Franzi hat die Herrschaft über unseren Haushalt übernommen. Beim ersten Morgengrauen springt sie in unser Ehebett, schleckt uns wach und beginnt, an den herumliegenden Gegenständen zu kauen. Ihren kleinen, spitzen Zähnchen sind bereits mehrere Hausschuhe und Bettvorleger, ein Radio, ein Kabel und einige Bücher zum Opfer gefallen. Als sie an den Füßen meines Schreibtischs zu knabbern begann, warf ich sie aus dem Zimmer. Seitdem kommt sie ständig zu mir.
„Ephraim", fragte die beste Ehefrau von allen, „bist du dir sicher, daß wir unseren Hund richtig dressieren?"
Auch ich hatte schon öfter daran gezweifelt.
Franzi verbringt den größten Teil des Tages auf unseren Sesseln oder in unseren Betten. Sie empfängt jeden Fremden, der an der Tür erscheint, mit freundlichem Schwanzwedeln und bellt nur, wenn meine Frau sich an das Klavier setzt. Überdies wird sie immer dicker, da die Kinder sie ständig mit Kuchen und Schokolade füttern. Und das Schlimmste ist: Wir können es ihr nicht abgewohnen, auf den Teppich oder anderswohin zu pinkeln. „Vielleicht sollten wir sie abrichten lassen", antwortete ich daher meiner Frau. Dieser Einfall kam mir, als ich den deutschen Schäferhund Zulu sah, der in unserer Straße wohnt. Er kommt täglich zweimal mit Dragomir, dem bekannten staatlich geprüften Hundetrainer, an unserem Haus vorbei.
„Geh und rede mit Dragomir", murmelte meine Frau.
Dragomir, ein untersetzter Mann in mittleren Jahren, versteht die Sprache der Tiere. Mit den Menschen hat er allerdings Verständigungsschwierigkeiten. Er lebt erst seit dreißig Jahren in Israel und kann sich nur in seiner kroatischen Muttersprache fließend ausdrücken.
„Was ist das?" fragte er bei Franzis Anblick. „Wo haben Sie es genommen her?"
„Das spielt keine Rolle", antwortete ich ausweichend.
Dragomir hob Franzi hoch und schaute ihr tief in die Augen.
„Wie Sie füttern diese Hund?"
Ich erzählte ihm, daß Franzi viermal am Tag ihre Lieblingssuppe bekäme und einmal entweder Steaks mit Nudeln oder Gemüse mit Fleisch und dazwischen je nachdem Cremerollen, Waffeln oder türkischen Honig.
„Schlecht und falsch", meinte Dragomir. „Hund nur einmal am Tag bekommt Futter und Schluß. Wo macht Hund hin?"
Ich verstand nicht sofort, was er meinte. Dragomir wurde deutlicher:
„Wo pischt? Wo kackt?"
„Immer im Haus", wehklagte ich. „Nie im Garten. Da hilft kein Bitten und kein Schimpfen."
„Hund immer hinmacht, wo hat erstemal hingemacht", erklärte der staatliche Trainer. „Wie oft hat bis jetzt hingemacht im Haus?"
Ich versuchte, es schnell im Kopf auszurechnen:
„Ungefähr fünfhundert Mal."
„Mati moje! Sie müssen Hund verkaufen!" Und Dragomir machte mich mit der erschütternden Tatsache vertraut, daß Franzi sich mittlerweile daran gewöhnt hätte, den Garten als ihre Wohnung anzusehen und das Haus als Toilette.
„Aber dagegen muß sich doch etwas machen lassen, Meister!" flehte ich. „Wir zahlen Ihnen jeden Betrag!" Der staatliche Trainer überlegte.
„Gut", entschied er dann. „Erstes von allem: Sie müssen anbinden Hund. Ich bringe Kette."
Am nächsten Morgen erschien Dragomir mit einer Ankerkette, befestigte das eine Ende an einem Besenstiel, den er im hintersten Winkel des Gartens in die Erde rammte, und band Franzi am anderen Ende der Kette fest.
„So. Hier bleibt Hund ganze Zeit. Einmal täglich man bringt ihm etwas Futter. Sonst niemand darf in seine Nähe kommen."
„Aber wie soll die arme Franzi das aushalten", protestierte ich, lautstark unterstützt von Frau und Kindern. „Franzi braucht Gesellschaft... Franzi braucht Liebe... sie wird weinen..."
„Soll weinen", beharrte Dragomir erbarmungslos. „Ich sage, was Sie tun, Sie tun, was ich sage. Sonst alles hat keinen Sinn. Sonst besser Sie verkaufen Hund sofort."
„Alles, nur das nicht!" stöhnte ich im Namen meiner Familie. „Wir werden alle Ihre Anordnungen befolgen. Was bekommen Sie für den Kurs?"
„Einhundertfünfzig ohne Empfangsbestätigung", antwortete Dragomir in erstaunlich gutem Hebräisch.
Franzi begann zu winseln.
Schon am Nachmittag weinten alle im Haus. Die Kinder schauten mit traurigen Blicken nach Franzi, nach der einsamen, hungrigen, angebundenen Franzi. Renana hielt es nicht länger aus und legte sich schluchzend neben sie. Amir bat mich mit flehend aufgehobenen Händen, das arme Tier loszubinden. Auch meine Frau beschwor mich: „Wenigstens für eine Viertelstunde. Für zehn Minuten. Für fünf Minuten..."
„Also schön. Fünf Minuten..."
Laut bellend sauste Franzi ins Haus, sprang an uns hoch und bedachte uns mit Liebesbezeugungen. Die Nacht verbrachte sie im Kinderzimmer. Dort schlief sie, nachdem sie Schokolade, Kuchen und ein Paar Hausschuhe gefressen hatte, friedlich in Amirs Bettchen ein.
Am nächsten Morgen läutete das Telefon. Es war Dragomir.
„Wie hat Hund genachtet?"
„Alles in bester Ordnung", antwortete ich.
„Viel gebellt?"
„Ja, aber damit muß man sich abfinden." Während ich dies sagte, versuchte ich, Franzi daran zu hindern, mein Brillengestell anzuknabbern.
Dragomir schärfte mir ein, seine Vorschriften unbedingt einzuhalten. Gerade jetzt, am Anfang der Dressur, sei Härte notwendig.
„Da bin ich ganz Ihrer Meinung", bestätigte ich. „Sie können sich auf mich verlassen. Wenn ich schon so viel Geld ausgebe, dann will ich auch einen Erfolg sehen. Ich bin ja nicht verrückt."
Nach diesen Worten legte ich den Hörer auf und entfernte vorsichtig das Telefonkabel aus Franzis Schnauze.
Mittags stürzte Amir schreckensbleich ins Wohnzimmer.
„Dragomir kommt", rief er, „schnell!"
Wir wickelten Franzi aus der Klavierdecke, rannten mit ihr in den Garten und banden sie an der Kette fest. Als Dragomir hereinkam, saßen wir alle beim Mittagessen.
„Wo ist Hund?" fragte der Trainer barsch. „Wo wird er schon sein? Natürlich dort, wo er hingehört. Im Garten. An der Kette."
„Richtig und gut." Dragomir nickte anerkennend. „Nicht loslassen."
Tatsächlich blieb Franzi bis gegen Ende des Essens im Garten. Erst zum Nachtisch holte Amir sie herein und fütterte sie mit Kuchen und Obst. Franzi war glücklich, schien aber ein wenig verwirrt. Auch in den kommenden Wochen konnte sie nicht begreifen, warum sie immer angebunden wurde, wenn der fremde Mann auftauchte. Nach seinem Verschwinden brachten wir sie immer gleich wieder ins Haus zurück.
Von Zeit zu Zeit erstatteten wir Dragomir genauen Bericht über Franzis Fortschritte. Wir baten ihn um Ratschläge, und an dem Dienstag, als Franzi unser schönstes Tischtuch zerrissen hatte, gaben wir ihm freiwillig eine Honorarzulage von fünfzig Mark. Eine Woche später beging Dragomir einen schweren Fehler: Er erschien unangemeldet in unserem Haus. Dies passierte folgendermaßen: Zulu, der Schäferhund, hatte den Postboten ins Bein gebissen. Sein Besitzer rief Dragomir an, er sollte Zulu bestrafen. Und da Dragomir in der Nähe war, kam er gleich auch bei uns vorbei. Ohne zu läuten betrat er das Haus und ging ins Kinderzimmer. Dort fand er Amir und Franzi eng umschlungen vor dem Fernsehapparat. Beide verspeisten gerade gemeinsam eine große Tüte Popcorn.
„Das ist Garten?" brüllte Dragomir. „Das ist Hund angebunden?"
„Nicht böse sein, Onkel", entschuldigte sich Amir. „Wir haben nicht gewußt, daß du kommst."
Renana begann zu heulen, Franzi begann zu bellen, Dragomir brüllte weiter. Ich stürzte herbei und schrie ebenfalls. Meine Frau stand daneben und wartete, bis wieder Ruhe war.
„Was wünschen Sie?" fragte sie dann und tat so, als sähe sie Dragomir zum ersten Mal.
„Ich wünschen? Sie wünschen! Sie wollen haben Hund stubenrein. So nicht. So wird immer in Haus überall hinmachen!"
„Na, wenn schon. Dann wische ich es eben auf. Ich, nicht Sie."
„Aber -", sagte Dragomir. „Hinaus!" sagte die beste Ehefrau von allen.
Seitdem herrscht Ruhe in unserem Haus. Franzi frißt Pantoffeln und Teppiche, wird immer dicker und pinkelt, wohin sie will. Meine Frau läuft mit einem Aufwischtuch hinter ihr her, die Kinder klatschen vor Vergnügen in die Hände, und wir sind uns alle darüber einig, daß nichts über einen gut erzogenen Rassehund geht, der eigens aus Europa eingeführt wurde.