Ranger (Im Raum Lansing) + 109 Megasekunden

„Kannst du nichts von Lansing empfangen, Pappy?“ Bertha wandte sich steif vom Rendezvousprogramm auf dem Bildschirm ab.

Clewell nahm mit einer müden Bewegung den Kopfhörer ab. „Nein, ich überwache das gesamte Spektrum. Wenn jemand sich mit uns in Verbindung setzen will, werden wir es auch hören.“

„Vielleicht ist der Sender zusammengebrochen“, mutmaßte Shadow Jack „… Könnte schon sein. Es wurde immer schwieriger, ihn zu reparieren.“ Bird Alyn schwebte neben ihm über Berthas Kopf und betrachtete das vergrößerte Bild Lansings auf dem Bildschirm. Bertha betrachtete dagegen nur die sanfte Oberfläche des Zeltes mit Interesse: das Leichentuch eines sterbenden Volkes, das dank der Ranger noch eine kurze Frist gewonnen hatte.

Diskus hing links darüber, ein fernes, funkelndes Juwel. Und irgendwo in der Finsternis steckten die drei Fusionsschiffe des Demarchy. Kein einziges hatte mit einem Bremsmanöver begonnen, um seine Geschwindigkeit der der Ranger anzupassen. Also war ihre Mission Mord… Bertha überflog die letzten Positionsangaben. Sie hatten höchstens noch zehn Minuten, um den Wasserstoff abzuladen.

„Unsere Zeit ist ein wenig knapp… sicher macht es Lansing nichts aus, wenn wir euch mit der Ladung in einem niederen Orbit absetzen und dann von hier verschwinden.“ Sie lächelte Shadow Jack und Bird Alyn zu und zwang sich, ihrer Stimme einen warmen Klang zu geben. „Sie werden froh sein, euch zu sehen, mit euren achthundert Tonnen Wasserstoff.“

„Das werden sie“, stimmte Shadow Jack zu. Sie nickten, und ihre Gesichter hinter den Helmen der Druckanzüge waren sauber und lächelten tapfer. „Aber… werdet ihr auch ganz bestimmt ohne uns klarkommen?“ Ein seltsamer Unterton ließ seine Stimme brüchig klingen. „Nur ihr beide?“ Er betrachtete Clewells zerfurchtes Gesicht und ließ seine Knöchel knacken.

Aus dem Augenwinkel erblickte Bertha Abdhiamal, der sie beobachtete… Abdhiamal in seiner bestickten Jacke und den ausgebleichten Hosen. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Wir kommen schon zurecht.“ Ihre Stimme brachte eine Überzeugung zum Ausdruck, an die ihr geschundener, schmerzender Körper nicht so recht glauben wollte. Aber sie wollte nicht auf seine Schuld anspielen, um ihn zu einer Sinnesänderung zu bewegen. So weit waren sie gekommen, der Rest würde auch irgendwie gehen. Später… sie konnte später darüber nachdenken. „Laß deine Knöchel nicht knacken, Shadow Jack. Das ist nicht gut für die Gelenke.“

Shadow Jack grinste dünn und stülpte seine Handschuhe über.

Wadie berührte ihre Schulter. „Sehen Sie.“

Während sie sprachen, hatte die Ranger eine Vierteldrehung um Lansing gemacht. Am nahen Horizont sahen sie eine kahle, nackte Stelle im Felsgestein, unter der das Zelt wie Wolken das Gestein traf.

„Der Berg“, sagte Bird Alyn. „Und dort ist die Funkantenne und der Landeplatz… da ist ja eines unserer…“

„He!“ Shadow Jack zupfte an ihrem Ärmel. „Das ist keines von unseren Schiffen! Ich habe so was noch nie gesehen. Woher kommt es?“

„Vielleicht ist es Treibgut?“

„Nein, schau, da ist noch eines.“

Bertha schaltete die Vergrößerung zu. „Pappy, sieht aus wie…“

„… Ringschiffe! Das sind Ringschiffe! Zurück, das ist eine Falle, eine…“ Die Stimme einer Frau klang dröhnend aus den Lautsprechern, bevor sie abgewürgt wurde.

„Mutter!“ Bird Alyn stieß einen Schrei aus.

„Das dort unten sieht nach chemischen Raketen aus“, sagte Clewell mit einer Stimme, die so trocken wie raschelnde Blätter war.

Wadie umklammerte mit einer Hand ihre Schulter. „Mein Gott, das sind Schiffe der Ringe, mehr als fünfzig Millionen Kilometer von Diskus entfernt…“ Seine Stimme klang ungläubig. „Das Demarchy wußte, daß die Harmonie über ein paar Kriegsschiffe verfügt, aber auf etwas derartiges war ich nicht gefaßt. Wenn sie mit chemischen Raketen jetzt hier sind, müssen sie direkt nach ihrem ersten Angriff auf Sie gestartet sein. Und selbst dann hätten sie ein Masseverhältnis von tausend zu eins benötigt…“

Eine neue Stimme sprach aus dem Lautsprecher. „Fremdes Sternenschiff! Hier spricht Hand Nakamore von der Großen Harmonie. Behalten Sie Ihre derzeitige Kreisbahn bei. Wenn Sie Ihren Antrieb aktivieren, werden wir das Feuer eröffnen. Eines meiner Schiffe wird sich Ihnen nähern, damit ich an Bord kommen kann.“ Bertha sah zu dem luftlosen Berg, wo die drei Schiffe standen, keines kaum mehr als ein paar angetriebene Treibstofftanks mit winzigen Lebensräumen. Sie sah eines davon aufsteigen, sein unsichtbarer Rückstoß wirbelte Staub auf. Gefangen… Sie rang die Hände. Die Ranger konnten bestenfalls ein Grav schaffen, mit der am Rumpf vertäuten Ladung sogar nur ein Viertel davon. Die Schiffe aus den Ringen konnten lange genug eine Beschleunigung von mehreren Grav erreichen, um sie einzuholen.

Sekunden verstrichen, und das Ringschiff näherte sich ihnen langsam, fast unmerklich. Minuten verstrichen… und mit ihnen verschwand die letzte Hoffnung der Ranger, den Schiffen des Demarchy doch noch entkommen zu können. Mein Gott, warum mußten wir so nahe am Ziel scheitern?

Wadie hielt sieh mit einem Fuß unter der Leiste an der Konsole fest. „Bertha, das war Djem Nakamores Halbbruder Raul am Funkgerät. Er ist eine Hand der Harmonie, ein Offizier ihrer Rotte. Ein ranghoher Offizier. Lassen Sie mich mit ihm reden. Er weiß wahrscheinlich, was über Schnee-der-Errettung geschehen ist, aber wir waren einst Freunde.“

„Sie warten besser ab. Abdhiamal“, sagte Clewell leise. „Wir haben auf anderen Wellenlängen noch mehr Gesellschaft.“ Er kippte einen Schalter, woraufhin sich ein weiteres Segment des Schirmes erhellte.

„Lije MacWong“, sagte Wadie. Bertha sah, wie die grazile Gelöstheit aus seinem Körper verschwand.

„Kapitän Torgussen, wenn Sie diese Nachricht empfangen, werden Sie erkennen müssen, daß das Demarchy Ihr Schiff verfolgt hat. Die Entfernung zwischen uns ist mittlerweile so knapp, daß Sie unseren Geschossen nicht entkommen können. Unternehmen Sie daher keinen Versuch, den Raum um Lansing zu verlassen.“ Hinter MacWongs selbstgefälligem Gesicht konnte Bertha einen Kontrollraum erkennen, der etwa halb so groß wie der der Ranger war und in dem sich noch ein mit einem sonnengoldenen Jackett bekleideter Offizier befand. Weiter hinten sah sie Kameras, die auf den Schirm gerichtet waren, sah eine Gruppe von Demarchos, die bemalten Holzpuppen ähnelten — Repräsentanten der Gesellschaften, die um die Wahrung ihrer Interessen besorgt waren. Als sie Esrom Tiriki erkannte, verzerrte sich ihr Mund.

Sie gab Clewell ein Signal, den Sender zu aktivieren. „Ich kann Sie verstehen, MacWong. Und ich bin sehr beeindruckt. Sind Sie wirklich nur so weit gereist, um mein Schiff zu zerstören? Sie können uns nicht mehr in Ihre Hände bekommen, Sie können uns nur noch im Vorbeiflug vernichten…“ Sie zögerte. MacWongs verblüffend blaue Augen betrachteten sie immer noch nichtssagend. Dann erkannte sie, daß die Schiffe des Demarchy, obwohl sie sich mit achthundert Kilometern pro Sekunden näherten, immer noch Millionen Kilometer entfernt waren; sogar das Licht brauchte eine halbe Minute, um die Distanz zu überbrücken.

Schließlich reagierte MacWong, indem er an ihr vorbei zu Abdhiamal blickte. Einen Augenblick lang sah sie Bedauern und Entschuldigung, doch dann nur wieder Triumph. „Ganz im Gegenteil, Kapitän Torgussen. Wir haben nicht den Wunsch, Ihr Sternenschiff zu vernichten — wenn Sie unseren Befehlen Folge leisten. Unsere Schiffe werden in etwa viertausend Sekunden an Ihnen vorüberziehen. Diese Zeit haben Sie zur Verfügung, ihren Antrieb lahmzulegen. Können Sie mir zu diesem Zeitpunkt nicht zufriedenstellend beweisen, daß Ihr Schiff bis zu unserer Rückkehr bewegungsunfähig ist, werden wir das Feuer eröffnen und es zerstören. Das Volk will Ihr Schiff intakt in die Hände bekommen. Sollte dies aber nicht möglich sein, werden wir es lieber zerstören als zulassen, daß es jemand anderem in die Hände fällt.“

Bertha stieß sich ein wenig von der Konsole zurück. „Wadie… er ist doch kein Narr.“ Die Ranger lag im Zentrum zweier Kiefer, von denen keiner etwas vom anderen wußte. Wenn sie sich um ihr Schiff schlossen, dann mußten sie sich auch gegenseitig vernichten. Sie ließ die Konsole los und zwang sich zu einem Lächeln. „Es tut mir leid, es Ihnen sagen zu müssen, aber Sie haben ebenfalls ein Problem, MacWong. Wir wären schon vor Ihrer Ankunft hier verschwunden, würde uns nicht ein anderer festhalten… Hand Nakamore, Sie hören doch sicher mit. Würden Sie bitte auch einen Kommentar abgeben?“ Sie wartete und genoß ihre bittere, vergebliche Befriedigung.

Clewell grunzte. „Die Ringschiffe veranstalten eine Bildübertragung, die wir uns nicht entgehen lassen sollten…“ Auf einem weiteren Abschnitt des Schirms erschien ein Schwarzweißbild. Der Kontrollraum des Ringschiffes war klein, die Männer lagen auf Liegen angeschnallt, neben denen es vor Instrumenten wimmelte: ein Bild aus den Kindertagen der Raumfahrt. Ein untersetzter Gürtelbewohner, auf dessen Helm als Insignien die diskanischen Ringe zu erkennen waren, saß direkt vor der Kamera. Sein Gesicht war grimmig, Bartstoppeln verunzierten es. „Hier spricht Hand Nakamore von der Großen Harmonie. Meine Flotte hat das Sternenschiff in ihre Gewalt gebracht. Wenn es Ihren Befehlen gehorcht, werden wir es zerstören. In unserem Besitz befinden sich mehrere Fusionsbomben aus der Zeit vor dem Krieg. Sollten Sie uns davon abhalten wollen, das Schiff zu übernehmen, werden wir Sie ebenfalls bombardieren.“

Bertha sah fragend zu Wadie.

„Er könnte die Bomben haben. Überbleibsel vom Krieg.“ Wadie musterte die gestickte Verzierung seines Jacketts. „Wenn er sie in MacWongs Flugrichtung dirigieren könnte, müßte er nicht mal sehr genau zielen, auch wenn die Männer des Demarchy erst nach einer Megasek an den Folgen der Strahlung zugrunde gingen. Solche Dinge kamen während des Krieges vor… todgeweihte Männer, die ihren letzten Kampf ausfochten. Auf diese Weise bekamen wir drei intakte Fusionsschiffe…“ Er hob den Blick. „Nakamore wird niemals zulassen, daß das Demarchy die Ranger bekommt — und wenn er selbst dabei sterben müßte.“

Bertha sah Anzeichen der Verblüffung auf MacWongs Gesicht, die ihn verrieten, sah offensichtlichen Unglauben im Gesicht des Kommandanten und in dem von Esrom Tiriki. Während sie zusah, wurden sie von Haß und Zorn verdrängt, und sie hörte, wie MacWong zu einer zornigen Antwort ansetzte.

„Und daher werden wir alle sterben, wie sie auch… wie ganz Himmel.“ Ihre Stimme wurde lauter. „Und wofür? Das ist Irrsinn…“

„Glauben Sie, das wissen sie nicht?“ Wadie kam auf sie zu und berührte sie fast wieder. „Sie wissen das so gut wie wir. Aber sie sind genauso hier gefangen wie wir. Alles, was in den letzten zweieinhalb Gigasekunden seit dem Krieg passiert ist, die ganze Furcht und die Frustration, hat darauf hingesteuert… Es mußte so enden. Ihr eigenes Lied sagt es auch: ,Niemand verändert die Welt geschwind.’“

Sie wich vor ihm zurück. „Das Volk muß zu einer Veränderung bereit sein! Es hätte nicht so enden müssen. Wenn es möglich gewesen wäre, ihnen zu zeigen, daß es immer weitergeht, daß es eine Zukunft gibt… Es könnte immer noch eine geben, aber nicht einmal Sie wollen das erkennen. Sie haben ganz recht, sie wollen den Tod… Selbstmord ist die ultimative Selbstsüchtigkeit, und ich habe selten ein Volk gesehen, das dazu mehr bereit gewesen wäre.“ Sie löste ihren Sicherheitsgurt und wich vor ihm zurück, ihr Atem ging keuchend. Die heftige Bewegung hatte ihr Schmerzen verursacht. „Ihr verdient es nicht besser! Zum Teufel mit euch allen!“

Er umklammerte ihr Handgelenk. Rasend vor Zorn bemerkte sie, wie Shadow Jack ihr aus dem Weg ging und herüberstarrte, während Wadie sie wieder zurück zum Schirm zerrte. „MacWong, Raul, hier ist Wadie Abdhiamal. Ich möchte mit Ihnen reden.“

Nakamore begrüßte ihn, und Bertha glaubte, ein Lächeln gesehen zu haben. MacWong brach seine Rede ab: „Tut mir leid, Abdhiamal. Sie sind ein toter Mann. Sie haben dem Demarchy nichts mehr zu sagen.“ MacWong wandte mit einer kaum sichtbaren Drehung seines Kopfes den Blick ab. Bertha sah an ihm vorbei und betrachtete Tiriki.

„Wenn Sie mir nicht zuhören, werden wir über kurz oder lang alle tot sein! Und nur wegen dieses Schiffes, auf das Sie ebensowenig ein Recht haben wie Nakamore oder ich. Um Gottes willen, MacWong, in diesem Schiff befanden sich sieben Personen, die dreihundert Lichtjahre von einem anderen System hierhergereist sind, und fünf von ihnen sind bereits tot, nur seinetwegen. Und jetzt wollen Sie auch noch den Rest vernichten, zusammen mit den besten Schiffen, über die das Demarchy und die Ringe noch verfügen? Ihr seid alles, was von Himmels Gürtel noch übriggeblieben ist, und eure eigene Gier entzieht euch die Lebensgrundlage. Ihr tötet euch selbst, weil ihr Angst vor dem Sterben habt. Wenn wir das Sternenschiff übernehmen, werden wir Himmels Gürtel damit nicht retten, sondern es wird unseren Untergang nur noch beschleunigen. Aber das muß nicht geschehen.“ Er nickte Bertha zu, die an seiner Seite wartete und ihn überrascht ansah. „Diese Menschen kamen, um mit uns zu verhandeln, weil sie sich davon selbst ein besseres Leben versprachen. Und ungeachtet aller Dinge, die wir ihnen angetan haben, sind sie dazu immer noch bereit. Dort draußen existiert ein ganzer Weltenverbund, der durch Handelsbande miteinander verknüpft ist, damit keine einzige Welt jemals in die Falle gerät, in die Himmel getappt ist. Sie könnten uns retten. Himmels Gürtel kann wieder zu seiner einstigen Größe gelangen — wenn wir uns ihnen anschließen.“ Er suchte den Schirm nach Anzeichen beginnender Reaktionen ab. „Laßt das Sternenschiff Himmel verlassen, anstatt es zu zerstören. Das Ziel ist dann zwar immer noch in weiter Ferne, aber wir haben nichts zu verlieren und alles zu gewinnen.“

„Du hast Djem fast davon überzeugen können, daß kalt heiß ist, Wadie.“ Bertha suchte nach Spuren des Spotts in Nakamores Gesicht und war überrascht, keine zu finden. „Aber dieses Mal klingen deine Worte sogar für mich vernünftig… Ich will das Sternenschiff nicht vernichten, ebensowenig wie meine eigenen Schiffe. Wenn ich aus meiner Zwickmühle kommen könnte, indem ich das Schiff verschwinden ließe, würde ich es tun. Wie die Dinge sich entwickelt haben, sehe ich es als das beste an, das Schiff außerhalb der Reichweite von uns allen zu schaffen… Dabei ist mir nicht entgangen, daß wir euch nur aus dem Grund in unserer Gewalt haben, weil diese Frau, Kapitän Torgussen, wie sie es versprochen hatte, nach Lansing zurückgekommen ist.“ Nakamore bedachte Bertha mit einem Blick überzeugten Respekts. „Ich glaube, sie wird auch wiederkommen, um uns allen zu helfen.“

Bertha runzelte plötzlich schmerzlich die Stirn und biß sich auf die Lippen.

„Ich bin bereit, Sie ziehen zu lassen, Kapitän. Aber ist auch MacWong dazu bereit?“

Bertha sah MacWong, der immer noch abwesend mit den Knöpfen seiner Jacke spielte, während er den Worten Nakamores lauschte. Hinter ihm übermittelten die Medienmänner jede seiner Bewegungen, jedes seiner Worte in das wartende Demarchy: MacWong war unter dem Blick der Öffentlichkeit aufgespießt wie ein Käfer unter Glas. Schließlich sagte er: „Ihr Vorschlag ist mit dem Auftrag des Demarchy für diese Mission nicht in Einklang zu bringen. Ich habe den Auftrag, das Schiff entweder heimzubringen oder es zu vernichten. Ich kann es nicht ziehen lassen.“

„Nicht einmal, wenn Sie es wollten! Nicht einmal, wenn wir alle Ihretwegen umkommen!“ Nakamores Stimme brannte anklagend, sein bisher ruhiges Gesicht änderte seinen Ausdruck urplötzlich, als hielte er eine Rede. Bertha erkannte plötzlich, daß er ganz genau wußte, es gab ein Publikum, das seine Worte empfangen würde. Wadie begann verwundert zu lächeln. „Marionette! Sie bezeichnen die Harmonie als eine ,Diktatur’, dabei gewähren wir unserem Volk mehr Freiheit, als Ihre Pöbelherrschaft das jemals kann oder konnte. Ich habe die Macht und die Entscheidungsfreiheit, diesem Unsinn ein Ende zu setzen. Aber Sie nicht. Ihre Leute vertrauen nicht darauf, daß ein Mann seine gesunde Entscheidungsfähigkeit einsetzen kann, mit der er geboren wurde. Wenn Sie den Mund öffnen, dann nur, um ihnen gefällig zu sein.

Aber wie sollen sie Ihnen dieses Mal sagen, was zu tun ist, MacWong? Sie hatten sich niemals vorgestellt, einmal eine Direktverbindung über Hunderte Millionen von Kilometern zu benötigen. Wenn das Demarchy das hier hört und diskutiert und abstimmt, wird für uns schon alles vorbei sein, und der Volkswille wird keinen von uns mehr retten können… Aber Sie wollen die Entscheidung nicht in Ihre Hände nehmen, weil Sie sich zu sehr vor dem System fürchten, wie auch vor diesen hübschen Anarchistenbengeln hinter Ihnen. Die grundlegenden Schwächen der Pöbelherrschaft werden das Demarchy dazu bringen, seine eigenen Schiffe zu zerstören und meine dazu, und damit die Hoffnung für das ganze System. Ich wußte immer schon, daß Ihre Regierung eine Farce ist… und nicht mal Sie können das jetzt noch verleugnen. Wenn es nicht so eine Tragödie wäre, würde ich jetzt lachen. Denn das ist es — eine Tragödie!“

Bertha sah, wie MacWongs ausdrucksloses Gesicht sich zu einer Fratze ohnmächtiger Wut verzerrte. Erstmals sah sie auch echte Gefühle in den Gesichtern der hinter ihm wartenden Demarchos… und die Medienmänner übermittelten alles, damit das Demarchy Zeuge ihrer Beschämung werden konnte. MacWong verbarg seinen Zorn. „Kapitän Torgussen, unsere Schiffe werden in sechsunddreißigtausend Sekunden an Ihnen vorbeiziehen. Wenn Sie unseren Vorschlägen folgen wollen, sollten Sie baldmöglichst mit uns Kontakt aufnehmen.“ Sein Bild verschwand abrupt vom Schirm.

„Versuche MacWongs Unterhaltung mit dem Demarchy hereinzubekommen, Pappy. Ich wüßte gerne, in welchem Maße der Ausbruch die Lage verschlimmert hat.“

Nakamore löste den steifen Kragen seiner Jacke. Seine Augen wie auch seine Stimme drückten flammenden Zorn aus. „Er wird sich wieder melden, nehme ich an.“

„Meinen Glückwunsch zu deiner… Beförderung zur Hand, Raul.“ Bertha sah, wie Abdhiamal sich leicht verbeugte.

„Meine Pflicht zu akzeptieren, mein Wunsch zu dienen.“ Nakamore wischte den Glückwunsch mit einer verlegenen Geste beiseite. „Ich wollte, ich konnte dir etwas Ähnliches sagen, Wadie. Aber ich weiß nicht, welchen Titel das Demarchy seinen Verrätern verleiht.“

Wadie lächelte nichtssagend. „Keinen.“

„Du bist der einzige vernünftige Demarchos, den ich jemals kennengelernt habe, und daher ist der Mob jetzt wahrscheinlich hinter dir her. Ich kann deinen Akt der Piraterie gegen die Harmonie nicht gutheißen — aber so langsam beginne ich deine Gründe dafür zu verstehen, weshalb du diesen Leuten helfen wolltest. Ich bezweifle, ob Djem das jemals verstehen wird…“

„Ich weiß… und es tut mir leid. Es gab keine andere Möglichkeit… Es wäre nie soweit gekommen, wenn…“

„Wenn wir das Sternenschiff bei seiner ersten Annäherung nicht angegriffen hätten? Du hast recht. Das war dumm von uns. Wenn wir statt dessen vernünftig genug gewesen wären, sie in eine unserer Basen zu bringen, dann hätte die Große Harmonie jetzt ihr eigenes Sternenschiff. Aber wir haben es nicht getan, und daher ernteten wir nur den Tod. Aber wir wußten, daß es beschädigt war, und die Zentrale Harmonie hielt es für lohnend, es zu verfolgen, da immer noch eine kleine Chance bestand, es hier zu erwischen.“

„Ein beachtliches Opfer“, sagte Wadie. „Ihr habt eine lange Heimreise vor euch, wenn diese Schiffe das einzige sind, was euch noch zur Verfügung steht.“

„Ich weiß. Auch ohne Kampf würden wir zwanzig Megaseks benötigen, um Außenposten zu erreichen — wenn unsere Lebenserhaltungssysteme durchhalten. Und dann müssen wir uns auf diesem Schneeball den Hintern abfrieren, bis ein Treibstofftanker uns zur inneren Harmonie bringen kann.“ Nakamore kratzte sich müde am Kinn. „Immerhin haben wir von Lansing Nahrung und Luft mitgenommen.“

Shadow Jack stieß sich an Bertha vorbei vor den Bildschirm. „Warum haben Sie nicht einfach das Zelt aufgeschlitzt und sie alle umgebracht, Sie Bastard?“

Nakamore zuckte die Achseln. „Junge, für mich seid ihr alle Piraten. Aber wir haben nicht viel genommen. Betrachte es als Tausch für den Wasserstoff, den ihr der Harmonie gestohlen habt.“

„Wo ist meine Mutter?“ schrie Bird Alyn plötzlich mit vor Wut überschnappender Stimme. „Was habt ihr mit meiner Mutter gemacht?“

Nakamore sah sie ausdruckslos an. Dann erst verstand er. „Ach so… deine Mutter wird die nächsten hundert Kiloseks einen schmerzenden Kiefer haben. Davon abgesehen ist sie augenblicklich besser dran als du — oder wir. Und da wir gerade dabei sind: Kapitän Torgussen, Sie haben meine Erlaubnis, die Gascontainer in eine niedere Kreisbahn um Lansing zu bringen. Und dann würde ich vorschlagen, unsere Schiffe entfernen sich ein paar hundert Kilometer in den Weltraum. Wenn die Schiffe des Demarchy kommen, werden die Strahlen über eine große Distanz tödlich sein — und es besteht kein Grund, weshalb Lansing auch mitbetroffen sein sollte. Auf diese Weise kommt wenigstens einer ungeschoren davon.“ Er wandte sich ab und gab lautlos einige Befehle.

„Danke“, sagte Bertha. Sie sah immer noch Wadies merkwürdiges Lächeln, mit dem er den Schirm betrachtete. „Was ist das für ein Mann? Ich verstehe ihn nicht.“

Wadie wandte sich ihr zu, sein Lächeln wurde sanft. „Die Vernunft ist noch nicht ganz von Himmel gewichen, Bertha. Auch nicht von den Ringbewohnern… Raul ist ein aufrichtiger Mann, ganz davon abgesehen, daß er kein Dummkopf ist. Ich sagte schon, sein Bruder gewann kein einziges Schachspiel gegen mich, aber während der ganzen Zeit, die ich in den Ringen verbrachte, gewann ich nur zwei gegen ihn. Vielleicht hat er immer noch ein paar Überraschungen in der Hinterhand.“

Bertha rieb ihre Arme. „Ich kann nur eines sagen, er hat das Demarchy so sehr erzürnt, daß sie erst zufrieden sein werden, wenn sie uns alle in der Hölle schmoren sehen. Was auch immer er vorhat, es gefällt mir überhaupt nicht, nur sein Spielstein zu sein.“


Die Ranger bewegte sich geräuschlos von Lansing fort. Bertha sah zu, wie die elfenhaft schöne Welt unter ihnen kleiner wurde, wie der transparente Plastikfilm des Zeltes sich langsam entfernte. Bäume streckten sich grüngesprenkelt dem Zelt entgegen, zerbrechliche, grüne Blätterfontänen ergossen sich über goldgelbes Getreide… und Felder mit sterbendem Gras. Sie sah das samtene Grün von Parkanlagen, die immer noch ordentlich bewässert wurden… und den trockenen Schlamm wasserloser Marschen. Die Leute dort unten bewegten sich wie in einem Traumballett zwischen Minaretten und Gebäuden auf einer Welt, die einst das Symbol für Himmels wohlhabende Extravaganz gewesen war. Die letzte Welt, die sie jemals sehen würde… Sie betrachtete Clewells ruhiges Gesicht. Der alte Mann lag in seinem Sessel und lauschte mit geschlossenen Augen dem Funkverkehr zwischen dem Demarchy und MacWong. Die Stille ängstigte sie, und daher wandte sie sich rasch ab, streichelte die schnurrende Rusty, die sich an sie klammerte, während sie sich all die geliebten Gesichter und die Heimatwelt, die keiner von Ihnen mehr wiedersehen würde, vorzustellen versuchte. Der Gedanke an die letztendliche Rache, die Himmel als Vergeltung für den Mord an ihnen sich selbst auferlegen würde, brachte keine Befriedigung mit sich. Eine schreckliche Schwäche überkam sie, die ganze Last der Vergeblichkeit der vergangenen Wochen, der vergangenen Jahre…

„Bertha…“ Wadie wandte den Blick nicht vom Schirm ab. „Ich habe keine Ahnung, wie ich dieses Schiff retten kann. Aber ich kenne einen Weg, uns selbst zu retten. Wir können die Ranger verlassen und mit der Lansing 04 auf Lansing landen. Nakamore will nur, daß dieses Schiff vernichtet wird, er will nicht unser Leben. Wenn wir unsere Anzüge anlegen, können wir es alle schaffen.“

„Nein.“ Bertha preßte die Arme gegen die schmerzenden Muskeln ihres Magens. „Ich werde die Ranger nicht verlassen. Aber ihr anderen könnt gehen. Ihr habt keinen Grund zu bleiben. Rettet euch.“

„Was meinen Sie damit. Sie wollen dieses Schiff nicht verlassen?“ Wadie wandle sich vom Schirm ab und umklammerte die Lehne ihres Stuhls. „Es ist nur ein Schiff, Bertha, es kann nicht Ihr Leben kontrollieren. Sie sind nicht daran gekettet.“

„Sie verstehen immer noch nicht, nicht wahr? Nach all der Zeit. Das ist mein Schiff. Ich habe es mitkonstruiert und mitgebaut. Seine Mannschaft waren Leute, die ich liebte… und diese Reise bedeutete alles für uns — die Zukunft unserer Welt. Alles darin verbindet mich mit meinem Volk, meiner Vergangenheit, meiner Heimat. Ich will nicht alles verlieren, ich will nicht ewig an dem Ort leben, an dem dies alles passiert ist. Ich will so nicht leben.“

„Wer offenbart nun ultimative Selbstsüchtigkeit?“

Sie preßte die Lippen aufeinander. „Außer mir wird es niemandem weh tun…“ Doch als sie sein Gesicht sah, erkannte sie, daß das nicht stimmte.

„Nun, was ist mit… mit Clewell?“

„Was ist mit mir?“ Clewell hob fahrig den Kopf von der Funkkonsole. „Ich habe keine Lust, die Ranger wegen dieses überdimensionalen Schlackehäufchens dort unten zu verlassen.“

„Verdammt, Sie machen sie nur noch störrischer. Warum sagen Sie ihr nicht, daß sie unrecht hat?“

„Sie ist meine Frau, nicht mein Kind. Sie hat das Recht, ihre eigene Entscheidung zu treffen. Wie ich auch. Ich… ich habe schon zu lange gelebt, wenn ich das herbeigesehnt hätte. Mein Körper kennt die Wahrheit bereits.“ Er schloß wieder die Augen. „Und jetzt laßt mich in Ruhe, auf diese Entfernung ist es auch ohne euch schwer genug, den Funkverkehr des Demarchy zu empfangen.“

„Hoffentlich hilft es uns wenigstens.“ Wadie zog sich zur Konsole zurück und massierte seine verkrampften Nackenmuskeln. „Nun gut, dann… werde ich auch bleiben. Ich glaube, ich habe das Recht dazu. Ich habe wegen dieses Schiffes alles verloren, was mir lieb und teuer war.“

Bertha erstarrte und zwang gewaltsam jegliche Emotionen aus ihrer Stimme. „Sie können mich nicht erpressen, meine Meinung zu ändern, Wadie.“

Er verbeugte sich feierlich. „Das ist auch nicht meine Absicht. Aber gestatten Sie mir das Privileg, meine eigene Entscheidung treffen zu dürfen, wo Sie von mir schon erwarten, daß ich Ihre akzeptiere. Ich sterbe lieber als Märtyrer denn als Verräter.“

Sie grub die Fingernägel in das Fleisch ihrer Handflächen. Danke. „Nun gut. Also werden nur zwei auf Lansing landen.“

Bird Alyn hob den Kopf von Shadow Jacks Schulter, in dessen Arme sie sich geschmiegt hatte. „Nein, Bertha. Wir gehen nicht.“

„Hört zu…“

„Nein“, sagte Shadow Jack. „Wir haben für Lansing getan, was wir konnten. Aber für uns kann niemand mehr etwas tun. Wir würden gerne eine Weile zusammen sein… bevor man uns endgültig trennt.“ Er warf einen Blick zur Tür.

„Ich verstehe.“ Sie nickte. Als sie zu sprechen begann, hörte sie ihre eigene Stimme kaum. „Dann kommt her, ihr beiden.“ Sie schwebten gehorsam zu ihr hin. Bertha nahm einen goldenen Reif von einem Finger jeder Hand. Dann nahm sie ihre beiden linken Hände und streifte sie über dünne, ausgestreckte Finger, einen geraden und einen gekrümmten. Sie legte ihre Hände ineinander, um zu verhindern, daß die Ringe wieder davonschwebten. „Kraft meiner Autorität als Kapitän dieses Schiffes erkläre ich euch hiermit rechtmäßig zu Mann und Frau… Möge eure Liebe so tief sein wie die Dunkelheit und so strahlend wie die Sonne.“

Ihre Hände umklammerten ihre eigene einen Augenblick, und sie spürte Shadow Jacks Zittern. Sie wandte sich ab und hörte nur noch, wie sie den Raum verließen. Clewells Augen glitten zärtlich über ihr Gesicht. „Pappy, laß das Funkgerät einen Augenblick in Ruhe. Wir müssen diesen Leuten einigen Wasserstoff hierlassen.“

Noch siebzehnhundert Sekunden bis zum Zusammentreffen.


Aus dreihundert Kilometern Entfernung war Lansing ein grünlich schimmernder Halbmond in der Schwärze. Weit genug entfernt, hoffte Bertha, daß die verheerenden Feuer ihm nichts anhaben konnten. Nach allen Seiten hin breitete sich Leere aus, die die Lichtjahre bis zu den fernen Sternen erfüllte. Die Ranger war erbaut worden, solche Entfernungen zu überwinden, mit einer Geschwindigkeit, die der des Lichts sehr nahe kam. Nun würde das Schiff sie niemals mehr überwinden können… es war wie eine leckgeschlagene Barke an den finsteren Gestaden Himmels gestrandet, gefangen von primitiven Schiffen mit primitiven Waffen — letzte Ironie des Schicksals.

„Fünfhundert Sekunden“, sagte Wadie. Rusty hatte sich gemütlich in seiner Armbeuge zusammengerollt und wusch einen ausgestreckten Fuß.

Bertha zündete ihre Pfeife an und inhalierte das vertraute, beruhigende Aroma des Rauches. „Dann wird das erste Schiff an uns vorbeiziehen… die anderen werden in Hundert-Sekunden-Intervallen folgen… Aber das spielt keine Rolle, wir können MacWongs Forderung jetzt ohnehin nicht mehr nachkommen.“

Plötzlich kicherte Clewell selbstvergessen.

„Großer Gott, Pappy, worüber lachst du denn?“

Er schüttelte entschuldigend den Kopf. „Über die Reaktion des Demarchy auf Nakamores Rede — über ihren Zorn, so genannt zu werden, wie sie es verdienen.“

„Übertragen Sie es“, sagte Wadie seltsam gespannt. „Ich möchte es hören.“

Statische Störgeräusche, vermischt mit einzelnen, zusammenhanglosen Wortfetzen, kamen aus dem Lautsprecher. Clewell drehte die Lautstärke kleiner. „Tut mir leid, auch mit einiger Übung bedarf es einiger Anstrengung, einen Sinn darin zu erkennen.“

Vierhundert Sekunden.

Er nahm den Kopfhörer ab. „Mein Gott, Bertha. Ich glaube, sie wollen tatsächlich eine Abstimmung durchführen! Eine Abstimmung… ob sie uns ziehen lassen sollen!“

Bertha stieß sich aus ihrem Stuhl ab und konnte sich gerade noch an der Kante der Konsole festhalten. „Pappy!“ keuchte sie. „Kannst du den Empfang verbessern?“

„Ich versucht. MacWongs Schiffe sind inzwischen nahe genug, wir könnten im Funkbereich des Demarchy sein.“ Bertha sah ein Bild, das man infolge der Störung kaum erkennen konnte, erkannte das Symbol einer bedeutenden Entscheidung. Ein hellgelbes Band war am unteren Bildrand zu sehen.

„Bis zur endgültigen Auszählung wird es noch etwa fünfhundert Sekunden dauern.“

„Fünfhundert! Mein Gott.“ Sie fühlte Wadies Nähe, sein Arm streifte sie. „Pappy, kannst du MacWongs Schiff rufen?“

„Ich hab’s versucht. Sie antworten nicht.“

Sie konnte die Ziffern fast erkennen, konnte fast sehen, wie sie sich veränderten. Und neben dem stark gestörten Bild übertrug der Schirm der Ranger klar und deutlich die Annäherung dreier Schiffe aus dem Sternenmeer. Drei Schiffe, die inzwischen wie leuchtende Fanale über ihnen standen, der Ausstoß ihrer Heckdüsen zeigte von ihnen weg, sie bremsten. Sie suchte den Schirm nach kleineren Objekten ab, den Boten der Vernichtung. Gib uns Zeit, MacWong… Clewell verließ seinen Sessel und kam langsam an der Konsole entlang zu ihnen herüber. Sie nahm seine Hand. Die Zeiger der Uhren glitten weiter wie Sand in einem Stundenglas, sie tickten ihre Lebensspanne hinweg. Noch hundert Sekunden, bis das erste Schiff passieren würde… sechzig… fünfzig… Sie hielten den Atem an. „Sie fliegen weiter. Das erste Schiff kann nicht mehr auf uns feuern.“

MacWongs Gesicht erschien auf dem Schirm. „Kapitän Torgussen.“ Sie sah deutlich den Streß in seinem Gesicht und in denen der Männer, die um ihn herumstanden. „Gerade eben empfangen wir die Ergebnisse der Umfrage des Demarchy. Die Majorität erkennt Ihre Rückkehr nach Lansing als Zeichen des guten Willens an, Kapitän, und ist für eine Abänderung unserer Mission… Ich hoffe, Sie hören zu, Nakamore, Sie haben eben eine Demonstration der tatsächlichen Flexibilität und der Weisheit und Fairneß des Demarchy erhalten.“ Er sah kurz in die wartenden Kameras, dann wieder zurück.

„Kapitän Torgussen, das Demarchy wird Ihnen erlauben, das System zu verlassen — falls Sie einwilligen, daß das Demarchy zum Handelszentrum wird, wenn Sie nach Himmel zurückkehren.“ Seine Augen baten sie, alles zu versprechen.

Im Zentrum des Schirms sah Bertha das zweite Schiff des Demarchy vorüberfliegen.

Nakamores Gesicht erschien auf dem Schirm. „Sie wissen, das kann ich nicht akzeptieren, MacWong.“ Seine Stimme klang leise; er wollte nicht mehr ein ganzes Volk überzeugen. „Ich verlange nicht, daß die Harmonie zum Zentrum wird, aber Sie sollen es auch nicht werden.“

Bertha erstarrte; sie erkannte, daß Nakamore sie immer noch gehen lassen wollte. Aber ein Versprechen mit dem Messer auf der Brust war so gut wie nichts wert… und keine Lösung. Es mußte einen Weg geben, beide Seiten zufriedenzustellen, sonst würde das nächste Schiff von Morningside in dieselbe tödliche Falle der Gier tappen wie ihres. Sie hörte jemanden hinter sich und sah Shadow Jack und Bird Alyn, die friedlich, Hand in Hand, daherkamen.

„Was ist geschehen?“ Bird Alyn wischte sich ihr glattes, schwebendes Haar aus der Stirn und blinzelte zum Schirm.

Bertha wandte sich wieder dem Schirm zu. „Lansing wird das Handelszentrum werden! Sagen Sie das Ihren Leuten, MacWong und Nakamore. Das sind die Bedingungen Morningsides: Die Hilfsgüter werden über Lansing verteilt werden, dem Herzen von Himmels Gürtel. Keine Ihrer Regierungen wird den Vorzug erhalten, jeder wird gleich behandelt.“

Sie starrten sie an, irreale Bilder, sie sah Tiriki, der zum Leben erwachte, sah seinen Mund sich geräuschlos bewegen. „… ein Trick… bestehe darauf, daß dieses Schiff zerstört…“

Wadie lehnte sich an sie. „Lansing ist harmlos, Lije! Das Demarchy wird es akzeptieren, Sie wissen das.“

MacWong wurde an der Schulter gepackt und von Tiriki vom Schirm weggerissen. Bertha sah Tirikis Haß. Sie sah zur Computerkonsole. „Das letzte Schiff wird in einer Entfernung von nur dreißig Kilometern vorbeiziehen; sie können ohne Schwierigkeiten auf uns feuern. Wenn wir dieses Schiff nicht passieren sehen, werden wir zu Weltraumstaub.“

„Du meinst, wir werden tot sein“, sagte Shadow Jack ernst hinter ihr.

MacWong befreite sich aus Tirikis Griff. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, sondern erkannte nur, daß er in die Objektive der Kameras blickte und einen Befehl gab…

Nakamore begann zu lachen. „Danke, du Sohn des Chaos!“

Ein kaum sichtbarer violetter Streifen teilte die Dunkelheit auf dem Schirm vor ihnen einen Herzschlag lang, dann war er verschwunden. Das dritte Schiff war vorbeigezogen.

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