IX Das Ding aus der Tiefe

Im Nachhinein wirkten die Ereignisse in Bigmans Erinnerung, als hätte er sie durch ein verkehrt herum gehaltenes Teleskop betrachtet. Ein weitentfernter Alptraum verwirrender Ereignisse.

Durch den plötzlichen Schlag war er gegen das Schott geschleudert worden. Alle Viere von sich gestreckt, lag er keuchend da; dieser Zustand dauerte in Wirklichkeit wahrscheinlich nur wenig mehr als eine Sekunde, kam ihm aber viel länger vor.

Der immer noch an den Instrumenten stehende Lucky rief: »Die Hauptgeneratoren sind ausgefallen.«

Bigman bemühte sich, auf dem geneigten Deck wieder auf die Beine zu kommen. »Was ist passiert?«

»Wir sind getroffen worden. Wie schlimm es uns erwischt hat, kann ich nicht sagen.«

»Die Beleuchtung funktioniert«, stellte Bigman fest.

»Ich weiß. Die Notgeneratoren haben sich eingeschaltet.«

»Wie steht es mit dem Hauptantrieb?«

»Ich bin mir nicht sicher. Ich versuche das gerade zu überprüfen.«

Irgendwo unter und hinter ihnen husteten die Maschinen heiser. Das sanfte Schnurren hatte aufgehört; an seine Stelle war dieses schwindsüchtige, rasselnde Geräusch getreten, das Bigman die Zähne zusammenbeißen ließ.

Die Hilda schüttelte sich wie ein waidwundes Tier und richtete sich wieder auf. Die Maschinen verstummten erneut.

Der Empfänger gab ein klagendes Echo von sich, und jetzt bekam Bigman seine Sinne soweit in die Gewalt, daß er versuchte, in die Nähe des Radiosenders zu kommen.

»Starr«, tönte es. »Lucky Starr! Hier spricht Evans. Bestätigen.«

Lucky war zuerst am Gerät. »Hier Lucky, was hat uns da getroffen?«

»Ist ganz egal«, konnte man die müde Stimme sagen hören. »Es wird dich nicht mehr belästigen. Es wird ihm genügen, dich hier hocken und sterben zu lassen. Warum bist du nicht weggeblieben? Ich habe dich doch so gebeten.«

»Ist dein Schiff außer Gefecht, Evans?«

»Ist seit zwölf Stunden außer Betrieb, kein Licht, kein Strom. gerade noch ein bißchen Saft, um das Radio in Gang zu halten, aber damit ist es auch bald zuende. Luftfilter zerstört, der Sauerstoffvorrat geht zur Neige. Leb' wohl, Lucky.«

»Kannst du raus?«

»Die Schleusenmechanik funktioniert nicht, ich habe zwar einen Taucheranzug, aber wenn ich versuche mich durchzuschweißen, würde ich zerschmettert.«

Bigman wußte, worauf Lou Evans anspielte und erschauderte. Schleusen an Unterwasserschiffen waren so konstruiert, daß das Wasser langsam in die Ausgleichskammer eindrang. Wenn man versuchte, eine Schleusentür auf dem Meeresgrund aufzuschweißen, um sich aus dem Schiff zu befreien, bedeutete das, daß der Wassereintritt unter hunderten von Tonnen Druck zustande kam. Selbst in einem Stahlanzug würde ein Mensch wie eine leere Konservendose unter der Einwirkung eines Preßlufthammers zerquetscht werden.

»Wir können noch manövrieren«, sagte Lucky. »Ich komme dich holen. Wir gehen Schleuse an Schleuse.«

»Danke, aber wozu? Wenn du dich rührst, wirst du wieder getroffen; und selbst wenn nicht, dann macht es kaum einen Unterschied, ob ich hier schnell sterbe, oder bei euch drüben etwas langsamer.«

Wütend erwiderte Lucky: »Wenn es sein muß, werden wir sterben, aber nicht eine Sekunde eher, als unbedingt sein muß. Jeder muß eines Tages sterben, das ist nicht zu verhindern. Aufgeben aber ist nicht zwangsläufig.«

An Bigman gewandt sagte er: »Mach', daß du in den Maschinenraum kommst und stell' fest, wie groß der Schaden ist. Ich will wissen, ob er zu beheben ist.«

*

Bigman konnte fühlen, wie das Schiff mühselig über den Meeresgrund kroch, und auch das heisere Knirschen der Motoren konnte er hören. Er befand sich im Maschinenraum, wo er mit Greifern, die glücklicherweise noch funktionierten, am »heißen« Mikromeiler herumfummelte. Einmal hörte er ein entferntes Dröhnen. Die Hilda stöhnte daraufhin auf, und ein Zittern lief durch ihre Verbände, als hätte ein großes Geschoß hundert Meter neben ihnen auf dem Meeresboden eingeschlagen.

Er merkte, wie das Schiff abstoppte, das Motorengeräusch sank zu einem rauhen Murmeln ab. Vor seinem geistigen Auge sah er, wie der Schleusenkammervorbau der Hilda ausgefahren wurde und sich hermetisch an den Rumpf des anderen Schiffes preßte. Sein Gefühl sagte ihm, daß das Wasser zwischen den beiden Schiffen aus der Röhre abgepumpt wurde, tatsächlich konnte er sehen, wie die Beleuchtung im Maschinenraum schwächer wurde, als der Energieabfluß aus den Notgeneratoren gefährlich stieg. Lou Evans würde trockenen Fußes von seinem Schiff zur Hilda kommen können, ohne eines künstlichen Schutzes zu bedürfen.

Bigman stieg auf die Brücke hinauf und fand Lou Evans und Lucky. Evans Gesicht wirkte unter den blonden Bartstoppeln müde und erschöpft. Es gelang ihm, Bigman ein wackeliges Lächeln zu schenken.

Lucky sagte gerade: »Erzähl' weiter, Lou.«

»Am Anfang war es nur eine wilde Spekulation, Lucky. Ich habe alle diese Leute, die in die seltsamen Unfälle verwickelt waren, durchleuchtet. Die Gemeinsamkeit, auf die ich dabei stieß, war, daß sie alle in V-Frösche vernarrt waren. Das sind mehr oder weniger alle Venusbewohner, aber die Betreffenden hielten sich jede Menge dieser Viecher in der Wohnung. Aber ich traute mich nicht so recht, diese Theorie vorzubringen, ohne einige Tatsachen in Händen zu halten, ich hätte wie ein Trottel dagestanden. Wenn ich es nur getan hätte. na, jedenfalls faßte ich den Plan, die V-Frösche dadurch zu überführen, daß sie Wissen von etwas verrieten, was nur in meinem eigenen Kopf vorhanden war und ansonsten nur ganz wenigen Leuten bekannt sein konnte.«

»Und da hast du dich für die Hefeunterlagen entschieden«, stellte Lucky fest.

»Das lag nahe. Ich mußte etwas in die Hand bekommen, das nicht allgemein bekannt war, oder wie hätte ich sonst einigermaßen sicher sein können, daß sie ihr Wissen von mir bezogen? Die Hefeunterlagen waren ideal. Als ich auf legalem Wege nicht drankam, habe ich einige Dokumente gestohlen. Ich lieh mir vom Hauptquartier einen der V-Frösche, stellte ihn samt seinem Aquarium neben mich und sah mir die Unterlagen an. Einiges habe ich sogar laut vorgelesen. Als keine zwei

Tage später in der Hefefabrik ein Unfall stattfand, bei dem es genau um die Sachen ging, die ich vorgelesen hatte, war ich restlos davon überzeugt, daß die V-Frösche hinter dem ganzen Schlamassel steckten. Allerdings.«

»Allerdings was?« wollte Lucky wissen.

»Allerdings war ich nicht schlau genug gewesen«, fuhr Evans fort. »Ich habe sie in meinen Kopf gelassen. Ich hatte regelrecht den roten Teppich ausgerollt und sie eingeladen hereinzuspazieren, und dann konnte ich sie nicht wieder los werden. Die Wachen kamen und schnüffelten nach den Unterlagen. Es war bekannt, daß ich im Gebäude gewesen war, also wurde ein sehr höflicher Agent vorbeigeschickt, um mich zu verhören. Ich habe die Unterlagen anstandslos wieder herausgegeben und versuchte meine Handlungsweise zu erklären. Ich konnte es nicht.«

»Du konntest es nicht? Wie meinst du das?«

»Ich konnte es nicht. Ich war physisch nicht dazu in der Lage. Die richtigen Worte kamen nicht über meine Lippen. Ich war außerstande, auch nur ein einziges Wort über die V-Frösche zu sagen. Ich bekam sogar ständig Anstöße, mich selbst zu töten, die konnte ich aber niederkämpfen. Sie bekamen mich nicht dazu, etwas zu tun, das meinem Wesen derartig fremd ist. Da dachte ich, wenn es mir nur gelänge, die Venus zu verlassen, wenn es möglich wäre, weit genug von den V-Fröschen wegzukommen, könnte ich ihre Macht über mich brechen. Also tat ich das Einzige, von dem ich annahm, daß es zu meiner augenblicklichen Abberufung führen würde: ich schickte die Korruptionsanklage gegen mich selbst ab, und unterschrieb mit >Morriss<.«

»Genau«, sagte Lucky grimmig, »soviel hatte ich mir schon gedacht.«

»Wie ist das möglich?« Evans sah überrascht aus.

»Morriss hat uns kurz nach unserer Ankunft in Aphrodite seine Version deiner Geschichte erzählt. Am Schluß sagte er, daß er dabei sei, seinen Bericht für das Hauptquartier abzufassen. Er hat nichts davon gesagt, daß er bereits einen geschickt hätte - nur das er einen vorbereitete. Es war aber eine Nachricht übermittelt worden, das wußte ich. Wer außer Morriss kannte den Ratscode und die Einzelheiten des Falles? Niemand außer dir.«

Evans nickte und sagte bitter: »Und statt mich abzuberufen, haben sie dich geschickt. Ist es so?«

»Ich habe darauf bestanden, Lou. Ich konnte nicht glauben, daß das mit der Korruptionsanschuldigung gegen dich mit rechten Dingen zuging.«

Evans vergrub das Gesicht in den Händen. »Das war das Schlimmste, was du tun konntest, Lucky. Als du gefunkt hast, du würdest kommen, bat ich dich doch wegzubleiben, oder etwa nicht? Ich konnte dir nicht sagen warum, dazu war ich nicht in der Lage. Aber die V-Frösche müssen aus meinen Gedanken gemerkt haben, war für ein großartiger Bursche du bist. Sie konnten meine Meinung über deine Fähigkeiten ablesen und machten sich daran, dich sterben zu lassen.«

»Sie hätten es beinahe geschafft«, murmelte Lucky.

»Diesmal werden sie es schaffen. Das tut mir herzlich leid, aber ich konnte mir selbst nicht helfen. Als sie den Mann an der Kuppelschleuse paralysierten, war ich nicht imstande, dem Impuls, zu fliehen und aufs Meer zu gehen, zu widerstehen. Und wie nicht anders zu erwarten, bist du mir gefolgt. Ich war der Köder, du das Opfer. Wieder habe ich versucht, dich abzuhalten, aber ich konnte keine Erklärung mitliefern. Ich konnte es nicht erklären.«

Er atmete einmal tief durch. »Aber jetzt kann ich darüber sprechen. Sie haben die geistige Sperre in meinem Kopf aufgehoben. Schätze, wir sind den geistigen Energieaufwand, den sie aufbringen müssen, nicht mehr wert, weil wir in der Falle sitzen, so gut wie tot sind und sie uns nicht mehr fürchten.«

Bigman hatte mit wachsender Verwirrung zugehört. Jetzt meldete er sich zu Wort: »Bei allen Marswüsten, was geht hier eigentlich vor? Warum sind wir so gut wie tot?«

Evans, das Gesicht immer noch in den Händen verborgen, antwortete nicht.

Nachdenklich und mit gerunzelter Stirn sagte Lucy: »Wir liegen unter einem Orangelappen, einem Orangelappen im Kingsize-Format.«

»Ein Lappen, der groß genug ist, um das Schiff zu bedecken?«

»Ein Lappen mit einem Durchmesser von drei Kilometern«, sagte Lucky. »Drei Kilometer! Was das Schiff beinahe zu Bruch gehen ließ, und das, was uns fast zum zweiten Mal getroffen hat, als wir uns auf Evans Schiff zu bewegten, war ein Wasserstrahl. Sonst gar nichts. Ein Wasserstrahl, mit der Wucht einer Wasserbombe.«

»Aber wie konnten wir unter den Lappen geraten, ohne es zu merken?«

»Evans glaubt, daß das Ungetüm unter dem Einfluß der V-Frösche steht, und ich gebe ihm darin Recht. Es könnte seine Fluoreszenz dadurch mindern, indem es die Lichtzellen auf der Haut zusammenzieht. Einen Zipfel seines Mantels könnte es angehoben haben, um uns hineinzulassen und nun sitzen wir drin.«

»Und wenn wir uns rühren oder versuchen, uns den Weg freizuschießen, brennt uns der Lappen wieder eins drauf, und ein Lappen zielt nie daneben.«

Lucky dachte einen Augenblick nach, dann sagte er plötzlich: »Aber ein Lappen schießt doch vorbei! Er hat uns verfehlt, als wir die Hilda auf dein Schiff zugesteuert haben und dabei haben wir nur ein Viertel der möglichen Fahrt gemacht.« Er wandte sich Bigman zu, und kniff dabei die Augen zusammen. »Bigman, sind die Hauptgeneratoren zu flicken?«

Bigman hatte die Maschinen fast vergessen. Er erholte sich und meinte: »Oh,. Das Gehäuse des Mikromeilers ist nicht abgerissen worden, demnach kann alles wieder in Stand gesetzt werden, vorausgesetzt, ich finde das nötige Werkzeug.«

»Wie lange wird es dauern?«

»Stunden wahrscheinlich.«

»Dann mach' dich an die Arbeit. Ich gehe ins Meer.«

Evans sah perplex auf und fragte ungläubig: »Wie meinst du das?«

»Ich kümmere mich um diesen Lappen.« Lucky stand bereits vor dem Spind mit den Taucheranzügen und war damit beschäftigt, zu überprüfen, ob die winzigen Kraftfeldversteifungen in Ordnung und mit ausreichend Reserven gespeist waren. Er sah nach, ob die Sauerstoffflaschen gefüllt waren.

Es war trügerisch friedlich draußen in der absoluten Dunkelheit. Die Gefahr schien weit weg zu sein. Lucky wußte jedoch, daß sich unter ihm der Meeresboden und über ihm in einem Umkreis von drei Kilometern eine geschlossene Glocke aus gummiartigem Fleisch befand.

Die Pumpe seines Tauchanzuges schickte einen Wasserstrahl nach unten, und er trieb langsam, die Waffe einsatzbereit in der Faust, nach oben. Über den Unterwasserblaster, den er in der Hand hielt, konnte man nur staunen. Auf der Erde, dem Heimatplaneten, war die Menschheit schon erfinderisch gewesen, aber es schien fast so, als ob die Notwendigkeit, sich den grausamen Umweltbedingungen eines fremden Planeten anpassen zu müssen, diese Fähigkeit noch verhundertfachte.

In der Vergangenheit hatte sich der neue Kontinent Amerika stürmisch in einer Pracht entwickelt, die die alte europäische

Welt nie hatte nachvollziehen können. Und jetzt zeigte die Venus der Erde ihre Fähigkeiten. Das waren zum Beispiel die Stadtkuppeln. Nirgends auf der Erde hätte man Kraftfelder und Stahl so geschickt miteinander verbinden können. Der Taucheranzug, den er trug, wäre niemals in der Lage gewesen, den Tonnendruck des Wassers auch nur für einen kurzen Moment auszuhalten, wären die Mikrofelder nicht, die die innere Verstärkung des Anzuges bewirkten. In vielerlei Hinsicht war der Anzug, den er trug, ein technologisches Wunderwerk. Die Rückstoßeinrichtung zur Fortbewegung, die ausgeklügelte Sauerstoffzufuhr, die handgerechten Steuergeräte, das alles war bewunderungswürdig.

Und erst die Waffe, die er in der Hand hielt!

Konzentriert richteten sich seine Gedanken auf das Ungeheuer über ihm. Das war ebenfalls eine Erfindung der Venus. Eine Erfindung der Venusevolution. Könnte es solche Wesen auf der Erde geben? Auf dem Lande sicher nicht. Lebendes Gewebe konnte ein größeres Gewicht als vierzig Tonnen unter den Schwerkraftverhältnissen auf der Erde nicht aushalten. Die riesigen Brontosaurierer im Mesozoikum der Erdgeschichte besaßen Beine wie Baumstämme, mußten sich aber dennoch im Sumpf aufhalten, damit das Wasser ihnen Auftrieb gab.

Das war die Antwort: die Auftriebskraft des Wassers. Im Meer konnten Lebewesen beliebiger Größe existieren. Auf der Erde gab es die Wale, Tiere, die größer waren als irgendein Saurier, der jemals gelebt hatte. Aber der ungeheuerliche Lappen über ihnen mußte an die, zweihundert Millionen Tonnen wiegen, schätzte Lucky. Er hätte gerne gewußt, wie alt das Ungetüm war. Wieviele Jahre mußte ein Wesen leben, um so schwer wie zwei Millionen Wale zu werden? Hundert? Tausend Jahre? Wer sollte das wissen?

Aber schiere Größe konnte auch gefährlich werden. Selbst im Meer. Je größer ein Lebewesen wurde, desto langsamer wurden seine Reaktionen. Nervenimpulse brauchten ihre Zeit, um anzukommen.

Evans war davon überzeugt gewesen, daß das Untier sie deswegen nicht mit einem zweiten Wasserstrahl getroffen hatte, nachdem es sie mit dem ersten Schuß angeschlagen hatte, weil es an ihrem künftigen Schicksal nicht weiter interessiert war, oder genauer gesagt, die V-Frösche, die den Riesenlappen kontrollierten, waren nicht mehr an ihnen interessiert. Aber das stimmte vielleicht gar nicht! Es konnte vielmehr so sein, daß das Ungeheuer Zeit brauchte, um seinen enormen Wassersack vollzusaugen. Es benötigte auch zum Zielen Zeit.

Darüber hinaus konnte das Monster kaum in bester Verfassung sein. Es war an größere Tiefen gewöhnt, dort, wo die Wasserschicht über ihm sechs oder mehr Meilen betrug. Hier, wo sie waren, mußten seine Fähigkeiten notwendigerweise eingeschränkt sein. Es hatte die Hilda beim zweiten Versuch verfehlt, das lag wahrscheinlich daran, daß es sich vom ersten Schuß noch nicht genügend erholt hatte.

Aber jetzt wartete das Ungeheuer nur darauf, der Wassersack füllte sich langsam, und es sammelte, so gut es in dem flachen Wasser ging, von dem es umgeben war, neue Kräfte. Und er, Lucky, ein Mensch von 180 Pfund, trat gegen ein Monster von zweihundert Millionen Tonnen an und würde es besiegen müssen.

Lucky schaute nach oben. Er konnte nichts erkennen. Er berührte einen Kontakt, am Innenfutter des linken Mittelfingers seines kraftfeldverstärkten Metallhandschuhs. Sofort schoß ein reinweißer Lichtstrahl aus der Metallfingerspitze. Er drang nach oben und verlor sich im Nichts. War da das andere Ende des Monsterkörpers, oder reichte sein Lichtstrahl nicht weiter?

Das Monster hatte dreimal geschossen. Einmal, und Evans Schiff war ein Trümmerhaufen gewesen. Beim zweitenmal war Luckys Schiff ordentlich durchgerüttelt worden. (Aber der Schaden war nur halb so schlimm, wurde das Monster etwa schwächer?) Der dritte Schuß war zu früh abgegeben worden und vorbeigegangen.

Lucky hob die Waffe. Es handelte sich um ein klobiges Gerät, mit einem dicken Griff. In diesem Griff war ein hundert Meilen langer Draht und ein winziger Generator untergebracht, der enorme Voltzahlen produzieren konnte. Er richtete sie nach oben und drückte ab.

Erst passierte nichts - aber Lucky wußte, daß der haarfeine Draht auslief und durch den kohlensäurereichen Ozean nach oben schoß.

Er traf, und da sah Lucky die Wirkung. Denn in dem Augenblick, als der Draht Kontakt herstellte, fuhr ein hochgespannter Stromstoß mit Lichtgeschwindigkeit hinauf und traf das Hindernis mit der Gewalt eines Blitzschlages. Der haarfeine Draht glühte hell auf und verwandelte alles in verdampfenden Schaum. Es war mehr als Dampf, denn das fremdartige Wasser brodelte und sprudelte infernalisch, als das gelöste Kohlendioxyd als Gas austrat. Lucky merkte, wie er in den entfesselten wilden Strömungen auf und ab tanzte.

Über dem Ganzen, über dem Dampfen und Sprudeln, über dem Rauschen des Wassers und der dünnen Feuerlinie die nach oben führte, stand ein explodierender Feuerball. Dort, wo der Draht ins Fleisch gedrungen war, war ein Brandfleck wütender Energie entstanden. Er sengte ein drei Meter großes und ein ebenso tiefes Loch in den lebenden Berg über ihm.

Lucky lächelte grimmig. In Relation zu der ungeheuren Körpermasse des Ungeheuers war das nur ein Nadelstich, aber der Lappen würde es schon spüren, wenn nicht sofort, dann aber in spätestens zehn Minuten. Die Nervenimpulse mußten erst den langen Weg um den ganzen Körper herum zurücklegen. Wenn dann der Schmerzreflex in dem kleinen Gehirn des Lebewesens ankam, würde es von dem hilflosen Schiff auf dem Meeresgrund abgelenkt werden, und sich seinem Peiniger zuwenden.

Aber das Monster wird mich nicht finden, dachte Lucky grimmig. In zehn Minuten würde er die Stellung gewechselt haben. In zehn Minuten.

Lucky dachte diesen Gedanken nie zuende. Es war noch nicht einmal eine Minute nach seinem Angriff vergangen, da schlug das Ungetüm auch schon zurück, als Luckys geschockten und gemarterten Sinne ihm meldeten, daß er hinabgetrieben wurde, hinab, hinab, immer tiefer hinab, inmitten eines reißenden Strudels wirbelnden Wassers.

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