7 Gebet

Eine Woche lang arbeitete Nafai jeden Tag mit Issib. Sie schliefen jede Nacht in Mutters Haus – sie hatten nicht um Erlaubnis gefragt, aber andererseits hatte Mutter sie auch nicht fortgeschickt. Es war eine anstrengende Woche, weniger, weil die Arbeit so schwer war, sondern weil die Einmischungen der Überseele so schmerzhaft waren. Doch Issib behielt tatsächlich recht. Man konnte dagegen angehen; und obwohl Nafais widerwillige Reaktion darauf stärker war, als es bei Issib der Fall gewesen war, kam er schneller darüber hinweg – hauptsächlich, weil Issib ihm half, ihm versicherte, daß sie eine würdige Aufgabe erfüllten, und ihn immer wieder daran erinnerte, worum es ging.

Allmählich bekamen sie ein ziemlich klares Bild davon, was die Menschheit einmal gehabt und daß die Überseele lange mit Erfolg verhindert hatte, daß sie diese Errungenschaften erneut erfand.

Ein Kommunikationssystem, über das ein Mensch ohne Zeitverlust und direkt mit einer Person in einer anderen Stadt sprechen konnte.

Maschinen, mit denen man Kunst und Spiele und Geschichten empfangen konnte, die durch die Luft gesendet wurden, nicht nur von einer Bibliothek zur anderen, sondern direkt in die Häuser der Menschen.

Maschinen, die ohne Pferde schnell über den Boden fuhren.

Maschinen, die flogen, nicht nur durch die Luft, sondern ins Weltall. »Natürlich muß es Maschinen geben, mit denen man durch den Weltraum fliegen kann. Wie wären wir sonst von der Erde nach Harmonie gelangt?« Doch bis er sich den Weg durch die Abneigung freigekämpft hatte, hatte Nafai sich niemals so etwas vorstellen können.

Und die Waffen des Krieges: Sprengstoff. Geschosse. Einige so klein, daß man sie in der Hand halten konnte. Andere so schrecklich, daß sie ganze Städte verwüsten, ja sogar ganze Planeten verbrennen konnten, wenn Hunderte von ihnen gleichzeitig zum Einsatz kamen. Krankheiten mit tödlichem Ausgang. Giftige Gase. Seismische Spalter. Raketen. Mit Waffen gespickte Stationen im Orbit. Viren, die Gene zerstörten.

Das Bild, das sie herausarbeiteten, war schön und schrecklich zugleich.

»Jetzt verstehe ich, warum die Überseele uns das antut«, sagte Nafai. »Um uns vor diesen Waffen zu bewahren. Aber die Kosten, Issja. Die Freiheit, die wir aufgegeben haben.«

Issib nickte nur. »Wenigstens hat die Überseele uns einiges gelassen. Die Fähigkeit, Energie von der Sonne zu bekommen. Computer. Bibliotheken. Kühlschränke. Alle Küchenmaschinen, die Treibhäuser. Die Magnetvorrichtungen, die meine Schweber ermöglichen. Und wir haben einige ziemlich ausgeklügelte Handwaffen. Elektrische Klingen. Und Pulsatoren. Damit große, starke Menschen keinen besonderen Vorteil kleineren, schwächeren gegenüber haben. Die Überseele hätte uns alles nehmen können. Stein- und Metallwerkzeuge. Nichts mit den beweglichen Teilen. Wir hätten Bäume verbrennen müssen, um Wärme zu bekommen.«

»Dann wären wir keine Menschen mehr.«

»Mensch ist Mensch«, sagte Issib. »Aber die Zivilisation – das ist das Geschenk der Überseele. Zivilisation ohne Selbstvernichtung.«

Sie versuchten einmal, es Mutter zu erklären, doch es führte zu nichts. Sie verstand einfach nicht, wovon sie sprachen, und verabschiedete sich mit einem fröhlichen, kleinen Scherz darüber, wie schön es doch sei, daß sie trotz des Altersunterschiedes Freunde sein und diese Spielchen treiben könnten. Eine Gelegenheit, mit Vater zu sprechen, bot sich nicht.

Doch eine Person gab es, die sich für sie interessierte.

»Warum kommt ihr nicht mehr zum Unterricht?« fragte Huschidh.

Sie setzte sich neben Nafai auf die Treppe und biß in ihr Käsebrot. Ein großer Biß, nicht der delikate kleine Happen, den Eiadh abgebissen hätte. Obwohl Mutter all ihren Schülerinnen beizubringen versuchte, beim Essen den Mund zu benutzen und nicht die gezierten kleinen Bisse zu nehmen, die heutzutage unter den jungen Frauen Basilikas Mode waren. Huschidh interessierte es nicht, ob Nafai ihren Gehorsam Mutter gegenüber attraktiv fand.

»Ich arbeite mit Issib an einem Projekt.«

»Die anderen Schüler behaupten, du versteckst dich«, sagte Huschidh.

Verstecken. Weil Vater plötzlich so berühmt-berüchtigt und kontrovers war. »Ich schäme mich meines Vaters nicht.«

»Natürlich nicht«, sagte Huschidh. »Sie behaupten, daß du dich versteckst. Ich nicht.«

»Und was tue ich deiner Meinung zufolge? Oder hat die Überseele es dir verraten?«

»Ich bin eine Entwirrerin«, sagte sie, »und keine Seherin.«

»Richtig. Das hatte ich vergessen.« Als ob er sich merken würde, was für eine Hexe sie war.

»Die Überseele muß mir nicht sagen, wie du dich in die Welt einwebst.«

»Weil du es sehen kannst.«

Sie nickte. »Und du bist sehr tapfer.«

Er sah sie konsterniert an. »Ich sitze mit Issja in der Bibliothek.«

»Du webst dich in die schwächste der streitenden Parteien Basilikas ein, und doch ist es die beste von ihnen. Es ist die, die gewinnen müßte, wenngleich sich niemand vorstellen kann, wie ihr das gelingen sollte.«

»Ich gehöre keiner Partei an.«

Sie nickte. »Wenn du die Wahrheit nicht hören willst, spreche ich nicht weiter.«

Als wäre sie der Quell der unwiderstehlichen Weisheit.

»Ich höre mir sogar an, wie ein Schwein furzt, solange es die Wahrheit ist«, sagte Nafai.

Augenblicklich sprang sie auf und ging davon.

Das war wirklich dumm, tadelte sich Nafai. Sie will dir nur helfen, und du reißt einen blöden Witz darüber. Er stand auf und folgte ihr. »Es tut mir leid«, sagte er.

Sie zuckte vor ihm zurück.

»Ich mache immer so blöde Witze«, sagte er. »Das ist eine schlechte Angewohnheit, aber ich habe es nicht so gemeint. Es ist nicht so, als wüßte ich nicht selbst, daß es die Überseele wirklich gibt.«

»Ich weiß, daß du es weißt«, sagte sie kühl. »Aber offensichtlich bedeutet das Wissen um die Existenz der Überseele nicht, daß man automatisch Grips, Freundlichkeit oder auch nur Anstand hat.«

»Ich habe es verdient, und auch noch die nächsten drei Gehässigkeiten, die du dir ausdenkst.« Nafai trat um sie herum und sah sie an. Diesmal wandte sie sich nicht ab.

»Ich sehe Muster«, sagte sie. »Ich sehe, wie die Dinge zusammenpassen. Ich sehe, wo du allmählich hineinpaßt. Du und Issib.«

»Ich habe nicht verfolgt, was in der Stadt so vor sich geht«, sagte Nafai. »Ich war mit dem Projekt beschäftigt, an dem wir arbeiten. Ich weiß wirklich nicht, wie die Dinge stehen.«

»Es hat dich ermüdet«, sagte sie.

»Ja«, sagte Nafai. »Ich glaube schon.«

»Gaballufix ist der Mittelpunkt der einen Partei«, sagte sie. »Sie ist die stärkste, aus mehr als einem Grund. Es geht nicht mehr nur um die Kriegswagen oder um die Allianz mit Potokgavan. Es geht um die Männer. Besonders um Männer von außerhalb der Stadt. Also hat er eine große Gefolgschaft, aber er ist auch stark, weil seine Männer sich mit Gewalt durchsetzen.«

Nafai fielen Gespräche ein, die er bei den Mahlzeiten aufgeschnappt hatte. Über die Tolschocks, Männer, die auf der Straße grundlos Frauen niederschlugen. »Seine Männer sind die Tolschocks?«

»Er streitet es ab. Er behauptet sogar, er würde seine Soldaten auf die Straßen Basilikas schicken, um die Frauen vor den Tolschocks zu schützen.«

»Soldaten?«

»Offiziell die Miliz des Palwaschantu-Klans. Aber sie gehorchen ausschließlich Gaballufix, und der Klans-Rat war nicht imstande, eine Versammlung einzuberufen und darüber zu diskutieren, wie die Miliz eingesetzt werden soll. Du bist ein Palwaschantu, nicht wahr?«

»Ich bin noch zu jung für die Miliz.«

»Es ist keine echte Miliz mehr«, sagte sie. »Es sind gedungene Männer von außerhalb der Mauern, Männer der hoffnungslosen Art, und sehr wenige von ihnen sind wirklich Palwaschantu. Gaballufix bezahlt sie. Und er bezahlt auch die Tolschocks.«

»Woher weißt du das?«

»Man hat mich herumgestoßen. Ich habe die Soldaten gesehen. Ich weiß, wie sie zusammenpassen.«

Weitere Hexenkunst. Aber wie konnte er es bezweifeln? Hatte er nicht den Einfluß der Überseele gespürt, wann immer er an die verbotenen Wörter gedacht hatte? Ihm brach der Schweiß aus, wenn er nur daran dachte, was er in der vergangenen Woche durchgemacht hatte. Warum also sollte Huschidh nicht einfach einen Soldaten und einen Tolschock ansehen können und diese Dinge über sie wissen? Warum konnten Kamele nicht fliegen? Jetzt war alles möglich.

Bis auf die Tatsache, daß der Einfluß der Überseele schwächer wurde. Hatten er und Issib ihre Macht nicht überwunden, um über verbotene Dinge nachdenken zu können?

»Und du weißt, daß ich nicht zu ihnen gehöre.«

»Im Gegensatz zu deinen Brüdern.«

»Sie sind Tolschocks?«

»Sie gehören zu Gaballufix. Issib natürlich nicht; aber Elemak und Mebbekew.«

»Woher kennst du sie? Sie waren nie hier – sie sind nicht Mutters Söhne.«

»Elemak war diese Woche mehrmals hier«, sagte Huschidh. »Wußtest du das nicht?«

»Was hat er denn hier zu suchen?« Aber Nafai wurde es sofort klar. Ohne imstande zu sein, den Gedanken selbst zu denken, wußte er genau, weshalb Elemak Rasas Haushalt aufgesucht hatte. Mutter hatte in der Stadt ein sehr hohes Ansehen; ihre Nichten wurden von vielen Männern umworben, und Elemak war in einem Alter – nun ja, eigentlich in dem Alter –, in dem man sich ernsthaft nach einer Gefährtin umsehen mußte, wenn man einen Erben zeugen wollte.

Nafai sah sich auf dem Hof um, auf dem viele Mädchen und ein paar Jungen ihr Mittagessen zu sich nahmen. Alle Schüler von außerhalb waren fort, und die jüngeren Kinder aßen früher. Also waren die meisten Mädchen hier potentielle Gefährtinnen, einschließlich ihrer Nichten, falls Rasa sie freigeben sollte. Welcher galt Elemak Interesse?

»Eiadh«, flüsterte er.

»Davon kann man ausgehen«, sagte Huschidh. »Ich bin es bestimmt nicht.«

Nafai betrachtete sie überrascht. Natürlich war sie es nicht. Dann wurde er verlegen; was, wenn sie merkte, wie lächerlich es ihm vorgekommen war, daß sein Bruder sie begehren mochte.

Doch Huschidh fuhr fort, als habe sie seine stumme Beleidigung nicht einmal bemerkt. Bestimmt wußte sie, wie sehr Nafai die Vorstellung verletzen würde, Elja könnte um Eiadh werben. »Als dein Bruder kam, wußte ich sofort, daß er Gaballufix sehr nahe steht. Ich bin sicher, daß diese Sache Tante Rasa großes Leid verursacht, denn sie weiß, daß Eiadh ihn akzeptieren wird. Dein Bruder hat ein großes Prestige.«

»Sogar, nachdem Vaters Visionen solch einen Skandal verursacht haben?«

»Er gehört zu Gaballufix«, sagte Huschidh. »In der Partei der Männer – jene, die Gaballufix wohlwollend gegenüberstehen – ist Elemak um so besser gelitten, je schlechter dein Vater dasteht. Denn wenn deinem Vater etwas zustoßen würde, wäre Elemak ein sehr reicher und mächtiger Mann.«

Ihre Worte gaben Nafais schlimmsten Befürchtungen um seinen Bruder neue Nahrung. Doch der Gedanke war ungeheuerlich. »Gaballufix will, daß Elemak Einfluß auf Vater nimmt, mehr nicht.«

Huschidh nickte. Doch wollte sie ihm damit zustimmen oder nur zum Schweigen bringen, damit sie mit dem fortfahren konnte, was sie zu sagen hatte? »Die andere starke Partei besteht aus Roptats Leuten. Man nennt sie nun die Partei der Frauen, obwohl sie auch von einem Mann geführt wird. Sie wollen sich mit den Gorajni verbünden. Und sie wollen auch allen Männern das Wahlrecht nehmen, abgesehen von denen, die vor kurzem eine Verbindung mit einer Bürgerin eingegangen sind, und durchsetzen, daß alle Männer ohne Gefährtinnen die Stadt jeden Abend bei Sonnenuntergang verlassen müssen und erst bei der Morgendämmerung zurückkehren dürfen. Das ist ihre Lösung für das Problem mit den Tolschocks – und auch für das mit Gaballufix. Sie haben eine breite Anhängerschaft – unter verheirateten Männern und Frauen.«

»Ist das die Gruppe, der Vater angehört?«

»Alle Mitglieder der Partei der Männer denken dies, doch Roptats Leute wissen es besser.«

»Und aus wem besteht die dritte Gruppe?«

»Sie nennt sich die Stadt-Partei, ist aber in Wirklichkeit die Partei der Überseele. Sie weigern sich, sich mit irgendeiner kriegsführenden Nation zu verbünden. Sie wollen zu den alten Gebräuchen zurückkehren, um den See zu schützen und um aus Basilika wieder eine Stadt zu machen, die über der Politik und allen Konflikten steht. Um den großen Reichtum der Stadt zu verschenken und ein einfaches Leben zu führen, damit keine andere Nation den Drang verspürt, uns zu beherrschen.«

»Dem wird niemand zustimmen.«

»Du irrst dich«, sagte sie. »Dem stimmen viele zu. Dein Vater und Tante Rasa haben fast alle Frauen aus den See-Bezirken hinter sich gebracht.«

»Aber das ist doch kaum jemand. Nur eine Handvoll Menschen wohnen im Spaltental.«

»Sie haben ein Drittel der Ratsstimmen.«

Nafai dachte darüber nach. »Ich glaube, das ist sehr gefährlich für sie«, sagte er.

»Warum glaubst du das?«

»Weil ihnen nur die Tradition Rückhalt gibt. Je mehr sich Gaballufix gegen die Tradition wendet, je mehr Angst er den Leuten mit Tolschocks und Soldaten einjagt, um so mehr Leute werden fordern, daß irgendetwas geschieht. Und Vater und Mutter verhindern lediglich, daß irgend jemand eine Mehrheit im Rat bekommt. Sie verhindern, daß Roptat Gaballufix aufhalten kann.«

Huschidh lächelte. »Du bist wirklich sehr gut darin.«

»Politik ist eins meiner bevorzugten Unterrichtsfächer.«

»Du hast die Gefahr erkannt. Aber du hast mir nicht gesagt, wie wir aus ihr herauskommen.«

»Wir?«

»Basilika.«

»Nein«, sagte Nafai. »Du hast gesagt, du wüßtest, zu welcher Partei ich gehöre.«

»Zu der Partei der Überseele natürlich«, sagte sie.

»Das weißt du nicht. Das weiß noch nicht einmal ich. Ich bin mir nicht sicher, ob mir gefällt, wie die Überseele uns manipuliert.«

Huschidh schüttelte den Kopf. »Vielleicht wirst du die Entscheidung in deinem Geist erst in vielen Tagen treffen, doch die in deinem Herzen hast du bereits betroffen. Du lehnst Gaballufix ab. Und es zieht dich zur Überseele.«

»Du irrst dich«, sagte Nafai. »Ich meine, ja, es zieht mich zur Überseele, Issib hat diesen Entschluß schon vor langem getroffen, und er hat gute Gründe. Trotz aller geheimen Manipulationen des Verstands der Leute wäre es noch gefährlicher, die Überseele abzulehnen. Aber das heißt nicht, daß ich bereit bin, Basilikas Zukunft in die Hände der winzigen Minderheit der verrückten religiösen Fanatikerinnen zu legen, die im Spaltental wohnen und ständig Visionen haben.«

»Wir sind diejenigen, die der Überseele nahe stehen.«

»Die ganze Welt hat die Überseele in ihren Gehirnen«, sagte Nafai. »Näher kann man ihr nicht stehen.«

»Wir sind diejenigen, die die Überseele wählen«, beharrte Huschidh. »Und nicht die ganze Welt hat sie in ihren Gehirnen, oder sie hätten niemals damit angefangen, weit entfernte Nationen mit Krieg zu überziehen.«

Einen Augenblick lang fragte sich Nafai, ob auch sie irgendwie herausgefunden hatte, wie die Überseele bis vor kurzem die Entdeckung des Kriegswagens blockiert hatte. Dann begriff er, daß sie natürlich an das siebente Kodizil dachte: »Du hast keinen Disput mit der Nachbarin der Nachbarin deiner Nachbarin; wenn sie streitet, bleibe zu Hause und schließe dein Fenster.« Das hatte man lange als Verbot interpretiert, sich in Allianzen oder Auseinandersetzungen mit so weit entfernten Nationen zu verstricken, daß der Ausgang dieses Konfliktes keine Rolle für einen spielte. Nafai und Issib kannten den Sinn und Ursprung dieses Gesetzes und die Weise, wie die Überseele es in den Köpfen der Menschen durchgesetzt hatte. Doch für Huschidh war es das Gesetz selbst, das all diese Jahrtausende lang Unterwerfungskriege verhindert hatte. Einmal davon abgesehen, daß viele Nationen versucht hatten, Imperien zu schaffen, und nur auf Grund des Mangels an effizienten Reise- und Kommunikationsmöglichkeiten daran gescheitert waren.

»Ich verstehe dich nicht«, sagte Nafai. »Man kann die Uhr nicht zurückdrehen.«

»Wenn man das nicht kann«, sagte sie, »sind wir bereits so gut wie am Ende.«

»Vielleicht«, sagte Nafai. »Angenommen, Roptat gewinnt. Wenn dann die Flotte der Potoku eintrifft, werden sie den Berg hinaufkommen und uns vernichten, bevor die Naßköpfe kommen können. Und wenn Gaballufix gewinnt … wenn dann die Naßköpfe kommen, werden sie zuerst die Potoku vernichten, und dann kommen sie die Berge hinauf und vernichten uns als Vergeltungsmaßnahme.«

»Na also«, sagte Huschidh. »Du siehst, daß du zu uns gehörst.«

»Nein«, sagte Nafai. »Denn wenn die Stadt-Partei dieses Patt aufrecht hält, werden entweder Gaballufix oder Roptat ungeduldig werden, und es wird zu Todesfällen kommen. Dann brauchen wir keine Fremden mehr, um uns zu vernichten. Wir werden es selbst erledigen. Was glaubst du, wie lange Frauen diese Stadt noch beherrschen werden, wenn es zu einem Bürgerkrieg zwischen zwei mächtigen Männern kommt?«

Huschidh sah ins Leere. »Glaubst du das wirklich?« fragte sie.

»Ich mag kein Entwirrer sein«, erwiderte Nafai, »doch ich habe Geschichtsbücher gelesen.«

»So viele Jahrhunderte lang haben wir in dieser Stadt der Frauen den Frieden bewahrt.«

»Ihr hättet den Männern niemals das Stimmrecht geben sollen.«

»Sie haben das Stimmrecht schon seit über einer Million Jahren.«

Nafai nickte. »Ich weiß. Was jetzt passiert – es liegt an der Überseele.«

Nun sah er, daß Huschidh ins Leere starrte, weil sich ihre Augen mit Tränen gefüllt hatten. »Sie stirbt, nicht wahr?«

Es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, daß jemand dies so persönlich nehmen könnte. Als wäre die Überseele eine liebe Verwandte. Aber vielleicht war es für jemanden wie Huschidh auch so. Obwohl alle wußten, daß die Kinder der Wilden normalerweise aus einer Vergewaltigung oder einer der beiläufigen Kopulationen auf den Straßen der Stadt hervorgegangen waren, wurden sie doch trotzdem ›Kinder der Überseele‹ genannt. Vielleicht hielt Huschidh die Überseele wirklich für ihren Vater. Aber nein – auch die Frauen hatten sie mit einem weiblichen Artikel belegt. Und Huschidh wußte, daß ihre Mutter eine Wilde war.

Noch immer konnte Huschidh kaum die Tränen zurückhalten.

»Was willst du von mir?« fragte Nafai. »Ich weiß nicht, was die Überseele macht. Deine Schwester – wie du gesagt hast, sie ist die Seherin.«

»Die Überseele hat die ganze Woche noch nicht zu ihr gesprochen. Oder zu irgend wem sonst.«

Nafai war überrascht. »Du meinst, nicht einmal am See?«

»Ich weiß, daß ihr beide, du und Issib, die ganze Woche über sehr, sehr eng mit der Überseele verbunden wart. Sie hat euch erschöpft, wie sie es manchmal auch mit Lutja und … und mir macht. Die Frauen sind ins Wasser gegangen, immer mehr von ihnen, und doch kommen sie leer wieder heraus, oder nur mit dummen Schlaf träumen. Es macht ihnen angst. Aber ich habe es ihnen gesagt. Ich habe gesagt: Nafai und Issib, sie werden von der Überseele berührt. Also ist sie nicht tot. Und sie haben mich gebeten … es von euch in Erfahrung zu bringen.«

»Was in Erfahrung zu bringen?«

Die Tränen brachen endlich hervor und rollten ihre Wangen hinab. »Ich weiß es nicht«, sagte sie unglücklich. »Was wir tun sollen. Was die Überseele von uns erwartet.«

Er berührte ihre Schulter, um sie zu trösten – Nafai wußte nicht, was er sonst tun sollte. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Aber mit einem habt ihr Recht – die Überseele ermüdet. Erschöpft sich selbst. Trotzdem überrascht es mich, daß sie keine Visionen mehr schickt. Vielleicht wurde sie abgelenkt. Vielleicht …«

»Ja?«

Er schüttelte den Kopf. »Laß mich erst mit Issib sprechen, ja?«

Sie nickte und neigte schließlich den Kopf, um sich die Tränen aus den Augen zu wischen. »Ja, bitte«, sagte sie. »Ich könnte nicht … mit ihm sprechen.«

Warum in aller Welt denn das nicht? Aber er fragte sie nicht danach. Er war zu verwirrt von dem, was sie erzählt hatte. Die ganze Zeit über hatten er und Issib gedacht, ihre Nachforschungen verliefen geheim, und dann erzählte Huschidh allen Frauen Basilikas, daß sie beide durch den Kontakt mit der Überseele erschöpft waren! Und doch waren diese Frauen trotz all ihrer Kenntnisse auch hoffnungslos unwissend – woher sollten er und Issib ahnen, wieso sie keine Visionen mehr hatten?

Nafai ging direkt in die Bibliothek und berichtete Issib von seinem Gespräch mit Huschidh, so gut er sich daran erinnern konnte. »Ich reime es mir folgendermaßen zusammen«, schloß er. »Was ist, wenn die Überseele gar nicht so mächtig ist? Was ist, wenn die Visionen ausbleiben, weil sich die Überseele nicht gleichzeitig mit uns befassen und anderen Visionen geben kann?«

Issib lachte. »Komm schon, Njef, als wären wir der Mittelpunkt der Welt.«

»Ich meine es ernst. Wie groß muß die Kapazität der Überseele eigentlich sein? Die meisten Menschen sind so unwissend oder dumm oder schwach, daß sie überhaupt nichts bewirken könnten, selbst wenn sie an eins dieser verbotenen Themen dächten. Warum sie also unter Beobachtung halten? Das bedeutet, daß die Überseele nur relativ wenige Menschen überwachen muß. Und wenn sie die hin und wieder überprüft, bleibt ihr genug Zeit, um sie von gefährlichen Projekten abzulenken. Doch jetzt, wo die Überseele schwächer wird, warst du imstande, dich ihr gegenüber unempfindlicher zu machen. Das war eine Auseinandersetzung zwischen dir und der Überseele, und du hast gewonnen, Issib. Was, wenn sich die Überseele während all dieser Kämpfe auf dich konzentriert hat und keinem mehr Visionen geben, keinen mehr überwachen konnte? Aber du bist so langsam vorangekommen, daß ihr noch immer Zeit für etwas anderes blieb.«

»Aber dann haben wir beide uns zusammengetan«, sagte Issib. »Nun mußte sie sich völlig auf uns konzentrieren. Und dadurch wurde sie noch schwächer.«

»Ich glaube also, Issib, daß wir ihr nicht helfen, sondern sie verletzen.«

Issib lachte erneut. »Das kann nicht sein«, sagte er. »Wir sprechen hier von der Überseele, nicht von einer Lehrerin mit ein paar aufsässigen Schülern.«

»Die Überseele hat schon einmal versagt. Oder es würde keine Kriegswagen geben.«

»Was sollen wir also tun?«

»Aufhören«, sagte Nafai. »Einen Tag lang. Uns von den verbotenen Themen fernhalten. Feststellen, ob die Leute dann wieder Visionen bekommen.«

»Glaubst du ernsthaft, daß wir, wir beide, so viel von der Zeit der Überseele beansprucht haben, daß sie den Menschen keine Visionen mehr geben kann? Schließlich müssen wir auch essen und schlafen. Es hat genug Unterbrechungen gegeben.«

»Vielleicht haben wir sie verwirrt. Vielleicht gerät sie wegen uns in Panik, weil sie nicht weiß, was sie tun soll.«

»Genau«, sagte Issib. »Also dürfen wir nicht aufhören. Geben wir der Überseele doch einfach einen Rat!«

»Warum nicht?« sagte Nafai. »Sie wurde doch von menschlichen Wesen geschaffen, oder?«

»Das glauben wir. Vielleicht.«

»Also sagen wir ihr, sie soll damit aufhören, uns ständig zu blockieren. Dieser Versuch ist sinnlos, und sie muß sofort aufhören, ihre kostbare Zeit damit zu verschwenden, denn selbst, wenn wir über jedes verbotene Thema auf der Welt nachdächten, würden wir doch keinem davon erzählen, und wir würden auch nicht versuchen, selbst so eine Maschine zu bauen. Oder?«

»Natürlich nicht.«

»Also leiste einen Eid darauf, Issib. Ich lege ihn auch ab. Ich schwöre jetzt sofort – hörst du zu, Überseele? –, daß wir nicht deine Feinde sind und du keine einzige Sekunde mehr auf uns verschwenden mußt. Gib den Frauen wieder Visionen. Und verbringe deine Zeit lieber damit, die gefährlichen Leute zu blockieren. Die Naßköpfe zum Beispiel. Gaballufix. Wahrscheinlich auch Roptat. Und wenn du sie nicht blockieren kannst, laß uns zumindest wissen, was wir tun können, um sie zu blockieren.«

»Mit wem sprichst du?«

»Mit der Überseele.«

»Das hört sich wirklich dumm an«, sagte Issib.

»Sie hat uns unser ganzes Leben lang gesagt, was wir denken sollen«, sagte Nafai. »Was ist so dumm daran, ihr hin und wieder einen Vorschlag zu machen? Leiste den Eid, Issja.«

»Ja, ich verspreche es, ich lege den ernstesten Eid darauf ab. Hörst du zu, Überseele?«

»Sie hört zu«, sagte Nafai. »Soviel wissen wir immerhin.«

»Nun ja«, sagte Issib. »Glaubst du, sie tut, was wir sagen?«

»Keine Ahnung«, erwiderte Nafai. »Aber eins weiß ich – wir werden nicht klüger, wenn wir den Rest des Tages über in der Bibliothek herumhängen. Verschwinden wir von hier. Verbringen wir die Nacht in Vaters Haus. Vielleicht kommt uns da eine wirklich gute Idee. Oder vielleicht hat Vater eine Vision. Vielleicht wird irgend etwas passieren.«

Erst an diesem Nachmittag, als er Mutters Haus verließ, fiel Nafai wieder ein, daß Elemak um Eiadh buhlte. Nicht, daß Nafai deshalb das Recht hatte, ihn zu hassen. Nafai hatte niemals mit irgend jemandem über die Gefühle gesprochen, die er ihr entgegenbracht. Und mit vierzehn Jahren war er noch zu jung, um ernsthaft als gesetzlicher Gefährte in Betracht gezogen zu werden. Natürlich würde Eiadh Elemak ansehen und ihn begehren. Das erklärte alles – wieso sie so nett zu Nafai war und sich ihm gleichzeitig niemals zu nähern schien. Sie wollte seine Gunst bewahren, für den Fall, daß er irgendeinen Einfluß auf Elemak hatte. Aber es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, mit Nafai einen Ehevertrag einzugehen. Schließlich war er ja noch ein Kind.

Dann fiel ihm ein, was Huschidh über Issib gesagt hatte. Mit ihm könnte ich nicht sprechen. Weil er ein Krüppel war? Unwahrscheinlich. Nein, Huschidh war Issib gegenüber zu schüchtern, weil sie in ihm einen möglichen Gefährten sah. Selbst ich weiß genug über Frauen, um darauf zu kommen, dachte Nafai.

Huschidh ist in meinem Alter, und wenn sie über einen Gefährten nachdenkt, betrachtete sie meinen älteren Bruder. Ich könnte genausogut ein Baum oder ein Stein sei, was das sexuelle Interesse betrifft, das ein Mädchen meines Alters mir entgegenbringt. Und Eiadh ist älter als ich – eine der ältesten in meiner Klasse, während ich einer der jüngsten bin. Wie bin ich nur je auf den Gedanken gekommen …

Er fühlte das heiße Erröten der Verlegenheit auf seinen Wangen, obwohl niemand außer ihm selbst von seiner Erniedrigung wußte.

Als er nun durch die Straßen Basilikas ging, wurde Nafai klar, daß er, abgesehen von einem gelegentlichen Spaziergang auf der Regenstraße, Mutters Haus nicht mehr verlassen hatte, seit er gemeinsam mit Issib die Forschungen aufgenommen hatte. Vielleicht wurde er sich gerade wegen Huschidhs Bericht einer Veränderung in der Stadt bewußt. Waren nicht weniger Leute auf den Straßen? Vielleicht – aber der eigentliche Unterschied lag eher darin, wie sie gingen. Die Menschen Basilikas bewegten sich für gewöhnlich zielgerichtet, ließen sich durch dieses Ziel aber nicht von dem ablenken, was um sie herum passierte. Selbst Leute, die es eilig hatten, konnten einen Augenblick lang stehenbleiben oder zumindest lächeln, wenn sie an einem Straßenmusikanten vorbeikamen oder einem Jongleur oder einem Komiker, der seine Knittelverse vortrug. Und viele Leute bummelten, nahmen die Dinge mit echtem Vergnügen auf, unterhielten sich mit ihren Begleitern, sprachen aber auch offen mit Fremden auf den Straßen, als wären alle Menschen Basilikas Nachbarn oder sogar Verwandte.

An diesem Abend war es anders. Als die Sonne auf den Dächern im Westen eine Silhouette bildete und Schatten über die Straßen warf, schienen die Leute dem Sonnenlicht auszuweichen, als würde es ihre Haut verbrennen. Sie waren schweigsam zueinander. Die Straßenmusikanten wurden ignoriert, und selbst ihre Musik kam Nafai furchtsamer vor, als wären sie bereit, beim ersten Anzeichen des Mißgefallens eines Passanten das Lied sofort abzubrechen. Es war stiller auf den Straßen, weil fast niemand sprach.

Bald wurde der Grund dafür offensichtlich. Eine Truppe von acht Mann trabte die Straße entlang, Pulsatoren in den Händen und elektrische Klingen an den Hüften. Soldaten, dachte Nafai. Gaballufix’ Leute. Nein – offiziell handelte es sich um die Miliz der Palwaschantu, doch Nafai fühlte sich nicht mit ihnen verwandt.

Sie schienen nicht nach rechts oder links zu sehen, als hätten sie einen bestimmten Auftrag. Doch Nafai und Issib stellten augenblicklich fest, daß sich die Straßen zu leeren schienen, als die Soldaten kamen. Wohin waren die Leute verschwunden? Sie versteckten sich nicht gerade, doch nachdem die Soldaten weitergezogen waren, dauerte es mehrere Minuten, bis die Leute wieder zum Vorschein kamen. Sie waren in die Geschäfte ausgewichen und hatten so getan, als hätten sie dort etwas zu erledigen. Einige hatten einfach Umwege in Kauf genommen und waren auf Nebenstraßen ausgewichen. Und wieder andere waren auf der Straße geblieben, hatten sich jedoch, wie Nafai und Issib, nicht mehr gerührt, sondern waren wie erstarrt, so daß sie ein paar Minuten lang Teil der Architektur gewesen waren und nicht mehr Teil des Lebens auf der Straße.

Es hatte gar nicht den Anschein, als wären die Leute der Meinung, die Soldaten würden die Stadt sicherer machen. Statt dessen hatten die Soldaten ihnen Angst gemacht.

»Basilika steckt in Schwierigkeiten«, sagte Nafai.

»Basilika ist tot«, sagte Issib. »Hier wohnen noch Menschen, aber die Stadt ist nicht mehr Basilika.«

Zum Glück wurde es besser, als sie die Flügelstraße entlang gingen – die Soldaten hatten ihren Weg gekreuzt, wo die Flügel- auf die Weizenstraße stieß, nur ein paar Häuserblocks von Gaballufix’ Haus entfernt. Als sie in die Altstadt kamen, herrschte wieder regeres Leben auf den Straßen. Aber noch immer waren gewisse Veränderungen zu sehen.

Zum Beispiel hatte man die Frühlingsstraße geräumt. Bei ihr handelte es sich um eine der großen Durchgangsstraßen Basilikas, die vom Rauchfang-Tor durch die Altstadt und bis zum Rand des Spaltentals führte. Doch wie so oft in Basilika war eine einfallsreiche Bauherrin auf die Idee gekommen, daß es eine Schande war, all diesen Freiraum in der Mitte der Straße zu verschwenden, wenn dort jemand wohnen konnte. Zwischen der Flügel- und der Tempelstraße hatte diese Bauherrin einen langgezogenen Block von sechs Gebäuden errichtet.

Wenn in Basilika eine Bauherrin ein Gebilde errichtet, das eine Straße blockiert, können die Bewohner der Stadt ganz unterschiedlich darauf reagieren. Wenn die Straße nicht sehr belebt ist, erheben wahrscheinlich nur ein paar Leute Einwände dagegen. Vielleicht schimpfen und fluchen sie und bewerfen die Maurer sogar mit Gegenständen, doch da die Arbeiter normalerweise ziemlich stämmige Kerle sind, wird es nur wenig ernsthaften Widerstand geben. Man zieht das Gebäude hoch, und die Leute suchen sich einen anderen Weg. Diejenigen, denen Häuser oder Läden gehören, die die nun blockierte Straße umsäumten, litten natürlich am meisten. Sie mußten mit den Nachbarn verhandeln, um Wegerechte zu bekommen, damit sie den Zugang zur Straße nicht verloren – oder sich diese Rechte nehmen, wenn der Nachbar schwach war. Manchmal mußten sie einfach ihr Eigentum aufgeben. So oder so, die neuen Korridore oder die aufgegebenen Grundstücke wurden bald selbst zu oft benutzten Durchgängen oder Wegen. Schließlich würde irgendeine unternehmungslustige Seele ein paar aufgegebene oder verfallene Häuser kaufen, deren Korridore vom allgemeinen Durchgangsverkehr benutzt würden, und eine Böschung abreißen, und schon war eine neue Straße entstanden. Der Stadtrat unternahm nichts gegen diese Vorkommnisse – auf diese Weise hatte sich Basilika im Lauf der Zeit entwickelt und verändert, und es war sinnlos, in einer Millionen Jahrzehnte alten Stadt zu versuchen, den Lauf der Zeit und der Geschichte aufzuhalten.

Etwas ganz anderes war es, wenn jemand begann, auf einer vielbenutzten Durchgangsstraße wie der Frühlingsstraße zu bauen. Dort zogen die Passanten schon allein aus ihrer Anzahl Mut – und aus ihrem Zorn über die Vorstellung, eine Straße zu verlieren, die sie oft benutzten. Also sabotierten sie das Bauvorhaben, wenn sie daran vorbeikamen, schlugen Mauern ein und trugen Steine davon. Wenn die Bauherrin mächtig und entschlossen war und über viele starke Arbeiter verfügte, konnte es leicht zu einem Handgemenge kommen – aber das wiederum führte vielleicht genauso leicht zu einem Gerichtsprozeß, bei denen die Bauherrinnen immer für schuldig befunden wurden, da das Bauen in einer Straße als mehr als ausreichenden Grund für eine gesetzliche Maßregelung angesehen wurde.

Die Bauherrin in der Frühlingsstraße hatte es jedoch sehr klug angestellt. Sie hatte ihre sechs Gebäude auf Säulen errichtet, so daß die Straße nicht blockiert wurde. Die Häuser begannen statt dessen erst mit dem ersten Stock, über der Straße – und so zeigten sich die Passanten zwar verärgert, aber nicht so aufgebracht, daß sie mit ihrer Sabotage ernst gemacht hätten. Die Gebäude waren in diesem Frühsommer fertiggestellt worden, und einige sehr wohlhabende Leute waren dort eingezogen.

Unausweichlich hatten sich unter den Bogengängen der Häuser Straßenhändler und unternehmungslustige Handwerker eingefunden – womit die Bauherrin auch gerechnet hatte. Der Verkehr kroch nur noch daher, und andere Bauherrinnen hatten feste Läden und Buden errichtet, bis es dann vor ein paar Wochen völlig unmöglich geworden war, von der Tempel- zur Flügel- und Frühlingsstraße zu kommen – die kleinen Gebäude blockierten nun vollends den Weg. Eine weitere Straße in Basilika war unterbrochen worden, doch diesmal handelte es sich um eine wichtige Durchgangsstraße, wodurch sehr vielen Menschen ernsthafte Unannehmlichkeiten entstanden waren. Nur die ursprüngliche Bauherrin und die geschäftigen Inhaber der kleinen Geschäfte profitierten tatsächlich davon; den Frauen, denen die inneren Gebäude gehörten, fiel es immer schwerer, zu den Treppen zu kommen, die zu ihren Häusern hinaufführten, und einige schickten sich bereits an, die alten Gebäude, die nicht mehr auf eine Straße führten, aufzugeben.

Als Nafai und Issib nun über die Frühlingsstraße gingen, sahen sie, daß jemand den blockierten Teil durchbrochen und alle kleinen Gebäude abgerissen hatte. Die neuen Gebäude waren – ein Stockwerk über der Straße – stehen geblieben, doch der Durchgang unter ihnen war wieder geöffnet. Noch bedeutsamer war, daß an beiden Enden der Straße Soldaten postiert worden waren. Die Bedeutung war klar: Es würden keine weiteren Bauten geduldet werden.

»Gaballufix ist kein Narr«, sagte Issib.

Nafai wußte, was er meinte. Die Leute mochten es nicht gern sehen, daß Soldaten durch die Straße marschierten; dazu stellten sie eine zu große Androhung von Gewalt und Freiheitsverlust dar. Doch indem sie die Frühlingsstraße wieder für den Verkehr öffneten, gewannen sie Sympathien und würden irgendwann vielleicht sogar toleriert werden.

Die Flügelstraße führte schließlich zur Tempelstraße, und Nafai und Issib folgten ihr, bis sie den großen Kreisverkehr um den Tempel selbst erreichten. Das war der bedeutendste Vorposten der Religion der Männer in dieser Stadt der Frauen, der einzige Ort, wo man davon ausging, daß die Überseele männlich war und an dem Blut und kein Wasser die heilige Flüssigkeit darstellte. Instinktiv blieb Nafai an den Nordtüren stehen, obwohl er seit seinem achten Lebensjahr nicht mehr in dem Tempel gewesen war, als man seine Vorhaut mit seinem eigenen Blut getränkt hatte. »Gehen wir hinein«, sagte er.

Issib erschauderte. »Ich hasse diesen Ort zutiefst«, sagte er.

»Würden sie Betäubungsmittel verwenden, wäre der Gottesdienst bei den Jungen beliebter«, sagte Nafai.

Issib grinste. »Schmerzlose Verehrung. Das ist ein guter Gedanke. Vielleicht käme bei den Frauen eines Tages auch die trockene Verehrung gut an.«

Sie traten durch die Tür in die feuchte, dunkle, fensterlose Außenkammer.

Obwohl der Tempel völlig rund war, waren die inneren Kammern so angelegt, daß sie an Herzkammern erinnerten: linker und rechter Herzvorhof, linke und rechte Herzkammer. Die gewundenen Gänge und winzigen Räume dazwischen waren nach verschiedenen Venen und Arterien benannt. Vor der Beschneidung mußte ein Junge alle Namen der Zimmer auswendig lernen, doch das taten sie, indem sie sich ein Lied einprägten, das für die meisten, die es lernten, bedeutungslos blieb. Also waren Nafai und Issib die Namen, die auf den Oberbalken oder Schlußsteinen der Türen standen, nicht vertraut, und sie verirrten sich augenblicklich.

Es spielte keine Rolle. Schlußendlich führten alle Hallen und Gänge die Gläubigen zum Innenhof, dem einzigen hellen Ort im Tempel, von dem aus man den Himmel sehen konnte. Da der Sonnenuntergang nicht mehr lange auf sich warten lassen würde, fiel kein direktes Sonnenlicht auf den Steinboden des Hofes, doch nach soviel Dunkelheit blendete sogar das reflektierte Licht schmerzhaft.

Am Eingang hielt ein Priester sie auf. »Gebet oder Meditation?« fragte er.

Issib erschauderte – bei ihm eine krampfartige Bewegung, da die Schwebeflossen jedes Zucken verstärkten, das seine Muskeln durchlief. »Ich glaube, ich warte in der rechten Herzkammer.«

»Sei kein Angsthase«, sagte Nafai. »Es wird dich doch nicht gleich umbringen, eine Minute lang zu meditieren.«

»Du meinst, du willst wirklich beten?« sagte Issib.

»Ich glaube schon«, sagte Nafai.

Um die Wahrheit zu sagen, Nafai wußte nicht, warum oder wofür. Er wußte nur, daß seine Beziehung zur Überseele von Tag zu Tag komplizierter wurde; er verstand die Überseele besser denn je, und die Überseele nahm nun direkten Einfluß auf sein Leben, und so war es wichtig geworden zu versuchen, klar und deutlich mit ihr zu kommunizieren, anstatt hilflos herumzuexperimentieren. Es reichte nicht aus, verbotenen Wörtern nachzuspüren und zu hoffen, daß die Überseele den Hinweis verstand. Es mußte eine bessere Möglichkeit geben.

Er sah zu, wie die Priester Issib in den Finger stachen und die winzige Wunde über den Blutstein wischten. Issib nahm es gelassen hin – er war wirklich kein Angsthase, und er hatte in seinem Leben soviel Schmerz ausgehalten, daß ein kleiner Stich in den Finger wirklich nichts bedeutete. Er hatte lediglich wenig Verständnis für die Rituale der Männerreligion. Er nannte sie ›Blutsport‹ und verglich sie mit Haikämpfen, die immer damit begannen, jedem Hai im Teich eine blutende Wunde zu versetzen. Als sich das Blut auf dem rauhen Stein verwischt hatte, schwebte er zu der hohen Bank an der sonnenhellen Wand hinüber, wo er noch mit einer halben Stunde Sonnenlicht rechnen konnte. Die Bank war natürlich voll besetzt, doch Issib blieb einfach neben ihr schweben. »Beeil dich«, murmelte er, als er an Nafai vorbeiglitt.

Da Nafai beten wollte, versetzte der Priester ihm keinen Stich. Statt dessen mußte er in die goldene Kugel mit den Gebetsringen greifen. Sie war mit einem starken Desinfektionsmittel gefüllt, das zwei Zwecke erfüllte: zum einen sollte es verhindern, daß die mit Widerhaken gespickten Ringe Infektionen verbreiteten, zum anderen bewirkte es, daß jede Verletzung, die man sich durch sie zuzog, ein paar Sekunden lang stark brannte. Nafai nahm normalerweise nur zwei Ringe, einen für den Mittelfinger jeder Hand, doch diesmal hatte er den Eindruck, daß er mehr benötigte. Obwohl er noch nicht einmal wußte, worum er beten wollte, wollte er sichergehen, daß die Überseele begriff, daß er es ernst meinte. Also nahm er Ringe für alle vier Finger jeder Hand und auch zwei Daumenringe.

»So schlimm kann es doch nicht sein«, sagte der Priester.

»Ich bete nicht um Vergebung«, sagte Nafai.

»Ich will nicht, daß du ohnmächtig wirst, wir sind heute nicht voll besetzt.«

»Ich werde schon nicht ohnmächtig.« Nafai ging zum Brunnen in der Mitte des Hofs. Das Wasser des Brunnens hatte nicht die normale rosa Farbe – es war fast dunkelrot. Nafai erinnerte sich noch gut an den starken Ekel, den er empfunden hatte, als er erfahren hatte, wie das Wasser seine Farbe bekam. Vater hatte gesagt, wenn Basilika in großer Not sei – während einer Dürreperiode zum Beispiel oder wenn ein Feind angriff –, enthielte der Brunnen fast reines Blut, soviel Blut gäbe es. Es war ein seltsames und eindringliches Gefühl, die Sandalen und Kleidung abzulegen, dann im Teich zu knien und zu wissen, daß diese lauwarme Flüssigkeit, die ihn umspülte, fast bis zur Hüfte, wenn er sich auf die Fersen hockte, dick vor den hingebungsvollen, blutigen Gebeten anderer Männer war.

Er streckte lange die geschundenen Hände aus, riß sich zusammen und bereitete sich auf das Gespräch mit der Überseele vor. Dann schlug er mit den Händen heftig gegen die Oberarme, genau, wie er es bei seinen Morgengebeten tat; diesmal jedoch drangen die Widerhaken in seine Haut, und der Schmerz war tief und schroff. Es war eine gute, nachdrückliche Eröffnung, und er hörte, daß mehrere der Meditierenden seufzten oder murmelten. Er wußte, daß sie das scharfe Geräusch seines Schlags gehört und seine Selbstdisziplin beobachtet hatten, mit der er sich davon abhielt, vor Schmerz auch nur zu stöhnen, und daß sie sein Gebet wegen dessen Kraft und Tugend respektierten.

Überseele, sagte er stumm. Du hast all das angefangen. So schwach, wie du bist, hast du dich entschlossen, in das Leben meiner Familie einzudringen. Hoffentlich verfolgst du damit einen bestimmten Plan. Und wenn ja, ist es nicht an der Zeit, daß du uns diesen Plan offenbarst?

Er schlug sich erneut, diesmal auf die empfindlichere Haut seiner Brust. Als der Schmerz nachließ, fühlte er, daß zwischen den unsichtbaren neuen Haaren, die dort wuchsen, Blut hinabtropfte. Ich biete dir dieses Opfer an, Überseele, ich biete dir meinen Schmerz an, falls du ihn brauchst, ich tue alles, was du von mir verlangst, doch ich erwarte dafür von dir ein Versprechen. Ich erwarte, daß du meinen Vater beschützt. Ich erwarte, daß dein Vorgehen wirklich Sinn hat und daß du Vater diesen Sinn verrätst. Ich erwarte, daß du meine Brüder davor bewahrst, sich in irgendein schreckliches Verbrechen gegen die Stadt zu verstricken und erst recht in ein Verbrechen gegen meinen Vater. Wenn du Vater schützt und uns wissen läßt, was vor sich geht, werde ich alles tun, was ich kann, um deinen Plan zu unterstützen, denn ich weiß, daß du von Anfang zu dem Zweck programmiert wurdest, die Menschheit davor zu bewahren, sich selbst zu vernichten, und ich werde alles in meiner Kraft stehende tun, um diesem Zweck zu dienen. Ich bin dein, solange du uns gerecht behandelst.

Er schlug auf seinen Bauch, der bislang schärfste Schmerz, und nun hörte er, daß mehrere Meditierende laute Kommentare abgaben und der Priester hinter ihn trat. Unterbrich mich nicht, dachte Nafai. Entweder, die Überseele hört mich, oder sie hört mich nicht, und wenn sie mich hört, will ich, daß sie weiß, wie ernst es mir ist. Ernst genug, um mich zu zerstückeln, wenn es denn sein muß. Nicht, weil ich glaube, daß dieses Bluten etwas mit Heiligkeit zu tun hat, sondern, weil es meine Bereitschaft zeigt, zu tun, was ich gesagt habe, auch, wenn es mich persönlich sehr viel kostet. Ich werde tun, was du willst, Überseele, aber du mußt auch Vertrauen haben.

»Junger Mann«, flüsterte der Priester.

»Verschwinde«, flüsterte Nafai zurück.

Die Sandalen schlurften über den Stein davon.

Nafai griff über seine Schultern und scharrte mit den Händen über den Rücken. Jetzt waren es Risse, keine Stiche, und die Verletzungen würden nicht unbedeutend sein. Siehst du das, Überseele? Du bist in meinem Kopf, du weißt, was ich denke und fühle. Issib und ich lassen dich in Ruhe, damit du den Leuten wieder Visionen geben kannst. Jetzt mache dich an die Arbeit und bringe diese Situation wieder unter Kontrolle. Und was immer du von mir verlangst, ich werde es tun. Wenn ich diesen Schmerz ertragen kann, weißt du, daß ich alles ertragen kann, was du mir aufbürdest. Und da ich genau weiß, wie weh es tut, kann ich es auch noch einmal aushalten.

Er kratzte sich erneut. Diesmal, als sich neue Wunden über die alten zogen, trieb der Schmerz Tränen in seine Augen – aber keinen Laut über seine Lippen.

Genug. Entweder hatte die Überseele ihn jetzt gehört oder nicht.

Er ließ sich, noch immer mit geschlossenen Augen, in das blutige Wasser fallen. Es schloß sich über seinem Kopf, und einen Augenblick lang war er völlig untergetaucht. Dann brachte der Auftrieb ihn wieder an die Oberfläche, und er spürte die kühle Abendluft auf seinem Rücken.

Noch einen Augenblick. Halte den Atem noch einen Augenblick lang an. Länger. Nur noch etwas länger. Warte auf die Stimme der Überseele. Lausche in der Stille des Wassers auf sie.

Doch die Antwort blieb aus. Er spürte nur den immer stärkeren Schmerz der Verletzungen an Nacken und Schultern.

Er richtete sich auf, stand tropfnaß da und ging zum Rand des Brunnens, öffnete zum ersten Mal die Augen, seit er den Teich betreten hatte. Jemand gab ihm ein Handtuch. Hände griffen nach ihm, um ihm über den Rand des Brunnens zu helfen. Als seine Augen trocken waren, konnte er sehen, daß fast alle Meditierenden die Wand verlassen hatten und sich nun um ihn scharten, ihm Handtücher und seine Kleider gaben. »Ein mächtiges Gebet«, flüsterten sie. »Möge die Überseele dich hören.« Sie duldeten nicht, daß er sich selbst abtrocknete oder sogar anzog. »So viel Tugend in einem so jungen Menschen.« Statt dessen tupften andere Hände sanft seinen verletzten Rücken ab und rieben heftig über seine Schenkel. »Basilika ist gesegnet, solch ein Gebet in diesem Tempel erlebt zu haben.« Andere Hände zogen ihm das Hemd über den Kopf und die Hosen die Beine hinauf. »Der ganze Stolz eines Vaters ist ein junger Sohn, der sich fromm verbeugt und doch vom Mut erhoben wird.« Sie schnürten seine Sandalen zu, und als sie feststellten, daß die Riemen unter den Knien endeten, nickten sie und murmelten: »Er unterwirft sich keinen törichten Modeerscheinungen!« und »Die Sandalen eines Arbeiters!«

Und als Nafai und Issib den Brunnen verließen, hörten sie, daß hinter ihnen noch immer gemurmelt wurde. »Heute war die Überseele bei uns.«

An der Schwelle, die zur linken Herzkammer führte, mußte Nafai plötzlich stehenbleiben, weil ihm jemand in den Weg trat, der durch diese Tür hineinkam. Da er den Kopf geneigt hielt, sah er nur die Füße des Mannes. Da sein Hemd vom Blut des Gebets befleckt war, erwartete er, daß der Mann ihm Platz machte, doch das war anscheinend nicht der Fall.

»Meb«, sagte Issib.

Nafai hob den Blick von den Schuhen des Mannes. Es war tatsächlich Mebbekew. Während eines Augenblicks stechender Klarheit hatte er den Eindruck, seinen Bruder zur Gänze zu sehen. Er trug kein grelles Gewand mehr, wie es so lange sein Stil gewesen war. Meb war nun wie ein Geschäftsmann gekleidet, in Gewändern, die eine beträchtliche Summe gekostet haben mußten. Doch Nafais Interesse galt nicht seiner Kleidung, nicht dem Geheimnis, woher er das Geld hatte, sie zu erstehen – denn das war nun wirklich kein Geheimnis mehr. Als Nafai Mebbekews Gesicht betrachtete, wußte er, daß Mebbekew nun Gaballufix’ Mann war. Vielleicht war es der Ausdruck auf seinem Gesicht: Während Mebbekew früher immer ein unbeschwertes Lächeln gezeigt hatte, ein Funkeln des boshaften Scherzens in seinen Augen, blickte er nun ernst und wichtig und etwas verängstigt drein. Doch wovor hatte er Angst? Vor sich selbst. Vor dem Mann, zu dem er wurde.

Vor dem Mann, der ihn besaß. Nichts an seinem Ausdruck oder seiner Kleidung wies ihn als Mann aus, der zu Gaballufix gehörte, und doch wußte Nafai es. So muß es bei Huschidh sein, dachte er, wenn sie die Verbindungen zwischen Menschen sieht. Sie hat keinen Grund dafür, doch auch nicht den geringsten Zweifel.

»Wofür hast du gebetet?« fragte Mebbekew.

»Für dich«, erwiderte Nafai.

Unerklärliche Tränen traten in Mebbekews Augen, doch sein Gesicht und seine Stimme weigerten sich, die Gefühle einzugestehen, von denen sie kündeten. »Bete lieber für dich«, sagte Mebbekew, »und für diese Stadt.«

»Und für Vater«, sagte Nafai.

Mebbekews Augen weiteten sich um eine Winzigkeit, doch Nafai wußte, daß er ins Ziel getroffen hatte.

»Tritt beiseite«, sagte eine leise, aber ärgerliche Stimme hinter ihm. Vielleicht einer der Meditierenden. Auf jeden Fall ein Fremder. »Mach dem jungen Mann des mächtigen Gebets Platz.«

Mebbekew trat in den dunklen Schatten des Tempelinneren zurück. Nafai schob sich an ihm vorbei und schloß zu Issib auf, der direkt hinter Meb auf dem Gang gewartet hatte.

»Was hat Meb denn hier verloren?« fragte Issib, als sie außer Hörweite waren.

»Vielleicht gibt es einige Dinge, die man nicht tun kann, ohne vorher mit der Überseele gesprochen zu haben«, sagte Nafai.

»Oder er ist vielleicht zum Schluß gekommen, daß es ganz nützlich ist, sich der Öffentlichkeit als frommer Mann zu präsentieren.« Issib lachte leise. »Schließlich ist er ja Schauspieler, und es sieht aus, als hätte ihm jemand ein neues Kostüm gegeben. Ich frage mich nur, was für eine Rolle er spielen soll.«

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