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Es wurde zum Abmarsch geblasen. Kahlan war fassungslos angesichts der hässlichen Massen, die sich schwerfällig in Bewegung setzten.

Schwester Ulicia, die Kahlans Reaktion auf die finsteren Kerle bemerkte, deutete mit dem Kopf auf die Soldaten und beugte sich zu Kahlan vor. »Ich kann mir vorstellen, wie du dich fühlst.«

Das bezweifelte Kahlan. Da sie jedoch sicher war, dass Jagang sich in den Gedanken der Schwestern aufhielt und darauf lauerte, was Kahlan in seiner Abwesenheit sagte, wollte sie nichts von sich preisgeben.

»Meine Gefühle sind wenig von Belang«, sagte sie zu den beiden Schwestern. »Er macht sowieso mit mir, was er will.« Sie betastete den Schnitt, den einer von Jagangs Ringen auf ihrer Wange hinterlassen hatte. Die Wunde blutete nicht mehr. »Das hat er mir deutlich zu verstehen gegeben.«

»Ja, vermutlich wird er das machen«, meinte Schwester Ulicia.

»Das macht er mit uns allen«, fügte Schwester Armina hinzu. »Ich kann unsere Dummheit noch gar nicht fassen.«

Jagang kehrte zurück, begleitet von einem Trupp Offiziere. Hinter ihnen führten Soldaten gesattelte Pferde. Weitere Männer holten Truhen, Stühle, Tische und kleinere Gegenstände aus dem Zelt des Kaisers und verstauten sie in Kisten auf den wartenden Wagen. Nachdem alles leergeräumt war, wurden die Leinen losgebunden, die Stangen entfernt und schließlich das Zelt zusammengelegt. In kurzer Zeit war von der riesigen Stadt mit dem Zelt des Kaisers in der Mitte nur ein leeres Feld geblieben.

Jagang gab einem Mann mit einem Wink zu verstehen, er solle Kahlan die Zügel eines Pferdes reichen. »Heute reitest du bei mir.«

Kahlan überlegte, was für den nächsten Tag vorgesehen war, behielt die Frage jedoch für sich. Es hörte sich an, als habe er Pläne mit ihr. Darüber wollte sie gar nicht nachdenken, denn sie fürchtete sich vor dem, was er für sie bereithielt.

Sie stellte einen Fuß in den Steigbügel, schwang sich in den Sattel, ließ den Blick über das Meer von Menschen schweifen und schätzte ab, ob sie eine Chance hatte, in die Freiheit zu gelangen. Vielleicht würde sie es an den Soldaten vorbeischaffen, denn außer den beiden Schwestern und Jagang konnte sich ja niemand lange genug an sie erinnern, um sie wahrzunehmen. Da draußen wäre sie so gut wie unsichtbar. Den Männern würde es erscheinen, als laufe ein reiterloses Pferd vorbei, und niemand würde sich freiwillig in den Weg stellen und niedertrampeln lassen.

Die Schwestern ließen sie nicht aus den Augen, stiegen ebenfalls auf und postierten sich jeweils an einer Seite von Kahlan, um jeden Fluchtversuch zu vereiteln. Mochte sie auch für die Soldaten unsichtbar sein, so konnten die Schwestern immer noch den Halsring einsetzen. Dazu brauchten sie nicht in der Nähe zu sein, das hatte sie bereits auf unangenehme Weise zu spüren bekommen. Ihre Beine schmerzten noch von dem, was die Schwestern ihr erst kürzlich angetan hatten. Insofern war es gut, dass sie reiten durfte, denn zu Fuß hätte sie es nicht weit geschafft.

Das Licht der Dämmerung glitzerte auf Millionen von Waffen und ließ die Armee wie eine flüssige Masse aussehen. Wie auf einem engen Floss aus Leibwachen des Kaisers, den Schwestern, Dienern und Sklaven trieben sie hinaus in den aufgebrachten Ozean, der sich dem nördlichen Horizont entgegen ergoss.

Die heiße Sonne ging zu ihrer Rechten auf. Kahlan bewegte sich zwischen den Schwestern und den Leibwachen des Kaisers inmitten der Menschenmasse nach Norden. Aus dem Sattel hatte sie einen guten Überblick. Immerhin brauchte sie das Gepäck der Schwestern nicht mehr zu schleppen.

Das anfängliche Geplauder der Soldaten ließ nach, als die monotonen Mühen des Marsches erste Wirkung zeigten. Reden wurde anstrengend. Bald schon schwitzte auch Kahlan in der Hitze. Männer, die schwere Gepäckstücke schleppten, trabten dahin und stierten vor sich auf den Boden. Wer stehen blieb, würde vermutlich einfach niedergetrampelt.

Den ganzen Tag über drängten sich Wagen durch die Armee, von denen aus Essen verteilt wurde. Bei anderen gab es Wasser. Rasch bildete sich eine Reihe von Männern, die sich von jedem Wagen Wasser ausschenken ließen.

Gegen Mittag traf ein Wagen in der Mitte der Gruppe um den Kaiser ein. An die Offiziere wurden warme Mahlzeiten ausgegeben. Die Schwestern reichten Kahlan das Gleiche, was alle anderen erhielten Brotfladen, die um weiches Salzfleisch gewickelt waren. Zwar sprach der Geschmack Kahlan nicht sonderlich an, doch war sie ausgehungert und freute sich über das Essen.

Bei Einbruch der Nacht war die Truppe von dem anstrengenden Marsch erschöpft. Man hatte unterwegs gegessen und keine Rast eingelegt. Auf diese Weise hatten sie eine größere Distanz zurückgelegt, als Kahlan es bei einer Armee dieser Größenordnung für möglich gehalten hätte. Kahlan war über und über mit Staub bedeckt. Allerdings wusste sie nicht, ob ihr Regen besser gefallen hätte, denn dann hätten sie das Problem mit dem Schlamm gehabt. Überrascht entdeckte sie vor sich das Lager des Kaisers. Flaggen auf den Zelten flatterten im heißen Wind, als wollten sie den Kaiser willkommen heißen. Die Wagen mit der Ausrüstung mussten vorgefahren sein. Die Armee war so riesig und nahm so viel Platz ein, dass es Stunden, wenn nicht Tage dauern musste, bis alle die gleiche Stelle passiert hatten, daher brauchten die Wagen nicht einmal vor der Armee zu fahren. Es genügte, eine Gasse durch die Flut der Marschierenden zu öffnen und vor Einbruch der Dunkelheit das Lager aufzuschlagen, damit beim Eintreffen des Kaisers alles bereitstand.

Über mehreren Feuern wurde Fleisch an Spießen gebraten. Bei dem Duft lief Kahlan das Wasser im Mund zusammen. An anderen Feuern dampften Kessel an eisernen Gestellen. Sklaven eilten hin und her, trugen Ausrüstungsgegenstände, arbeiteten an Tischen, drehten die Spieße, rührten den Inhalt der Kessel um und fügten die Zutaten hinzu. Platten mit Brot, Fleisch und Obst wurden vorbereitet. Jagang, der vor Kahlan geritten war, stieg vor seinem großen Zelt aus dem Sattel. Ein Mann eilte herbei und nahm ihm die Zügel ab. Als die Schwestern und Kahlan abstiegen, kamen weitere junge Männer und übernahmen ihre Pferde. Die Schwestern scheuchten Kahlan wie von einem stillen Befehl angewiesen hinter Jagang her. Sie traten durch den Zelteingang, dessen Vorhang ein muskulöser Soldat ohne Hemd aufhielt. Seine Haut war von Schweiß überzogen, vermutlich, weil er am Aufbau des Zeltes mitgewirkt hatte, und er roch säuerlich.

Im Inneren sah es genauso aus wie am Morgen vor ihrem Aufbruch. Man hätte meinen können, sie hätten den Ort gar nicht gewechselt. Die Lampen brannten bereits. Kahlan freute sich wieder über den Geruch des Öls. Eine Reihe Sklaven waren mit der Vorbereitung des Mahls für den Kaiser beschäftigt, das auf dem Tisch serviert wurde. Jagang drehte sich unvermittelt um, packte Schwester Ulicia am Haar und zerrte sie vorwärts. Die Schwester stieß vor Schmerz und Überraschung einen leisen Schrei aus, leistete jedoch keinen Widerstand. Die Sklaven schauten nur kurz herüber und wandten sich sofort wieder ihren Aufgaben zu, als hätten sie nichts bemerkt.

»Warum sieht sie niemand?«, fragte Jagang.

Kahlan wusste, was er meinte.

»Der Bann, Exzellenz. Der Feuerkettenbann.« Der Kaiser drückte Schwester Ulicia in eine unbeholfene, unbequeme Haltung, halb gebeugt. »Das war doch genau der Zweck des Banns - dass niemand sie sehen würde. Er wurde speziell geschaffen, um eine Person anscheinend verschwinden zu lassen. Ich glaube, ursprünglich wurde er für Spione gedacht, die nicht entdeckt werden sollten. Wir haben diesen Bann auch benutzt, um die Kästchen der Ordnung aus dem Palast des Volkes zu holen, ohne dabei bemerkt zu werden.«

Kahlan schlug das Herz bis zum Hals, als sie nun hörte, wie man sie ausgenutzt und wie man ihr Leben und Erinnerungen genommen hatte. In ihrer Kehle bildete sich ein Kloß. Den Schwestern war ihr wertvolles Leben vollkommen gleichgültig gewesen. Was gab diesen Frauen das Recht zu solchem Tun?

Bis vor Kurzem hatte sie sich für einen Niemand ohne Gedächtnis gehalten, für eine Sklavin der Schwestern. Vor nicht langer Zeit hatte sie erfahren, dass sie Kahlan Amnell hieß und die Mutter Konfessor war - was immer das bedeutete. Und jetzt hörte sie den Grund, warum sie weder ihren Namen noch ihren Titel gekannt hatte: weil die Schwestern sie mit einem Bann belegt hatten.

»So sollte der Bann eigentlich wirken«, sagte Jagang. »Aber warum hat dieser Wirt sie gesehen? Und diese kleine Felsenratte in Caska?«

»Ich ... ich weiß nicht«, stammelte Schwester Ulicia. Er zog sie dichter an sich heran. Sie griff nach seinen Handgelenken, damit er ihr nicht das Haar ausriss, überlegte es sich dann jedoch, weil sie keinen Widerstand leisten wollte, und ließ die Arme baumeln.

»Darf ich die Frage noch einmal in klareren Worten stellen, damit auch ihr Dummköpfe sie versteht? Was habt ihr falsch gemacht?«

»Aber Exzellenz ...«

»Ihr müsst etwas falsch gemacht haben, sonst hätten die beiden sie nicht sehen können!« Schwester Ulicia zitterte, doch antwortete sie nicht. »Du und Armina könnt sie sehen, weil ihr den Bann kontrolliert. Ich kann sie sehen, weil ich in euren Gedanken war und deshalb durch den gleichen Prozess geschützt bin. Aber niemand sonst kann sie sehen.«

Nach einer kleinen Pause fuhr er fort: »Ich frage noch einmal: Was habt ihr falsch gemacht?«

»Exzellenz, wir haben nichts falsch gemacht. Ich schwöre es.«

Jagang winkte Armina mit dem Zeigefinger zu sich. Widerstandslos trippelte sie zu ihm.

»Möchtest du meine Frage beantworten und mir erklären, welchen Fehler ihr begangen habt? Oder soll ich dich mit Ulicia zu den Zelten schicken?«

Schwester Armina schluckte die Angst hinunter und breitete die Hände aus. »Exzellenz, wenn ich mir das durch ein Geständnis ersparen könnte, wäre ich sofort dazu bereit, aber Ulicia hat recht. Wir haben alles richtig gemacht.«

Schwester Ulicia rannen angesichts des Schmerzes die Tränen über die Wangen. Sie versuchte den Kopf zu schütteln. »Nein, Exzellenz so dürft Ihr es Euch nicht vorstellen.«

»Was darf ich mir so nicht vorstellen?«

»Den Feuerkettenbann. Einmal in Gang gebracht, nimmt er seinen Lauf. Der Bann selbst erledigt die Arbeit. Er richtet sich selbst aus; wir haben ihn weder geführt noch kontrolliert. Genau genommen ist gar keine Einmischung möglich. Sobald er begonnen hat, durchläuft der Bann seine vorbestimmte Prozedur. Wir wissen nicht einmal, wie diese aussieht. In gewisser Hinsicht ähnelt er darin entworfener Magie. Wir würden es nicht wagen, daran herumzuspielen. Die Macht der Feuerkette ist jedoch wesentlich größer als alles, was wir lenken könnten - und wir haben keine Möglichkeit, diesen Bann zu verändern, selbst wenn wir wollten.«

»Sie hat wiederum recht, Exzellenz. Wir wussten, was mit dem Bann bewirkt werden und welches Ergebnis er erbringen soll, aber nicht, wie das im Einzelnen vor sich geht. Was sollten wir ändern? Uns genügte es, wenn er machte, wozu er erschaffen worden war. Daher hatten wir keinen Grund, ihn zu verändern, und aus diesem Grund können wir - bitte versteht das - keinen Fehler begangen haben.«

»Wir haben ihn nur ausgelöst«, beharrte Schwester Ulicia, der man die Tränen nun auch anhören konnte. »Wir haben die Prüfnetze durchlaufen lassen, um sicherzustellen, dass alles so ist, wie es sein soll, und dann haben wir ihn ausgelöst. Der Bann hat den Rest gemacht. Wir haben keine Ahnung, warum jemand sie hat sehen können. Das hat uns ebenfalls überrascht.«

Jagang wirkte nicht überzeugt. »Ihr müsst einen Fehler gemacht haben.«

»Nein, Exzellenz. Nicht einmal die Zauberer aus uralten Zeiten konnten den Bann steuern, nachdem er ausgelöst war. Schließlich wurde die Magie der Ordnung erschaffen, um sich mit dem Bann zu befassen, falls dieser jemals ausgelöst würde. Etwas Geringeres kann seine Richtung nicht beeinflussen.«

Kahlan spitzte die Ohren. Sie fragte sich, warum die Schwestern einen Bann benutzten, um die Kästchen der Ordnung zu stehlen, die eigentlich zum Einsatz gegen diesen Zauber gedacht waren. Vielleicht wollten sie nur sichergehen, dass niemand die Kästchen verwendete?

Endlich ließ Jagang Schwester Ulicia los und stieß sie mit einem angeekelten Grunzen zu Boden. Sie drückte die Hände auf den Kopf, um den Schmerz zu lindern.

Kaiser Jagang schritt hin und her und dachte über das Gesagte nach. Als jemand ins Zelt hereinschaute, hielt er inne und winkte. Mehrere Frauen mit Krügen traten ein und schenkten roten Wein in Becher auf dem Tisch. Knaben trugen Platten und Tabletts mit heißen dampfenden Speisen herein. Jagang schritt unablässig auf und ab und zollte den Sklaven, die ihre Arbeit erledigten, wenig Aufmerksamkeit.

Als der Tisch gedeckt war, ließ sich Jagang auf dem geschnitzten Stuhl nieder. Brütend betrachtete er die beiden Schwestern. Die Sklaven hatten sich hinter ihm aufgereiht, um ihm unverzüglich jeden Wunsch von den Lippen abzulesen.

Schließlich wandte er sich dem Essen zu, packte einen Schinken und riss eine Handvoll des heißen Fleisches ab. Mit einer Hand stopfte er sich Stücke davon in den Mund und starrte währenddessen unverwandt die Schwestern und Kahlan an, als denke er darüber nach, ob er sie leben oder sterben lassen sollte.

Nachdem er mit dem Schinken fertig war, zog er ein Messer aus dem Gürtel und schnitt sich eine Scheibe Braten ab. Er spießte das rote Fleisch auf, hielt es in die Höhe und wartete. Blut rann über die Klinge und über den Arm bis zum Ellbogen, den er auf den Tisch gestützt hatte.

Nun lächelte er Kahlan an. »Meinst du nicht auch, dass man das Messer besser so verwendet als auf die Weise, die du im Sinn hattest?«

Kahlan überlegte, ob sie schweigen sollte, konnte sich die Entgegnung jedoch nicht verkneifen. »Da sind wir sicherlich unterschiedlicher Meinung. Ich wünschte nur, ich hätte besser getroffen. Dann müssten wir uns jetzt nicht darüber unterhalten.«

Er lächelte in sich hinein. »Vielleicht.« Er trank einen Schluck Wein und riss dann mit den Zähnen ein Stück von dem Rindfleisch auf dem Messer ab.

Während er kaute und Kahlan beobachtete, sagte er: »Zieh dich aus.«

Kahlan blinzelte. »Wie bitte?«

»Zieh dich aus.« Er fuchtelte mit dem Messer. »Zieh alles aus.«

Kahlan biss die Zahne zusammen. »Nein. Wenn Ihr mich ausgezogen sehen wollt, müsste Ihr mir die Kleider schon selbst vom Leib reißen.«

Er zuckte die Schultern. »Das mache ich später, nur so zum Spaß, aber jetzt zieh dich aus.«

»Warum?«

Er zog eine Augenbraue hoch. »Weil ich es sage.«

»Nein«, wiederholte sie.

Mit seinen albtraumhaft schwarzen Augen sah er nur Schwester Ulicia an. »Erzähl Kahlan von unseren Folterzelten.«

»Exzellenz?«

»Erzähl ihr, welch reichen Erfahrungsschatz wir darin haben, jemanden von dem zu überzeugen, was wir wünschen. Erzähl ihr von unseren Foltermethoden.«

Ehe Schwester Ulicia antworten konnte, ergriff Kahlan das Wort.

»Macht nur und foltert mich. Niemanden interessiert es, wenn Ihr wie eine alte Henne herumgackert. Ich bin sicher, lieber würdet Ihr mich leiden sehen - also macht schon.«

»Oh, Liebste, nicht du sollst gefoltert werden.« Er drehte einen Schenkel von einer gebratenen Gans und deutete auf eine junge Frau hinter sich. »Die Folter erwartet sie.«

Kahlan warf einen Blick auf die Frau, die plötzlich von Panik erfasst wurde, und sah dann stirnrunzelnd Jagang an. »Wie bitte?«

Er biss von der Gans ab. Fett lief über seine Finger. Er leckte es von einem seiner Ringe.

»Nun ja«, sagte er und zupfte an dem Fleisch, das von dem Schenkel hing. »Vielleicht sollte ich es dir selbst erklären. Verstehst du, wir haben diese Foltermethode, bei der der Inquisitor einen kleinen Schnitt im Bauch vornimmt.« Er drehte sich um und piekte der jungen Frau mit dem Gänseschenkel knapp unter dem Nabel in den Bauch. Auf dem nackten Fleisch blieb ein Fettfleck zurück. »Genau dort.«

Er wandte sich wieder nach vorn. »Dann drückt der Inquisitor eine Zange in den Bauch und sucht, bis er ein Stück vom Dünndarm erwischt. Es ist ziemlich glitschig da drin, und die Person, an der dies durchgeführt wird, liegt nicht gerade still, wenn du verstehst, was ich meine, daher dauert es für gewöhnlich eine Weile. Sobald der Inquisitor den Darm gepackt hat, zieht er ihn langsam ein paar Fuß heraus. Nicht sehr angenehm.«

Er beugte sich vor und nahm sich einen weiteren Streifen Schinken.

»Wenn du nicht tust, was ich dir sage, gehen wir alle in die Folterzelte«, er deutete mit dem Stück Schinken nach links, »und werden uns diese Methode von unseren erfahrenen Inquisitoren bei dem Mädchen hinter mir zeigen lassen.«

Mit eisigem Blick sah er Kahlan an. »Nur, weil du dich weigerst, zu tun, was ich dir befehle. Du wirst das alles mit anschauen. Du wirst ihre Schreie hören, wie sie um ihr Leben fleht, du wirst sehen, wie sie blutet, wie ihre Eingeweide aus ihr herausgezogen werden. Nachdem der Mann ein paar Fuß herausgezogen hat, wickelt er den Darm um einen Stock wie Garn - damit das Durcheinander nicht zu groß wird. Danach wird er innehalten und mich anschauen. Zu dem Zeitpunkt werde ich dich dann zum wiederholten Mal höflich fragen, das zu tun, was ich dir befohlen habe. Falls du dich erneut weigerst, werden wir weitere Gedärme aus ihrem zarten Bauch ziehen und sie auf den Stock wickeln, während wir ihren Schreien und ihren Todeswünschen lauschen. Das kann eine hübsche Weile dauern. Diese Folter verläuft ausgesprochen langsam und schmerzvoll.« Jagang schenkte Kahlan ein freundliches Lächeln.

»Und dann, kurz vor dem Ende, wirst du ihr bei ihren Todeszuckungen zusehen.«

Kahlan blickte zu dem Mädchen. Es hatte sich nicht gerührt, war jedoch so weiß geworden wie der Zucker in der Schale auf dem Tisch.

Jagang kaute langsam und spülte den Bissen mit Wein hinunter.

»Danach darfst du dir anschauen, wie wir ihren leblosen Körper auf den Totenkarren werfen, zu den anderen Leichen der Menschen, die wir befragt haben.

Anschließend werde ich Ulicia und Armina vor die Wahl stellen, entweder zu den Zelten geschickt zu werden, um meine Männer zu unterhalten, die recht lustvolle Begierden haben, oder sich auszudenken, ’wie sie dir mit dem Ring um den Hals schlimmere Schmerzen zufügen können, als du bisher erlebt hast. Allerdings müssen sie verhindern, dass du ohnmächtig wirst. Denn selbstverständlich sollst du alles spüren.«

Draußen dröhnte ohne Unterlass der Lärm der Armee, doch im Inneren des Zeltes herrschte Totenstille. Jagang säbelte sich eine weitere Scheibe von dem blutigen Rindfleisch ab und fuhr fort.

»Nachdem die Schwestern mit ihrer Phantasie am Ende sind -und ich glaube, angesichts dessen, was ihnen selbst blüht, werden sie durchaus erfinderisch sein -, werde ich dich persönlich halb totschlagen. Und dann reiße ich dir die Kleider vom Leib und lasse dich nackt vor mir stehen.«

Er fixierte sie mit seinen Albtraumaugen. »Du hast die Wahl, Schätzchen. So oder so wirst du am Ende meinem Befehl gehorchen und nackt vor mir stehen. Welcher Weg ist dir lieber? Entscheide rasch. Ich werde dich nicht noch einmal fragen.«

Kahlan hatte keine Wahl. Widerstand war zwecklos. Sie schluckte und begann unverzüglich, ihr Hemd aufzuknöpfen.

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