Fünfter Aufzug

Erster Auftritt

Thoas. Arkas.

Arkas:

Verwirrt muß ich gestehn, daß ich nicht weiß,

Wohin ich meinen Argwohn richten soll.

Sind's die Gefangnen, die auf ihre Flucht

Verstohlen sinnen? Ist's die Priesterin,

Die ihnen hilft? Es mehrt sich das Gerücht:

Das Schiff, das diese beiden hergebracht,

Sei irgend noch in einer Bucht versteckt.

Und jenes Mannes Wahnsinn, diese Weihe,

Der heil'ge Vorwand dieser Zögrung, rufen

Den Argwohn lauter und die Vorsicht auf.

Thoas:

Es komme schnell die Priesterin herbei!

Dann geht, durchsucht das Ufer scharf und schnell

Vom Vorgebirge bis zum Hain der Göttin.

Verschonet seine heil'gen Tiefen, legt

Bedächt'gen Hinterhalt und greift sie an;

Wo ihr sie findet, faßt sie, wie ihr pflegt!

Zweiter Auftritt

Thoas allein:

Entsetzlich wechselt mir der Grimm im Busen:

Erst gegen sie, die ich so heilig hielt,

Dann gegen mich, der ich sie zum Verrat

Durch Nachsicht und durch Güte bildete.

Zur Sklaverei gewöhnt der Mensch sich gut

Und lernet leicht gehorchen, wenn man ihn

Der Freiheit ganz beraubt. Ja, wäre sie

In meiner Ahnherrn rohe Hand gefallen

Und hätte sie der heil'ge Grimm verschont:

Sie wäre froh gewesen, sich allein

Zu retten, hätte dankbar ihr Geschick

Erkannt und fremdes Blut vor dem Altar

Vergossen, hätte Pflicht genannt,

Was Not war. Nun lockt meine Güte

In ihrer Brust verwegnen Wunsch herauf.

Vergebens hofft ich, sie mir zu verbinden;

Sie sinnt sich nun ein eigen Schicksal aus.

Durch Schmeichelei gewann sie mir das Herz:

Nun widersteh ich der, so sucht sie sich

Den Weg durch List und Trug, und meine Güte

Scheint ihr ein alt verjährtes Eigentum.

Dritter Auftritt

Iphigenie. Thoas.

Iphigenie:

Du forderst mich! Was bringt dich zu uns her?

Thoas:

Du schiebst das Opfer auf; sag an, warum?

Iphigenie:

Ich hab an Arkas alles klar erzählt.

Thoas:

Von dir möcht ich es weiter noch vernehmen.

Iphigenie:

Die Göttin gibt dir Frist zur Überlegung.

Thoas:

Sie scheint dir selbst gelegen, diese Frist.

Iphigenie:

Wenn dir das Herz zum grausamen Entschluß

Verhärtet ist, so solltest du nicht kommen!

Ein König, der Unmenschliches verlangt,

Findt Diener gnug, die gegen Gnad und Lohn

Den halben Fluch der Tat begierig fassen;

Doch seine Gegenwart bleibt unbefleckt.

Er sinnt den Tod in einer schweren Wolke,

Und seine Boten bringen flammendes

Verderben auf des Armen Haupt hinab;

Er aber schwebt durch seine Höhen ruhig,

Ein unerreichter Gott, im Sturme fort.

Thoas:

Die heil'ge Lippe tönt ein wildes Lied.

Iphigenie:

Nicht Priesterin! nur Agamemnons Tochter.

Der Unbekannten Wort verehrtest du,

Der Fürstin willst du rasch gebieten? Nein!

Von Jugend auf hab ich gelernt gehorchen,

Erst meinen Eltern und dann einer Gottheit,

Und folgsam fühlt ich immer meine Seele

Am schönsten frei; allein dem harten Worte,

Dem rauhen Ausspruch eines Mannes mich

Zu fügen, lernt ich weder dort noch hier.

Thoas:

Ein alt Gesetz, nicht ich, gebietet dir.

Iphigenie:

Wir fassen ein Gesetz begierig an,

Das unsrer Leidenschaft zur Waffe dient.

Ein andres spricht zu mir, ein älteres,

Mich dir zu widersetzen: das Gebot,

Dem jeder Fremde heilig ist.

Thoas:

Es scheinen die Gefangnen dir sehr nah

Am Herzen, denn vor Anteil und Bewegung

Vergissest du der Klugheit erstes Wort,

Daß man den Mächtigen nicht reizen soll.

Iphigenie:

Red oder schweig ich, immer kannst du wissen,

Was mir im Herzen ist und immer bleibt.

Löst die Erinnerung des gleichen Schicksals

Nicht ein verschloßnes Herz zum Mitleid auf?

Wie mehr denn meins! In ihnen seh ich mich.

Ich habe vorm Altare selbst gezittert,

Und feierlich umgab der frühe Tod

Die Knieende; das Messer zuckte schon,

Den lebenvollen Busen zu durchbohren;

Mein Innerstes entsetzte wirbelnd sich,

Mein Auge brach, und — ich fand mich gerettet.

Sind wir, was Götter gnädig uns gewährt,

Unglücklichen nicht zu erstatten schuldig?

Du weißt es, kennst mich, und du willst mich zwingen!

Thoas:

Gehorche deinem Dienste, nicht dem Herrn!

Iphigenie:

Laß ab! Beschönige nicht die Gewalt,

Die sich der Schwachheit eines Weibes freut.

Ich bin so frei geboren als ein Mann.

Stünd Agamemnons Sohn dir gegenüber

Und du verlangtest, was sich nicht gebührt,

So hat auch er ein Schwert und einen Arm,

Die Rechte seines Busens zu verteid'gen.

Ich habe nichts als Worte, und es ziemt

Dem edlen Mann, der Frauen Wort zu achten.

Thoas:

Ich acht es mehr als eines Bruders Schwert.

Iphigenie:

Das Los der Waffen wechselt hin und her:

Kein kluger Streiter hält den Feind gering.

Auch ohne Hülfe gegen Trutz und Härte

Hat die Natur den Schwachen nicht gelassen.

Sie gab zur List ihm Freude, lehrt' ihn Künste:

Bald weicht er aus, verspätet und umgeht.

Ja, der Gewaltige verdient, daß man sie übt.

Thoas:

Die Vorsicht stellt der List sich klug entgegen.

Iphigenie:

Und eine reine Seele braucht sie nicht.

Thoas:

Sprich unbehutsam nicht dein eigen Urteil!

Iphigenie:

O sähest du, wie meine Seele kämpft,

Ein bös Geschick, das sie ergreifen will,

Im ersten Anfall mutig abzutreiben!

So steh ich denn hier wehrlos gegen dich?

Die schöne Bitte, den anmut'gen Zweig,

In einer Frauen Hand gewaltiger

Als Schwert und Waffe, stößest du zurück:

Was bleibt mir nun, mein Innres zu verteid'gen?

Ruf ich die Göttin um ein Wunder an?

Ist keine Kraft in meiner Seele Tiefen?

Thoas:

Es scheint, der beiden Fremden Schicksal macht

Unmäßig dich besorgt. Wer sind sie, sprich,

Für die dein Geist gewaltig sich erhebt?

Iphigenie:

Sie sind — sie scheinen — für Griechen halt ich sie.

Thoas:

Landsleute sind es? und sie haben wohl

Der Rückkehr schönes Bild in dir erneut?

Iphigenie nach einigem Stillschweigen:

Hat denn zur unerhörten Tat der Mann

Allein das Recht? Drückt denn Unmögliches

Nur er an die gewalt'ge Heldenbrust?

Was nennt man groß? Was hebt die Seele schaudernd

Dem immer wiederholenden Erzähler,

Als was mit unwahrscheinlichem Erfolg

Der Mutigste begann? Der in der Nacht

Allein das Heer des Feindes überschleicht,

Wie unversehen eine Flamme wütend

Die Schlafenden, Erwachenden ergreift,

Zuletzt, gedrängt von den Ermunterten,

Auf Feindes Pferden doch mit Beute kehrt,

Wird der allein gepriesen? der allein,

Der, einen sichern Weg verachtend, kühn

Gebirg und Wälder durchzustreifen geht,

Daß er von Räubern eine Gegend säubre?

Ist uns nichts übrig? Muß ein zartes Weib

Sich ihres angebornen Rechts entäußern,

Wild gegen Wilde sein, wie Amazonen

Das Recht des Schwerts euch rauben und mit Blute

Die Unterdrückung rächen? Auf und ab

Steigt in der Brust ein kühnes Unternehmen:

Ich werde großem Vorwurf nicht entgehn

Noch schwerem Übel, wenn es mir mißlingt;

Allein euch leg ich's auf die Kniee! Wenn

Ihr wahrhaft seid, wie ihr gepriesen werdet,

So zeigt's durch euern Beistand und verherrlicht

Durch mich die Wahrheit! — Ja, vernimm, o König,

Es wird ein heimlicher Betrug geschmiedet:

Vergebens fragst du den Gefangnen nach;

Sie sind hinweg und suchen ihre Freunde,

Die mit dem Schiff am Ufer warten, auf.

Der ältste, den das Übel hier ergriffen

Und nun verlassen hat — es ist Orest,

Mein Bruder, und der andre sein Vertrauter,

Sein Jugendfreund, mit Namen Pylades.

Apoll schickt sie von Delphi diesem Ufer

Mit göttlichen Befehlen zu, das Bild

Dianens wegzurauben und zu ihm

Die Schwester hinzubringen, und dafür

Verspricht er dem von Furien Verfolgten,

Des Mutterblutes Schuldigen, Befreiung.

Uns beide hab ich nun, die Überbliebnen

Von Tantals Haus, in deine Hand gelegt:

Verdirb uns — wenn du darfst.

Thoas:

Du glaubst, es höre

Der rohe Skythe, der Barbar, die Stimme

Der Wahrheit und der Menschlichkeit, die Atreus,

Der Grieche, nicht vernahm?

Iphigenie:

Es hört sie jeder,

Geboren unter jedem Himmel, dem

Des Lebens Quelle durch den Busen rein

Und ungehindert fließt. — Was sinnst du mir,

O König, schweigend in der tiefen Seele?

Ist es Verderben? so töte mich zuerst!

Denn nun empfind ich, da uns keine Rettung

Mehr übrigbleibt, die gräßliche Gefahr,

Worein ich die Geliebten übereilt

Vorsätzlich stürzte. Weh! Ich werde sie

Gebunden vor mir sehn! Mit welchen Blicken

Kann ich von meinem Bruder Abschied nehmen,

Den ich ermorde? Nimmer kann ich ihm

Mehr in die vielgeliebten Augen schaun!

Thoas:

So haben die Betrüger künstlich dichtend

Der lang Verschloßnen, ihre Wünsche leicht

Und willig Glaubenden ein solch Gespinst

Ums Haupt geworfen!

Iphigenie:

Nein! o König, nein!

Ich könnte hintergangen werden; diese

Sind treu und wahr. Wirst du sie anders finden,

So laß sie fallen und verstoße mich,

Verbanne mich zur Strafe meiner Torheit

An einer Klippeninsel traurig Ufer.

Ist aber dieser Mann der lang erflehte

Geliebte Bruder, so entlaß uns, sei

Auch den Geschwistern wie der Schwester freundlich!

Mein Vater fiel durch seiner Frauen Schuld

Und sie durch ihren Sohn. Die letzte Hoffnung

Von Atreus' Stamme ruht auf ihm allein.

Laß mich mit reinem Herzen, reiner Hand

Hinübergehn und unser Haus entsühnen.

Du hältst mir Wort! — Wenn zu den Meinen je

Mir Rückkehr zubereitet wäre, schwurst

Du, mich zu lassen; und sie ist es nun.

Ein König sagt nicht, wie gemeine Menschen,

Verlegen zu, daß er den Bittenden

Auf einen Augenblick entferne; noch

Verspricht er auf den Fall, den er nicht hofft:

Dann fühlt er erst die Höhe seiner Würde,

Wenn er den Harrenden beglücken kann.

Thoas:

Unwillig, wie sich Feuer gegen Wasser

Im Kampfe wehrt und gischend seinen Feind

Zu tilgen sucht, so wehret sich der Zorn

In meinem Busen gegen deine Worte.

Iphigenie:

O laß die Gnade wie das heil'ge Licht

Der stillen Opferflamme mir, umkränzt

Von Lobgesang und Dank und Freude, lodern.

Thoas:

Wie oft besänftigte mich diese Stimme!

Iphigenie:

O reiche mir die Hand zum Friedenszeichen!

Thoas:

Du forderst viel in einer kurzen Zeit.

Iphigenie:

Um Guts zu tun, braucht's keiner Überlegung.

Thoas:

Sehr viel! denn auch dem Guten folgt das Übel.

Iphigenie:

Der Zweifel ist's, der Gutes böse macht.

Bedenke nicht; gewähre, wie du's fühlst.

Vierter Auftritt

Orest, gewaffnet. Die Vorigen.

Orest nach der Szene gekehrt:

Verdoppelt eure Kräfte! Haltet sie

Zurück! Nur wenig Augenblicke! Weicht

Der Menge nicht und deckt den Weg zum Schiffe

Mir und der Schwester!

Zu Iphigenien, ohne den König zu sehen:

Komm, wir sind verraten.

Geringer Raum bleibt uns zur Flucht. Geschwind!

Er erblickt den König.

Thoas nach dem Schwerte greifend:

In meiner Gegenwart führt ungestraft

Kein Mann das nackte Schwert.

Iphigenie:

Entheiliget

Der Göttin Wohnung nicht durch Wut und Mord!

Gebietet eurem Volke Stillstand, höret

Die Priesterin, die Schwester!

Orest:

Sage mir!

Wer ist es, der uns droht?

Iphigenie:

Verehr in ihm

Den König, der mein zweiter Vater ward!

Verzeih mir, Bruder! doch mein kindlich Herz

Hat unser ganz Geschick in seine Hand

Gelegt. Gestanden hab ich euern Anschlag

Und meine Seele vom Verrat gerettet.

Orest:

Will er die Rückkehr friedlich uns gewähren?

Iphigenie:

Dein blinkend Schwert verbietet mir die Antwort.

Orest, der das Schwert einsteckt:

So sprich! Du siehst, ich horche deinen Worten.

Fünfter Auftritt

Die Vorigen. Pylades. Bald nach ihm Arkas. Beide mit bloßen Schwertern.

Pylades:

Verweilet nicht! Die letzten Kräfte raffen

Die Unsrigen zusammen; weichend werden

Sie nach der See langsam zurückgedrängt.

Welch ein Gespräch der Fürsten find ich hier!

Dies ist des Königes verehrtes Haupt!

Arkas:

Gelassen, wie es dir, o König, ziemt,

Stehst du den Feinden gegenüber. Gleich

Ist die Verwegenheit bestraft; es weicht

Und fällt ihr Anhang, und ihr Schiff ist unser.

Ein Wort von dir, so steht's in Flammen.

Thoas:

Geh!

Gebiete Stillstand meinem Volke! Keiner

Beschädige den Feind, solang wir reden.

Arkas ab.

Orest:

Ich nehm es an. Geh, sammle, treuer Freund,

Den Rest des Volkes; harret still, welch Ende

Die Götter unsern Taten zubereiten

Pylades ab.

Sechster Auftritt

Iphigenie. Thoas. Orest.

Iphigenie:

Befreit von Sorge mich, eh ihr zu sprechen

Beginnet. Ich befürchte bösen Zwist,

Wenn du, o König, nicht der Billigkeit

Gelinde Stimme hörest; du, mein Bruder,

Der raschen Jugend nicht gebieten willst.

Thoas:

Ich halte meinen Zorn, wie es dem Ältern

Geziemt, zurück. Antworte mir! Womit

Bezeugst du, daß du Agamemnons Sohn

Und dieser Bruder bist?

Orest:

Hier ist das Schwert,

Mit dem er Trojas tapfre Männer schlug.

Dies nahm ich seinem Mörder ab und bat

Die Himmlischen, den Mut und Arm, das Glück

Des großen Königes mir zu verleihn

Und einen schönern Tod mir zu gewähren.

Wähl einen aus den Edeln deines Heers

Und stelle mir den Besten gegenüber!

So weit die Erde Heldensöhne nährt,

Ist keinem Fremdling dies Gesuch verweigert.

Thoas:

Dies Vorrecht hat die alte Sitte nie

Dem Fremden hier gestattet.

Orest:

So beginne

Die neue Sitte denn von dir und mir!

Nachahmend heiliget ein ganzes Volk

Die edle Tat der Herrscher zum Gesetz.

Und laß mich nicht allein für unsre Freiheit,

Laß mich, den Fremden, für die Fremden kämpfen!

Fall ich, so ist ihr Urteil mit dem meinen

Gesprochen; aber gönnet mir das Glück

Zu überwinden, so betrete nie

Ein Mann dies Ufer, dem der schnelle Blick

Hülfreicher Liebe nicht begegnet, und

Getröstet scheide jeglicher hinweg!

Thoas:

Nicht unwert scheinest du, o Jüngling, mir

Der Ahnherrn, deren du dich rühmst, zu sein.

Groß ist die Zahl der edeln, tapfern Männer,

Die mich begleiten; dich ich stehe selbst

In meinen Jahren noch dem Feinde, bin

Bereit, mit dir der Waffen Los zu wagen.

Iphigenie:

Mitnichten! Dieses blutigen Beweises

Bedarf es nicht, o König! Laßt die Hand

Vom Schwerte! Denkt an mich und mein Geschick.

Der rasche Kampf verewigt einen Mann:

Er falle gleich, so preiset ihn das Lied.

Allein die Tränen, die unendlichen,

Der überbliebnen, der verlaßnen Frau

Zählt keine Nachwelt, und der Dichter schweigt

Von tausend durchgeweinten Tag' und Nächten,

Wo eine stille Seele den verlornen,

Rasch abgeschiednen Freund vergebens sich

Zurückzurufen bangt und sich verzehrt.

Mich selbst hat eine Sorge gleich gewarnt,

Daß der Betrug nicht eines Räubers mich

Vom sichern Schutzort reiße, mich der Knechtschaft

Verrate. Fleißig hab ich sie befragt,

Nach jedem Umstand mich erkundigt, Zeichen

Gefordert, und gewiß ist nun mein Herz.

Sieh hier an seiner rechten Hand das Mal

Wie von drei Sternen, das am Tage schon,

Da er geboren ward, sich zeigte, das

Auf schwere Tat, mit dieser Faust zu üben,

Der Priester deutete. Dann überzeugt

Mich doppelt diese Schramme, die ihm hier

Die Augenbraune spaltet. Als ein Kind

Ließ ihn Elektra, rasch und unvorsichtig

Nach ihrer Art, aus ihren Armen stürzen.

Er schlug auf einen Dreifuß auf — Er ist's —

Soll ich dir noch die Ähnlichkeit des Vaters,

Soll ich das innre Jauchzen meines Herzens

Dir auch als Zeugen der Versichrung nennen?

Thoas:

Und hübe deine Rede jeden Zweifel

Und bändigt ich den Zorn in meiner Brust.

So würden doch die Waffen zwischen uns

Entscheiden müssen; Frieden seh ich nicht.

Sie sind gekommen, du bekennest selbst,

Das heil'ge Bild der Göttin mir zu rauben.

Glaubt ihr, ich sehe dies gelassen an?

Der Grieche wendet oft sein lüstern Auge

Den fernen Schätzen der Barbaren zu,

Dem goldnen Felle, Pferden, schönen Töchtern;

Doch führte sie Gewalt und List nicht immer

Mit den erlangten Gütern glücklich heim.

Orest:

Das Bild, o König, soll uns nicht entzweien!

Jetzt kennen wir den Irrtum, den ein Gott

Wie einen Schleier um das Haupt uns legte,

Da er den Weg hierher uns wandern hieß.

Um Rat und um Befreiung bat ich ihn

Von dem Geleit der Furien; er sprach:

«Bringst du die Schwester, die an Tauris' Ufer

Im Heiligtume wider Willen bleibt,

Nach Griechenland, so löset sich der Fluch.»

Wir legten's von Apollens Schwester aus,

Und er gedachte dich! Die strengen Bande

Sind nun gelöst; du bist den Deinen wieder,

Du Heilige, geschenkt. Von dir berührt,

War ich geheilt; in deinen Armen faßte

Das Übel mich mit allen seinen Klauen

Zum letztenmal und schüttelte das Mark

Entsetzlich mir zusammen; dann entfloh's

Wie eine Schlange zu der Höhle. Neu

Genieß ich nun durch dich das weite Licht

Des Tages. Schön und herrlich zeigt sich mir

Der Göttin Rat. Gleich einem heil'gen Bilde,

Daran der Stadt unwandelbar Geschick

Durch ein geheimes Götterwort gebannt ist,

Nahm sie dich weg, dich Schützerin des Hauses;

Bewahrte dich in einer heil'gen Stille

Zum Segen deines Bruders und der Deinen.

Da alle Rettung auf der weiten Erde

Verloren schien, gibst du uns alles wieder.

Laß deine Seele sich zum Frieden wenden,

O König! Hindre nicht, daß sie die Weihe

Des väterlichen Hauses nun vollbringe,

Mich der entsühnten Halle wiedergebe,

Mir auf das Haupt die alte Krone drücke!

Vergilt den Segen, den sie dir gebracht,

Und laß des nähern Rechtes mich genießen!

Gewalt und List, der Männer höchster Ruhm,

Wird durch die Wahrheit dieser hohen Seele

Beschämt, und reines, kindliches Vertrauen

Zu einem edeln Manne wird belohnt.

Iphigenie:

Denk an dein Wort, und laß durch diese Rede

Aus einem graden, treuen Munde dich

Bewegen! Sieh uns an! Du hast nicht oft

Zu solcher edeln Tat Gelegenheit.

Versagen kannst du's nicht; gewähr es bald!

Thoas:

So geht!

Iphigenie:

Nicht so, mein König! Ohne Segen,

In Widerwillen scheid ich nicht von dir.

Verbann uns nicht! Ein freundlich Gastrecht walte

Von dir zu uns: so sind wir nicht auf ewig

Getrennt und abgeschieden. Wert und teuer,

Wie mir mein Vater war, so bist du's mir,

Und dieser Eindruck bleibt in meiner Seele.

Bringt der Geringste deines Volkes je

Den Ton der Stimme mir ins Ohr zurück,

Den ich an euch gewohnt zu hören bin,

Und seh ich an dem Ärmsten eure Tracht:

Empfangen will ich ihn wie einen Gott,

Ich will ihm selbst ein Lager zubereiten,

Auf einen Stuhl ihn an das Feuer laden

Und nur nach dir und deinem Schicksal fragen.

O geben dir die Götter deiner Taten

Und deiner Milde wohlverdienten Lohn!

Leb wohl! O wende dich zu uns und gib

Ein holdes Wort des Abschieds mir zurück!

Dann schwellt der Wind die Segel sanfter an,

Und Tränen fließen lindernder vom Auge

Des Scheidenden. Leb wohl! und reiche mir

Zum Pfand der alten Freundschaft deine Rechte.

Thoas:

Lebt wohl!

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