12 Das Schwert

Es war still in Qualinost. Die Nacht lag wie ein dunkler Mantel über der Stadt. Mitternacht war vorbei, und der Morgen nicht mehr fern, doch noch immer flackerte ein orangeroter Schein hinter den Fenstern von Flints kleinem Laden. Drinnen sank der Zwerg müde auf einen Holzstuhl und betrachtete das Werk seiner Hände. Das Schwert war fertig.

Makellos glänzte es im roten Licht der Esse. Die rasiermesserscharfe Klinge funkelte, und Lichtstrahlen umspielten die Zwergenrunen der Macht, die Flint in die flache Seite der Klinge eingraviert hatte. Der Handschutz war aus weichen Rundungen und zarten Stahlbögen, die wie Ranken von Schlingpflanzen aus dem Heft des Schwerts zu wachsen schienen. Selbst Flint – bescheiden, wie der Zwerg doch war – spürte, daß etwas Besonderes an diesem Schwert war. Er konnte nur hoffen, daß es Tanis gefallen würde.

Er machte dem Halbelfen gern eine Freude. Vielleicht würde er Tanis eines Tages in Solace herumführen und ihm zeigen, daß Elfen nicht die einzigen Bewohner Krynns waren. Das würde Tanis noch besser gefallen als das Schwert, dachte er.

Flint seufzte und erhob sich. Er schob die Kohlen unter die Asche des Schmelzofens zurück und blies die letzte Talgkerze aus, die die Dunkelheit noch erhellte. Im silbernen Mondlicht suchte er sich seinen Weg in das kleine Zimmer hinter dem Laden, wo er nur noch seine Stiefel auszog und dann erschöpft ins Bett fiel und einschlief. Bald erklang das Schnarchen des Zwergs so rhythmisch wie noch Augenblicke zuvor seine Hammerschläge.

Es war die dunkelste Zeit der Nacht. Die Tür zum Laden ging langsam und vorsichtig auf, damit die Glocke nicht bimmelte. Eine Gestalt trat ein und schloß sorgfältig die Tür hinter sich. Sie blieb stehen, legte den Kopf schief und huschte dann befriedigt lautlos zur Werkbank.

Das Schwert glänzte leicht im kalten Licht von Solinari, das durchs Fenster fiel. Die dunkle, verhüllte Gestalt erhob die Hand mit dem Handschuh und fuhr mit dem Finger die Klinge entlang, als würde sie ihre Schärfe prüfen. Dann hielt sie beide Hände über die Waffe und murmelte Worte der alten Sprache eines Volkes, das schon vor Urzeiten untergegangen war und an dessen Name sich längst niemand mehr erinnerte. Nur wenige außer den Zauberern waren dieser Sprache heute noch mächtig, denn es war die Sprache der Magie.

Das Gemurmel endete. Die letzten Silben hingen noch wie Staubflocken in der Luft. Das Schwert begann zu glänzen, doch nicht vom Mondlicht, sondern von innen heraus. Es war ein rotes Licht, das immer heißer wurde, bis das Schwert einen wilden, feuerroten Schein ausstrahlte. Ein kleiner Haufen Pfeilspitzen daneben strahlte genauso. Plötzlich schien sich ein Schatten aus der Dunkelheit jenseits des Lichtscheins zu lösen und auf das Schwert zuzuschweben. Der Schatten trotzte dem roten Licht, bis es plötzlich in die Klinge zurückwich, als wäre es hineingesaugt worden. Die Waffe zuckte kurz, dann ließ das Licht nach.

Die Ladentür schwang im sanften Nachtwind leicht hin und her. Das Schnarchen ging ungestört weiter. Der Fremde war fort.

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