Ich hatte einen Kameraden, der beständig mein Widersacher war; zwar nicht im Studium, auch nicht im Amt oder in der Liebe; nur unsere Ansichten waren stets unvereinbar, und jedesmal, wenn wir uns trafen – entspann sich zwischen uns ein endloser Wortstreit. Wir stritten über alles: über Kunst, über Religion, über die Wissenschaft, über das Leben auf Erden und im Jenseits – namentlich über das im Jenseits. Er war ein gläubiger, schwärmerischer Mensch. Einst sagte er zu mir: »Du bespöttelst doch auch alles; sollte ich jedoch vor dir sterben, dann werde ich dir vom Jenseits her erscheinen … Wir wollen doch sehen, ob du auch dann noch wirst lachen können!« Und wirklich, er starb vor mir, ein Werdender in der Blüte der Jugend; doch Jahre vergingen, und ich vergaß seines Gelübdes – seiner Drohung.
Einst lag ich des Nachts im Bett – und konnte nicht, mochte nicht einmal einschlafen.
Im Zimmer wars nicht finster, aber auch nicht hell; ich begann in das graue Halbdunkel hineinzustarren. Plötzlich erschien es mir, als ob zwischen den beiden Fenstern mein Widersacher stünde – und stumm und traurig mit dem Kopfe nicke, auf und ab.
Ich erschrak nicht – wunderte mich nicht einmal … vielmehr richtete ich mich ein wenig auf und blickte, auf den Ellenbogen gestützt, nur noch schärfer auf die unerwartete Erscheinung.
Der drüben fuhr fort, mit dem Kopfe zu nicken.
»Was gibts?« begann ich schließlich. »Triumphierst du? oder trauerst du? – Bedeutet dies eine Warnung oder einen Vorwurf?.. Oder willst du mir zu verstehen geben, daß du unrecht hattest? oder daß wir beide unrecht hatten? Welches Los ist dir denn geworden? Höllenpein oder Paradieseswonne? So sprich doch wenigstens ein einziges Wort!«
Aber mein Widersacher gab nicht den geringsten Laut von sich – nur wie vorher nickte er bloß immer traurig und still ergeben mit dem Kopfe – auf und ab. Da lachte ich laut auf … und er verschwand.