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»Dort ist die Tamira«, sagte jemand und deutete nach Steuerbord in das Gewirr der Voskjardschen Schiffe.

Ich warf mein Schwert fort und schnappte mir ein Messer von den Decksplanken, das ich zwischen die Zähne steckte. Dann machte ich von der Bugreling der Tina einen Kopfsprung ins Wasser.

Sofort befand ich mich zwischen hin und her wühlenden Rudern und andern Schwimmern. Dicht neben mir stieß ein Pfeil ins Wasser und kam gleich wieder an die Oberfläche. Hinter mir prallten zwei Schiffsrümpfe zusammen.

Die Olivia, Tais und Tina waren dicht belagert von Piratenschiffen. Auf blutigen Decks widmeten sich Männer dem grausamen Kriegshandwerk. Das Sirren von Bogensehnen lag in der Luft.

Ich klammerte mich an ein Wrackteil. Am anderen Ende hielt sich ein Mann fest. Ich wußte nicht, ob er zu den Piraten gehörte oder nicht.

Der Nachmittag war beinahe vorüber.

Es war, als befände ich mich in einem See blutigen Holzes in der Mitte des Vosk. Ragnar Voskjards Schiffe bedrängten unsere drei Schiffe dermaßen, daß sie weder Rammen noch Scherblätter einsetzen konnten. So manches Piratenschiff war durch Pechgeschosse oder Katapultschüsse der eigenen Seite in Brand gesteckt oder versenkt worden. Ganze Wurfspießgarben hagelten ebenso oft auf Piratenschiffe nieder wie auf unsere Decks, gar nicht zu reden von den Bogenschützen, die oft genug eigene Leute trafen, was die Piraten doch sehr verwirrte.

Im Wasser hinter mir gab es Bewegung, und ich warf mich zur Seite und vermochte im Umdrehen eben noch den Arm mit dem Messer abzuwehren, der auf mich zuzuckte. »Für Voskjard!« fauchte der Mann. Wir kämpften im Wasser. Ich zerrte ihn zu mir heran, nahm das Messer aus den Zähnen und stieß zu.

Dann wandte ich mich dem Mann zu, der mit mir am selben Wrackstück gehangen hatte. »Ich war auf der Mira aus Victoria«, sagte er hastig.

»Nein!« sagte ich.

»Doch!«

»Nenn mir den Kapitän der Mira!« forderte ich.

Daraufhin erbleichte der Bursche, ließ das Holzstück los und schwamm hastig davon. Ich verfolgte ihn nicht.

Etwa zwanzig Meter entfernt glitt ein Ruderboot vorbei. Bogenschützen standen darin. Sie jagten nach Überlebenden.

Ich sah einen Mann auf mich zuschwimmen, einen bärtigen, furchteinflößend aussehenden Burschen; er hielt ein Messer in der Faust. »Für Ragnar Voskjard!« rief er.

Ich tauchte, kam hinter dem Burschen hoch und nahm den Bärtigen in den Schwitzkasten. Beinahe gleichzeitig schwenkte das Ruderboot in unsere Richtung. Zwischen den Sitzbänken standen Bogenschützen und legten Pfeile auf die Sehnen.

Mit der rechten Hand hob ich das Messer und ließ den Bärtigen zur Seite forttreiben. »Für Ragnar Voskjard!« rief ich grinsend und schwenkte das Messer.

Die Bogenschützen senkten die Waffen. »Gut gemacht, Bursche!« sagte der Mann am Steuer.

Ich trat Wasser und sah zu, wie das Beiboot sich entfernte. In diesem Moment ertönte hinter mir ein lautes Brechen und Knacken; in der drangvollen Enge hatte sich ein Pirat ein verbündetes Schiff aufs Korn genommen.

Die Olivia, die Tais und die Tina schwammen noch. In der Enge waren sie vor Rammen und Scherblättern sicher. Gleich einer hölzernen Festung wurden die drei Schiffe zusammengedrückt und vermochten auf diese Weise, umringt, beschossen, belagert, einen Angriff nach dem anderen zurückzuwerfen. Die Infanteristen aus Ar, zahlenmäßig stärker vertreten, als es auf Schiffen sonst üblich war, und kampfmäßig bestens ausgebildet, stärkten den Widerstand unserer kleinen Flotte. In der bestehenden Situation kam niemand leicht an uns heran, und wer es aus unmittelbarer Nähe wagte, machte die Bekanntschaft der Krieger aus Ar. Die mächtigen Schilde, die langen Speere, die schnell zuschlagenden Schwerter drängten die Angreifer Welle um Welle zurück. Und doch ist selbst der mächtigste Larl vor den fauchenden Urts nicht gefeit, wird er, an der Kette liegend, nur lange genug bedrängt. Die winzigen Bisse, die kaum merklichen Wunden, das tröpfelnde Blut – all dies tut, zusammen genommen, seine Wirkung und fordert den unvermeidlichen Preis.

Ich schaute zur Sonne auf. Ringsum färbte sich das Wasser blutig. Der Tag war beinahe zu Ende. Hundert Meter entfernt stand ein Piratenschiff in Flammen. Eine Voskmöwe hatte sich auf das Wrackteil gesetzt, an dem ich mich vorher festgehalten hatte. Ich steckte mir das Messer wieder in den Mund und schwamm auf die Tamira zu.

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