

Erschreckt den alten Belt in seinem Meerpalaste.

Sculptur (mit einer Victoria in der Hand).

Auch mich hast du mit Staunen oft gesehen,

Die ernste Bildnerin der alten Goetterwelt.

Auf einen Felsen-er wird ewig stehen-

Hab' ich sein grosses Heldenbild gestellt;

Und dieses Siegesbild, das ich erschaffen, (die Victoria zeigend)

Dein hoher Bruder schwingt's in maecht'ger Hand;

Es fliegt einher vor Alexanders Waffen,

Er hat's auf ewig an sein Heer gebannt.

Ich kann aus Thon nur Lebenloses bilden,

Er schafft sich ein gesittet Volk aus Wilden.

Malerei. Auch mich, Erhabne! wirst du nicht verkennen,

Die heitre Schoepferin der taeuschenden Gestalt.

Von Leben blitzt es, und die Farben brennen

Auf meinem Tuch mit gluehender Gewalt.

Die Sinne weiss ich lieblich zu betruegen,

Ja, durch die Augen taeusch' ich selbst das Herz;

Mit des Geliebten nachgeahmten Zuegen

Versuess' ich oft der Sehnsucht bittern Schmerz.

Die sich getrennt nach Norden und nach Sueden,

Sie haben mich-und sind nicht ganz geschieden.

Poesie. Mich haelt kein Band, mich fesselt keine Schranke,

Frei schwing' ich mich durch alle Raeume fort.

Mein unermesslich Reich ist der Gedanke,

Und mein gefluegelt Werkzeug ist das Wort.

Was sich bewegt im Himmel und auf Erden,

Was die Natur tief im Verborgnen schafft,

Muss mir entschleiert und entsiegelt werden,

Denn nichts beschraenkt die freie Dichterkraft;

Doch Schoenres find' ich nichts, wie lang ich waehle,

Als in der schoenen Form-die schoene Seele.

Musik (mit der Leier).

Der Toene Macht, die aus den Saiten quillet,

Du kennst sie wohl, du uebst sie maechtig aus.

Was ahnungsvoll den tiefen Busen fuellet,

Es spricht sich nur in meinen Toenen aus;

Ein holder Zauber spielt um deine Sinnen,

Ergiess' ich meinen Strom von Harmonien,

In suesser Wehmuth will das Herz zerrinnen,

Und von den Lippen will die Seele fliehn,

Und setz' ich meine Leiter an von Toenen,

Ich trage dich hinauf zum hoechsten Schoenen.

Tanz (mit der Cymbale).

Das hohe Goettliche, es ruht in ernster Stille,

Mit stillem Geist will es empfunden sein.

Das Leben regt sich gern in uepp'ger Fuelle;

Die Jugend will sich aeussern, will sich freun.

Die Freude fuehr' ich an der Schoenheit Zuegel,

Die gern die zarten Grenzen uebertritt;

Dem schweren Koerper geb' ich Zephyrs Fluegel,

Das Gleichmass leg' ich in des Tanzes Schritt.

Was sich bewegt, lenk' ich mit meinem Stabe,

Die Grazie ist meine schoene Gabe.

Schauspielkunst (mit einer Doppelmaske).

Ein Janusbild lass' ich vor dir erscheinen,

Die Freude zeigt es hier und hier den Schmerz.

Die Menschheit wechselt zwischen Lust und Weinen,

Und mit dem Ernste gattet sich der Scherz.

Mit allen seinen Tiefen, seinen Hoehen

Roll' ich das Leben ab vor deinem Blick.

Wenn du das grosse Spiel der Welt gesehen,

So kehrst du reicher in dich selbst zurueck;

Denn, wer den Sinn aufs Ganze haelt gerichtet,

Dem ist der Streit in seiner Brust geschlichtet.

Genius. Und Alle, die wir hier vor dir erschienen,

Der hohen Kuenste heil'ger Goetterkreis,

Sind wir bereit, o Fuerstin, dir zu dienen.

Gebiete du, und schnell, auf dein Geheiss,

Wie Thebens Mauer beider Leier Toenen,

Belebt sich der empfindungslose Stein,

Entfaltet sich dir eine Welt des Schoenen.

Architektur. Die Saeule soll sich an die Saeule reihn.

Sculptur. Der Marmor schmelzen unter Hammers Schlaegen.

Malerei. Das Leben frisch sich auf der Leinwand regen.

Musik. Der Strom der Harmonieen dir erklingen.

Tanz. Der leichte Tanz den muntern Reigen schlingen.

Schauspielkunst. Die Welt sich dir auf dieser Buehne spiegeln.

Poesie. Die Phantasie auf ihren maecht'gen Fluegeln

Dich zaubern in das himmlische Gefild!

Malerei. Und wie der Iris schoenes Farbenbild

Sich glaenzend aufbaut aus der Sonne Strahlen,

So wollen wir mit schoen vereintem Streben,

Der hohen Schoenheit sieben heil'ge Zahlen,

Dir, Herrliche, den Lebensteppich weben!

Alle Kuenste (sich umfassend).

Denn aus der Kraefte schoen vereintem Streben

Erhebt sich, wirkend, erst das wahre Leben.

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