»WITH GOD ON OUR SIDE«


Ein Programm im Tambourine Software-Arsenal – oder Reliquienschrein, wenn man eine weniger kriegerische und eher paradoxe Metapher wünscht – verdient und erfordert ausführlichere Erwähnung. Dieses Paket, komplett mit einem der umfangreichsten und poetischsten Benutzerhandbücher, die je veröffentlicht wurden, ist Orphilodeon™. Trotz des oben erwähnten Zusatzes zu allen Lizenzvereinbarungen eines TS/3S-Programms glaubt Dylan, daß Orphilodeon die beste Einzelinvestition in Software ist, die der beflissene, jedoch nicht unbedingt wohlhabende spirituelle Pilger jetzt tätigen kann.

Warum?

Weil man es erfolgreich benutzen kann, ohne andere Programme auf der Tambourine-Liste mit heranzuziehen. Es wirkt so durchschlagend, daß der von einer holistischen Befassung mit dem Programm beinahe automatisch ausgelöste Trancezustand in Perioden erhöhter Spiritualität und Gottesbewußtheit überleitet, auch wenn man nicht mehr am Computer sitzt. Innerhalb von nur sechs Monaten ist Orphilodeon, ein Programm zum Komponieren und Synthetisieren von Musik, das mit nahezu jeder Art von heute erhältlichem Hardware-System kompatibel ist, zum Standard geworden, an dem Pragmatiker und Pilger gleichermaßen die Konkurrenz messen.

Ein paar wichtige Anmerkungen zu diesem Programm der Gottessuche auf dem aktuellsten Stand der Technik. Erstens erinnert es an ein paar hübsche Knittelverse von Dylan auf einer Beilage zu seinem Album The Times They Are A-Changin’ von 1964: »es gibt einen film, der heißt/ ›Schießen Sie auf den Pianisten‹/ der letzte satz lautet/ ›musik, mann, das isses, worum’s geht‹/ das ist ein religiöser Satz« Nun, Orphilodeon liefert den weiteren Beweis, falls das noch nötig ist, daß alles, was Dylan macht, entweder eine religiöse oder eine musikalische Dimension hat, wenn nicht beides zugleich.

Zweitens: Ein paar ausdrucksstarke Zeilen in der 783 Seiten langen Dokumentation des Programms (deren schwindelerregende Länge davon herrührt, daß der Autor sie vollständig in Versform geschrieben hat) erklären kühn, »die welt um uns her, die wir seh’n und berühr’n, ist gefror’ne musik/ prächtige weinende Strukturen aus ungehörtem klang« (Das Fehlen von Punkten am Satzende hier und oben folgt Dylan selbst.) Auch wenn diese Idee ursprünglich nicht von Dylan stammt, ist sie wahrscheinlich nie deutlicher demonstriert worden als in Orphilodeon, wo ihre Implementation in der Software sogar musikalische Analphabeten – Pilger mit Bohnen in den Ohren – befähigt, grandiose Oratorien zu komponieren und ebenso großartige (quasi-psychedelische) Grafiken zu entwerfen. Diejenigen, die von Bach hingerissen sind, geraten in einen Zustand exponentiell gesteigerter Kreativität wie Bach, während solche, die bei Mahler, Monk oder McCartney abheben, eine Superscript-Version dieser exemplarischen geistig-seelischen Seinsweisen erreichen.

Drittens hat Dylan in einem Interview in Byte gesagt, er hätte beim Schreiben gerade dieses Programms gespürt, daß der Heilige Geist von ihm Besitz ergriffen habe, ganz so wie von den Männern und Frauen, die die Bücher beider Testamente der Bibel verfaßt hätten.

Und schließlich schwankt der Preis von Orphilodeon zwischen rund 560 Dollar und 720 Dollar; das hängt davon ab, ob man es bei Tambourine Software als Vorzugskunde bestellt oder versucht, das Programm in einer der teuren Großstadtfilialen von Soft Warehouse™ oder CompuMall™ zu kaufen. Dylan gibt zu, daß dem einzelnen der Preis im Vergleich zu den großen Gesellschaften mit deren Einrichtungen, die geradezu einem Schnittstellen-Fetischismus huldigen, so oder so happig erscheinen mag. Er fügt jedoch hinzu, daß er auch mit übernatürlicher Hilfe länger brauchte, Orphilodeon zu schreiben, als bei jedem anderen einzelnen Werk seiner Platten- und Programmierkarriere (möglicherweise mit Ausnahme von Sad-Eyed Lady of the Lowlands von Blonde on Blonde), und daß niemand, der dieses Paket kauft, in andere Tambourine-Produkte investieren muß, um ein zufriedenstellendes Körnchen Erleuchtung zu erlangen. Rezepte für Möchtegern-Gläubige und Wie Kinder werden mögen sich für den neubekehrten Seligen als hilfreich erweisen, aber weder sie noch irgendwelche anderen Titel in der Bibliothek des Konsortiums sind für eine erfolgreiche oder zumindest brauchbare Gottessuche unbedingt erforderlich. Das sagt Dylan selbst, und die gewaltige Mehrheit der ersten Kritiken bestätigt seine Aussage.

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