Den zweiten Band

Erstes Kapitel

Der Bischof von Lüttich befand sich seiner Gesundheit wegen, wie er sagte, oder, was wahrscheinlicher war, um einen Ueberfall von seiten der zahlreichen und aufrührerischen Volksmenge der Stadt zu vermeiden, auf seinem anmutigen Schlosse Schönwald, etwa eine Meile von Lüttich.

Gerade als sie sich dem Schlosse näherten, sahen sie den Prätaten in einer langen Prozession aus der nahen Stadt zurückkehren, wo er ein feierliches Hochamt gehalten hatte. Er befand sich an der Spitze eines glänzenden Zugs von Geistlichen, Beamten und Kriegern. Als aber unsere Reisenden näher kamen, fanden sie, daß rings um das Schloß her Sicherheitsmaßregeln getroffen waren, die dem Pompe und der Macht sehr widersprachen, von deren Entfaltung sie soeben Zeugen gewesen waren. Starke Wachen bischöflicher Soldaten waren rings um die Wohnung und in ihrer nächsten Umgebung aufgestellt, und das kriegerische Ansehen dieses geistlichen Hofes verkündigte, daß der ehrwürdige Prälat Gefahren fürchtete, die es notwendig machten, sich mit allen kriegerischen Verteidigungsmaßregeln zu umgeben. Die Gräfinnen von Croye wurden, nachdem sie von Quentin angemeldet worden, ehrerbietig in die große Halle geführt, wo der Bischof an der Spitze seines kleinen Hofes ihnen entgegentrat und sie aufs herzlichste empfing.

Ludwig von Bourbon war in der Tat ein edelmütiger, gutherziger Fürst, dessen Leben sich freilich nicht immer innerhalb der Grenzen seiner geistlichen Würden gehalten, der aber nichtsdestoweniger den offenen und ehrenwerten Charakter des Hauses Bourbon, von welchem er abstammte, jederzeit behauptet hatte.

Er war beliebt unter den benachbarten Fürsten als ein edler geistlicher Herr, freisinnig und prachtliebend. Doch regierte er mit einer bequemen Sorglosigkeit, welche seine wohlhabenden und aufrührerischen Untertanen in ihren rebellischen Anschlägen mehr anspornte als zügelte. Der Bischof war mit dem Herzog von Burgund intim befreundet, so daß letzterer in dem Bistume desselben beinahe ebenso unumschränkt waltete; der Herzog pflegte zu sagen, er betrachte Lüttich als sein Eigentum und den Bischof als seinen Bruder (wofür er auch wirklich gelten konnte, weil der Herzog des Bischofs Schwester auch in erster Ehe zur Gemahlin gehabt hatte) und daß, wer Ludwig von Bourbon etwas zuleide tue, es mit Karl von Burgund zu tun habe.

Der Prälat versicherte, wie schon bemerkt, die Gräfinnen von Croye seines ganzen Einflusses am Hofe zu Burgund. Er versprach ihnen auch allen Schutz, der in seiner Macht stehen würde; allein ein Seufzer, der diese Zusicherung begleitete, schien zu gestehen, daß seine Macht weit unbedeutender sei, als er füglich mit Worten eingestehen dürfe.

Getrennt von der Gräfin Isabelle, deren Blicke so viele Tage sein Leitstern gewesen waren, fühlte Quentin eine seltsame Leere und Beklommenheit des Herzens, die er in allen seinen bisherigen Lebensverhältnissen noch nie empfunden hatte; und sein stolzes Herz empörte sich bei dem Gedanken, daß man ihn gleich einem gewöhnlichen Postillon oder einem Geleitsmann, der sich nun seiner Obliegenheit entledigt habe, verabschiedete; der Gram hierüber entlockte seinen Augen insgeheim eine Träne über die Trümmer von Luftschlössern, die seine Einbildungskraft ihm während dieser so interessanten Reife vor sein geistiges Auge gezaubert hatte. Er machte einen männlichen, obwohl anfangs vergeblichen Versuch, diese Niedergeschlagenheit des Geistes zu überwinden; und unter der Last von Empfindungen, die er nicht unterdrücken konnte, setzte er sich nieder in eine der Fenstervertiefungen der großen, gotischen Halle von Schönwald und sann hier über das harte Schicksal nach, das ihm weder Rang noch Reichtum genug verliehen hatte, um seine kühne Bewerbung durchzuführen. Da wurde er durch einen leichten Schlag auf die Schulter in seinem Sinnen unterbrochen, und als er sich umsah, sah er den Zigeuner hinter sich stehen.

Hayraddin, nie ein willkommener Anblick für ihn, hatte sich ihm seit seiner letzten Verräterei vollends verhaßt gemacht, und Quentin fragte ihn deshalb in ernstem Tone,»wie er dazu komme, einen Christen von Stand und Ehre zu berühren?«—»Bloß deshalb, «erwiderte der Zigeuner,»weil ich wissen wollte, ob der christliche Edelmann sein Gefühl ebenso verloren habe, wie seine Augen und Ohren. Ich stehe nun schon fünf Minuten hier und spreche zu Euch, und Ihr habt immer auf das Blatt gelben Pergaments hingestarrt, als hätte es die Zauberkraft, Euch in eine Bildsäule zu verwandeln, und schon halb seine Wirkung vollendet.«—»Nun, was begehrst Du? sprich und geh Deiner Wege!«—»Ich begehre, was alle Leute begehren, obgleich wenige damit zufrieden sind, «sagte Hayraddin;»ich begehre meinen Lohn, meine zehn Goldkronen, dafür, daß ich die Damen hierher geleitet habe.«—»Mit welcher Stirn willst Du noch einen Lohn verlangen, außer dem, daß ich Deines unwürdigen Lebens geschont habe?«fragte Quentin entrüstet;»Du weißt, daß es Deine Absicht war, sie auf dem Wege zu verraten.«—»Aber ich habe sie doch nicht verraten, «sagte Hayraddin;»hätt ich's getan, so wollt ich weder Euch noch sie um den Lohn angegangen haben, sondern den, dem ich dadurch, daß wir auf dem rechten Ufer gereist wären, einen Dienst geleistet hätte. Diejenigen, denen ich gedient habe, müssen auch bezahlen.«—»So fahre denn Dein Lohn samt Dir dahin, Verräter!«sagte Quentin, indem er das Geld hinzählte; denn er hatte als Haushofmeister eine Summe zur Bestreitung solcher Ausgaben erhalten.»Geh nun zum Eber der Ardennen oder zum Teufel; nur komm mir nimmer unter die Augen, damit ich Dich nicht vor Deiner Zeit zu ihm befördere.«

«Zum Eber der Ardennen!«wiederholte der Zigeuner mit einem stärkeren Ausdruck von Erstaunen, als sich gewöhnlich in seinen Zügen auszudrücken pflegte;»so war es also keine leere Vermutung, kein allgemeiner Verdacht, der Euch darauf bestehen ließ, Euern Weg zu verändern? Wäre es möglich — gibt es in andern Ländern zuverlässigere Wahrsagerkünste als die unserer wandernden Stämme? Der Weidenbaum, unter dem wir sprachen, konnte doch nichts weiter erzählen. Doch nein, nein, nein! welch ein Dummkopf ich doch war! — Ich hab's! Der Weidenbaum an dem Bache bei dem Kloster dort, ich sah wohl, Ihr blicktet nach ihm hin, als wir vorüberzogen, eine halbe Meile von jenem wilden Bienenstock — der konnte freilich nicht hören, aber jemand verbergen, der Ohren hatte! Ich werde mich hinfort auf offenem Felde mit andern treffen — kein Distelbusch soll in der Nähe sein, unter dem ein schottischer Lauscher sich verbergen könnte. — Ha, ha! der Schotte hat den Zigeuner mit seiner eigenen Waffe geschlagen. Aber wißt denn, Durward, dadurch, daß Ihr meine Pläne vereitelt habt, habt Ihr Euer eigen Glück zerstört. — Ja! das Glück, das Euch aus den Linien Eurer Hand weissagte, wäre ohne Euern Eigensinn nicht überschwenglich gewesen.«

«Heiliger Andreas!«versetzte Quentin,»Deine Unverschämtheit bringt mich wider meinen Willen zum Lachen. Wie oder worin hätte Dein schändlicher Verrat, wäre er gelungen, mir genützt? Ich hörte in der Tat, daß Du die Sicherheit meines Lebens zur Bedingung machtest — eine Bedingung, die Deine saubern Verbündeten gewiß schnell vergessen hätten, wär es einmal zu Schlägen gekommen — und wozu mir Dein Verrat der Damen genützt hätte, als mich gewissem Tod oder gewisser Gefangenschaft zu überliefern, das ist etwas, was wohl kein menschlicher Verstand erraten möchte.«—»So denkt nicht weiter daran, «sagte Hayraddin,»denn ich bin willens, Euch durch meine Dankbarkeit zu überraschen. Hättet Ihr mir meinen Lohn vorenthalten, so hätt ich geglaubt, wir seien quitt, und ich hätt Euch Euch selbst überlassen. — So aber bleib ich Euer Schuldner wegen jener Geschichte an den Ufern des Cher.«—»Mich dünkt, ich habe Euch durch Flüche und Schimpfreden bereits bezahlt gemacht, «versetzte Quentin. — »Harte oder freundliche Worte, «sagte der Zigeuner,»das ist gleichviel; sie sind nur Wind, der nichts in der Wagschale wiegt. Hättet Ihr mich geschlagen, statt nur zu drohen, ja dann — «

«Nun, es könnte leicht dahin kommen, daß ich mich auf solche Art bezahlt mache, wenn Du mich noch ferner reizest.«—»Das wollt ich Euch denn doch nicht raten, «sagte der Zigeuner;»denn solche Behandlung von zu raschen Händen könnte die Schuld übersteigen und die Wagschale so zu Eurem Nachteile neigen, daß ich es nicht leicht vergessen und vergeben möchte. Und nun lebt wohl, aber nicht auf lange Zeit — ich gehe, um mich bei den Gräfinnen von Croye zu verabschieden.«—»Du?«fragte Quentin erstaunt. — »Du meinst, bei den Gräfinnen vorgelassen zu werden, gar hier noch, wo sie wie aus Klausnerinnen unter dem Schutze der Schwester des Bischofs, einer edlen Kanonissin, leben? Es ist nicht möglich.«

«Gleichviel wartet Marthon bereits auf mich, «versetzte der Zigeuner mit höhnischem Lächeln,»um mich zu ihnen zu führen, und ich muß um Verzeihung bitten, wenn ich Euch etwas schnell verlasse. «Er wandte sich um, als ob er gehen wollte, kam aber augenblicklich zurück und sagte in einem ernsten, nachdrücklichen Tone:»Ich kenne Eure Hoffnungen — sie sind kühn, aber nicht eitel, wenn ich Euch helfe. — Ich kenne Eure Besorgnisse — sie sollen Euch klug, nicht schüchtern machen. Jedes Weib kann gewonnen werden. Der Grafentitel ist ein bloßer Beiname, der sich vor Quentin ebensogut setzen läßt, als der des Herzogs vor Karl, oder der des Königs vor Ludwig. «Ehe Durward antworten konnte, hatte der Zigeuner die Halle verlassen. Quentin folgte ihm augenblicklich, aber besser als der Schotte bekannt mit den Gängen des Hauses, hatte Hayraddin schon einen Vorsprung gewonnen, und Quentin verlor ihn aus dem Gesichte, als er eine kleine Treppe hinabeilte. Immer noch folgte ihm Durward, ohne sich selbst sagen zu können, warum er es tat. Die Treppe führte an eine Tür, die auf eine Gartenallee hinausging, wo er den Zigeuner abermals einen krummen Gang hinuntereilen sah.

Auf zwei Seiten war der Garten von den Gebäuden des Schlosses umgeben, eines alten, schwerfälligen Bauwerks, nach Art der Schlösser zum Teil mit Zinnen versehen, zum Teil einem geistlichen Gebäude gleichend, dessen andere beiden Seiten durch eine hohe, zur Verteidigung eingerichtete Mauer gebildet wurden. Hayraddin durchkreuzte die Baumgänge des Gartens, die nach einer andern Seite des Gebäudes hinliefen, wo sich hinter einem großen, massiven, mit Efeu überwachsenen Schwibbogen eine Hintertür öffnete. Hier blickte er nochmals zurück und winkte seinem Verfolger ein triumphierendes Lebewohl zu, der in der Tat sehen mußte, wie das Pförtchen von Marthon geöffnet und der schändliche Zigeuner in die Gemächer der Gräfinnen von Croye eingelassen wurde. Quentin biß sich vor Unwillen in die Lippe und machte sich bittere Vorwürfe, daß er die Gräfinnen nicht von der ganzen Schändlichkeit Hayraddins und dessen Anschlägen gegen ihre Sicherheit in Kenntnis gesetzt hatte. Die Anmaßung, mit der der Zigeuner versprochen hatte, seine Bewerbung zu begünstigen, erhöhte noch seinen Aerger und Unwillen, und es war ihm, als ob die Hand der Gräfin Isabelle entehrt würde, wenn sie durch solch eine Verwendung gewonnen werden sollte.»Allein es ist lauter Trug, «sprach er bei sich —»eine seiner elenden Gauklerkünste! Er hat sich gewiß unter irgend einem falschen Vorwand und in böslicher Absicht Zutritt bei den Damen verschafft. Es ist gut, daß ich auf diese Weise erfuhr, wo sie wohnen. Ich will mir durch Marthon Zutritt bei den Damen auszuwirken suchen, wäre es auch nur, sie zu warnen, daß sie vor diesem Zigeuner auf ihrer Hut sein sollten. Es ist hart, wenn ich mich solcher Künste und Umwege bedienen muß, indes ein solcher Mensch öffentlich und ohne Bedenken Zugang erhält. Sie sollen finden, daß, obgleich ich aus ihrer Gesellschaft verbannt bin, Isabellens Sicherheit doch noch immer der Hauptgegenstand meiner Wachsamkeit ist. «Indes der jugendliche Liebhaber sich mit diesen Gedanken beschäftigte, trat ein bejahrter Hofbeamter des Bischofs durch dasselbe Tor, durch das er in den Garten gekommen war, auf ihn zu und machte ihm mit der größten Höflichkeit bemerklich, daß der Garten nicht öffentlich, sondern zum besonderen Gebrauch des Bischofs und seiner Gäste vom höchsten Range bestimmt sei. Quentin mußte sich diese Weisung zweimal wiederholen lassen, ehe er den eigentlichen Sinn derselben verstand; dann fuhr er wie aus einem Traum auf, verbeugte sich und eilte aus dem Garten. Der Hofbeamte folgte ihm und überhäufte ihn mit Entschuldigungen, daß er seine Pflicht hätte erfüllen müssen; ja so sehr war es ihm darum zu tun, den Eindruck der Kränkung, die er Quentin zugefügt zu haben glaubte, zu verwischen, daß er sich erbot, ihm Gesellschaft zu leisten. Aber Quentin, ärgerlich über diese Höflichkeit, befreite sich von ihm durch die Ausflucht, er wünsche die nahe Stadt in Augenschein zu nehmen, und eilte so schnell hinweg, das; dem Zeremonienmeister bald alle Lust verging, ihn weiter als bis an die Zugbrücke zu geleiten. In wenigen Minuten war Quentin innerhalb der Tore Lüttichs, damals einer der reichsten Städte Flanderns, und somit der ganzen Welt, und in wenigen Minuten war Quentins Aufmerksamkeit durch die Mannigfaltigkeit von Gegenständen so in Anspruch genommen in den geräuschvollen Straßen von Lüttich, als wenn weder eine Gräfin Isabelle noch ein Zigeuner jemals für ihn auf der Welt gewesen wären. Am tiefsten bewunderte er die vielen Ströme und Kanäle, die, aus der Maas abgeleitet und mit ihr in Verbindung stehend, die Stadt in verschiedenen Richtungen durchschnitten und jedem Stadtviertel alle Bequemlichkeit zu Wasser gewährten. Ebenso ermangelte er nicht, in der altehrwürdigen St.-Lambertskirche eine Messe zu hören. Als er jedoch diese heilige Stätte verließ, fiel ihm auf, daß er von mehreren Gruppen wohlhabend aussehender Bürger aufmerksam betrachtet wurde, die sich in der Absicht versammelt zu haben schienen, ihn bei seinem Austritt aus der Kirche zur Rede zu stellen. Es erhob sich ein dumpfes Gemurmel, das sich schnell von einer Gruppe zur andern verbreitete; die Anzahl der Neugierigen vermehrte sich zusehends, und alles schien ihn mit Teilnahme und Neugierde, auch mit einem Grad gewisser Achtung zu betrachten. Endlich sah er sich in der Mitte einer großen Volksmenge, die ihm jedoch, sowie er vorwärts schritt, Platz machte, während diejenigen, die ihm folgten oder Schritt mit ihm hielten, alles zu vermeiden suchten, was den Schein wecken konnte, ihn zu drängen oder seine Bewegungen zu hindern. Seine Lage ward ihm jedoch zu peinlich, als daß er sie lange hätte ertragen können, ohne einen Versuch zu machen, sich aus dieser herauszufinden und Aufklärung über sie zu erhalten.

Quentin sah rings um sich her, und indem er seine Augen auf einem freundlichen, ehrsam aussehenden, wohlgenährten Bürger haften ließ, den er in seinem Samtmantel und seiner goldenen Kette für eine Obrigkeit halten mußte, fragte er ihn, ob denn an seiner äußern Erscheinung etwas sei, was die öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen vermöchte? oder ob es Sitte der Lütticher sei, sich so um Fremde zu drängen, die der Zufall in ihre Stadt gefühlt habe? — »Keineswegs, guter Herr, «antwortete der Bürger,»die Lütticher treibt weder so müßige Neugier, daß eine solche Sitte bei ihnen aufkäme, noch liegt in Eurem Anzug und Aeußern etwas, das nicht dieser Stadt äußerst willkommen wäre.«

«Das klingt recht artig, werter Herr, «fügte Quentin,»aber beim Kreuze des heiligen Andreas, ich weiß nicht, was Ihr damit meint?«—»Euer Schwur, «versetzte der Handelsmann von Lüttich,»sowie Euer Akzent überzeugen mich, daß wir uns in unserer Vermutung nicht betrogen haben.«—»Bei meinem Schutzheiligen St. Quentin!«sagte Durward,»ich verstehe Euch immer weniger.«—»Nun, «versetzte der Lütticher, indem er ihn bei diesen Worten sehr zuversichtlich, aber fein und verständig ansah.»Es kommt uns freilich nicht zu, werter Herr, zu wissen, was Ihr zu verhehlen für gut findet. Aber warum schwört Ihr bei St. Quentin, wenn Ihr mir damit nicht etwas zu verstehen geben wollt? — Wir wissen, daß der gute Graf von Saint-Paul, der jetzt in der Stadt dieses Namens liegt, unserer Sache wohl will.«—»So wahr ich lebe, «sprach Quentin.»Ihr täuscht Euch, — ich weiß nichts von Saint-Paul.«—»Nun, wir fragen Euch gar nicht aus, «versetzte der Bürger,»doch hört, ein Wort im Vertrauen — ich heiße Pavillon.«—»Und was geht mich das an, Herr Pavillon?«fragte Quentin. — »Nichts, gar nichts — ich meine nur, dies sollte Euch genug sein, um zu wissen, daß man mir trauen kann. — Hier ist auch mein Kollege Rouslaer.«

Rouslaer trat vor, ein wohlgenährter Würdenträger, dessen ziemlich runder Bauch wie ein Mauerbrecher das Gedränge vor ihm durchbrach. Mit geheimnisvollem Flüstern empfahl er seinem Nachbarn Vorsicht und sagte im Tone des Vorwurfs zu ihm:»Ihr vergesset, mein guter Kollege, daß der Platz hier zu öffentlich ist; der Herr wird so gütig sein, sich mit uns nach Eurem oder meinem Hause zu begeben, wo wir dann bei einem Glase Rheinwein mehr von unserm Freunde und Verbündeten hören wollen, dem wir mit unsern ehrlichen flamändischen Herzen aufrichtig zugetan sind.«—»Ich bringe Euch keine Nachrichten, «entgegnete Quentin mit Ungeduld;»ich trinke keinen Rheinwein und ersuche Euch bloß, als Männer von Gewicht und Ansehen, den müßigen Haufen zu zerstreuen und einem Fremden zu gestatten, daß er Eure Stadt so ruhig verlassen darf, wie er sie betreten hat.«—»Nun denn, mein Herr, «sagte Rouslaer;»wenn Ihr so sehr auf Eurem Inkognito besteht, und noch dazu gegen uns, die wir vertraute Männer sind, so laßt mich geradezu fragen, warum tragt Ihr denn das Abzeichen Eures Korps, wenn Ihr in Lüttich unbekannt bleiben wollt?«—»Welches Abzeichen, und welches Korps?«fragte Quentin,»Ihr seht doch wie ehrenwerte Männer und achtbare Bürger aus, und doch, bei meiner Seele, seid Ihr entweder Narren, oder wollt Ihr mich zu einem machen.«

«Sapperment!«rief der andere Bürger,»dieser junge Mann brächte wahrhaftig den heiligen Lambert selbst zum Fluchen! Wer in aller Welt trägt denn Mützen mit dem St. Andreaskreuz und der Lilie, als die schottischen Bogenschützen von König Ludwigs Leibwache?«—»Und gesetzt auch, ich wäre ein Bogenschütze von der königlichen Leibwache, wie könnte es Euch wundern, wenn ich das Abzeichen meiner Kompagnie trüge?«fragte Quentin ungeduldig. — »Er hat's eingestanden!«riefen Rouslaer und Pavillon, indem sie sich mit allen Zeichen der Freude, mit emporgehobenen Armen und Händen und vor Freude strahlenden Gesichtern an die versammelten Bürger wandten.»Er hat's eingestanden, daß er ein Bogenschütze von der Leibwache Ludwigs ist — Ludwigs, des Beschützers der Freiheiten Lüttichs!«

Ein allgemeiner Freudenruf erhob sich jetzt aus der Menge, woraus man deutlich die Worte hören konnte:»Lange lebe Ludwig von Frankreich! Lange lebe die schottische Garde! Lange lebe der tapfere Bogenschütze! Unsere Freiheiten, unsere Privilegien, oder der Tod! Lange lebe der tapfere Eber der Ardennen! Nieder mit Karl von Burgund! und Verderben über Bourbon und sein Besitztum!«

Halb betäubt durch den Lärm, der, sobald er auf einer Seite aufhörte, auf der andern wieder begann, fallend und steigend gleich den Wellen der See, und vermehrt durch Tausende von Stimmen, die im Chor von entfernteren Straßen und Marktplätzen erschallten, hatte Quentin doch Zeit, sich über die Ursache des Tumults seine Vermutungen zu bilden und einen Entschluß über sein weiteres Benehmen zu fassen. Er hatte vergessen, daß nach seinem Strauße mit Orleans und Dunois einer seiner Kameraden auf Lord Crawfords Befehl ihm statt seines vom Schwerte des letzteren gespaltenen Helms eine der stahlgefütterten Mützen aufgesetzt hatte, die einen Teil der eigentümlichen, wohlbekannten Rüstung der schottischen Leibwache ausmachten. Daß jemand von diesem Korps, das immer unmittelbar Ludwigs Person umgab, in den Straßen einer Stadt erschien, deren bürgerliche Unruhen durch dieses Königs Agenten gesteigert wurden, galt in den Augen der Bürger Lüttichs sehr natürlich als ein Entschluß von seiten des Königs, sich ihrer Sache nun öffentlich anzunehmen; und die Erscheinung eines einzelnen Bogenschützen wurde sogleich für das Unterpfand unmittelbaren, tätigen Beistandes von seiten Ludwigs genommen, ja sogar als ein sicherer Beweis, daß seine Hülfstruppen bereits auf einer oder der andern Seite — wo, konnte man nicht angeben — in die Stadt einrückten. Quentin sah bald, daß es unmöglich sei, eine so allgemein verbreitete Ueberzeugung zu widerlegen, ja daß jeder Versuch, Leute, die hartnäckig bei derselben beharrten, aus ihrem Irrtum zu reißen, mit persönlicher Gefahr verbunden sein würde, was in dem gegebenen Falle von gar keinem Nutzen sein konnte. Er beschloß deswegen, sogleich Zeit zu gewinnen und sich dann, so gut er könnte, aus der Sache zu ziehen. Dieser Entschluß ward in ihm rege, während man ihn nach dem Stadthause geleitete, wo sich die angesehensten Bürger der Stadt eiligst versammelten, um die Nachrichten zu vernehmen, die er, wie man vermutete, überbracht habe, und ihn mit einem glänzenden Mahle zu bewirten. Trotz aller Widerrede, die man für Bescheidenheit nahm, ward er von allen Seiten von den Beweisen der Volksgunst umgeben, deren unschmackhafte Flut ihn jetzt umwogte. Seine beiden Freunde, welche Schöppen oder Stadtsyndizi waren, hatten ihn unter beide Arme gefaßt; vor ihm her ging Nikkel Block, der Obermeister der Fleischerinnung, den man eiligst von den Fleischbänken abgerufen hatte, und schwang sein todbringendes, noch von Blut und Hirn beflecktes Beil mit einem Mut und Anstand, den nur Branntwein einflößen konnte. Hinter ihm schritt einher die lange, hagere, knochige Gestalt des betrunkenen Patrioten, Klaus Hämmerlein, Vorstehers der Innung der Eisenarbeiter; ihm folgten wenigstens tausend ungewaschene Arbeiter dieser Klasse. Weber, Nagelschmiede, Seiler und Handwerker jeder Profession drängten sich aus den engen und finstern Gassen herbei, um sich an den Zug anzuschließen. Jeder Versuch, zu entrinnen, würde ein ebenso gefährliches als unmögliches Unternehmen gewesen sein. In dieser Verlegenheit wandte sich Quentin an Rouslaer, der ihn an einem Arme hielt, und an Pavillon, der sich des andern bemächtigt hatte, und die ihn so an der Spitze dieses Triumphzuges führten, dessen Hauptgegenstand er so unerwartet geworden war. Er eröffnete ihnen in Eile, daß er die Mütze der schottischen Leibwache gedankenlos aufgesetzt habe, da die Stahlhaube, die er auf der Reise zu tragen willens gewesen, zufälligerweise beschädigt worden sei; er bedauerte, daß dieser Umstand, und der Scharfblick, womit die Lütticher auf seinen Stand und den Zweck seiner Sendung geschlossen, die Sache aufgedeckt hätten, und gab zu verstehen, wenn er nach dem Stadthause geführt werde, so sehe er sich genötigt, den versammelten Notabeln gewisse Dinge mitzuteilen, die er eigentlich auf Befehl des Königs bloß den trefflichen Gevattern, Rouslaer und Pavillon von Lüttich, insgeheim hätte veröffentlichen sollen.

Dieser letzte Wink wirkte mit Zauberkraft auf die zwei Bürger, welche die vornehmsten Anführer der mißvergnügten Stadtbewohner waren und so, gleich allen Demagogen ihrer Art, die Leitung der Dinge soviel wie möglich in ihrer Hand zu behalten suchten. Sie wurden daher gleich darüber einig, daß Quentin vor der Hand die Stadt verlassen, nachts nach Lüttich zurückkehren und in Rouslaers Hause, das nahe an dem Stadttor gegen Schönwald lag, mit ihnen zusammenkommen sollte.

Quentin trug kein Bedenken, ihnen zu sagen, daß er gegenwärtig in dem bischöflichen Palaste wohne, unter dem Vorwande, Depeschen von dem französischen Hofe zu überbringen, obgleich seine eigentliche Sendung, wie sie richtig geschlossen hätten, an die Bürger von Lüttich ginge. Diese Art, auf Umwegen Verbindung zu unterhalten, sowie der Charakter und der Rang der Person, der das Geschäft anvertraut war, stimmten so sehr mit dem Charakter Ludwigs überein, daß man sich darüber keineswegs wunderte, noch die Wahrheit des Vorgebens bezweifelte.

Gleich nach der Eröffnung langte der Zug vor der Tür von Pavillons Hause an, das zwar in einer der Hauptstraßen lag, von hinten aber durch einen Garten, sowie durch eine weitläufige Anlage von Lohgruben und andere Einrichtungen zur Zubereitung von Häuten (denn der patriotische Bürger war ein Gerber) mit der Maas zusammenhing. Es war natürlich, daß Pavillon dem vermeinten Abgesandten Ludwigs in seinem Hause einige Ehre erwies, und das Verweilen vor seinem Hause konnte vor der Menge nichts Auffallendes haben; sie brachte vielmehr Herrn Pavillon ein schallendes Lebehoch, als er seinen vornehmen Gast hineinnötigte. Quentin vertauschte sogleich seine auffallende Mütze mit der eines Gerbers und warf einen Mantel über seinen übrigen Anzug. Pavillon versah ihn dann mit einem Passe, mit dem er nach Gefallen bei Tag und Nacht zu den Stadttoren aus- und eingehen konnte, und übergab ihn der Fürsorge seiner Tochter, einer hübschen, lachenden Flamänderin; indes er selbst zu seinem Kollegen zurückeilte, um ihre Freunde auf dem Stadthause durch die besten Entschuldigungen, die sie für das Verschwinden des Gesandten Ludwigs aufbringen konnten, zu beschwichtigen.

Der ehrwürdige Bürger hatte sich nicht sobald entfernt, als sein rundes Trudchen unter manchem Erröten und mit manchem versteckten Lächeln, das zu den kirschroten Lippen, den freundlichen, blauen Augen und der reinen, durchsichtigen Haut recht gut stand, den schönen Fremdling durch die dunkeln Baumgänge in Herrn Pavillons Garten nach dem Wasser hinunterführte und ihn dort ein Boot besteigen ließ, das zwei handfeste Flamänder in ihren Pumphosen, ihren Pelzmützen und vielknöpfigen Wämsern so eilfertig in Bereitschaft gesetzt hatten, als es nur immer ihrer niederländischen Natur möglich war.

Da das hübsche Trudchen nichts als Flämisch sprach, wußte Quentin — unbeschadet seiner aufrichtigen Ergebenheit gegen die Gräfin von Croye — seinen Dank einzig nur durch einen Kuß auf die kirschroten Lippen auszudrücken, der mit der größten Artigkeit gegeben und mit der bescheidensten Dankbarkeit angenommen wurde; denn junge Herren mit einer Gestalt und einem Gesicht, wie unser schottischer Bogenschütze, kamen unter der Lütticher Bürgerschaft nicht alle Tage vor.

Indes das Boot auf den trägen Gewässern der Maas dahinruderte und bei den Festungswerken der Stadt vorüberfuhr, hatte Quentin Zeit, zu überlegen, welchen Bericht er bei seiner Rückkehr in den bischöflichen Palast zu Schönwald von seinem Abenteuer in Lüttich geben sollte; und da er ebensowenig jemand, der, wenngleich irrigerweise, ihm sein Vertrauen geschenkt hatte, verraten, noch auch dem gastfreien Bischof die aufrührerische Stimmung seiner Hauptstadt verbergen wollte, beschloß er, seinen Bericht so allgemein wie möglich zu halten, damit er den Bischof in den Stand setzen möchte, auf seiner Hut zu sein, ohne dadurch irgendjemand seiner Rache bloßzustellen. Er stieg eine Meile vom Schlosse ans Land und belohnte die Ruderer mit einem Gulden, und so kurz auch der Weg nach dem Schlosse war, den Quentin vor sich hatte, so hatte doch die Abendglocke bereits zum Essen geläutet; auch fand er überdies, daß er sich dem Schlosse von einer, dem Haupteingange gegenüberliegenden Seite genähert hatte, und daß, wenn er herumgehen wollte, seine Ankunft sich bedeutend verzögern müßte. Er richtete daher seinen Weg gerade nach der ihm zunächst gelegenen Seite, die, wie er vernahm, von einer befestigten Mauer, wahrscheinlich der des schon erwähnten kleinen Gartens, umgeben war. Sie war mit einem Pförtchen versehen, zu welchem er vermittelst eines daneben liegenden Schiffchens, wenn er jemand träfe, der ihn auf seinen Ruf über den Graben setzte, zu gelangen hoffte. Indem er sich näherte, trat jemand aus der Hintertür, sprang in das Boot, nahm seinen Weg zu einer entferntern Seite des Grabens und stieß mit einer langen Stange das Fahrzeug nach der Stelle zurück, wo er eingestiegen war. Als er näher kam, erkannte Quentin in ihm den Zigeuner, der, ihn vermeidend, was nicht schwer war, einen andern Weg nach Lüttich einschlug und ihm sogleich aus dem Gesichte war.

Dies war ein neuer Gegenstand des Nachdenkens für ihn. Hatte dieser heidnische Landstreicher die ganze Zeit bei den Gräfinnen von Croye zugebracht? und weswegen konnten sie ihm solange Gehör geschenkt haben? — Gequält von diesen Gedanken, entschloß sich Durward umsomehr, hierüber Aufklärung von ihnen zu verlangen, und nahm sich vor, ihnen mit einemmale die Verräterei Hayraddins aufzudecken.

Mit diesem Entschlusse trat Quentin zum Haupttor ein, wo er in der großen Halle den Hofhalt des Bischofs mit Einschluß seiner geistlichen Diener, der Hausbeamten und Fremden, die nicht zum hohen Adel gehörten, bereits an der Tafel fand. Am obern Ende des Tisches war jedoch neben dem Hauskaplane des Bischofs ein Platz freigelassen, der den Fremden mit dem alten Scherze:»Wer zu spät kommt, erhält die Knochen «bewillkommnete, zugleich aber Sorge trug, seinen Teller mit Leckerbissen zu beladen, die seinen gutmütigen Spaß würzen sollten.

Um sich von dem Verdachte schlechter Lebensart zu reinigen, beschrieb Quentin kurz den Auflauf, den seine schottische Mütze verursacht, und suchte seiner Erzählung dadurch eine scherzhafte Wendung zu geben, daß er sagte, mit Mühe habe er sich von dem Gewirr vermittelst eines wohlbeleibten Bürgers und dessen schöner Tochter losgemacht.

Allein die Gesellschaft nahm zu großen Anteil an der Erzählung, als daß der Scherz an seinem Orte gewesen wäre. Alle Bewegungen am Tische waren gehemmt, als Quentin zu erzählen begann, und als er geendet hatte, erfolgte eine feierliche Pause, die nur durch den Haushofmeister unterbrochen wurde:»Wollte Gott, wir hätten schon hundert Lanzen von Burgund!«

«Was sollte Euch denn gerade an ihnen soviel gelegen sein?«fragte Quentin, — »Ihr habt soviele Soldaten hier, denen das Kriegshandwerk Beruf ist, während Eure Gegner aus dem Pöbel einer meuterischen Stadt bestehen, der bei dem ersten Wehen des Banners von Bewaffneten die Flucht ergreifen wird.«

«Da kennt Ihr die Lütticher Bürger nicht, «versetzte der Kaplan,»von denen man wohl behaupten darf, daß sie die ungestümsten und unbändigsten Leute in ganz Europa sind. Möge nur Gott alles zum besten wenden! Allein ich fürchte, es wird einen blutigen Kampf setzen; ich wollte lieber, mein trefflicher, gütiger Herr hätte einen sicheren, wenn auch minder ehrenvollen Sitz; denn seine Bischofsmütze ist, statt mit Hermelin, mit Dornen gefüttert. Dies alles sage ich Euch, Herr Fremder, um Euch aufmerksam zu machen, daß Schönwald, wenn Eure Geschäfte Euch nicht drin festhalten, ein Ort ist, den jeder vernünftige Mann sobald als möglich verläßt. Ich glaube, Eure Damen sind derselben Meinung, denn sie haben einen der Reitknechte, die sie bisher begleiteten, mit Briefen an den Hof von Frankreich zurückgeschickt, ohne Zweifel, um melden zu lassen, daß sie die Absicht haben, einen sichreren Aufenthaltsort aufzusuchen.«

Zweites Kapitel

Nach aufgehobener Tafel führte der Kaplan den jungen Schotten, an dessen Gesellschaft er ein besonderes Interesse gefunden zu haben schien, in ein Nebengemach, dessen Fenster auf einer Seite in den Garten gingen. Als er sah, daß sein Begleiter verlangende Blicke dahin warf, schlug er ihm vor, hinunter zu gehen und die merkwürdigen Gewächse in Augenschein zu nehmen, mit denen der Bischof seine Blumenbeete bereichert hatte. Quentin entschuldigte sich, daß er wegen der ihm am Morgen widerfahrenen Unbill die Einladung ablehnen müßte. Der Kaplan lächelte und fügte:»es bestehe allerdings ein altes Verbot hinsichtlich des bischöflichen Gartens, allein, «setzte er lächelnd hinzu,»dies galt nur damals, als unser ehrwürdiger Vater ein fürstlicher, junger Prälat von nicht mehr denn dreißig Jahren war, und viele schöne Damen, um geistliche Tröstung zu suchen, auf das Schloß kamen; und da war es, «schloß er mit niedergeschlagenen Augen und einem halb einfältigen, halb klugen Lächeln,»allerdings notwendig, daß diese schönen Büßerinnen, die sich bei uns aufhielten, einen Raum hatten, wo sie Luft schnappen konnten, ohne von der Zudringlichkeit profaner Blicke belästigt zu werden; allein in spätern Jahren wurde dieses Verbot, wenngleich nicht förmlich zurückgenommen, doch ganz und gar nicht beachtet und spuckt nur noch in dem Gehirn des alten Zeremonienmeisters. Wenn es Euch gefällt, so gehen wir sogleich hinab und sehen, ob der Ort geheuer ist oder nicht.«

Nichts konnte Quentin angenehmer sein als die Aussicht, mit dem Gegenstande seiner Zärtlichkeit in Verbindung zu treten oder ihn wenigstens zu Gesicht zu bekommen, sei es nun von einem Turmfenster oder Balkon oder einem ähnlichen vorteilhaften Plätzchen aus, wie es in dem Gasthof zur Lilie bei Plessis oder in dem Dauphinsturme des Schlosses Plessis selbst der Fall war. Isabelle schien nun einmal bestimmt, allenthalben, wo sie sich aufhielt, die Dame vom Turme zu sein.

Der geistliche Herr entschuldigte sich jedoch, kaum daß sie im Garten waren, bei seinem neuen Freunde, daß ihn sein Dienst anderswohin rufe, gab ihm aber von neuem die Versicherung, daß er sich bis zum Abendessen ungestört in dem Garten ergehen könnte.

Man kann sich leicht vorstellen, daß Quentin den Garten recht aufmerksam musterte, und daß ihm ein Fenster in der Nähe der kleinen Haustür nicht entging, durch die seiner Meinung nach Hayraddin von Marthon in die Gemächer der Gräfinnen geführt worden war; allein nichts regte oder zeigte sich, was die Erzählung des Zigeuners zu widerlegen oder zu bestätigen schien, bis es endlich dunkel wurde. Quentin beschlich allmählich, er wußte selbst nicht warum, die Furcht, daß sein langes Verweilen im Garten Mißfallen oder Verdacht erregen möchte. Gerade als er beschlossen hatte, sich zu entfernen, und zum letztenmale unter den Fenstern, die eine so große Anziehungskraft für ihn hatten, umher ging, hörte er über sich ein leises, behutsames Gähnen, als ob seine Aufmerksamkeit, von andern unbemerkt, erregt werden solle. Wie er in freudiger Ueberraschung aufblickte, öffnete sich das Fenster und eine weibliche Hand ließ ein Billett herabfallen, das in einen Rosmarinstock am Fuße der Mauer fiel. Es aufraffen, in den Busen stecken und in einer Felsgrotte verschwinden, die in der Nähe lag, war das Werk eines Augenblicks.»Lest dies insgeheim, «begann das Briefchen, und der Inhalt war folgender:»Was Eure Augen zu kühn ausgesprochen haben, haben die meinigen vielleicht zu schnell verstanden, aber ungerechte Verfolgung macht ihre Opfer kühn, und besser ist's, mich der Dankbarkeit eines hinzugeben, als der Gegenstand der Nachstellung für viele zu sein. Das Glück thront auf einem Felsen, aber der Tapfere scheut sich nicht, ihn zu erklimmen; getraut Ihr Euch, etwas für ein weibliches Wesen, das in Gefahr ist, zu wagen, so kommt morgen früh zur Stunde der Frühmesse in diesen Garten und tragt auf Eurer Mütze eine blaue und weiße Feder; erwartet aber keine andere Mitteilung. Euer Stern hat Euch, sagt man, zur Größe bestimmt, und Euer Herz der Dankbarkeit geöffnet. — Lebt wohl, seid treu, pünktlich und entschlossen, und zweifelt nicht an Euerm Glücke. «In diesem Briefe lag ein Ring mit einem Tafeldiamant, in den das altertümliche Wappen des Hauses Croye geschnitten war.

Die erste Empfindung Quentins bei dieser Gelegenheit war ungemischtes Entzücken, ein Stolz und eine Wonne, die ihn zu den Sternen zu erheben schienen, ein Entschluß zu siegen oder zu sterben, der ihn alle die tausend Hindernisse verachten ließ, die sich zwischen ihn und das Ziel seiner Wünsche stellten. In diesem Zustande des Entzückens unfähig, eine, wenn auch nur augenblickliche Zerstreuung zu ertragen, die seine Gedanken von einem so beglückenden Gefühle abwenden konnte, zog sich Durward sogleich in das Innere des Schlosses zurück, schützte wie früher Kopfschmerzen vor, um nicht mit dem Hofstaate des Bischofs sich beim Abendessen einfinden zu müssen, zündete seine Lampe an und begab sich auf das ihm angewiesene Zimmer, um das kostbare Billett zu lesen und wieder zu lesen und den nicht minder köstlichen Ring tausendmal zu küssen.

Zur Stunde der Frühmette, ja eine Stunde früher schon, trotzdem er eine sehr unruhige Nacht gehabt, war er in dem Schloßgarten, wo sich jetzt niemand seinem Eingang oder Verweilen widersetzte, mit einem Federbusch von der bezeichneten Farbe auf der Mütze, so gut er ihn in der Eile verschaffen konnte. Zwei ganze Stunden ward von seiner Anwesenheit keine Kenntnis genommen; endlich hörte er einige Lautentöne, und sogleich öffnete sich das Fenster gerade über dem kleinen Pförtchen, durch das Hayraddin eingelassen worden, und Isabelle erschien in jungfräulicher Schönheit, halb schüchtern, errötete hoch bei der tiefen, bedeutungsvollen Verbeugung, mit der er ihren Gruß erwiderte — verschloß das Fenster wieder und verschwand.

Das helle Tageslicht ließ ihn nichts weiter entdecken. Die Echtheit des Billetts war nun erhoben — es fragte sich bloß, was darauf folgen sollte, und darüber hatte ihm die schöne Briefstellerin keinen Wink gegeben. Indessen drohte keine unmittelbare Gefahr; die Gräfin befand sich in einem festen Schlosse unter dem Schutze eines Fürsten, dessen weltliche Macht ebenso bedeutend wie sein geistliches Ansehen war.

Auch bot sich weder Veranlassung noch Gelegenheit für den unternehmenden Schildknappen, in die Angelegenheit selbst einzugreifen; es war hinreichend für ihn, wenn er sich bereit hielt, Befehle zu vollziehen, sobald ihm solche zukamen. Allein das Schicksal hatte beschlossen, ihn früher als er glaubte, in Tätigkeit zu setzen.

Es war die vierte Nacht nach seiner Ankunft in Schönwald, als Quentin Maßregeln getroffen hatte, am folgenden Morgen den Reitknecht, der ihn auf der Reise begleitete, an den Hof Ludwigs zurückzusenden, und zwar mit den Briefen von ihm an seinen Oheim und Lord Crawford, worin er den französischen Dienst aufsagte; denn der Verrat, dem er durch Hayraddins geheime Instruktionen ausgesetzt worden war, rechtfertigte diesen Schritt aus Gründen sowohl der Ehre als der Klugheit. Und nun legte er sich zu Bette, mit allen den rosenfarbenen Gedanken, die das Lager eines innig liebenden Jünglings umgaukeln, der seine Liebe aufrichtig erwidert glaubt.

Allein Quentins Träume, welche anfangs die Farbe der lieblichen Bilder hatten, unter denen er eingeschlafen war, begannen allmählich einen furchtbaren Charakter anzunehmen. Er wandelte nämlich mit Gräfin Isabelle das Gestade eines spiegelglatten Landsees entlang, dem ähnlich, der eine Haupteigentümlichkeit in der Landschaft seines heimatlichen Bergtales ausmachte, und sprach mit ihr von seiner Liebe, ohne an die vielen Hindernisse zu denken, die sich derselben entgegenstellten. Sie errötete und lächelte, indem sie ihm zuhörte, gerade wie er es nach dem Inhalte des Briefes erwarten konnte, der ihm Tag und Nacht am Herzen ruhte. Allein plötzlich ging die Szene vom Sommer in den Winter über, von der Ruhe und Stille zum Sturme; Winde und Wellen erhoben sich mit solchem Ungestüm, als ob die Geister des Wassers und der Luft um ihre Herrschaft stritten. Schwellende Gewässer schienen sie weder vorwärts noch rückwärts lassen zu wollen, der wachsende Sturm, der sie gegeneinander warf, ihr längeres Verweilen an diesem Orte unmöglich zu machen, und die stürmischen Gefühle, durch die anscheinend dringende Gefahr erregt, erweckten endlich den Träumer.

Er erwachte; allein obgleich das Traumgesicht verschwunden war und der Wirklichkeit Raum gegeben hatte, ertönte dennoch das Geräusch, welches wahrscheinlich den Traum veranlaßt hatte, noch immer an seinen Ohren fort. Quentins erste Bewegung war, sich im Bette aufzurichten und mit Verwunderung auf die Töne zu horchen, die einen furchtbaren Sturm verkündeten. Einen Augenblick darauf überzeugte er sich, daß der Aufruhr nicht von der Wut der Elemente, sondern der Menschen hervorgebracht wurde. Er sprang vom Bette auf und schaute zum Fenster seines Zimmers hinaus; allein es ging auf den Garten, und auf dieser Seite war alles ruhig. Da wurde seine Aufmerksamkeit plötzlich auf ein Pochen an der Tür seines Zimmer gerichtet. Als er nicht sogleich antwortete, wurde die Tür, die nicht besonders stark war, gesprengt, und herein trat ein Mann, den er an seiner besonderen Sprache sogleich als den Zigeuner Hayraddin Maugrabin erkannte. Eine Pistole, die er in der Hand hielt und mit einer Lunte berührte, brachte sogleich eine düsterrote Flamme hervor, an der er eine Lampe, die er aus dem Busen zog, anzündete.

«Das Horoskop Eurer Schicksale, «sprach er zu Durward mit Nachdruck, ohne ihn weiter zu begrüßen,»hängt jetzt von der Entscheidung eines Augenblicks ab.«—»Schurke!«sprach Quentin hierauf,»hier ist Verrat; und wo Verrat ist, mußt Du immer die Hand im Spiele haben.«—»Ihr seid toll, «antwortete Maugrabin;»ich habe nie jemand verraten, wenn es mir keinen Nutzen brachte; und warum sollt' ich Euch verraten, da für mich bei Eurer Rettung mehr als bei Eurem Untergange zu gewinnen ist? Gebt nur für einen Augenblick, wenn es Euch möglich ist, der Vernunft Gehör, ehe sie durch den Todesklang des Verderbens in Euer Ohr gerufen wird. Die Lütticher sind im Aufstande und Wilhelm von der Mark führt sie an; gäbe es auch Mittel zum Widerstande, ihre Zahl und ihre Wut würden sie besiegen! Allein es sind keine vorhanden. Wollt Ihr die Gräfin und Eure eigene Hoffnung retten, so folgt mir im Namen derjenigen, die Euch den Tafeldiamant mit den drei Leoparden darauf sandte!«—»Zeigt mir den Weg, «sagte Quentin eilig —»auf diesen Namen hin trotze ich jeglicher Gefahr.«—»Wie ich Euch leiten werde, «sagte der Zigeuner,»ist keine Gefahr dabei, wenn anders Ihr Eure Hand von einem Kampfe, der Euch nichts angeht, zurückhalten könnt, denn was geht es Euch im Grunde an, ob der Bischof, wie sie ihn heißen, seine Herde, oder die Herde den Schäfer schlachtet! Ha! ha! ha! — Folgt mir, aber mit Vorsicht und Geduld; bändigt Euren Mut, und überlaßt Euch meiner Klugheit — meine Schuld der Dankbarkeit ist dann bezahlt, und Ihr habt eine Gräfin zur Gemahlin — folgt mir.«—»Ich folge, «versetzte Quentin, sein Schwert ziehend;»aber in dem Augenblick, wo ich das geringste Zeichen von Verrat entdecke, liegen Dein Haupt und Dein Rumpf drei Ellen voneinander.«

Ohne weiter ein Wort zu wechseln, eilte der Zigeuner, da er sah, daß Quentin nun ganz bewaffnet und gerüstet war, die Treppen vor ihm hinab und wandte sich schnell durch verschiedene Seitengänge, bis sie endlich den kleinen Garten erreichten. Kaum ein Licht war auf dieser Seite zu sehen, kaum hörte man im Hause ein Geräusch, aber Quentin war nicht sobald ins Freie getreten, als das Getöse an der entgegengesetzten Seite des Schlosses zehnmal furchtbarer sich vernehmen ließ und er deutlich die verschiedenen Losungsworte:»Lüttich! der Eber! der Eber!«von den Stürmenden rufen hörte, indes der schwächere Ruf:»Die heilige Jungfrau für den Fürstbischof!«mit matter und sinkender Stimme von seiten derer erklang, die, obwohl überfallen und im Nachteil, zur Verteidigung auf die Mauern geeilt waren.

Ungeachtet des kriegerischen Charakters, den Quentin Durward besaß, war ihm doch der Ausgang des Gefechts gleichgültig, wenn er an das Schicksal der Gräfin Isabelle von Croye dachte, das, wie er allen Grund zu fürchten hatte, schrecklich sein mußte, wenn sie nicht aus der Gewalt dieses ausschweifenden und grausamen Freibeuters, der eben, wie es schien, im Begriff war, die Schloßtore zu sprengen, befreit wurde. Er versöhnte sich mit dem Gedanken an die Hilfe des Zigeuners und folgte ihm durch den Garten hin, in der Absicht, sich solange von ihm leiten zu lassen, bis er Spuren von Verrat entdeckte; dann aber wollte er ihm das Herz durchbohren oder den Kopf vom Leibe hauen. Hayraddin schien selbst einzusehen, daß seine Sicherheit an einem Haare hänge; denn er vergaß, sobald sie ins Freie kamen, aller seiner gewohnten Scherze und Schwänke und schien ein Gelübde getan zu haben, sich mit Bescheidenheit, Mut und Tüchtigkeit zu benehmen.

An der zu den Gemächern der Damen führenden Tür erschienen auf ein leises Zeichen Hayraddins zwei Frauen, in schwarze seidene Schleier gehüllt, wie sie schon damals, wie noch heute, von den niederländischen Frauen getragen wurden. Quentin bot einer von ihnen den Arm an, und sie faßte ihn mit so zitternder Heftigkeit und hing sich so fest daran, daß, wäre ihr Gewicht größer gewesen, ihre Flucht dadurch sehr hätte gehindert werden müssen. Der Zigeuner, der die andere führte, nahm den Weg gerade auf die Hinterpforte der Gartenmauer zu, bei der dicht das kleine Boot lag, worin Quentin ihn schon einmal hatte vom Schlosse abfahren sehen. Während sie übersetzten, schien das Geschrei der Stürmenden und der Sieger anzudeuten, daß sie im Begriff waren, das Schloß zu erstürmen, und so widrig drang dieser Ton in Quentins Ohren, daß er sich nicht enthalten konnte, laut zu beteuern:»Wäre nicht mein Blut unwiderruflich der Erfüllung meiner gegenwärtigen Pflicht geweiht, ich wollte auf die Mauer zurückeilen, dem gastfreundlichen Bischof treulich Beistand leisten und einige dieser Schurken in die Hölle befördern, deren Mund so voll von Meuterei und Raublust ist.«

Die Dame, deren Arm in dem seinigen lag, schien ihm durch einen leisen Druck zu verstehen zu geben, daß sie nähere Ansprüche auf seine Ritterlichkeit habe als die Verteidigung von Schönwald; der Zigeuner aber rief laut genug, um verstanden zu werden:»Nun, das nenne ich doch einen echt christlichen Wahnsinn, zum Kampfe zurückkehren zu wollen, wenn Liebe und Glück uns zur Flucht auffordern. Fort! fort! so eilig, als Ihr könnt. — Es warten Pferde unserer dort in jenem Weidengebüsche.«—»Es sind aber nur zwei Pferde da, «sprach Quentin, der sie beim Mondlicht erblickte. — »Mehr konnte ich nicht auftreiben, ohne Verdacht zu erregen, und außerdem ist's auch genug, «versetzte der Zigeuner.»Ihr zwei müßt nach Tongres zu reiten, ehe der Weg unsicher wird. — Marthon bleibt bei den Weibern unserer Horde, deren alte Bekannte sie ist. Wisset, sie ist eine Tochter unseres Stammes und blieb nur unter Euch, um unsere Pläne, wenn es Gelegenheit gab, zu fördern.«—»Marthon!«rief die Gräfin mit einem Schrei aus, indem sie auf die Verschleierte hinblickte;»ist dies nicht meine Nichte?«—»Es ist nur Marthon, «versetzte der Zigeuner.»Verzeiht mir diesen kleinen Betrug; ich durfte dem Eber der Ardennen nicht beide Gräfinnen entreißen.«—»Schurke, «rief Quentin heftig —»aber ist es nicht — es soll nicht zu spät sein. Ich eile zurück, die Gräfin Hameline zu retten.«—»Hameline, «flüsterte die Dame im Tone der Bestürzung,»hängt an Deinem Arme, um Dir für ihre Rettung zu danken.«—»Ha! Was ist das?«rief Quentin, indem er sich von ihr losriß, und zwar mit weniger Artigkeit, als er sich sonst gegen eine Dame vom Stande erlaubt hätte, — so ist denn Gräfin Isabelle zurückgeblieben? — Lebt wohl — lebt wohl!«

Als er sich umwandte, um nach dem Schlosse zurückzueilen, hielt ihn Hayraddin zurück:»Aber so hört doch nur! — Ihr rennt da in Euern Tod. — Warum, beim Teufel, tragt Ihr denn die Farben der Alten? So will ich doch nie mehr blau und weißer Seide trauen! — Aber sie hat fast eine ebenso reiche Mitgift — hat Juwelen und Gold — und selbst Ansprüche auf die Grafschaft. «Während der Zigeuner also sprach und sich bemühte, Quentin zurückzuhalten, legte dieser endlich die Hand an seinen Dolch, um sich mit Gewalt von ihm loszumachen.»Nein, wenn es so gemeint ist, «versetzte Hayraddin, ihn loslassend,»so geht, und der Teufel, wenn es einen gibt, geleite Euch. «Der Schotte aber eilte, sobald er sich frei fühlte, mit Windesschnelle zum Schlosse zurück. Jetzt wandte sich Hayraddin zur Gräfin Hameline zurück, die vor Scham, Furcht und Aerger über ihre vereitelten Hoffnungen zu Boden gesunken war.

«Hier hat ein Mißverständnis obgewaltet, «sagte er;»auf, Gräfin, und kommt mit mir — ich will Euch, bevor der Morgen kommt, für einen weit galanteren Mann sorgen, als dieser unbärtige Laffe ist, und wenn Euch einer nicht genügt, so sollt Ihr deren zwanzig haben!«

Gräfin Hameline war ebenso heftig in ihren Leidenschaften, als eitel und schwach am Verstande. Wie manche andere, wußte sie sich bei den gewöhnlichen Vorfällen im Leben ganz gut zu helfen, aber in einem so bedenklichen Falle, wie der gegenwärtige war, war sie ganz unfähig, irgend etwas anderes zu tun, als Klagen auszustoßen, Hayraddin einen Dieb, einen elenden Sklaven, einen Betrüger und Mörder zu schelten.

«Nennt mich einen Zigeuner, «erwiderte er,»und Ihr habt alles auf einmal gesagt.«—»Ungeheuer! Du sagtest, die Sterne hätten unsere Verbindung beschlossen, und Du bewogst mich, ihm zu schreiben — O Törin, die ich war!«rief die unglückliche Gräfin aus. — »Ja, sie hatten auch Eure Verbindung beschlossen, «sagte Hayraddin,»wenn beide Teile zufrieden gewesen wären. Glaubt Ihr denn, die himmlischen Konstellationen könnten jemand zum Heiraten zwingen wider seinen Willen? — Mich haben Eure verwünschten christlichen Galanterien, Eure einfältigen Bänder und Gunstbezeugungen, zu dem Irrtum verführt. — Der junge Mann zieht nun aber Kalbfleisch dem Kuhfleisch vor, das ist alles. Nun kommt und folget mir, und wißt, daß ich weder das Weinen noch das Ohnmächtigwerden leiden kann.«—»Ich gehe nicht von der Stelle, «entgegnete hartnäckig die Gräfin. — »Beim glänzenden Firmament, Ihr sollt doch mit mir fort!«rief Hayraddin aus;»ich schwöre Euch bei allem, woran Toren je geglaubt haben, Ihr habt es mit einem zu tun, der sich wenig daraus machen würde, Euch bis aufs Hemd auszuziehen, an einen Baum zu binden, und so Eurem Schicksale zu überlassen!«—»Nein, «sagte Marthon, dazwischen tretend,»ich leide das nicht! ich lasse sie nicht mißhandeln! Ich trage ein Messer so gut wie Ihr und weiß es zu brauchen — sie ist ein gutes Weib, wenn gleich eine Törin. Und Ihr, Madame, steht auf und folgt uns jetzt — hier hat ein Irrtum stattgefunden, aber es heißt schon was, Leib und Leben gerettet zu haben. In jenem Schlosse dort wird es wohl manchen geben, der alle Schätze der Welt darum bieten würde, wenn er da stände, wo wir jetzt sind.«

Als Marthon so sprach, erschallte ein Geschrei, indem sich der Siegesruf mit dem Geheul des Schreckens und der Verzweiflung mischte, vom Schlosse Schönwald her zu ihren Ohren.

«Hört Ihr's, Dame?«sprach Hayraddin,»dankt es dem Himmel, daß Ihr nicht Euern Diskant in jenes Konzert dort mischen müßt. Glaubt mir, ich werde ehrlich für Euch sorgen, die Sterne halten gewiß Wort, und Ihr findet einen guten Ehemann.«

So wie das Tier des Waldes, erschöpft durch Schrecken und Anstrengung, sich seinem Dränger überliefert, so überließ sich Gräfin Hameline der Leitung ihrer Führer und ließ sich geduldig bringen, wohin sie wollten; ja so groß war ihre Betäubung, daß das saubere Paar, das sie halb trug, halb führte, seine Unterhaltung fortsetzte, ohne daß die Gräfin ein Wort davon verstand.

«Ich hab's immer gedacht, daß Dein Plan töricht war, «sagte Marthon.»Hättest Du die jungen Leute zusammenbringen können, ja, da hätten wir auf ihre Dankbarkeit rechnen dürfen; wie ließ sich aber denken, daß ein so hübscher, junger Mann die alte Törin da heiraten würde?«

«Rizpa, «versetzte Hayraddin,»Du hast den Namen einer Christin geführt und in den Zelten dieses betörten Volkes gewohnt, bis Du selbst ihre Torheiten angenommen hast. Wie konnte ich mir träumen lassen, daß er sich an einigen Jahren mehr oder weniger stoßen würde, da die Vorteile der Heirat so in die Augen sprangen? Du weißt ja, daß es uns nicht so leicht geworden wäre, jenes schüchterne Jüngferchen zu einem so dreisten Schritte zu vermögen, als diese mannssüchtige Gräfin da, die jetzt wie ein Wollsack an unsern Armen hängt. Auch war ich dem Jungen wirklich gut und wollte ihm eine Gefälligkeit erweisen; ihn mit dieser Alten da verheiraten, hieß ihm zu seinem Glücke verhelfen; eine Verbindung mit Isabellen hätte den von der Mark, den Burgunder, sowie Frankreich, die alle bei der Verfügung über ihre Hand ein Wort mitsprechen wollten, uns auf den Hals gehetzt, und da dieses einfältigen Weibes Reichtum hauptsächlich in Geld und Juwelen besteht, so hätten wir auch unsern Anteil daran bekommen, allein die Bogenschnur ist gerissen, und der Pfeil hat nicht getroffen. Fort mit ihr! wir bringen sie zu Wilhelm dem Bärtigen; hat er sich nur erst in Völlerei übernommen, so wird er die alte Gräfin von der jungen nicht mehr zu unterscheiden wissen. Fort also, Rizpa, — faß' Dir ein Herz, das glänzende Gestirn Aldeboran waltet noch immer über dem Geschick der Kinder der Wüste.«

Drittes Kapitel

Die überraschte und bestürzte Besatzung des Schlosses Schönwald hatte geraume Zeit den Platz gegen die Angriffe der Stürmenden verteidigt; allein die unermeßlichen Haufen, die aus der Stadt Lüttich, gleich Bienen, zum Sturme heranströmten, teilten ihre Aufmerksamkeit und schwächten ihren Mut. Auch herrschte unter den Verteidigern selbst, wenn nicht Verräterei, doch wenigstens Mißvergnügen; denn einige riefen, man solle sich ergeben, andere suchten, ihre Posten verlassend, aus dem Schlosse zu entkommen. Viele stürzten sich von den Mauern in den Graben, und diejenigen, welche nicht ertranken, warfen ihre Feldzeichen weg und retteten sich dadurch, daß sie sich unter die Angreifenden mengten. Einige wenige, die der Person des Bischofs persönlich ergeben waren, versammelten sich um ihren Gebieter und fuhren fort, in dem großen befestigten Turme, wohin er sich geflüchtet hatte, sich zu verteidigen; andere, ungewiß, ob man ihnen Pardon geben würde, oder angetrieben von dem Mute der Verzweiflung, hielten sich in einzelnen Bollwerken und Türmen des weitläufigen Gebäudes. Allein die Angreifenden hatten sich in den Besitz der Höfe und der untern Teile des Gebäudes gesetzt, verfolgten die Besiegten und suchten nach Beute, während ein einzelner, als ob er den Tod suche, vor dem alle flohen, sich einen Weg mitten durch das Getümmel und die Zerstörung zu bahnen versuchte, gequält von Besorgnissen, die vor seiner Einbildungskraft noch schrecklicher erschienen, als die Szene um ihn her seinen Sinnen sein mußte.

Da er sich Schönwald auf der nämlichen Seite näherte, auf der er es verlassen hatte, traf der Jüngling auf mehrere Flüchtlinge, die dem Walde zueilten und ihm als einem Feinde auswichen, da er aus einer, der ihrigen entgegengesetzten Richtung daherkam. Als er sich nun noch mehr näherte, sah er Leute von der Gartenmauer in den Schloßgraben springen, und erblickte andere, die von den Zinnen durch die Angreifenden hinabgestürzt wurden. Sein Mut wurde auch nicht einen Augenblick erschüttert. Es war jetzt keine Zeit, sich nach dem Boote umzusehen, und wenn es auch möglich gewesen wäre, sich seiner zu bedienen, so wäre es vergeblich gewesen, der Hintertür zu dem Garten sich zu nähern, da sie immer von Flüchtlingen angefüllt war, die, sowie sie von innen herausgedrängt wurden, in den Schloßgraben stürzten, über den sie nicht entkommen konnten… Da warf sich Quentin selbst in den Graben, in der Nähe des sogenannten kleinen Schloßtors, wo sich eine noch aufgezogene Zugbrücke befand. Nur mit Mühe vermochte er den nach ihm gerichteten Griffen der Sinkenden zu entgehen, und indem er nach der Zugbrücke schwamm, faßte er eine der herabhängenden Ketten, schwang sich mit der größten Anstrengung aus dem Wasser und erreichte so glücklich die Plattform, wo die Brücke befestigt war. Als er nun mit Händen und Knien sich bestrebte, festen Fuß zu gewinnen, kam ein Landsknecht mit blutigem Schwert in der Hand auf ihn zu und erhob seine Waffe zu einem Hiebe, der ihm wohl das Leben gekostet hätte.»Was soll das?«rief Quentin in einem gebieterischen Ton,»ist das die Art, einem Kameraden beizuspringen? — Reich mir die Hand.«

Schweigend und nicht ohne Zögern reichte ihm der Soldat die Hand und half ihm auf die Plattform. Der Schotte aber fuhr, ohne ihm Zeit zum Nachdenken zu lassen, in dem nämlichen Tone fort:»Nach dem westlichen Turme, wenn Ihr reich werden wollt! — Des Priesters Schätze liegen dort.«

«Nach dem westlichen Turme, nach dem westlichen Turme!«hallte es rund umher von Mund zu Mund, und alle, welche dies Geschrei vernahmen, schlugen gleich einer Herde wütender Wölfe die Richtung ein, die dem Orte entgegengesetzt war, den Quentin auf Tod und Leben zu verfolgen beschlossen hatte. Als wäre er nicht einer der Besiegten, sondern der Sieger, bahnte er sich einen Weg in den Garten, eilte mit schnellen Schritten und klopfendem Herzen hin und empfahl sich den himmlischen Mächten, die ihn in den zahllosen Gefahren seines Lebens beschützt hatten, mit dem kühnen Entschlusse, sein Ziel zu erreichen, oder sein Leben in dieser verzweifelten Unternehmung zu lassen. Ehe er indes das Ende des Gartens erreichte, drangen drei Männer mit eingelegten Lanzen auf ihn ein und riefen:»Lüttich, Lüttich!«—»Frankreich, Frankreich, Lüttichs Freund!«antwortete er, sich zur Wehr setzend.»Es lebe Frankreich!«riefen die Bürger von Lüttich und zogen weiter. Eben dieses Losungswort bewährte sich als ein Talisman, der die Waffen von vier bis fünf Kriegern Wilhelms von der Mark von ihm abwandte, die in dem Garten umherstreiften und ihn mit dem Rufe:»Der Eber!«anfielen.

Mit einem Worte, Quentin begann zu hoffen, daß er in der Eigenschaft eines Abgesandten Ludwigs, des geheimen Anstifters der Lütticher Empörungen und des verborgenen Beschützers Wilhelms von der Mark, vielleicht glücklich die Gefahren dieser Schreckensnacht überstehen würde. Als er an dem Türmchen ankam, schauderte er, da er fand, daß die kleine Seitentür, aus der Gräfin Hameline und Marthon kurz vorher zu ihm geeilt waren, jetzt durch mehr als einen toten Körper versperrt war. Zwei derselben zog er eiligst auf die Seite und war im Begriff, über den dritten hinwegzuschreiten, um in die Tür zu treten, als ihn der vermeintliche Tote an seinem Mantel faßte und bat, ihm aufzuhelfen. Quentin war schon im Begriff, wie er so zur Unzeit in seinen Fortschritten gehemmt wurde, unsanfte Mittel anzuwenden, um sich loszumachen, als der zu Boden Gefallene ihm zurief:»Ich ersticke hier in meiner eigenen Rüstung! Ich bin der Syndikus Pavillon von Lüttich! Seid Ihr auf unserer Seite, so will ich Euch reich machen — seid Ihr auf der andern, so will ich Euch beschützen; aber laßt mich nur nicht ersticken wie ein Schwein. «Mitten in dieser Szene des Blutvergießens und der Verwirrung hatte Quentin noch Geistesgegenwart genug, um zu bedenken, daß dieser Beamte wohl Mittel besitzen könnte, seinen Rückzug zu erleichtern. Er half ihm auf die Füße und fragte ihn, ob er verwundet wäre. — »Nein, ich bin nicht verwundet, wenigstens glaub ich's nicht, aber ich kann nicht zu Atem kommen, «antwortete der Bürger. — »So setzt Euch auf diesen Stein und erholt Euch, «sagte Quentin,»ich werde gleich wieder bei Euch sein.«—»Für wen seid Ihr?«fragte der Bürger, ihn immer noch zurückhaltend. — »Für Frankreich, für Frankreich!«antwortete Quentin, indem er sich loszumachen suchte. — »Wie, mein muntrer junger Bogenschütze?«sagte der würdige Syndikus.»Nun wenn ich in dieser furchtbaren Nacht das Glück hatte, einen Freund zu finden, so will ich ihn auch nicht verlassen, das versprech' ich Euch. Geht, wohin Ihr wollt, und ich folge Euch; kann ich nur einige von den wackern Burschen unserer Gilde zusammenbringen, so werde ich vielleicht imstande sein, Euch Gegendienste zu leisten; aber sie sind alle umher zerstreut wie die Erbsen. — O! es ist eine furchtbare Nacht. «Unterdessen schleppte er sich hinter Quentin her, der, die Wichtigkeit des Beistandes eines Mannes von solchem Einflusse erkennend, langsamer ging, um ihn zu stützen, obgleich er im Herzen das Hindernis verwünschte, das seine Schritte verzögerte.

Auf der obersten Treppe befand sich ein Vorgemach voll von erbrochenen Kisten und Truhen. Eine verglimmende Lampe, die auf dem Kamin stand, warf einen dürftigen Schein auf einen toten oder besinnungslosen Menschen, der quer über dem Herde lag. Wie ein Windhund von der Leine des Jägers, riß sich Quentin von Pavillon los, und zwar mit solch heftigem Ruck, daß er ihn beinahe über den Haufen geworfen hätte, rannte durch ein zweites und drittes Zimmer, von denen das letzte das Schlafzimmer der Gräfinnen von Croye gewesen zu sein schien, und rief, da keine lebende Seele darin zu sehen war, den Namen der Gräfin Isabelle, erst leise, dann lauter, und endlich mit dem Tone der Verzweiflung; aber keine Antwort erfolgte. Er rang die Hände, zerraufte sein Haar und stampfte verzweiflungsvoll auf den Boden. Endlich gewahrte er einen schwachen Lichtschimmer, der durch eine Spalte in der getäfelten Holzbekleidung des Schlafgemachs drang und hinter dem Tapetenumhang irgend einen Schlupfwinkel vermuten ließ. Quentin untersuchte genauer, und fand wirklich eine verborgene Tür, die jedoch jeder Anstrengung, sie zu öffnen, widerstand. Nicht achtend die vielleicht ihm drohende Gefahr, rannte er endlich mit der ganzen Kraft und dem ganzen Gewichte seines Körpers gegen die Tür und bahnte sich beinahe über Kopf und Hals den Weg in ein kleines Betzimmer, wo eine weibliche Gestalt in verzweiflungsvoller, bittender Stellung vor dem Heiligenbilde gelegen hatte und nun durch das nahende Getöse vor Schrecken zu Boden sank. Schnell hob er sie vom Boden auf, und Wonne über Wonne! sie war es, die er zu retten kam; es war Gräfin Isabelle. Er drückte sie an seine Brust, beschwor sie, zu erwachen, und hieß sie guten Mutes sein, da sie sich jetzt unter dem Schutze eines Mannes befinde, der Herz und einen Arm besitze, um sie gegen die ganze Herde zu verteidigen.

«Durward!«sprach sie, als sie endlich zur Besinnung kam,»seid Ihr es wirklich? — dann ist noch einige Hoffnung übrig. Ich glaubte schon, alle lebenden und verstorbenen Freunde hätten mich meinem Schicksal überlassen. — Verlaßt mich nicht wieder! — »Niemals, niemals!«sprach Durward;»was auch immer kommen möge — welche Gefahr sich auch nahe! Ich will aller Wohltaten verlustig werden, die mir jenes Bild des Gekreuzigten verkündigt, wenn ich Euer Schicksal nicht solange teile, bis es sich wieder zum Glücke gewendet hat.«—»Sehr pathetisch und rührend in der Tat!«rief eine rauhe, gebrochen keuchende Stimme hinter ihnen —»ein Liebeshandel, wie ich sehe; und meiner Seel', das arme Geschöpf tut mir so leid, als wenn es mein eignes Trudchen wäre.«—»Ihr müßt mehr tun, als uns bemitleiden, «versetzte Quentin, sich an ihn wendend;»Ihr müßt uns beistehen, uns beschützen, Herr Pavillon. Seid versichert, diese Dame wurde von Eurem Verbündeten, dem König von Frankreich, unter meinen besonderen Schutz gestellt; und wenn Ihr mir nicht helft, sie vor jeder Mißhandlung und Gewalttat sicher zu stellen, so wird Eure Stadt der Gunst Ludwigs von Balois verlustig werden. Vor allen Dingen muß sie aber vor den Händen Wilhelms von der Mark gesichert werden.«—»Das wird schwer sein, «versetzte Pavillon,»denn diese Schelme von Landsknechten sind wahre Teufel, um den Mädchen aufzuspüren; — aber ich will mein Bestes tun. Wir wollen in ein anderes Gemach gehen, dort will ich überlegen — die dahinführende Treppe ist schmal, und Ihr könnt die Tür mit einer Pike verteidigen, indes ich zum Fenster hinaussehe und einige von meinen wackern Jungen von der Lütticher Lohgerbergilde zusammenbringe, die ebenso treu sind, als die Messer, die sie in den Gürteln tragen. Aber vor allen Dingen macht mir diese Schnalle los; denn ich habe diesen Koller seit der Schlacht von Saint-Tron nicht mehr getragen, und ich bin seitdem gewiß an die sechzig Pfund schwerer geworden, wenn anders das holländische Maß und Gewicht nicht trügen.«

Als Herr Pavillon von der eisernen Hülle befreit war, in die er mehr aus Rücksicht auf Lüttichs Wohl, als weil er sie zu tragen wußte, sich hatte stecken lassen, fühlte er große Erleichterung. Später ergab es sich, daß er von seiner Kompagnie, als sie zum Angriff eilte, unwillkürlich mit fortgerissen, über die Mauern gehoben, dann aber, ohne nur ein Wort hervorbringen zu können, bald dahin, bald dorthin verschlagen worden war, wie es die Ebbe und die Flut des Sturmes mit sich brachte. So war er am Ende wie ein Stück Treibholz, das die See im Sturme an die Küste spült, vor dem Eingang zu den Gemächern der Gräfinnen von Croye zu Boden gestürzt, wo die Last seiner eigenen Rüstung, sowie das Gewicht zweier am Eingange erschlagenen Männer, die auf ihn fielen, ihn wahrscheinlich ziemlich lange festgehalten hätten, wenn er nicht von Durward erlöst worden wäre. Dieselbe Leidenschaftlichkeit, die Herrn Pavillon zu einem hitzköpfigen, alles Maß verkennenden Eiferer in der Politik machte, hatte aber auch die sehr gute Folge, daß er im Privatleben ein gutmütiger, wohlwollender Mann war, der, wenn auch zuweilen ein wenig mißleitet durch Eitelkeit, doch immer es redlich und gut mit jedermann meinte. Er forderte Quentin auf, für die artige arme Jungfrau doch ja recht Sorge zu tragen, und nach dieser unnötigen Ermahnung begann er aus dem Fenster zu rufen:»Lüttich, Lüttich! die wackern Kürschner- und Gerbergesellen herbei!«Ein paar von seinen unmittelbaren Begleitern erschienen sogleich auf diesen Ruf, und auf den Innungspfiff — gleich den andern Innungen hatte auch die der Gerber ihr eigenes Signal, bildete sich alsbald unter dem Fenster vor dem Ausgangspförtchen eine Wache. Jetzt schien eine gewisse Ruhe auf dem Schlosse eingetreten zu sein. Aller Widerstand hatte aufgehört, und die Anführer der verschiedenen Abteilungen ergriffen Maßregeln, einer allgemeinen Plünderung vorzubeugen. Die große Glocke wurde geläutet, um einen Kriegsrat zusammen zu berufen, und da ihre eiserne Zunge der Stadt Lüttich die siegreiche Einnahme Schönwalds verkündete, wurde darauf mit allen Glocken der Stadt geantwortet, deren starke Stimmen aus der Ferne» Heil den Siegern!«zu rufen schienen.

Es wäre natürlich gewesen, wenn Mynheer Pavillon seine feste Stellung verlassen hätte; allein entweder aus achtsamer Sorge für die, die er unter seinen Schutz genommen hatte, oder vielleicht um seiner eigenen Sicherheit willen, begnügte er sich damit, Boten über Boten an seinen Leutnant Peterkin Geislaer abzusenden, er solle sich sogleich bei ihm einfinden.

Peterkin kam endlich zu seinem großen Troste, eine stämmige, plumpe Gestalt, mit breitem Gesichte und dicken, schwarzen Brauen, die auf einen hartnäckigen Sinn schließen ließen. Der ganze Mann war, sozusagen, ein Ratgeber aus dem ff. Er trug ein büffelledernes Wams, einen breiten Gürtel und ein kurzes Schwert an seiner Seite, auch eine Hellebarde in der Hand.

«Peterkin! lieber Leutnant!«rief sein Befehlshaber,»dies war ein ruhmvoller Tag — eine ruhmvolle Nacht, sollt' ich sagen — ich hoffe, Ihr seid doch diesmal zufrieden?«—»Es hat mir recht wohlgefallen, «erwiderte der mannhafte Leutnant,»obgleich ich nicht gedacht hätte, daß Ihr Euern Sieg, wenn Ihr ihn so nennen wollt, in dieser Dachstube da oben feiern würdet, während man Eurer im Kriegsrate bedarf!«—»Bedarf man meiner wirklich dort?«fragte der Syndikus. — »Ei freilich bedarf man Eurer; Ihr sollt die Rechte Lüttichs dort vertreten, die mehr als je in Gefahr sind, «antwortete der Leutnant. — »Ei was, Peterkin!«antwortete sein Vorgesetzter,»Du bist immer so ein Brummbär.«—»Brummbär! nein, das bin ich nicht, «entgegnete Peterkin;»was andern Leuten gefällt, gefällt auch mir. Ich möchte nur nicht gern, daß wir den Storch, statt des Klotzes, zum Könige bekämen, wie in der Fabel steht, die uns der Pfarrer von St. Lambert aus Meister Aesops Buche vorgelesen hat.«—»Ich kann nicht erraten, was Du da meinst, Peterkin, «sagte der Syndikus. — »Nun denn, so will ich's Euch sagen, Meister Pavillon. Dieser Eber oder Bär scheint Schönwald zu seiner Höhle machen zu wollen, und wird wahrscheinlich ein ebenso schlimmer, wo nicht noch schlimmerer Nachbar für uns werden, als der alte Bischof war. Da hat er nun die ganze Herrschaft an sich gerissen und ist nur noch im Zweifel, ob er sich Fürst oder Bischof taufen lassen will, — und es ist eine Schande anzusehen, wie sie den alten Mann mißhandelt haben.«—»Das leide ich nicht, Peterkin, «erwiderte Pavillon aufbrausend,»die Bischofsmütze war mir zuwider, aber nicht das Haupt, das sie trug. Wir sind zehn gegen einen im Felde, Peterkin, und wollen solche Dinge nicht geschehen lassen.«—»Ja, zehn gegen einen im Felde, aber Mann gegen Mann auf dem Schlosse; zudem haben sich Nickel Block, der Schlächter, und der ganze Pöbel der Vorstädte zu Wilhelm von der Mark geschlagen, teils um in Saus und Braus zu leben (denn er hat alle Biertonnen und Weinfässer anzapfen lassen), teils aus altem Neide gegen uns, die wir Handwerker sind und unsere Vorrechte haben.«—»Peterkin, «sagte Pavillon,»wir wollen auf der Stelle nach der Stadt aufbrechen; ich bleibe nicht länger in Schönwald.«—»Aber die Brücken sind aufgezogen, Meister, «entgegnete Geislaer,»die Tore sind verschlossen und von den Landsknechten bewacht; und wenn wir versuchen wollten, uns mit Gewalt den Weg zu bahnen, so möchten diese Kerle, deren tägliches Geschäft der Krieg ist, uns ordentlich zu Schanden hauen.«—»Aber warum hat er denn die Tore schließen lassen?«fragte der bestürzte Bürger;»wie kann er ehrliche Leute gefangen halten?«—»Das kann ich Euch nicht sagen, «versetzte Peterkin,»man sagt sich, die Gräfinnen von Croye seien während der Erstürmung des Schlosses entschlüpft; das brachte zuerst den Mann mit dem Barte außer sich vor Aerger, und jetzt ist er durch das Trinken vollends ganz vom Verstande gekommen.«

Der Bürgermeister warf einen trostlosen Blick auf Quentin und schien nicht recht zu wissen, wozu er sich entschließen sollte. Durward, dem nicht ein Wort von der Unterredung entgangen war, die ihn in nicht geringe Bestürzung setzte, sah nichtsdestoweniger wohl ein, daß ihre einzige Hoffnung darauf beruhte, daß er selbst seine Geistesgegenwart nicht verlöre, und daß Pavillon bei gutem Mut erhalten werde. Er mischte sich daher kühn in die Unterhaltung, als hätte er ein Recht, bei der Beratung mitzustimmen —»Ich bemerke mit Bedauern, Herr Pavillon, «sagte er,»daß Ihr noch unschlüssig seid, was in dem vorliegenden Falle zu tun sei. Tretet hin vor Wilhelm von der Mark und verlangt von ihm, daß er Euch, nebst Eurem Leutnant, Eurem Knappen und Eurer Tochter gestatte, das Schloß zu verlassen. Er kann Euch hier unter keinem Vorwand gefangen halten.«—»Ich und mein Leutnant — das wäre ich und Peterkin, gut, aber wer ist mein Knappe?«—»Das bin ich für jetzt, «versetzte der unerschrockene Schotte. — »Ihr?«fragte der verlegene Bürger, — »aber Ihr seid ja der Abgesandte König Ludwigs von Frankreich.«—»Wohl wahr; aber meine Sendung geht an den Magistrat von Lüttich, und in Lüttich allein will ich mich ihrer entledigen. Wollte ich diese meine Eigenschaft vor Wilhelm von der Mark geltend machen, müßte ich da nicht mit ihm in Unterhandlung treten? Und höchstwahrscheinlich würde er mich dann zurückhalten. Ihr müßt mich also insgeheim als Euren Knappen aus dem Schlosse schaffen.«—»Gut, mein Knappe! — aber Ihr spracht da von meiner Tochter — meine Tochter ist hoffentlich gesund und wohl zu Hause in Lüttich, wo ich von ganzem Herzen und ganzer Seele wünsche, daß ihr Vater auch wäre.«—»Diese Dame hier, «sprach Durward,»wird Euch Vater nennen, solange wir an diesem Ort weilen.«—»Und mein ganzes Leben lang nachher!«sagte die Gräfin, indem sie sich dem Bürger zu Füßen warf und seine Knie umfaßte;»nie soll ein Tag vergehen, an dem ich Euch nicht Beweise der Liebe und Achtung geben und für Euch beten werde, wie eine Tochter für ihren Vater; nur verlaßt mich nicht in dieser schrecklichen Lage. — O! seid nicht hartherzig! Denkt, Eure Tochter knie so vor einem Fremden und flehe zu ihm um Schutz für Ehre und Leben! Daran denkt; und laßt mir den Schutz zuteil werden, den Ihr wünschet, daß sie erhalten möchte.«

«Wahrhaftig, «sagte der gutmütige Bürger, sehr gerührt durch diese pathetische Anrede —»mich dünkt, Peter, dies hübsche Mädchen hat etwas von unseres Trudchens sanftem Blicke; es kam mir gleich anfangs so vor; und der junge Bursche hier, der mit seinem Rate so flink bei der Hand ist, hat sehr viel von Trudchens Bräutigam. Ich wette einen Stüber, hier ist eine Liebschaft im Spiel, und es wäre Sünd' und Schande, wenn man solcher nicht allen Vorschub täte.«—»Freilich, das wäre Sünd' und Schande, «fiel Peter ein, ein Flamänder, der bei all seinem Eigendünkel äußerst gutherzig war und, während er dies sagte, sich mit dem Aermel seines Wamses die Augen wischte. — »So soll sie denn meine Tochter sein, «sagte Pavillon,»doch muß sie sich dicht in ihren schwarzseidenen Schleier hüllen, und wenn es nicht genug wackre Lohgerber gibt, sie als die Tochter ihres Syndikus zu schützen, so sind sie nicht wert, jemals wieder eine Haut zu verarbeiten. Aber hört einmal, man muß sich auch gefaßt machen, auf etwaige Fragen zu antworten, — was hat meine Tochter hier bei einem solchen Sturme zu tun?«—»Was hatte die Hälfte der Weiber von Lüttich hier zu tun, als sie uns bis zum Schlosse folgten?«fragte Peter.»Ist dies der einzige Ort, an den sie kommen, ohne gerufen zu werden? Euer Jungfer Trudchen ist nun etwas weiter gegangen als die übrigen — das ist alles.«

«Unvergleichlich gesprochen, «sagte Quentin,»seid nur dreist, Herr Pavillon, und folgt dem Rate dieses wackern Herrn, dann werdet Ihr, ohne daß es Euch viel Mühe macht, die schönste Tat tun, die seit Karls des Großen Zeit geschehen ist. — Hier, teure Dame, hüllt Euch dicht in diesen Schleier«— (es lag allerhand weiblicher Putz zerstreut im Zimmer umher)»habt nur Vertrauen, und in wenigen Minuten seid Ihr geborgen und in Sicherheit. Also vorwärts, edler Mann, «setzte er, an Pavillon sich wendend, hinzu.»Halt! — Halt einen Augenblick, «sagte Pavillon,»es ahnt mir nichts Gutes. Dieser Wilhelm von der Mark ist ein Wüterich, ein wahrer Eber, seiner Natur, sowie seinem Namen nach; wenn nun diese junge Dame eine von den Gräfinnen von Croye wäre? — und er sie entdeckte, und in Wut geriete?«—»Und wenn ich auch wirklich eine von diesen unglücklichen Frauen wäre, «unterbrach ihn Isabelle, indem sie sich abermals ihm zu Füßen werfen wollte,»könntet Ihr mich deswegen in diesem Augenblicke der Verzweiflung von Euch stoßen? O! daß ich wirklich Eure Tochter wäre oder die des ärmsten Bürgers!«—»Wir sind nicht so arm, junge Dame; wir zahlen, wie wir gehen, «versetzte der Bürger. — »Verzeiht mir, edler Herr, «fiel das unglückliche Mädchen von neuem ein. — »Weder edel, noch Herr, «versetzte der Syndikus;»ich bin ein schlichter Bürger von Lüttich, der seine Wechsel in klingenden Gulden zahlt. Aber das tut nichts zur Sache; wenn Ihr auch wirklich eine Gräfin wäret, so will ich Euch dennoch beschützen.«—»Ihr seid zu ihrem Schutze verpflichtet, und wäre sie eine Herzogin!«sagte Peter,»denn Ihr habt einmal Euer Wort gegeben.«—»Recht, Peter, ganz recht! es ist ja unser altes niederländisches Sprichwort: ein Mann, ein Wort, und nun laßt uns ans Werk gehen. Wir müssen von diesem Wilhelm von der Mark Abschied nehmen, und doch ahnt mir nichts Gutes, wenn ich an ihn denke.«

«Wäre es nicht besser, da Ihr doch einmal Leute beisammen habt, gerade auf das Tor loszugehen und die Wache zu überfallen?«fragte Quentin; allein Pavillon und sein Ratgeber erklärten sich sogleich beide gegen solchen tollkühnen Angriff auf die Soldaten, ihre Bundesgenossen. Man beschloß also, sich kühn in den großen Saal des Schlosses zu begeben, wo, wie sie vernahmen, der wilde Eber der Ardennen sein Festmahl hielt, und um freien Ausgang für den Syndikus von Lüttich und dessen Begleiter zu bitten: ein Verlangen, das, wie es schien, zu billig war, um verweigert zu werden. Der gute Bürgermeister seufzte indessen noch immer tief auf, wenn er seine Gefährten ansah, und sprach zu seinem treuen Peter:»Sieh nur, was es heißt, ein zu kühnes und gefühlloses Herz zu haben! Ach, Peterkin, was haben Mut und Menschlichkeit mich nicht schon gekostet! Wie teuer werden mich meine Tugenden noch zu stehen kommen, ehe der Himmel uns aus diesem verdammten Schlosse Schönwald erlöst!«

Als sie über den mit Sterbenden und Toten bedeckten Hof gingen, flüsterte Quentin der Gräfin, während er sie durch diese Schreckensszene geleitete, Mut und Fassung zu und bat sie, zu bedenken, daß ihre Rettung einzig nur von ihrer Festigkeit und Geistesgegenwart abhänge. — »Nicht von der meinigen, «entgegnete sie,»von der Eurigen allein. — O! entgehe ich nur dieser furchtbaren Nacht, nie werd' ich den vergessen, der mich rettete. Doch um eine Gunst flehe ich noch zu Euch, sie mir zu gewähren!«—»Was könntet Ihr verlangen, das ich verweigern möchte?«flüsterte Quentin ihr zu. — »Stoßt mir den Dolch ins Herz, «sprach sie,»ehe Ihr mich in den Händen dieses Ungeheuers als Gefangene laßt.«

Quentins einzige Antwort war ein Druck der Hand der jungen Gräfin, von dessen Erwiderung sie nur der Schrecken zurückzuhalten schien. An ihren jungen Beschützer sich lehnend, trat sie in die furchtbare Halle. Voran gingen Pavillon und sein Leutnant, und ihnen folgten ein Dutzend Leute aus der Kürschnergilde, die den Syndikus als Ehrenwache begleiteten.

Als sie sich der Halle näherten, schien das lautgellende Geschrei und das wilde Gelächter, das ihnen entgegenschallte, mehr ein Festmahl schwelgender Höllengeister, die irgend einen Triumph über das Menschengeschlecht feiern, als eine Versammlung menschlicher Wesen zu verkündigen, denen ein kühnes Unternehmen gelungen ist. Eine krampfhafte Stimmung des Gemüts, die nur die Verzweiflung geben konnte, hielt den erkünstelten Mut der Gräfin Isabelle aufrecht. Unerschütterliche Herzhaftigkeit, die mit der Größe der Gefahr wächst, beseelte Durward, indes Pavillon und sein Leutnant aus der Not eine Tugend machten und wie Bären standen, die, an einen Pfahl gebunden, notwendig die Gefahren der Jagd bestehen müssen.

Viertes Kapitel

Kaum ließ sich eine ungewöhnlichere und schrecklichere Veränderung denken, als diejenige war, welche in der Schloßhalle von Schönwald stattgefunden, seitdem Ouentin dort am Mittagsmahle teilgenommen hatte. Das Ganze stellte in der Tat in den grellsten Zügen das Elend des Krieges dar, besonders wie er von diesen unbarmherzigsten aller Werkzeuge, den Söldlingen eines barbarischen Zeitalters, geführt wurde — Menschen, die durch Gewohnheit und Gewerbe mit allem dem, was dies Gewerbe Grausames und Blutiges hat, vertraut geworden waren, während ihnen ebensowohl Vaterlandsliebe als der romantische Geist des Rittertums abgingen.

Statt des ordentlichen, anständigen, etwas förmlichen Mahles, zu welchem sich bürgerliche und geistliche Beamte noch wenige Stunden vorher in dem nämlichen Gemache eingefunden hatten, wo bei allem Ueberfluß an Speise und Wein doch Anstand herrschte, wenn auch ein erkünstelter, bot sich jetzt eine Szene wilder, tobender Völlerei dar, die selbst der böse Feind, hätte er Ordner des Festes sein wollen, nicht satanischer hätte schaffen können.

Am obern Ende der Tafel saß im bischöflichen Thronsessel, der eiligst von dem großen Ratszimmer hierher gebracht worden war, der gefürchtete Eber der Ardennen, der diesen schrecklichen Namen nur allzusehr verdiente. Er hatte den Helm abgenommen, trug aber seine schwere, glänzende Rüstung, die er nur selten ablegte. Ueber seinen Schultern hing ein dicker Ueberwurf, aus der Haut eines ungeheuern wilden Ebers verfertigt, dessen Hauer und Klauen von gediegenem Silber waren. Die Haut des Kopfes war so zugerichtet, daß sie, wenn der Mann in voller Rüstung war, über seinen Helm, oder auch als Kapuze über sein bloßes Haupt gezogen werden könnte. Der obere Teil seines Gesichts strafte beinahe den Charakter dieses Haudegens Lügen; denn obgleich sein Haar, wenn es unbedeckt war, den rauhen, wilden Borsten der Kapuze glich, die er darüber gezogen hatte, so lag doch in seiner offenen, hohen, männlichen Stirn, den breiten, fleischigen Wangen, großen, glänzenden Augen, samt der Adlernase, etwas Tapferes und Großartiges; allein der Ausdruck dieser einnehmenden Züge ward gänzlich verwischt durch die Gewöhnung an Gewalttat und Grausamkeit, die, verbunden mit Schwelgerei und Unmäßigkeit, seinen Zügen einen Charakter gaben, der mit der rauhen Tapferkeit des Mannes in gänzlichem Widerspruche stand. Aus angeborenem Hange zur Völlerei waren die Muskeln seiner Wangen, insbesondere die Umgebungen der Augen geschwellt. Seine Augen selbst waren getrübt, und das Weiße derselben gerötet, so daß das Ganze dem Gesichte alle die scheußliche Aehnlichkeit mit dem Ungeheuer gab, dem der furchtbare Baron zu gleichen so sehr sich bemühte. Allein aus seltsamem Widerspruchsgeiste suchte Wilhelm von der Mark, indem er in anderer Rücksicht sich das Ansehen eines Ebers zu geben suchte, doch durch einen langen, dicken Bart das zu verbergen, was ihm ursprünglich jene Benennung zugezogen hatte. Dies war nämlich die ungewöhnliche Dicke des hervorstehenden Mundes und der oberen Kinnbacken; verbunden mit den gewaltigen hervorstehenden Seitenzähnen hatten sie ihm jene Aehnlichkeit mit der Tiergattung gegeben, die, nebst dem Vergnügen, das Wilhelm von der Mark darin fand, im Ardennenwalde zu jagen, ihm den Namen des Ebers der Ardennen zugezogen hatte. Der breite, krause und ungekämmte Bart vermochte jedoch weder den schrecklichen Ausdruck des Gesichts zu verbergen, noch seiner tierischen Roheit einige Würde zu verleihen.

Die Soldaten und Offiziere saßen rund um die Tafel her, untermischt mit Lüttichern, von denen einige aus der Hefe des Volks waren; unter ihnen Nickel Block, der Schlächter, der dicht an der Seite Wilhelms von der Mark saß und sich durch seine aufgestreiften Aermel und seine mit Blut gefärbten Arme, sowie auch durch ein vor ihm liegendes blutiges, großes Messer kennzeichnete. Die Soldaten hatten meistens gleich ihrem Anführer sehr lange, krause Bärte. Ihre Haare waren aufwärts gekämmt, so daß dadurch die natürliche Wildheit ihres Aeußeren noch mehr erhöht wurde; die Reden, die sie führten, die Lieder, die sie sangen, waren so unzüchtig und lästerlich, daß Quentin Gott dankte, daß sie bei dem gewaltigen Lärmen von seiner Begleiterin nicht gehört und verstanden werden konnten.

Als der Syndikus Pavillon bei dieser wilden Gesellschaft angemeldet wurde, versuchte er kraft seines Ansehens und seines Einflusses einen Ausdruck von Wichtigkeit und Gleichmut anzunehmen. Aber es wollte ihm nicht recht gelingen, ihn zu finden. Ungeachtet der Ermahnungen Peters, der ihm nicht ohne merkliche Bestürzung ins Ohr flüsterte:»Mut gefaßt, Meister, oder wir sind alle verloren!«behauptete der Syndikus jedoch seine Würde, so gut er konnte und gratulierte der Gesellschaft zu dem großen Siege, den sie vereint gewonnen hätten. — »Ja, «antwortete Wilhelm von der Mark spöttisch,»wir haben endlich das Wild zum Schuß gebracht; aber, Herr Bürgermeister, Ihr erscheint ja hier wie der Kriegsgott mit der Schönheit zur Seite. Wer ist diese Holde? Hinweg mit dem Schleier! — Kein Weib soll diese Nacht ihre Schönheit ihr Eigentum nennen!«—»Es ist meine Tochter, edler Feldherr!«antwortete Pavillon,»und ich bitte, ihr zu erlauben, daß sie verschleiert bleibt. Sie hat deshalb ein Gelübde getan zu den heiligen drei Königen.«—»Ich will sie dessen sogleich entbinden, «versetzte Wilhelm von der Mark;»denn ich will mich mit dem Streiche eines Schlächterbeils zum Bischof von Lüttich machen; und ich sollte doch glauben, ein lebender Bischof wiegt drei tote Könige auf.«

Ein Schauder ergriff die Gäste, denn die Lütticher Bürgerschaft und sogar einige der rohen Soldaten verehrten wenigstens die Könige von Köln, wie sie gewöhnlich genannt wurden, wenn sie auch sonst vor gar nichts Furcht hatten. — »Nun, ich habe auch nicht die Absicht, einen Hochverrat an den verstorbenen Majestäten zu begehen, «sprach Wilhelm,»ich will bloß Bischof werden. Ein Fürst, der zugleich weltlich und geistlich ist, der Macht hat, zu binden und zu lösen, paßt doch am besten für eine Bande von Bösewichten, wie Ihr seid; denn kein anderer würde Euch die Absolution erteilen. — Aber kommt hierher, edler Herr Bürgermeister, setzt Euch an meine Seite, Ihr sollt sehen, wie ich für meine eigene Beförderung Platz machen werde. Man führe unsern Vorgänger auf dem heiligen Stuhle hierher. «Ein Aufruhr entstand in der Halle, als Pavillon, den angebotenen Ehrenplatz ablehnend, sich fast an das untere Ende der Tafel setzte. Seine Begleiter schlossen sich dicht hinter ihn an, nicht unähnlich einer Herde von Schafen, die sich zuweilen hinter einen alten Leithammel drängt, dem sie seines Amts und seines Ansehens halber mehr Mut als sich selbst zutraut. Nahe dabei saß ein hübscher Jüngling, ein natürlicher Sohn, wie man sagte, des wilden von der Mark, gegen den er zuweilen eine große Zuneigung und selbst Zärtlichkeit blicken ließ. Die Mutter des Jungen, eine schöne Beischläferin, war von dem wilden Häuptlinge in einem Anfall von Trunkenheit oder Eifersucht durch einen Schlag, den er ihr versetzte, umgebracht worden; und eine Zuneigung zu der überlebenden Waise mochte zum Teil in den Gewissensbissen ihren Grund haben, die der Wüterich von Zeit zu Zeit über diese Untat fühlte. Quentin, der diesen Charakterzug des Häuptlings von dem alten Priester erfahren hatte, stellte sich, so nahe er konnte, hinter diesen Jüngling, entschlossen, ihn auf die eine oder die andere Weise zu seiner Geißel oder zu seinem Beschützer zu machen, wenn alle anderen Rettungsmittel fehlschlagen sollten.

Während alle in gespannter Erwartung dastanden, flüsterte einer von Pavillons Begleitern Peter zu:»Nannte nicht unser Herr das Mädchen seine Tochter? Das kann doch unmöglich unser Trudchen sein. Dies schmucke Mädchen ist gewiß zwei Zoll größer, und dort guckt auch eine schwarze Locke unter ihrem Schleier hervor. Bei St. Michael auf dem Marktplatze! Ebensogut könnte man eine schwarze Ochsenhaut für eine weiße Kuhhaut nehmen.«—»Still! still!«sprach Peter mit einiger Geistesgegenwart —»wenn nun unserm Meister die Lust ankäme, ein Stück Hochwildbret aus des Bischofs Park hier zu stehlen, ohne daß die gute Frau zu Hause etwas davon erführe, ziemte es dann Dir oder mir, den Spion bei ihm zu machen?«—»Bei Leibe nicht, Bruder, «antwortete der andere,»obgleich ich nicht gedacht hätte, daß er in seinen Jahren noch ein solcher Wilddieb werden würde. Sapperment! Wie furchtsam das schöne Ding da ist! Sieh mal, wie sie sich hinter den Sessel dort verkriecht, im Rücken der Leute, um den Blicken der Märker zu entgehen. — Aber halt, halt! was wollen sie denn mit dem alten Bischof machen?«

Als er so sprach, ward der Bischof von Lüttich, Ludwig von Bourbon, von den rohen Soldaten in den Saal seines eigenen Palastes geschleppt, in einem Zustande, der deutlich die schlimme Behandlung verriet, die der Unglückliche bereits erfahren hatte. Zu gutem Glücke, wie Quentin glauben mußte, stand die Gräfin Isabelle an einem Platze, wo sie weder hören noch sehen konnte, was vorging, denn sonst hätte sie sich in ihrer Entrüstung über solchen Frevel sicher verraten, und um dies zu verhindern, stellte Durward sich absichtlich so vor sie hin, daß sie weder selbst die Vorgänge beobachten, noch von den Anwesenden leicht bemerkt werden konnte.

Der Auftritt, der sich nun abspielte, war kurz und schrecklich. Als der unglückliche Prälat vor den Stuhl des wilden Häuptlings gebracht wurde, legte er, obgleich er sich in seinem früheren Leben nur durch Sanftmut und Freundlichkeit ausgezeichnet hatte, in diesem entscheidenden Augenblicke ein Bewußtsein seiner Würde und edeln Abstammung an den Tag, das des vornehmen Geschlechts, aus dem er entsprossen, vollkommen würdig war. Sein Blick verriet Fassung und Unerschrockenheit; seine Bewegungen waren, als die rohen Hände, die ihn hergeschleppt hatten, von ihm abließen, edel und zugleich voll Ergebung; und sein Benehmen hielt die Mitte zwischen der Haltung eines Lehnsfürsten und eines Märtyrers. Selbst auf Wilhelm von der Mark machte die feste Haltung seines Gefangenen, sowie die Erinnerung an frühere Wohltaten, die er von ihm empfangen hatte, einen solchen Eindruck, daß er unentschlossen die Augen niederschlug; erst nachdem er einen großen Becher Weins geleert hatte, nahm er seine hochfahrende Frechheit in Blick und Benehmen wieder an. — »Ludwig von Bourbon, «sagte der Wüterich, indem er tief Atem holte, die Fäuste ballte, die Zähne zusammenbiß und auf jede Weise seine natürliche Wildheit aufzuregen und zu behaupten suchte, — »ich suchte Eure Freundschaft, — Ihr habt die meinige verworfen. Was würdet Ihr wohl jetzt darum geben, daß es anders gewesen wäre? — Nickel, halte Dich bereit!«

Der Schlächter stand auf, ergriff seine Waffe, schlich sich hinter Wilhelms Sessel und stand nun, das Beil mit seinen nackten, nervigen Armen erhebend, da. — »Schau diesen Mann an, Ludwig von Bourbon!«sprach von der Mark wieder.»Was bietest Du mir, um dieser gefahrvollen Stunde zu entgehen?«— Der Bischof warf einen schwermütigen, aber festen Blick auf den gräßlichen Helfershelfer, der bereit schien, den Willen des Tyrannen zu vollstrecken, und sprach dann mit unerschrockenem Mute:»Höre mich, Wilhelm von der Mark, und alle ihr guten Leute, wenn deren da sind, die diesen Namen verdienen, hört die einzigen Bedingungen, die ich diesem Bösewicht anbieten kann! — Wilhelm von der Mark, Du hast eine kaiserliche Stadt zum Aufruhr verleitet, hast den Palast eines Fürsten des heiligen römischen Reiches erstürmt, hast sein Volk erschlagen, seine Besitztümer geplündert, seine Person mißhandelt; — dafür bist Du dem Bann des Reiches verfallen und hast verdient, geächtet und für land- und rechtlos erklärt zu werden. Aber Du hast noch mehr getan als alles dies. Höhere als menschliche Gesetze hast Du gebrochen, mehr als menschliche Rache hast Du verdient. Eingebrochen bist Du in das Heiligtum des Herrn, hast frevelhaft die Hand an einen Vater der Kirche gelegt, hast das Haus Gottes mit Blut und Raub befleckt, wie ein kirchenräuberischer Frevler gehandelt.«—»Bist Du zu Ende?«fragte von der Mark, voll Wut ihn unterbrechend und mit den Füßen stampfend. — »Nein, «antwortete der Prälat,»denn ich habe die Bedingungen noch nicht gesagt, die Du von mir zu hören verlangtest.«—»Nun, so fahre fort, «sagte Wilhelm von der Mark,»und mach, daß Deine Bedingungen mir besser gefallen als Deine Einleitung, sonst wehe Deinem grauen Haupte!«und damit warf er sich in den Sessel zurück, biß die Zähne übereinander, bis der Schaum von seinen Lippen, wie von den Hauern des wilden Tieres floß, dessen Namen und Haut er trug. — »Dies sind Deine Verbrechen, «fing der Bischof mit ruhiger Entschlossenheit wieder an:»nun höre die Bedingungen, die ich als gnädiger Fürst und christlicher Prälat, der alle persönliche Beleidigung und Mißhandlung beiseite setzt und vergibt, Dir anzubieten mich herablasse: Wirf seinen Kommandostab von Dir, entsage seinem Oberbefehl, gib Deine Gefangenen frei, erstatte Deinen Raub, verteile, was Du von Gütern besitzest, zum Besten derer, die Du zu Waisen und Witwen gemacht hast, tue Buße in Sack und Asche, nimm den Pilgerstab in die Hand und wallfahre nach Rom, und wir selbst wollen für Dich bei dem kaiserlichen Kammergericht zu Regensburg für Dein Leben, und bei dem heiligen Vater, dem Papst, für Deine arme Seele Fürsprache einlegen.«

Während Ludwig von Bourbon diese Bedingungen in einem so festen, entschiedenen Tone vortrug, als ob er noch auf seinem bischöflichen Throne säße, der Wüterich aber gebunden ihm zu Füßen läge, erhob sich dieser langsam auf seinem Stuhle; das Erstaunen, das ihn anfangs ergriffen hatte, ging allmählich in Wut über, und als der Bischof zu reden aufgehört hatte, warf er dem Schlächter Nickel Block einen Blick zu und erhob seinen Finger, ohne ein Wort zu sprechen. Der Bösewicht schlug zu, als ob er sein gewöhnliches Geschäft im Schlachthause verrichtete, und der ermordete Bischof sank, ohne einen Laut von sich zu geben, an dem Fuße seines eigenen bischöflichen Stuhls nieder. Die Lütticher, auf einen so schrecklichen Ausgang nicht vorbereitet, sprangen insgesamt mit einem Schrei der Verwünschung und des Abscheus auf, in dem sich Drohungen von Rache mischten.

Wilhelm von der Mark aber erhob seine furchtbare, den Tumult übertönende Stimme, schüttelte seine geballte Faust und seinen ausgestreckten Arm und rief:»Wie, ihr Schweine von Lüttich, die ihr euch wälzt im Schlamme der Maas, ihr wagt es, euch mit dem wilden Eber der Ardennen zu messen? Auf denn, Eberbrut!«(ein Ausdruck, womit er selbst und andere seine Soldaten zu nennen pflegte)»laßt diese flamändischen Schweine eure Hauer sehen!«

Auf diesen Befehl sprangen alle seine Begleiter auf, und da sie mit ihren bisherigen Bundesgenossen vermischt gesessen hatten und auf solche Ueberraschung wohlvorbereitet waren, faßte jeder im Augenblick seinen nächsten Nachbar beim Kragen, während seine Rechte einen breiten Dolch schwang, der im Lampenschein und Mondlicht schimmerte. Jeder Arm war gehoben, aber keiner stieß zu; denn die Schlachtopfer waren zu sehr überrascht, um Widerstand zu leisten, und vermutlich war von der Marks Absicht bloß, seinen städtischen Verbündeten Schrecken einzujagen.

Allein Quentin Durward, über seine Jahre schnell entschlossen, und überdies in diesem Augenblicke durch den Anblick dessen, was hier vorgekommen war, aufs höchste aufgeregt, gab der Szene eine neue Wendung. Nachahmend, was die Leute von der Marks taten, sprang er auf den jugendlichen Sohn ihres Anführers los, überwältigte ihn mit leichter Mühe, hielt ihm den Dolch an die Kehle und rief:»Ist das Euer Spiel? nun so spiele ich ebenfalls mit.«—»Halt! halt!«rief von der Mark aus,»es ist ja nur Scherz! — Glaubt Ihr denn, ich wollte meinen guten Freunden und Verbündeten, den Bürgern von Lüttich, etwas zuleide tun? — Soldaten, laßt los; setzt euch! Schafft dieses Aas hinweg,«(dabei gab er dem Leichnam des Bischofs einen Tritt mit dem Fuße),»das solchen Streit unter Freunden veranlaßt hat, und laßt uns alle Unfreundlichkeit in einem neuen Gelage ersäufen. «Alle ließen los, und die Bürger und Soldaten sahen einander an, als ob sie nicht recht wüßten, ob sie Freunde oder Feinde wären. Quentin Durward benützte diesen Augenblick.

«Hört mich, Wilhelm von der Mark, «sprach er,»und ihr, Bürger und Einwohner von Lüttich! — und Ihr, junger Herr, verhaltet Euch ruhig,«(der junge Eberssohn hatte einen Versuch gemacht, seinen Händen zu entschlüpfen)!»Euch soll kein Leid geschehen, wofern nicht wieder einer von diesen gefährlichen Scherzen aufgetischt wird.«—»Wer bist Du, ins Teufels Namen?«fragte von der Mark erstaunt,»der Du hierher kommst, uns Bedingungen vorzuschreiben, und von uns in unserem eigenen Wildlager Geißeln nimmst?«—»Ich bin ein Diener König Ludwigs von Frankreich, «sprach Quentin mit Kühnheit,»ein Bogenschütze aus seiner schottischen Leibwache, wie Ihr aus meiner Sprache und meiner Kleidung ersehen könnt. Ich bin hier, um Euer Verfahren zu beobachten und darüber zu berichten, und sehe mit Verwunderung, daß es eher Heiden als Christen, eher Tollhäuslern als Menschen, die ihrer Vernunft mächtig sind, gleicht. Die Heere Karls von Burgund werden sogleich gegen Euch in Bewegung sein, und wenn Ihr Frankreichs Beistand wünscht, so müßt Ihr Euch anders benehmen. — Euch aber, ihr Männer von Lüttich, rate ich, sogleich in eure Stadt zurückzukehren, und wollte jemand eurem Abzug ein Hindernis in den Weg legen, so erkläre ich diejenigen, die dieses tun, für Feinde meines Herrn, des allerchristlichsten Königs von Frankreich.«—»Frankreich und Lüttich! Frankreich und Lüttich!«riefen Pavillons Begleiter und mehrere andere Bürger, deren Mut bei Quentins kühner Sprache zu wachsen begann.»Frankreich und Lüttich! lange lebe der tapfere Bogenschütze! wir wollen leben und sterben mit ihm!«

Die Augen Wilhelms von der Mark funkelten. Er griff nach seinem Dolch, um ihn dem kühnen Sprecher ins Herz zu stoßen; als er aber seine Blicke umherwarf, las er in denen seiner Soldaten etwas, was er selbst zu achten genötigt war. Manche von ihnen waren Franzosen, und alle wußten, daß Wilhelm aus diesem Reiche insgeheim an Geld und Leuten Unterstützung erhielt; ja einige von ihnen waren über den soeben verübten Mord aufs äußerste entsetzt. Der Name Karl von Burgund, von dem man erwarten konnte, daß er die Taten dieser Nacht aufs blutigste rächen würde, und die große Unklugheit von der Marks, zu gleicher Zeit mit den Lüttichern Händel anzufangen und den Monarchen von Frankreich herauszufordern, machten einen höchst niederschlagenden Eindruck auf ihre Gemüter, so wenig sie auch im Augenblicke des Gebrauchs ihrer Verstandskräfte mächtig waren. Kurz, von der Mark sah, daß er auch von seiner eigenen Bande bei weiterer Gewalttätigkeit nicht unterstützt werden würde; er mäßigte sich daher und erklärte, daß er nicht im geringsten Schlimmes gegen seine guten Freunde, die Lütticher, im Schilde führe, und daß es allen frei stehe, Schönwald nach Belieben zu verlassen, obgleich er gehofft hätte, sie würden zu Ehren ihres Sieges wenigstens eine Nacht mit ihm verschmausen. Mit mehr als gewöhnlicher Ruhe setzte er hinzu: er sei bereit, entweder am nächsten Tage, oder sobald sie es wünschten, wegen der Teilung der Beute und der zu ergreifenden Verteidigungsmaßregeln sich mit ihnen zu verständigen; indessen hoffe er, der schottische Herr werde sein Fest dadurch ehren, daß er die Nacht über noch in Schönwald bleibe.

Der junge Schotte dankte und sagte: er habe sich nach Pavillon zu richten, an den er, seiner Weisung gemäß, sich hauptsächlich anschließen müsse; unfehlbar aber werde er diesen bei der Rückkehr in das Hauptquartier des tapferen Wilhelm von der Mark begleiten. — »Wenn Ihr Euch nach mir zu richten habt, «versetzte Pavillon hastig,»so werdet Ihr Schönwald wahrscheinlich ohne Verzug verlassen, und wenn Ihr nur in meiner Gesellschaft wieder nach Schönwald kommen wollt, so werdet Ihr es sobald nicht mehr sehen. «Den letzten Teil seiner Rede sprach der ehrliche Bürger still vor sich hin, aus Furcht vor den Folgen, wenn er seine Gesinnungen laut werden ließe, die er jedoch nicht ganz zu unterdrücken imstande war.

«Schließt euch dicht an mich an, meine wackern Kürschnergesellen, «sagte er zu seiner Leibgarde,»damit wir so schnell wie möglich aus dieser Diebeshöhle entkommen.«

Die meisten Lütticher der besseren Klasse schienen gleicher Meinung mit ihrem Syndikus zu sein und hatten sich nicht so sehr über die Einnahme von Schönwald gefreut, als sie über die Aussicht frohlockten, dasselbe wieder mit heiler Haut zu verlassen. Sie zogen aus dem Schloß, ohne daß man ihnen irgend ein Hindernis in den Weg legte, und Quentin war herzlich froh, als er diese furchtbaren Mauern hinter sich hatte. Jetzt fragte er die junge Gräfin zum erstenmal, seitdem sie diese schreckliche Halle betreten hatten, wie sie sich befinde. — »Recht wohl, «antwortete sie in fieberischer Hast.»Verliert keine Zeit mit Fragen! Laßt uns fliehen, laßt uns fliehen!«Während sie sprach, versuchte sie ihre Schritte zu beschleunigen; aber es gelang ihr so wenig, daß sie vor Erschöpfung zu Boden gesunken wäre, hätte nicht Durward sie gehalten. Mit der Zärtlichkeit einer Mutter, die ihr Kind einer Gefahr entreißt, nahm der junge Schotte die kostbare Bürde auf seine Arme, und indes sie seinen Nacken mit einem der ihrigen umschlang, keinem andern Gedanken Raum gebend, als dem Verlangen nach Rettung — da sagte er sich, daß er um keinen Preis die im Laufe dieser Nacht bestandenen Gefahren missen möchte, da sie ein solches Ende nahmen.

Der ehrliche Bürgermeister wurde seinerseits von seinem treuen Ratgeber Peterkin und einem seiner Gesellen unterstützt und vorwärts gezogen; und so gelangten sie in atemloser Hast an das Ufer des Flusses, indem sie manchem Haufen von Bürgern begegneten, die begierig waren, den Ausgang der Belagerung zu erfahren, und ob das Gerücht begründet sei, daß die Sieger unter sich selbst uneinig geworden seien. Sie suchten ihnen, so gut sie konnten, auszuweichen, und den Bemühungen Peters und anderer Begleiter gelang es endlich, ein Boot für die Gesellschaft aufzutreiben, das sie zum Garten des Bürgermeisters trug. Als sie dort landeten, verwandelte sich der mißvergnügte, verdüsterte Demagoge von Bürgermeister im Nu in einen wackern, gütigen, freundlichen und gastfreien Wirt um. Er rief laut nach seinem Trudchen, die auch sogleich erschien; denn Furcht und Angst ließen nur wenige während dieser verhängnisvollen Nacht in Lüttichs Mauern eines ruhigen Schlafes genießen. Trudchen erhielt den Auftrag, für die schöne, halb ohnmächtige Fremde aufs beste Sorge zu tragen, und entledigte sich der jungen Dame gegenüber aller Pflichten edler Gastfreundschaft mit dem Eifer und der Liebe einer Schwester.

Fünftes Kapitel

Trotz der Mischung von Freude und Furcht, von Zweifel und Angst, und andern sein Gemüt bewegenden Leidenschaften, waren doch die erschöpfenden Anstrengungen des verflossenen Tages mächtig genug, den jungen Schotten in einen tiefen Schlaf zu versenken, aus dem er erst am andern Morgen erwachte, als sein würdiger Wirt in sein Schlafgemach trat.

Mit besorgten Blicken setzte sich derselbe neben seinen Gast auf das Bett und begann nun eine lange und verworrene Rede über die Pflichten des ehelichen Lebens, besonders aber über das Uebergewicht und den Vorrang, welchen verheiratete Männer überall behaupten müßten, wenn sie verschiedener Meinung mit ihren Weibern wären. Quentin hörte ihm mit einiger Aengstlichkeit zu. Er wußte, daß Ehemänner gleich andern kriegführenden Mächten zuweilen geneigt sind, mehr zur Verheimlichung einer Niederlage, als zur Feier eines Sieges ein Te Deum zu singen, und eilte daher, der Sache näher auf den Grund zu kommen, indem er äußerte, er wolle nicht annehmen, daß ihre Ankunft der guten Hausfrau irgend eine Unbequemlichkeit verursacht habe.

«Unbequemlichkeit? — Nein, «antwortete der Bürgermeister, — »keine Hausfrau kann von einer Ueberraschung so wenig getroffen werden wie eine Madame Mabel. Sie freut sich nur, Freunde bei sich zu sehen, hält immer ein hübsches Zimmer und ein gutes Mahl für sie bereit. An Tisch und Betten fehlt's, Gott sei Dank, nicht; keine Frau in der Welt ist so gastfrei — schade nur, daß sie manchmal ihre besonderen Launen hat.«—»Unser Aufenthalt hier ist ihr unangenehm, nicht wahr?«sagte der Schotte, sprang aus dem Bette und begann sich umzukleiden.»Wäre ich nur sicher, daß Gräfin Isabelle nach den Schrecken der vorigen Nacht reisen könnte, so wollten wir Euch gewiß keinen Augenblick länger beschwerlich fallen.«—»Nun, «sagte Pavillon,»gerade dasselbe hat die junge Dame selbst zur Mutter Mabel gesagt, und Ihr hättet nur sehen sollen, welche Röte ihr Gesicht überflog, als sie das sagte; ein Milchmädchen, das seine fünf Meilen gegen den Nordwind zu Markte gegangen ist, sieht wie eine Lilie dagegen aus. Ich wundere mich nicht, wenn Mutter Mabel, die arme, gute Seele, ein bißchen eifersüchtig ist.«—»Hat denn Fräulein Isabelle schon ihr Gemach verlassen?«fragte der Jüngling, indem er seinen Anzug noch eiliger zu vollenden suchte. — »Ja, «erwiderte Pavillon,»und sie erwartet Eure Ankunft mit vieler Ungeduld, um sich über die Weiterreise klar zu werden, da Ihr nun einmal entschlossen dazu seid, weiter zu reisen. Indessen werdet Ihr hoffentlich zuvor ein Frühstück einnehmen.«—»Aber warum sagtet Ihr mir das nicht früher?«fragte Durward ungeduldig. — »Gemach, «sagte der Syndikus,»ich habe es Euch nur zu früh gesagt, glaub' ich, da es Euch in solche Eile versetzt. Jetzt hätte ich aber noch andere Dinge für Euer Ohr, wenn ich wüßte, daß Ihr Geduld genug hättet, mir zuzuhören.«—»Sprecht, werter Herr, sobald und schnell, als Ihr nur könnt, — ich höre aufmerksam zu.«—»Wohlan denn, «fing der Bürgermeister wieder an,»ich habe Euch nur ein Wort zu sagen, und das ist, daß Trudchen, die sich so ungern von jener Dame trennt, als ob sie ihre Schwester wäre, darauf besteht, daß Ihr irgend eine Verkleidung wählt; denn es geht die Sage in der Stadt, die Gräfinnen von Croye durchzögen das Land in Pilgerkleidern, von einem schottischen Bogenschützen aus der französischen Leibwache begleitet. Man sagt sich ferner, daß eine von ihnen in der vergangenen Nacht von einem Zigeuner nach Schönwald gebracht worden sei, nachdem wir es verlassen hätten, und der Zigeuner habe Wilhelm von der Mark versichert, Ihr wäret mit keinem Auftrag weder an ihn, noch an das Volk von Lüttich versehen; Ihr hättet die junge Gräfin entführt und reistet jetzt als Liebhaber mit ihr. Alle diese Neuigkeiten sind heute morgen von Schönwald gekommen und uns und den andern Ratsherren mitgeteilt worden, die nun nicht wissen, was sie tun sollen; denn obgleich nach unserer Meinung Wilhelm von der Mark mit dem Bischof sowohl, als mit uns selbst ein wenig zu hart umgegangen ist, so glaubt man doch allgemein, daß er im Grunde ein gutes Herz hat, das heißt, wenn er nicht betrunken ist, und daß er allein in der Welt der Mann dazu ist, uns gegen den Herzog von Burgund anzuführen; — und in der Tat, so wie die Sachen stehen, ist es zum Teil auch meine Ansicht, daß wir es nicht mit ihm verderben dürfen; denn wir sind schon zu weit gegangen, um zurück zu können.«

«Eurer Tochter Rat ist gut, «sagte Quentin Durward, indem er sich aller Vorwürfe oder Ermahnungen enthielt, die, wie er wohl sah, ganz fruchtlos sein würden, um einen Entschluß zu erschüttern, den die würdige Magistratsperson sowohl aus Nachgiebigkeit gegen seine Partei, als auch in Übereinstimmung mit dem Willen seiner Frau gefaßt zu haben schien. — »Eure Tochter hat recht — wir müssen fort, verkleidet, und zwar augenblicklich. Wir werden hoffentlich auf die nötige Verschwiegenheit von Eurer Seite und auf gehörige Mittel zur Flucht uns verlassen dürfen?«—»Vollkommen, vollkommen, «sprach der ehrliche Bürger, der, mit der Würde seines eigenen Benehmens nicht sehr zufrieden, mit Freuden irgend eine Aussicht ergriff, dasselbe wieder gut zu machen.»Ich kann es nicht vergessen, daß ich Euch in der letzten Nacht mein Leben zu verdanken hatte, da Ihr den verdammten Stahlharnisch aufschnalltet und mir aus der andern Patsche halfet, die noch ärger war; denn jener Eber und seine Brut sehen ja mehr wie Teufel, als wie Menschen aus. Darum will ich so treu bei Euch halten wie die Klinge bei dem Hefte, wie unsere Schwertfeger — die besten von der Welt — zu sagen pflegen. So kommt nun, da Ihr fertig seid, und folget mir. Ihr sollt sehen, wie groß mein Vertrauen zu Euch ist.«

Der Syndikus führte ihn aus seiner Schlafkammer auf sein Kontor, wo er seine Geldgeschäfte zu machen pflegte. Nachdem er die Tür verschlossen und sich vorsichtig umgesehen hatte, öffnete er einen verborgenen Verschlag hinter dem Tapetenbehang, in dem mehrere eiserne Kisten standen. Er schloß eine derselben auf, die voller Goldstücke war, und sagte zu Quentin, er solle daraus nehmen, soviel er für sich und seine Gefährtin nötig zu haben glaube. Da das Geld, das Quentin bei seiner Abreise von Plessis erhalten hatte, beinahe ausgegeben war, bedachte er sich nicht lange, die Summe von zweihundert Gulden anzunehmen, worüber Herr Pavillon sehr froh war; denn dieser betrachtete das Anlehen, das er auf solche Weise seinem jungen Freunde aufzwang, als einen Ersatz für den Bruch der Gastfreundschaft, zu dem ihn mehrere Rücksichten gewissermaßen genötigt hatten.

Nachdem der reiche Flamänder seine Schatzkammer wieder sorgfältig verschlossen hatte, führte er seinen Gast in das Wohnzimmer, wo er die Gräfin im vollen Besitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte, obgleich etwas blaß, und in dem Anzuge eines flamändischen Mädchens vom Mittelstande fand. Niemand war zugegen als Trudchen, die eifrig damit beschäftigt war, den Anzug der Gräfin zu ordnen und sie zu unterrichten, wie sie sich zu benehmen habe.

Isabelle reichte ihm ihre Hand, und als er sie ehrerbietig küßte, sagte sie:»Herr Quentin, wir müssen unsere Freunde verlassen, wenn ich nicht einen Teil des Elends, das mich seit meines Vaters Tod verfolgt hat, auch über sie bringen will; Ihr müßt Eure Kleider wechseln und mich begleiten, wenn anders nicht auch Ihr müde seid, Euch eines so unglücklichen Wesens anzunehmen.«—»Ich? — ich sollte müde sein, Euch zu begleiten? — Bis ans Ende der Welt begleit' ich Euch! aber Ihr, Ihr selbst, werdet Ihr dem Unternehmen, das Ihr vorhabt, gewachsen sein? — Könnt Ihr nach den Schrecknissen der vergangenen Nacht — «»Ruft sie mir nicht ins Gedächtnis zurück, «fiel die Gräfin ein,»sie schweben mir noch vor, wie die Bilder eines verworrenen, schrecklichen Traums! — Ist der gute Bischof entkommen?«—»Er ist hoffentlich in Freiheit, «versetzte Quentin, indem er Pavillon, der im Begriff zu sein schien, in die Einzelheiten des schrecklichen Vorganges einzugehen, zu schweigen winkte. — »Wird es uns möglich sein, zu ihm zu gelangen? Hat er irgend eine Macht beisammen?«fragte die Gräfin. — »Für ihn gibt's keine Hoffnung, als im Himmel, «sagte der Schotte,»aber wohin Ihr auch zu gehen wünscht, ich stehe Euch als ein entschlossener Führer und Beschützer zur Seite.«—»Wir wollen es überlegen, «sagte Isabelle; und nach einer augenblicklichen Pause setzte sie hinzu:»Hätte ich zu wählen, ich ginge am liebsten in ein Kloster, aber auch dies, fürchte ich, würde mir gegen meine Verfolger nur einen schwachen Schutz gewähren.«—»Hm! hm!«sagte der Syndikus,»ich könnte Euch in dem ganzen Bezirk von Lüttich nicht wohl ein Kloster empfehlen, weil der Eber der Ardennen, wenngleich im allgemeinen ein tapferer Anführer, ein treuer Bundesgenosse und ein Mann, der unserer Stadt wohlwill, dessenungeachtet rauhe Sitten und nur wenig Achtung vor Mönchs- und vor Nonnenklöstern und dergleichen hat. Man sagt, es zögen eine Menge Nonnen, das heißt, solche Frauenzimmer, die Nonnen waren, mit seiner Kompagnie.«—»Macht Euch schnell fertig, Herr Durward, «unterbrach ihn Isabelle,»denn Eurer Treue muß ich mich nun ganz vertrauen.«

Sobald ihre Gäste fort waren, ergriff auch Mutter Mabel die Gelegenheit, ihrem Trudchen eine lange Predigt über die Torheiten des Romanlesens zu halten, wodurch die Dämchen am Hofe so kühn und unternehmend würden, daß sie, anstatt daheim die ehrbaren Künste einer Hausfrau zu lernen, lieber als irrende Jüngferchen durch die Welt ritten, ohne einen andern Begleiter, als einen müßigen Schildknappen, einen ausschweifenden Pagen oder einen tollkühnen Bogenschützen aus fremden Landen, zum größten Nachteil ihrer Gesundheit, ihres Vermögens und ihres guten Rufes. Alles dies hörte Gertrud stillschweigend an, ohne das mindeste darauf zu erwidern; doch läßt sich, wenn man ihren Charakter erwägt, bezweifeln, ob sie daraus den praktischen Nutzen zog, den sich ihre Mutter davon versprach.

Mittlerweile hatte Quentin in der Tracht eines flamändischen Bauern mit der ähnlich verkleideten Gräfin das östliche Stadttor erreicht, nachdem sie durch mehrere Haufen Volks geritten waren, die glücklicherweise mit den politischen Ereignissen und den Tagesneuigkeiten zu sehr beschäftigt waren, als daß sie einem Paare, das in seinem Aeußern so wenig Auffallendes hatte, ihre Aufmerksamkeit geschenkt hätten. So kamen sie auch, vermöge einer durch Pavillon besorgten, aber im Namen seines Kollegen Rouslaer ausgewirkten Erlaubnis bei den Wachen vorüber, und nahmen da von Peter Geislaer einen kurzen, aber freundlichen Abschied. Gleich darauf gesellte sich ein kräftiger junger Mann zu ihnen, der einen hübschen Grauschimmel ritt und sich sogleich als Hans Glover, Trudchens Liebhaber, zu erkennen gab. Es war ein schmucker Bursche, mit einem gutmütigen flamändischen Gesichte, aus welchem nicht großer Verstand, wohl aber Frohsinn und Gutherzigkeit sprachen. Nachdem er die Gräfin ehrerbietig begrüßt hatte, fragte er in flamändischer Sprache, welchen Weg sie geführt zu werden wünsche?

«Zur nächsten Stadt an der Grenze von Brabant.«—»Ihr habt Euch also über Ziel und Zweck Eurer Reise entschieden?«fragte Quentin, indem er zu Isabellen hinritt, in französischer Sprache, die ihr Wegweiser nicht verstand. — »Allerdings, «erwiderte die junge Dame,»in der Lage, in welcher ich mich befinde, würde es mir nachteilig sein, wenn ich meine Reise verlängerte, und sollte auch das Ende derselben strenge Gefangenschaft sein.«—»Gefangenschaft?«fragte Quentin. — »Ja, mein Freund, Gefangenschaft; aber ich will Sorge tragen, daß Ihr sie nicht teilen müßt.«—»Sprecht nicht von mir, denkt nicht an mich, «rief Quentin;»weiß ich nur Euch gerettet, so ist an mir wenig gelegen.«—»Sprecht nicht so laut, «sagte Gräfin Isabelle;»Ihr möchtet unsern Führer in Verlegenheit bringen. Ihr seht, er ist bereits etwas vorausgeritten.«— In der Tat hatte der gutmütige Flamänder sie der lästigen Gegenwart eines Dritten überhoben, sobald Quentin sich der Dame näherte.

«Ja, «fuhr sie fort, als sie sich unbeobachtet sah,»Euch, meinem Beschützer — denn warum sollte ich mich schämen, Euch so zu nennen, da der Himmel Euch dazu gemacht hat — muß ich sagen, daß mein Entschluß gefaßt ist, nach meinem Vaterlande zurückzukehren und mich der Gnade des Herzogs von Burgund anheimzugeben. Es war ein schlimmer, wenn auch vielleicht gut gemeinter Rat, der mich verleitete, mich seines Schutzes zu begeben.«—»Ihr seid also entschlossen, die Braut des Grafen von Campobasso zu werden?«

«Nein! Durward, nein!«sagte die Gräfin Isabelle, indem sie sich in ihrem Sattel aufrichtete,»zu einem so verhaßten Schritte vermag alle Macht Burgunds nicht eine Tochter des Hauses Croye zu erniedrigen. Burgund kann meine Lande und Lehen in Besitz nehmen und mich in ein Kloster sperren, aber das ist das schlimmste, was ich zu erwarten habe, und Schlimmeres noch wollte ich erdulden, als meine Hand an Campobasso geben.«—»Das schlimmste!«rief Quentin aus,»und was kann es Schlimmeres geben als Plünderung und Gefangenschaft? O, bedenkt, solange Ihr noch Gottes freie Luft um Euch fühlt und einen Mann zur Seite habt, der sein Leben daran setzen wird, Euch nach England, nach Deutschland, selbst nach Schottland zu geleiten, wo Ihr überall großmütige Beschützer finden werdet; — o, solange dies der Fall ist, entschließt Euch nicht zu voreilig, auf die Mittel Eurer Freiheit, der schönsten Himmelsgabe, zu verzichten!«— Nach einer kurzen Pause erwiderte sie mit schwermütigem Lächeln:»Nur dem Manne ist Freiheit beschieden, das Weib muß sich immer einen Beschützer suchen, da die Natur sie einmal unfähig gemacht hat, sich selbst zu verteidigen. Und wo finde ich einen? — in dem Wollüstling Eduard von England oder in dem trunkliebenden Wenzeslaus von Deutschland? — in Schottland? — ach, Durward, wäre ich Eure Schwester, und könntet Ihr mir einen Zufluchtsort in einem jener Gebirgstäler versprechen, die Ihr so gern beschreibt; könntet Ihr mir den Schutz einer ehrsamen, geachteten Matrone des Landes, eines Edeln, dessen Herz so treu wie sein Schwert wäre, zusichern, ja dann wäre eine Aussicht vorhanden, für die es sich lohnte, sich der Gefahr eines bösen Leumundes auszusetzen.«

Es lag in dem bebenden Tone, womit Gräfin Isabelle dies sprach, eine Zärtlichkeit, die Quentin mit Freude erfüllte und ihm zugleich das Herz zerschnitt. Er zögerte einen Augenblick, ehe er eine Antwort gab, indem er bei sich bedachte, ob es wohl möglich sei, ihm in Schottland einen Zufluchtsort zu verschaffen; allein die traurige Wahrheit, daß es unedel und grausam sein würde, wenn er ihr ein Ziel zeigte, wo er auch nicht entfernt die Mittel hätte, ihr einen ruhigen Aufenthaltsort zu sichern, drang sich ihm ebenso bald in all ihrer Stärke auf. — »Fräulein, «sagte er endlich,»ich würde gegen Ehre und Rittereid handeln, wenn ich Euch sagen wollte, ich besäße in Schottland Macht genug, Euch einen andern Schutz zu gewähren, als den meines Armes, ich weiß kaum, ob mein Blut noch in den Adern eines andern außer mir in meinem Heimatlande fließt.«

«Ach!«rief die Gräfin,»so gibt es keinen Winkel auf der Erde, der frei von Unterdrückung wäre?«—»Es ist eine traurige Wahrheit, die ich nicht zu bestreiten wage, «versetzte der Schotte,»daß unsere feindlichen Clans dieselbe Rolle in Schottland spielen, wie von der Mark und seine Räuber in diesem Lande.«—»Nichts mehr von Schottland dann, «sagte Isabelle,»ich erwähnte es ja auch nur im Scherze, um zu sehen, ob Ihr mir wirklich das zerrüttetste Land Europas als Ruheort anempfehlen würdet. Ich freue mich, daß ich mich auf Euch verlassen kann, auch da, wo die Vorliebe für Euer Heimatland mit im Spiele ist; so will ich denn an keinen andern Schutz denken, als an den des Herzogs von Burgund.«—»Aber warum wollt Ihr Euch nicht lieber in Eure eignen Lande und auf Euer festes Schloß begeben, wie es zu Tours Eure Absicht war?«fragte Quentin;»warum versammelt Ihr nicht die Vasallen Eures Vaters um Euch und schließt nicht lieber einen Vertrag mit Burgund, anstatt Euch sogleich ihm zu ergeben?«—»Ach!«versetzte die Gräfin,»dieser Plan, den der hinterlistige Ludwig an die Hand gab, und der, wie alle, die er je ersonnen hat, nur auf seinen Vorteil berechnet war, ist unausführbar geworden, seitdem er durch den doppelten Verräter Zamet Hayraddin an Burgund verraten worden ist. Mein Verwandter wurde ins Gefängnis gesetzt und eine Besatzung in meine Schlösser gelegt; ein Versuch von meiner Seite hieße meine Vasallen der Rache Herzog Karls preisgeben. Nein, ich will mich meinem Lehnsherrn als getreue Vasallin in allen Dingen unterwerfen, die meine persönliche Wahlfreiheit unangetastet lassen, und das umsomehr, da ich glaube, daß meine Verwandte, die Gräfin Hameline, die meine Flucht zuerst anriet und betrieb, bereits diesen weisen und ehrenvollen Schritt getan hat.«—»Eure Verwandte?«wiederholte Quentin, an Dinge denkend, von denen die junge Gräfin nichts wußte und die durch die Ereignisse, die ihn näher angingen, aus seinem Gedächtnisse verdrängt worden waren. — »Ja, meine Muhme, die Gräfin Hameline von Croye, «versetzte Gräfin Isabelle,»wißt Ihr etwas von ihr? Ich hoffe, sie befindet sich unter dem Schutze des burgundischen Banners. Ihr schweigt — wißt Ihr etwas von ihr?«

Die letzte Frage wurde mit so ängstlicher Besorgnis gestellt, daß Quentin ihr wohl oder übel berichten mußte, was ihm von den Schicksalen der Gräfin bekannt war: auf ihre Flucht von Lüttich die Entdeckung, als er mit ihr den Wald erreicht hatte, daß sich Gräfin Isabelle nicht bei ihr befinde; wie er ins Schloß zurückgekehrt sei und unter welchen Umständen er sie gefunden habe. Doch verschwieg er die unverkennbare Absicht, womit Gräfin Hameline das Schloß Schönwald verlassen habe, sowie auch das Gerücht, daß sie in die Hände Wilhelms von der Mark gefallen sei. Sie ritt lange still neben ihm her, dann sagte sie kalt und verdrossen:»So habt Ihr meine unglückliche Muhme in einem öden Walde verlassen, wenn nicht der Willkür eines schändlichen Zigeuners und eines verräterischen Dienstboten preisgegeben? Arme Muhme! und Du sprachst immer nur Gutes von diesem Jüngling und seiner Treue!«

«Hätte ich nicht so gehandelt, Fräulein, «entgegnete Quentin, mit Recht beleidigt, daß man seine Ritterlichkeit so falsch deuten konnte,»was wäre dann das Schicksal derjenigen gewesen, zu deren Dienst ich weit mehr verpflichtet war? Hätte ich Gräfin Hameline v. Croye nicht der Fürsorge und Obhut derjenigen überlassen, welche sie sich selbst zu ihren Leitern und Ratgebern erwählte, so würde Gräfin Isabelle wahrscheinlich die Braut Wilhelms von der Mark, des wilden Ebers der Ardennen, sein.«—»Ihr habt recht, «versetzte Isabelle in ihrem gewöhnlichen Tone;»und ich habe mich schwarzen Undanks gegen Euch schuldig gemacht. Aber ach! meine unglückliche Muhme! und die elende Marthon, die ihr volles Vertrauen besaß, und es so wenig verdiente! wie wird ihr es gehen? was wird ihr Schicksal sein?«

Um Isabellens Gedanken von diesem traurigen Gegenstande abzulenken, erzählte ihr Quentin offen die ganze Verräterei Maugrabins, die er in dem Nachtquartier bei Namur entdeckt hatte und die auf sein Abkommen zwischen dem Könige und Wilhelm von der Mark schließen ließ. Isabelle schauderte vor Schrecken; bald aber erholte sie sich und sagte:»Ich bin beschämt und habe mich an den Heiligen versündigt, daß ich nur einen Augenblick an ihrem Schutze zweifeln und glauben konnte, ein so grausamer, unaussprechlich niederträchtiger und schändlicher Plan könnte gelingen, solange noch das Auge des Himmels erbarmungsvoll auf das menschliche Elend herniederschaut. Nun sehe ich deutlich ein, warum diese heuchlerische Marthon den Samen kleiner Mißverständnisse zwischen meiner armen Muhme und mir zu nähren suchte; warum sie immer diejenige von uns beiden, die gerade anwesend war, mit Schmeicheleien überhäufte und alles vorbrachte, was sie gegen die andere einnehmen konnte. Nie hätte ich mir aber träumen lassen, daß sie soweit gehen könnte, meine sonst so liebevolle Muhme zu bereden, mich allein in Schönwald zurückzulassen, als sie selbst zu entkommen suchte.«—»Sagte Euch denn Eure Muhme Hameline nichts von ihrer beabsichtigten Flucht?«fragte Quentin. — »Nein, «erwiderte die Gräfin,»sie spielte bloß auf eine Mitteilung an, die Marthon mir machen würde. Meiner armen Muhme war durch die geheimnisvollen Reden des elenden Hahraddin, mit dem sie an diesem Tage eine lange und geheime Unterredung gehabt hatte, der Kopf dergestalt verdreht, daß — kurz — daß ich in dieser Stimmung nicht weiter in sie dringen mochte, mir eine nähere Erklärung zu geben. Aber es war grausam von ihr, daß sie mich zurückließ.«—»Ich muß Gräfin Hameline gegen solche Lieblosigkeit in Schutz nehmen, «entgegnete Quentin;»denn die Unruhe des Augenblicks und die Dunkelheit der Nacht waren so groß, daß ich glaubte, Gräfin Hameline war ebenso sicher davon überzeugt, daß ihre Nichte sie begleite, als ich zu derselben Zeit, getäuscht durch Marthons Anzug und Benehmen, voraussetzte, daß ich mich in Gesellschaft beider Damen von Croye befände; — und besonders derjenigen, «setzte er mit leiser, aber entschiedener Stimme hinzu,»ohne welche alle Schätze der Welt mich nicht vermocht hätten, Schönwald zu verlassen.«

Isabelle senkte den Kopf und schien die Worte des jungen Schotten kaum zu hören. Allein sie wandte ihr Auge wieder ihm zu, als er von der Politik Ludwigs zu sprechen begann; und es wurde ihnen durch gegenseitige Mitteilung nicht schwer, herauszubringen, daß die Zigeunerbrüder nebst der mitschuldigen Marthon die Werkzeuge jenes hinterlistigen Fürsten gewesen waren, wenngleich Zamet, der ältere Bruder, mit der seinem Stamme eigenen Treulosigkeit versucht hatte, eine doppelte Rolle zu spielen, und dafür denn auch gehörig bestraft worden war. Unterdessen setzten die Reisenden ihren Weg mehrere Stunden fort und hielten nur an, um ihre Pferde in einem abgelegenen Dorfe oder Weiher füttern zu lassen, wohin sie von Hans Glover geführt wurden, der sich in jeder Hinsicht als ein Mann von Verstand und Bescheidenheit erwies. Die künstliche Scheidewand, die die beiden Liebenden (denn so dürfen wir sie jetzt nennen) voneinander trennte, schien durch die besonderen Umstände, in denen sie sich befanden, gänzlich beseitigt zu sein; denn wenn auch die Gräfin sich eines höheren Ranges rühmen konnte und durch ihre Geburt auf ein ungleich größeres Vermögen Anspruch hatte als der Jüngling, dessen Einkommen bloß auf seinem Schwerte beruhte, so war sie doch im gegenwärtigen Augenblicke ebenso arm als er, und verdankte Sicherheit, Ehre und Leben einzig nur seiner Geistesgegenwart, Tapferkeit und Ergebenheit. Sie sprachen nicht von Liebe, aber an Liebe nicht zu denken, war auf beiden Seiten unmöglich, und so standen sie in einem Verhältnisse zueinander, wo Empfindungen mehr angedeutet als ausgesprochen werden, und wo die Freiheit, die solches Verhältnis gestattet, und die Ungewißheit, wovon es begleitet ist, oft die entzückendsten Stunden menschlichen Daseins herbeiführen; ebenso oft folgen ihnen auch Stunden, die durch getäuschte Erwartungen, Unbeständigkeit und alle Qualen verstörter Hoffnungen und unerwiderter Zuneigung getrübt werden.

Es war um zwei Uhr nachmittags, als die Reisenden durch ihren Führer, der mit bleichem Gesichte voll Entsetzen auf sie zueilte, mit der Nachricht aufgeschreckt wurden, daß sie von einer Abteilung von Wilhelm von der Marks schwarzen Reitern verfolgt würden. Diese Soldaten oder vielmehr Banditen waren in Niederdeutschlands Kreisen geworben und glichen in allen Stücken den Landsknechten. Um ihren Feinden desto größeren Schrecken einzujagen, ritten sie gewöhnlich auf schwarzen Streitrossen und trugen schwarze Waffen und Rüstungen.

Quentin blickte zurück und sah auf der langen ebenen Straße, auf welcher sie dahingeritten kamen, eine dichte Staubwolke sich nahen; ein Paar Reiter sprengten mit rasender Eile voran.»Teuerste Isabelle, «sagte Quentin,»ich habe keine Waffen als mein Schwert; kann ich aber nicht für Euch fechten, so will ich mit Euch entfliehen. Können wir nur das Gehölz, das vor uns liegt, erreichen, bevor sie uns nahe kommen, so finden wir leicht Mittel, ihnen zu entgehen!«—»So sei es, mein einzig mir gebliebener Freund, «sagte Isabelle, ihr Pferd in Galopp setzend;»und Du, braver Bursche, «setzte sie, an Hans Glover sich wendend, hinzu,»schlage einen andern Weg ein, damit Du nicht Gefahr und Unglück mit uns teilen mußt.«— Der ehrliche Flamänder antwortete kopfschüttelnd auf ihre großmütige Aufforderung:»Nein, nein! das geht nicht!«— Alle drei eilten nun so schnell, als es ihre ermüdeten Pferde vermochten, dem schützenden Walde zu, verfolgt von den schwarzen Reitern, die, als sie die Absicht der andern erkannten, um so schneller ritten. Ungeachtet der Ermüdung der Pferde hatten jedoch die Flüchtlinge, da sie unbewaffnet waren und folglich leichter ritten, einen beträchtlichen Vorsprung vor ihren Verfolgern, und waren nur noch eine Viertelmeile von dem Walde entfernt, als ein Trupp Bewaffneter unter dem Banner eines Ritters aus dem Walde hervorbrach und ihnen den Weg zur Flucht abzuschneiden schien.»Sie haben eine glänzende Rüstung, «sprach Isabelle;»es müssen Burgunder sein. Mögen sie aber sein, wer sie wollen, lieber ergeben wir uns ihnen als den schändlichen Bösewichtern, die uns verfolgen.«— Einen Augenblick nachher rief sie, nachdem sie das Banner näher betrachtet hatte, aus:»Ich erkenne das gespaltene Herz darauf! Es ist der Wappenschild des Grafen Crevecoeur, eines edeln Burgunders — ihm will ich mich ergeben.«

Quentin Durward seufzte; aber welche andere Wahl blieb übrig? Bald erreichten sie Crevecoeurs Fähnlein, und die Gräfin verlangte den Anführer zu sprechen, der seinen Trupp Halt machen ließ, um die schwarzen Reiter zu rekognoszieren. Als er sie zweifelnd und ungewiß anblickte, sprach sie: Edler Graf, Isabelle von Croye, die Tochter Eures alten Waffengefährten, des Grafen Reinhold von Croye, ergibt sich Euch und fordert von Eurer Tapferkeit Schutz für sich und die Ihrigen.«—»Den sollst Du haben, meine schöne Cousine, und wäre es gegen ein ganzes Heer — meinen Oberlehnsherrn von Burgund ausgenommen. Aber jetzt ist nicht Zeit, davon zu sprechen! Diese schmutzigen Teufelskinder haben Halt gemacht, als wollten sie es auf eine Probe mit mir ankommen lassen. — Beim heiligen Georg von Burgund, sie rücken wohl gar gegen Crevecoeurs Banner an! — Wie? sind die Kerle verrückt — Damian, meine Lanze — das Banner vor — legt Eure Speere ein, — Crevecoeur zur Befreiung!«Mit diesem Feldgeschrei sprengte er an der Spitze seiner Bewaffneten rasch vorwärts, den schwarzen Reitern entgegen.

Sechstes Kapitel

Das Scharmützel hatte kaum fünf Minuten gedauert, da waren die schwarzen Reiter von den burgundischen Mannen, die ihnen an Bewaffnung, Pferden und kriegerischem Geiste bei weitem überlegen waren, in die Flucht geschlagen worden. In noch kürzerer Zeit kam Graf Crevecoeur, sein blutiges Schwert, bevor er es in die Scheide steckte, an der Mähne seines Pferdes abwischend, nach dem Saume des Waldes zurück, wo Gräfin Isabelle zurückgeblieben war.

«Eine Schande ist's, «sprach der Graf,»daß sich die Waffen von Rittern und Adelingen mit dem Blute dieser rohen Schweine beflecken müssen. «Mit diesen Worten steckte er sein Schwert in die Scheide und setzte hinzu:»Ein ziemlich rauhes Willkommen in Eurer Heimat, mein schönste Cousine; aber irrende Prinzessinnen müssen schon auf solche Abenteuer gefaßt sein, und ich bin noch zur rechten Zeit gekommen, denn glaubt mir, die schwarzen Reiter haben vor einer Grafenkrone so wenig Respekt, wie vor der Haube eines Bauernmädchens; und Euer Gefolge scheint mir zu großem Widerstande nicht sonderlich geeignet?«—»Herr Graf, «sprach Fräulein Isabelle,»laßt mich ohne weitere Vorrede wissen, ob ich eine Gefangene bin, und wohin Ihr mich zu führen gedenkt.«—»Ihr wißt, einfältiges Kind, «antwortete der Graf,»wie ich diese Frage beantworten würde, wenn es auf mich ankäme. Allein Ihr habt samt Eurer törichten Muhme mit ihren Eheprojekten und Heiratsjägereien kürzlich einen so freien Gebrauch von Euern Flügeln gemacht, daß ich fürchte, Ihr müßt Euch schon gefallen lassen, sie eine kleine Weile lang in einem Käfige zu schwingen; was mich betrifft, so ist es meine traurige Pflicht, Euch an den Hof des Herzogs nach Peronne zu geleiten, denn ich vermute, daß Euch ein bißchen warme Fürsprache dort nichts schaden dürfte. Drum mag den Befehl über diese kleine Streife lieber mein Neffe Stephan übernehmen. Hoffentlich wird der junge Wildfang seine Pflicht mit Klugheit erfüllen.«—»Lieber Oheim, «versetzte Graf Stephan,»wenn Ihr an meiner Fähigkeit zweifelt, die Krieger anzuführen, so bleibt nur selbst bei ihnen, und ich will Diener und Beschützer der Gräfin Isabelle von Croye sein.«—»Ohne Zweifel, lieber Neffe, «antwortete der Oheim,»wäre das eine schöne Verbesserung meines Plans; aber ich denke, er gefällt mir doch am besten, wie ich ihn ursprünglich entworfen habe. Merke Dir daher fürs erste nur, daß es hier nicht Dein einziges Geschäft ist, jene schwarzen Säue zu hetzen und abzustechen, wozu Du soeben eine ganz besondere Vorliebe empfunden zu haben scheinst, sondern mir zuverlässige Nachricht von all dem zu bringen, was im Lütticher Lande vorgeht. Ein paar Dutzend Lanzen sollen mir folgen, die übrigen mit einem Banner unter Deinen Befehlen zurückbleiben.«—»Noch einen Augenblick, Vetter Crevecoeur, «sprach Gräfin Isabelle,»laßt mich, indem ich mich Euch selbst als Gefangene ergebe, wenigstens für die Sicherheit derjenigen sorgen, die sich meiner in meinem Unglück als Freunde angenommen haben. Erlaubt diesem guten Menschen, meinem treuen Führer, ungehindert nach seiner Vaterstadt Lüttich zurückzukehren.«—»Mein Neffe, «sagte Crevecoeur, indem er einen scharfen Blick auf Glovers breites Gesicht warf,»soll diesen guten Burschen, soweit er in das Lütticher Land vorrücken wird, mit sich nehmen und ihn dann gehen lassen, wohin er will.«—»Grüßet die gute Gertrud von mir, «sprach die Gräfin zu ihrem Wegweiser, und eine Perlenschnur unter ihrem Schleier hervorziehend, setzte sie hinzu:»Bitte sie, dies zum Andenken an ihre unglückliche Freundin zu tragen. «Der ehrliche Glover nahm die Perlenschnur und küßte mit linkischer Gebärde, aber mit aufrichtiger Gutmütigkeit die schöne Hand, die auf eine so zarte Weise seine eigenen Bemühungen und Gefahren zu belohnen wußte.

«Hm! Zeichen und Freundschaftspfänder!«sagte der Graf,»habt Ihr noch andere Anliegen, meine schöne Cousine? — Es ist Zeit, daß wir uns auf den Weg machen.«—»Ich wünsche bloß noch, «begann die Gräfin mit Anstrengung,»daß Ihr diesem — diesem jungen Manne da Euer Wohlwollen schenken möget.«—»Hm!«versetzte Crevecoeur, indem er denselben durchdringenden Blick auf Quentin, wie früher auf Glover, warf, jedoch, wie es schien, mit minder günstigem Erfolge,»ja das ist schon eine Klinge von anderem Stahl. Darf man wissen, meine schöne Cousine, was dieser — dieses junge Blut getan hat, um in Euch eine solche Fürbitterin zu finden?«—»Er hat mein Leben und meine Ehre gerettet, «sagte die Gräfin, vor Scham und Unwillen zugleich errötend. Auch Quentin errötete vor Zorn, allein er sah ein, daß er an sich halten müsse, wenn er die Sache nicht noch schlimmer machen wollte.

«Leben und Ehre? — Hm!«sagte Graf Crevecoeur wiederum,»mich dünkt, es wäre doch wohl besser gewesen, meine schöne Cousine, wenn Ihr Euch nicht in die Notwendigkeit solcher Verpflichtungen gegen den jungen Mann gesetzt hättet. — Doch laßt das gut sein! der junge Mensch kann in unserem Gefolge mitreiten, wenn es ihm sein Stand erlaubt, und ich will darauf sehen, daß ihm nichts zuleide getan wird, — nur will ich jetzt selbst die Pflicht übernehmen, der Beschützer Eures Lebens und Eurer Ehre zu sein, und werde vielleicht für ihn ein passenderes Geschäft finden, als — hm! den Leibknappen irrender Damen abzugeben.«—»Herr Graf, «sagte Durward, unfähig länger zu schweigen,»damit Ihr nicht etwa von einem Fremden auf eine geringschätzigere Weise sprecht, als Ihr in der Folge für schicklich halten möchtet, nehme ich mir die Freiheit, Euch zu sagen, daß ich Quentin Durward heiße und ein Bogenschütze von der schottischen Leibwache bin, in welche, wie Euch bekannt sein wird, nur Edelleute und Männer von Ehre aufgenommen werden.«—»Ich danke Euch für Eure Belehrung und küsse Euch die Hände, Herr Bogenschütze, «sagte Graf Crevecoeur, noch immer im Tone des Spottes.»Habt die Güte, mit mir an die Spitze des Haufens zu reiten.«

Als Quentin auf den Befehl des Grafen, der jetzt, wenn auch nicht das Recht, doch die Macht über ihn hatte, sich in Bewegung setzte, gewahrte er, daß Gräfin Isabelle ihm einen Blick voll besorgter, schüchterner Teilnahme zuwarf, der ihm fast Tränen in die Augen lockte. Er bedachte jedoch, daß er sich vor Crevecoeur als Mann betragen müsse, da dieser unter allen französischen und burgundischen Rittern vielleicht am wenigsten sich eignete, die Darlegung des Kummers treuer Liebe anders aufzunehmen, als mit Spott und Hohn. Er entschloß sich daher, nicht dessen Anrede abzuwarten, sondern das Gespräch in einem Tone zu eröffnen, der seine Ansprüche auf gute Behandlung und größere Achtung rechtfertigen möchte, als der Graf, der sich vielleicht beleidigt fand, daß ein Mann von so untergeordnetem Range in so hohem Grade das Vertrauen seiner vornehmen und reichen Muhme besaß, ihm beweisen zu wollen schien.

«Herr Graf von Crevecoeur, «sprach er in einem gemäßigten aber festen Tone,»darf ich Euch, ehe wir weiter zusammen reisen, fragen, ob ich frei bin, oder ob ich mich als Euren Gefangenen zu betrachten habe?«—»Eine verfängliche Frage, «erwiderte der Graf,»die ich Euch vorderhand nur durch eine andere beantworten kann. Was meint Ihr, sind Frankreich und Burgund miteinander im Frieden oder im Kriege?«—»Das, «erwiderte der Schotte,»solltet Ihr, Herr Graf, wohl besser wissen als ich, denn ich bin vom französischen Hofe schon seit einiger Zeit abwesend und habe deshalb keine Nachrichten mehr von dorther.«—»Da seht Ihr nun, «versetzte der Graf,»wie leicht es ist, Fragen vorzulegen, und wie schwer, sie zu beantworten. Ich selbst bin diese ganze Woche und noch länger um den Herzog von Peronne gewesen, kann mithin ebensowenig wie Ihr das Rätsel lösen, und doch, Herr Knappe, hängt von der Lösung desselben die Frage ab, ob Ihr ein Gefangener oder frei seid. Für jetzt muß ich Euch für das erstere halten, — nur wenn Ihr meiner Verwandten in der Tat und auf ehrenhafte Weise gedient habt, und Ihr aufrichtig auf die Fragen, die ich an Euch tun werde, antwortet, können Eure Angelegenheiten eine bessere Wendung nehmen.«—»Die Gräfin von Croye, «sagte Quentin,»kann es am besten beurteilen, ob ich ihr einige Dienste geleistet habe, und auf sie verweise ich in dieser Hinsicht. Ueber meine Antworten mögt Ihr selbst urteilen, wenn Ihr mich fragt.«—»Hm! hm! — stolz genug, «brummte Graf Crevecoeur,»ganz wie einer, der die Bandschleife einer Dame an seinem Hute trägt und nun meint, er müsse einen hohen Ton annehmen, um dem köstlichen Fetzen von Seide und Flittergold Ehre zu machen. — Nun, ich glaube, es wird Eurer Würde keinen Eintrag tun, wenn Ihr sagt, wie lange Ihr um Gräfin Isabelle von Croye gewesen seid.«—»Graf Crevecoeur, «versetzte Quentin Durward,»wenn ich auf Fragen antworte, die an mich in einem Tone, der an Beleidigung grenzt, gemacht werden, so geschieht dies bloß deswegen, damit nicht aus meinem Stillschweigen über jemand, dem wir beide Gerechtigkeit widerfahren zu lassen schuldig sind, nachteilige Schlüsse gezogen werden können. Ich habe Gräfin Isabelle begleitet, seit sie Frankreich verlassen hat, um sich nach Flandern zu begeben.«—»Ho! ho!«rief der Graf,»das heißt also, seitdem sie aus Plessis geflohen ist, — Ihr, ein Bogenschütze von der schottischen Leibwache, habt sie also auf ausdrücklichen Befehl des Königs begleitet?«

So wenig auch Quentin sich dem Könige von Frankreich verpflichtet fühlte, der bei dem beabsichtigten Ueberfalle der Gräfin Isabelle von seiten Wilhelms von der Mark wahrscheinlich darauf gerechnet hatte, daß der junge Schotte bei Verteidigung derselben umkommen würde, so hielt er sich doch befugt, das Vertrauen, das Ludwig, wenn auch vielleicht bloß dem Anschein nach, in ihn gesetzt hatte, zu täuschen, und erwiderte daher auf die Vermutung des Grafen Crevecoeur, es habe ihm genügt, zu dem, was er getan habe, von dem ihm vorgesetzten Offiziere Befehl erhalten zu haben, und weiteres Nachforschen sei nicht seine Sache. — »Das ist auch vollkommen hinreichend, «sagte der Graf,»denn wir wissen, daß der König seinen Offizieren nicht gestattet, die Bogenschützen seiner Leibwache als Paladine irrender Damen einher stolzieren zu lassen, ohne daß er irgend einen politischen Zweck damit verbindet. Es wird dem König Ludwig schwer fallen, hinfort noch so dreist zu behaupten, daß er von der Entweichung der Gräfinnen von Croye aus Frankreich nichts wisse, da sie durch einen Bogenschützen von seiner Leibwache begleitet wurden. Und wohin, Herr Bogenschütze, ging denn Euer Weg?«—»Nach Lüttich, Herr Graf, «antwortete der Schotte,»wo die Damen sich unter den Schutz des ehemaligen Bischofs begeben wollten.«—»Des ehemaligen Bischofs?«rief Graf Crevecoeur aus;»ist Ludwig von Bourbon tot? — Nicht ein Wort von seinem Uebelbefinden kam dem Herzog zu Ohren. — Woran starb er?«—»Er schläft in einem blutigen Grabe, Herr Graf, — das heißt, wenn anders seine Mörder seinen irdischen Ueberresten ein Grab vergönnt haben.«—»Seine Mörder!«rief Crevecoeur wieder;»heilige Mutter Gottes! — das ist nicht möglich, junger Mann.«—»Vor meinen Augen geschah die Tat und noch manches Schauderhafte außerdem.«—»Du sahst sie, eiltest aber nicht dem guten Prälaten zu Hilfe?«rief der Graf aus,»setztest nicht das ganze Schloß gegen die Mörder in Bewegung? Weißt Du nicht, daß solche Tat mit ansehen, ohne Widerstand zu leisten, strafbarer Frevel ist?«—»Ehe die Tat geschah, war schon das Schloß von dem blutdürstigen Wilhelm von der Mark mit Hilfe der empörten Lütticher erstürmt, «erwiderte Durward. — »Ich bin wie vom Donner gerührt, «sprach Crevecoeur;»Lüttich im Aufstand! Schönwald genommen! der Bischof ermordet! Unglücksbote! nie hat ein Mann soviele Hiobsposten gebracht! Sprich! wußtest Du um den Sturm, diesen Aufstand, diesen Mord? Du bist einer von Ludwigs vertrauten Bogenschützen, und er ist es, der diesen schmerzlichen Pfeil abgeschossen hat? Sprich, oder ich lasse Dich von wilden Pferden zerreißen!«—»Und würde ich so zerrissen, so würdet Ihr doch nichts aus mir bringen, was einem schottischen Edelmann zu sagen nicht geziemte. Ich weiß von diesen Schändlichkeiten nichts weiter als Ihr und war soweit entfernt, daran teilzunehmen, daß ich mich ihnen vielmehr aufs äußerste widersetzt hätte, hätten meine Mittel nur zum zwanzigsten Teile meinem Willen entsprochen. Aber was war zu tun? Einer gegen Hunderte? Meine einzige Sorge ging also dahin, Gräfin Isabelle zu retten, und dazu half mir mein Glück.«—»Ich glaube Dir, junger Mann, «sprach der Graf,»Du bist weder in dem Alter noch von der Art, daß man Dich zu solch einem blutigen Werke anstellen könnte, wenn Du auch geschickt genug sein magst, der Knappe von Damen zu sein. Aber ach! so mußte dieser wohlwollende edelmütige Prälat an seinem eigenen Herde gemordet werden, wo er so oft den Fremdling mit christlicher Milde und fürstlicher Güte bewirtete, — und das von einem Schurken! einem Ungeheuer! einer Ausgeburt von Blutdurst und Grausamkeit, auferzogen in derselben Halle, in der er seine Hände mit dem Blute seines Wohltäters besudelte! Aber ich müßte Karl von Burgund nicht kennen, ja an der Gerechtigkeit des Himmels verzweifeln, wenn die Rache nicht so grimmig, furchtbar und schnell sein sollte, wie diese Abscheulichkeit beispiellos ist. Wenn auch niemand anders den Mörder verfolgt,«— hier hielt er inne, griff nach seinem Schwert, ließ den Zaum fahren und schlug beide mit Panzerhandschuhen bedeckten Hände auf der Brust übereinander, so daß der Harnisch rasselte, hob sie dann zum Himmel auf, und sprach in feierlichem Tone:»Ich, ich, Philipp Crevecoeur von Cordès, gelobe zu Gott, dem heiligen Lambert und den drei Königen von Köln, daß ich an alle weltlichen Geschäfte nicht eher denken will, bis ich vollkommene Rache an den Mördern des edlen Ludwig von Bourbon genommen habe; möge ich sie finden im Walde oder auf dem Felde, auf Bergen oder in der Ebene, an dem Hofe des Königs oder im Gotteshaus; und darauf verpfände ich Land und Leute, Freund und Vasallen, Leben und Ehre! So wahr mir Gott helfe und der heilige Lambert von Lüttich und die drei Könige von Köln!«— Als Graf Crevecoeur dieses Gelübde abgelegt hatte, schien sein Gemüt einigermaßen von der Last des Kummers und Staunens erleichtert, womit er die Kunde jenes furchtbaren Trauerspiels in Schönwald angehört hatte. Plötzlich richtete er an Durward die Frage, gleich als ob er sich an etwas erinnerte, das seinem Gedächtnisse entfallen, was denn aus Hameline geworden sei und warum sie sich nicht bei ihrer Nichte befinde? — »Nicht, «setzte er verächtlich hinzu,»als ob ich ihre Abwesenheit für einen Verlust für die Gräfin Isabelle hielte; denn wenn sie auch ihre Muhme war und im ganzen es wohl mit ihr meinte, so kann es doch selbst am Hofe von Cocagne im Schlaraffenlande nie eine größere Törin gegeben haben; und ich bin überzeugt, daß ihre Nichte, die ich sonst immer als ein bescheidenes, ordentliches Mädchen gekannt habe, zu der abgeschmackten Torheit, aus Burgund nach Frankreich zu fliehen, nur durch diese abenteuerliche, unbesonnene, alte Heiratsstifterin und Heiratsjägerin verleitet worden ist!«

Mehr besorgt daher, ein Gegenstand des Spottes als des Zornes zu werden, beschränkte Durward, obgleich mit Mühe, seine Antwort auf einen unbestimmten Bericht, daß Gräfin Hameline noch vor dem Angriff auf das Schloß entflohen sei; ein unbestimmtes Gerücht sei ihm freilich zu Ohren gekommen, daß Gräfin Hameline wieder in die Hände Wilhelms von der Mark gefallen sei.

«Ich hoffe zum heiligen Lambert, daß er sie heiraten wird, «sagte Crevecoeur,»was er wahrscheinlich ihrer Geldsäcke wegen tun wird; und ebenso wahrscheinlich ist es, daß er ihr, sobald er die Säcke hat, oder spätestens wenn sie geleert sind, eins vor den Kopf geben wird.«

Am Abend erreichten sie die Stadt Charleroi an der Sambre, wo Graf Crevecoeur Gräfin Isabelle zu verlassen hatte, denn Schrecken und Anstrengung verboten ihr, weiter zu reisen. In einem Zustande großer Erschöpfung übergab er sie der Aebtissin des Zistercienserklosters in Charleroi, auf deren Klugheit und Herzensgüte er vertrauen konnte. Dann setzte er, nachdem er für sich und sein Gefolge frische Pferde besorgt hatte, seinen Weg nach Peronne fort und entschuldigte sich spöttisch bei Quentin Durward, daß er ihn von seiner schönen Gesellschaft trennen müsse, aber dabei hoffe, einem den Damen so ganz ergebenen Knappen werde ein nächtlicher Ritt bei Mondschein ganz angenehm sein. Quentin, ohnehin schon betrübt darüber, daß er sich von Isabelle trennen mußte, hätte diesen Spott gern mit einer zornigen Herausforderung beantwortet; allein überzeugt, daß der stolze Graf nur über seinen Aerger lachen und seine Herausforderung verachten würde, beschloß er eine Gelegenheit abzuwarten, wo er Rache an dem Manne nehmen könnte, der ihm, wenngleich aus ganz andern Gründen, beinahe ebenso verhaßt geworden war, wie der wilde Eber der Ardennen. Er ließ sich daher Crevecoeurs Vorschlag, den er nicht wohl ablehnen konnte, gefallen; und so setzten sie gemeinschaftlich den Weg von Charleroi nach Peronne fort.

Siebentes Kapitel

Quentin hatte den ersten Teil dieses nächtlichen Rittes mit jenem bittern Seelenschmerz zu kämpfen, den Jünglinge empfinden, wenn sie, und wahrscheinlich, auf immer von der Geliebten scheiden müssen. Angespornt durch den Drang des Augenblicks und Crevecoeurs Ungeduld, durcheilten sie die fruchtbaren Ebenen des Hennegaus, geleitet vom Lichte des hellen herbstlichen Mondes, der mit seinen blassen Strahlen reiche und fette Weiden, Waldungen und Kornfelder beleuchtete, von denen die Landleute die Ernte heimbrachten. Als aber die kalte Mitternachtsstunde vorüber war, begannen trotz seines Liebeskummers die ungemeinen Anstrengungen, denen Quentin die beiden vorhergehenden Tage ausgesetzt war, eine Wirkung auf ihn zu äußern, die ihm bisher unbekannt an sich war. Seine Gedanken wurden nach und nach durch die Tätigkeit seiner Sinne, die durch die übermäßige Abspannung erschöpft waren, so wenig in Schranken gehalten, daß die Traumgesichter seiner Einbildungskraft alles, was ihm die geschwächten Organe des Gehörs und Gesichts aufdrangen, verschoben und verwandelten, und er bloß seines wachen Zustandes durch die Anstrengungen inne ward, die er im Gefühl des Gefährlichen seiner Lage gelegentlich machte, um zu verhindern, daß er nicht in einen tiefen, todähnlichen Schlaf versinke. Dann und wann rief ihn ein Bewußtsein der Gefahr, von oder mit seinem Pferde zu stürzen, zu neuer Anstrengung und Lebendigkeit zurück; aber es dauerte nicht lange, so wurden seine Augen wieder durch ineinanderfließende Schatten und Farbenmischungen aller Art verdunkelt, die vom Mond beleuchtete Landschaft schwamm vor seinen Blicken, und er war dermaßen erschöpft, daß Graf Crevecoeur zweien seiner Leute befehlen mußte, Durward zur Seite zu reiten, damit er nicht vom Pferde falle. Als sie endlich die Stadt Landrecy erreicht hatten, gestattete der Graf aus Mitleid mit dem Jüngling, der seit drei Nächten beinahe gar nicht geschlafen hatte, sich und seinem Gefolge einen Aufenthalt von vier Stunden Ruhe und Erholung. Tief und fest war Quentins Schlummer, bis er durch den Schall der Trompete und den Ruf der Furiere und Ouartiersmeister unterbrochen wurde:»Auf! auf! ihr Herren! auf den Weg, auf den Weg!«

So unwillkommen ihm auch anfangs diese Töne waren, so erwachte er doch als ein anderer Mensch an Kraft und Stärke. Vertrauen auf sich selbst und sein Schicksal kehrte mit seinen neugestärkten Lebensgeistern und der aufgehenden Sonne in sein Gemüt zurück. Er dachte nicht mehr an seine Liebe wie an einen eiteln, ausschweifenden Traum, sondern wie an ein hohes, belebendes Prinzip, ein Gefühl, das er in seinem Herzen nähren sollte, wenn er gleich nie hoffen konnte, bei all den Schwierigkeiten und Hindernissen, die ihm drohten, seine Herzensangelegenheit zu einem glücklichen Ziel zu führen. In dieser Stimmung fühlte sich Quentin eher in der Lage, die Scherze des Grafen Crevecoeur hinzunehmen, und wußte ihm so glücklich und mit vieler Ehrerbietung darauf zu antworten, daß der alte Krieger schließlich nicht umhin konnte, in ihm einen netten jungen Mann zu finden, aus dem sich schon noch etwas machen ließe, und ihm ziemlich deutlich zu verstehen gab, daß er es auf sich nehmen wolle, ihm einen ehrenvollen Platz unter den Haustruppen des Herzogs von Burgund zu verschaffen und für sein weiteres Fortkommen zu sorgen.

Obgleich Quentin mit schuldigem Danke diese Gnade für jetzt ablehnte, bis er erst wüßte, inwiefern er sich über seinen bisherigen Gebieter, König Ludwig, zu beklagen habe, blieb er doch in gutem Einvernehmen mit Graf Crevecoeur, und so setzte die kleine Gesellschaft einmütiger als am vergangenen Tage ihren Weg fort, bis sie endlich zwei Meilen von der berühmten und festen Stadt Peronne hielt, in deren Nähe das Heer des Herzogs von Burgund ein Lager bezogen hatte. Ludwig XI. hingegen hatte eine bedeutende Macht bei St. Maxence zusammengezogen, in der Absicht, seinen übermächtigen Vasallen durch eine Schlacht zur Vernunft zu bringen.

Graf Crevecoeur nahte sich nebst seinem Gefolge und seinem Gefangenen gegen drei Uhr nachmittags der Festung, als sie in den angenehmen Schattengängen eines großen, nach Osten sich fast bis an die Festung erstreckenden Waldes zwei vornehmen Männern, wie sich aus ihrem zahlreichen Gefolge schließen ließ, begegneten, die eine in Friedenszeiten damals gewöhnliche Kleidung trugen und, nach den Falken, die sie auf den Händen hatten, wie nach der Anzahl der Wachtel- und Windhunde, die ihnen folgten, zu urteilen, sich auf der Jagd befanden. Als sie aber Crevecoeurs ansichtig wurden, ritten sie ihm sogleich entgegen.»Neuigkeiten, Neuigkeiten, Graf Crevecoeur!«riefen beide zusammen.»Bringt Ihr welche, oder wollt Ihr welche wissen? oder wollt Ihr einen ehrlichen Tausch darauf eingehen?«—»Gern wollte' ich mit euch tauschen, meine Herren, «sagte Crevecoeur, nachdem er höflich gegrüßt hatte,»wenn ich nur wüßte, ob eure Neuigkeiten die meinigen aufwiegen.«

Die beiden Jäger blickten einander lächelnd an, und der größere von ihnen, eine feine stattliche Gestalt, von bräunlicher Gesichtsfarbe, mit einem traurigen Ausdruck, wandte sich an seinen Gefährten und sagte:»Crevecoeur kommt aus dem Lande des Handels und hat alle Kunstbegriffe der Brabanter gelernt; es wird uns schwer werden, einen vorteilhaften Tausch mit ihm zu treffen.«—»Meine Herren, «sagte Crevecoeur,»vor dem Herzog muß ich allerdings zuerst meine Waren auskramen, da der Landesherr seinen Zoll erhebt, ehe der Markt beginnt. Aber sagt mir, sind eure Nachrichten trauriger oder fröhlicher Art?«

Der, an den er sich vorzüglich wandte, war ein kleiner munterer Mann mit lebendigem Auge, dessen Feuer aber durch einen gewissen Zug von Ernst und Nachdenken um den Mund und die Oberlippe gemildert wurde, so daß das Ganze seiner Gesichtsbildung einen Mann verkündigte, der mehr zum Rat als zur Tat geschaffen war, der alles schnell durchschaute und beurteilte, aber mit weiser Bedachtsamkeit seine Entschlüsse faßte und seine Meinung aussprach. Dies war der berühmte Herr von Argenton, mehr bekannt unter den Geschichtsschreibern unter dem ehrwürdigen Namen Philipp des Comines, der damals am Hofe Herzogs Karls des Kühnen sich aufhielt und einer seiner angesehensten Räte war. Er beantwortete Crevecoeurs Frage inbetreff der Beschaffenheit der Neuigkeiten, in deren Besitz er und sein Begleiter, der Freiherr v. Hymbercourt, waren, indem er sagte:»Sie gleichen den Farben des Regenbogens und wechseln in ihrem Schimmer, je nach dem Standpunkte, von dem aus man sie betrachtet; sie stehen zwischen der schwarzen Wolke und dem blauen Himmel; solch ein Regenbogen ist nie in Frankreich oder Flandern seit Noahs Arche gesehen worden.«—»Meine Neuigkeiten, «entgegnete Crevecoeur,»sind, wie ein Komet, düster und furchtbar an sich, und man mag sie als Vorläufer von noch größeren und noch schrecklicheren Nebeln ansehen, die da kommen sollen.«—»Wir müssen unsern Ballen öffnen, «sagte Argenton zu seinem Begleiter,»oder unser Markt wird uns durch Neuankommende verdorben, denn unsere Nachrichten sind eigentlich öffentliches Gut; mit einem Worte, hört und verwundert Euch, König Ludwig ist in Peronne.«—»Wie!«fragte der Graf voll Erstaunen,»hat sich der Herzog ohne eine Schlacht zurückgezogen, und bleibt Ihr hier in Friedenskleidern, während die Stadt von den Franzosen belagert wird? Denn ich kann nicht glauben, daß sie genommen ist.«—»O nein, «versetzte Hymbercourt,»Burgunds Fahnen sind keinen Fuß breit gewichen, und dennoch ist der König Ludwig hier.«—»Nun, so ist offenbar Eduard von England mit seinen Bogenschützen über die See gekommen, «meinte Crevecoeur,»und hat, wie sein Vorfahre, eine zweite Schlacht bei Poitièrs gewonnen.«—»Auch das nicht, «versetzte Argenton, — »kein französisches Banner hat sich sehen lassen, und kein Segel ist von England herübergekommen, wo sich Eduard viel zu sehr mit Londner Bürgersfrauen belustigt, als daß er daran denken sollte, die Rolle des schwarzen Prinzen zu spielen. So vernehmt denn die außerordentliche Neuigkeit! Als Ihr uns verließet, waren, wie Euch bekannt ist, die Unterhandlungen zwischen Frankreich und Burgund ohne allen Anschein einer Wiederaufnahme abgebrochen worden.«—»Ja; und wir träumten von nichts denn Krieg.«—»Was nun erfolgt ist, sieht einem Traume so ähnlich, «versetzte Argenton,»daß ich immer glaube, ich müsse erwachen und es so finden. Es ist kaum einen Tag her, daß sich der Herzog so entschieden gegen allen ferneren Aufschub erklärte, daß beschlossen ward, dem Könige eine förmliche Kriegserklärung zuzusenden und sogleich nach Frankreich zu marschieren; als der französische Herold, Montjoie, in unser Lager einritt. Wir glaubten nicht anders, als daß Ludwig uns mit einer Kriegserklärung zuvorkomme, und fingen schon an zu überlegen, wie der Herzog diejenigen seinen Zorn fühlen lassen würde, die ihm abgeraten hatten, den Krieg zuerst zu erklären. Aber wie groß war unsere Verwunderung, als der Herold uns meldete, daß Ludwig, König von Frankreich, kaum eine Stunde hinter ihm sei und in der Absicht komme, den Herzog mit einem kleinen Gefolge zu besuchen, um die obwaltenden Mißverständnisse in einer persönlichen Zusammenkunft auszugleichen.«

«Ich erstaune, meine Herren, «sagte Crevecoeur,»wieviel weniger, als Ihr vielleicht erwarten möchtet; denn als ich zum letztenmal in Plessis les Tours war, gab mir der in alles eingeweihte Kardinal Balue, aufgebracht gegen seinen Herrn und im Herzen den Burgundern zugetan, einen Wink, daß er Ludwigs schwache Seite benützen wolle, um ihn in eine Stellung gegen Burgund zu bringen, so daß der Herzog die Friedensbedingungen in seiner Hand haben solle. Allein ich hätte es doch nie gedacht, daß ein so alter Fuchs wie Ludwig sich verleiten lassen sollte, in eine solche Falle zu gehen. Was sagte denn der geheime Rat dazu?«—»Wie Ihr leicht denken könnt, «versetzte Hymbercourt,»wurde viel gesprochen von Treu und Glauben, die man halten müsse, und nur wenig von den Vorteilen, die dadurch erreicht werden könnten. Indessen war es klar, daß man größtenteils an das letztere dachte und sich bloß Mühe gab, einen Weg ausfindig zu machen, bei dem man den besten Schein beobachten könne.«—»Und Ihr gingt dem König entgegen?«fragte Graf Crevecoeur.»Es geschehen wirklich Wunder auf Erden! Wer war in seinem Gefolge?«—»Bloß ein paar Dutzend von seiner schottischen Leibwache, «antwortete Hymbercourt;»und ein paar Ritter und Edle seines Hofes, unter denen sein Sterndeuter Galeotti noch die glänzendste Rolle spielte.«—»Dieser Mensch, «versetzte Crevecoeur,»hält es mit dem Kardinal Balue; es sollte mich daher nicht wundern, wenn er auch Anteil daran hätte, daß der König diesen Schritt zweifelhafter Politik tut. Ist kein höherer Adel dabei?«—»Der Herzog von Orleans und Dunois, «erwiderte Argenton. — »Aber man sagte ja, sie wären im Gefängnis?«—»Sie saßen auch beide gefangen im Schlosse von Loches, jenem herrlichen Ruheplätzchen für den französischen Adel, «sagte Hymbercourt;»aber Ludwig hat sie freigelassen, um sie mit hierher zu nehmen, vielleicht weil er Orleans nicht gern zurücklassen wollte. Unter seinen andern Begleitern sind, glaub' ich, sein Gevatter, der Henkermarschall und sein Barbier Oliver, die bedeutendsten Personen. Das Ganze sieht so ärmlich aus, daß der König auf Ehre eher einem alten Wucherer gleicht, der, begleitet von einem Trupp Häscher, schlimme Ausstände eintreiben will.«—»Und wo ist er abgestiegen?«fragte Crevecoeur. — »Ja, das ist, «erwiderte Argenton,»noch das Wunderbarste von allem. Unser Herzog erbot sich, ein Stadttor und eine Schiffbrücke über die Somme mit seiner schottischen Wache besetzen zu lassen, Ludwig selbst aber das daranstoßende Haus, das einem reichen Bürger, Giles Orthen, gehört, zur Wohnung anzuweisen. Als indes der König sich dahin begeben wollte, bemerkte er die Paniere von de Lau und Pencil de Rivière, die er aus Frankreich verbannt hatte, und erschreckt, wie es schien, durch den Gedanken, Flüchtlingen und Unzufriedenen aus seinen eigenen Landen so nahe zu sein, verlangte er, im Schlosse von Peronne selbst einquartiert zu werden, und dort hat er nun jetzt seinen Aufenthalt.«—»Nun wahrhaftig!«rief Crevecoeur aus,»das heißt nicht allein sich in des Löwen Höhle wagen, sondern ihm noch den Kopf in den Rachen stecken. Freunde, edle Ritter, reitet dicht zu mir heran: und wenn ich nun Euch erzähle, was sich im Bistum Lüttich zugetragen hat, so werdet Ihr mit mir der Meinung sein, daß König Ludwig ebensogut eine Wallfahrt nach der Unterwelt hätte anstellen können, als diesen unzeitigen Besuch in Peronne zu machen.«

Die beiden Edelleute ritten dicht zu dem Grafen heran und hörten nun mit tiefster Verwunderung und Teilnahme seine Erzählung der Vorgänge in Lüttich und Schönwald an.

Achtes Kapitel

Karl von Burgund, der ungestümste, ungeduldigste, ja der unbesonnenste Fürst seiner Zeit, fühlte sich gleichwohl innerhalb des magischen Kreises gebannt, den die tiefste Ehrerbietung gegen Ludwig, als seinen Souverän und Oberlehnsherrn, um ihn zog, da dieser ihm, seinem Kronvasallen, die ausgezeichnete Ehre eines persönlichen Besuchs erwiesen hatte. Eingehüllt in seinen herzoglichen Mantel und begleitet von den vornehmsten Rittern und Beamten seines Hofes, war er in glänzendem Zuge Ludwig XI. entgegengeritten. Sein Gefolge strotzte von Gold und Silber; denn während der Reichtum des englischen Hofes durch die Kriege zwischen York und Lancaster erschöpft war und die Sparsamkeit des Beherrschers von Frankreich alle Ausgaben gar sehr beschränkte, war der Hof von Burgund damals der prachtvollste in ganz Europa. Ludwigs Gefolge war dagegen sehr klein und von verhältnismäßig ärmlichem Aussehen. Die Erscheinung des Königs selbst in seinem abgetragenen Kleide, mit dem simplen, von Heiligenbildern eingefaßten Hute, bildete einen umso auffallenderen Kontrast. Als nun der Herzog mit Krone und Staatsmantel sich von seinem prächtigen Streitrosse schwang und, auf ein Knie sich niederlassend, den Steigbügel halten wollte, indes Ludwig von seinem kleinen Zelter sprang, grenzte die Wirkung, die das Ganze hervorbrachte, fast ans Groteske.

Die gegenseitige Bewillkommnung der beiden Herrscher war, wie es sich von selbst versteht, ebenso voll von angenommenem Wohlwollen, als ihr alle Aufrichtigkeit abging. Die Gemütsart des Herzogs machte es diesem schwer, in Stimme, Rede und Benehmen den nötigen äußern Anstand zu beobachten, während bei dem Könige jede Art von Verstellung und Heuchelei so sehr in seiner Natur zu liegen schien, daß auch die, welche ihn am genauesten kannten, Schein und Wahrheit nicht unterscheiden konnten.

An der unsicheren Stimme, dem gezwungenen Benehmen und den abgebrochenen Gebärden des Herzogs mochte der König wohl gewahren, daß er ein bedenkliches Spiel spiele, und bereute es wahrscheinlich mehr als einmal, auf diesen Gedanken gekommen zu sein; allein die Reue kam zu spät, und alles, was ihm übrig blieb, war jene unnachahmliche Gewandtheit im Benehmen, die vielleicht nie jemand im höheren Grade besaß, als er. Sein Benehmen gegen den Herzog war von der Art, daß es der Ueberwallung eines wohlwollenden Herzens im Augenblicke aufrichtiger Versöhnung mit einem wertgehaltenen, aber von Prüfungen heimgesuchten Freunde glich, von dem er durch Umstände, die ebenso bald vergessen als hinweggeräumt worden, entfremdet worden war. Er machte sich selbst Vorwürfe, daß er nicht früher schon diesen entscheidenden Schritt getan und seinen guten, lieben Vetter durch einen solchen Beweis des Vertrauens, wie er ihm jetzt gebe, überzeugt habe, daß die Mißhelligkeiten, die zwischen ihnen stattgefunden, in seiner Erinnerung nichts wären im Vergleich mit der Liebe, die er, während seiner Verbannung aus Frankreich und mit der Ungnade seines königlichen Vaters belastet, von ihm und seinem Vater, dem» guten «Herzog Philipp, empfangen habe. Die Gesichtszüge des Herzogs von Burgund waren von Natur rauh und streng; und als er versuchte, zu lächeln, zum Beweise, daß er glaube, was der König erzähle, so war die Gebärde, die er machte, wahrhaft teuflisch zu nennen.»O, Du Erzheuchler, «sprach er bei sich selbst,»ich wollte, ich könnte Dir schicklicherweise zu Gemüte führen, wie Du alle die Wohltaten unseres Hauses vergolten hast!«—»Wenn aber auch, «fuhr der König fort,»die Bande der Blutsfreundschaft und der Dankbarkeit nicht hinreichend wären, uns aneinander zu knüpfen, lieber Vetter, so haben wir noch die der geistlichen Verwandtschaft; denn ich bin der Pate Eurer schönen Tochter Maria, die mir so teuer ist, als eins meiner eigenen Mädchen; und als die Heiligen — (gebenedeiet sei ihr Name!) — mir einen kleinen Sprößling schenkten, der innerhalb dreier Monate wieder verwelkte, da war es Euer fürstlicher Vater, der ihn zur Taufe hielt, und die Feierlichkeit mit größerer, stolzerer Pracht beging, als es in Paris selbst hätte geschehen können. Nie werde ich den tiefen, unauslöschlichen Eindruck vergessen, den die Großmut Herzog Philipps, sowie die Eurige, mein teuerster Vetter, auf das halbgebrochene Herz eines armen Verbannten machte.«—»Ew. Majestät, «entgegnete der Herzog, indem er sich zwang, etwas zu erwidern,»erkennt diese geringe Verbindlichkeit in Ausdrücken an, welche alles, was Burgund tun konnte, um sich für die Ehre erkenntlich zu zeigen, die Ihr seinem Beherrscher bewieset, weit übertreffen.«—»Ich entsinne mich wohl der Worte, die Ihr meint, guter Vetter, «sagte der König lächelnd,»ich denke, sie lauteten also: Daß ich zur Vergeltung der mir an diesem Tage erwiesenen Wohltaten, als ein armer Wandersmann, nichts anzubieten hätte, als mich selbst, mein Weib und mein Kind. Nun, ich denke, ich habe mein Pfand ziemlich gut eingelöst.«—»Ich will, was Ew. Majestät zu behaupten geruht, nicht in Abrede ziehen, «versetzte der Herzog,»aber — «—»Aber Ihr fragt, «unterbrach ihn der König,»wie denn meine Handlungen mit meinen Worten übereingestimmt, haben? — Offenbar so: Die Gebeine meines Kindes Joachim ruhen in burgundischer Erde — meine eigene Person habe ich heute morgen unbedingt in Eure Gewalt gegeben, — und was meine Gemahlin betrifft, so denke ich, lieber Vetter, Ihr werdet in Betracht der vielen indessen verflossenen Jahre nicht so streng darauf bestehen, daß ich auch in diesem Punkte mein Wort halten soll. Sie ist an Maria Verkündigung«(hier bekreuzte er sich und murmelte ein Gebet,»fünfzig Jahre alt, allein befindet sich nicht weiter von hier als Rheims, und wenn Ihr auf der buchstäblichen Erfüllung meines Wortes besteht, so soll auch sie Euch hier unverweilt ihre Aufwartung machen. «So ergrimmt auch der Herzog von Burgund darüber war, daß der König auf solch schamlose Weise einen Ton der Freundschaft und Vertraulichkeit gegen ihn annahm, so konnte er sich doch über diese sonderbare Aeußerung des Königs des Lachens nicht wehren, und sein Lachen war ebenso schneidend, als die abgebrochenen, leidenschaftlichen Laute, in denen er oft zu sprechen pflegte. Nachdem er länger und lauter gelacht, als es damals oder jetzt für Zeit und Ort schicklich erachtet werden mochte, antwortete er in demselben Tone, indem er geradezu die Ehre des Besuchs der Königin ablehnte und dagegen erklärte, daß er sich den der ältesten Tochter des Königs (sie war wegen ihrer Schönheit weit und breit berühmt) gern würde gefallen lassen.

«Ich bin erfreut, lieber Vetter, «sagte der König mit jenem zweideutigen Lächeln, das man sehr oft an ihm bemerkte,»daß Euer Wohlgefallen nicht meine jüngere Tochter Johanna sich ausersehen hat; denn in diesem Falle hättet Ihr mit meinem Vetter Orleans eine Lanze zu brechen gehabt, und wäre ein Unglück daraus entstanden, so müßt ich auf der einen oder andern Seite einen wohlwollenden Freund und geliebten Verwandten verlieren.«—»Nein! nein! mein königlicher Herr, «sprach Herzog Karl,»der Herzog von Orleans soll von meiner Seite keine Hindernisse auf dem Wege finden, den er par amour eingeschlagen hat. Wenn ich je eine Lanze mit Orleans brechen soll, so muß es in einer schöneren und geraderen Sache geschehen.«

Ludwig war weit entfernt, diese rohe Anspielung auf die Mißgestalt und Häßlichkeit der Prinzessin Johanna übel zu nehmen; es machte ihm im Gegenteil Vergnügen, daß der Herzog an solch derben Späßen Gefallen fand, in denen er selbst Meister war. Er bemühte sich, die Unterhaltung in einem solchen Tone zu führen, daß Karl, obgleich er sich unfähig fühlte, die Rolle eines versöhnten Freundes gegen einen Monarchen zu spielen, der ihm schon soviel Uebles zugefügt hatte, es nicht schwer fand, den herzlichen Wirt gegen einen witzigen Gast zu spielen. So wurde denn der Mangel wechselseitiger, aufrichtiger Zuneigung und Liebe durch den beiden sympatischen Ton eines vertraulichen Gesprächs zwischen zwei lustigen Zechbrüdern ersetzt. Glücklicherweise waren beide Fürsten imstande, während eines Banketts auf dem Stadthause zu Peronne den nämlichen Ton der Unterhaltung beizubehalten, wobei sie sich wie auf neutralem Boden begegneten. Indessen bemerkte Ludwig doch mit großer Unruhe, daß der Herzog mehrere jener vornehmen, französischen Edelleute, die seine eigene Strenge oder Ungerechtigkeit aus Frankreich vertrieben hatte, in ansehnlichen und wichtigen Aemtern um sich hatte; und es geschah bloß, um sich vor den möglichen Folgen ihres Unwillens und ihrer Rache zu sichern, daß er, wie schon bemerkt worden, sich ausbat, in dem Schlosse oder der Zitadelle von Peronne und nicht in der Stadt wohnen zu dürfen, worein der Herzog ohne Bedenken willigte.

Als aber der König behutsam die Frage stellte, ob die schottischen Bogenschützen seiner Leibwache während seines Aufenthalts in dem Schlosse zu Peronne, statt des Stadttores, wie der Herzog selbst, angeboten hatte, das Schloß bewachen könnten, versetzte Karl in seinem gewohnten ernsten Tone und auf die absprechende Weise, die noch beunruhigender wurde durch seine Gewohnheit, während des Sprechens entweder seinen Knebelbart zu streichen oder mit seinem Schwerte und Dolche zu spielen:»Heiliger Martin! nein, mein Lehnsherr, das geht nicht an, Ihr seid im Lager und in der Stadt Euers Vasallen — so nennen mich die Leute in Beziehung auf Ew. Majestät — mein Schloß, meine Stadt und meine Leute sind Euer; es ist also gleichgültig, ob sie oder Eure schottischen Bogenschützen das Stadttor oder die Verteidigungswerke des Schlosses bewachen.

— Nein, beim heiligen Georg! Peronne ist eine jungfräuliche Festung und soll ihren Ruf nicht durch eine Nachlässigkeit von meiner Seite verlieren. Man muß auf Jungfrauen ein wachsames Auge haben, mein königlicher Vetter, wenn sie anders ihren guten Ruf behalten sollen.«—»Ganz richtig, guter Vetter, darin bin ich völlig Eurer Meinung, «sagte der König,»da mich der gute Ruf der kleinen Stadt noch näher angeht als Euch — denn Peronne ist, wie Ihr wißt, lieber Vetter, eine der Städte an der Somme, die Eurem Vater, seligen Andenkens, für ein Darlehen verpfändet wurde, und kann mithin wieder eingelöst werden; und um offen mit Euch zu reden, lieber Vetter, ich komme wie ein ehrlicher Schuldner, geneigt, meine Verbindlichkeit jeder Art zu erfüllen, und habe zu dem Ende einige Maultiere mit Silber zur Einlösung mitgebracht — es wird wahrscheinlich hinreichend sein, Euren fürstlichen und königlichen Haushalt, mein guter Vetter, auf mehr denn drei Jahre zu unterhalten.«—»Nicht einen Pfennig nehm' ich davon an, «entgegnete der Herzog, seinen Knebelbart streichend,»der Tag der Einlösung ist verstrichen, mein königlicher Vetter; auch war es wohl nie ernstlich die Absicht, das dieses Recht ausgeübt werden sollte; denn diese Städte waren die einzige Entschädigung, die mein Vater dafür empfing, daß er sich in einer für Frankreich glücklichen Stunde gefallen ließ, die Ermordung meines Großvaters zu vergessen, statt mit England sich mit Eurem Vater zu verbinden. Heiliger Georg! Hatte er das nicht getan, so würde Ew. Majestät selbst, weit entfernt, Städte an der Somme zu besitzen, kaum noch die jenseits der Loire haben behaupten können. Nein, nein! — keinen Stein davon werde ich zurückgeben, und sollte mir auch jeder davon mit Gold aufgewogen werden.«

«Gut, lieber Vetter, «antwortete der König in demselben ruhigen und sanften Tone wie zuvor, und ohne durch die lauten, heftigen Aeußerungen des Herzogs beunruhigt zu werden;»ich sehe, Ihr seid ein so guter Freund von Frankreich, daß Ihr Euch nur ungern von etwas ihm angehörigen trennen mögt; allein wir werden eines Vermittlers in dieser Angelegenheit bedürfen, wenn wir sie im Staatsrate verhandeln wollen. Was sagt Ihr zu St. Paul?«—»Weder St. Paul noch St. Peter, noch irgend ein Heiliger in dem Kalender, «versetzte der Herzog von Burgund,»soll mich aus dem Besitz von Peronne herauspredigen.«—»Nein, Ihr versteht mich falsch, «sprach König Ludwig lächelnd;»ich meine Ludwig von Luxemburg, unsern treuen Connetable, den Grafen von St. Paul. Ach, heilige Maria von Embrun! wir bedürfen bloß seines Kopfes bei unserer Konferenz! Der ist der beste Kopf in Frankreich und würde zur Herstellung vollkommener Einigkeit zwischen uns sehr viel beitragen können.«—»Beim heiligen Georg von Burgund!«sagte der Herzog.»Ich wundere mich, Ew. Majestät so von einem Manne reden zu hören, der sich sowohl an Frankreich als Burgund falsch und treulos bewiesen, einem Manne, der stets bemüht war, unsere häufigen Mißhelligkeiten zur Flamme anzufachen und zwar in der Absicht, sich das Ansehen eines Vermittlers zu geben. Aber ich schwöre es bei dem Orden, den ich trage, daß seine Sümpfe ihn nicht länger schützen sollen.«—»Nicht so hitzig, Vetter, «sagte der König lächelnd und mit halblauter Stimme,»wenn ich den Kopf des Connetable wünschte, als ein Mittel, unsere unbedeutenden Zwistigkeiten auszugleichen, so erstreckte sich dieser Wunsch nicht auf seinen Leib; der könnte füglich in St. Quentin bleiben.«—»Ho! ho! jetzt verstehe ich Euch, mein königlicher Vetter, «sagte Karl mit demselben mißtönenden Lachen, das ihm einige von des Königs derben Späßen abgenötigt hatten.»Ich gestehe, «fügte er hinzu, indem er mit der Ferse auf den Boden stampfte,»in diesem Sinne möchte der Kopf des Connetable zu Peronne recht nützlich sein!«

Diese und andere Gespräche, in denen der König Winke über ernsthafte Angelegenheiten unter scherzhafte und unterhaltende Reden zu mischen wußte, folgten nicht ununterbrochen aufeinander, sondern sie wurden während des Banketts auf dem Stadthause und während einer Zusammenkunft in des Herzogs Zimmer geführt, sowie die Gelegenheit sie gerade zur Sprache brachte. So unbesonnen sich aber auch Ludwig in eine Lage versetzt hatte, die des Herzogs ungestüme Gemütsart und die zwischen beiden herrschende eingewurzelte Feindschaft bedenklich und gefahrvoll machte, so benahm sich vielleicht noch nie ein Steuermann an einer unbekannten Küste mit größerer Klugheit und Festigkeit. Mit der größten Gewandtheit und Bestimmtheit schien er die Tiefen und Untiefen in dem Charakter und der Gemütsart seines Nebenbuhlers zu sondieren, und er legte weder Zweifel noch Furcht an den Tag, wenn ihn seine Beobachtungen nur unter der Wasserfläche versunkene Felsen und gefährliche Klippen statt Ankergrund entdecken ließen.

So endete ein Tag, der für Ludwig wegen der unausgesetzten Anstrengung, Wachsamkeit und Aufmerksamkeit, die seine Lage erforderte, ebenso ermüdend gewesen sein mußte, wie für den Herzog, der sich genötigt sah, die heftigen Empfindungen zu unterdrücken, denen er gewöhnlich freien Lauf ließ. Der letztere hatte kaum nach einem förmlichen Abschied sich für diese Nacht von dem Könige beurlaubt und in sein eigenes Gemach zurückgezogen, als er seinen lange unterdrückten Leidenschaften gründlich Luft machte und, wie sein Hofnarr, le Glorieux, sagte, manche Flüche und manches schimpfliche Beiwort diese Nacht Leuten an den Kopf warf, für die sie nicht gemünzt waren. Diese Späße hatten indes die Wirkung, den Zorn des Herzogs zu besänftigen. Er lachte laut, warf dem Narren ein Goldstück hin, ließ sich ruhig entkleiden, leerte einen großen Becher gewürzten Weins, ging zu Bette und fiel in einen festen Schlaf.

Ludwig wurde durch die Kämmerlinge des Herzogs nach der von ihm selbst gewählten Wohnung im Schlosse Peronne geführt und am Eingänge derselben von einer starken Wache von Bogenschützen und andrer Bewaffneten empfangen. Als er vom Pferde stieg, um auf einer Zugbrücke über einen Graben von ungewöhnlicher Breite und Tiefe zu gehen, sah er die Schildwachen an und äußerte zu Argenton, der ihn mit andern burgundischen Edeln begleitete:»Sie tragen Andreaskreuze, aber nicht die meiner schottischen Bogenschützen.«—»Ihr werdet sie ebenso bereit finden, in Eurer Verteidigung das Leben zu lassen, Sire, «sagte Argenton, dessen feines Ohr in dem Tone der Rede des Königs den Ausdruck eines Gefühls entdeckte, den Ludwig gewiß nur ungern hatte merken lassen.»Sie tragen Andreaskreuze als Zubehör zu der Kette vom goldenen Vließe, dem Orden meines Herrn, des Herzogs von Burgund.«—»Nun, das weiß ich!«sagte Ludwig, auf die Ordenskette zeigend, die er selbst aus Artigkeit gegen seinen Wirt trug;»es ist eines von den teuren Banden der Brüderlichkeit, die zwischen mir und meinem geliebten Bruder bestehen. Wir sind nämlich Brüder im Rittertume, wie in geistlicher Verwandtschaft, Vettern durch Geburt, und Freunde durch jedes Band wohlwollender Gefühle und guter Nachbarschaft. Nicht weiter, als bis in den Vorhof, meine edeln Herren! Ich kann Eure Begleitung nicht weiter annehmen, Ihr habt mir Ehre genug erwiesen.«—»Wir sind vom Herzog beauftragt, «sagte Hymbercourt,»Ew. Majestät nach Eurer Wohnung zu begleiten. Wir hoffen, Ew. Majestät werde uns erlauben, unseres Gebieters Befehle zu vollziehen.«—»In dieser unwichtigen Angelegenheit, «entgegnete der König,»werdet Ihr, unbeschadet Eurer Untertanenpflicht, zugeben, daß mein Befehl den seinigen überwiegt. Ich fühle mich etwas unwohl, meine Herren. Große Freude hat ihre Beschwerden, wie großes Leiden. Morgen, hoff ich, eure Gesellschaft besser genießen zu können, insbesondere die Eurige, Herr Philipp von Argenton. Ihr seid, wie man mir sagte, der Annalist unserer Zeiten. Wir, die wir einen Namen in der Geschichte zu haben wünschen, müssen Euch also gute Worte geben; denn man sagt, Eure Feder habe mitunter eine scharfe Spitze. Gute Nacht denn, meine Herren und Ritter, euch allen samt und sonders!«

Die burgundischen Edelleute entfernten sich, erfreut über das leutselige Benehmen Ludwigs. Der König blieb nun allein mit einigen persönlichen Begleitern unter dem Bogengänge des Vorhofes zum Schlosse von Peronne und blickte empor zu dem ungeheuren Turme, der eine der Ecken des Gebäudes einnahm und zum Hauptverließe des Platzes diente. Dieses hohe, düstere und schwerfällige Gebäude hatte Mauern von furchtbarer Dicke, die Fenster waren klein und mit Eisengittern versehen, und die ungeheure plumpe Masse warf einen düstern starken Schatten über den ganzen Hofraum hin.»Da soll ich doch nicht wohnen?«sagte der König mit einem Schauder, der etwas Ahnungsvolles hatte. — »Nein!«erwiderte der grauköpfige Seneschall, der ihn mit entblößtem Haupte begleitete,»Gott behüte, Ew. Majestät Gemächer sind in den niedlichen Gebäuden dicht daneben hergerichtet. Es sind dieselben, wo König Johann zwei Nächte vor der Schlacht von Poitiers schlief.«—»Hm, das ist eben keine glückliche Vorbedeutung!«murmelte der König vor sich hin,»aber was hat es denn mit dem Turme für eine Bewandtnis, alter Freund? Warum bittet Ihr den Himmel, daß ich hier nicht wohnen möge?«—»Je nun, gnädiger Herr, «erwiderte der Seneschall,»ich weiß eigentlich nichts Böses von dem Turme zu sagen; nur versichern die Schildwachen, man sehe darin nachts Licht und höre ein sonderbares Geräusch. Der Grund davon ließe sich wohl erklären, denn er diente vor Zeiten zu einem Staatsgefängnisse, und es laufen allerlei Sagen umher, die darin vorgefallen sind.«

Ludwig mochte nicht weiter fragen, denn niemand hatte stärkere Ursache als er, die Geheimnisse eines Gefängnisses zu achten. An der Tür der zu seinem Gebrauche bestimmten Gemächer, die, wenngleich neuer als der Turm, immer noch alt und düster genug waren, stand ein kleiner Posten seiner eignen Leibwache, ihren alten treuen Befehlshaber an der Spitze.

«Crawford!«sprach der König,»wo hast Du denn heute verweilt? Sind die edlen Herren von Burgund so ungastlich, daß sie einen der wackersten und edelsten Ritter, die jemals einen Hof betraten, so sehr vernachlässigen konnten? Ich sah Euch ja nicht bei dem Bankett.«

«Ich vermied es absichtlich, mein Gebieter, «sagte Crawford.»Es gab eine Zeit, wo ich es wagen durfte, mit dem besten Manne von Burgund um die Wette zu zechen, aber jetzt steigen mir schon vier Pinten zu Kopfe, und ich glaube, Ew. Majestät Dienste erfordern es, daß ich meinen Leuten ein Beispiel gebe.«—»Du bist immer sehr vorsichtig, «sagte der König.»Hier hast Du jedoch nicht viel zu tun, da Du nur so wenige Leute zu befehligen hast, und dann sind wir doch hier, um zu feiern, nicht aber zu kämpfen.«—»Je weniger Leute ich zu befehligen habe, «entgegnete Crawford,»desto mehr hab' ich es nötig, die Burschen in gehöriger Ordnung zu erhalten, und ob dies alles am Ende auf Festlichkeiten oder auf ernsthaften Kampf hinauslaufen wird, das weiß Gott und Ew. Majestät besser als der alte Johann Crawford.«—»Ihr fürchtet doch nicht etwa Gefahr?«fragte der König hastig, aber leise. — »Das eben nicht, «antwortete Crawford,»aber ich wollte, ich tät's; denn gegen Gefahren, die man ahnt, kann man sich schützen. Die Parole für die Nacht, wenn Ew. Majestät geruhen wollen.«—»Burgund! zur Ehre unseres Wirtes und eines Trunks, dem Ihr nicht abhold seid, Crawford!«—»Ich habe weder gegen den Herzog noch gegen seinen Wein was einzuwenden, «sagte Crawford,»vorausgesetzt, daß beide echt und rein sind. Ich wünsche Ew. Majestät eine gute Nacht.«—»Gute Nacht, mein ehrlicher Schotte, «sagte der König und begab sich in seine Gemächer. An der Tür seines Schlafzimmers stand Balafré Schildwache.»Folgt mir, «sagte der König im Vorübergehen, und der Bogenschütze schritt gleich einer Maschine, die der Künstler in Bewegung setzt, hinter ihm in das Zimmer und harrte dort schweigend und bewegungslos der Befehle des Königs.

«Habt Ihr von dem irrenden Paladin, Eurem Neffen, etwas gehört?«fragte der König,»er ist uns verloren gegangen, seitdem er uns wie ein junger Ritter, der auf sein erstes Abenteuer auszieht, zwei Gefangene als die ersten Früchte seiner Ritterlichkeit heimgesandt hat.«—»Ich hörte etwas von der Sache, gnädigster Herr, «sprach Balafré,»und Ew. Majestät wird hoffentlich überzeugt sein, daß, wenn er unrecht gehandelt hat, meine Gebote und Beispiel auf keine Weise daran schuld sind; denn ich bin nie ein so kühner Esel gewesen, irgend ein Mitglied Eures erlauchten Hauses vom Pferde zu stechen; da kannte ich meine Verhältnisse besser — und — «

«Schweigt über diesen Punkt, «versetzte der König;»Euer Neffe hat in der Sache seine Schuldigkeit getan.«—»Das hat er von mir, «fuhr Balafré fort.»Quentin, sagte ich zu ihm, wie es auch kommen mag, bedenke, daß Du zu der schottischen Schützenwache gehörst, und tue Deine Schuldigkeit, es komme, wie es wolle.«—»Ich zweifle nicht, daß er an Euch einen trefflichen Lehrmeister gehabt haben wird, «sprach Ludwig;»aber jetzt beantwortet mir vor allen Dingen meine Frage. Habt Ihr kürzlich von Eurem Neffen etwas gehört? Tretet zurück, meine Herren, «fügte er, an seine Hofleute sich wendend, hinzu,»denn dies gehört nur für meine Ohren.«—»Allerdings, wenn Ew. Majestät zu Gnaden halten wollen, «erwiderte Balafré,»erst diesen Abend noch sprach ich den Reitknecht Charlot, den mein Neffe von Lüttich oder einem nahe dabei gelegenen Schlosse des Bischofs absandte, wohin er die Gräfinnen von Croye in Sicherheit gebracht hatte.«

«Nun, unsere liebe Frau sei dafür gepriesen!«rief der König aus;»bist Du aber auch Deiner Sache gewiß? Sind diese guten Nachrichten auch zuverlässig?«—»So sicher wie nur irgend etwas in der Welt!«sprach Balafré»der Bursche hat, denk' ich, von den Gräfinnen Briefe an Ew. Majestät.«—»Hol' mir sie eilig herbei, «sagte der König.»Gib Dein Gewehr einem von diesen Leuten da, Oliver, oder einem andern. Nun, unsere liebe Frau von Embrun sei gepriesen und der Schrein um ihren Hochaltar soll ganz von Silber werden!«

In dieser Anwandlung von Dankbarkeit und Frömmigkeit nahm Ludwig wie gewöhnlich den Hut ab, wählte aus den Bilderchen, womit dieser besetzt war, sein Lieblingsbild, die heilige Jungfrau, stellte es auf einen Tisch, kniete nieder und wiederholte ehrfurchtsvoll das soeben getane Gelübde.

Der Reitknecht, der erste Bote, den Durward von Schönwald abgesandt hatte, wurde nun mit den Briefen hereingeführt, die von den Damen von Croye an den König gerichtet waren. Sie dankten ihm darin in ziemlich kalten Ausdrücken für die Artigkeit, die er ihnen bewiesen hatte, und etwas wärmer für die Erlaubnis, in Sicherheit sein Gebiet wieder verlassen zu dürfen; — Ausdrücke, über die Ludwig herzlich lachte, statt darüber in Zorn zu geraten. Er fragte darauf Charlot mit sichtbarer Teilnahme, ob sie auf ihrer Reise nicht beunruhigt oder angegriffen worden seien. Charlot, ein einfältiger Mensch, und eben deswegen vom Könige hierzu ausersehen, gab einen sehr verwirrten Bericht über den Kampf, worin sein Gefährte, der Gaskogner, getötet worden war; weiter wußte er nichts. Ludwig fragte ihn nun genau und umständlich über den Weg, den die Reisegesellschaft nach Lüttich genommen, und schien sehr vielen Anteil zu nehmen, als er erfuhr, daß sie in der Nähe von Namur die gerade Straße nach Lüttich am rechten Ufer der Maas, statt auf dem linken, wie ihnen vorgeschrieben war, eingeschlagen hätten. Der König ließ sodann dem Boten ein kleines Geschenk geben und entließ ihn, indem er sich stellte, als habe seine ängstliche Besorgnis bloß die Sicherheit der Gräfinnen von Croye zum Gegenstände gehabt.

Ludwig atmete tief auf, wie jemand, dessen Brust von einer schweren Last befreit ist, murmelte mit frommer Miene inbrünstig Dankgebete, schlug die Augen gen Himmel und entwarf in Eile neue ehrsüchtige Pläne. Dann ließ er seinen Sterndeuter Martius Galeotti rufen, der mit seiner gewöhnlichen, würdevollen Miene, jedoch nicht ohne eine gewisse Aengstlichkeit auf seinem Gesichte, als habe er sich keines ganz guten Empfanges von seiten des Königs zu versehen, in das Gemach trat. Ludwig war indes sehr gnädig, ja benahm sich wärmer als je, nannte ihn seinen Freund und väterlichen Lehrer und schob ihm zu guter Letzt einen Ring von beträchtlichem Werte an den Finger. Galeotti, unkundig der Tatsachen, die ihn so schnell in Ludwigs Achtung gehoben hatten, verstand sein Gewerbe jedoch zu gut, als daß er diese Ungewißheit hätte merken lassen. Er nahm mit würdevoller Bescheidenheit die Lobsprüche Ludwigs an, die, wie er sagte, einzig nur dem Adel der Wissenschaft, die er ausübe, gebührten, einer Wissenschaft, die umso mehr Bewunderung verdiene, da sie durch ein so schwaches Werkzeug, wie er, solche Wunder wirke. Hierauf trennte sich der König von ihm, und beide waren diesmal sehr miteinander zufrieden.

Kaum war der Astrolog fort, als sich Ludwig in einen Sessel warf. Er schien sehr erschöpft und entlieh seine übrige Dienerschaft, Oliver ausgenommen, der mit dienstfertiger Geschäftigkeit und geräuschlosem Tritte umherschlich und ihm bei den Vorbereitungen zur Nachtruhe behilflich war. Der König war gegen seine Gewohnheit so still und untätig, daß seinem Diener diese ungewöhnliche Veränderung in seinem Benehmen höchst auffallend war. Die schlechtesten Menschen haben oft eine gute Seite; Banditen sind ihrem Hauptmann treu ergeben, und auch ein Beschützer und beförderter Günstling hat mitunter einen Funken wahrhafter Teilnahme für den Fürsten empfunden, dem er seine Größe verdankt. Oliver le Diable war indessen kein so vollkommener Satan, daß er nicht die Anwandlung von Dankbarkeit gegen seinen Herrn in dieser besonderen Lage gefühlt hätte, wo, wie es schien, sein Schicksal eine sehr bedeutende Wendung nahm, und seine Kraft derselben zu unterliegen schien. Nachdem er eine kurze Zeit bei dem Könige seine gewöhnlichen Dienste als Kammerdiener verrichtet hatte, fühlte er sich endlich versucht, mit der Freimütigkeit, die ihm die Nachsicht seines Gebieters unter ähnlichen Umständen gestattete, zu sagen:»Sapperment, Sire, Ihr tut ja, als ob Ihr eine Schlacht verloren hättet, und dennoch sah ich Euch nie ein Schlachtfeld so tapfer behaupten wie heute früh.«—»Ein Schlachtfeld?«rief Ludwig, aufblickend, mit seiner gewohnten beißenden Schärfe im Tone.»Freund Oliver, sage lieber, ich habe in einem Stiergefechte den Kampfplatz behauptet; denn ein blinderes, verstockteres, unlenksameres Tier als unsern Vetter von Burgund hat es wohl noch nie gegeben. Nun, sei es! ich bin ihm tüchtig zu Leibe gegangen Aber, Oliver, freue Dich mit mir, daß meine Pläne in Flandern nicht in Erfüllung gegangen sind, weder in Beziehung auf die zwei umherirrenden Prinzessinnen von Croye, noch auch in Lüttich — Du verstehst mich schon.«—»In Wahrheit, ich verstehe Euch nicht, Sire, «versetzte Oliver;»ich kann Ew. Majestät unmöglich zum Mißlingen Eurer Lieblingspläne Glück wünschen, wenn Ihr mir nicht einen Grund für die Veränderung Eurer Wünsche und Ansichten angebt.«—»Nun, «erwiderte der König,»im allgemeinen betrachtet, ist weder in diesen noch in jenen eine Veränderung vorgegangen; aber, mein Freund! heute habe ich den Herzog Karl näher kennen gelernt, als ich ihn bisher kannte. Als er noch Graf von Charleroi war, zur Zeit des alten Philipps, seines Vaters und meiner Verbannung, da tranken, jagten, schwärmten wir zusammen und hatten manches lustige Abenteuer; damals hatte ich ein entschiedenes Uebergewicht über ihn, wie es immer der stärkere Geist über den schwächeren behauptet, aber er hat sich seit der Zeit bedeutend geändert — ist ein sauertöpfischer, anmaßender, streitsüchtiger Mensch geworden, der den sichtlichen Hang hat, alles aufs äußerste zu treiben, wenn er das Spiel in den Händen zu haben glaubt. Ich mußte so behutsam jeden mißfälligen Gegenstand zu vermeiden suchen, als ob ich ein glühendes Eisen zu berühren hätte; ich ließ nur einen Wink über die Möglichkeit fallen, daß diese irrenden Gräfinnen von Croye, ehe sie Lüttich erreichten (denn dorthin gestand ich offen, wären sie nach meinem besten Wissen gegangen), in die Hände irgend eines wilden Schnapphahns auf der Grenze gefallen sein könnten, und man hätte glauben sollen, ich hätte eine Gotteslästerung ausgestoßen, so wild wurde er, und keinen Heller hätte ich für meinen Kopf hergeben mögen, wenn in diesem Augenblick die Kunde gekommen wäre, daß Deinem Freund Wilhelm mit dem Barte Dein sauberes Projektchen, seine Umstände durch eine Heirat zu verbessern, gelungen sei.«

«Nicht, mein Freund, wenn Ew. Majestät zu Gnaden halten will, «sagte Oliver,»weder der Freund noch der Plan sind mein.«—»Ganz richtig, Oliver, «antwortete der König,»Dein Plan ging freilich dahin, einen solchen Bräutigam hübsch ordentlich zu barbieren; auch fiel Deine Wahl auf keinen bessern, als auf Dich selbst. Indessen, Oliver, glücklich ist der zu preisen, der sie nicht bekommt! denn hängen, rädern, vierteilen — war noch das gelindeste, was unser guter Vater demjenigen zudachte, der die junge Gräfin, seine Vasallin, ohne seine herzogliche Einwilligung heiraten würde.«—»Und ohne Zweifel ist er ebenso eifersüchtig auf Unruhen, die in der guten Stadt Lüttich entstehen könnten?«fragte der Günstling. — »Allerdings, und noch mehr, als Du Dir vielleicht einbildest, Oliver; allem, seit ich mich entschlossen habe, hierher zu kommen, sind meine Boten in Lüttich gewesen, um für den Augenblick wenigstens jede Regung zur Empörung zu unterdrücken, und meine rastlosen unruhigen Freunde, Ruslaer und Pavillon, haben Befehl erhalten, bis die Zusammenkunft zwischen meinem Vetter und mir glücklich vorüber ist, sich mäuschenstill zu verhalten.«—»Nach Ew. Majestät Reden zu schließen, «sagte Oliver trocken,»wäre also das höchste, das sich von dieser Zusammenkunft hoffen ließe, daß Euer Zustand dadurch nicht verschlimmert würde? Das ist ja ungefähr wie beim Kranich, der seinen Kopf in des Fuchses Hals steckte und von Glück sagen durfte, daß er ihm vom Fuchse nicht abgebissen wurde; und doch schien Ew. Majestät soeben von dem weisen Philosophen ungemein verpflichtet, daß er Euch aufmunterte, ein hoffnungsvolles Spiel zu übernehmen.«—»Man muß an keinem Spiel verzweifeln, «versetzte der König mit scharfem Tone,»als bis es ganz verloren ist, und ich habe keinen Grund, anzunehmen, daß dies bei mir der Fall sein werde. Im Gegenteil, wenn nichts eintritt, wodurch die Wut dieses rachsüchtigen Tollhäuslers angefacht wird, so bin ich meines Sieges gewiß, und in der Tat bin ich dem Einfall nicht wenig Dank schuldig, zum Führer der Gräfinnen von Croye einen jungen Mann zu wählen, dessen Horoskop mit dem meinigen insofern übereinstimmte, als er selbst durch Ungehorsam gegen meine Befehle, indem er einen Weg einschlug, auf dem er Wilhelms Hinterhalt entgehen mußte, mich von der Gefahr befreite.«—»Ew. Majestät, «sagte Oliver,»wird Agenten genug finden, die Euch unter diesen Bedingungen dienen mögen.«—»Ja, ja, Oliver, «sagte Ludwig ungeduldig,»zwar sah ich nicht das Mißlingen von Wilhelms Unternehmen voraus, wohl aber, daß die Sendung jenes schottischen Bogenschützen glücklich für mich enden würde. Doch warum spreche ich über die Geheimnisse mit Dir, Oliver? denn Du bist insofern noch ärger als der Teufel, Dein Namensbruder, als der doch glaubt und zittert; Du aber bist ein Ungläubiger sowohl in Hinsicht der Religion als der Wissenschaft, und wirst es auch bleiben, bis sich Dein Geschick, wie Dein Horoskop und Deine Gesichtszüge mich lehren, am Galgen erfülle.«—»Und wenn es wirklich so sein soll, «erwiderte Oliver im Tone der Ergebung,»so würde es deswegen geschehen, weil ich ein zu dankbarer Diener war, um die Befehle meines königlichen Gebieters unvollstreckt zu lassen.«

Ludwig brach in sein gewöhnliches, sardonisches Lachen aus:»Du hast Deine Lanze ritterlich mit mir gebrochen, Oliver; und bei unserer lieben Frau, Du warst befugt dazu, denn ich forderte Dich heraus. Aber ich bitte Dich, sage mir ernstlich, entdeckst Du in den Maßregeln dieser Leute gegen uns etwas, woraus man auf böse Absichten schließen könnte?«—»Mein Gebieter, «erwiderte Oliver,»Ew. Majestät sowie jener gelehrte Philosoph, lesen die Zukunft in den Sternen und in den Zeichen des Himmels. Ich meinerseits bin nur ein elender Erdenwurm und betrachte bloß die Dinge, die mit meinem Berufe in Verbindung stehen, aber mir deucht, ich bemerke, daß man es hier an jener emsigen und sorgfältigen Aufmerksamkeit für Ew. Majestät fehlen läßt, die man sonst einem willkommenen Gaste bezeugt, der von einem so erhabenen Range ist wie Ew. Majestät. Der Herzog schützte diesen Abend Müdigkeit vor, begleitete Ew. Majestät nicht weiter als bis auf die Straße und überließ es seinen Hofbeamten, Euch nach Eurer Wohnung zu bringen. Diese Zimmer sind in Eile und höchst oberflächlich hergerichtet; die Tapeten hängen schief und auf einer derselben stehen, wie Ihr bemerken könnt, die Figuren auf den Köpfen, indes die Wurzeln der Bäume nach oben wachsen.«—»Pah! bloßer Zufall, «sagte der König;»wann hast Du gesehen, daß ich mir aus solchen Kleinigkeiten je etwas gemacht hätte?«—»An und für sich, «sagte Oliver,»sind sie freilich nicht beachtenswert, aber sie deuten doch wenigstens den Grad von Achtung an, in welchem nach der Meinung der Hofbeamten Ew. Majestät bei dem Herzog steht. Glaubt mir, wär's sein aufrichtiger Wunsch gewesen, daß es Eurer Aufnahme in keiner Hinsicht an etwas fehlen solle, so würde dies Volk in Minuten getan haben, was sonst das Werk von Tagen ist, — und wann, «setzte er, auf das Waschbecken und die Gießkanne deutend, hinzu,»waren die Gerätschaften auf Ew. Majestät Nachttische von anderm Metall als von Silber?«–

«Nun, diese letzte Bemerkung, Oliver, «sagte der König mit erzwungenem Lächeln,»steht in zu genauer Verbindung mit Deiner eigenen besonderen Beschäftigung, als daß sie jemand bestreiten sollte. — Wahr ist es, als ich nur ein Flüchtling und Verbannter war, sah ich auf Befehl des nämlichen Herzogs kein anderes als goldenes Geschirr, weil er Silber für den Dauphin von Frankreich zu schlecht achtete, und jetzt scheint es, daß er Silber zu kostbar für den König von Frankreich hält. — Wir gehen zu Bett, Oliver! Unser Entschluß ist einmal gefaßt und ausgeführt, und es bleibt uns nichts mehr übrig, als das Spiel mannhaft durchzuspielen, in das wir uns eingelassen haben. Ich weiß, mein Vetter von Burgund schließt, wie andere wilde Stiere, die Augen, wenn er Anlauf nimmt; ich brauche nur gleich den Stierkämpfern, die wir zu Burgos sahen, diesen Augenblick zu erspähen, und sein Ungestüm muß ihn mir in die Hände liefern.«

Neuntes Kapitel

Nach diesem Rückblick auf das zwischen dem König von Frankreich und dem Herzog von Burgund bestehende Verhältnis zur Zeit, als Ludwig wohl nicht zum wenigsten durch seinen Glauben an die Macht der Gestirne, vielleicht aber auch durch das Bewußtsein seiner geistigen Ueberlegenheit über Karl bewogen, den außerordenlichen, auf andere Weise durchaus unerklärlichen Entschluß gefaßt hatte, sich selbst der Treue und dem Glauben eines stolzen und erbitterten Feindes zu überantworten, wollen wir dem weiteren Gange unserer Erzählung folgen. Herzog Karl, von Natur rauh, stolz, ungestüm und hart, fand es nicht für nötig, dem Könige mehr Höflichkeit zu erweisen, als die Gesetze der Gastfreundschaft ausdrücklich forderten; andererseits aber legte er auch durchaus keine Absicht an den Tag, ihre geheiligten Schranken zu verletzen. Am nächsten Morgen nach des Königs Ankunft wurde eine allgemeine Heerschau der burgundischen Truppen veranstaltet, die so zahlreich und so trefflich ausgerüstet waren, daß es ihm vielleicht ganz recht war, sie seinem großen Nebenbuhler vorzuführen. Während er seinem Souverän das Vasallenkompliment machte, daß diese Truppen nicht ihm, sondern dem Könige gehörten, verriet das Zucken seiner Oberlippe und der stolze Blick seines Auges, daß diese Worte bloße Höflichkeit seien, und daß dieses schöne stattliche Heer auf seinen Befehl direkt gegen Paris vorrücken werde, ohne sich im geringsten an den König von Frankreich zu kehren. Das mußte Ludwig um so angenehmer berühren, als er unter den Burgundern allerhand französische Fähnlein erblickte, die aus mancherlei Gründen des Mißvergnügens mit dem Herzog von Burgund gemeinschaftliche Sache gemacht hatten.

Seinem Charakter getreu, schien indes Ludwig von diesen Reisläufern aus seinen Provinzen kaum Notiz zu nehmen, während er hin und her auf Mittel dachte, wie er sie Burgunds Fahnen abwendig machen und sie seinen eigenen wieder einverleiben könnte. Zu diesem Behufe beschloß er, durch Oliver und andere Agenten insgeheim die Gesinnung der Vornehmsten unter ihnen ausforschen zu lassen.

Er selbst bestrebte sich angelegentlich, jedoch mit großer Vorsicht, sich unter den vornehmsten Beamten und Räten des Herzogs beliebt zu machen, und während einer Eberjagd fand Ludwig, ungehindert durch Karls Gegenwart, der in diesem Sport so völlig aufging, daß er für nichts andres Sinn hatte, Mittel und Wege, einzeln und insgeheim sich mit manchen von Karls Edeln zu besprechen, unter welchen Hymbercourt und Argenton nicht vergessen wurden.

Einen einzigen Mann vermißte der König, den er vor allen andern gern für sich gewonnen hätte, nämlich Graf Crevecoeur, dessen Festigkeit als Abgesandter in Plessis, weit entfernt, Ludwigs Unwillen zu erregen, ihm vielmehr lebhaft imponiert hatte. Es war ihm nicht besonders angenehm, zu hören, daß der Graf an der Spitze von hundert Lanzen an die Grenzen von Burgund aufgebrochen sei, um den Bischof gegen Wilhelm von der Mark zu unterstützen.

Der Hof speiste, wie es bei allen großen Jagdpartien Brauch war, im Forste; was diesmal dem Herzog besonders angenehm war, da er sich der formellen Feierlichkeit, womit er den König Ludwig sonst hätte empfangen müssen, enthoben sah. Indessen mußte die Abendmahlzeit infolgedessen mit desto größerer Feierlichkeit gehalten werden, und bei der Rückkehr nach Peronne fand König Ludwig ein Bankett mit einem Glanze und einer Pracht zubereitet, wie man es bei dem Reichtum eines gefürchteten Vasallen, der im Besitze der ganzen Niederlande, damals des reichsten Landes in Europa, sich befand, nur immer erwarten konnte. Oben an der langen Tafel, die unter der Last des goldnen und silbernen Tischgeräts fast brach und bis zum Ueberfluß mit den ausgesuchtesten Leckerbissen besetzt war, saß der Herzog, ihm zur Rechten auf einem etwas höheren Sitze sein königlicher Gast. Hinter ihm stand auf einer Seite der Sohn des Herzogs von Geldern, als sein Obervorschneider, auf der andern Seite sein Hofnarr le Glorieux, der ihm selten von der Seite kam; denn, wie die meisten Leute von seiner heftigen und rohen Gemütsart, trieb Karl den allgemeinen Geschmack dieses Zeitalters an Hofnarren und Possenreißern aufs äußerste und fand an ihrer Sonderbarkeit und ihren wunderlichen Einfällen ein Vergnügen, das sein schärfer blickender Nebenbuhler freilich nicht teilte. Heute versäumte Ludwig jedoch nicht, dem Lieblingsnarren des Herzogs seine Aufmerksamkeit zu widmen und seinen Einfällen Beifall zu schenken. Tiel Wetzweiler, gemeiniglich le Glorieux genannt, war übrigens durchaus nicht ein Spaßmacher von der gewöhnlichen Art, sondern ein großer, wohlgebildeter Mann, der sich in manchen Leibesübungen auszeichnete, die sich mit geistiger Minderwertigkeit insofern nicht vertragen hätten, als zu ihrer Uebung Geduld und Ausdauer nötig waren. Er folgte dem Herzoge gewöhnlich sowohl auf der Jagd als in die Schlacht, und als dieser bei Monthlery in großer persönlicher Gefahr schwebte, war er dem Ritter, der seinen Herzog bedrohte, gar kraftvoll zu Leibe gegangen und hatte nicht eher geruht, als bis er ihn aus dem Sattel geworfen hatte. Bei dieser Gelegenheit erwarb er sich auf die Dauer seines Lebens den Beinamen» le Glorieux«(Prahlhans).

An diese wichtige Person des burgundischen Hofes wandte sich Karl und nach seinem Beispiele auch Ludwig zu wiederholten Malen während des Mahles, und beide schienen durch ein herzliches Lachen ihre Freude an seinen Antworten an den Tag zu legen.

«Für wen sind jene leeren Sitze dort bestimmt?«fragte Karl den Spaßmacher. — »Einer davon wenigstens sollte vermöge des Rechts der Erbfolge mir gehören, «antwortete der Narr. — »Wieso, närrischer Kerl?«fragte Karl. — »Sie sind für die Herren Hymbercourt und Argenton bestimmt, die, um ihre Falken fliegen zu lassen, sich soweit entfernt haben, daß sie ihr Abendessen darüber vergaßen. Wer lieber einen Habicht in der Luft, als einen Fasanen auf der Schüssel sieht, ist der Gevatter des Narren, und er sollt' ihnen auf ihrem Stuhle am Tische, als einem Teil ihrer beweglichen Habe, succedieren dürfen.«—»Das ist ein schaler Witz, Freund Tiel, «sprach der Herzog,»aber — Narren oder Weise — hier kommen die Säumigen,«

Wie er so sprach, traten Argenton und Hymbercourt in das Gemach und nahmen, nachdem sie den beiden Fürsten ihre Ehrfurcht bezeigt hatten, stillschweigend die für sie leer gelassenen Plätze ein. — »Nun, ihr Herren, «rief ihnen der Herzog zu,»eure Jagd muß entweder sehr gut oder sehr schlecht gewesen sein, da sie euch so weit führte und so lange ausbleiben ließ. Herr Philipp von Comines, Ihr seid ja recht niedergeschlagen, — hat etwa Hymbercourt gegen Euch eine bedeutende Wette gewonnen? — Ihr seid doch aber Philosoph und dürft Euch ein Unglück nicht so zu Herzen nehmen… Beim heiligen Georg, Hymbercourt sieht ganz ebenso sauer drein als Ihr… Was soll das, meine Herren? Habt ihr kein Wild gefunden, oder sind euch eure Falken drauf gegangen? Bei meiner Ehre, ihr seht aus, als ob ihr zu einem Leichenzuge und nicht zu einem Feste kämet…«Aller Augen waren auf Hymbercourt und Argenton gerichtet, denn man war von ihnen nicht gewöhnt, sie so zu sehen.»Was bedeutet euer Stillschweigen, meine Herren?«fragte der Herzog, seine von Natur rauhe Stimme verschärfend;»wenn ihr kein vergnügtes Gesicht schneiden könnt, so wäre es klüger gewesen, im Sumpfe zu bleiben und Reiher oder Schnepfen und Nachteulen zu pirschen.«—»Gnädigster Herr!«sagte Argenton,»gerade als wir aus dem Forste heraustraten, trafen wir den Grafen Crevecoeur.«—»Wie?«sagte der Herzog, — »ist er schon aus Brabant zurück? Er hat doch alles gut angetroffen?«»Der Graf wird Euer Gnaden sogleich Bericht erstatten, «sagte Hymbercourt,»wir haben ihn nur deshalb gehört.«—»Aber wo bleibt denn der Graf?«fragte der Herzog. — »Er wechselt bloß die Kleider, um Ew. Hoheit aufzuwarten, «antwortete Hymbercourt. — »Mord und Brand!«rief der ungeduldige Fürst.»Was gehen mich seine Kleider an? ich glaube, ihr habt euch verschworen, mich toll zu machen!«—»Oder vielmehr, um es gerade herauszusagen, «fiel Argenton ein,»er läßt Euch bitten, was er zu melden hat, Euch in Privataudienz zu melden.«—»Teufel auch, mein Herr König, «rief Karl,»so machen es unsere Räte mit uns, — wenn sie etwas haben, das sie als recht wichtig für unsere Ohren erachten, so sehen sie so ernsthaft drein und sind so stolz auf ihre Last, wie der Esel auf einen neuen Packsattel… Graf Crevecoeur soll sogleich vor uns erscheinen; er kommt von der Lütticher Grenze, wo wir wenigstens (er legte auf das Wort wieder einigen Nachdruck) keine Geheimnisse haben, die wir nicht der ganzen Welt offenbaren dürfen.«

Der Herzog, dessen ungestümer Sinn durch den vielen Weingenuß erheblich gesteigert worden war, blickte unaufhörlich nach der Tür, als ob er das, was da kommen sollte, nicht erwarten könnte, und die Gäste hefteten beklommen die Augen auf die Tafel, als ob sie ihre Neugier und ihre Aengstlichkeit zu verbergen suchten. Ludwig allein behielt seine vollkommene Fassung und setzte abwechselnd mit dem Obervorschneider und dem Spaßmacher seine Unterhaltung fort. Endlich trat Crevecoeur ein, von seinem Herrn mit der hastigen Frage empfangen:»Nun, Herr Graf, was gibt's Neues in Lüttich und Brabant? Das Gerücht von Eurer Ankunft hat Lust und Freude von unserer Tafel verscheucht. Eure Gegenwart wird sie uns hoffentlich wieder zurückbringen.«—»Mein Herr und Gebieter, «antwortete der Graf in einem festen, aber schwermütigen Tone,»die Neuigkeiten, die ich bringe, eignen sich mehr für eine Ratsversammlung als für eine festliche Tafel.«—»Heraus damit, Mann, und kämen sie vom Antichrist, «rief der Herzog,»aber ich kann sie schon erraten — die Lütticher sind wieder im Aufstande begriffen.«—»Allerdings, mein Gebieter, «antwortete Crevecoeur sehr ernst.«—»Seht doch, ich habe es gleich erraten, was Du so ungern mir mitteilen wolltest. Aber das paßt sich ja insofern gut, als uns Herr Ludwig, unser Oberlehnsherr, sagen kann, wie man mit solchen Meuterern am besten umspringt. Hast Du noch mehr Neuigkeiten in Deinem Bündel? Heraus damit, und dann verantworte Dich, warum Du nicht vorgerückt bist, um dem Bischof beizustehen?«—»Mein Fürst, es wird schwer, Euch die weitern Nachrichten mitzuteilen, die Euch sehr erschüttern werden. — Weder ich noch die ganze lebende Ritterschaft hätte dem trefflichen Bischof helfen können. Wilhelm von der Mark hat in Verbindung mit den empörten Lüttichern sein Schloß Schönwald genommen und ihn in seiner eigenen Halle ermordet.«

«Ermordet!«wiederholte der Herzog mit tiefer, gedämpfter Stimme, die man jedoch von einem Ende der Halle bis zum andern vernehmen konnte.»Du hast Dich von irgend einem schrecklichen Gerüchte täuschen lassen, Crevecoeur — es ist nicht möglich!«—»Leider, gnädigster Herr!«versetzte der Graf,»hab ich es aus dem Munde eines Augenzeugen, eines Bogenschützen von der schottischen Garde des Königs von Frankreich, der in der Halle war, als der Mord auf Wilhelm von der Marks Befehl verübt wurde.«—»Und der ohne Zweifel bei dieser schrecklichen und gotteslästerlichen Tat den Helfershelfer und Aufreizer machte, «sagte der Herzog, indem er aufsprang und mit solcher Wut mit dem Fuße stampfte, daß er den Schemel vor ihm in Stücke zertrat.»Verriegelt die Saaltüren, Ihr Herren, verschließt die Fenster, — laßt keinen Fremden bei augenblicklicher Todesstrafe sich von der Stelle bewegen! — »Ihr meine Hofkavaliere, zieht Eure Schwerter!«Und nun wandte er sich zu Ludwig und legte die Hand langsam und entschlossen an den Griff seines Schwertes, indes der König, ohne die mindeste Furcht zu zeigen oder sich zur Wehr zu setzen, bloß die Worte sprach:»Diese Neuigkeiten, mein lieber Vetter, haben Euren Verstand verwirrt.«—»Nein!«rief der Herzog in einem furchtbaren Tone,»aber sie haben ein gerechtes Gefühl der Rache in mir erweckt, das ich nur zu lange durch eitle Rücksicht auf Ort und Umstände in mir habe unterdrücken lassen. Mörder Deines Bruders! Rebell gegen Deinen Vater! Tyrann gegen Deine Untertanen! Verräterischer Bundesgenosse! Meineidiger König! Mann ohne Ritterehre! Du bist in meiner Gewalt und ich danke Gott dafür!«—»Dank's vielmehr meiner Torheit, «sprach der König;»denn als wir uns unter gleichen Verhältnissen bei Monthlery trafen, dünkt mich, wünschtet Ihr Euch viel weiter von mir entfernt, als wir jetzt sind.«

Der Herzog hielt die Hand noch immer am Griffe seines Schwertes, aber ohne es aus der Scheide zu ziehen, weil sich Ludwig auf keine Weise zum Widerstande rüstete. Im Saale herrschte ein beispielloser Wirrwarr. Die Türen waren auf des Herzogs Befehl verschlossen worden, und einige von dem französischen Adel sprangen von ihren Sitzen auf und rüsteten sich zur Verteidigung ihres Gebieters. Ludwig hatte weder mit Orleans noch mit Dunois ein Wort gesprochen, seit sie aus ihrer Haft in Loches entlassen worden waren. Gleichwohl war Dunois' Stimme die erste, die das Getümmel übertönte.»Herr Herzog, «rief er,»habt Ihr vergessen, daß Ihr ein Vasall von Frankreich seid, und daß wir, Eure Gäste, Franzosen sind? Erhebt Ihr Eure Hand gegen unsern Monarchen, werden wir uns ebenso in Burgunds Blute sättigen, wie wir's in seinem Weine getan haben… Mut, Herr Herzog von Orleans!.. und ihr, Ritter und Edle Frankreichs, sammelt euch um Dunois, und tut, was er tut!«

In einem solchen Augenblick kann ein König erkennen, auf wen er sich verlassen darf. Die wenigen unabhängigen Edeln und Ritter in Ludwigs Begleitung, die fast sämtlich nur Beweise von Kälte und Ungnade von ihm erhalten hatten, scharten sich, ohne sich durch die unendlich überlegene Macht im geringsten schrecken zu lassen, um Dunois und drängten sich unter seiner Leitung nach dem obern Ende der Tafel, wo die beiden streitenden Fürsten saßen. An ihrer Spitze stand der ehrwürdige Lord Crawford, der sich mit einer Gewandtheit, die niemand von seinen Jahren erwartet hätte, zwischen den König und den Herzog warf, seine Mütze, unter der sein weißes Haar in aufgelösten Flechten herabfloß, auf die Seite rückend, während sich seine bleichen Wangen und seine welke Stirn färbten. Sein altes Auge sprühte noch ganz das Feuer eines jungen Kriegers, der eine verzweifelte Tat vollbringen will; sein Mantel hing über die Schultern und seine Bewegungen deuteten an, daß er bereit sei, ihn zum Schutze um den linken Arm zu wickeln, indes er mit der Rechten sein Schwert entblößte.»Ich habe für seinen Vater und für seinen Großvater gefochten!«rief er,»und beim heiligen Andreas, die Sache ende, wie sie wolle, ich verlasse ihn nicht in dieser Not!«

Der Herzog von Burgund, noch immer mit der Hand am Schwerte, schien jeden Augenblick das Zeichen zu einem allgemeinen Angriff geben zu wollen, der notwendigerweise mit der Niedermetzelung des schwächeren Teils endigen mußte; da drang plötzlich Crevecoeur vor und rief mit einer Stimme, laut wie eine Trompete:»Mein Lehnsherr von Burgund, bedenkt, was Ihr tut! Dies ist Eure Halle — Ihr seid des Königs Vasall, — vergießt nicht das Blut Eures Gastes an Eurem Herde! nicht das Blut Eures Souveräns an dem Throne, den Ihr ihm selbst errichtet habt und den er unter Eurem Geleite bestiegen hat. Um der Ehre Eures Hauses willen, rächt nicht einen schrecklichen Mord durch einen zweiten noch schrecklicheren!«—»Aus dem Wege, Crevecoeur!«rief der Herzog,»laß meiner Rache freien Lauf! Aus dem Wege, sag' ich! Der Zorn der Könige ist furchtbar, wie der des Himmels!«»Nur dann, wenn er, wie der des Himmels, gerecht ist, «antwortete Crevecoeur mit Entschlossenheit;»laßt Euch bitten, mein Gebieter, die Heftigkeit Eures Gemüts zu bezähmen, wenn Ihr auch mit allem Rechte Euch beleidigt fühlt… Und Ihr, Ihr französischen Kavaliere, vergeßt, wo Widerstand nichts helfen kann, alles, was zu Blutvergießen führen möchte.«—»Er hat recht, «sagte Ludwig, dessen Kaltblütigkeit ihn auch in diesem furchtbaren Augenblick nicht verließ;»Vetter Orleans, lieber Dunois, und Ihr, mein treuer Crawford, führt nicht durch voreilige Erbitterung Verderben und Blutvergießen herbei! Unser Vetter, der Herzog, ist durch die Nachricht von dem Tode eines nahen und geliebten Freundes entrüstet, dessen Ermordung wir ebenso tief beklagen, als er. Aeltere und unglücklicherweise auch neuere Mißverständnisse verleiten ihn zu dem Verdacht, als hätten wir einem Verbrechen Vorschub getan, das unser Herz verabscheut. Sollte unser Gastfreund uns auf dieser Stelle ermorden — uns, seinen König und Verwandten, auf die Beschuldigung hin, als hätten wir bei dieser unglücklichen Geschichte mitgewirkt, so wird unser Schicksal durch Euern Widerstand nicht erleichtert, sondern im Gegenteil nur noch verschlimmert werden. — So tretet denn zurück, Crawford! — und wäre es mein letztes Wort, ich spreche es als König zu seinem Offizier und verlange Gehorsam — tretet zurück und gebt, wenn es verlangt wird, Eure Schwerter ab. Ich befehle Euch, also zu tun, und Euer Eid legt Euch Gehorsam auf.«

«Wahr, sehr wahr, mein Gebieter, «sprach Crawford, indem er zurücktrat und die halbgezogene Klinge in die Scheide zurückstieß,»das mag alles ganz wahr sein, aber bei meiner Ehre, ständ ich an der Spitze von siebenzig meiner braven Leute, statt mit ebenso vielen Jahren belastet zu sein, so wollt ich versuchen, ob ich nicht gegen diese Herren da mit ihren goldenen Ketten und verbrämten Mützen, mit den bunten Farben und Sinnsprüchen daran, Recht erhalten könnte.«

Der Herzog stand lange Zeit, die Augen auf den Boden geheftet, da und sprach endlich im Tone bittern Spotts:»Ihr habt recht, Crevecoeur, und unsere Ehre fordert es, daß wir unsere Verpflichtungen gegen diesen großen König, gegen unsern geehrten und lieben Gast, nicht so schnell aus den Augen setzen, als wir es im ersten Ausbruch unseres Zornes beschlossen hatten. Wir wollen so handeln, daß ganz Europa die Gerechtigkeit unseres Verfahrens anerkennen soll, — »Ihr Herren aus Frankreich, ihr müßt eure Waffen meinen Offizieren abgeben! Euer Herr hat den Waffenstillstand gebrochen und kann fernerhin keine Ansprüche auf dessen Wohltaten machen. Indes aus Rücksicht auf euer Ehrgefühl, — und aus Achtung für den Rang, den er entehrt hat, fordern wir unserm Vetter Ludwig sein Schwert nicht ab.«—»Keiner von uns wird seine Waffen abgeben, «rief Dunois,»oder diese Halle verlassen, bis uns wenigstens zugesichert wird, daß unserem Könige an Leib und Leben kein Leid geschieht.«—»Auch kein Mann von der schottischen Leibwache legt die Waffen nieder, wenn nicht der König von Frankreich oder sein Großconnetable es befiehlt, «rief Crawford.»Wackerer Dunois, «sprach Ludwig,»und Ihr, mein treuer Crawford! Euer Eifer wird mir mehr schaden als nützlich sein… Ich vertraue, «setzte er mit Würde hinzu,»mehr meiner gerechten Sache als vergeblichem Widerstand, der nur meinen besten und wackersten Untertanen das Leben kosten würde. — Gebt eure Schwerter ab! Ich befehle es euch!«

So zeigte Ludwig in diesem furchtbaren Moment jenen Scharfblick, der allein sein Leben retten konnte. Er vermied es zwar, den Zorn des Herzogs bis zur tobenden Wut zu steigern, allein er ließ sich weder zu Bitten herab, noch schien er den Zorn zu fürchten, sondern blickte dem Herzoge fortwährend fest und ruhig ins Auge, wie ein wackerer Mann, die drohenden Gebärden eines Wahnsinnigen betrachtet, überzeugt, daß Festigkeit und Fassung unmerklich, aber mächtig, auch die Wut der Tollheit hemmen.

Crawford warf auf des Königs Befehl Crevecoeur sein Schwert hin mit den Worten:»Nehmt es! und möge es Euch der Teufel segnen — es ist für den rechtmäßigen Besitzer keine Schande, es abzugeben, denn es galt keinen rechtlichen Kampf.«

«Halt, ihr Herren!«rief der Herzog mit schwerer Zunge, wie wenn ihn die Leidenschaft deren Gebrauchs beraubt hätte,»behaltet eure Schwerter! Mir genügt euer Versprechen, sich ihrer nicht zu bedienen, — Ihr aber, Ludwig von Balois, müßt Euch als mein Gefangener betrachten, bis Ihr Euch von dem Verdachte gereinigt habt, Mord und Schändung des Heiligtums angestiftet zu haben. Bringt ihn nach dem Schlosse — nach dem Hubertusturm; er soll sechs Herren seines Gefolges zu seiner Bedienung haben, die er sich selbst wählen mag. — Lord Crawford, Eure Wache muß das Schloß verlassen und soll anderswo ehrenvoll untergebracht werden. — Zieht alle Zugbrücken auf und laßt die Schutzgatter herab. — Laßt die Stadttore dreifach besetzen, — die schwimmenden Brücken auf das rechte Ufer bringen. — Meine schwarzen Wallonen umringen das Schloß, und die Schildwachen werden auf jedem Posten verdreifacht! Ihr, Hymbercourt, sorgt dafür, daß Streifwachen zu Pferde und zu Fuß, während der Nacht halbstündlich, und stündlich am folgenden Tage, um die Stadt die Runde machen, falls noch nach Tagesanbruch eine solche Bewachung nötig sein sollte; denn wir gedenken, die Sache schnell zu Ende zu bringen. Habt acht auf die Person Ludwigs, so lieb Euch Euer Leben ist!«Hier erhob er sich voll Zorn und Unmut von der Tafel, warf einen Blick tödlicher Feindschaft auf den König und stürmte aus dem Gemache.

«Ihr Herren, «sprach der König, indem er mit Würde um sich blickte,»der Kummer über den Tod seines Bundesgenossen hat eurem Fürsten den Verstand verwirrt. Ihr kennt hoffentlich eure Pflicht als Ritter und Edle besser, als daß ihr ihn in seiner verräterischen Gewalttat an der Person seines Lehnsherrn unterstützen solltet. «In diesem Augenblicke hörte man auf den Straßen Trommelschlag und Hörnerklang, die die Soldaten nach allen Richtungen hin auf ihre Posten riefen. — »Wir sind Untertanen von Burgund, «versetzte Grevecoeur, der das Marschallamt an des Herzogs Hofe versah,»und müssen als solche tun, was unseres Dienstes ist; unsere Hoffnungen und Bitten, sowie alle unsere Bemühungen sollen dahin gehen, Friede und Eintracht zwischen Ew. Majestät und unserm Lehnsherrn zu stiften. Vor der Hand müssen wir seinen Befehlen Gehorsam leisten. Diese andern Herren und Ritter werden es sich zur Ehre rechnen, für die Bequemlichkeit des erlauchten Herzogs von Orleans, des tapfern Dunois und des wackern Lord Crawford, Sorge zu tragen. Ich selbst muß Ew. Majestät Kämmerer sein und Euch nach Euern Zimmern begleiten, die anders beschaffen sind, als ich wohl wünschen möchte, wenn ich Eurer Gastfreiheit zu Plessis gedenke. Ihr habt freie Wahl Eurer Diener, deren Zahl des Herzogs Befehl auf sechs beschränkt hat.«—»Nun denn, «sprach der König, indem er umherblickte und sich einen Augenblick bedachte —»so wünsche ich Oliver le Dain, einen Mann meiner Leibwache, Balafré genannt, der, wenn Ihr wollt, unbewaffnet sein mag, Tristan l'Hermite nebst zweien seiner Leute, und meinen ergebenen, treuen Philosophen, Martius Galeotti, bei mir zu haben.«—»Ew. Majestät Wille soll in allen Stücken erfüllt werden, «versetzte Crevecoeur;»Galeotti, «setzte er hinzu,»speist, wie ich höre, jetzt eben in einer lustigen Gesellschaft zu Nacht; es soll aber gleich nach ihm geschickt werden. Die übrigen werden auf der Stelle zu Eurer Majestät Befehlen sein.«—»Nun, vorwärts denn, nach der neuen Wohnung, die die Gastfreundschaft unseres Vetters für uns bereit hat, «sagte der König.»Sie ist, wie wir wissen, fest, und wir wollen bloß hoffen, daß sie ebenso sicher sein möge.«

«Habt Ihr die Wahl gehört, die König Ludwig unter seinen Leuten getroffen hat?«fragte le Glorieux beiseite den Grafen Crevecoeur, als sie Ludwig aus der Halle begleiteten. — »Allerdings, mein lustiger Gevatter, «versetzte der Graf,»was hast Du denn da dagegen einzuwenden?«—»Nichts, gar nichts! Ich bewundere nur die seltene Wahl! — Ein spitzbübischer Barbier, — ein gedungener, schottischer Gurgelabschneider, — der oberste Krawattenschneider nebst seinen beiden Adjutanten und ein diebischer Marktschreier. — Ich will mit Euch gehen, Crevecoeur, und eine Lektion in der Schurkerei nehmen, wie auch Eure Geschicklichkeit bei Einführung dieser Schufte in ihre Wohnung beobachten. Der Teufel selbst hätte keine bessere Synode zusammengebracht, noch einen besseren Präsidenten dabei abgeben können.«

Der Possenreißer, der sich alles erlauben durfte, faßte demzufolge vertraulich Graf Crevecoeur und ging ihm zur Seite, während dieser den König unter starker Bedeckung, ohne jedoch gegen die Ehrerbietung zu verstoßen, nach seiner neuen Wohnung geleitete.

Zehntes Kapitel

Vierzig Bewaffnete, von denen die einen nackte Schwerter, die andern brennende Fackeln trugen, dienten dem König Ludwig zur Bedeckung oder vielmehr zur Wache auf seinem Wege von der Halle des Stadthauses von Peronne bis zu dem Schlosse; und als er in diese dunkle, finstere Wohnung trat, war es ihm, als riefe ihm eine Stimme die Dantesche Warnung ins Ohr:»Ihr, die Ihr eintretet, laßt alle Hoffnung draußen!«

In diesem Augenblicke hätten vielleicht Gewissensbisse den König ergreifen können, wenn er an die Hunderte, ja Tausende gedacht hätte, die er ohne Grund oder auf den leisesten Verdacht hin in den Kerker geworfen hatte, wo sie, aller Hoffnung auf Freiheit beraubt, selbst das Leben verwünschten, woran doch jedes Geschöpf instinktartig hängt. Der breite Glanz der Fackeln, heller als der im Abnehmen begriffene Mond, und der rote, halb vom Rauch verdunkelte Schein, den sie rings um das alte Gebäude warfen, gaben dem gewaltigen Hubertusturme ein düsteres Ansehen. Auf dem Schloßhof lagen ein paar Leichen, über die man in der Eile Soldatenmäntel geworfen hatte. Es waren schottische Bogenschützen, die sich dem Befehle, den Posten vor des Königs Gemächern zu verlassen, widersetzt hatten; hierüber war es zwischen ihnen und der wallonischen Leibwache des Herzogs zum Handgemenge gekommen.

«Meine treuen Schotten!«rief der König, in den traurigen Anblick versunken;»wäre Mann gegen Mann gestanden, ganz Flandern und Burgund hätte ihnen keine gleichen Kämpfer entgegenstellen können.«—»Mit Ew. Majestät Erlaubnis, «sprach Balafré, der dicht hinter dem König herschritt,»viele Hunde sind des Hasen Tod; wenig Männer können es mit mehr als zweien zugleich aufnehmen.«—»Bist Du auch da, alter Freund?«fragte der König, sich umblickend.»Nun, so hab' ich doch noch einen treuen Untertanen bei mir.«—»Und auch einen treuen Diener, sowohl bei Euern Beratungen, als bei dem Dienste um Eure königliche Person, «flüsterte Oliver le Dain ihm zu. — »Wir sind alle treu, «sprach Tristan l'Hermite mürrisch,»denn sollten sie Ew. Majestät das Leben nehmen, so würden sie auch uns nicht lange mehr am Leben lassen, wenn wir auch Lust dazu hätten.«—»Nun, das nenne ich eine echt leibliche Bürgschaft für die Treue, «sagte der burgundische Hofnarr, der sich in ihre Gesellschaft eingedrängt hatte.

Mittlerweile bemühte sich der eiligst herbeigerufene Seneschall, den gewichtigen Schlüssel umzudrehen, der das widerstrebende Tor des gewaltigen gotischen Gebäudes schloß, sah sich aber genötigt, einen von Crevecoeurs Leuten zu Hilfe zu nehmen. Hierauf schritten sechs Männer mit Fackeln durch das Tor und einen engen krummen Gang entlang, der auf verschiedenen Punkten von Schießscharten, die man in den Wölbungen und Fenstern der massiven Mauern angebracht hatte, bestrichen wurde. Am Ende dieses Ganges erhob sich eine Treppe von ebenso plumper Bauart, die aus gewaltigen Steinblöcken bestand, und von ungleicher Höhe mit dem Hammer aus dem Groben gearbeitet war. Auf ihr gelangte man durch eine starke, mit Eisen beschlagene Tür in das Gemach, das man die große Turmhalle nannte. Sie war auch am Tage nur spärlich erleuchtet; denn die Oeffnungen in der dicken Mauer glichen mehr Spalten als Fenstern, so daß ohne den Schein der Fackeln dichte Finsternis in der Halle geherrscht haben würde. Ein paar Fledermäuse flogen gegen die Lichter. Der Seneschall entschuldigte sich mit großer Förmlichkeit bei dem Könige, daß die Staatshalle nicht in Ordnung gebracht worden sei, allein der Befehl sei ihm zu eilig gekommen und das Gemach sei seit zwanzig Jahren nicht mehr gebraucht worden, überhaupt nur selten, wie er gehört habe, seit den Zeiten König Karls des Einfältigen.

«König Karls des Einfältigen!«wiederholte Ludwig,»nun fällt mir die Geschichte des Turmes bei; — hier wurde er von seinem verräterischen Vasallen, dem Grafen Herbert von Vermandois, ermordet, wie unsere Jahrbücher berichten.«—»Nicht eigentlich auf dieser Stelle, mit Ew. Majestät Erlaubnis, «sagte der alte Seneschall, indem er mit der geschäftigen Eile eines Cicerone, der die Merkwürdigkeiten eines Platzes zu zeigen hat, weiter ging;»nicht hier, sondern in dem Seitenzimmer etwas weiterhin, das an Ew. Majestät Schlafgemach stößt. «Er öffnete schnell eine kleine Tür am obern Ende der Halle. Sie führte in ein Schlafzimmer, das, wie man es in solchen alten Gebäuden häufig trifft, sehr klein, aber eben darum auch heimlicher war als die weite Halle, durch die sie soeben gegangen waren.

Man hatte hier in der Eile einige Anstalten zu des Königs Bequemlichkeit getroffen: Tapeten aufgehangen, in dem rostigen Kamine ein Feuer angezündet und ein Feldbett für diejenigen Leute aufgeschlagen, die nach damaliger Sitte die Nacht in dem königlichen Schlafzimmer zubringen sollten.

«Wir werden für Euer übriges Gefolge in der Halle Betten herrichten lassen — wär' es Ew. Majestät gefällig, einen Blick auf das kleine Pförtchen hinter der Tapete zu werfen? es führt zu dem kleinen Kabinett, wo Karl ums Leben gebracht wurde. Hier ist ein geheimer Zugang von unten, durch den die Leute heraufkamen; Ew. Majestät Augen sind hoffentlich noch besser als die meinigen, so daß sie die Blutflecken auf dem eichenen Boden noch sehen können, obgleich schon fünfhundert Jahre seit diesem Ereignisse verflossen sind. «Dabei tappte er umher, das Pförtchen zu öffnen, bis der König sagte:»Laß es gut sein, alter Mann; warte noch ein Weilchen, dann kannst Du vielleicht eine neuere Geschichte erzählen und frischere Blutflecken aufzuweisen bekommen. Was meint Ihr, Herr Graf Crevecoeur?«—»Ich kann Euch bloß versichern, Sire, daß diese zwei inneren Gemächer ebenso zu Ew. Majestät Verfügung sind, wie die in Eurem eigenen Schlosse zu Plessis, und daß Crevecoeur, ein Name, der nie durch Verräterei oder Meuchelmord befleckt ward, mit der äußeren Wache beauftragt ist.«—»Aber der geheime Gang in das Kabinett, von dem der alte Mann spricht?«fragte König Ludwig in leisem, ängstlichem Tone, indem er mit der einen Hand Crevecoeurs Arm ergriff und mit der andern auf das Pförtchen deutete. — »Das hat Mornay geträumt, «sagte Crevecoeur,»oder es ist eine alte abgeschmackte Sage von dem Orte; — aber wir wollen die Sache untersuchen.«

Er wollte eben die kleine Tür öffnen, als Ludwig ihn mit den Worten zurückhielt:»Nein, Crevecoeur, nein! — Eure Ehre ist mir hinlänglich Bürge. — Allein was will Euer Herzog mit mir vornehmen, Crevecoeur? Er wird mich doch nicht lange gefangen halten wollen? Mit einem Wort — saget mir Eure Meinung hierüber, Crevecoeur.«—»Sire!«versetzte der Graf,»wie der Herzog von Burgund diese schreckliche, an seinem nahen Verwandten und Verbündeten verübte Greueltat aufnehmen muß, kann Ew. Majestät selbst beurteilen; mit welchem Rechte er sie durch Euch oder vielmehr Eure Sendlinge angestiftet wähnt, könnt nur Ihr wissen. Mein Gebieter besitzt indessen ein edles Gemüt und ist selbst im heftigsten Zorne jeder hinterlistigen Handlung unfähig; — was er auch immer tun mag, er wird es am hellen Tageslicht und angesichts der beiden Nationen tun, und ich kann nur hinzufügen, daß es der Wunsch aller seiner ihn umgebenden Räte — einer vielleicht ausgenommen — ist, daß er in dieser Angelegenheit mit Milde und Großmut sowie mit Gerechtigkeit verfahren möge.«—»Ach, Crevecoeur, «sagte Ludwig, indem er seine Hand faßte, als werde er von peinlichen Erinnerungen bestürmt,»wie glücklich ist doch der Fürst, der Ratgeber um sich hat, die ihn gegen die Ausbrüche der eigenen Leidenschaften bewahren! O, wäre es mir vom Schicksal vergönnt gewesen, Männer, wie Du bist, um mich zu haben!«—»Es wäre ja immer Ew. Majestät Bestreben, solche Männer schnell wieder los zu werden, «bemerkte der Hofnarr. — »Aha! ist die Weisheit auch da?«sagte Ludwig, indem er sich umwandte und den pathetischen Ton, in welchem er mit Crevecoeur gesprochen hatte, plötzlich mit einem humoristischen vertauschte; —»Bist Du uns hier gefolgt?«—»Ja, Sire, «antwortete le Glorieux,»die Weisheit muß in bunter Narrentracht folgen, wo die Torheit in Purpur vorangeht.«—»Wie soll ich das verstehen, Herr Salomo?«antwortete Ludwig, — »willst Du mit mir tauschen?«—»Nein, bei allem was heilig ist, «sprach le Glorieux,»und wolltet Ihr mir auch noch fünfzig Kronen in Kauf geben.«—»Wie, warum denn nicht? — mich dünkt, wie die Fürsten heutzutage sind, könnte ich wohl zufrieden sein, Dich zu meinem Könige zu haben.«—»Ja, Sire, «erwiderte le Glorieux,»aber die Frage ist die, ob ich, nach Ew. Majestät jetziger Wohnung zu urteilen, mich nicht schämen müßte, einen so dummen Narren zu haben.«—»Schweig, Bursche, «sagte Graf Crevecoeur,»Deine Zunge geht mit Dir davon.«—»Laßt ihn gewähren, «sagte der König;»ich kenne keinen besseren Gegenstand des Spottes, als die Torheiten derer, die bessere Einsicht haben sollten. — Hier, mein kluger Freund, nimm diese Geldbörse und mit ihr meinen Rat, niemals ein so großer Narr zu sein, daß Du Dich weiser dünkst als andere Menschenkinder. Jetzt aber sei so gut und erkundige Dich nach meinem Sterndeuter Martius Galeotti. Sobald Du ihn gefunden, schicke ihn zu mir.«—»Auf der Stelle, gnädigster Herr, «antwortete der Spaßmacher;»ich wette zehn gegen eins, der sitzt beim Jan Doppelthur; denn Philosophen wissen so gut wie Narren, wo man den besten Wein feil hat.«—»Vergönnt gefälligst diesem hochgelehrten Manne den freien Zutritt zu mir, Graf Crevecoeur, «sagte Ludwig. — »Sein Zutritt zu Euch hat keine Schwierigkeiten, «antwortete der Graf,»aber es tut mir leid, hinzufügen zu müssen, daß ich, meinen Instruktionen gemäß, niemand gestatten kann, Euer Majestät Gemächer wieder zu verlassen. — Ich wünsche Ew. Majestät eine gute Nacht und werde sogleich in der äußeren Halle Anstalten treffen lassen, um den Herren, die sie bewohnen sollen, größere Bequemlichkeit zu verschaffen.«—»Gebt Euch deshalb keine Mühe, Herr Graf, «erwiderte der König,»sie sind gewohnt, mit Beschwerlichkeit sich abzufinden, zudem möchte ich außer Galeotti heute nacht niemand um mich sehen.«

Graf Crevecoeur beurlaubte sich, und kurz darauf konnte man das Geräusch der Schildwachen vernehmen, die auf ihre Posten zogen. Endlich war alles still, so daß nur das leise Gemurmel der unter den Mauern des Schlosses träge schleichenden Somme zu hören war.»Geht in die Halle, Freunde, «sagte Ludwig zu seinem Gefolge,»aber legt euch nicht zum Schlafe nieder. Haltet euch bereit, denn es gibt heute nacht noch Arbeit für euch, und zwar augenblicklich!«Oliver und Tristan zogen sich demzufolge in die Halle zurück, wo Balafré mit den beiden Unterbeamten des Generalprofoßen geblieben war, hüllten sich in ihre Mäntel und warfen sich auf die Dielen. Mittlerweile empfand ihr Gebieter in der Abgeschiedenheit seines einsamen Schlafgemachs Qualen, die man als Strafe für all das Ungemach ansehen konnte, das er anderen so oft schon zugefügt hatte. Mit kurzen, ungleichen Schlitten wandelte er in dem Zimmer auf und nieder, stand oft still, schlug die Hände zusammen und gab sich einer Gemütsstimmung hin, die er vor den Augen der Welt meisterhaft zu verbergen gewußt hatte. Endlich blieb er, die Hände ringend, vor dem Pförtchen stehen, das ihm der alte Mornay als Eingang zu dem Schauplatz der Ermordung eines seiner Vorfahren bezeichnet hatte, und machte allmählich seinen Empfindungen in einem abgebrochenen Selbstgespräche Luft…»Karl der Einfältige! — Karl der Einfältige! — Wie wird die Nachwelt Ludwig XI. nennen, dessen Blut wahrscheinlich die Flecken des seinigen auffrischen wird? Ludwig der Tor — der Alberne — Ludwig der Betörte — alles Ausdrücke, noch viel zu schwach, meine grenzenlose Dummheit zu bezeichnen! — Dieser Blödsinn, die hitzköpfigen Lütticher, denen Empörung so notwendig ist als das tägliche Brot, würden ruhig bleiben; — dieser Irrwahn, das wilde Tier der Ardennen lasse sich auch nur einen Augenblick in seiner viehischen Mordlust hemmen — diese Narretei, bei Karl von Burgund würden irgend einmal Gründe der Vernunft und Klugheit anschlagen, dreifacher Tor, der ich war! — Aber der niederträchtige Martius soll mir nicht entschlüpfen! — Er ist an allem schuld — er und der schändliche Priester, der verabscheuungswürdige Balue! Sollt ich je wieder dieser Gefahr entkommen, so will ich ihm den Kardinalshut vom Kopfe reißen, und sollt' auch das Gehirn dran hängen bleiben! Allein den andern Verräter hab ich in den Händen. — Noch bin ich König genug, um an einem Quacksalber, einem lügenhaften Sterngucker, einem schändlichen Betrüger Strafe zu nehmen, der mich mit einemmal zum Narren und zum Gefangenen gemacht hat! Die Konjunktur der Konstellationen — ja, die Konjunktur! Unsinn schwatzt er, der kaum einen dreifach gesottenen Schafskopf hinters Licht geführt hätte, und ich muß Narr genug sein, mir einzubilden, ich verstände ihn! Allein wir wollen bald sehen, was die Konjunktur der Konstellationen wirklich bedeutet! — Doch zuvor muß ich meine Andacht verrichten. «Ueber der kleinen Tür befand sich, vielleicht zur Buße der Untat, die hinter ihr verübt worden, eine kleine Nische, in der ein in Stein gehauenes Kruzifix angebracht war. Auf dieses Bild heftete der König sein Auge, wie wenn er niederknien wollte; aber plötzlich hielt er inne, als hielte er es für unbesonnen, sich dem Bilde zu nähern, ehe er sich der Fürsprache irgend eines ihm günstigen Heiligen versichert hätte, wandte sich von dem Kruzifix ab und wählte von den Bildern um seinen Hut das der heiligen Jungfrau von Clery aus, kniete vor ihm nieder und betete:»Süße Frau Clery! gebenedeite Mutter der Gnaden, die Du allmächtig bist mit dem Allmächtigen, habe Mitleid mit mir armen Sünder! Zwar hab ich Dich oft verabsäumt über Deiner gebenedeiten Schwester von Embrun; allein ich bin der König, — meine Macht ist groß, mein Reichtum unermeßlich. Wäre es auch anders, eher würde ich meinen Untertanen doppelte Kopfsteuer auflegen, als daß ich Euch beiden meine Schuld nicht abtragen sollte. Zerbrich diese eisernen Türen — fülle sie aus, diese furchtbaren Gräben und leite mich, wie eine Mutter ihr Kind leitet, aus dieser drohenden Gefahr! Hab ich Deiner Schwester den Oberbefehl über meine Garden gegeben, so soll die große, reiche Provinz Champagne Dein sein, und ihre Weinberge sollen ihren Ueberfluß in Deine Klöster ergießen. Zwar hatte ich die Champagne meinem Bruder Karl versprochen; aber der ist, wie Du weißt, jetzt tot — vergiftet von dem schändlichen Abte von Angely, den ich, wenn ich das Leben behalte, zur Strafe ziehen will! Ich versprach Dir dies schon einmal, aber diesmal will ich gewiß Wort halten. Wenn ich Kenntnis von diesem Verbrechen hatte, so glaube, teuerste Schutzfrau, daß es bloß deshalb verübt wurde, weil ich keine bessere Art und Weise kannte, die Unruhen in meinem Reiche zu dämpfen. Rechne mir also die alte Schuld nicht heute zu, sondern sei, wie Du immer warst, mild, wohlwollend und zur Versöhnung geneigt. Süßeste Frau, bitte für mich bei Deinem Sohne, daß er mir alle vergangenen Sünden vergebe, und eine — eine kleine Tat, die ich diese Nacht noch begehen muß — eine Sünde ist es nicht, teuerste Frau von Clery, — keine Sünde, sondern eine im stillen vollzogene Handlung der Gerechtigkeit; denn der Bösewicht ist der größte Betrüger, der je einem Fürsten Falschheit ins Ohr geflüstert hat. Er ist Deines Schutzes nicht würdig; denn er ist ein Heide! überlaß ihn mir und betrachte das, was ich vor habe, als ein gutes Werk. Sieh! Hier knüpf ich mein königliches Siegel an Dein Bild, zum Zeichen, daß ich betreffs der Grafschaft Champagne Wort halten werde, und daß ich Dich wegen einer Blutschuld nie wieder angehen will, da ich weiß, daß Du ein so mildes, sanftes und weiches Herz hast.«

Als der König solchermaßen sein Gewissen erleichtert oder vielmehr gleich einem Grabe übertüncht hatte, steckte er seinen Kopf zur Tür hinaus und rief Balafré ins Zimmer.»Mein wackrer Krieger, «sagte er,»Du hast mir lange gedient und Du bist nur wenig befördert worden. Heute handelt es sich hier für mich um Leben und Tod; aber ich möchte doch nicht gern als Undankbarer sterben und einen Freund unbelohnt, wie einen Feind ungestraft zurücklassen. Nun habe ich einen Freund zu belohnen — und das bist Du — und einen Feind gebührendermaßen zu züchtigen, und das ist der schändliche, verräterische Martius Galeotti, der mich durch seine Betrügereien und Vorspiegelungen hierher in die Gewalt meines Todfeindes gebracht hat, mit dem festen Vorsatze, mich zu verderben, wie ein Fleischer ein Stück Vieh zur Schlachtbank treibt.«—»Dafür will ich ihn zum Zweikampf herausfordern, «versetzte Balafré,»und Ihr sollt sehen, wie ich für Euer Recht fechten und an diesem Philosophen Rache nehmen will.«—»Ich lobe Deine Tapferkeit und Dienstergebenheit, «sagte der König,»aber dieser verräterische Bube weiß auch die Waffen gut zu führen, und ich möchte nicht gern Dein Leben aufs Spiel setzen, tapferer Krieger.«—»Mit Ew. Majestät Erlaubnis, ich wäre wohl kaum ein tapferer Krieger, «sagte Balafré,»wenn ich nicht wagte, es mit einem Manne, wie diesem, aufzunehmen.«—»Und dennoch, «sagte der König,»ist es nicht unser Wille, Dich einer Gefahr auszusetzen. Der Verräter kommt auf unsern Befehl hierher. Wir wünschen, daß Du, sobald Du Gelegenheit finden kannst, Dich an ihn machst und ihm eins unter die fünfte Rippe versetzest. — Verstehst Du mich?«—»Wohl versteh ich Euch, «antwortete Balafré;»aber mit Ew. Majestät Erlaubnis, auf solche Sache verstehe ich mich gar nicht. Ich könnte keinen Hund töten, der mich nicht selbst angefallen hätte.«—»Du wirst doch nicht auf Zartgefühl Anspruch machen?«sagte der König;»nachdem Du bei Sturm und Belagerung immer der erste gewesen?«

«Gnädigster Herr, «antwortete Balafre,»nie habe ich, das Schwert in der Hand, Eure Feinde gescheut noch geschont. Ein Sturm ist ein verzweifelt Ding und bringt Gefahren mit sich, die einem das Blut erhitzen, daß es, beim heiligen Andreas, immer ein paar Stunden zur Abkühlung braucht. Doch Gott wird armen Soldaten gnädig sein, denen die Gefahr den Kopf verrückt, und die dann der Sieg vollends gar von Sinnen bringt. Allein was Ew. Majestät verlangt, liegt außer meinem Wege; drum laßt den Sterndeuter, wenn er ein Verräter ist, den Tod eines Verräters sterben — aber damit mag ich nichts zu tun haben. Ew. Majestät hat hierfür den Generalprofoß, der taugt besser dazu, diese Sache abzumachen, als ein schottischer Edelmann von meiner Herkunft.«—»Du hast recht, «sagte der König,»laß das also ruhen. Sobald aber hinter Galeotti sich die Tür geschlossen hat, so trittst Du unter Waffen und bewachst den Eingang des Zimmers. Laß keinen Menschen herein, — das ist alles, was ich von Dir verlange. So gehe, schicke mir den Generalprofoß.«

Balafré verließ das Zimmer, und Tristan l'Hermite trat sogleich ein.

«Willkommen, Gevatter, «sagte der König,»was hältst Du von unserer Lage?«—»Was ich von Leuten halte, die dem Tode geweiht sind, «versetzte der Generalprofoß,»wenn nicht noch einiger Aufschub von dem Herzog kommt,«—»Aufschub oder nicht! Der uns in die Falle gelockt hat, soll uns als Fourier vorangehen in die andere Welt, um dort Quartier für uns zu machen, «versetzte der König mit hämischem, grinsendem Lächeln.»Tristan, Du hast schon manchen Akt der Gerechtigkeit für mich vollzogen — Du mußt mir bis ans Ende treu bleiben.«—»Das will ich auch, gnädigster Herr, «sagte Tristan;»ich bin zwar nur ein schlichter, einfacher Mensch, aber ich bin dankbar. Ich werde meine Schuldigkeit innerhalb dieser Wände so gut tun, als anderswo; und solange ich lebe, soll Ew. Majestät leisestes Wort ebenso kräftig ein Todesurteil sprechen, und dasselbe ebenso buchstäblich erfüllt werden, als säßet Ihr noch auf Eurem eignen Throne. Mögen sie in der nächsten Stunde mit mir machen, was sie wollen, das gilt mir gleich.«—»So habe ich's von Dir erwartet, lieber Gevatter, «sagte Ludwig,»aber hast Du denn auch Leute, die Dir an die Hand gehen? — Der Verräter ist stark und gewandt und wird ohne Zweifel um Hilfe rufen. — Der Schotte will nichts weiter tun, als die Tür bewachen, und ich war froh, daß ich ihn hierzu durch Schmeichelei und gute Worte vermochte. Oliver taugt zu nichts, als zum Lügen, Schmeicheln und gefährliche Pläne schmieden; und ich glaube, er kommt wohl einst leichter selbst dazu, den Strick zu verdienen, als daß er ihn einem andern anlegen sollte. Glaubst Du Leute und Mittel genug zu haben, um ein sicheres Werk zu vollenden?«

«Ich habe Trois-Echelles und Petit-André bei mir, «sagte er —»Leute, die ihr Geschäft gut verstehen. Aber wen haben wir, mit Ew. Majestät Erlaubnis, diesmal zu bedienen? Ich bin immer gern meines Mannes sicher; denn Ew. Majestät geruht mitunter, mich daran zu erinnern, daß ich dann und wann den Verbrecher verfehlt und an seiner Statt einen ehrlichen Landmann habe aufknüpfen lassen, der Ew. Majestät nichts zuleide getan hatte.«—»Sehr wahr, «sprach der König.»So wisse denn, Tristan, daß der Verurteilte niemand anders ist, als Martius Galeotti. Du staunst, und doch ist es so, wie ich sage. Der Bube hat uns alle durch falsche, verräterische Vorspiegelungen hierher gelockt, um uns wehrlos in die Hände des Herzogs von Burgund zu liefern.«—»Aber nicht ungerächt!«sprach Tristan,»und wäre es die letzte Handlung meines Lebens; mein Stich soll ihn treffen, und sollt ich auch im nächsten Augenblicke in Stücke zertreten werden.«—»Ich kenne Deine treue Seele, «versetzte der König,»und weiß, daß Du, wie andere Leute, in der Erfüllung Deiner Pflicht Dein Vergnügen findest. So gehe und halte die Priester bereit, denn das Opfer naht.«—»Wollt Ihr es in Eurer eignen Gegenwart abgetan sehen, gnädigster Herr?«fragte Tristan.

Ludwig lehnte das Anerbieten ab, trug aber dem Generalprofoß auf, alles zur pünktlichen Vollziehung seiner Befehle für den Augenblick in Bereitschaft zu halten, wenn der Sterndeuter sein Gemach verlassen würde;»denn, «fügte er hinzu,»ich will den Bösewicht noch einmal sehen, bloß um zu erfahren, wie er sich gegen seinen Herrn, den er in solches Unglück gebracht hat, benehmen wird.«

Der Generalprofoß verließ das Gemach und berief seine Gehilfen in eine Fenstervertiefung der großen Halle, wo Trois-Echelles eine Fackel an die Wand gestellt hatte, um ihnen zu leuchten. Sie flüsterten zusammen, unbeobachtet von Oliver Dain, der in Niedergeschlagenheit versunken dasaß, sowie von Balafré, der fest eingeschlafen war.

«Kameraden, «sprach der Profoß zu seinen Helfershelfern,»Ihr dachtet vielleicht, unser Beruf habe seine Endschaft erreicht, oder daß wir jetzt wahrscheinlicher andern Arbeit machen, als unsererseits noch etwas zu schaffen finden würden. Aber Mut gefaßt, Kameraden, unser gnädigster Herr hat uns noch ein Stück Arbeit aufgespart, und dabei müssen wir rüstig Hand anlegen, als Männer, die in der Geschichte einen Namen haben wollen.«—»Ha! ich errate schon, wo es hinaus will!«sagte Trois-Echelles,»unser Herr will es mit den alten römischen Kaisern halten, die im Drange der Umstände, oder wenn es mit ihnen, wie wir sagen würden, an den Fuß der Leiter kam, sich aus ihren eigenen Dienern der Gerechtigkeit irgend einen erfahrenen Mann zu wählen pflegten, der ihren geheiligten Personen die linkischen Versuche eines Neulings oder Stümpers in unseren Geheimnissen ersparte. Dies war für die Heiden eine recht hübsche Sitte, aber als guter Katholik würde ich doch meine Bedenken haben, an den allerchristlichsten König Hand anzulegen.«—»Ei, Bruder, Du bist immer gar zu bedenklich, «versetzte Petit-André.»Wenn er Befehl oder Vollmacht zu seiner Hinrichtung gibt, so seh ich nicht ein, wie uns da irgend ein Aber kommen darf. Wer zu Rom lebt, der muß dem Papst gehorchen' die Leute des Profoßen müssen den Willen ihres Meisters tun, und dieser den seines Herrn.«—»Still, ihr Schelme!«sprach der Generalprofoß,»hier handelt es sich nicht um des Königs Person, sondern bloß um die des christlichen Ketzers, des heidnischen, muhammedanischen Hexenmeisters, Martius Galeotti.«—»Galeotti! ei, das kommt mir sehr natürlich vor. Ich habe von diesen Gauklern, die, sozusagen, ihr ganzes Leben lang auf dem Seile tanzen, noch keinen gekannt, der nicht am Ende noch gebaumelt hätte.«—»Mein einziger Kummer ist, «sagte Trois-Echelles, den Blick gen Himmel gewandt,»daß der arme Schelm ohne Beichte sterben muß.«—»Ei was!«versetzte der Generalprofoß,»er ist ein Erzketzer und Schwarzkünstler! Eine ganze Priestersynode könnte ihn nicht von der verdienten Verdammnis lossprechen. Uebrigens hast Du ja die Gabe, ihm, wenn er Lust dazu bekäme, mit geistlichem Beistande zu dienen, Trois-Echelles. Doch, was mehr zur Sache gehört, Kameraden, ich fürchte, ihr werdet eure Dolche brauchen müssen, denn ihr habt hier nicht alles bei der Hand, was zur Ausübung eures Geschäftes nötig ist.«— Nun, das wolle unsere liebe Frau von Paris verhüten, «sagte Trois-Echelles,»daß des Königs Befehle mich nicht im Besitze meiner Werkzeuge finden sollten! Ich trage immer den Strick des heiligen Franziskus vierfach um den Leib geschlungen, mit einer ordentlichen Schlinge am Ende; denn ich gehöre zur Brüderschaft des heiligen Franziskus und kann noch seine Kapuze tragen, wenn ich in extremis bin, — Gott und den heiligen Vätern von Saumur sei Dank dafür.«—»Und was mich betrifft, «sagte Petit-André,»so führe ich immer einen tüchtigen Kolben mit einer starken Schraube in der Tasche, um ihn zu befestigen, wo ich Lust habe, falls wir wo reisen sollten, wo es wenig Bäume gibt, oder wo die Aeste zu hoch vom Boden sind. Ich habe das immer sehr bequem gefunden.«—»Nun, das wird uns jetzt zustatten kommen, «sagte der Generalprofoß,»Ihr dürft nur Euren Kolben an jenem Balken über der Tür befestigen und den Strick darüber ziehen. Ich werde den guten Mann dicht an der Stelle im Gespräch halten, bis Ihr ihm die Schlinge unter das Kinn bringt, und dann…«—»Dann aufwärts mit ihm, «sprach Petit-André,»und unser Sterndeuter ist insofern im Himmel, als er keinen Fuß mehr auf der Erde hat.«—»Aber diese Herren dort, «sprach Trois-Echelles, indem er nach dem Kamin hinblickte,»leisten uns vielleicht Beihilfe, um sich ein Handgeld in unserm Berufe zu verdienen?«—»Hm! nein, «antwortete der Profoß,»der Bartscher sinnt nur Unheil und läßt es andere anrichten, und der Schotte bewacht die Tür, wenn die Tat geschieht… jeder bleib bei seinem Leisten!«

Mit ungemeiner Gewandtheit und mit einem gewissen Vergnügen, das ihnen das Gefühl ihrer eignen mißlichen Lage milderte, befestigten die würdigen Vollzieher der Befehle des Profoßen Strick und Kolben, um das Urteil in Kraft zu setzen, das der gefangene Monarch gegen Galeotti ausgesprochen hatte, — sehr zufrieden, daß ihre letzte Handlung mit ihrem vergangenen Leben also im Einklang stehe.

Tristan l'Hermite sah ihren Vorbereitungen mit Wohlgefallen zu, während Oliver sie unbeachtet ließ, Ludwig Leslie dagegen die Sache auffaßte, als ob sie mit seiner Dienstpflicht in gar keinem Zusammenhange stehe, ihn also auch keine Verantwortung dafür treffe.

Elftes Kapitel

Als le Glorieux, der Narr, Ludwigs Wunsch — denn zu befehlen war der König von Frankreich nicht mehr in der Lage, — Martius Galeotti zu ihm zu schicken, erfüllte, hatte er weiter nichts nötig, als sich nach der besten Schenke in Peronne zu begeben, die er selbst ziemlich oft besuchte. Dort fand er den Sterndeuter in einer Ecke in vertrautem Gespräch mit einem Weibe begriffen, das eine sonderbare, einer maurischen oder asiatischen Tracht ziemlich ähnliche Kleidung trug und, als er herantrat, in der Absicht, sich zu entfernen, aufstand.»Auf diese Nachrichten, «sagte die Fremde,»könnt Ihr Euch vollkommen verlassen. «Und mit diesen Worten verschwand sie unter der Menge von Gästen, die an verschiedenen Tischen umhersaßen.

«Gevatter Philosoph, «richtete der Narr das Wort an den Sterndeuter,»der Himmel löste keine Schildwache ab, ohne eine andere zu senden, die ihren Platz einnehmen soll. Ein Narr geht, der andere kommt, um Euch in die Gemächer Ludwigs von Frankreich zu führen.«—»Und Du bist der Bote?«sagte Martius, indem er ihn argwöhnisch anblickte und gleich für den, der er war, erkannte. — »Ja, Herr, «antwortete le Glorieux,»mit Verlaub Eurer Weisheit. Wenn die Macht die Narretei absendet, um die Weisheit herbeizuholen, so ist dies ein sicheres Zeichen, wo den Patienten der Schuh drückt.«—»Wie aber, wenn ich mich zu kommen weigere, da ich zu so später Stunde und von einem solchen Boten geholt werde?«fragte Galeotti. — »In diesem Falle werden wir Euch führen, «versetzte le Glorieux.»Ich habe ein halbes Dutzend handfester Burgunder vor der Tür, die mir Graf Crevecoeur mit auf den Weg gegeben hat. Denn wisse, mein Freund Karl und ich haben unserm Vetter Ludwig die Krone, die er eselhafterweise in unsere Gewalt gegeben, nicht ganz genommen, sondern nur ausgefeilt und beschnitten. Kurz und gut, er ist noch immer Herr und Gebieter über seine eigenen Leute, Euch selbst mit eingeschlossen, und allerchristlichster König über den großen Eßsaal auf dem Schloß zu Peronne, wohin Ihr Euch, als sein Untertan, unverzüglich verfügen werdet.«—»Ich folge Euch, «erwiderte Galeotti und machte sich mit dem Narren auf den Weg, da er vielleicht sah, daß kein Entrinnen möglich sei. — »Da tut Ihr wohl daran, «sagte der Narr auf dem Wege zum Schlosse,»denn wir behandeln unsern Vetter, wie man einen alten ausgehungerten Löwen in seinem Käfig behandelt, dem man von Zeit zu Zeit ein Kalb hinwirft, damit er seine alten Kinnbacken in Uebung erhält.«—»Glaubt Ihr denn, «fragte Martius,»daß der König mir nach dem Leben zu trachten im Sinne hat?«—»Ei, das werdet Ihr besser erraten können als ich, «erwiderte der Possenreißer,»denn wenngleich der nächtliche Himmel etwas umwölkt ist, so wette ich doch, Ihr könnt die Sterne durch den Nebel sehen. Ich verstehe mich nicht auf die hohen Dinge; meine Mutter sagte aber, man müsse einer alten Ratte, die in der Falle sitzt, nicht zu nahe kommen, denn da beißen sie immer am ehesten.«

Der Sterndeuter stellte keine weiteren Fragen, und der Narr fuhr fort, nach der Sitte seines Schlags, sich in regellosen Sarkasmen und drolligen Späßen zu ergehen, bis er den Philosophen an die Wache am Schloßtor zu Peronne abgeliefert hatte, wo dieser von Posten zu Posten gebracht und endlich in den Hubertusturm eingelassen wurde.

Die Winke des Spaßmachers waren für Galeotti nicht verloren gegangen, und als er von Tristan mit einer düstern, unglückverheißenden Miene in das Schlafgemach des Königs geführt wurde, fiel ihm auch der Kolben mit dem Stricke sogleich ins Auge. Er bot nun all seinen Scharfsinn auf, der ihm drohenden Gefahr zu entgehen, mit dem Entschlusse, wenn dies ihm unmöglich würde, sich gegen jeden, der ihm zu nahe käme, aufs äußerste zu verteidigen. In solcher Stimmung trat Martius vor Ludwig.

«Mögen alle guten Planeten Ew. Majestät gnädig sein!«sprach er mit einer Verbeugung, wie sie tiefer kein Orientale vor seinem Herrscher hätte machen können,»und alle bösen Konstellationen dem Sterne meines königlichen Gebieters fern bleiben!«—»Mich dünkt, «erwiderte der König,»wenn Ihr Euch in diesem Gemach umseht, und bedenkt, wo es liegt, und wie es bewacht wird, so kann es Eurer Weisheit nicht entgehen, daß meine günstigen Gestirne sich untreu bewiesen und daß die schlimmen Konstellationen bereits bei bester Arbeit sind. Schämst Du Dich nicht, Martius, mich hier als Gefangenen zu sehen, wenn Du an die Versicherungen denkst, die mich hierher gelockt haben?«—»Und schämst Du Dich nicht, mein königlicher Gebieter, «entgegnete der Sterndeuter,»trotz aller Fortschritte in der Wissenschaft vor dem ersten finstern Blick des Schicksals zurückzubeben wie ein Feigling vor dem ersten Waffengeklirr?«—»Schamloser Mensch!«rief der König,»ist dies nur Einbildung? — Sind die Wachen des Herzogs von Burgund, deren Waffen Du an der Tür klirren hörst, Schatten? Was sind dann wahre Uebel, Verräter, wenn nicht Gefangenschaft, Entthronung und Lebensgefahr?«—»Unwissenheit, mein Bruder, und Vorurteil!«versetzte der Weise mit Festigkeit,»das sind die einzig wahren Uebel. Glaube mir, daß Könige im Vollgenusse ihrer Macht, wenn sie in Unwissenheit und Vorurteil versinken, weit unfreier sind, als Weise im Kerker. Zu dieser wahren Glückseligkeit Dich zu führen, ist mein Beruf.«—»Ich wollte, «rief der König im Tone bittern Hohns,»Du hättest mich zu Plessis gelehrt, daß die mir so freigebig versprochene Herrschaft sich allein über meine Leidenschaften erstreckte; daß der glückliche Erfolg, dessen Du mich versichertest, sich nur auf meine Fortschritte in der Philosophie bezöge, und daß ich so gelehrt und weise werden müßte, wie ein heimatloser italienischer Marktschreier, und zwar auf Kosten der schönsten Krone der Christenheit und um einer Behausung im Schloßturme zu Peronne willen! So geh denn hin und entgehe der wohlverdienten Strafe nicht! — Es gibt einen Himmel über uns!«—»Ich überlaß Euch nicht Eurem Schicksal, «versetzte Martius,»bis ich in Euren Augen, so verdunkelt sie auch jetzt sind, jenen Ruf gerettet habe, der ein glänzender Edelstein ist, als der glänzendste in Eurer Krone, und den die Welt noch nach Jahrhunderten anstaunen wird, wenn Capets ganzes Geschlecht in der Gruft von Saint-Denis längst vermodert ist.«—»Sprich, «sagte der König,»Deine Schamlosigkeit kann weder meine Vorsätze noch meine Meinung ändern — doch da ich vielleicht nie wieder als König ein Urteil fällen werde, so will ich Dich nicht ungehört verdammen.«

«Kennst Du denn, «erwiderte kühn der Sterndeuter,»den geheimen Einfluß jener gesegneten Himmelslichter? Du sprichst ihnen den Einfluß auf die Gewässer ab und weißt doch nicht, daß selbst der schwächste, weil er unserer armen Erde am nächsten, nicht bloß solch ärmliche Ströme, wie diese Somme hier, sondern die Fluten des mächtigen Ozeans unter seiner Herrschaft hält, die, je nachdem sich seine Scheibe füllt oder abnimmt, sich senken und heben und auf seinen Einfluß harren, wie eine Sklavin auf den Wink der Sultanin wartet? Und nun, Ludwig von Valois, antworte einmal auf dies mein Gleichnis! — Bekenne! Gleichst Du nicht dem törichten Reisenden, der dem Lotsen zürnt, daß er das Schiff nicht in den Hafen bringen kann, ohne es der Gewalt widriger Winde und Strömungen auszusetzen? Ich konnte Dir allerdings den wahrscheinlichen Ausgang Deiner Unternehmungen als glücklich verkündigen, allein dem Himmel blieb es vorbehalten, Dich zum Ziele zu geleiten; und wenn der Pfad rauh und gefährlich ist, stand es in meiner Macht, ihn zu ebnen und sicherer zu machen? Wo ist denn Deine Weisheit von gestern geblieben, die Dich mit Grund erkennen ließ, daß die Wege des Schicksals, wenn sie auch unseren Wünschen zuwiderlaufen, uns doch oft zu unserm Heile führen?«—»Du erinnerst mich — Du erinnerst mich, «fiel der König hastig ein,»namentlich an eine Deiner Falschheiten. Du sagtest mir, jener Schotte würde seinen Auftrag zu meinem Vorteil und meiner Ehre beendigen; und Du weißt doch, es hat sich so geendigt, daß nichts in der Welt für mich verderblicher sein konnte, als der Eindruck, den die Sache, wie sie jetzt steht, auf das erhitzte Gehirn des tollen Stiers von Burgund machen wird. Dies ist eine unleugbare Falschheit! — Hier kannst Du mir nicht entschlüpfen — kannst Dich nicht auf eine entfernte günstige Wendung von Ebbe und Flut berufen, auf die ich ruhig warten soll, wie ein dummer Teufel am Ufer, bis das Wasser abgelaufen. — Hier ließ Dich Deine List im Stiche. — Du warst schwach genug, eine bestimmte Weissagung zu wagen, die sich nun geradezu als falsch bewiesen hat.«—»Und die sich als wahr und richtig erweisen wird, «erwiderte der Sterndeuter zuversichtlich.»Ich möchte mir keinen größeren Triumph der Kunst über die Unwissenheit wünschen, als diese Weissagung und ihre Erfüllung mir gewähren wird. — Ich sagte Dir, daß der Schotte bei Erfüllung eines jeden ehrenvollen Auftrages treu befunden werden würde — traf es nicht zu? — Ich sagte Dir, er würde Bedenken tragen, zu irgend einem bösen Anschlage seine Hand zu leihen — war dem nicht so? Zweifelst Du noch daran, so frage den Zigeuner Hayraddin Maugrabin.«— Der König erglühte vor Scham und Aerger. — »Ich sagte Dir, «fuhr der Sterndeuter fort,»daß die Konjunktur der Planeten, unter welchen er abreiste, für seine Person Gefahr bedeute — ist nicht sein Pfad mit Gefahren umringt gewesen? Ich sagte Dir, seine Reise verspreche dem Absender Vorteil, und diesen Vorteil wirst Du bald ernten.«—»Den Vorteil ernten?«rief der König aus;»ist nicht das Resultat Schmach und Gefangenschaft?«—»Nein, «antwortete der Sterndeuter,»das Ende ist noch nicht da. Ueber ein kleines soll Deine eigene Zunge bekennen, welch eine Wohltat Dir durch die Art und Weise zuteil geworden ist, wie der Bote seine Sendung ausrichtete.«—»Diese Frechheit geht zu weit, «rief der König,»einen in einem Atem so betrügen und verhöhnen wollen! — Aber fort mit Dir! — Allein ich glaube nicht, daß, was Du an mir verschuldet hast, so ungerächt Dir hingehen soll! — Es gibt einen Himmel über uns!«— Galeotti wandte sich um, um sich zu entfernen. — »Bleib! Du hast Deine Betrügerei wacker durchgeführt. — Antworte mir nur noch auf eine Frage; aber überlege wohl, ehe Du sprichst. — Kann Dir Deine vorgebliche Weisheit die Stunde Deines Todes verkündigen?«—»Nur in Beziehung auf das Schicksal eines andern, «erwiderte Galeotti. — »Ich verstehe Deine Antwort nicht, «sagte der König. — »So wisse denn, o König, «sprach Martius,»daß ich nur mit Gewißheit von meinem Tode sagen kann, daß er genau vierundzwanzig Stunden vor dem Deinigen erfolgen wird.«—»Ha! Was sagst Du?«rief Ludwig, die Farbe wechselnd. — »Halt — halt, — geh noch nicht — warte noch einen Augenblick. — Mein Tod, sagtest Du, werde so schnell dem Deinen folgen?«—»Innerhalb vierundzwanzig Stunden, «wiederholte Galeotti mit Festigkeit;»sofern nur ein Funke Wahrheit in jenen glänzenden, geheimnisvollen Verkündigern wohnt, die ohne Zunge zu uns sprechen. — Ich wünsche Ew. Majestät eine gute Nacht!«

«Halt — halt — geh nicht, «rief der König, ihn unter dem Arme fassend und von der Tür zurückführend.»Martius Galeotti, ich bin stets ein gütiger Herr gegen Dich gewesen, habe Dich bereichert, habe Dich zu meinem Freunde, zu meinem Gesellschafter, zum Lehrer in meinen Studien gemacht. — Sei offen gegen mich, ich bitte Dich darum. Ist etwas Wahres an dem, was Deine Kunst weissagt? Soll dieses Schotten Sendung in der Tat mich zu einem guten Ende führen? Martius, nicht wahr? Du wolltest mir nur einen Streich spielen. — Gestehe, ich bitte Dich, ich bin bei Jahren — bin ein Gefangener — werde, nach allem zu schließen, ein Königreich verlieren; — in meiner Lage ist Wahrheit Königreiche wert, und von Dir, teurer Martius, muß ich dies unschätzbare Kleinod erwarten.«—»Und ich habe es Ew. Majestät dargereicht, «antwortete Galeotti,»und zwar auf die Gefahr hin, daß Ihr in wilder Leidenschaft Euch gegen mich wenden und mich vernichten könntet.«—»Wer? Ich, Galeotti?«fragte der König mild;»ach, Du verkennst mich! Bin ich nicht gefangen, und sollte ich nicht geduldig sein, da mein Zorn nur meine Ohnmacht offenbaren kann? Sag mir also aufrichtig — Du hast mich zum besten gehabt, oder ist Deine Wissenschaft redlich, und sagst Du mir Wahrheit?«—»Ew. Majestät wird mir verzeihen, «erwiderte Martius Galeotti,»wenn ich hierauf antworte, daß nur die Zeit — die Zeit und der Erfolg den Unglauben besiegen können. Wenn Ihr mir nicht glauben wollt, so kann ich Euch bloß auf den Verlauf der Ereignisse verweisen. Ein paar Tage Geduld wird bewahrheiten oder widerlegen, was ich in Hinsicht des jungen Schotten behauptet habe; und ich will auf dem Rade sterben und mir Glied für Glied zerbrechen lassen, wenn nicht das unerschrockene Benehmen Quentin Durwards Ew. Majestät einen wichtigen Dienst leisten wird.«

Ludwig hielt noch immer Galeotti am Kleide, als er ihn nach der Tür führte, und sprach, indem er sie öffnete, mit lauter Stimme:»Morgen sprechen wir davon. Geht in Frieden, mein gelehrter Vater — geht in Frieden, geht in Frieden!«Er wiederholte diese Worte dreimal und führte den Sterndeuter in die Halle, ihn fest beim Gewande haltend, als ob er fürchte, er könne ihm entrissen und vor seinen Augen umgebracht werden.

Der Generalprofoß betrachtete, während seine Leute sich nach der Entfernung des Königs zur Ruhe anschickten, die stattliche Gestalt des Sterndeuters mit dem Blicke eines Bullenbeißers, der ein Stück Fleisch, das der Koch ihm aus den Zähnen gerissen, mit den Augen verfolgt, während seine Gehilfen ihren Gedanken in kurzen Sätzen Luft machten. So verfloß die Nacht in dem Hubertusturme des Schlosses zu Peronne. Als der erste Strahl des Tages in das alte gotische Gemach drang, rief der König Oliver zu sich, der den Monarchen in seinem Schlafrocke sitzend fand und über die Veränderung erstaunte, die eine Nacht, in Todesangst zugebracht, in den königlichen Gesichtszügen hervorgebracht hatte. Er wollte eben seine Besorgnisse hierüber äußern, allein der König gebot ihm Stillschweigen und setzte ihm die verschiedenen Wege auseinander, die er versucht hatte, sich am Hofe von Burgund Freunde zu erwerben, und die Oliver, sobald ihm gestattet würde, auszugehen, weiter verfolgen sollte.

Nie aber war dieser schlaue Minister über die Einsicht des Königs und seine Bekanntschaft mit allen Triebfedern menschlicher Handlungen erstaunter, als während dieser merkwürdigen Unterredung. Zwei Stunden darauf erhielt Oliver vom Grafen Crevecoeur die Erlaubnis, auszugehen und die Aufträge auszurichten, die ihm sein Herr und Meister anvertraut hatte. Ludwig ließ dann den Sterndeuter wieder holen, dem er aufs neue sein volles Vertrauen zu schenken schien, und hielt mit ihm ebenfalls eine lange Beratung, woraus er allem Anschein nach mehr Mut und Vertrauen schöpfte, als er anfangs gezeigt hatte.

Zwölftes Kapitel

Wie Ludwig, so hatte, nur in noch höherem Grade, auch Karl von Burgund, denn er besaß durchaus nicht die gleiche Herrschaft über seine Leidenschaften, die Nacht in Angst und Unruhe verbracht. Nach der Sitte der Zeit brachten zwei seiner vornehmsten Räte, Hymbercourt und Argenton, die Nacht im Zimmer des Fürsten zu, auf Lagerstätten, die dicht am Bett ihres Gebieters für sie bereitet waren. Ihre Gegenwart war auch nie notwendiger als in dieser Nacht, wo des Herzogs Gemüt, zerrissen von Kummer, Leidenschaft, Begierde nach Rache und Ehrgefühl, einem Vulkan in seinem Ausbruche glich, der die verschiedenen Stoffe, die der Berg in sich verschließt, in eine Masse verschmolzen, auswirft.

Er mochte sich weder auskleiden noch zu Bett legen, sondern brachte die Nacht in leidenschaftlichster Erregtheit zu. In Anfällen von Wut sprach er unaufhörlich und so verworren und schnell, daß die beiden Adelinge befürchteten, er möchte den Verstand verlieren; er sprach von den Verdiensten und der Herzensgüte des ermordeten Bischofs von Lüttich, und rief sich dabei alle die Beweise wechselseitiger Freundschaft, Zuneigung und Vertraulichkeit ins Gedächtnis, bis sich endlich sein Schmerz so gesteigert hatte, daß er sich mit dem Gesicht aufs Bett warf; dann sprang er auf, schritt in dem Zimmer auf und ab, stieß unzusammenhängende Drohungen aus und verschwor sich beim heiligen Andreas und wen er sonst noch für heilig hielt, daß er blutige Rache an dem von der Mark, dem Volke von Lüttich und an demjenigen nehmen werde, der der Urheber des Ganzen sei.

In anderen Augenblicken, wenn seine Wut erschöpft war, saß er unbeweglich mit starrer, düsterer Miene da, als wenn er über einer verzweifelten Tat brüte, zu der er sich aber noch nicht entschließen könne. Unstreitig hätte es nur eines hinterlistigen Winkes von seiten eines seiner Räte bedurft, um ihn zu einem verzweifelten Schritte zu vermögen. Allein die Edeln Burgunds stimmten aus Ehrfurcht gegen die geheiligte Person des Königs, ihres Oberlehnsherrn, und aus Achtung für Treue und Glauben, sowie für die Ehre ihres Herzogs, die auf dem Spiele stand, weil Ludwig im Vertrauen darauf sich in seine Gewalt begeben hatte, einmütig für mildere Maßregeln.

Am dritten Tage langte Graf Campobasso an, und es war sehr gut für Ludwig, daß dieser rachsüchtige Italiener nicht schon da war, als der Herzog noch in seiner ersten Wut war. Unmittelbar nach seiner Ankunft wurden die Räte zu einer Sitzung berufen, um über die zu ergreifenden Maßregeln zu beraten.

Campobasso gab seine Meinung in Form der Fabel vom Wanderer, der Otter und dem Fuchse ab. Er erinnerte den Herzog an den Rat, den Reinecke dem Manne gab, seinen tödlichen Feind, der durch Zufall in seine Gewalt geraten, zu zertreten. Argenton beeilte sich geltend zu machen, daß Ludwig an der zu Schönwald verübten blutigen Tat unbeteiligt sein könnte, daß er sich von der Anschuldigung reinigen könnte, daß er für die Unbilden, die der Herzog auf sein Anstiften in seiner und seiner Verbündeten Besatzung erlitten habe, Genugtuung geben könnte. Er äußerte ferner, daß eine an dem König verübte Gewalttat unfehlbar für Frankreich und Burgund die unglücklichsten Folgen haben müßte, worunter nicht die letzte wäre, daß die Engländer die Erschütterungen und bürgerlichen Zwistigkeiten, die sich notwendig ergeben müßten, wahrnehmen würden, sich wieder in den Besitz der Normandie und Guyennes zu setzen und alle die furchtbaren Kriege zu erneuern, die mit Mühe und einzig nur durch die Vereinigung von Frankreich und Burgund gegen den gemeinschaftlichen Feind beendigt worden seien.

Der Herzog hörte diese Vernunftgründe mit gesenkten Blicken an, seine Augenbrauen zogen sich so fest zusammen, daß sie zu einer buschigen Masse wurden. Als aber Crevecoeur behauptete, er glaube nicht, daß Ludwig Teilnehmer oder auch nur Mitwisser der in Schönwald verübten Greueltat sei, erhob Karl sein Haupt, warf einen stolzen Blick auf seinen Rat und rief:»Habt auch Ihr, Crevecoeur, französisches Geld klimpern hören?«—»Mein gnädigster Herr, «entgegnete Crevecoeur,»meine Hand ist immer mit Stahl, selten mit Gold vertraut gewesen; und daß Ludwig die Unruhen in Flandern veranlaßt hat, steht so fest bei mir, daß ich ihn noch vor kurzem in Gegenwart von seinem ganzen Hofe des Treubruchs beschuldigte und ihn in Eurem Namen in die Schranken forderte. Allein ich glaube keineswegs, daß er die Ermordung des Erzbischofs gutgeheißen, denn ich weiß, daß sogar einer seiner Abgesandten förmlich sich dagegen erklärte, und könnte Euch den Mann zur Stelle schaffen, wenn es Ew. Gnaden gefällig ist.«—»Wir wollen Ludwig von Frankreich selbst sprechen, «erklärte der Herzog,»und selbst die Genugtuung namhaft machen, die wir erwarten und verlangen. Wird er als unschuldig an diesem Morde befunden, so wird die Buße für andere Unbilden leichter werden. Ist er aber schuldig, wer sollte dann nicht behaupten, daß ein Leben, der Buße in einem abgelegenen Kloster gewidmet, eine wohlverdiente und dabei gnädige Strafe sei? Wir wollen uns vormittags auf das Schloß begeben. Einige Artikel sollen aufgesetzt werden, die er annehmen muß, oder wehe seinem Haupte! Die Sitzung ist aufgehoben, und Ihr seid entlassen. Euer Zeuge, Crevecoeur, soll vor uns erscheinen. «Darauf stand er auf und verließ das Gemach.

«Ludwigs Sicherheit, und, was noch schlimmer ist, die Ehre Burgunds hängt an einem Haare, «sagte Hymbercourt zu Crevecoeur und Argenton.»Eile auf das Schloß, Argenton — Du kannst besser reden als Crevecoeur oder ich. Sage Ludwig, welch ein Sturm gegen ihn im Anzuge ist — er wird am besten zu steuern wissen. Hoffentlich sagt sein Leibgardist nichts aus, was ihm zum Schaden gereicht.«—»Der junge Mann, «sagte Crevecoeur,»scheint zwar keck, aber klüger und besonnener, als sich von seinen Jahren erwarten läßt. In allem, was er mir sagte, schonte er den Charakter des Königs, als des Herrn, dem er dient. Ich bin überzeugt, er wird in Gegenwart des Königs ebenso handeln. Ich muß fort, um ihn, wie auch die junge Gräfin von Croye, aufzusuchen.«—»Die Gräfin! Sagtet Ihr uns nicht, Ihr hättet sie in dem St. Brigittenkloster gelassen?«—»Ja, aber ich mußte sie, «sagte der Graf,»auf des Herzogs ausdrücklichen Befehl durch einen Eilboten hierher entbieten lassen; und man hat sie, da sie nicht anders reisen konnte, auf einer Sänfte hergebracht. Sie war äußerst bekümmert, sowohl wegen der Ungewißheit über das Schicksal ihrer Verwandten, der Gräfin Hameline, als auch über das, was ihr bevorsteht, da sie sich dem Schutze ihres Lehnsherrn, des Herzogs Karl, entzogen hat, der unter allen Leuten auf der Welt eine Beeinträchtigung seiner oberherrlichen Rechte am wenigsten nachsieht.«

Die Nachricht, daß sich die junge Gräfin in Karls Händen befinde, gab Ludwigs Betrachtungen einen neuen Dorn. Er besprach sich über die Gegenstände mit großem Ernst mit Herrn von Argenton, dessen Scharfsinn und politische Talente dem Könige weit mehr zusagten, als der offene, militärische Freisinn Crevecoeurs oder der Vasallenhochmut Hymbercourts.

Argenton, ein hellsehender Mann, fühlte sich durch den Beifall des scharfsinnigsten Fürsten in Europa geschmeichelt und konnte sein innerlichstes Wohlgefallen nicht so verbergen, daß nicht Ludwig den auf ihn gemachten Eindruck hätte wahrnehmen sollen…»Einen solchen Diener wünscht' ich zu haben, «sagte Ludwig,»dann wäre ich nicht in dieser unglücklichen Lage.«

Argenton erwiderte, daß die Fähigkeiten, die er besitze, Sr. allerchristlichsten Majestät zu Diensten ständen, soweit er nicht seine Pflichttreue gegen den Herzog Karl von Burgund, seinen rechtmäßigen Herrn, dadurch verletze.

«Und ich sollte der Mann sein, der Euch von dieser Pflicht verlockt?«sprach Ludwig pathetisch.»Droht mir nicht eben jetzt Gefahr, weil ich zu großes Vertrauen auf meinen Vasallen gesetzt habe? Nein, Philipp von Comines, fahrt fort, Karl von Burgund zu dienen, und am besten tun werdet Ihr es, wenn Ihr ihn zu einem billigen Vergleich mit Ludwig von Frankreich bewegt. Bewirkt Ihr dies, so leistet Ihr uns beiden einen Dienst, und einer wenigstens wird dafür dankbar sein. Ich bin ein schlichter Mann, Herr von Argenton, und ich bitte Euch, mir zu sagen, was erwartet Euer Herzog von mir?«—»Ich bin kein Ueberbringer von Vorschlägen, Sire, «sagte Comines;»der Herzog wird Euch bald seine Willensmeinung selbst eröffnen; indes fallen mir einige Punkte bei, die den Vorschlägen wohl zugrunde gelegt werden dürften. So zum Beispiel, die gänzliche Abtretung der Städte hier an der Somme.«—»Das erwartete ich, «versetzte Ludwig. — »Daß Ihr Euch lossagt von den Lüttichern und Wilhelm von der Mark.«—»Ebenso gern, als von der Hölle und dem Satan, «sagte Ludwig. — »Man wird hinlängliche Sicherheit durch Geißeln, Besetzung von Festungen oder auch andere Weise verlangen, damit Frankreich sich in Zukunft enthalte, unter den Flamändern Aufruhr und Empörung anzustiften.«—»Es ist etwas neues, «antwortete der König,»daß ein Vasall von seinem Lehnsherrn Unterpfänder fordert; doch sei es drum. Ist das Verzeichnis Eurer Winke nun zu Ende?«—»Noch nicht ganz, «antwortete der Ratgeber;»es wird auf jeden Fall gefordert, daß Ew. Majestät dem Herzog von Bretagne, wie dies erst kürzlich geschah, nicht länger beschwerlich falle und ihm nicht länger das Recht streitig mache, das ihm, wie allen großen Lehensträgern, zusteht, Münzen zu schlagen und sich Herzog und Fürst von Gottes Gnaden zu nennen.«—»Mit einem Wort, Könige aus meinem Vasallen zu machen! Wollt Ihr, Herr Philipp, daß ich ein Brudermörder werden soll? — Ihr erinnert Euch wohl noch meines Bruders Karl — kaum war er Herzog von Guyenne, als er starb. Was bleibt den Nachkommen Karls des Großen übrig, wenn sie diese reichen Provinzen weggegeben haben, als sich zu Rheims mit Oel salben zu lassen und unter einem Thronhimmel ihr Mittagsmahl einzunehmen?«—»Wir wollen Ew. Majestät Besorgnis hierüber mindern, indem wir Euch einen Genossen bei dieser einsamen Erhöhung geben, «sprach Philipp von Comines.»Obgleich der Herzog von Burgund jetzt noch nicht auf den Titel eines unabhängigen Königs Anspruch macht, so wünscht er dennoch, für die Zukunft von den herabwürdigenden Zeichen der Unterwürfigkeit gegen die Krone Frankreichs befreit zu sein.«—»Und wie kann der Herzog von Burgund, laut seinem Eide Vasall Frankreichs, «rief der König in ungewöhnlicher Gemütsbewegung aufspringend —»seinem Oberherrn Bedingungen vorzuschlagen wagen, die nach allen Gesetzen in Europa die Verwirkung seines Lehens zur Folge haben müssen?«

«Die Strafe der Verwirkung möchte im vorliegenden Falle schwer vollstreckbar sein, «antwortete Argenton ruhig;»denn Ew. Majestät weiß, daß die buchstäbliche Auslegung des Lehensrechtes, selbst im heiligen römischen Reiche, außer Brauch zu kommen anfängt, und daß Lehnsherr und Vasall ihre Lage gegenseitig zu verbessern suchen, sowie sich Macht und Gelegenheit dazu bieten. Ew. Majestät Verbindungen mit des Herzogs Vasallen in Flandern werden das Verhalten meines Herrn entschuldigen, wenn er darauf bestehen sollte, daß durch Erweiterung seiner Unabhängigkeit Frankreich für die Zukunft eines jeden Vorwands, sich auf gleiche Weise gegen ihn zu verhalten, überhoben werde.«—»Argenton!«rief Ludwig aus, indem er abermals aufstand und gedankenvoll im Zimmer auf und ab schritt,»Ihr haltet mir eine furchtbare Vorlesung über den Text: Wehe den Besiegten! Es kann doch wohl nicht Eure Meinung sein, daß der Herzog auf allen diesen harten Bedingungen bestehen sollte?«—»Wenigstens wünschte ich, Ew. Majestät hielte sich bereit, solche sämtlich zu erörtern.«—»Aber Mäßigung, Argenton, Mäßigung im Glück, ist — niemand weiß es besser, als Ihr — notwendig, um alle Vorteile sich zu sichern.«—»Mit Ew. Majestät Erlaubnis, das Verdienst der Mäßigung wird, wie ich schon oft zu bemerken Gelegenheit hatte, stets am meisten von dem verlierenden Teile hervorgehoben. Der gewinnende Teil achtet die Klugheit höher, die ihn auffordert, keine Gelegenheit unbenützt zu lassen.«—»Nun, wir wollen's überlegen, «erwiderte der König;»aber nun bist Du doch wohl mit Deines Herzogs unvernünftigen Forderungen zu Ende? Es kann nichts mehr übrig sein — oder wenn es der Fall ist, wie ich in Deinen Blicken lese — was ist es — was kann es sein — wenn es nicht meine Krone ist, die, wenn ich alle diese Forderungen bewilligte, all ihren Glanz verlöre?«—»Was ich Euch, Sire, noch sagen wollte, «versetzte Argenton,»steht zum Teil — und zwar zum größten Teil — in des Herzogs eigener Macht, allein er wünscht doch, Ew. Majestät Einwilligung dafür zu haben, denn es geht Euch in Wahrheit sehr nahe an.«

«Was ist es? Sprecht, Herr Philipp, «rief der König voll Ungeduld,»welche Schmach hat er mir noch zugedacht?«—»Keine Schmach, Sire; aber da Ew. Majestät Vetter, der erlauchte Herzog von Orleans…«—»Ha!«rief der König; aber Argenton fuhr fort, ohne sich unterbrechen zu lassen —»seine Neigung der jungen Gräfin, Isabelle von Croye, zugewandt hat, so erwartet der Herzog, Ew. Majestät werde von Ihrer Seite sowie er von der seinigen, die Einwilligung zu dieser Verbindung geben und das edle Paar mit einer solchen Apanage ausstatten, die, verbunden mit den Gütern der Gräfin, einem Sohne Frankreichs ein anständiges Auskommen zusichert.«—»Nimmermehr, «rief der König mit einer Heftigkeit, die er nur mit Mühe bisher unterdrückt hatte, und indem er mit großen Schritten und mit einer Hast im Zimmer auf und ab ging, die den grellsten Kontrast zu seiner sonstigen Selbstbeherrschung bildete;»laßt das Kloster oder das Grab vor mir sich auftun — laßt sie glühende Eisen bringen, um mir die Augen auszubrennen — Beil oder Schierling — was man will — aber Orleans soll nie meiner Tochter die geschworene Treue brechen, oder eine andere heiraten, solange sie am Leben ist.«—»Ew. Majestät wird aber, «versetzte Argenton,»bevor Ihr Euch so bestimmt gegen diesen Vorschlag erklärt, bedenken, daß es nicht in Eurer Macht steht, es zu verhindern. Jeder weise Mann wird, wenn er ein Felsstück weichen sieht, von dem fruchtlosen Versuch abstehen, den Sturz desselben verhindern zu wollen.«—»Aber ein tapferer Mann, «entgegnete Ludwig,»wird wenigstens sich unter ihm begraben. — Argenton, betrachte den großen Verlust — den gänzlichen Untergang, dem eine solche Heirat mein Reich entgegenführen muß. Bedenke, daß ich nur einen einzigen schwächlichen Knaben habe, und daß dieser Orleans der nächste Erbe ist. Erwäge, daß die Kirche in seine Verbindung mit Johanna gewilligt hat, wodurch das Interesse beider Zweige meiner Familie so glücklich vereinigt wird — bedenke alles dies, und rechne dazu, wie diese Verbindung der Lieblingsplan meines ganzen Lebens gewesen ist — wie ich darauf gesonnen, dafür gewacht, gefochten, gebetet — ja gesündigt habe! Philipp von Comines, ich will, ich kann ihn nicht aufgeben! Bedenke, Mann, bedenke! Erbarme Dich meiner in dieser Not — Dein erfindungsreicher Kopf wird gewiß bald irgend ein Ersatzmittel für dieses Opfer ersonnen haben. Habt Mitleid mit mir, Philipp! Ihr wenigstens solltet wissen, daß für den, der mit Ueberlegung in die Zukunft blickt, die Vereitlung eines Plans, über dem er lange gebrütet, um den er sich lange abgemüht hat, unaussprechlich bitterer ist als der Kummer gewöhnlicher Menschen, die ihre Befriedigung in irgend einer vorübergehenden Leidenschaft finden.«—»Mein Herr und König!«erwiderte Argenton,»ich nehme Anteil an Eurem Schmerz, insoweit die Pflicht gegen meinen Gebieter — «—»Erwähnt ihn nicht!«sagte Ludwig, wirklich oder scheinbar einem unwiderstehlichen Antriebe weichend, der seine gewöhnliche Vorsicht bemeisterte.»Karl von Burgund ist Eurer Anhänglichkeit nicht wert. — Hat er nicht seine Räte beschimpft und geschlagen — hat er nicht dem weisesten oder treuesten unter ihnen den schimpflichen Beinamen» Stiefelkopf «gegeben?«

Philipp von Comines hatte, trotz seiner großen Klugheit, doch einen hohen Begriff von persönlicher Wichtigkeit und war über die Worte, die dem Könige gleichsam in der Hitze der Leidenschaft entschlüpft waren, so betroffen, daß er nur das Wort» Stiefelkopf!«wiederholen konnte. — »Es ist unmöglich, «sagte er endlich,»daß mein Herr, der Herzog, einen Diener so genannt haben kann, der ihm, seitdem er ein Roß besteigen lernte, immer zur Seite war — und zwar in Gegenwart eines fremden Monarchen? — Nein, das kann nicht sein, kann unmöglich sein!«

Ludwig bemerkte augenblicklich den Eindruck, den er bewirkt hatte, und erwiderte einfach, aber mit Würde:»Mein Unglück läßt mich all meiner Höflichkeit vergessen; denn sonst hätte ich eine Aeußerung nicht getan, die Euch unangenehm zu hören ist. Aber Ihr habt mir in Eurer Antwort Schuld gegeben, ich hätte Dinge gesprochen, die nicht möglich seien; und das greift meine Ehre an. Wenn ich Euch nicht die Umstände erzählen wollte, unter denen dieses beleidigende Wort gefallen ist, so bliebe dieser Vorwurf auf mir sitzen. Die Sache trug sich folgendermaßen zu. Ihr wart auf einer Jagdpartie mit Eurem Herrn, dem Herzog von Burgund, und als er vom Pferde gestiegen, verlangte er, Ihr solltet ihm die Stiefel ausziehen. Da er in Euern Blicken Empfindlichkeit über diese herabwürdigende Zumutung gelesen haben mochte, erwies er Euch denselben Dienst, den er von Euch empfangen hatte. Aber beleidigt darüber, daß Ihr ihn so wörtlich verstanden hattet, hatte er Euch kaum einen Stiefel ausgezogen, als er ihn Euch zornig um den Kopf schlug, bis das Blut herabfloß, und dabei Euch unverschämt schalt, daß Ihr als Untertan die Anmaßung hattet, einen solchen Dienst von der Hand Eures Gebieters anzunehmen; seitdem pflegte er und sein privilegierter Narr, le Glorieux, Euch den abgeschmackten Beinamen Stiefelkopf zu geben, der nun einer der gewöhnlichsten Späße geworden ist.«

Während Ludwig so sprach, hatte er den doppelten Genuß, nicht nur denjenigen, zu dem er sprach, auf das empfindlichste zu verwunden, was ihm immer Vergnügen machte, auch wenn er nicht, wie im vorliegenden Falle, die Entschuldigung hatte, daß er bloß ein Vergeltungsrecht übe — sondern auch den, daß er in Argentons Charakter einen verwundbaren Punkt gefunden hatte, der ihn allmählich dahin bringen konnte, das Interesse Burgunds aufzugeben und sich für das von Frankreich zu entscheiden. Allein obgleich der tiefe Unwille, den der beleidigte Hofmann gegen seinen Gebieter faßte, ihn in der Folge wirklich bewog, Karls Dienste mit denen König Ludwigs zu vertauschen, begnügte er sich doch für jetzt damit, einige Winke über seine freundlichen Gesinnungen gegen Frankreich fallen zu lassen, von denen er wohl wußte, daß der König sie richtig deuten würde, und zwang sich, über die von Ludwig soeben erzählte Anekdote zu lachen.»Ich hätte nie gedacht, daß ein so unbedeutender Scherz dem Herzog solange im Gedächtnis bleiben würde, daß er ihn des Wiedererzählens für wert hielt, «erwiderte er nach einer Weile;»etwas Wahres ist ja an dieser Geschichte; und Ew. Majestät weiß, daß der Herzog einen derben Spaß liebt; allein er hat sie sehr aufgebauscht. Doch, lassen wir das!«—»Ja, lassen wir das!«sagte auch der König;»es wäre eine Schande, wenn wir uns länger dabei aufhalten sollten. Und jetzt, Herr Philipp, hoffe ich, seid Ihr französisch genug gesinnt, um mir in dieser schwierigen Lage nach Eurem besten Wissen zu raten. Ihr habt, wie ich wohl weiß, den Faden zu diesem Labyrinth, wenn Ihr ihn mir nur mitteilen wollt.«—»Ew. Majestät hat über meinen besten Rat und meine Dienste zu befehlen, «erwiderte Argenton;»unbeschadet jedoch der Pflichten, die ich gegen meinen Gebieter habe.«

Dies war so ziemlich dasselbe, was der Hofmann schon vorhin erklärt hatte; allein diesmal sprach er es in einem ganz andern Tone, so daß Ludwig, wenn er aus der ersten Erzählung abnehmen mußte, daß die vorbehaltene Treue gegen Burgund die einzige in Betracht kommende Rücksicht war, jetzt fand, daß er mehr Nachdruck auf den versprochenen Rat, als auf den Vorbehalt legte, der nur der Form und Schicklichkeit wegen beigefügt zu sein schien. Der König nahm seinen Sitz wieder ein und nötigte Argenton, Platz zu nehmen. In der Unterhaltung, die sich nun entspann, lieh Ludwig diesem Staatsmann mit einer Aufmerksamkeit sein Ohr, als ob seine Worte Orakelsprüche wären. Argenton sprach in dem leisen, eindringlichen Ton, der zugleich Aufrichtigkeit und große Vorsicht andeutet, dabei aber so langsam, als ob der König jedes einzelne Wort so abwägen und beachten solle, als habe es einen besondern und bestimmten Sinn.

«Das, was ich Ew. Majestät zur Erwägung vorgelegt habe, hat, so hart es in Euren Ohren tönen mochte, doch nur weit schlimmere Vorschläge verdrängt, die im Staatsrate des Herzogs zur Sprache gebracht wurden. Ich brauche wohl Ew. Majestät nicht in Erinnerung zu bringen, daß gerade die bösesten Ratschläge bei unserm Gebieter das geneigteste Gehör finden, der immer kurze, gefahrvolle Maßregeln mehr liebt als solche, die zwar sicherer, aber umständlicher sind.«—»Ja, ich erinnere mich, «versetzte der König,»daß ich ihn einst über einen Fluß mit Gefahr des Ertrinkens schwimmen sah, ob er gleich zweihundert Schritte davon über eine Brücke hätte reiten können.«—»Jawohl, Sire; und wer sein Leben an die augenblickliche Befriedigung einer ungestümen Leidenschaft setzt, der wird bei derselben Anregung die wesentliche Vermehrung seiner Macht nicht achten, wenn er nur seinen Willen durchsetzen kann.«—»Sehr wahr, «erwiderte der König;»ein Tor wird immer mehr nach dem Scheine als nach der Wirklichkeit des Ansehens haschen; ich weiß, daß alles dies bei Karl von Burgund zutrifft. Aber, Freund Argenton, was folgert Ihr aus diesen Vordersätzen?«—»Weiter nichts, gnädigster Herr, «antwortete Argenton,»als daß es klug sein möchte, wenn Ihr dem Herzog in denjenigen Stücken nachgebt, auf die er nach seinen Begriffen von Ehre und Rachgier erpicht ist.«—»Ich verstehe, Herr Philipp; aber an welchen von seinen trefflichen Stücken hängt Euer Herzog so, daß Widerspruch ihn nur aufbringen und unfügsam machen würde?«—»Ew. Majestät sollte, um meines vorigen Gleichnisses mich zu bedienen, auf der Hut sein und doch immer bereit, dem Herzoge, wenn er in einem Anfalle von Wut fortschießt, hinlänglich Schnur frei zu lassen. Sein Ungestüm ist schon bedeutend geschwächt und wird sich von selbst aufreiben, wenn er keinen Widerstand findet, und Ihr werdet bald sehen, daß er biegsamer und gefälliger wird.«—»Es müssen aber doch, «sagte der König nachsinnend,»unter den Vorschlägen, die mir mein Vetter macht, einige sein, die ihm vor andern am Herzen liegen. Wenn ich nur erst diese wüßte, Herr Philipp — «»Ew. Majestät kann die unbedeutendsten Forderungen in seinen Augen zu den wichtigsten machen, wenn Ihr Euch denselben widersetzt, «sagte Argenton;»doch kann ich, gnädigster Herr, soviel mit Gewißheit sagen, daß von irgend welchem Vertrag nicht im geringsten die Rede sein wird, wenn Ew. Majestät nicht Wilhelm von der Mark und die Lütticher aufgibt.«—»Ich habe bereits gesagt, daß ich mich von ihnen lossagen will, «sagte der König,»und sie haben es auch um mich verdient; die Schufte begannen ihren Aufruhr in einem Augenblicke, in welchem es mir leicht das Leben hätte kosten können.«—»Herzog Karl wird mehr als bloße Lossage verlangen; er wird auf Ew. Majestät Beistand zur Unterdrückung des Aufstandes und auf Eurer Gegenwart als Zeuge der über die Aufrührer verhängten Strafe bestehen.«—»Das wird sich schwerlich mit unserer Ehre vertragen, Argenton, «sagte der König. — »Es zu verweigern, wird sich aber kaum mit Ew. Majestät Sicherheit vertragen, «erwiderte Comines.»Karl ist entschlossen, dem Volke von Flandern zu zeigen, daß ihnen keine Hoffnung auf Beistand und Hilfe von seiten Frankreichs gegen den Zorn und die Rache Burgunds bleibt.«—»Aber, Argenton, um offen zu sprechen, «entgegnete der König,»sollten die Lütticher Schelme, wenn wir nur die Sache etwas aufschieben könnten, sich nicht gegen Herzog Karl halten können? Sie sind zahlreich und mutvoll.«—»Mit Hilfe der tausend französischen Bogenschützen, die Ew. Majestät ihnen versprach, hätten sie schon etwas ausrichten können: aber — «»Die ich ihnen versprochen?«fragte der König;»nein, guter Herr Philipp, Ihr tut mir wahrlich sehr unrecht.«—»Aber was können die Bürger ohne diese Unterstützung, «fuhr Argenton fort, ohne sich an die Worte zu kehren,»von einer Verteidigung ihrer Stadt erhoffen, in deren Mauern die großen Breschen, die Karl nach der Schlacht bei St. Trond gerissen, noch immer nicht ausgebessert sind, so daß die Lanzen von Hennegau, Brabant und Burgund zwanzig Mann hoch zum Angriffe anrücken können?«

«Die unvorsichtigen Dummköpfe!«rief der König —»wenn es ihnen so wenig um ihre eigene Sicherheit zu tun war, so verdienen sie auch meinen Schutz nicht. Fahrt fort — ich will mir ihretwegen keine Ungelegenheit machen.«—»Der nächste Punkt, fürchte ich, wird Ew. Majestät näher zu Herzen gehen, «sagte Comines. — »Ach!«rief der König,»Ihr meint die unselige Heirat! Ich werde nun und nimmermehr der Auflösung des Vertrages zwischen meiner Tochter Johanna und meinem Vetter Orleans meine Einwilligung geben; das hieße mir und meinen Nachkommen das Zepter von Frankreich aus den Händen winden; denn mein schwächlicher Knabe, der Dauphin, ist ein taube Blüte, die abfällt, ohne jemals Früchte zu tragen. Diese Verbindung zwischen Johanna und Orleans ist mein Gedanke bei Tag und mein Traum bei Nacht gewesen. Ich sage Dir, Argenton, ich kann sie nicht aufgeben! Ueberdies ist es unmenschlich, von mir zu verlangen, daß ich mit eigner Hand mein eigenes politisches Gebäude und zugleich das Lebensglück eines von Jugend auf füreinander erzogenen Paares zerstören soll.«—»Haben sie denn wirklich solche Zuneigung zueinander?«fragte Argenton. — »Von der einen Seite ist dies wenigstens der Fall, «versetzte der König,»und gerade von der Seite, die mir die meiste Sorge zur Pflicht macht. Aber Ihr lächelt, Herr Philipp — Ihr glaubt nicht an die Macht der Liebe.«—»Im Gegenteil, «sagte Argenton,»ich bin, mit Eurer Erlaubnis, in dieser Hinsicht so strenggläubig, daß ich Euch eben fragen wollte, ob Euch nicht die Versicherung, daß die Neigung der jungen Gräfin sich einem andern zugewandt habe, so daß es wahrscheinlich nie zu besagter Heirat kommen wird, bestimmen könnte, in die Vermählung des Herzogs von Orleans mit Isabelle von Croye zu willigen?«

König Ludwig seufzte. — »Ach, mein teurer Freund, «sprach er dann,»aus welchem Grabe habt Ihr solchen Trost für Tote geholt? — Ihre Neigung, ja freilich! — Wenn, in Wahrheit zu reden, Orleans auch meine Tochter Johanna verabscheute, so hätte er ohne dieses unselige Gewebe von Mißgeschick sie auf jeden Fall ehelichen müssen. Daraus könnt Ihr nun wahrnehmen, wie wenig Hoffnung vorhanden ist, daß dieses Jungferchen unter gleichem Zwange seine Hand ausschlagen wird, zumal er ein Sohn Frankreichs ist. — Nein, nein, Philipp! — es ist Wohl nicht zu besorgen, daß sie gegen die Bewerbungen eines solchen Freiers lange standhalten werde.«

«Ew. Majestät möchte im vorliegenden Falle den halsstarrigen Mut dieser jungen Gräfin doch zu gering anschlagen. Sie stammt aus einem eigenwilligen Geschlecht; und ich habe von Crevecoeur erfahren, daß sie eine romantische Neigung zu einem jungen Schildknappen hegt, der ihr allerdings auf der Reise manche Dienste geleistet hat.«—»Ha!«rief der König,»ein Bogenschütze meiner Garde, Quentin Durward?«—»Ich denke, ja!«sagte Argenton;»er wurde mit der Gräfin gefangen genommen, als er fast ganz allein mit ihr reiste.«—»Nun, gelobt sei Jesus Christ!«rief der König,»und Lob und Ehre dem gelehrten Galeotti, der in den Sternen las, daß dieses jungen Mannes Geschick mit dem meinigen verbunden sei! Ist das Mädchen ihm so zugetan, daß sie dadurch gegen Burgunds Willen sich widerspenstig zeigt, so ist dieser Quentin mir von großem Nutzen gewesen.«—»Nach dem, was mir Crevecoeur berichtet hat, ist allerdings einige Hoffnung vorhanden, daß sie auf ihrem Sinne beharren werde; überdies wird ohne Zweifel der edle Herzog ungeachtet der von Ew. Majestät geäußerten Vermutung schwerlich die Ansprüche auf die Hand seiner schönen Muhme, mit der er schon so lange verlobt ist, so bereitwillig aufgeben wollen.«—»Hm!«versetzte der König —»Ihr habt meine Tochter Johanna noch nie gesehen. — Eine Vogelscheuche, Mann! eine wahre Nachteule ist sie, deren ich mich schäme! Aber wenn er nur so klug ist, sie zu heiraten, so mag er meinetwegen sich bis über die Ohren in das schönste Kind in Frankreich verlieben. — Und nun, Philipp, habt Ihr Euch mit allen Falten des Gemüts Eures Gebieters vertraut gemacht?«

«Ich habe Ew, Majestät mit allem bekannt gemacht, worauf er zu bestehen jetzt willens ist. Allein Ew. Majestät weiß, daß des Herzogs Stimmung einem brausenden Gießbach gleichkommt, der nur dann in seinem Bette bleibt, wenn er keinen Widerstand findet; was aber noch sich zeigen könnte, ihn aufs neue in Wut zu bringen, läßt sich schwer berechnen. Würden sich noch nähere Beweise für Ew. Majestät Intriguen — verzeiht mir diesen Ausdruck, da jetzt so wenig Zeit für Zeremonien ist — mit den Lüttichern und Wilhelm von der Mark herausstellen, dann könnte es allerdings noch schlimmer werden. Es sind seltsame Nachrichten aus jener Gegend hier eingelaufen, — man erzählt sich, Wilhelm von der Mark habe Hameline, die ältere Gräfin von Croye, geheiratet.«—»Die alte Törin war ja so heiratslustig, daß sie des Satans Hand nicht ausgeschlagen hätte, «versetzte der König,»aber daß der von der Mark, so roh er auch ist, sie geheiratet haben sollte, würde mich noch mehr in Erstaunen setzen.«—»Ferner geht die Sage, «fuhr Comines fort,»daß ein Abgesandter oder Herold von seiten Wilhelms von der Mark unterwegs nach Peronne sei; — ein Umstand, der schon allein hinreichend wäre, den Herzog zur Raserei zu bringen — hoffentlich hat er nicht Briefe oder dergleichen von Ew. Majestät aufzuweisen?«—»Ich sollte an den wilden Eber schreiben?«antwortete der König.»Nein, nein, Herr Philipp, solcher Tor, Perlen vor die Schweine zu werfen, war ich nie; — mein geringer Verkehr mit dem wilden Tiere wurde durch Landstreicher und gemeines Gesindel gefühlt, deren Zeugnis nicht einmal bei einem Hühnerdiebstahl gelten möchte.«—»So kann ich denn Ew. Majestät nur noch empfehlen, «sagte Argenton, sich beurlaubend,»auf der Hut zu sein und vor allen Dingen Worte oder Beweise zu meiden, die mehr Eurer Würde, als Eurer jetzigen Lage angemessen sein dürften.«

«Wenn meine Würde, «versetzte der König,»mir einen Spuk machen will — was selten der Fall ist, wenn ich an höhere Interessen zu denken habe, — so habe ich ein sicheres Mittel, zu verhindern, daß sie mir nicht das Herz aufbläht. — Ich brauche dann nur in das zerstörte Kabinett einen Blick zu werfen, Herr von Comines, und an den Tod Karls des Einfältigen zu denken; dies heilt mich, wie ein kaltes Bad das Fieber, — Und jetzt, mein Freund und Warner, mußt Du gehen? Wohl denn, Herr Philipp, es wird ja eine Zeit kommen, wo Du es müde werden wirst, dem Stier von Burgund Vorlesungen über Staatspolitik zu halten. — Wenn Ludwig von Valois dann noch lebt, so findest Du einen Freund an Frankreichs Hofe. Ich sage Dir, es wäre ein Segen für mein ganzes Reich, wenn ich Dich gewinnen könnte, denn bei aller tiefen Einsicht in die Politik hast Du noch ein Gewissen, Recht und Unrecht zu fühlen und zu unterscheiden. So wahr mir Gott helfe, Oliver und Balue haben Herzen so hart, wie Mühlsteine, und mein Leben ist mir durch Gewissensbisse und Reue über Verbrechen verbittert worden, zu denen sie mir rieten. Du aber, Philipp, vereinigst die Weisheit der Gegenwart und der Vergangenheit, Du kannst mich lehren, wie man groß wird, ohne Tugend zu verabsäumen!«

«Eine schwere Aufgabe, die nur wenige zu lösen wußten, «sagte Comines;»doch ist sie Fürsten, die nach ihr streben wollen, noch immer erfüllbar. Vor der Hand, Sire, haltet Euch bereit, denn der Herzog wird gleich hier erscheinen, um mit Euch zu unterhandeln.«

Ludwig sah Philipp lange nach, als er das Zimmer verließ, und brach endlich in bitteres Lachen aus.»Er dünkt sich tugendhaft, weil er die Börse nicht nahm, sondern sich mit Schmeicheleien, Versprechungen und dem Genuß abspeisen ließ, für gekränkte Eitelkeit Rache nehmen zu können! Nun, er ist um so viel ärmer, da er das Geld ausgeschlagen hat — und nicht um ein Jota ehrlicher. Gleichviel muß er mein sein, denn er ist der schlaueste Kopf unter allen. — Jetzt geht es an ein edleres Wild! Jetzt hab ich's mit dem Leviathan Karl zu tun. Gleich dem furchtsamen Schiffsmann muß ich ihm eine Tonne zum Spiel über Bord weisen, aber ich werde schon noch eines Tages die Gelegenheit erwischen, ihm eine Harpune in die Eingeweide zu bohren.«

Dreizehntes Kapitel

An dem Vormittag, welcher der wichtigen und nicht minder gefahrvollen Zusammenkunft zwischen den beiden Fürsten im Peronner Schlosse vorausging, war Oliver Le Dain seinem Herrn der geschäftigste, gewandteste Unterhändler, den König Ludwig sich nur irgend wünschen konnte. Er gewann ihm überall Freunde und Förderer, bald durch Geschenke, bald durch Versprechungen; wie schon in der Nacht vorher, schlich er von Zelt zu Zelt, von Behausung zu Behausung, und wie es von andern politischen Agenten geheißen hat,»war sein Finger in jedermanns Hand und sein Mund in jedermanns Ohr«— kurz und gut, er sorgte dafür, daß die Ansicht Oberwasser bekam, daß man nicht allzu lebhaftes Interesse hätte, sich aus dem Regen selbst in die Traufe zu bringen, und daß es der Burgunder Herzog wohl um so weniger an despotischem Gelüst fehlen lassen möchte, wenn er» allein Hahn im Korbe wäre«; daß es also in ihrem eigenen Interesse läge, nicht den einen Herrscher völlig zu ducken, um den andern allein auf den Schild zu heben, sondern daß sie besser dabei fahren würden, wenn sie nach wie vor darauf hielten, einen gegen den andern ausspielen zu können. Und so erreichte denn Oliver von dem Grafen Crevecoeur, wenn auch mit einiger Mühe, die Erlaubnis, in Gegenwart Balafrés und mit Einverständnis Lord Crawfords, des Korpskommandanten, eine Unterredung mit Quentin Durward zu führen, der seit seiner Rückkehr nach Peronne in einer Art von Ehrenhaft gehalten wurde. Um nun diese Erlaubnis zu erhalten, mußten allerdings Privatsachen herhalten; indes ist es doch nicht so unwahrscheinlich, daß sich Graf Crevecoeur, aus Besorgnis, sein Herr und Gebieter mochte sich durch seine Leidenschaftlichkeit zu irgend einer unverantwortlichen Handlung gegen Ludwig hinreißen lassen, ganz gern dafür entschied, Lord Crawford mit dem jungen Schotten verhandeln zu lassen, weil er annehmen durfte, daß es dabei ohne nützliche Verhaltungswinke für den letzteren nicht abgehen werde.

Die beiden Landsleute waren äußerst erfreut über dieses Wiedersehen, und Lord Crawford strich dem jüngern Freunde zärtlich mit der Hand durch das lange, blonde Haar.»Du bist doch wirklich ein wunderlicher Jüngling, «hub er an,»Du hast ja bei allem, was Du unternimmst, mehr Glück, als wenn Du mit einer Glückshaube zur Welt gekommen wärest,«—»Das kommt doch einfach bloß daher, «bemerkte Balafré zur Sache,»weil er als solch junger Grünschnabel schon in unser Korps eingestellt worden ist. Von mir ist nicht halb soviel die Rede, trotzdem ich schon über ein Vierteljahrhundert dabei bin.«—»Du warst aber auch das richtige Ungeheuer von Page, meiner lieber Ludwig, «erwiderte Crawford,»hattest einen Bart wie ein Jude, der sich drei Jahre lang nicht hat scheren lassen, und einen Rücken so breit wie ein Keiler.«—»Leider werde ich wohl nicht mehr lange Anspruch auf diese Ehre, Bogenschütze Seiner allerchristlichsten Majestät zu sein, erheben dürfen, «erwiderte Quentin mit zu Boden gesenktem Blicke..»denn ich werde mich wohl entschließen müssen, diesen Dienst zu quittieren.«

Der Oheim Balafré war außer sich vor Erstaunen, und aus den Zügen des alten Lords sprach das tiefste Mißfallen…»Was fällt Dir ein, «rief endlich Balafré,»Du willst Deinen Dienst quittieren? wer hätte sich dergleichen träumen lassen? mir könnte das nicht passieren, und wenn ich Aussicht hätte, Großkonnetable von Frankreich zu werden,«—»Ruhig, Ludwig!«sprach Lord Crawford,»der Jüngling weiß besser als wir, wie man nach dem Winde steuern muß, denn ihm ist mehr Wind um die Ohren gestrichen, und wir fangen an, zum alten Register zu gehören. Auf seiner Tour wird er wohl manches über König Ludwig vernommen haben, was ihm nicht recht behagt; und wenn er daraufhin burgundisch wird und der Meinung ist, mehr herausschlagen zu können, wenn er den Herzog davon in Kenntnis setzt, nun, so läßt sich unsererseits doch nichts dagegen tun.«—»Wenn das seine Gedanken wären, Lord Crawford, «rief Balafré,»so schnitte ich ihm selber die Kehle durch, gleichviel ob er meiner Schwester Kind ist.«»Aber ohne zuvor zu untersuchen, ob ich solche Behandlung auch verdiene, «sagte Quentin Durward,»würdet Ihr mich solcher Prozedur doch Wohl nicht unterziehen, Ohm? Und Ihr, Mylord, wißt wohl, daß sich die Rolle eines Zuträgers für mich nicht schickt. Möchte mir während meines Dienstes bei König Ludwig auch das Schlimmste zu Ohren gekommen sein, so könnt's doch keine Folter über meine Lippen zerren! Insoweit weiß ich, was ich meinem Diensteide schuldig bin. Aber ich habe keine Lust, in einem Dienste zu verbleiben, in welchem ich nicht bloß den Streichen meiner Feinde im offenen Kampfe, sondern auch den verräterischen Tücken meiner Freunde ausgesetzt bin.«—»Wenn das der Fall sein sollte, «nahm Valafré das Wort, indem er auf seinen Kommandanten einen kummervollen Blick heftete,»dann muß ich freilich fürchten, Mylord, daß kein Rat mehr mit ihm sein wird. Ich hab ja selbst ein paar Dutzend Male gegen solche Hinterlist ankämpfen wollen, die leider unserm König nicht abzugewöhnen ist, denn sie bildet nun einmal seine beliebteste Kriegsmanier.«—»Freilich, Ludwig, freilich!«pflichtete ihm Lord Crawford bei,»aber schweigen wir lieber, kommt es mir doch so vor, als ob Du der Sache mehr auf den Grund blicktest als ich.«—»Aber trotzdem kann ich's nur schwer verwinden, Mylord, «sagte Balafré,»daß ich mir sagen muß, meiner Schwester Sohn habe Dampf vor Türken und Hinterhalten.«

«Mein Sohn, «wandte sich nun Lord Crawford an Quentin Durward,»ich glaube den Sinn Deiner Worte zu erraten: Du bist auf der Reise, die Du auf Befehl unternommen, hinter Dinge gekommen, die Dir als Verrat erscheinen, und als Urheber davon vermutest Du nun Deinen König?«—»Allerdings hat der König mir nachgestellt, während ich für ihn unterwegs war. Aber ich bin so glücklich gewesen, diesen Anschlägen zu entgehen. Wie Seine Majestät solches Verhalten vor Gott und seinem Gewissen verantworten kann, das mag ihm überlassen bleiben. Er hat mich gespeist, als ich hungrig war, hat mich beherbergt, als ich ein irrender Fremdling war. In seinem Unglück ihn mit Anschuldigungen zu belasten, soll mir nie beikommen, denn es könnte sein, daß das, was mich dabei nicht persönlich angeht, nicht völlig auf Wahrheit beruht. Die Quellen, aus denen ich schöpfen mußte, sind schließlich nicht die allerreinsten.«—»Mein wackrer Sohn!«rief da Lord Crawford, den Jüngling in die Arme schließend,»das nenn' ich gesprochen, wie es eines echten Schotten würdig ist! Du denkst wie einer, der sich nur des Guten von dem Menschen erinnert, den er schon mit dem Rücken am Henkerpfahle stehen sieht.«—»Nun, da Mylord meinem Neffen solch herzliche Ehre antut, «rief Balafré,»hab ich wohl nicht nötig, sie ihm vorzuenthalten. immerhin, Junge, solltest Du wissen, daß dem Soldaten der Dienst im Hinterhalt so wichtig ist und so nötig wie dem Priester sein Meßbuch.«—»Still, Ludwig!«wehrte ihm Lord Crawford,»Du weißt nicht, wie dankbar Du dem Himmel sein mußt, daß er Dir diesen wackern Burschen gesandt hat. Du aber, Quentin, sage mir, ob der König um Deine mannhafte, christliche Gesinnung weiß? es sollte dem unglücklichen Herrscher doch nicht vorenthalten bleiben, auf wen er in seinen Nöten bauen darf. Ach, hätte er doch nur sein ganzes Leibgardekorps mit hergeführt! Aber wer kann gegen Gottes Willen? Wie gesagt, Quentin, weiß der König um Deinen Entschluß?«

«Das zu sagen, Mylord, bin ich außerstande, «versetzte Quentin,»aber seinem Sterndeuter Galeotti habe ich die Versicherung gegeben, daß es mein fester Wille sei, über alles, was dem Könige nachteilig werden könnte, tiefstes Stillschweigen zu wahren gegenüber dem Herzoge von Burgund. Was mir als besonders verdächtig erschienen ist, «setzte er hinzu,»werde ich übrigens auch Euch nicht mitteilen, Mylord, und umsoweniger habt Ihr also Grund zu der Annahme, ich hätte Lust haben können, dem Philosophen mein Inneres zu erschließen.«—»Brav, mein Sohn! brav!«rief der Lord,»mir fällt ein, daß Oliver gesagt hat, der Galeotti habe prophezeit, wie Ihr Euch verhalten würdet; da bin ich nun freilich froh, daß er die Kunde aus einer sichereren Quelle geschöpft hat als aus einem Gestirn. aber, Ludwig! wir müssen Deinen Neffen nun verlassen und wollen zu unsrer lieben Frau beten, daß sie ihn in seinem guten Sinne auch fürderhin bestärke, denn es liegt hier ein Fall vor, wo ein einziges ungeschicktes Wort größeres Unheil stiften könnte, als das ganze Parlament von Paris wieder gut zu machen vermöchte. Nimm also meinen Segen, mein Sohn, und den Rat: beeile Dich nicht zu sehr, unser Korps zu verlassen, denn es wird bald tüchtige Wamse bei hellem Tage setzen, und nicht mehr in Hinterhalten.«—»Und meinen Segen, Junge, will ich Dir nicht vorenthalten, «sagte Ludwig Lesley,»denn wenn mein edler Hauptmann zufrieden mit Dir ist, dann darf ich keine Ursache mehr zur Unzufriedenheit finden.«

«Noch eine kurze Weile verzeiht, Mylord, «sagte Quentin, indem er den Korpskommandanten beiseite nahm,»ich darf nicht unerwähnt lassen, daß es noch jemand in der Welt gibt, der über die näheren Umstände von mir aufgeklärt worden ist, die jetzt um der Sicherheit des Königs Ludwig willen verschwiegen bleiben müssen. Diese Person dürfte vielleicht meinen, daß ihr nicht die gleiche Verpflichtung, zu schweigen, obliegt, wie mir als Dienstmann Ludwigs…«—»Ihr, sagt Ihr?«rief Lord Crawford,»o weh! wenn's ein Frauenzimmer ist, die drum weiß, dann sei uns Gott gnädig! da säßen wir ja wieder ganz gehörig in der Tinte!«—»Das braucht Ihr nicht zu meinen, Mylord!«versetzte Durward,»doch macht Euren Einfluß bei dem Grafen Crevecoeur geltend, daß er mir eine Unterredung mit Gräfin Isabelle gestatte. Denn sie allein ist's, die um das Geheimnis weiß, und ich zweifle nicht, daß es mir gelingen werde, sie in gleicher Weise zum Stillschweigen zu bestimmen, wie das mir meinem eignen Ich gegenüber gelungen ist.«

Der alte Soldat stand einen Augenblick überlegend da, dann richtete er den Blick bald auf die Dielen, bald zur Decke hinauf, dann schüttelte er den Kopf — dann sagte er:»Weiß der Himmel! aber hinter dieser ganzen Geschichte steckt noch etwas, das ich nicht verstehe. Gräfin Isabelle von Croye? und mit der wolltest Du Springinsfeld schottischer Herkunft eine Unterredung haben? mit einer Dame von ihrer Geburt, von ihrem Rang und Reichtum? Entweder hast Du zu hohes Vertrauen in dich, mein Sohn, oder Du hast unterwegs Deine Zeit vermaledeit gut verwendet! Immerhin will ich mit Crevecoeur in dieser Sache reden, und da er tatsächlich fürchtet, sein hitzköpfiger Herr könnte sich zu etwas Verdrießlichem von seiner Leidenschaft hinreißen lassen, so wird er wohl, denke ich, in Dein Begehren willigen, so seltsam und absonderlich es ihm auch, meiner Sixen, erscheinen wird.«

Hierauf verließ der Lord das Zimmer, achselzuckend und in Begleitung Balafrés, der nichts Besseres wußte, als ebensolche geheimnisvolle Miene aufzusetzen wie sein Kommandant.

Es dauerte nicht lange, so kehrte Lord Crawford wieder zurück, aber ohne seinen Schatten Balafré, und mit weit heitrerer Miene als vorhin. Ja er lachte und kicherte in sich hinein, auf eine Art, wie sie gar nicht recht zu seinem rauhen, runzligen Gesicht passen mochte. Dann wieder schüttelte er den Kopf, wie über eine Sache, die wohl seinen Tadel verdiente, die ihm aber nichtsdestoweniger außerordentlich albern vorkam.»Wirklich, Landsmann!«sagte er endlich,»blöde seid Ihr nicht, und aus Schüchternheit werdet Ihr sicherlich keine Schöne einbüßen. Crevecoeur kam mir vor wie einer, der Essig schluckt, als er Euren Vorschlag vernahm, und bei allen Heiligen Burgunds verschwor er sich, Euch keinen Schritt zu der Gräfin vergönnen zu wollen, wenn nicht gerade die Ehre der beiden Fürsten und der Friede der beiden Reiche auf dem Spiele stünde! Wäre er nicht schon verheiratet, so hätte ich, weiß Gott! gedacht, er wolle um der schönen Isabelle Hand selbst noch eine Lanze brechen! aber er denkt vielleicht an seinen Neffen, den Grafen Stephan? Seh einer an! Aber auf die Unterredung, das sage ich Euch, darf viel Zeit nicht verloren gehen, denn sonst möchte dem Grafen Crevecoeur die Geduld reißen! Hahaha! schmälen kann ich mit Euch, weiß Gott! nicht ob solcher Anmaßung, aber lachen, herzlich lachen muß ich darüber!«

Scharlachrot im Gesicht ob dieser Worte des alten Kriegers, aber schweigend, weil er sich sagte, daß jedes Wort die Sache nur verschlimmern würde, folgte Durward seinem Kommandanten in das Kloster, worin die Gräfin Zuflucht genommen hatte. Dort traf er im Sprechzimmer den Grafen Crevecoeur.»Also, junger Schwerenöter, «sprach dieser in gemessenem Tone,»wie es scheint, müßt Ihr die holde Partnerin Eurer romantischen Spritzfahrt durchaus noch einmal sehen?«—»Allerdings, Herr Graf, «antwortete Durward kalt, aber fest,»und was noch mehr ins Gewicht fallen dürfte, ich muß sie unter vier Augen sehen und sprechen.«—»Das wird nimmermehr der Fall sein, «versetzte entschieden der Graf,»urteilt selbst, Lord Crawford! die junge Dame ist die Tochter meines ältesten und wertgeschätztesten Waffengefährten, dabei die reichste Tochter der burgundischen Lande, und sie hat zugegeben, daß sie eine — na, wie soll ich sagen? — na, eine Törin ist, Euer Kriegsmann dort aber ein anmaßender junger Geck. kurz und gut, unter vier Augen dürfen sie einander nicht sehen. auf keinen Fall!«.»Nun, dann werde ich eben in Eurer Gegenwart kein Wort mit der Gräfin reden, «versetzte Quentin;»Ihr habt mir ja mehr bekannt gegeben, als ich bei aller mir eigentümlichen Anmaßung zu hoffen mich getraut hätte.«—»In Wahrheit, Freund, «nahm jetzt Lord Crawford das Wort,»Ihr seid mit Euren Reden nicht vorsichtig genug gewesen. Da Ihr Euch aber auf mich beruft, so möchte ich meinen, daß im Sprechzimmer ja doch ein ziemlich starkes Gitter den Klosterinsassen von dem Besucher absperrt. Ich denke, daraufhin könntet Ihr doch wohl ruhig es darauf ankommen lassen, was sie mit ihren Jungen anfangen werden? Wenn das Leben eines Königs und vieler seiner Edeln und Untertanen von der Unterredung solches jungen Menschen mit einer jungen Dame in gewissem Grade abhängt, dann meine ich, sollte man sie zusammen in aller Ruhe schwatzen lassen.«

Mit diesen Worten zog Lord Crawford den Grafen aus dem Zimmer. Er folgte, wenn auch nicht ohne Widerstreben, dem klügeren Greise, konnte aber nicht umhin, den jungen Bogenschützen noch mit recht zornigen Blicken zu messen. Gleich darauf trat Gräfin Isabelle ein, und zwar von der anderen Seite des Gitters. Kaum hatte sie den jungen Schotten allein in dem Sprechzimmer erblickt, als sie stehen blieb und ein paar Sekunden lang die Augen zu Boden geschlagen hielt…»Aber warum sollte ich undankbar sein?«sagte sie schließlich?» weil andre mich mit ungerechtem Argwohn verfolgen?… Mein Freund, mein — Retter, denn so muß ich Euch nennen — da ich von allen Seiten von Verrat umringt war — mein einzig treuer und aufrichtiger Freund!«Sie reichte ihm durch das Gitter die Hand und ließ sie in der seinen ruhen, ja, sie ließ es zu, daß er sie mit Küssen bedeckte.. Dann aber sagte sie:»Quentin Durward! sollten wir uns jemals wiedersehen, so würde ich diese Torheit Euch nie erlauben!«— Dann entzog sie ihm ihre Hand, trat einen Schritt vom Gitter weg und fragte Durward in einem ziemlich verlegenen Tone: was er eigentlich von ihr wolle?» Denn daß Ihr mich um etwas bitten wollt, hat mir der alte schottische Lord gesagt, der mit dem Grafen Crevecoeur bei mir war. Aber um eins möchte ich bitten: sprecht nichts, was uns beiden, denn es ist wohl anzunehmen, daß wir belauscht werden, zum Nachteil gereichen könnte.«—»Seid ohne Furcht, edles Fräulein, «erwiderte Quentin besorgt;»blickt nicht zurück, sondern vorwärts, standhaft vorwärts! wie alle tun müssen, die auf gefahrvollem Pfade wandeln, und höret mich an! König Ludwig hat es um Euch nicht besser verdient, als daß er öffentlich als hinterlistiger Ränkeschmied erklärt werde. Im gegenwärtigen Augenblick würde es aber, wenn nicht seinen Tod, so doch den Verlust seiner Krone bedeuten, wenn er angeklagt würde als derjenige, der Euch zu Eurer Flucht geraten, ja der den Plan ersonnen hat, Euch dem Eber von der Mark in die Hände zu liefern; und ganz ohne Zweifel dürfte feststehen, daß es infolge solcher öffentlichen Brandmarkung des Königs Ludwig zum blutigen Kriege zwischen Frankreich und Burgund kommen müßte.«

«Solches Herzeleid soll niemals durch mich über diese beiden herrlichen Länder gebracht werden, «erklärte Gräfin Isabelle in festem, doch freundlichem Tone,»sofern es sich irgend verhindern läßt. Dazu würde mich die leiseste Bitte aus Eurem Munde vermögen, denn ich bin nicht rachsüchtig. Also sagt mir, was ich tun soll? wenn mich der Burgunder Herzog vor sich ruft, soll ich schweigen oder die Wahrheit sagen? das erstere wäre Widerspenstigkeit, und das andere Lüge. Und dazu mich zu erniedrigen, werdet Ihr mir doch nicht zumuten?«—»Ganz gewiß nicht, edle Gräfin, «erwiderte Durward,»aber beschränkt Eure Aussage über König Ludwig auf das wenige, von dessen Wahrheit Ihr fest überzeugt seid. und wenn Ihr erwähnt, was andre Euch berichtet haben, so tut es nur in dem Sinne, wie man sich Gerüchten gegenüber verhält, und nehmt Euch in acht, Dinge, die Ihr selbst nicht erlebt habt, als wahr unter Eurem Zeugnis zu sagen. Mag mithin, was Euch selbst nicht so bekannt ist, daß Ihr es auf Euer Zeugnis nehmen könnt, durch andre Beweismittel als bloße Gerüchte erhärtet werden.«

«Ich glaube, den Sinn Eurer Rede zu verstehen, «erwiderte die Gräfin. — »Ich will mich noch deutlicher auszudrücken suchen, «sagte Quentin und schickte sich eben an, das Gesagte noch weiter auszuführen, als die Klosterglocke erklang.»Das ist das Zeichen, «sagte die Gräfin,»daß wir uns zu trennen haben. zu trennen für immer!. Aber vergeßt mich nicht, Durward. denn ich werde Euch… Eure treuen Dienste auch nimmer vergessen!«— Weiter konnte sie nicht sprechen, aber sie reichte ihm noch einmal die Hand und noch einmal drückte er sie an die Lippen, und ich weiß nicht, wie es kam, aber die Gräfin trat, als sie ihm ihre Hand zu entziehen suchte, so dicht an das Gitter heran, daß Quentin den Mut fand, ihr einen Abschiedskuß auf die Lippen zu drücken. und sie schalt ihn deshalb nicht, vielleicht war keine Zeit mehr dazu — denn Graf Crevecoeur und Lord Crawford, die, wenn nicht Ohren-, so doch Augenzeugen, und zwar durch einen günstig gelegenen Spalt, vom ganzen Vorgange gewesen waren, stürzten in den Raum, der erstere wild vor Zorn, der andere berstend vor Lachen und umsonst bemüht, den andern in den Schranken der Vernunft zu halten.

«Auf Euer Zimmer, meine Dame!«rief der Graf der Gräfin zu, die ihren Schleier über das Gesicht zog und sich eilig entfernte,»und ich will Sorge tragen, daß Ihr es mit einer Zelle bei Wasser und Brot vertauscht. Ihr seiner Musje dagegen, Ihr werdet wohl demnächst in Verhältnisse kommen, wo das Interesse von Königen und Ländern nicht mehr von Euren Kenntnissen abhängig ist. Dann soll Euch die Strafe für solche Frechheit, Euer Bettlerauge zu einer Gräfin von Burgund zu erheben, noch hinterher zuteil werden!«—»Herr Graf, «nahm darauf Lord Crawford das Wort,»das sind der Worte von Eurer Seite nun wahrlich genug; Ihr dagegen, Quentin, verhaltet Euch still! ich befehl's Euch, verstanden? Graf Crevecoeur soll es durch mich erfahren, daß Ihr ein Edelmann seid so gut wie er, so gut wie der König, wenn auch nicht, wie es in Spanien heißt, so reich wie er. Aber von einer Strafe zu reden Euch gegenüber, dazu hat er kein Recht! weiß Gott nicht! weiß Gott nicht!«

«Mylord, «erwiderte der Graf,»die Frechheit dieser Mietstruppen im französischen Lande ist schier zum Sprichwort geworden, und Ihr tätet wahrlich besser, sie nicht zu züchten, sondern einzudämmen.«—»Ich bin nun an fünfzig Jahre Kommandant des Bogenschützenkorps, Herr Graf, «erwiderte Lord Crawford,»ohne daß ich den Rat eines Franzosen, geschweige eines Burgunders gebraucht habe, um zu wissen, wie ich mich dabei zu verhalten habe. und wenn Ihr nichts dawider habt, so denke ich es in Zukunft in dieser Hinsicht auch nicht anders zu halten.«—»Meinetwegen, Mylord, «versetzte Graf Crevecoeur,»beleidigen wollte ich Euch nicht; Rang und Alter geben Euch ja einiges Vorrecht, Euch gehen zu lassen, und was die beiden jungen Menschen angeht, nun, so will ich insofern mal fünf gerade sein lassen, als ich ja hinfort dafür Sorge tragen werde, daß sie einander nicht mehr vor die Augen kommen.«—»Darauf möcht ich an Eurer Statt denn doch lieber keinen bindenden Eid ablegen, «erwiderte der alte Schotte mit Lächeln,»so gut, wie Berge aufeinander zurücken, so können's menschliche Geschöpfe doch auch, zumal sie doch Beine haben, und Lust und Liebe, sie in Bewegung zu sehen, auch. Mir ist's wenigstens so vorgekommen, als sei es ein recht herzhafter Schmatz gewesen, den wir mitangehört haben; und so was, weißt's doch immer, vergißt sich im Leben nicht.«

«Lord Crawford, «antwortete Crevecoeur,»Ihr wollt abermals meine Geduld auf die Probe stellen, allein gelingen soll's Euch nicht! Doch da läutet die Glocke auf dem Schlosse. da wird's eine wichtige Versammlung setzen, und was sie bringt, das weiß allein Gott! — »Was sie bringen wird, «sagte Lord Crawford,»will ich Euch voraussagen: der König wird, wenn ihm Gewalt angetan werden sollte, und mag er noch so wenig Freunde haben, mag er von Feinden noch so dicht umringt sein, nicht allein fallen, und auch nicht ungerächt fallen. ich beklage nur, daß seine unmittelbaren Befehle es mir unmöglich gemacht haben, meine Maßregeln zu treffen und mich auf einen solchen Ausgang des tollen Einfalles beizeiten zu rüsten.«

«Mylord Crawford, «erwiderte der Burgunder,»solchem Uebel kommt man am sichersten zuvor, wenn man es herbeiführt. Gehorcht den Befehlen Eures königlichen Gebieters, und gebt keinen voreiligen Anstoß zu Gewalttaten, dann werdet Ihr finden, daß der Tag friedlicher endigen wird, als Ihr zurzeit vermutet.«

Vierzehntes Kapitel

Beim ersten Klange der Glocke, die die burgundischen Edlen mit den wenigen französischen Pairs, die zugegen waren, in die Versammlung rief, trat Herzog Karl, von einem Teil seines bewaffneten Gefolges begleitet, in die Halle des Herbertturms im Peronner Schlosse ein. König Ludwig, der diesen Besuch erwartet hatte, stand auf, trat dem Herzog ein paar Schritte entgegen und blieb dann mit einem würdevollen Anstande stehen, den er, wenn er es nötig fand, wohl anzunehmen wußte. Der Herzog hingegen trat ungestüm ein und wechselte, obgleich er sich zwang, im Aeußern und auch in der Sprache eine gewisse Höflichkeit anzunehmen, doch jeden Augenblick seine Farbe; seine Stimme stockte, die Stirn zog er in Falten und biß sich in die Lippe, bis sie blutete: kurz, jeder Blick, jede Bewegung deutete an, daß der leidenschaftlichste Fürst, der jemals lebte, unter der Herrschaft eines der heftigsten Anfälle von Wut stand.

Der König sah diesem Kampfe der Leidenschaft ruhig zu; las er auch in den Blicken des Herzogs die bitterste Ankündigung des Todes, den er als sterblicher und sündhafter Mensch gleich sehr fürchtete, so war er dennoch entschlossen, sich gleich einem vorsichtigen, geschickten Steuermann weder durch Besorgnisse außer Fassung bringen zu lassen, noch auch vom Steuerruder zu weichen, so lange noch die Möglichkeit, das Schiff zu retten, vor» Händen blieb.

«Ich komme, «sprach der Herzog,»Ew. Majestät zu hohem Rate einzuladen. Dinge von hoher Wichtigkeit, die Wohlfahrt Frankreichs und Burgunds betreffend, sollen verhandelt werden. Ihr werdet Euch daher sogleich dahin verfügen — sofern es Euch beliebt natürlich…«—»Lieber Vetter, «erwiderte der König,»treibt Eure Höflichkeit nicht so weit, daß Ihr um das bittet, was Ihr befehlen dürft… also zur hohen Versammlung, wenn es Ew. Hoheit so beliebt! Wir sind, «fügte er mit einem Blick auf die wenigen hinzu, die sich zu seiner Begleitung anschickten,»in unserm Gefolge etwas geschmälert worden — drum, lieber Vetter, müßt Ihr für uns beide glänzen.«

Unter Vorantritt des ersten Herolds von Burgund, Toison d'Or, verließen die Fürsten den Herbertturm und traten in den Schloßhof, der mit des Herzogs Leibwache in prachtvoller Rüstung angefüllt war. Ueber den Hof gelangten sie in den Versammlungssaal, der in einem neueren Teile des Gebäudes sich befand. Zwei Prunksessel standen unter einem Thronhimmel; der für den König bestimmte zwei Stufen höher als derjenige für den Herzog. Ungefähr zwanzig Mitglieder des hohen Adels saßen der Reihe nach zu beiden Seiten, so daß, als sie Platz genommen hatten, König Ludwig, über den der hohe Rat zu Gericht sah, den Vorsitz zu führen schien. Herzog Karl machte nun eine leichte Verbeugung vor dem König und eröffnete die Versammlung hastig mit den Worten:

«Meine treuen Vasallen und Räte! Es ist Euch nicht unbekannt, welche Unruhen in Unseren Landen zu Lebzeiten meines Vaters, sowie unter Unserer Regierung durch den Aufstand von Vasallen gegen ihre Lehnsherren, von Untertanen gegen ihre Fürsten, stattgefunden haben. So haben wir erst kürzlich den schrecklichsten Beweis gehabt, bis zu welcher Höhe dieses Uebel bei Uns gestiegen ist, durch die schändliche Flucht der Gräfin Isabelle von Croye und ihrer Muhme, der Gräfin Hameline, um bei einer fremden Macht Schutz zu suchen, wodurch sie ihre Lehenspflicht verletzt und ihre Lehen verwirkt haben; und einen andern, noch furchtbarerern Fall erlebten Wir durch die ruchlose Ermordung Unseres geliebten Bruders und Bundesgenossen, des Bischofs von Lüttich, wie durch die Empörung der verräterischen Stadt. Wir haben Uns berichten lassen, daß diese traurigen Ereignisse nicht sowohl in dem Leichtsinn und der Torheit von Weibern oder in der Anmaßung übermütiger Bürger, sondern in den Umtrieben einer fremden Macht und der Einmischung eines mächtigen Nachbarn ihren Grund haben, von dem doch Burgund nichts als die aufrichtigste, treueste Freundschaft hätte erwarten sollen. Sollte dies alles als wahr befunden werden, «sagte der Herzog, indem er mit den Zähnen knirschte und mit dem Fuße auf den Boden stampfte,»welche Rücksicht sollte Uns abhalten, — da Wir die Mittel in den Händen haben, — diejenigen Maßregeln zu ergreifen, die die Quelle aller dieser Uebel, die in jedem Jahre Uns treffen, an ihrem Ursprünge verstopfen?«Der Herzog hatte mit Ruhe zu sprechen begonnen, aber seine Stimme gegen das Ende derselben erhoben und die letzten Worte in einem Tone gesprochen, vor dem alle seine Räte erzitterten und selbst König Ludwig erblaßte. Der letztere sammelte sich jedoch gleich wieder und wandte nun seinerseits sich mit einer Anrede an die Versammlung, in welcher so viel Unbefangenheit und Fassung lagen, daß der Herzog, obgleich er oft versucht schien, ihn zu unterbrechen und dem Laufe seiner Rede Einhalt zu tun, dennoch keine schickliche Ursache dazu finden konnte.

Nach einer Weile indes fiel er ihm ungeduldig in die Rede…»Gräfin Isabelle soll eintreten!«befahl er rauh. Als die Gräfin, unterstützt von der Gräfin Crevecoeur und von der Aebtissin der Ursulinerinnen, hereintrat, rief Karl barsch:»Nun, schöne Prinzessin — Was denkt Ihr denn von dem sauber «Werke, das Ihr zwischen zwei großen Fürsten und mächtigen Ländern angerichtet habt?«

Die Gräfin von Crevecoeur, eine Dame gleich geistvoll wie hochgeboren, hielt es für nötig, für die vor Schreck fast ohnmächtige Jungfrau das Wort zu nehmen.»Herr Herzog, «sprach sie,»meine schöne Cousine steht unter meinem Schutze. Ich weiß besser, als Ew. Gnaden, wie Frauen behandelt werden müssen, und wir werden uns sogleich entfernen, wenn Ihr nicht eine Sprache führen wollt, die unserm Geschlecht und unserm Range angemessener sind.«

Der Herzog brach in ein lautes Gelächter aus.»Crevecoeur, «sprach er,»Dein zahmes Wesen hat ja Deine Gemahlin zu einer recht herrischen Frau gemacht, allein das kümmert mich wenig! gebt dem einfältigen Mädchen einen Sessel: ich bin weit entfernt, feindselig gegen sie gesinnt zu sein; ich will nur, daß das Fräulein uns mit Muße erzählt, welcher böse Feind in sie gefahren ist, daß sie aus ihrem Heimatlande fliehen und ein irrendes Dämchen werden mußte.«

Mühsam und oft stecken bleibend, bekannte Isabelle, daß sie gegen eine ihr vom Herzoge angesonnene Heirat eine entschiedene Abneigung gehabt und an dem französischen Hofe habe Schutz suchen wollen…. «Bei dem französischen Monarchen, «fragte Karl,»fühltet Ihr Euch also sicherer?«—»Allerdings, «antwortete Gräfin Isabelle,»sonst hätte ich einen so entscheidenden Schritt nicht getan. «Hier warf Karl einen Blick auf den König mit unaussprechlich bitterm Lächeln, den dieser aber mit Festigkeit aushielt…»Aber meine Nachrichten über die Gesinnungen König Ludwigs gegen uns, «fuhr die Gräfin nach einer kleinen Pause fort,»rührten hauptsächlich bloß von meiner unglücklichen Muhme, der Gräfin Hameline, her, und ihre Meinung baute sie auf Einflüsterungen von Leuten, in denen ich nachher niederträchtige Verräter und treulose Wichte gefunden habe.«— Sie erzählte nun in aller Kürze, was sie von Marthons und Hayraddins Verräterei erfahren hatte.

Es entstand eine Pause; dann fuhr die Gräfin fort, alles von ihrer Flucht aus Burgund bis zur Erstürmung des Schlosses Schönwald zu erzählen. Alles blieb still, als sie geendigt hatte; der Herzog aber heftete seine flammenden Augen auf den Boden, als suche er einen Vorwand, seiner Leidenschaft freien Lauf zu lassen, ohne jedoch einen zu finden.»Ich möchte nun doch von König Ludwig wissen, «sagte er endlich, den Blick wieder aufhebend,»warum er die Damen an seinem Hof behielt, wenn sie nicht auf seine Einladung dahin gekommen waren?«—»Lieber Vetter, «antwortete der König,»aus Mitleid nahm ich sie insgeheim in einem Privathause auf, sorgte aber dafür, sie unter den Schutz des verewigten Bischofs, Eures Bundesgenossen, zu bringen, der, Gott hab' ihn selig! besser beurteilen konnte als ich oder irgend ein weltlicher Fürst, wie sich der Schutz, den man Flüchtlingen schuldig ist, mit den Pflichten vereinigen läßt, die ein König seinem Verbündeten schuldig ist, aus dessen Lande sie geflohen waren. Ich fordere diese Dame auf, zu erklären, ob ihr Empfang herzlich gewesen oder ob er nicht vielmehr von der Art war, daß die Damen bedauerten, meinen Hof zum Zufluchtsorte gewählt zu haben?«—»Er war so ganz aller Herzlichkeit bar, «versetzte die Gräfin,»daß ich zweifeln mußte, ob Ew. Majestät selbst wirklich die Einladung habe ergehen lassen, wie uns von denen, die sich für Eure Agenten ausgaben, versichert worden.«

«Mich dünkt, schone Dame, «sagte der Herzog,»Ihr habt bei Eurer Erzählung gewisse Liebesabenteuer vergessen. — Ei, ei! Ihr errötet ja schon? Ich meine gewisse Ritter vom Walde, die Eure Ruhe auf einige Zeit zu stören wagten. — Sagt, König Ludwig, wäre es nicht wohlgetan, ehe diese wandernde Helena von Croye noch mehrere Könige gegeneinander hetzt, eine passende Partie für sie ausfindig zu machen?«

König Ludwig wußte zwar, welch unangenehmer Vorschlag jetzt zur Sprache kommen würde. Allein Isabellens Mut war inzwischen aufs neue erwacht. Sie entwand sich dem Arme der Gräfin Crevecoeur, auf den sie sich bis jetzt gestützt hatte, kniete schüchtern, jedoch mit würdevollem Anstand, am Throne des Herzogs nieder und redete ihn also an:»Edler Herzog von Burgund, mein gnädigster Lehensherr! ich erkenne meinen Fehltritt, ohne Eure Erlaubnis mich aus Euren Landen entfernt zu haben, und unterwerfe mich in Demut jeder Strafe, die Ihr über mich zu verhängen für gut findet. Ich bitte einzig um die Gnade, daß Ihr um meines Vaters willen dem letzten Sprößling aus dem Stamme Croye ein mäßiges Einkommen bewilligen wollet, damit ich für den Rest meines Lebens in einem Kloster Aufnahme finde.«—»Was dünkt Euch, Sire, von dem Antrage dieser Person?«fragte der Herzog, sich an Ludwig wendend. — »Ich denke, «erwiderte der König,»es ist eine fromme demütige Bitte, der man nicht zuwider handeln soll.«—»Nun, wer sich selbst erniedrigt, soll erhöhet werden, «sprach der Herzog.»Erhebt Euch denn, Gräfin Isabelle! — Wir meinen es besser mit Euch, als Ihr selbst. Wir wollen weder Eure Güter einziehen, noch Eure Ehre schmälern, — im Gegenteil beides bedeutend erhöhen und mehren.«—»Ach, gnädigster Herr!«sagte die Gräfin, immer noch knieend,»eben diese wohlgemeinte Güte ist es, die ich mehr fürchte, als Ew. Hoheit Mißfallen, da sie mich nötigt — «—»Heiliger Georg von Burgund!«rief Herzog Karl,»soll denn jeden Augenblick Unserem Willen widersprochen und Unseren Befehlen zuwider gehandelt werden? Steh' auf, sag' ich, Püppchen, und entferne Dich für jetzt! — Wenn Wir Zeit haben, wieder an Dich zu denken, so werden Wir's schon so ordnen, daß Du entweder Uns gehorchen oder Dich noch schlechter befinden sollst.«

Gräfin Crevecoeur hob ihre junge Freundin auf und führte sie aus der Halle. Jetzt wurde Quentin Durward vor den Rat gefordert. Er erschien in der Bogenschützen-Uniform mit jenem freien Blicke, der, ebenso entfernt von schüchterner Zurückhaltung als von zudringlicher Dreistigkeit, einem edelgeborenen und wohlerzogenen Jünglinge geziemte. Seine große Jugend nahm alle Räte um so mehr zu seinem Vorteil ein, je weniger sie voraussetzen konnten, daß der scharfsinnige Ludwig einen so jungen Mann zum Vertrauten seiner politischen Händel gemacht haben sollte; und so genoß der König hier wie in andern Fällen einen bedeutenden Vorteil durch die seltsame Wahl seiner Bevollmächtigten, die er oft in einem Alter und in Ständen wählte, wo man es am wenigsten vermutet hätte. Auf die Aufforderung des Herzogs, die Ludwig bekräftigte, begann Quentin die Erzählung seiner Reise mit den Gräfinnen von Croye bis in die Nähe von Lüttich, indem er der Verhaltungsbefehle des Königs voraus erwähnte, die dahin gingen, daß er die Damen wohlbehalten nach dem Schlosse des Bischofs zu geleiten habe.»Und Ihr seid also meinen Befehlen getreulich nachgekommen?«fragte der König. — »Ja, Sire, «war die Antwort des Schotten. — »Ihr übergeht einen Umstand, «sagte der Herzog.»Ihr wurdet ja in dem Walde von zwei irrenden Rittern angefallen.«—»Es kommt mir nicht zu, mich dieses Vorfalls zu erinnern, noch ihn namhaft zu machen, «sagte der Jüngling, bescheiden errötend. — »Aber mir kommt es zu, auf ihm zu bestehen, «sagte der Herzog von Orleans.»Dieser Jüngling entledigte sich mannhaft seines Auftrags und tat seine Pflicht auf eine Art, die mir noch lange im Andenken bleiben wird. — Komm auf mein Zimmer, Bogenschütze, wenn diese Angelegenheit abgetan ist, und Du sollst finden, daß ich Dein tapferes Benehmen nicht vergessen habe, da ich nun sehe, daß Deine Bescheidenheit Deinem Mute gleicht.«—»Komm auch zu mir, «sprach Dunois.»Ich habe einen Helm für Dich; denn ich glaube, daß ich Dir einen solchen schuldig bin.«

Quentin verbeugte sich tief, und das Verhör begann aufs neue. Aufgefordert vom Herzog Karl, wies er die geschriebenen Verhaltungsbefehle vor, die er hinsichtlich seiner Reise bekommen hatte.»… Befolgtet Ihr diese Verhaltungsbefehle buchstäblich, Soldat?«fragte der Herzog. — »Nein, gnädigster Herr, «antwortete Quentin.»Ich sollte ihnen zufolge bei Namur über die Maas gehen, hielt mich aber auf dem linken Ufer, das mir einen näheren, sicherern Weg nach Lüttich bot.«—»Und warum diese Abänderung?«fragte der Herzog. — »Weil mir die Treue meines Führers verdächtig ward, «antwortete Quentin. — »Merke jetzt auf die Fragen, die ich an Dich tun werde, «sprach der Herzog.»Beantwortest Du sie der Wahrheit gemäß, so fürchte Dich vor keines Menschen Zorn. Antwortest Du aber ausweichend und zweideutig, so werde ich Dich lebendig an einer eisernen Kette am Turme des Rathauses aufhängen lassen.«

Tiefes Stillschweigen folgte diesen Worten. Endlich verlangte der Herzog von Durward Auskunft, wer sein Führer gewesen, wer ihm solchen verschafft, und was ihn veranlaßt habe, gegen dessen Treue Verdacht zu schöpfen? Auf die erste dieser Fragen nannte Quentin Hayraddin Maugrabin, den Zigeuner; auf die zweite antwortete er, Tristan l'Hermite habe ihm den Führer zugewiesen, und als Antwort auf den dritten Punkt erzählte er das, was sich im Franziskanerkloster bei Namur zugetragen, wie der Zigeuner aus dem heiligen Haus ausgetrieben worden, wie er, sein Benehmen beargwöhnend, seine Zusammenkunft mit einem von den Landsknechten des Wilhelm von der Mark belauscht und mit angehört habe, wie sie einen Plan geschmiedet hätten, die seinem Schutze anvertrauten Damen zu überfallen.

«Nun höre weiter, «sagte der Herzog,»und bedenke abermals, daß Dein Leben von der Wahrheit Deiner Aussage abhängt. Erwähnten diese Bösewichter, daß sie von dem König — ich meine den König Ludwig von Frankreich, — beauftragt seien, die Bedeckung zu überfallen und die Damen zu entführen?«

«Wenn solche schändlichen Subjekte auch etwas von der Art gesagt hätten, «versetzte Quentin,»so hätte ich es ihnen nicht glauben können, da ihre Worte den ausdrücklichen Befehlen des Königs entgegen lauteten.«

Ludwig, der bisher mit der gespanntesten Aufmerksamkeit zugehört hatte, konnte sich nicht enthalten, bei Durwards Antwort tief Atem zu holen, als ob er sich auf einmal von einer schweren Last befreit fühlte. Der Herzog blickte abermals verstört und finster drein; dann begann er wieder und fragte Quentin noch genauer,»ob er nicht aus dem heimlichen Gespräch jener Leute so viel verstanden habe, daß ihre Pläne wenigstens König Ludwigs Genehmigung hätten.«—»Ich wiederhole, daß ich nichts hörte, was mich ermächtigen könnte, dies zu bejahen, «antwortete der junge Mann; denn obgleich er für sich die Ueberzeugung hatte, daß der König um die Verräterei Hayraddins wußte, so hielt er es doch für pflichtwidrig, seinen Verdacht hierüber laut werden zu lassen;»und wenn ich auch dergleichen Aeußerungen von solchen Leuten gehört hätte, so hätte ich doch ihrer Aussage gegen die bestimmten Verhaltungsbefehle, die mir der König erteilt hatte, kein Gewicht beigemessen.«—»Du bist ein treuer Bote, «sagte der Herzog mit höhnischem Lachen;»und ich wette, daß Du, indem Du so des Königs Befehlen nachkamst, seine Erwartungen auf eine Weise getäuscht hast, die Dir vielleicht teuer zu stehen gekommen wäre, wenn nicht nachfolgende Ereignisse Deine blinde Treue hätten als guten Dienst erscheinen lassen.«—»Ich verstehe Euch nicht, gnädigster Herr, «antwortete Durward;»alles, was ich weiß, ist, daß mein Gebieter, der König von Frankreich, mich zum Schütze dieser Damen aussandte und daß ich diesen Auftrag sowohl auf der Reise nach Schönwald als während der nachherigen Auftritte erfüllt habe.«

«Aber höre, Bogenschütze, was waren das für Instruktionen, vermöge deren Du, wie einige unglückliche Flüchtlinge von Schönwald berichteten, in den Straßen von Lüttich an der Spitze der Meuterer einherstolziertest, die nachmals ihren weltlichen Herrn und geistlichen Vater ermordeten? Und was war das für eine Rede, die Du hieltest, nachdem der Mord begangen war, in der Du Dir herausnahmst, als Agent Ludwigs aufzutreten und Dir eine Gewalt über die Bösewichter anzumaßen, die eben ein großes Verbrechen verübt hatten?«

«Herr Herzog, «erwiderte Quentin,»es fehlt nicht an Leuten, die bezeugen können, daß ich mich in der Stadt Lüttich keineswegs für einen Agenten von Frankreich ausgab, sondern daß das beharrliche Geschrei des Volks, das durchaus sich nicht vom Gegenteil überzeugen lassen wollte, mich dazu gestempelt hat. Dies erzählte ich auch den Leuten des Bischofs, als ich aus der Stadt entkommen war, und empfahl ihnen Aufmerksamkeit auf die Sicherheit des Schlosses, wodurch vielleicht das Unglück und die Schrecknisse der folgenden Nacht abgewendet worden wären. Freilich ist es wahr, daß ich in der äußersten Gefahr mich des Einflusses, den mir mein vermeintlicher Charakter gab, bediente, um die Gräfin Isabelle zu retten und, soweit es mir möglich war, der Mordlust zu steuern, die sich bereits in einer so schrecklichen Handlung kund gegeben hatte. Ich wiederhole und kann mit meinem Leben dafür haften, daß ich von dem König von Frankreich keinen Auftrag hatte.«—»Und hierin, «fiel Crevecoeur ein, der nicht länger schweigen konnte,»hat mein junger Waffengefährte mit ebenso viel Mut als Besonnenheit gehandelt, und daß er es getan, kann König Ludwig nicht zum Vorwurf gemacht werden.«

Ein Gemurmel des Beifalls ließ sich unter den versammelten Edeln vernehmen, das freudig zu Ludwigs Ohr klang, indes es höchst widrig in Karls Ohren widertönte. Sein Auge rollte vor Zorn; und diese so allgemein ausgesprochenen Gesinnungen mancher seiner mächtigsten Vasallen und weisesten Ratgeber hätten ihn vielleicht nicht verhindert, sich der ganzen Heftigkeit seines despotischen Gemüts zu überlassen, hätte nicht Argenton, die Gefahr voraussehend, plötzlich einen Herold aus der Stadt Lüttich angekündigt.

«Ein Herold von Webern und Nagelschmieden, «rief der Herzog aus, — »man lasse ihn gleich eintreten! Bei unserer lieben Frau! Ich will von diesem Herold mehr herausbekommen, als dieser französisch-schottische Bogenschütze zu sagen Lust zu haben scheint.«

Fünfzehntes Kapitel

Die Anwesenden verrieten keine geringe Neugierde, den Herold zu sehen, den die aufrührerischen Lütticher an einen so stolzen Fürsten, wie der Herzog von Burgund, abzusenden wagten, während dieser in so hohem Grade gegen sie aufgebracht war. Er war mit einem Wappenrock angetan, gestickt mit dem Wappen seines Herrn, auf dem der Eberkopf sich besonders hervorhob. Seine übrige Tracht war mit Borden und Verzierungen aller Art überladen, und der Federbusch, den er trug, so hoch, als ob er damit die Decke des Zimmers abfegen wollte. Kurz, der gewöhnliche Flitterstaat der Heroldskleidung war hier durch Uebertreibung zur Karikatur geworden.

«Wer bist Du ins Teufels Namen?«war der Gruß, womit Karl der Kühne diesen sonderbaren Abgesandten empfing. — »Ich bin der rote Eber, «antwortete der Herold,»Wappenträger Wilhelms von der Mark, von Gottes Gnaden und durch die Wahl des Kapitels Fürstbischof von Lüttich.«—»Ha!«fuhr Karl plötzlich auf, gab ihm aber, seine leidenschaftliche Aufwallung bekämpfend, ein Zeichen, fortzufahren. — »Und kraft der Rechte seiner Gemahlin, der edlen Gräfin Hameline von Croye, Graf von Croye und Herr von Bracequemont.«

Das Erstaunen Herzog Karls über die grenzenlose Frechheit, mit der diese Titel in seiner Gegenwart angekündigt wurden, schien ihm die Sprache geraubt zu haben; der Herold aber fuhr fort, seine Botschaft auszurichten:»Ich tue Euch kund, Karl von Burgund und Graf von Flandern, im Namen meines Herrn, daß er vermöge einer Dispensation unseres heiligen Vaters zu Rom, die zur Stunde erwartet wird, willens ist, zugleich das Amt eines Fürstbischofs von Lüttich zu übernehmen und seine Rechte als Graf von Croye auszuüben.«

Der Herzog von Burgund stieß bei dieser und anderen Pausen in der Rede des Herolds bloß ein» Ha!«oder einen ähnlichen Ausruf aus, ohne zu antworten; und der Abgesandte fuhr daher kühn und unerschrocken fort:»Im Namen des Fürstbischofs von Lüttich und Grafen von Croye fordere ich Euch, Herzog Karl, hiermit auf, Euch aller Ansprüche und Beeinträchtigungen zu begeben, die Ihr Euch gegen die freie kaiserliche Stadt Lüttich im Einverständnis mit dem verstorbenen Ludwig von Bourbon, dem unwürdigen Bischof derselben, erlaubt habt, und Wilhelm von der Mark als gesetzlich im freien Kapitel gewählten Fürstbischof anzuerkennen.«

«Ha!«rief der Herzog,»seid Ihr zu Ende?«—»Noch eins!«fuhr der Herold fort,»hiergegen ist der edle und hochwürdige Fürst und Graf entschlossen, wenn alle Streitigkeiten zwischen Burgund und Lüttich beseitigt sind, der Gräfin Isabelle eine ihrem Stande gebührende Apanage auszusetzen.«—»Sehr groß»mutig und wohlbedacht, «sprach der Herzog.

«Nun, bei dem Gewissen eines armen Gauchs, «sprach Narr Glorieux beiseite zu dem Grafen Crevecoeur,»ich möchte lieber in der Haut der schlechtesten Kuh stecken, die je an der Seuche gestorben ist, als in dem buntscheckigen Rocke des Menschen dort! Dem armen Manne geht es wie einem Trunkenbold, der immer nur nach dem nächsten Kruge sieht und nicht auf die Zeche, die der Wirt hinter der Tür anschreibt.«

«Seid Ihr nun fertig?«fragte der Herzog den Herold. — »Nur ein Wort noch, «antwortete der rote Eber,»von meinem vorbesorgten edlen und hochwürdigen Gebieter in Betreff seines würdigen und treuen Bundesgenossen, des allerchristlichsten Königs.«—»Ha!«rief der Herzog, heftiger als bisher auffahrend, sich aber sogleich bezwingend. — »Welches allerchristlichsten Königs erhabene Person, wie die Sage geht, Ihr, Karl von Burgund, ganz gegen Eure Pflicht, als Vasall der Krone Frankreichs, und der Treue und dem Glauben zuwider, die zwischen christlichen Fürsten statthaben, in Gefangenschaft haltet. Deshalb verlangt mein besagter edler, hochwürdiger Gebieter durch meinen Mund von Euch, seinen königlichen allerchristlichsten Verbündeten von Stund an in Freiheit zu setzen oder die Aufforderung anzunehmen, die ich Euch zu erklären beauftragt bin.«

«Seid Ihr nun fertig?«sprach der Herzog. — »Ich bin's!«antwortete der Herold,»und erwarte Ew. Gnaden Antwort, — in der Hoffnung, daß sie von der Art sein werde, daß kein Christenblut vergossen wird.«—»Nun, beim Heiligen Georg von Burgund!«rief der Herzog. — Bevor er aber fortfahren konnte, erhob sich Ludwig und fiel mit einem so gebietenden Tone ein, daß Karl ihn nicht unterbrechen konnte…»Mit Eurer Erlaubnis, lieber Vetter, Wir machen selbst Unser Vorrecht geltend, diesem schamlosen Menschen zu antworten. — Vernimm denn, Herold, oder was Du sonst bist, und bringe dem geächteten Wilhelm von der Mark die Botschaft, daß der König von Frankreich alsbald vor Lüttich erscheinen wird, um den frevelhaften Mörder seines geliebten Verwandten, Ludwigs von Bourbon, zu züchtigen und für die Unverschämtheit, daß er sich seinen Bundesgenossen nennt und seinen königlichen Namen durch den Mund eines niedrigen Boten entehrt, lebendig an den Galgen hängen zu lassen.«

«Setzt von meiner Seite alles übrige hinzu, «sprach Karl,»was ein Fürst einem gemeinen Diebe und Mörder schicklicherweise zu sagen haben kann. — Und nun fort! — Aber halt! — Nie hat ein Herold den Hof von Burgund anders verlassen, als mit der ihm zukommenden Ehrengabe… Man peitsche diesen Hund bis auf die Knochen!«—»Nicht doch, wenn Ew. Gnaden erlauben, «riefen Crevecoeur und Hymbercourt zugleich,»er ist ein Herold und als solcher unverletzlich.«—»Seid Ihr so blöde, zu meinen, «entgegnete der Herzog,»der bunte Rock mache den Herold aus? Ich sehe an seinem buntscheckigen Anzüge, daß er ein Betrüger ist. Laßt Toison d'Or vortreten und ihn befragen!«

Der Abgesandte des wilden Ebers der Ardennen erblaßte sichtlich. Toison d'Or, der Oberherold des Herzogs, trat mit aller seinem Amte schuldigen Feierlichkeit vor und fragte den andern, auf welcher hohen Schule er die Wissenschaft erlernt habe, zu der er sich bekenne.

«Zu Regensburg als Heroldsknappe, «antwortete der rote Eber,»ward ich erzogen und empfing von der dortigen gelehrten Brüderschaft das Diplom eines Ehrenherolds.«—»Ihr konntet es aus keiner würdigeren Quelle schöpfen, «antwortete Toison d'Or, sich noch tiefer als vorher verbeugend,»aber, «fuhr er fort, indem er ein Stück Pergament aus der Tasche zog,»hier ist eine Rolle, worauf ich zu gewissem Zwecke, soweit es meine geringe Kunst vermochte, ein altes Wappen gezeichnet habe. Ich Dieser Scherz erregte Gelächter, und das kam dem roten Eber insofern zustatten, als es Toison d'Or, der über die Mißdeutung seiner Zeichnung unwillig wurde, zu der Erklärung bewog, es sei das Wappen, das Gildebert, König von Frankreich, angenommen hätte, nachdem er Gandemar, den König von Burgund, zum Gefangenen gemacht, und stelle eine Tigerkatze hinter einem Gitter vor als Sinnbild eines gefangenen Fürsten, nämlich» einen schreienden Tiger im goldenen Felde.«—»Bei meiner Narrenkappe!«versetzte Glorieux,»wenn die Katze Burgund vorstellen soll, so steht sie heutzutage auf der rechten Seite des Gitters.«

«Getroffen, Freund!«rief Ludwig lachend, während die übrigen Anwesenden, Karl nicht ausgenommen, verlegen zu sein schienen:»Du sollst ein Goldstück dafür haben, daß Du eine Sache, die wie bittrer Ernst aussah, in einen Spatz verwandelt hast, worauf es, denk ich, hinauslaufen wird.«—»Still, Glorieux, «sagte der Herzog;»und Ihr, Toison d'Or, tretet ab, denn Ihr seid zu gelehrt, um verständlich zu bleiben. Der Schuft soll vortreten. — Höre, Schurke, «sprach er in seinem rauhesten Tone,»kennst Du den Unterschied zwischen einem silbernen und goldnen Felde?«—»Bloß für den gegenwärtigen Fall, «antwortete der Entlarvte. — »Nun, beim heiligen Georg!«sagte der Herzog, indem er Ludwig von der Seite ansah,»Uns ist kein König, ja kein Edelmann, außer einem, bekannt, der die edle Wissenschaft, auf der Königtum und Adel beruhen, also herabgewürdigt hätte, den König ausgenommen, der an Eduard von England einen Lakaien, als Herold verkleidet, absandte.«—»Eine solche List konnte man sich bloß an einem Hofe erlauben, «sprach Ludwig,»an dem es damals noch keine Herolde gab, und die Sache hatte Eile. Aber wenn dies auch noch bei einem plumpen, kurzsichtigen Insulaner anging, so würde doch niemand, der nicht so durchaus verrückt wie ein wilder Eber ist, darauf gekommen sein, dem gebildeten Hofe von Burgund einen solchen Streich zu spielen.«—»Mag ihn senden, wer da will, «entgegnete der Herzog zornig,»er soll ihm ordentlich heimgeschickt werden. — He da! — schleppt ihn auf den Marktplatz! — peitscht ihn mit Hundekarbatschen, bis ihm der Wappenrock in Fetzen vom Leibe fällt! — Auf also! auf den roten Eber! — Hallo! Hallo!«— Ein halbes Dutzend Hunde nahm den wohlbekannten Ruf auf, womit der Herzog schloß, und fing zu heulen und zu bellen an, als ob der Eber wirklich vor ihnen aus dem Lager aufgetrieben wäre. — »Beim heiligen Kreuze!«rief der König Ludwig, in seines Vetters gefährliche Laune einstimmend,»da der Esel die Eberhaut umgehängt hat, möchte ich ihn auch mit den Hunden wieder aus ihr heraushetzen.«»Vortrefflich!«rief Herzog Karl, dem der Einfall in seiner jetzigen Laune gelegen kam,»das soll geschehen! — man kopple die Hunde los! Heda, Talbot! heda! Beaumont! — wir wollen ihn vom Schloßtor bis zum östlichen Stadttor hetzen!«—»Ich denke, Ew. Gnaden werden mich dann auch wie ein ordentliches Jagdwild behandeln, «sprach der Bursche, zum bösen Spiel eine gute Miene machend,»mir also das Jagdrecht gestatten?«—»Du bist ein Wurm, «sagte der Herzog,»und hast kein Recht, die Weidmannsrechte anzusprechen; indessen sollst Du einen Vorsprung von hundertundsechzig Fuß haben, und wäre es auch nur um Deiner beispiellosen Unverschämtheit willen. Fort, fort, meine Herren! — wir wollen uns die Jagd mit ansehen!«— Und alle beeilten sich, die beiden Fürsten ihnen voran, um das vom König Ludwig angeregte menschenfreundliche Schauspiel voll zu genießen.

Der rote Eber spielte seine Rolle vortrefflich; vom Schrecken beflügelt, und gehetzt von zehn grimmigen Eberhunden, die durch Hörnerschall und Weidruf der Jäger noch wütender gemacht wurden, floh er mit Sturmeseile dahin und würde, hätte ihn sein Heroldsrock, die schlechteste Tracht, die es für einen Läufer geben kann, nicht gehindert, vielleicht wohlbehalten den Hunden entkommen sein; auch machte er mehr als einmal zur großen Zufriedenheit der Zuschauer einen Widerlauf; endlich vermochte ihn seine Schnelligkeit aber nicht länger vor den Fängen seiner Verfolger zu retten: sie packten ihn, rissen ihn zu Boden und hätten ihn wahrscheinlich in Stücke zerrissen, hätte nicht der Herzog gerufen:»Stock dazwischen! macht sie los von ihm! — Er hat sich so wacker im Laufen gezeigt, daß, obgleich die rechte Jagd noch nicht angefangen, Wir ihn doch nicht drauf gehen lassen wollen.«

Mehrere Hofbeamte waren sogleich beschäftigt, die Hunde von ihm loszureißen; man sah, wie sie einige zusammenkoppelten und andere verfolgten, die, durch die Straße laufend, die Fetzen des gestickten Wappenrocks, den der unglückliche Mann zur bösen Stunde angelegt hatte, im Triumph herumschleppten.

In diesem Augenblicke und während der Herzog mit dem, was vor seinen Augen vorging, zu sehr beschäftigt war, als daß er hätte darauf achten können, was hinter ihm geschah, schlich sich Oliver le Dain hinter den König und flüsterte ihm ins Ohr:»Es ist der Zigeuner Hayraddin Maugrabin! Es wäre nicht gut, wenn er mit dem Herzog zu sprechen käme.«—»Er muß sterben, «antwortete Ludwig in demselben Tone.»Tote sagen nichts.«

Einen Augenblick später trat Tristan l'Hermite, welchem Oliver einen Wink gegeben hatte, vor den König und den Herzog und sprach mit dem ihm eigenen Tone:»Mit Ew. Majestät und Ew. Hoheit Wohlvernehmen, dies Stück Wildbret ist mein — ich mache Anspruch darauf — er trifft mein Zeichen — die Lilie ist ihm auf der Schulter eingebrannt, wie jedermann sehen kann. Er ist ein bekannter Bösewicht, hat königliche Untertanen erschlagen, Kirchen beraubt, Jungfrauen geschändet, Wild in dem königlichen Tiergarten erlegt — «

«Genug, genug, «fiel Herzog Karl ein,»er ist aus vielen Gründen meines königlichen Vetters Eigentum. Was will Ew. Majestät mit ihm vornehmen?«—»Wenn er zu meiner Verfügung steht, «sagte der König,»so will ich ihm bloß eine Lektion in der Wappenkunde geben, in der er so unerfahren ist — ihm nur erklären, und zwar praktisch, was ein Kreuzbalken mit herabhängender Schleife zu bedeuten hat.«—»Den er nicht tragen, sondern der ihn tragen soll — laßt ihn unter Eurem Gevatter Tristan die Stufen nehmen, — er ist ein gründlicher Lehrer in solchen Geheimnissen. «So rief der Herzog mit einem grinsenden Gelächter über seinen eigenen Witz; und Ludwig stimmte so herzlich ein, daß sein Nebenbuhler sich nicht enthalten konnte, ihn freundlich anzusehen und zu sagen:»O Ludwig, Ludwig, wollte Gott, Du wärst ein ebenso zuverlässiger Monarch, als Du ein lustiger Gesellschafter bist! Ich muß mich oft noch der fröhlichen Zeit erinnern, die wir zusammen verlebten.«—»Die könnt Ihr wieder zurückbringen, wenn Ihr wollt, «sagte Ludwig;»ich will Euch so gute Bedingungen gewähren, als Ihr in meiner gegenwärtigen Lage nur immer von mir verlangen könnt, und will Euch die Erfüllung auf die heilige Reliquie schwören, die ich immer bei mir trage als ein Fragment des wahren Kreuzes.«

Hier zog er ein kleines goldenes Reliquienkästchen hervor, das er an einer goldenen Kette von seinem Halse herab gleich über dem Hemd hängen hatte, küßte es andachtsvoll und sagte dann:»Nie ward ein falscher Eid auf diese heiligste Reliquie geschworen, ohne daß er noch in demselben Jahre gerächt worden wäre.«

«Wohl denn, Vetter, «antwortete der Herzog,»wollt Ihr mit mir ausziehen, den Mörder von der Mark und die Lütticher zu züchtigen?«—»Ich will, «sagte Ludwig,»mit dem Bann von Frankreich und wehender Oriflamme.«—»Nein, nein, «sagte der Herzog,»das ist mehr, als nötig oder rätlich sein dürfte. Eure schottische Leibwache und zweihundert auserlesene Lanzen dürften hinreichen; ein großes Heer möchte — «—»Mich frei machen, wollt Ihr sagen, lieber Vetter?«sagte der König.»Wohl, Ihr sollt die Zahl meines Gefolges bestimmen.«—»Und um die schöne Unheilstifterin uns vom Halse zu schaffen, so willigt Ihr ein, daß sie sich mit dem Herzog von Orleans vermählt?«

«Lieber Vetter, «sagte der König,»Ihr seht meine Nachgiebigkeit auf eine harte Probe. Der Herzog ist der verlobte Bräutigam meiner Tochter Johanna. Seid großmütig — gebt diesen Punkt auf, und laßt uns lieber von den Städten an der Somme sprechen.«

«Darüber wird mein Rat mit Ew. Majestät Rücksprache! nehmen; mir selbst liegt eine Gebietserweiterung weniger am Herzen, als erlittene Unbilden wieder gut zu machen. Ihr habt Einverständnis mit Vasallen unterhalten, und es muß Ew. Majestät zum Vergnügen gereichen, über die Hand einer burgundischen Mündel verfügen zu können. Vermählt sie denn mit einem Mitgliede Eurer eignen Familie, da Ihr Euch einmal in die Sache gemischt habt — dann sind wir wieder Vettern und Freunde; andernfalls sind unsere Verhandlungen angebrochen.«—»Danken wir dem Himmel!«sagte Ludwig,»der die Herzen der Fürsten lenkt, sie gnadenvoll zum Frieden und zur Milde hinneigt und das Vergießen von Menschenblut abwendet. — Oliver, «raunte er beiseite seinem Günstling zu,»sage Tristan, er solle mit dem Zigeuner schnell zu Ende kommen!«

Sechzehntes Kapitel

«Gott sei gelobt, daß er uns Kraft verlieh, zu lachen und andre mit unserm Lachen anzustecken, und Schimpf und Schande über den Tropf, der das Amt des Narren verachtet! da haben wir nun mal einen Jux, wenn auch gerade keinen großartigen! aber er mag hingehen, denn er hat zwei Fürsten amüsiert! — und es ist ihm doch besser als tausend Gründen der hohen Politik gelungen, einem Kriege zwischen Frankreich und Burgund vorzubeugen.«

So Narr Glorieux! und zwar in dem Augenblicke, als er die burgundischen Wachen von Peronne abziehen sah, nachdem die Versöhnung erfolgt war und der König aus dem verhängnisvollen Hubertusturme wieder ausziehen durfte. Ja, die Freundschaft war, wenigstens nach außen, zwischen dem Herzoge Karl von Burgund und seinem Oberlehnsherrn wieder hergestellt; immerhin bemerkte der letztere, wenn er auch mit zeremonieller Ehrerbietung behandelt wurde, recht gut, daß er nach wie vor ein Gegenstand des Argwohns blieb, aber er besaß Klugheit genug, es nicht merken zu lassen und sich völlig unbefangen zu benehmen.

Mittlerweile sollte es eine der bei dieser Komödie mitwirkenden Nebenpersonen verspüren, daß es immer eine schlechte Sache ist, für große Herrn die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Das war Hayraddin Maugrabbin, der von den herzoglichen Beamten dem königlichen Generalprofoßen überantwortet wurde, um ihn ohne Verzug vom Leben zum Tode zu bringen. Es dauerte nicht lange, so wurde eine Eiche ausfindig gemacht, die, wie Petit-André sich witzig ausdrückte, solche Eichel ganz gut zu tragen vermöge. Der Unglückliche mußte sich auf eine Bank setzen, während der Profoß mit seinen beiden Gehilfen die zur letzten Katastrophe notwendigen Anstalten traf. Da warf Hayraddin einen Blick auf die umherstehende Menge und begegnete Quentin Durwards Augen, der in den Zügen des entlarvten Verbrechers diejenigen seines treulosen Führers wiederzufinden meinte und sich dem Zuge angeschlossen hatte, um Zeuge von der Hinrichtung zu sein und sich von der Identität des Wichtes zu überzeugen… Als die beiden Henker ihm sagten, es sei nun alles bereit, er möchte sich auf die letzten Augenblicke vorbereiten, da bat sie der Delinquent noch um eine letzte Gefälligkeit…

«Was sich mit unserer Pflicht verträgt, mein Sohn, «antwortete ihm Trois-Echelles,»das soll Dir werden.«—»Sehr gütig, «erwiderte der Zigeuner. — »Wir riskieren freilich, daß wir deshalb einen Wischer bekommen, «meinte Petit-André,»aber darauf soll's nicht ankommen. Für solchen fixen Kerl, der sich mit einem Schwung aus dem Leben befördert, könnt ich fast selber mein Leben lassen.«—»Solltet Ihr etwa einen Beichtvater wünschen, «meinte Trois-Echelles. — »Oder einen Pfiff Schnaps oder Vinum bonum…«ergänzte Trois-Echelles' spaßiger Kamerad. — »Nichts von dem, meine dienstwilligen Freunde, «sagte der Zigeuner,»sondern ich möchte bloß ein paar Augenblicke mit dem schottischen Bogenschützen dort reden, wenn das nicht wider die Regeln verstößt.«

Einen Augenblick lang besann sich das Henkerpaar. Dann fiel dem einen ein, daß Quentin Durward sich der besonderen Gunst König Ludwigs zu erfreuen hätte, und er sagte zu seinem Kollegen, daß dem Wunsche unter solchen Umständen sehr wohl willfahrt werden könne. So wurde Quentin Durward benachrichtigt, und er näherte sich dem Verbrecher, jedoch nicht ohne eine Empfindung herben Mitgefühls. Was von seinem Heroldsausputz von den Fängen der Doggen und den Griffen der Schergen, die ihn den Doggen entrissen hatten, noch übrig war, gab ihm ein ebenso wunderliches wie jämmerliches Aussehen. Sein Gesicht war durch Schminke entstellt, wie auch durch die Reste des falschen Bartes, durch den er sich noch unkenntlicher zu machen gesucht hatte. Auf seinen Wangen stand Todesblässe, und seine Lippen waren kreideweiß, aber er befaß die ganze Standhaftigkeit seiner Rasse im Ertragen von Leid und Schmerz, und so schien er mit seinen spähenden Augen und dem verzerrten Lächeln, das seinen Mund umspielte, dem Tode, den er erdulden sollte, zu trotzen.

«Nur flotter heran, Herr Bogenschütze!«rief Petit-André, da Quentin sich, von Schauder wie auch von Mitleid ergriffen, zaghaft näherte,»viel Muße, auf Euch zu warten, hat der Herr nicht mehr. Ihr geht wie auf Eiern, und habt doch feste Steine unter den Sohlen.«—»Ich muß unter vier Augen mit ihm reden, «sagte der Delinquent mit gebrochener Stimme. — »Das wird sich nun freilich mit unserer Pflicht nicht recht vertragen, mein kleiner Spring-in-die-Luft, «erwiderte Petit-André,»denn wir wissen ja noch von anno dazumal, was für ein glatter Aal Ihr seid.«—»Ihr habt mich doch an Händen und Füßen gebunden, «sagte der Delinquent,»könnt mich doch auch aus gewissem Abstande unter Augen behalten. Bloß anhören sollt Ihr nichts von dem, was ich dem Schützen sagen werde, der ja übrigens beim Könige so gut angeschrieben steht, wie kaum Ihr beide. Außerdem will ich Euch gern zehn Gulden geben…«

«Hm, wenn wir sie auf Messen verwenden, «meinte Trois-Echelles,»dann könnten sie seiner armen Seele noch zugute kommen.«—»Und in Wein oder Schnaps angelegt, werden sie meinen armen Leichnam stärken, «setzte Petit-André hinzu,»also heraus mit dem Mammon, Du Galgenvogel!«—»Durward, «sagte Hayraddin zu dem Bogenschützen,»gebt den beiden Bluthunden das Geld, denn mir haben sie den letzten Stüber abgeluchst, und ich sage Euch, Ihr sollt nicht dadurch in Schaden kommen!«—»Also so weit hat´s mit Dir kommen müssen?«sagte Quentin, nachdem er den beiden Schergen das Geld gegeben hatte,»so weit?«—»Ja doch, «versetzte Hayraddin,»dazu hab' ich weder Sterndeuter gebraucht noch Wahrsager. Das ist nun mal das Los meiner Familie!«—»Ein frühes Ende nach langer Reihe von Verrat und Missetat, «sagte Quentin. — »Nein, beim flammenden Aldeboran und seinen Lichtbrüdern!«erwiderte der Zigeuner,»bloß meine Torheit hat mich hierher gebracht, die Torheit nämlich, zu glauben, eines Franken blutdürstige Grausamkeit ließe sich in Schranken halten durch das, was er am heiligsten hält. Da hätte mir freilich ein Pfaffenkittel mehr genützt als dieses Heroldskostüm, so heilig auch Eure Beteuerungen von Gottesfurcht und Rittersinn sein mögen!«—»Ihr verschwendet Eure Zeit, Hahraddin, «sagte Quentin,»sofern Ihr mir noch etwas zu sagen habt, sagt's schnell, und dann tragt für Eure arme Seele Sorge!«—»Für meine Seele?«erwiderte der Zigeuner mit gräßlichem Lachen,»denkt Ihr, ein Aussatz, der zwanzig Jahre alt ist, sei im Handumdrehen zu kurieren? Falls ich ein solches Ding besitze, das Ihr Seele nennt, so ist sie von meinem zehnten Jahre ab so scharf in Atem gehalten worden, daß ich wenigstens vier Wochen brauchte, um mich auf alles das zu besinnen, was ich damit verbrochen habe… und dann nochmal vier Wochen, sie zu beichten… und sollte man mir solche Galgenfrist lassen, dann würde ich sie ganz gewiß zu ganz was anderem brauchen.«—»Lästere nicht, Du verstockter Bösewicht!«sagte Quentin Durward,»sage mir, weshalb Du mich hast rufen lassen, und dann überlasse ich Dich Deinem Schicksale.«

«Ich will Euch bloß um einen Dienst bitten, Euch aber zuvor dafür bezahlen, denn ich weiß ja, wie es von Euch heißt: kein Stüber, kein Schotte…«— Durward fiel ihm ins Wort:»Spare Deine Stüber! Denn sie helfen Dir nichts. Sag', was Du von mir willst. Ich habe ja der Dienste bereits genug von Dir.«—»Nun, ich hab' immer was auf Euch gehalten, Durward, «sagte Hayraddin,»seit der Geschichte am Cher, und hätt' Euch gern zu einer reichen Frau verholfen… habt Ihr doch ihre Schärpe bereits getragen! Aber das hat mich irre geführt, und ich habe wirklich gedacht, Hameline würde mit ihrem flüssigen Reichtum einen besseren Marktpfennig abgeben, als das unflügge Küchlein mit seinem Hühnerhaus in Bracquemont, das Herzog Karl in den Klauen hält, und wahrscheinlich auch halten wird.«—»Verliere doch Deine Zeit nicht mit hohlem Geschwätz!«mahnte ihn Durward.»Du siehst doch, daß die beiden Schergen schon ungeduldig werden.«—»Gebt ihnen weitere zehn Gulden für weitere zehn Minuten, «sagte Hayraddin;»Ihr dürft mir's wirklich glauben, Durward, daß ich es gut mit Euch meinte, und Hameline hätte sich Euch ganz gewiß auch als willige, fügsame Gattin erwiesen. Verträgt sie sich doch sogar mit dem wilden Ardennen-Eber, dessen Art, zu freien, doch gewiß rauh und unritterlich ist! Aber sie thront jetzt in ihrem Schweinekoben, als hätte sie ihr Lebtag weiter nichts gefressen als Kleie und Eicheln!«—»Halt' ein mit Deinen rohen Späßen, oder ich überlasse Dich Deinem Schicksale, ohne mich darum zu kümmern, was Du mir sagen wolltest.«

«Ihr habt recht, «erwiderte Hayraddin nach kurzer Pause,»aber dem, was sich nicht vermeiden läßt, muß man eben entgegensehen. Nun, so wisse denn, daß ich in dieser verwünschten Verkleidung bloß hergekommen bin, weil mir Mark eine gewaltige Belohnung verhieß, und weil ich von König Ludwig auf eine noch weit größere rechnete, nicht allein, um die Ausforderung zu bringen, von der Ihr wohl gehört habt, sondern auch, um dem Könige ein nicht unwichtiges Geheimnis in die Hände zu liefern.«—»Das hieß freilich viel gewagt!«sagte Durward. — »So ist es auch ausgegangen, «erwiderte Hayraddin.»Wilhelm von der Mark wollte erst durch Marthon sich mit dem Könige in Beziehung setzen, aber sie konnte, scheint's, bloß bis zum Sterndeuter gelangen, dem sie alles erzählte, was sich unterwegs und in Schönwald zugetragen hatte… an Ludwig sind die Nachrichten aber sicher bloß in Gestalt von Prophezeiungen gelangt. Nun aber hört Ihr mein Geheimnis! Es ist wichtiger als alles, was sie ihm sagen konnte. Wilhelm von der Mark hat in Lüttich eine starke Truppenmacht zusammengebracht und mehrt sie täglich, just durch die Schätze des alten Kardinals. Aber er will es nicht auf eine Schlacht gegen die burgundischen Reiter ankommen lassen, auch will er keine Belagerung in der Stadt aushalten, sondern will den Burgunder Hitzkopf vor der Stadt ruhig Fuß fassen lassen und nächtlicher Weile einen Ausfall gegen ihn unternehmen. Er will viele Mannen aus dem Hennegau unter seiner Schar halten, die sollen in französischer Rüstung und mit dem französischen Schlachtrufe in die Schlacht rücken. Auf diese Weise will er Verwirrung unter die Burgunder bringen, und wenn dann König Ludwig ihn mit seiner Leibwache und seinem Gefolge unterstützt, so rechnet er, daß ihm der Sieg beschieden sein werde. So, nun wißt Ihr mein Geheimnis! Verkauft's, so hoch, wie Ihr wollt, an König Ludwig oder an den Burgunder, ganz, wie es Euch paßt, je nachdem Ihr den oder den verderben wollt! Mir tut's bloß leid, daß ich die Mine nicht hab' so springen lassen können, daß sie alle beide auf einmal zum Teufel gegangen sind!«

«Nun rede, «sagte Durward,»was ich Dir tun kann für dies Geheimnis, das allerdings sehr wichtig ist.«—»Na, das ist nicht eben viel verlangt, «versetzte der Zigeuner.»Eine Meile etwa von hier werdet Ihr meinen Klepper finden: bei einer verlassenen Köhlerhütte, drüben im Walde… es ist das einzige lebende Wesen, das mich vermissen wird. Wenn Ihr mit diesem Pfiffe ruft (er pfiff ein paar Mal ein besonderes Signal), ihn auch mit dem Namen» Biest «anredet, wenn er herankommt, dann legt ihm den Zaum hier an. Ein Glück, daß ihn die Hunde nicht auch zerfetzt haben, denn Biest leidet keinen anderen Zaum. Nehmt das Tier mit und gebt ihm sein Futter! Wenn auch nicht um meinetwillen, sondern bloß darum, weil ich Euch das Geheimnis überantwortet habe… verlassen wird Euch» Biest «nie, darauf könnt Ihr Euch verlassen… in keiner Not, bei keinem Wetter… dem Biest ist's ganz gleich, ob er unter winterlichem Himmel oder im warmen Stalle kampieren muß… also sagt: wollt Ihr Euch des Kleppers annehmen?«—»Das gelobe ich Euch, «erwiderte Quentin, durch diesen Zug von Anhänglichkeit bei dem verstockten Menschen tief gerührt. — »Na, dann adieu!«sagte der Zigeuner,»doch halt, noch eins! Unhöflich gegen eine Dame will ich doch nicht vor meinem Ende noch sein. Das Briefchen hier hat mir die gnädige, wenn auch recht dämliche Gemahlin des wilden Ebers von der Mark übergeben: Ich sollt's ihrer Nichte einhändigen. In Euren Blicken kann ich ja lesen, daß Ihr's gern besorgen werdet. Im Polster meines Sattels werdet Ihr auch eine schwere Geldkatze finden. Der Inhalt kostet mich mein Leben, aber ich hab's gewußt, daß die Summe nicht leicht zu verdienen war… nehmt sie, Ihr habt hundertfältigen Ersatz für die Gulden, die Ihr den Henkern dort gegeben habt, um noch zweimal zehn Minuten mit mir zu schwatzen. Ihr sollt mein Erbe sein!«—»Ich will das Geld zu Messen für Euer Seelenheil verwenden, «sagte Quentin.

Da verzog sich das Gesicht des Zigeuners zu einer schrecklichen Fratze, und er zischte wütend:»Redet mir bloß nicht solchen Pafel, Mensch! Solchen Krempel gibt's nun doch einmal nicht! Kann's nicht geben und darf's nicht geben! Das ist weiter nichts als Ausgeburt von pfiffigem Pfaffengeschmeiß!«—»Unglücklicher Mensch!«sagte Durward,»willst Du wirklich ohne Buße zur Hölle fahren?«—»Wohin ich fahre, «erwiderte der Atheist, indem er seine gefesselten Arme gegen die Brust preßte,»das überlaßt mir! Ich kann's abwarten, und werd's mit ansehen! Das geheimnisvolle Gewebe, Mensch genannt, löst sich wieder einmal auf in die allgemeine Masse der Natur, um in anderer Gestalt wieder zu erscheinen, als täglicher Ersatz für das tägliche Verschwinden. Was Wasser ist, geht über in Regen, was Erde ist, wird wieder zu Erde, was Luft ist, fliegt auf, und was Feuer ist, nährt den Glanz Aldeborans und seiner Brüder. In diesem Glauben habe ich gelebt, und in diesem Glauben will ich sterben! Hinweg nun von mir! Störe mich nicht weiter! Das letzte Wort, das aus meinem Munde zu menschlichen Ohren dringen wird, habe ich gesprochen!«

Tief ergriffen von dem Schrecken der Lage dieses Unglücklichen, sah Quentin nichtsdestoweniger ein, daß es eitle Hoffnung gewesen wäre, ihn zur Erkenntnis seines grausigen Zustandes zu bringen. Deshalb nahm er Abschied von ihm, und zwar so kurz und schnell wie möglich; der Unglückliche aber erwiderte ihm mit düsterem Nicken, wie jemand, der sich von einer Gesellschaft, die seine Gedanken zerstreut, in tiefes Hinbrüten verloren, verabschiedet; dann richtete Quentin die Schritte nach dem Walde zu, ohne Mühe den Ort findend, wo der Klepper weidete. Das Tier kam auf seinen Ruf heran, mochte sich aber anfangs nicht fangen lassen, sondern sprang und schnob, wenn sich Quentin nähern wollte. Endlich gelang es ihm aber, es am Zügel zu fassen. Sein Herr aber war lange, bevor Quentin nach Peronne zurückkehrte, schon dahingegangen, wo die Nichtigkeit seines furchtbaren Glaubens sich erproben mußte: eine grausige Probe für den, der weder Reue über die Vergangenheit noch Furcht vor der Zukunft hatte blicken lassen.

Siebzehntes Kapitel

Als Quentin Durward in Peronne wieder eintraf, war dort eben ein geheimer Rat versammelt, der über die Dinge beschließen sollte, die für ihn wichtiger sein sollten, als er ahnen konnte. Und doch saßen so vornehme Herrschaften zu Rate, daß sich kaum hätte glauben lassen, ein junger Mann von Quentins Stande könne in Beziehungen zu ihnen stehen.

König Ludwig, der nach Wilhelms Zwischenspiel keine Gelegenheit versäumt hatte, das gute Vernehmen mit dem Herzog zu fördern, hatte dessen Meinung darüber eingeholt, wie viele und was für Truppen gegen Lüttich ins Feld rücken sollten, und ging Crevecoeurs Rat zufolge bereitwillig auf alles ein, was der Herzog vorschlug, ermangelte indessen nicht, sich für seine Nachgiebigkeit durch Rache an Balue zu entschädigen, dessen Rat ihn verleitet hatte, ein so überschwengliches Vertrauen auf den Herzog von Burgund zu setzen. Tristan, der den Befehl zum Aufbruche der Hilfsvölker überbrachte, hatte auch den Auftrag, den Kardinal nach Loches zu bringen und ihn dort in einen der Käfige einzusperren, die König Ludwig selbst ersonnen haben soll.

Vielleicht hoffte Ludwig, durch seine schnelle Bereitwilligkeit unangenehmeren Bedingungen zu entgehen, von denen der Herzog ihre Versöhnung abhängig gemacht hatte. Aber wenn er solche Hoffnungen hegte, so mißkannte er die Denkungsart seines Verwandten völlig; denn es konnte wohl niemand mehr auf seinem Sinne bestehen, als Karl von Burgund, der sich so leicht nicht hätte willens erklärt, von einer Bedingung abzulassen, die er aus Verdruß über eine vermeintliche Beleidigung oder aus Rachsucht gestellt hatte.

Die nötigen Eilboten waren kaum unterwegs, die Truppen zu beordern, als der König von ihm aufgefordert ward, öffentlich seine Zustimmung zu der Vermählung des Herzogs von Orleans mit der Gräfin Isabelle zu geben.

Mit schwerem Seufzer erfüllte der König dies Begehren, erklärte aber gleich darauf, daß es wohl doch nötig sei, den Herzog von Orleans um seine Wünsche hierbei zu befragen.

«Sie sind nicht außer acht gelassen worden, «erwiderte der Herzog,»Crevecoeur hat mit Monseigneur Orleans gesprochen, ihn aber, — sonderbar genug, — so gleichgiltig gegen die Ehre, eine königliche Braut heimzuführen, gefunden, daß er sich mit Gräfin Isabellens Hand so willig einverstanden hat, als ob ihm gar kein besserer Vorschlag von einem Vater gemacht werden könnte.«—»Desto undankbarer von ihm, «sagte Ludwig,»allein es soll alles geschehen, wie Ihr wollt, Vetter, wenn Ihr nur die Zustimmung beider Teile erhalten könnt. — »Darüber seid unbesorgt, «sagte der Herzog; und wenige Minuten später wurden der Herzog von Orleans und die Gräfin von Croye, letztere wieder in Begleitung der Gräfin Crevecoeur und der Aebtissin der Ursulinerinnen, vor die Fürsten geladen. Aus dem Munde Karls von Burgund vernahmen sie ohne einen Einwurf von seiten Ludwigs, daß die Vereinigung ihrer Hände nach der Weisheit beider Fürsten beschlossen sei, um das unauflösliche Bündnis zu besiegeln, das zwischen Frankreich und Burgund sich gründen sollte.

Der Herzog von Orleans hatte alle Mühe, die Freude zu unterdrücken, die er über diesen Vorschlag empfand, denn es widerstrebte ihm, sie in Gegenwart Ludwigs laut werden zu lassen.

«Lieber Vetter Orleans, «sagte Ludwig mit finsterem Ernst,»da ich bei einer so unangenehmen Veranlassung zu Euch sprechen muß, ist es unnötig, Euch daran zu erinnern, daß Euer Verdienst allein mich veranlaßt hatte, Euch eine Verbindung mit meiner eigenen Familie vorzuschlagen. Allein da mein Vetter von Burgund glaubt, daß eine andere Verfügung über Eure Hand das sicherste Pfand der Freundschaft zwischen seinen Staaten und den meinigen sei, so bringe ich meine eigenen Hoffnungen und Wünsche gern zum Opfer.«— Der Herzog von Orleans warf sich ihm zu Füßen, und küßte — zum ersten Male mit aufrichtiger Zuneigung — die Hand, die ihm der König mit abgewandtem Gesichte hinhielt. Karl wandte sich nun an die junge Gräfin und kündigte ihr rund heraus die beabsichtigte Verbindung als eine Sache an, die weder Aufschub noch Verzögerung zulassen.

«Herr Herzog und Lehensherr, «sprach Isabelle, ihren ganzen Mut zusammennehmend,»ich achte Ew. Hoheit Befehle und unterwerfe mich ihnen.«—»Genug, genug, «fiel der Herzog ein,»das übrige wollen wir schon machen. Ew. Majestät, «fuhr er fort, sich an den König Ludwig wendend,»hat diesen Morgen eine Eberjagd gehabt, — wie wär's, wenn wir nachmittags einen Wolf jagten?«

Die junge Gräfin erkannte die Notwendigkeit eines entscheidenden Schrittes.»Ew. Gnaden mißverstehen mich, «sprach sie in schüchternem Tone, jedoch laut und entschieden genug, um des Herzogs Aufmerksamkeit zu erregen.»Meine Unterwerfung, «sagte sie,»erstreckt sich bloß auf die Ländereien und Besitzungen, die Ew. Gnaden Vorfahren den meinigen verliehen haben, und die ich dem Hause Burgund zurückgebe, wenn mein Oberherr glaubt, mein Ungehorsam in dieser Sache habe mich des Besitzes derselben unwürdig gemacht.«—»Ha, beim heiligen Georg!«rief der Herzog, indem er wütend auf den Boden stampfte,»weiß die Törin denn, vor wem sie steht, — und zu wem sie spricht?«—»Gnädigster Herr, «erwiderte sie, immer noch unverzagt,»ich stehe vor meinem Souverän und glaube, vor einem gerechten Souverän! Wenn Ihr mich meiner Besitzung beraubt, so nehmt Ihr mir alles das, was Eure Vorfahren uns gegeben haben, und zerreißt die einzigen Bande, die uns verknüpften. Aber Ihr habt mir weder diese arme Gestalt, noch viel weniger den Geist gegeben, der mich beseelt, — und diese, bin ich entschlossen, dem Himmel in dem Kloster der Ursulinerinnen unter Leitung dieser heiligen Mutter Aebtissin zu weihen!«

Die Wut und das Erstaunen des Herzogs lassen sich kaum denken; man müßte ihn denn mit einem Falken vergleichen, dem eine Taube ihre Flügel zum Kampfe entgegenspreizt.»Wird die heilige Frau Euch ohne alles Besitztum aufnehmen?«fragte er mit zorniger Stimme. — »Wenn sie ihr Kloster auch anfangs dadurch in Schaden setzt, «entgegnete die Gräfin Isabelle,»so versehe ich mich doch der Milde der edlen Freunde unseres Hauses, die eine Waise des Hauses Croye nicht hilflos lassen werden.«—»Das ist falsch!«sagte der Herzog,»ist bloß ein elender Vorwand, irgend eine geheime, unwürdige Leidenschaft zu verbergen. Herr Herzog von Orleans, sie soll die Eurige werden, und müßte ich sie mit eigenen Händen zum Altare schleppen!«

Die Gräfin von Crevecoeur, eine Frau von hohem Geist, die volles Vertrauen auf ihres Gemahls Verdienste und Gunst setzte, konnte nicht länger schweigen.»Gnädigster Herr, «sprach sie,»Eure Leidenschaften reißen Euch zu einer höchst unwürdigen Sprache hin. Keines edelgeborenen Weibes Hand kann mit Gewalt vergeben werden.«—»Und es streitet gegen die Pflicht eines christlichen Fürsten, «fiel die Aebtissin ein,»den Wünschen einer frommen Seele zu widerstreben, die, der Sorgen und Verfolgungen der Welt müde, eine Braut des Himmels werden will.«—»Auch kann mein Vetter Orleans, «sprach Dunois,»keinen Vorschlag annehmen, gegen den die Dame sich so öffentlich erklärt hat.«—»Wäre mir vergönnt, «fiel Orleans ein, auf den die Schönheit Isabellens einen tiefen Eindruck gemacht hatte,»eine Zeitlang zu versuchen, meine Bewerbungen vor der Gräfin in einem günstigeren Lichte zu zeigen, so — «

«Herr Herzog von Orleans, «versetzte Isabelle, deren Festigkeit nun durch die Ermunterung verstärkt wurde, die sie von allen Seiten erhielt,»das würde Euch nichts helfen, denn ich bin fest entschlossen, diese Verbindung abzulehnen, wie weit sie auch über mein Verdienst geht.«—»Auch ich hab' nicht Zeit, «sprach Herzog Karl,»zu warten, bis diese Grillen sich mit dem Mondwechsel geändert haben werden, — Orleans, sie soll in dieser Stunde lernen, wie notwendig es für sie ist, Gehorsam zu lernen.«—»Aber nicht meinetwegen, Sire, «antwortete der Prinz, der wohl fühlte, daß er von dem Eigensinne des Herzogs nicht mit Ehren Vorteil ziehen konnte,»einmal offen und bestimmt abgewiesen zu werden, ist genug für einen Sohn Frankreichs. Er kann seine Bewerbung nicht weiter fortsetzen. «Der Herzog warf einen wütenden Blick auf Orleans, einen anderen auf Ludwig; und als er in dem Gesichte des letzteren trotz aller Anstrengung, seine Gefühle zu verbergen, einen Ausdruck geheimen Triumphes las, geriet er vor Wut außer sich.»Schreibt, «sagte er zu seinem Sekretär,»unser Urteil gegen dieses ungehorsame, freche Geschöpf nieder! Sie soll ins Zuchthaus zu den gemeinen Kreaturen, mit denen sie an Frechheit wetteifert.«

Da erhob sich ein allgemeines Murren.

«Herr Herzog, «sprach Graf Crevecoeur, indem er für die übrigen das Wort ergriff,»das muß reiflich bedacht werden. Wir, Eure getreuen Vasallen, können nicht zugeben, daß dem Adel und der Ritterschaft Burgunds solcher Schimpf angetan werde. Hat die Gräfin unrecht gehandelt, so mag sie bestraft werden, — aber auf eine Weise, die sich für ihren Rang und den unsrigen geziemt, die wir mit ihrem Hause durch Bande des Blutes und der Verwandtschaft verbunden sind.«

Der Herzog hielt einen Augenblick inne und sah seinem Ratgeber mit dem Blicke eines Stiers in das Gesicht, der, wenn ihn der Hirt von dem Wege treibt, den er gehen will, überlegt, ob er gehorchen oder auf den Hirten losstürmen und ihn in die Luft schleudern soll. Die Klugheit trug indessen über die Wut den Sieg davon. Er sah, daß die Stimmung in seinem Rate allgemein gegen ihn war, und fürchtete die Vorteile, die Ludwig daraus ziehen möchte, wenn er Uneinigkeit unter seinen Vasallen bemerkte; und wahrscheinlich, — denn er war eher von roher und heftiger denn von bösartiger Gemütsart, — schämte er sich selbst seines unehrenhaften Vorhabens.

«Ihr habt recht, Crevecoeur, «versetzte er,»ich war zu vorschnell. Ihr Schicksal soll nach den Regeln des Rittertums entschieden werden. Ihre Flucht nach Lüttich hat das Zeichen zur Ermordung des Bischofs gegeben. Wer diese Untat am ehesten rächt und uns das Haupt des wilden Ebers der Ardennen bringt, soll berechtigt sein, ihre Hand von uns zu fordern.«—»Wie?«sagte die Gräfin,»bedenkt, daß ich die Tochter des Grafen Reinhold, — Eures alten, treuen Dieners, — bin. Wollt Ihr mich als einen Preis aussetzen für den, der die beste Klinge führt?«—»Eure Ahnfrau, «entgegnete der Herzog,»ward in einem Turnier gewonnen, und um Euch soll in offener Feldschlacht gefochten werden. Nur soll, um Graf Reinholds willen, ob reich, ob arm, der Ritter, der den Preis sich holt, ein Edelmann von untadelhafter Geburt und fleckenlosem Wandel sein. Das schwöre ich bei dem heiligen Georg, bei meinem Fürstenhut und dem Orden, den ich trage!«

Die Einrede der Gräfin wurde durch den jubelnden Beifall übertäubt, der sich von allen Seiten erhob und mehr als alles dazu beitrug, das Blut des ungestümen Brausekopfes zu besänftigen.

«Sollen wir, denen das Schicksal schon Frauen gegeben hat, «sagte Crevecoeur,»müßige Zuschauer bei diesem Kampfe sein? Dies verträgt sich nicht mit meiner Ehre; denn ich habe selbst noch ein Gelübde zu lösen auf Kosten dieses Stück Viehes mit seinen Hauzähnen, des Keilers von der Mark.«—»Schlage nur immer drein, Crevecoeur!«sagte der Herzog,»gewinnst Du sie, und kannst sie nicht behalten, so gib sie, wenn Du willst — dem Grafen Stephan, Deinem Neffen.«—»Großen Dank, gnädigster Herr!«sagte Crevecoeur,»ich will mein Bestes tun, und sollte ich so glücklich sein, den Sieg davonzutragen, so mag Stephan seine Beredsamkeit gegen die Frau Aebtissin versuchen.«—»Die französische Ritterschaft, «sagte Dunois,»wird doch hoffentlich von diesem Kampfe nicht ausgeschlossen sein?«

«Behüte der Himmel, wackerer Dunois, «antwortete der Herzog,»und wäre es auch nur, um zu erproben, wie Ihr Euer Aeußerstes tun werdet. Aber, «setzte er hinzu,»obgleich ich nichts dawider habe, wenn sich die Gräfin Isabelle mit einem Franzosen vermählt, so wird es doch nötig sein, daß der künftige Graf von Croye ein burgundischer Untertan werde.«—»Genug, genug, «sagte Dunois,»ich will als Franzose leben und sterben. Aber wenn ich auch die Ländereien preisgebe, für die Dame versuche ich den Kampf.«—»Niemand denkt an mich, «sprach le Glorieux,»und doch bin ich gewiß, Euch allen den Preis vor der Nase wegzuschnappen.«—»Ganz recht, weiser Freund, «sagte Ludwig,»wo ein Weib im Spiele ist, dort ist der Narr immer am ehesten Hahn im Korbe!«

Achtzehntes Kapitel

Wenige Tage waren vergangen, seit Ludwig die Nachricht erhalten hatte, sein Günstling und Ratgeber, Kardinal Balue, sitze in einem jener eisernen Käfige, die so eingerichtet waren, daß der arme Gefangene nur im Sitzen ruhen oder schlafen, sich also nicht ausstrecken konnte. Die vom Herzog verlangten Hilfstruppen waren angelangt; und ob er gleich das Unwürdige seiner Lage fühlte, daß er mit seinen edelsten Pairs unter den Fahnen seines eigenen Vasallen gegen ein Volk, dessen Sache er unterstützt hatte, ziehen sollte, ließ er sich doch durch diese Umstände vor der Hand nicht niederdrücken, in dem festen Vertrauen, daß die Zukunft ihn dafür reichlich entschädigen werde.

Mit solchen Empfindungen bestieg der König an einem schönen Tage in der letzten Hälfte des Erntemonats sein Pferd, und ohne sich darum zu kümmern, daß er eher jemand glich, der zum Triumphzuge eines Siegers gehört, als einem unabhängigen Fürsten, umgeben von seinen Garden und seiner Ritterschaft, ritt er aus dem gotischen Tore von Peronne, um zu dem burgundischen Heere zu stoßen, das zu gleicher Zeit seinen Zug gegen Lüttich begann.

Die meisten Damen, die sich in der Festung befanden, zeigten sich in ihrem besten Putze auf den Zinnen und Brustwehren des Tores, um den Zug der tapferen Krieger, die sich zu dieser Unternehmung in Bewegung setzten, mit anzusehen. Hierher hatte nun Gräfin Crevecoeur auch Isabelle geführt, die ihr nur ungern gefolgt war; allein es war Karls ausdrücklicher Befehl, daß die Dame, die dem Sieger im Turniere die Palme reichen sollte, auch den Rittern sichtbar sei, die um ihre Hand in die Schranken treten wollten.

Als sie sich aus dem Bogen des Tores hervordrängten, erblickte man manches Fähnlein und manchen Schild mit neuen Wahlsprüchen; und darunter befand sich einer, der es wagte, der Gräfin Isabelle ein Zeichen der Bekanntschaft zu geben, was selbst keiner der edelsten unter dem französischen Adel versucht hatte: und das war Quentin Durward, der, als er der Reihe nach bei den Damen vorüberritt, der Gräfin Isabelle an der Spitze seiner Lanze den Brief ihrer Muhme überreichte.

«Nun, bei meiner Ehre, «sagte Graf Crevecoeur, «das ist doch zu frech von solch einem unwürdigen Abenteurer!«—»Nennt ihn nicht so, Crevecoeur, «sagte Dunois,»ich habe guten Grund, seine Ritterlichkeit zu verbürgen — besonders in Beziehung auf diese Dame.«—»Ihr macht Worte um nichts, «sagte Isabelle, indem sie vor Scham und Unwillen errötete,»es ist ein Brief von meiner unglücklichen Muhme. Sie schreibt heiter, obgleich ihre Lage schrecklich sein muß.«—»Laßt hören, was die Ebersbraut schreibt!«sprach Crevecoeur.

Gräfin Isabelle las den Brief, worin ihre Muhme willens zu sein schien, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und sich über die Eilfertigkeit ihrer Vermählung durch das Glück zu trösten, mit einem der tapfersten Männer seiner Zeit vermählt zu sein, der soeben durch seinen Mut ein Fürstentum erkämpft habe. Sie beschwor ihre Nichte, ihren Wilhelm (so nannte sie ihn) nicht nach den Berichten anderer zu beurteilen, sondern zu warten, bis sie ihn persönlich kennen lerne. Er besitze vielleicht Fehler, allein es seien doch nur solche, wie sie Charakteren, die sie immer verehrt habe, eigen zu sein pflegen. Wilhelm sei dem Weine ergeben, allein das sei ja auch der tapfere Gottfried, ihr Großvater, gewesen. Er sei etwas heftig und blutdürstig; sei dies aber nicht auch ihr Bruder Reinhold gesegneten Andenkens gewesen? Er sei derb in seinen Reden; diesen Fehler teile er aber mit den meisten Deutschen. Er sei eigensinnig und durchgreifend, allein sie glaube, daran lasse es kein Mann fehlen… Sie schloß mit der Hoffnung und Bitte, Isabelle möchte mit Hilfe des Ueberbringers dem Tyrannen von Burgund zu entrinnen suchen und an den Hof ihrer lieben Muhme nach Lüttich kommen, wo sich alle Streitigkeiten über ihre Erbfolgerechte heben ließen, wenn sie Karl Eberson heirate, — einen Bräutigam, der zwar jünger sei als die Braut, wogegen sie aber (Gräfin Hameline), vielleicht aus Erfahrung sagen könne, daß solche Ungleichheit sich weit leichter ertragen lasse, als Isabelle sich es vorstellen möchte.

Hier hielt die Gräfin inne; denn Graf Crevecoeur brach in die Worte aus:»Ei, über die verführerische Hexe! Dieser Rat riecht so ranzig wie gerösteter Käse in einer Rattenfalle! Pfui über die alte Kupplerin!«

Indem nun Isabelle den Brief ihren Freunden vorlas, hielt sie es nicht für nötig, eine Nachschrift mitzulesen, worin sie mitteilte, daß sie ihrem Manne einen Waffenrock sticke, mit den verschlungenen Wappen der Häuser Croye und von der Mark, weil sich ihr Mann aus Klugheitsgründen entschlossen habe, in dem ersten Gefechte andere in seinen Waffenrock zu kleiden und das Wappen von Orleans mit dem schiefen Balken, mit anderen Worten das von Dunois, mitzunehmen. Auf einem besonderen Stück Papier, dessen Inhalt die Gräfin ebenfalls nicht mitzuteilen für nötig fand, standen von anderer Hand folgende Worte:»Wenn Ihr nicht bald von mir hört, und zwar durch die Trompete der Fama, so schließt, daß ich gestorben, aber nicht unwürdig gestorben bin!«

Ein Gedanke, den sie bisher als unglaublich zurückgedrängt hatte, trat nun mit doppelter Lebendigkeit vor Isabellens Seele. Da es dem weiblichen Scharfsinne selten an Mitteln fehlt, so wußte sie es auch einzurichten, daß, ehe die Truppen in vollem Marsche begriffen waren, Quentin Durward von unbekannter Hand das Billett der Gräfin Hameline erhielt, mit drei Kreuzen der Nachschrift gegenüber, wo bloß folgende Worte standen:»Er, der das Wappen der Orleans nicht fürchtete, als es auf der Brust seines tapferen Eigentümers sich befand, wird sich auch nicht fürchten, wenn er es auf der eines Tyrannen und Mörders findet.«

Tausend und abertausend Mal drückte der junge Schotte diese Zeilen an seine Brust und küßte sie; denn sie zeigten ihm den Weg, wo Ehre und Liebe ihm den Lohn entgegenhielten und setzten ihn in den Besitz eines Geheimnisses, das keiner kannte, wodurch er aber denjenigen herausfinden konnte, dessen Tod allein seine Hoffnungen zu beleben vermochte.

Durward sah indessen die Notwendigkeit ein, sich betreffs der Nachricht, die ihm Hayraddin mitgeteilt hatte, ganz anders zu benehmen, da der von Wilhelm von der Mark beabsichtigte Ausfall, wenn man dagegen nicht sorgfältig auf der Hut war, die Vernichtung des gesamten Belagerungsheeres zur Folge haben konnte; so schwer war es, bei der unordentlichen Art, zu damaliger Zeit Krieg zu führen, sich gegen einen nächtlichen Ueberfall zu sichern. Nachdem er sich die Sache reiflich überlegt hatte, entschloß er sich, nur persönlich, und zwar nur beiden Fürsten zusammen die Nachricht mitzuteilen; denn er besorgte, daß ein so wohlangelegter und vielversprechender Plan den König Ludwig leicht verleiten möchte, den beabsichtigten Ueberfall eher zu unterstützen, als zu hintertreiben. Er entschloß sich daher, eine schickliche Gelegenheit abzuwarten, wo er Ludwig und Karl beisammen träfe, die aber, da sie sich nicht gern Zwang antaten, vielleicht lange auf sich warten lassen mochte. Unterdessen bewegte sich der Zug fort, und die Verbündeten betraten bald das Gebiet von Lüttich, marschierten, ohne ernstlichen Widerstand zu finden, durch das üppige Maastal und rückten vor die große, dicht bevölkerte Stadt Lüttich an. Das Schloß Schönwald war geschleift, da Wilhelm von der Mark sich mit seiner ganzen Heeresmacht in die Stadt geworfen hatte, entschlossen, ein Zusammentreffen mit der Reiterei von Burgund und Frankreich in offenem Felde zu vermeiden.

Ein Teil des burgundischen Vortrabes, in der Meinung, es brauche bloß durch die Breschen in die Stadt einzuziehen, drang mit dem Rufe:»Burgund! Burgund! Schlagt tot! Denkt an Ludwig von Bourbon!«in eine der Vorstädte. Aber im Nu brach ein starker Haufe aus der Stadt und richtete ein großes Blutbad unter ihnen an. Als Herzog Karl diese Nachricht erhielt, geriet er außer sich vor Wut und hätte sich auf der Stelle an die Spitze seiner Mannen gestellt, wenn nicht Hymbercourt und Crevecoeur ihn dringend ersucht hätten, diesen Posten eilig zu verlassen. Die beiden berühmten Anführer trieben die Lütticher alsbald zurück und machten nicht weniger als achthundert Mann Gefangene. Hymbercourt ließ, um weitere Ausfälle zu verhüten, zwei Feldschlangen vor dem Tore auffahren und kehrte dann zu dem zahlreichen burgundischen Heere zurück, das er aber in großer Unordnung traf. Das Hauptkorps und der Nachtrab desselben war nämlich fortwährend vorgerückt, indes der Vortrab infolge dieses Renkontres auf dem Rückzuge begriffen war, und so waren beide in großer Verwirrung aufeinandergestoßen. Hymbercourts Abwesenheit, dem alle Geschäfte eines Generalquartiermeisters oblagen, vermehrte noch die Unordnung: zudem brach eine rabenschwarze Nacht herein, es fiel ein starker Regen, und der Boden, auf welchem sich das Belagerungsheer notgedrungen bewegen mußte, war sumpfig und von vielen Kanälen durchschnitten. So hatte Hymbercourt bei seiner Rückkehr unglaubliche Schwierigkeiten vor sich, die ihm durch die Vorwürfe des Herzogs verbittert wurden, der die weit dringlichere Pflicht, die Hymbercourt eben zu erfüllen gehabt hatte, nicht berücksichtigen wollte; endlich machte der tapfere Krieger seinem Grolle über diese unbilligen Vorwürfe Luft, durch den verdrießlichen Ausruf:»Ich habe eben unter dem Vortrab leidliche Ordnung geschaffen, und finde nun das Hauptkorps unter Eurer Hoheit eigener Führung in einem Zustande, daß sich weder Fronte noch Flanke noch Nachtrab unterscheiden läßt.«

«Um so ähnlicher sind wir einem Fäßchen Heringe, «versetzte Narr Glorieux,»und das ist das natürlichste Bild für ein flamändisches Heer.«

Des Narren Rede brachte den Herzog zum Lachen und verhinderte eine weitere Diskussion zwischen ihm und seinem General. Mit großer Anstrengung wurde ein kleines Lusthaus eines reichen Lütticher Bürgers in Besitz genommen und für den Herzog und seine unmittelbare Begleitung hergerichtet; und Hymbercourts und Crevecoeurs Ansehen gelang es endlich, in der Nähe eine Wache von vierzig Waffenleuten aufzustellen.

Ein wenig links von diesem Häuschen, zwischen ihm und der Vorstadt, die, wie schon bemerkt, dem Stadttore gegenüber lag und von dem burgundischen Vortrabe besetzt war, stand ein zweites Lusthaus, von einem Garten und Hofraum umgeben. Hier schlug der König von Frankreich sein Hauptquartier auf. Ein Teil seiner schottischen Leibwache wurde im Hofe untergebracht, der Rest im Garten. Dunois und Crawford, unterstützt von Offizieren und Soldaten, unter denen sich Balafré hervortat, suchten die Verbindung der Truppen unter sich den obwaltenden Umständen gemäß zu erleichtern; indessen hielt es der König für ratsam, sich in das Quartier des Herzogs zu begeben, um sich nach dem Operationsplane zu erkundigen, bei dem seine Mitwirkung erwartet wurde. Ein Kriegsrat war die Folge seines Erscheinens, und Karl hatte sich von der Art desselben wohl nichts träumen lassen. Jetzt bat nämlich Quentin Durward um Gehör, weil er den beiden Fürsten eine Sache von großer Wichtigkeit zu eröffnen hätte, und König Ludwig erstaunte nicht wenig über den Plan Wilhelms von der Mark, unter französischer Verkleidung und französischen Fahnen einen Ausfall aus der Stadt zu machen; wahrscheinlich wäre es ihm ja lieber gewesen, von dieser wichtigen Nachricht unter vier Augen Kenntnis zu erhalten; da nun aber die ganze Sache schon öffentlich vorgebracht worden, bemerkte er bloß, daß solchem Berichte, ob er nun wahr oder falsch sei, die ernstlichste Beachtung gewidmet werden müsse.

«Nach meiner Meinung ganz und gar nicht, «erwiderte der Herzog sorglos.»Wäre so etwas im Schilde, so wäre es mir sicher durch jemand anders als durch einen schottischen Bogenschützen gemeldet worden.«—»Wie dem auch sei, «erwiderte Ludwig,»so bitte ich Euch, lieber Vetter, beachten zu wollen, daß ich, um alle widrigen Folgen eines solchen Angriffes zu meiden, meine Soldaten veranlassen werde, über ihren Rüstungen weise Schärpen zu tragen, das Einvernehmen unseres Vetters vorausgesetzt.«—»Ich habe nichts dawider, «versetzte der Herzog,»wenn Eure Reiterei künftig als Schärpenritter gelten will.«—»Das wäre gar kein schlechter Titel, Freund Karl, «fiel der Narr ein,»denn Schärpen werden von Frauen getragen, und eine Dame soll ja der Preis des Tapfersten sein!«—»Schön geredet, Salomo, «sagte Ludwig.»Aber nun gute Nacht, Vetter, ich muß meine Rüstung ablegen. Was würdet Ihr denn sagen, wenn ich die Gräfin mit eigener Hand gewönne?«—»Dann müßte eben Eure Majestät, «erwiderte der Herzog in verändertem Tone,»ein treuer Flamänder werden.«—»Ich bin es doch bereits im vollsten Maße, «erwiderte Ludwig,»nur schade, daß Ihr's nicht glauben wollt!«

Der Herzog wünschte ihm hierauf gute Nacht, aber in einem Tone, der sich anhörte, als ob ein scheues Pferd schnaubte, das sich die Liebkosungen des Reiters, der eben aufsitzen will, nicht gefallen lassen mag.

«Ich würde ihm schließlich seine Zweideutigkeiten nachsehen, «sagte der Herzog zum Grafen Crevecoeur,»aber eines kann ich ihm nicht verzeihen, daß er mich für einen törichten Narren hält, der sich durch seine Versicherungen blenden lassen könnte.«

Ludwig rief, sobald er zurückgekehrt war, seinen Barbier zu sich.»Du, Oliver, «sagte er,»dieser schottische Jüngling ist ein Gemisch von Pfiffigkeit und Einfalt, so daß ich wirklich nicht weiß, was ich aus ihm machen soll. Denke Dir bloß die unverzeihliche Dummheit, den Plan des grimmigen Wilhelm von der Mark vor den Ohren des Herzogs und seiner Höflinge zu enthüllen, statt ihn mir ins Ohr zu raunen und mir wenigstens die Wahl zu lassen zwischen Ja und Nein!«—»Es ist besser so, Majestät, «sagte Oliver,»denn es befinden sich in Eurem Gefolge nicht wenige, die sich nicht bedenken würden, den Burgunder ohne vorherige Forderung zu überfallen oder sich mit dem Eber der Ardennen zu verbinden.«—»Du magst recht haben, Oliver! Die Narren in der Welt sterben eben nicht aus, und uns fehlt es jetzt an der Zeit, gegen Narrheiten Eigensucht auszuspielen. Für jetzt müssen wir schon den geraden Weg gehen, Oliver, und uns bestreben, als ehrliche Genossen des Burgunders zu gelten, wenigstens doch für heute nacht. Mit der Zeit spielen wir schon wieder ein besseres Spiel!«

Neunzehntes Kapitel

Bald herrschte Totenstille über dem großen Heere, das im Lager von Lüttich stand. Eine Zeitlang tönte noch das Rufen der Soldaten, die ihre Signale wiederholten oder sich bemühten, zu ihren Fahnen zu stoßen. Endlich aber drängten sich die zerstreuten Soldaten, durch die Anstrengungen des Tages erschöpft, unter das nächste beste Obdach zusammen, und wer keines finden konnte, sank an einer Mauer oder an einem Zaune nieder, um dort den Anbruch des Morgens zu erwarten, den viele von ihnen nie begrüßen sollten. Ein totenähnlicher Schlaf befiel fast alle, die herzoglichen und königlichen Wachen allein ausgenommen, und keiner gedachte vor Ermattung und Abspannung des hohen Preises, der jedem winkte, der den ermordeten Bischof am ehesten rächte. Nicht so Quentin Durward. Die Zuversicht, daß er allein die Zeichen kenne, woran Wilhelm von der Mark im Kampfe zu unterscheiden sei, die Erinnerung, durch wen er zu dieser Kenntnis gekommen, und die Vorbedeutung, die in dem Umstande lag, daß eben sie es war, durch welche er die Kenntnis gewonnen hatte, — dies alles scheuchte den Schlaf von seinen Augen und stählte seine Nerven mit einer Kraft, die aller Ermüdung Trotz bot. Auf des Königs ausdrücklichen Befehl auf den äußersten Posten zwischen den französischen Quartieren und der Stadt gestellt, eine gute Strecke rechts von der oben befindlichen Vorstadt, schärfte er das Auge, die vor ihm befindliche Masse zu durchdringen, und spitzte er das Ohr, den leisesten Ton zu vernehmen, der eine Bewegung in der belagerten Stadt andeuten könne. Allein schon hatten ihre gewaltigen Glocken drei Uhr nach Mitternacht verkündet, und alles war noch still und schweigend wie das Grab. Endlich, als er fast schon glaubte, der Angriff sei bis zum Tagesanbruch verschoben, meinte er, in der Stadt ein Summen zu vernehmen, wie von aufgestörten Bienen, die sich zur Verteidigung ihrer Zellen rüsten. Er horchte — das Geräusch dauerte fort; allein es war so unbestimmter Art, daß kein besonderer Ton sich unterscheiden ließ. Infolgedessen fand sich Quentin bewogen, nicht gleich Lärm zu schlagen. Als aber das Geräusch lauter ward und sich nach seinem Posten hinzog, hielt er es für seine Pflicht, seinen Oheim zu rufen, der den kleinen, zu seiner Unterstützung bestimmten Trupp Bogenschützen befehligte. Alle waren im Augenblick auf den Beinen. In weniger als einer Minute stand Lord Crawford an der Spitze und sandte einen Bogenschützen ab, um den König und sein Gefolge zu alarmieren; dann zog er sein Häuflein in einigen Abstand hinter das Wachfeuer zurück, so daß sie von dessen Lichtschein nicht getroffen werden konnten. Jetzt hörte man deutlich den schweren, wenn auch fernen Tritt eines großen Haufens, der sich der Vorstadt näherte.

«Die faulen Burgunder sind auf ihrem Posten eingeschlafen, «flüsterte Crawford,»eile nach der Vorstadt, Cunningham, und wecke die Ochsen auf.«—»Halte Dir ja, wenn Du gehst, den Rücken frei, «sagte Durward,»denn ohne Zweifel hat sich ein starkes Korps zwischen uns und die Vorstadt geschoben!«—»Sehr richtig, Quentin, «sagte Crawford,»Du bist ein Soldat über Deine Jahre. Der Haufen macht bloß Halt, bis die anderen heran sind… Ich wollte, wir wüßten, wo sie wären!«—»Ich will mich vorwärts schleichen, Mylord, «sagte Quentin,»und Euch Nachricht zu bringen suchen.«—»Tue das, mein Junge; Du hast scharfe Augen und Ohren, und guten Willen dazu, aber nimm Dich in acht, — ich würde Dich ungern verlieren.«

Quentin hatte schnell die Büchse instand gesetzt und stahl sich vorwärts auf dem Boden, den er in dem Zwielicht des vorigen Abends sorgfältig rekognosziert hatte, bis er nicht nur gewiß wußte, daß er sich in der Nähe eines sehr bedeutenden Korps befinde, das zwischen dem königlichen Hauptquartiere und den Vorstädten Posten gefaßt hatte, sondern auch, daß ein einzelner, kleiner Haufe sich noch weiter vorgeschoben habe und dicht neben ihm stehe. Sie schienen einander zuzuflüstern, als ob sie unschlüssig wären, was sie zunächst zu tun hätten. Ohne sich zu besinnen, feuerte Quentin seine Büchse ab — ein Schrei, dann Schüsse längs der ganzen Kolonne, deren Stärke sich dadurch verriet… aber Quentin erreichte unversehrt die Königswache wieder.

«Gut gemacht, Junge, «sagte Crawford.»Jetzt, Kinder, in den Hofraum zurück, — sie sind zu stark, als daß wir es mit ihnen im offenen Felde aufnehmen konnten!«

Im Hofe und im Garten trafen sie alles in bester Ordnung, den König aber im Begriffe, zu Pferde zu steigen…»Wohin, Sire?«fragte Crawford;»Ihr seid am sichersten bei Euren eigenen Landsleuten.«—»Nein, «versetzte Ludwig,»ich muß zum Herzog. Er muß in diesem entscheidenden Momente von unserer Treue versichert sein, oder wir bekommen Burgunder und Lütticher zusammen auf den Hals.«— Er schwang sich aufs Pferd, gab Dunois den Befehl über die französischen Truppen, Crawford den über die Bogenschützenwache, befahl ihnen, zwei Feldschlangen und einige Falkonets auffahren zu lassen, die etwa eine halbe Meile zurückgeblieben waren, unterdes aber ihren Posten gut zu verteidigen, jedoch unter keinerlei Bedingung weiter vorzudringen, so glücklich sich auch das Gefecht für sie wenden sollte. Dann ritt er zum Quartiere des Herzogs. Durward, der dem Könige gefolgt war, fand den Herzog in äußerst aufgeregter Stimmung, und doch war Ruhe und Sicherheit jetzt mehr nötig denn je. Eben hatte eine dritte, noch stärkere Kolonne Lütticher sich durch Gassen, Weingärten und ihr allein bekannte Durchgänge auf den rechten Flügel des burgundischen Heeres geworfen.

Die Ankunft des Königs, der nur von Balafré, Durward und einem halben Dutzend Bogenschützen begleitet war, stimmte den Herzog ruhiger. Hymbercourt, Crevecoeur und andere burgundische Anführer, deren Namen damals der Stolz und Schrecken der Krieger waren, stürzten sich blindlings ins Gefecht. Die Vorstadt stand in Brand, die furchtbare Feuersbrunst hemmte den Kampf um die brennenden Trümmer nicht. Im Mittelpunkte unterhielten die französischen Truppen, von großer Ueberzahl bedrängt, ein ununterbrochenes, lebhaftes Feuer. Zur Linken wogte die Schlacht mit abwechselndem Glücke hin und her, je nachdem neue Verstärkungen aus der Stadt hervorbrachen oder von dem Nachtrabe des burgundischen Heeres herangezogen kamen. Drei schreckliche Stunden dauerte der Kampf mit immer gleicher Wut, bis endlich der von den Belagerern so sehr ersehnte Morgen anbrach.

«Auf!«sagte der König zu Balafré und Quentin, als von dem Platze herüber, wo die Bogenschützen standen, Kanonenschläge dröhnten.»Die Feldschlangen und Falkonets sind da! Gepriesen sei die heilige Jungfrau! Sagt Dunois, er solle mit allen unseren Mannen näher an die Stadt rücken und sich zwischen sie und die dickköpfigen Lütticher werfen.«

Oheim und Neffe sprengten zu Dunois und Crawford, die, der Defensive lange überdrüssig, mit Freuden den Befehlen gehorchten und an der Spitze eines tapferen Haufens von zweihundert Mann französischer Edelleute, die Schildknappen und den größten Teil der Bogenschützen ungerechnet, quer übers Feld hin zogen, über Verwundete und Tote weg, bis sie einen Haufen von Lüttichern in die Flanke bekamen, der dem rechten Flügel der Burgunder heftig zu Leibe gerückt war. Und noch immer rückten Truppen aus der Stadt hervor, um die Schlacht auf diesem Punkte fortzusetzen.

«Beim Himmel!«sprach Crawford zu Dunois,»wüßte ich nicht, daß Du hier an meiner Seite rittest, so würd' ich sagen, ich sähe Dich unter jenen Banditen mit Deinem Streitkolben, — nur bist Du, wenn Du das dort wirklich bist, etwas dicker als gewöhnlich. Weißt Du gewiß, daß der Anführer dort nicht Dein Doppelgänger ist?«—»Mein Doppelgänger!«rief Dunois,»ich weiß nicht, was Du meinst! Aber dort ist ein Schurke, der mein Wappen auf Helm und Schild führt, den ich sogleich für seine Unverschämtheit züchtigen werde.«—»Bei allem, was edel ist, Herr, überlaßt die Rache mir!«rief Quentin. — »Dir, junger Mann?«fragte Dunois,»eine recht bescheidene Bitte! Aber in solchen Fällen gibt es keine Stellvertretung.«

Mit diesen Worten wandte er sich im Sattel und rief seiner Umgebung zu:»Edle Frankreichs! Legt Eure Lanzen ein! Laßt die Strahlen der aufgehenden Sonne durch die Scharen dieser Lütticher Schweine und Ardennen-Eber scheinen, die unsere alten Wappenröcke nachäffen!«— Die Gewaffneten antworteten mit dem lauten Rufe:»Dunois! Dunois! Lang lebe der kühne Bastard!«und mit ihrem Führer an der Spitze sprengten sie in gestrecktem Galopp auf den Feind. Sie fanden keinen zaghaften Gegner. Das starke Korps, das sie angriffen, bestand, einige berittene Offiziere abgerechnet, aus Fußvolk, das ihnen einen Widerstand entgegensetzte, wie der Igel seinem Feinde. Nur wenige konnten sich durch diese Eisenmauer Bahn brechen; aber unter den wenigen war Dunois, der seinem Rosse die Sporen gab und mit einem kühnen Satze auf den Gegenstand seines Hasses losstürmte.

Erstaunt, Quentin, immer Quentin, neben sich und in einer Reihe mit sich kämpfen zu sehen, nahm er plötzlich den Eberskopf mit seinen Hauern wahr und rief, von jähem Edelsinn ergriffen, Quentin zu:»Du bist würdig, die Waffen Orleans' zu rächen! Ich überlasse Dir dies Geschäft! Balafré, steht Eurem Neffen bei; aber niemand mische sich in Dunois' Eberjagd!«

In diesem Augenblicke hatte jedoch die Kolonne, zu deren Unterstützung Wilhelm von der Mark heranrückte, die während der Nacht gewonnenen Vorteile eingebüßt und war zum Rückzuge gezwungen worden. Da sie sich nun auf die französischen Waffenleute warfen, die mit ihnen im Handgemenge waren, geriet das Ganze in einen Strom hinein, der zu der Bresche zurückflutete, aus welcher die Lütticher hervorgebrochen waren.

Quentin machte übermenschliche Anstrengungen, den wilden Eber zu erreichen, der ihm immer im Auge blieb und durch Stimme und Beispiel die Schlacht zum Stehen zu bringen suchte, kräftig unterstützt durch eine auserlesene Zahl Landsknechte. Balafré und einige seiner Kameraden schlossen sich Quentin an, der Bewunderung über die außerordentliche Tapferkeit voll, die von einem so jungen Krieger entwickelt wurde. Dicht an der Bresche gelang es dem Eber — denn kein anderer als er war es — einige der Vordersten zurückzudrängen. Vor seinem eisernen Streitkolben schien alles zu Boden zu sinken. Er war so mit Blut bedeckt, daß das Wappen auf seinem Schilde nicht mehr zu erkennen war. Quentin fand ihn aber leicht heraus; dicht am Fuße der Bresche sprang er vom Pferde, ließ das edle Tier ledig durch das Getümmel laufen und stieg die Trümmer hinauf, um sich im Schwertkampfe mit dem Eber der Ardennen zu versuchen. Dieser wandte sich, mit hocherhobenem Streitkolben, gegen ihn, als ein furchtbares Triumphgeschrei, mit verzweifelten Rufen und wildem Getümmel vermischt, verkündete, daß die Belagerer auf einer anderen Seite in die Stadt gedrungen und denen, die die Bresche verteidigten, im Rücken waren. Da sammelte von der Mark durch Stimme und Hifthorn die verzweifelten Gefährten um sich her, verließ die Bresche und suchte seinen Rückzug nach einem Teile der Stadt zu bewerkstelligen, aus dem er vielleicht auf die andere Seite der Maas zu entkommen hoffte. Seine unmittelbaren Begleiter bildeten einen dichten Haufen kriegsgeübter Streiter um ihn her, die, da sie nie Pardon gegeben hatten, auch jetzt entschlossen waren, keinen anzunehmen. Sie hielten sich in dieser Stunde der Verzweiflung in solcher Ordnung zusammen, daß ihre Front die ganze Breite der Straße einnahm, durch die sie langsam sich zurückzogen. Wahrscheinlich wäre auf diese Weise Wilhelm von der Mark entkommen, da seine Verkleidung ihn vor denen verbarg, die mit seinem Kopfe Ehre und Hoheit zu erringen hofften, wenn ihm nicht Quentin, Balafré und einige Kameraden unablässig zugesetzt hätten. Bei jedem Halt, den die Landsknechte machten, kam es zu einem wilden Ringen zwischen ihnen und den Bogenschützen, immer suchte Quentin den Eber zu stellen; allein dieser, einzig nur auf den Rückzug bedacht, schien seinen Plan, ihn zu einem Zweikampfe zu bringen, immer vereiteln zu wollen. Nach jeder Richtung hin herrschte allgemeine Verwirrung. Das Geschrei und Geheul der Weiber, das Gejammer der bestürzten Einwohner, die nun allen Ausbrüchen kriegerischer Zügellosigkeit preisgegeben waren, schrillte furchtbar durch das Getöse der Schlacht. Gerade in dem Augenblicke, als von der Mark sich durch diese Höllenszene hindurcharbeitete und an das Portal einer Kapelle gelangte, verkündigte ihm der Ruf:»Frankreich! Frankreich! Burgund! Burgund!«, daß ein Teil der Belagerer von dem entgegengesetzten und schmaleren Ende der Straße eindrang und ihm den Rückzug abschnitt.

«Konrad, «sagte er,»nimm alle Leute mit Dir! schlagt Euch durch, wenn Ihr könnt — mit mir ist es vorbei! Ich bin Manns genug, um, aufs äußerste gehetzt, einige dieser landstreicherischen Schotten zur Hölle zu senden!«

Sein Leutnant gehorchte und eilte mit den noch übrig gebliebenen Landsknechten nach dem äußersten Ende der Straße, in der Absicht, sich durch die vorrückenden Burgunder einen Weg zu bahnen. Ungefähr sechs der besten Leute des von der Mark blieben bei ihrem Herrn, um mit ihm zu sterben, und stellten sich den Bogenschützen, deren Zahl nicht viel größer war, entgegen. — »Der Eber! Der Eber! Holla! Ihr schottischen Edelleute!«rief er, seine Keule schwingend.»Welchen von euch gelüstet es, eine Grafenkrone zu gewinnen? Wer führt den Streich nach des Ebers Haupte? Ihr, junger Mann, deucht mir, habt große Lust dazu, — allein Ihr müßt sie erst gewinnen, ehe Ihr sie tragen könnt!«

Quentin hörte diese Worte nur undeutlich, da sie zum Teil in der Wölbung des Helmes verklangen; allein schon sprang von der Mark wie ein Tiger auf ihn los, indem er mit der Keule einen wuchtigen Hieb nach ihm führte, der einen Ochsen zu Boden gestreckt hätte; Quentin aber, behend und scharfblickend, wie er war, entging dem Streiche durch einen Sprung zur Seite. Zwar fielen nun die Streiche des verzweifelten Räubers wie die Schläge des Hammers auf den Amboß, aber dem jungen Bogenschützen gelang es weiter, ihnen durch seine schnellen Bewegungen und die geschickte Führung des Schwertes zu entgehen und sie mit der Spitze seiner zwar minder geräuschvollen, aber gefährlicheren Waffe zu erwidern. Das tat er so oft und mit solcher Wirksamkeit, daß die Riesenkraft seines Gegners zu ermatten begann, als der Boden, auf dem er stand, ganz mit Blut getränkt war. Immer noch focht er mit ungeschwächtem Arm und mit derselben Geisteskraft wie zuvor. Sein Sieg schien noch immer zweifelhaft und fern, als eine weibliche Stimme hinter ihm seinen Namen nannte und schrie:»Hilfe! Hilfe! Um der gebenedeiten Mutter Gottes willen!«

Er wandte sich um und erkannte auf den ersten Blick Gertrude Pavillon, wie sie, den Mantel von den Schultern gerissen, von einem französischen Soldaten mit Gewalt fortgeschleppt und [Wort fehlt im Buch] wurde.»Wartet einen Augenblick!«rief Quentin dem Eber zu und eilte seiner Wohltäterin nach, um sie aus einer Lage zu befreien, deren Gefahr er sich recht gut vorstellen konnte. — »Ich warte auf niemand, «sagte von der Mark, seinen Rückzug antretend, ohne Zweifel froh, auf so bequeme Weise von einem so gefährlichen Gegner befreit zu sein. — »Ihr sollt, mit Verlaub, doch wohl so lange warten, bis ich komme!«sprach Balafré,»denn so lasse ich meinem Neffen nicht mitspielen!«Mit diesen Worten ging er dem Eber mit seinem zweihändigen Schwerte zu Leibe.

Gertruds Räuber, von seinen Kameraden unterstützt, weigerte sich, von seinem Raube zu lassen, und während Durward mit Hilfe einiger Landsleute ihn zu bezwingen suchte, sah er den Vorteil, den der Zufall ihm zu Glück und Reichtum so gründlich in die Hände gegeben, schwinden: und als er endlich mit dem befreiten Mädchen auf der Straße stand, war niemand mehr zu sehen. Der hilflosen Lage des Mädchens gänzlich vergessend, stand er im Begriffe, dem Eber nachzueilen, wie der Windhund die Spur des Wildes verfolgt, als sich Gertrud verzweiflungsvoll au seinen Arm hing und rief:»Um Eurer Mutter Ehre willen, laßt mich nicht hier! So wahr Ihr ein Edelmann seid, geleitet mich sicher nach dem Hause meines Vaters, das einst Euch und Gräfin Isabelle Schutz gewährte! Um ihretwillen verlaßt mich nicht!«Ihr Ruf klang wie der einer Sterbenden, aber er war unwiderstehlich. Mit unaussprechlich bitterem Gefühl allen frohen Hoffnungen Lebewohl sagend, führte Quentin, wie ein Geist, der mit Widerwillen einem Zauberer gehorcht, Gertrud nach Pavillons Haus und kam eben noch recht an, um es gegen die Wut der zügellosen Soldaten zu schützen.

Der König und der Herzog zogen indessen durch eine der Breschen in die Stadt ein. Beide waren vollständig gewappnet; der Herzog aber, vom Helmbusch bis zu den Sporen mit Blut bedeckt, trieb sein Streitroß wütend die Bresche hinauf, während Ludwig bedächtig wie ein Mönch, der eine Prozession anführt, folgte. Sie gaben Befehl, mit der Plünderung einzuhalten und die zerstreute Truppe zu sammeln. Dann begaben sie sich nach der Hauptkirche, teils um die vornehmeren Einwohner zu schützen, die sich dorthin geflüchtet hatten, teils, um nach der Anhörung der Messe Kriegsrat zu halten.

Gleich anderen Offizieren seines Ranges beschäftigt, die unter seinen Befehlen stehende Truppe zu sammeln, begegnete Lord Crawford, indem er um die Ecke bog, die nach der Maas führte, Balafré, der gemächlich dem Flusse zuschritt, ein menschliches Haupt an den blutigen Haaren haltend.

«Nun, Ludwig, «fragte der Lord,»was willst Du mit diesem Aase machen?«—»Das ist alles, was von einem Stück Arbeit übrig geblieben ist, das sich mein Neffe ausgesucht hatte und womit er auch selbst zu Ende gekommen wäre; ich brauchte nur die letzte Hand anzulegen, «sagte Balafre.»Es war ein tüchtiger Bursche, den ich ins Jenseits spedierte; er hat mich noch gebeten, seinen Kopf in die Maas zu weisen!«—»Und Ihr wollt den Kopf auch in die Maas werfen?«fragte Crawford, dieses grause Haupt näher ins Auge fassend. — »Allerdings, «sagte Ludwig.»Wenn Ihr einem Sterbenden die letzte Bitte versagt, so werdet Ihr von seinem Geiste geplagt; und ich schlafe nachts gern ruhig!«—»Ihr müßt es schon mit dem Geiste aufnehmen, Freund!«sagte Crawford.»Es liegt, meiner Seel, an dem toten Dinge weit mehr, als Ihr Euch träumen laßt. Kommt mit mir — kein Wort mehr! Kommt nur, kommt!«—»Nun, wenn's an dem ist, «sagte Balafré,»ich hab's ihm ja eigentlich nicht versprochen; denn in Wahrheit, ich hatte ihm schon den Kopf heruntergehauen, ehe er mit dem Gesuche zu Ende kam.«

Als das Hochamt in der Kathedralkirche von Lüttich vorüber war und die geängstigte Stadt wieder einiger Ruhe genoß, schickten sich Ludwig und Karl, von ihren Großen umgeben, an, die Ansprüche derer zu vernehmen, die im Verlaufe der Schlacht besondere Dienste geleistet hatten. Diejenigen, welche die Grafschaft Croye und ihre schöne Gebieterin betrafen, kamen zuerst an die Reihe; und zum großen Mißvergnügen mehrerer Bewerber, die sich im Besitz der schönen Beute geglaubt hatten, schienen ihre Ansprüche Zweifeln und Ungewißheit zu unterliegen. Crevecoeur zeigte eine Eberhaut vor, wie sie von der Mark zu tragen pflegte; Dunois einen zerspaltenen Schild, mit seinem Wappen bezeichnet; und mehrere andere, die sich das Verdienst aneigneten, den Mörder des Bischofs in die andere Welt befördert zu haben, brachten ähnliche Zeichen zum Vorschein, — denn der reiche Preis, der auf Marks Kopf gesetzt war, hatte allen, die in Anzug und Rüstung mit ihm einige Ähnlichkeit hatten, den Tod gebracht. Es entstand ein heftiger Lärm und Streit unter den Bewerbern, und Karl (der bereits das rasche Versprechen bereute, das die Hand und die Besitzungen seiner schönen Vasallin solchem Zufalle preisgegeben hatte) rechnete schon damit, all dieser widerstreitenden Ansprüche los zu werden, als sich Crawford in den Kreis drängte und Balafré hinter sich herzog, der ungeschickt und verdutzt, wie ein Jagdhund an einer Leine, folgte.»Hinweg, «rief sein Führer,»mit Euren Tatzen, Häuten und Eurem bemalten Eisen! Keiner als der, welcher den Eber selbst erschlagen hat, vermag seine Hauer aufzuweisen!«Mit diesen Worten warf er das blutige Haupt auf den Boden, das man schnell an der sonderbaren Bildung der Kinnbacken für den Kopf Wilhelms von der Mark erkannte. Es lag wirklich eine Ähnlichkeit mit denen jenes Tieres darin, dessen Namen er trug, und alle, die Wilhelm gesehen hatten, gestanden, daß hier keine Täuschung stattfinde.

«Crawford, «sagte Ludwig, während Karl in sich gekehrt und in düsteres, mißmutiges Erstaunen versunken dasaß,»ich wette, es ist einer meiner treuen Schotten, der diesen Preis gewonnen hat.«—»Ludwig Lesly ist's, den wir Valafré nennen, «antwortete der alte Krieger. — »Ist er aber auch von edlem Geschlechte?«fragte der Herzog.»Stammt er nicht aus adligem Blute, so sind Wir Unseres Versprechens quitt.«—»Er ist freilich ein aus dem Groben gearbeitetes Stück Holz, «sagte Crawford, indem er auf die lange, unbeholfene Gestalt des Bogenschützen hinsah,»aber ich bin gut dafür, daß er bei all dem ein Zweig des großen Stammes der Rothes ist, und die sind so edel, als nur irgend ein Haus in Frankreich oder Burgund.«

«So ist denn nicht mehr zu helfen, «sagte der Herzog,»die reichste, schönste Erbin in Burgund muß das Weib eines rohen Mietssoldaten werden oder ihre Tage im einsamen Kloster beschließen, und gleichwohl ist sie das einzige Kind unseres treuen Reinhold von Croye! Ich habe zu voreilig gehandelt!«Eine düstere Wolke legte sich auf seine Stirn, zum großen Erstaunen seiner Pairs, die ihn selten auch nur das geringste Zeichen von Reue über einen einmal gefaßten Entschluß hatten von sich geben sehen… — »Halt, noch einen Augenblick!«sagte Lord Crawford,»die Sache ist wohl besser, als Ew. Hoheit vermutet. Hört nur, was dieser Kavalier hier zu sagen hat. Sprich, Freund — daß Dich die Pest — «raunte er Balafré zu.

Allein der tölpelhafte Soldat mochte sich wohl noch dem Könige, an dessen Vertraulichkeit er gewöhnt war, verständlich machen, aber im gegenwärtigen Falle war es ihm rein unmöglich, seinen Entschluß vor einer so glänzenden Versammlung kund zu tun. –

«Ew. Majestät und Ew. Hoheit halten zu Gnaden, «sagte Crawford,»ich sehe schon, ich muß für meinen Landsmann und alten Kameraden das Wort nehmen. Ihr müßt wissen, daß ihm durch einen Seher seines Vaterlandes prophezeit worden ist, daß das Glück seines Hauses durch eine Heirat gemacht werden würde, nun aber geht's ihm wie mir — er ist über diese Zeiten hinüber, — und sitzt lieber im Weinhaus, als bei einer Dame im Sommergemach, — kurz und gut, er hat seine wunderlichen Eigenheiten und Gelüste, die ihm seine neue Hoheit nur unbehaglich machen würde, und hat sich deshalb meinem Rate gefügt und verzichtet auf die Ansprüche, die er durch Erlegung Wilhelms von der Mark erworben hat, zugunsten dessen, durch den der wilde Eber der Ardennen eigentlich zu Fall gebracht worden ist, und das ist kein andrer denn sein Neffe mütterlicherseits.«

«Ich kann den guten Diensten und der Klugheit dieses Jünglings das Wort reden, «sagte Ludwig, hocherfreut, daß das Schicksal diesen schönen Preis jemandem zuteil werden ließ, auf den er einigen Einfluß zu haben glaubte.»Ohne seine Klugheit und Wachsamkeit wären wir heute verloren gewesen, — er war es, der uns auf den nächtlichen Ausfall aufmerksam machte.«—»So bin ich ihm, «sagte der Herzog,»einige Entschädigung dafür schuldig, daß ich an seiner Wahrhaftigkeit gezweifelt habe.«—»Und ich kann seine Tapferkeit als Waffenmann bezeugen, «sagte Dunois. — »Aber, «unterbrach ihn Crevecoeur,»wenn auch sein Oheim schottischer Edelmann ist, so macht das doch nicht seinen Neffen dazu.«—»Er ist aus dem Hause Durward, «sprach Crawford,»und stammt von Allen Durward ab, Oberkämmerer von Schottland.«—»Ja, wenn es der junge Durward ist, «sagte Crevecoeur,»so schweige ich. Fortuna hat sich zu seinen Gunsten erklärt, und mit so einer launenhaften Dame lasse ich mich in keinen Streit ein.«—»Wir haben nur zu untersuchen, «sagte Karl nachdenklich,»wie die schöne Dame diesem glücklichen Abenteurer gesinnt ist.«—»Beim heiligen Meßopfer!«sagte Crevecoeur,»ich habe nur zu viel Grund, zu denken, daß Ew. Hoheit sie diesmal weit gehorsamer und unterwürfiger finden wird als früher. Aber warum sollte ich dem jungen Manne sein Glück nicht gönnen? Geht doch aus allem hervor, daß Verstand, Festigkeit und Tapferkeit ihn in den Besitz von Reichtum, Rang und Schönheit gesetzt haben!«


Mag eines besseren Barden Mund besingen,

Wie zu Bracquemont die Tore aufgingen,

Wie dem Schotten die holde Gebieterin

Gab Schönheit und Grafschaft zu eigen hin!

Ende. –



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