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Panthermädchen sind gefährlich. Die Tatsache, daß wir nur zehn Kämpfer waren und daß Verna etwa fünfzehn Mädchen zur Verfügung hatte, die mit ihren Waffen verteufelt gut umzugehen verstanden, bestimmte die Art unseres Vorgehens.

Ich hatte keine große Truppe in den Wald führen wollen, deren Bewegungen sich kaum verheimlichen ließen. Außerdem wollte ich eine volle Garnison bei der Tesephone zurücklassen, um das Schiff gegen jede mögliche Gefahr am Fluß zu schützen. Ursprünglich hatte ich nur fünf Leute mitnehmen wollen, doch als Arn und seine Männer im Lager eintrafen, bezog ich sie in meine Pläne ein. Gesetzlose kennen sich im Wald aus und wissen sich wie die Panthermädchen schnell und geräuschlos zu bewegen. Da wir die Überraschung auf unserer Seite hatten und überdies nach einem guten Plan vorgingen, mochte meine Truppe ausreichen. Ich lächelte. Vielleicht war es die Arroganz des Goreaners, die mich zu diesem Entschluß gebracht hatte. Je weniger Männer man zur Gefangennahme von Sklaven braucht, desto größer der Ruhm.

Wir hatten die verschiedenen Möglichkeiten durchgesprochen. Dabei hatten wir eine der einfachsten und gefahrlosesten Methoden sofort ausgeschlossen – die Belagerung der Mädchen, bis sie von Hunger und Durst geschwächt ihre Waffen über die Palisaden werfen und herauskommen. Wir haben auch den Plan verworfen, die Palisaden anzuzünden, um die Mädchen zu zwingen, einen Ausfall zu machen. Doch dabei ist die Gefahr gegeben, daß sich das Feuer auf den Wald ausweitet – und davor haben die Goreaner große Angst. Nicht so sehr wegen der Gefahr für sie selbst, sondern wegen der Zerstörung ihres geliebten Waldes. Den Goreanern liegt ihre Welt am Herzen. Sie lieben den Himmel, die Ebenen, das Meer, den Regen im Sommer und den Schnee im Winter. Oft bleiben diese Menschen plötzlich stehen und beobachten die Wolken oder die Bewegung des Grases im Wind. Ich habe Krieger gekannt, die die Schönheit einer Blume mit Versen zu preisen wußten. Ich selbst wäre ungern für die Vernichtung eines goreanischen Waldes verantwortlich gewesen.

»Nein«, sagte ich entschieden. »Feuer benutzen wir nicht.« Wir hatten gerade Spätsommer, und die Feuersgefahr war besonders groß.

Arn und seine Männer stimmten mir zu.

Eine weitere Möglichkeit wäre gewesen, in das Lager einzudringen und die Panthermädchen im Schutz der Dunkelheit nacheinander zu überwältigen. Doch das erforderte große Geschicklichkeit. Das leiseste Geräusch könnte die ganze Bande alarmieren, und einzelne Mädchen könnten fliehen.

So hatten wir uns für einen einfachen Angriffsplan entschieden, der sich das erste Licht des Tages zunutze machte. Wir wollten die Mädchen überrumpeln, ehe sie erwacht waren. Dabei sollten Sleennetze eingesetzt werden, die jeweils mehrere Mädchen zugleich ausschalten konnten.

Vorsichtig umkreisten wir nun das Lager, um etwaige Wächterinnen auszuschalten.

Doch wir fanden niemanden in der Umgegend. Auch innerhalb der Palisade schien sich keine Wache aufzuhalten.

»Ihre Sorglosigkeit ist unglaublich«, flüsterte Arn.

Wir krochen zum Tor. Aufmerksam studierte ich dort den Knoten, der das Schloß bildete. Als ich ihn schließlich auswendig wußte – es war kein Signalknoten –, öffnete ich ihn und ließ meine Männer einen nach dem anderen ins Lager schleichen.

Wir rollten die Sleennetze aus. Der Boden war taufeucht. Es war kühl im Wald. In meiner Nähe machte ich Arn aus.

Bald brach die erste Morgendämmerung an, und der Tau begann auf den Blättern und Grashalmen zu schimmern. Ich nickte Arn und den anderen zu.

Er stieß einen schrillen Pfiff aus, und meine Männer und ich stürmten durch die Türöffnungen der Hütten und warfen unsere Sleennetze.

Ich stieß einen Wutschrei aus. Wir hatten nichts gefangen. Unsere Hütte war leer.

Gleich darauf erklangen andere überraschte Rufe. »Sie sind fort!« sagte jemand.

»Das Lager ist verlassen!« rief ein Mann.

Wir sahen uns an. Arn rannte wutschnaubend herum und spähte in alle Hütten.

»Seht euch draußen um«, sagte ich zu zwei Männern. »Aber beeilt euch.«

Arn schüttelte besorgt den Kopf. Meine Kämpfer begriffen, daß wir nun selbst in diesem Lager gefangen waren, das als Falle gegen uns verwendet werden konnte.

Die beiden Kundschafter eilten los.

Ich nahm nicht an, daß die Panthermädchen draußen im Wald auf der Lauer lagen, denn wir hatten uns vorher sorgfältig umgesehen. Doch wollte ich kein Risiko eingehen. Wahrscheinlich war Vernas Bande ahnungslos und aus bestimmten Gründen vor dem Morgengrauen abgerückt, um eigene Pläne zu verfolgen. Vielleicht hatten sie von Huras Vorrücken erfahren und gedachten rechtzeitig etwas zu unternehmen.

Einer der beiden Kundschafter kehrte zurück. »Keine Spur von den Panthermädchen«, meldete er.

Arn und seine Männer atmeten auf.

»Sie kommen aber zurück«, sagte ich. »Das Lager ist nicht aufgegeben worden.«

»Was tun wir jetzt?« wollte Arn wissen.

»Abwarten«, erwiderte ich.

Einer der Männer sah sich um. »Ka-la-na«, sagte er und deutete in eine Ecke der Hütte.

Dort lagen sechs Flaschen Ka-la-na-Wein. Er ging hinüber und hob sie hoch. »Aus den Weingärten Ars«, sagte er und pfiff durch die Zähne. »Ein guter Tropfen.«

»Wollen wir morgen früh wiederkommen?« wandte sich einer meiner Männer an mich.

»Vielleicht.« Mir gefiel jedoch der Zeitverlust nicht. Ich wußte nicht, wie lange Hura und ihre Bande brauchten, um diesen Teil des Waldes zu erreichen. Und wenn nun Verna und ihre Mädchen heute abend zurückkehrten und morgen ganz früh wieder aufbrachen?

»Ich habe einen besseren Vorschlag«, sagte Arn.

»Du willst im Lager bleiben«, sagte ich, »und sie überraschen.«

»Ja«, sagte Arn.

Die anderen nickten begeistert und sahen mich erwartungsvoll an. Ja, die Mädchen rechneten bestimmt nicht damit, in ihrem eigenen Lager erwartet zu werden. Außerdem wußten wir nicht, aus welcher Richtung sie zurückkehren würden, so daß wir ihnen im Wald keinen Hinterhalt legen konnten.

Ich nickte. »Gut. Wir warten im Lager.« Es war Spätnachmittag. Wir hatten von den Vorräten gegessen, die wir mitgebracht hatten, und auch von dem Trockenfleisch und Brot, die in den Hütten gelagert waren.

Es war ein heißer Tag. Arn kaute auf einem Stück trockenem Sa-Tarna-Brot herum. Er spülte es mit einem Schluck aus seiner Flasche hinunter, die er unten am Fluß gefüllt hatte.

»Panthermädchen kehren gewöhnlich mit der Abenddämmerung ins Lager zurück«, sagte einer von Arns Männern.

»Dann haben wir ja noch zwei Ahn Zeit«, bemerkte ich.

»Ich habe seit über einem Jahr keinen Ka-la-na-Wein aus Ar mehr getrunken«, sagte Arn und verzog das Gesicht.

»Ich auch nicht«, fiel einer seiner Männer ein.

Es war wirklich ein vorzüglicher Ka-la-na. Auch mir ließ der Gedanke an den Wein keine Ruhe.

»Kapitän?« fragte einer meiner Männer.

»Na gut«, willigte ich ein.

Die Panthermädchen würden wahrscheinlich erst in zwei Ahn auftauchen.

Einer von Arns Männern zog den Korken aus einer Flasche und setzte sie an die Lippen. »Köstlich!« sagte er.

»Wir machen nur diese eine Flasche auf!« ermahnte ich sie. »Die anderen bleiben für später.«

Die Männer durften sich nicht betrinken – unser Plan hatte Vorrang.

Zwei meiner Männer, die gleich darauf die Wache im Wald ablösen sollten, tranken aus der Flasche und verschwanden. Auch Arn bekam seinen Teil und gab die Flasche weiter. Gleich darauf traten die beiden Männer ein, die bis eben im Wald gewacht hatten. Auch sie durften sich an dem Wein erfrischen. Schließlich war kaum noch etwas übrig.

»Kapitän«, sagte einer meiner Männer und reichte mir die Flasche.

Ich legte den Kopf zurück und trank aus. Der Wein schmeckte bitter, doch er hatte die Wärme und Qualität besten Ka-la-na-Weins aus Ar.

Ich schlenderte zum Eingang der Hütte und schaute hinaus. Die Sonne stand noch hoch in den Bäumen. Noch etwa eine Stunde bis zum Beginn der Dämmerung.

Ich drehte mich um und wollte in die Hütte zurückkehren. Auf der Schwelle stolperte ich. Mit der Hand krallte ich mich am Türpfosten fest.

»Wir sind die größten Trottel, die man sich vorstellen kann!« brüllte ich.

Arn starrte mich blinzelnd an. Der Mann, der die Ka-la-na-Flasche geöffnet und als erster getrunken hatte, krümmte sich am Boden. »Ich kann nichts mehr sehen!« kreischte einer meiner Männer. »Ich bin blind!« Arn rappelte sich auf und brach in die Knie.

»Flieht!« brüllte ich. »Flieht!«

Stolpernd verließen wir die Hütte. Links von mir sah ich ein schweres Netz, das über einen Mann geworfen wurde. Panthermädchen riefen durcheinander und verständigten sich durch Zurufe.

Ich schüttelte den Kopf und wich zurück. »In die Hütte!« befahl ich.

Am Tor standen vier Panthermädchen mit Speeren. Dort war die Flucht unmöglich.

Arn sank wieder in die Knie. Ich zog ihn hoch und stolperte mit ihm durch die Hütte. Draußen war einer meiner Männer bewußtlos zu Boden gesunken. Ein anderer kämpfte verzweifelt gegen ein Netz, bedrängt von einem Panthermädchen. Ein dritter lag auf dem Bauch und wurde mit schnellen Bewegungen von zwei Gesetzlosen gefesselt.

Mit einem Wutschrei trat ich die Rückwand der Hütte ein und stolperte zu den angespitzten Pfählen hinüber, die dahinter die Außenwand des Lagers bildeten.

Ich griff nach unten, packte mit beiden Händen zu und ruckelte einen der Pfähle los.

Gleich darauf zwängte ich mich durch die Öffnung, gefolgt von Arn.

»Sie fliehen!« hörte ich einen Schrei. »Zwei fliehen!«

Ich zerrte Arn mit und folgte einem Weg zwischen den Bäumen. Die Mädchen begannen uns schreiend zu verfolgen.

Arn stürzte.

»Steh auf!« brüllte ich. »Los, steh auf!« Ich schlug ihm ins Gesicht und zerrte ihn hoch.

Doch plötzlich hörte ich ein metallenes Schnappen neben mir. Arn stieß einen Schmerzensschrei aus und fiel nach vorn. Um sein rechtes Fußgelenk zogen sich die scharfen Stahlbänder einer Sklavenfalle.

Ich wußte, daß er verloren war. Trotzdem zerrte ich verzweifelt an der schweren Kette des Geräts, die zu einem tief eingerammten Pfosten führte. Hoffnungslos.

Ich warf Arn einen letzten Blick zu und stolperte weiter. Dabei verlor ich immer mehr die Orientierung. Ich rannte gegen einen Baum, brach mir durch das Unterholz Bahn. Mir war schwindlig, und ich konnte kaum noch etwas sehen. Ich weiß nicht mehr, wie weit ich gekommen bin. Jedenfalls lag ich plötzlich am Boden und versuchte mir einzureden, ich müßte unbedingt wieder aufstehen.

Doch ich schaffte es nicht mehr.

Als ich die Augen öffnete, sah ich die Füße mehrerer Panthermädchen neben mir. Dann verlor ich das Bewußtsein.

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