III

Am folgenden Tage kam Kupfer zu Mittag, unterließ es aber, sich über den vergangenen Abend weitläufig auszusprechen; er warf Aratow nicht einmal seine heimliche Flucht vor, sondern bedauerte nur, daß er das Abendbrot nicht abgewartet habe – man hatte Champagner getrunken (in Nishnij-Nowgorod fabrizierten, fügen wir in Klammern hinzu). Kupfer hatte sich anscheinend endgültig davon überzeugt, daß es vergeblich sei, seinen Freund aufzurütteln und daß Aratow weder zu dieser Gesellschaft noch zu dieser Lebensweise passe. Aratow seinerseits unterließ es auch, von der Fürstin und dem gesteigert Abend zu sprechen. Platonida Iwanowna wußte nicht, ob sie sich über diesen ersten mißlungenen Versuch freuen oder ob sie ihn bedauern solle. Endlich entschied sie, daß Jascha‘s Gesundheit durch solche Ausfahrten leiden könnte und beruhigte sich. Kupfer ging gleich nach dem Mittagessen fort und zeigte sich dann eine ganze Woche lang nicht mehr. Nicht, daß er etwa ungehalten über den Mißerfolg seines Versuchs gewesen wäre – der gute Kerl war dazu unfähig – aber er hatte anscheinend eine andere wichtigere Beschäftigung gefunden, die alle seine Zeit, alle seine Gedanken in Anspruch nahm. Denn auch späterhin kam er seltener zu Aratow, er hatte ein zerstreutes Aussehen, sprach wenig und verschwand bald. Aratow setzte seine frühere Lebensweise fort; – aber es war ihm ein Häkchen in der Seele sitzen geblieben – wenn man sich so ausdrücken darf. Er suchte immer sich an Etwas zu erinnern, wußte aber selbst nicht recht, was es sei; dieses Etwas bezog sich aber auf den bei der Fürstin verbrachten Abend. Dabei hatte er durchaus nicht den Wunsch, dorthin zurückzukehren; – und die Welt, von der er einen Theil in ihrem Hause kennen gelernt hatte, war ihm jetzt noch antipathischer wie früher. So vergingen etwa sechs Wochen.

Da erschien eines Morgens Kupfer abermals bei ihm, diesmal aber mit einem etwas verlegenen Gesichte. – »Ich weiß,« – begann er mit erkünsteltem Lachen, – »daß der damalige Besuch nicht nach Deinem Geschmacke war; trotzdem aber hoffe ich, daß Du aus meinen Vorschlag eingehst . . . mir meine Bitte nicht abschlägst!«

– Um was handelt es sich? – fragte Aratow.

– Siehst Du, – fuhr Kupfer fort und wurde immer lebhafter – es gibt hier einen Verein von Dilettanten, Künstlern, der von Zeit zu Zeit Vorlesungen, Konzerte, sogar Theatervorstellungen zu wohlthätigen Zwecken veranstaltet . . .

– Nimmt die Fürstin auch theil daran? – unterbrach ihn Aratow.

Die Fürstin betheiligt sich an allen guten Werken, – nicht darum aber handelt es sich. Mir haben eine literarisch-musikalische Matinée arrangiert, und auf dieser Matinée kannst du ein Mädchen hören . . . ein ganz außergewöhnliches Mädchen! Wir wissen noch nicht recht, ist's eine Rachel oder eine Diardot? . . . Denn sie singt ebenso ausgezeichnet, wie sie ausgezeichnet deklamiert und spielt . . . Ein Talent, sag ich Dir, Brüderchen, ersten Ranges! ohne Uebertreibung. – Also – Du nimmst doch ein Billet? . . . Fünf Rubel in der ersten Reihe.

– Wo habt Ihr dann dieses Wunder von einem Mädchen her?

Kupfer schmunzelte. – »Das kann ich Dir nicht sagen . . . In letzter Zeit fand sie ein Asyl bei der Fürstin. Du weißt, die Fürstin protegirt dergleichen . . . Du hast sie gewiss an jenem Abend gesehen!«

In Aratow regte sich etwas. . . innerlich, schwach . . . er antwortete aber nicht.

Sie ist sogar irgendwo, in der Provinz, schon aufgetreten – fuhr Kupfer fort – ist überhaupt fürs Theater wie geschaffen . . . Nun, Du wirst sie ja selbst sehen.

– Wie heißt sie? – fragte Aratow.

– Klara . . .

– Klara? – unterbrach ihn Aratow wieder, – unmöglich!

– Weshalb unmöglich? – Klara. . . Klara Militsch; es ist nicht ihr eigentlicher Name . . . aber man nennt sie so. – – Sie wird eine Romanze von Glinka . . . und eine andere von Tschaikowskij singen; dann wird sie den Brief aus Jewgenij Onegin (Ein Poem Puschkins.) vortragen. – Nun wie ist‘s, nimmst Du ein Billet?

– Wann wird dann das stattfinden?

– Morgen . . . morgen um halb zwei, in einem Privat-Saale, auf der Ostoshenka . . . Ich werde Dich abholen. Eins zu fünf Rubel? . . . Da . . . nein, nicht dieses, das kostet nur drei Rubel! . . . Hier, – da ist auch ein Programm. Ich bin einer von den Ordner.

Aratow war in Gedanken vertieft. Platonida Iwanowna, die eben eintrat und ihn anblickte, wurde unruhig. – Jascha, – rief sie, – was ist Dir? Weshalb bist Du so aufgeregt? Feodor Feodorowitsch, – was halten Sie ihm da erzählt?

Aratow aber verhinderte die Antwort seines Freundes – ergriff hastig das ihm entgegengestreckte Billet und befahl Platonida Iwanowna sofort fünf Rubel an Kupfer auszuzahlen.

Sie war erstaunt, riß die Augen aus, gab aber schweigend das Geld hin. Jaschenka hatte sie noch nie so angefahren.

– Ich sage Dir, sie ist ein Ausbund von einem Wunder! Rief Kupfer und eilte zur Thür. Erwarte mich morgen!

– Hat sie schwarze Augen? – fragte Aratow noch, als er ihn bis zur Thür begleitete.

– Kohlenschwarze! – rief Kupfer vergnügt und verschwand.

Aratow ging in sein Zimmer; Platonida Iwanowna blieb ganz allein dastehen und wiederholte flüsternd: »Herr, hilf! Hilf Du, Herr!«

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