Polizeidienststelle Crowborough — 16. Januar 1925
Chief Inspector Gillan faltete die Hände auf dem Tisch. »Was ist aus der Wäscheleine geworden?«
»Die habe ich zusammen mit ihren Kleidern verbrannt. «
»Warum? Und warum haben Sie ihren Schmuck aufgehoben?«
Norman rieb sich die Augen. »Ich habe alle ihre Sachen aufs Bett gelegt, als ich sie zerstückelt habe… und dann habe ich den Kram vergessen. Sie war ganz nackt — sie hatte überhaupt nichts an.« Er holte Atem. »Ich fand die Sachen wieder, als ich anfing, sauber zu machen — aber da war ich zu müde, um noch mehr Löcher zu graben. Es war einfacher, die Kleider ins Feuer zu werfen und ihren Schmuck im Geräteschuppen zu verstecken.«
»Sie haben die Reisetasche vergraben.«
»Ich wollte das Babykleid nicht verbrennen. Das habe ich nicht fertiggebracht.«
Gillan bot ihm eine Zigarette an. »Die Obduktion hat gezeigt, dass sie nicht schwanger war. In dieser Hinsicht zumindest haben Sie die Wahrheit gesagt.«
»Ich weiß.«
»Aber sonst erzählen Sie uns nur Lügen, Norman. Sie hat sich nicht erhängt. An ihrem Hals waren keine Einschnitte oder Druckstellen von der Leine. Und nichts weist darauf hin, dass von Ihren Balken jemals ein menschlicher Körper herabhing. Sie sind aus weichem Kiefernholz. Die Leine hätte im Holz eine Kerbe zurücklassen müssen.«
»Ich kann Ihnen nur sagen, was ich vorgefunden habe.«
»Dann erklären Sie mir, wie die Uhr und die Brille beschädigt wurden.«
»Vielleicht hat sie sie selbst kaputtgemacht. Sie war sehr aufgebracht.«
»Nicht gerade überzeugend.«
»Vielleicht habe ich sie kaputtgemacht, als ich mich auf den Tisch legte. Vielleicht ist sie darauf getreten, nachdem sie sie abgenommen hatte.« Norman senkte den Kopf in seine Hände. »Sie war blind wie ein Maulwurf — aber sie fand, sie sähe ohne Brille besser aus.«
»Und war das so?«
»Nein.«
Gillan fuhr mit dem Finger ein Blatt Papier hinunter, das vor ihm lag. »Der Leichnam war in gutem Zustand, weil es kalt war, und Sie ihn in derselben Nacht begraben haben. Bei der Obduktion wurden Blutergüsse in Elsies Gesicht festgestellt. Haben Sie sie geschlagen?«
»Natürlich nicht. Ich habe Elsie nie geschlagen.«
»Sie hatten Streit mit ihr.«
»Aber ich habe sie nicht geschlagen, Mr. Gillan. Sonst hätte ich Ihnen doch gar nicht erst von dem Streit erzählt. Sie ist zusammengefallen wie ein Kartoffelsack, als ich die Leine durchgeschnitten habe. Ich stand auf einem Stuhl und konnte ihr Gewicht nicht halten. Ich glaube, sie ist mit dem Kopf gegen die Kommode geschlagen. Hätte das Blutergüsse verursacht?«
»Das weiß ich nicht. Ich bin kein Fachmann.« Der Kriminalbeamte von Scotland Yard hielt mit dem Finger eine Zeile des Berichts fest. »Hier heißt es, dass sie zwei Stunden vor ihrem Tod eine leichte Mahlzeit zu sich genommen hatte.«
Norman beugte sich eifrig vor. »Das beweist doch, dass ich sie nicht getötet habe. Sie hat noch gelebt, als ich um halb zehn gegangen bin.«
»Dafür haben wir nur Ihr Wort.«
»Aber wir haben erst nach halb neun gegessen. Zuerst war ich bei den Coshams, und dann hatten wir den Krach wegen Bessie. Erst danach habe ich zu kochen angefangen.«
»Für das alles gibt es allerdings keine Zeugen, Norman. Die Coshams waren nicht zu Hause, und Sie und Elsie waren allein.«
»Woher sollte ich wissen, dass die Coshams nicht da waren, wenn ich nicht dort gewesen wäre?«
Gillan zuckte mit den Schultern. »Sie haben Ihre Aussage erst einen Monat später gemacht, jeder hätte es Ihnen erzählen können.«
Norman wischte sich die Hände nervös an seiner Hose. »Aber wenn sie sich nicht erhängt hat — und ich sie nicht geschlagen habe -, wie soll ich sie denn dann umgebracht haben?«
Gillan ließ sich Zeit mit der Antwort. Das war genau der Punkt, der ihm zu schaffen machte. »Der Obduktion zufolge ist sie an Schock gestorben.«
»Was heißt das?«
»Ihr Nervensystem hat versagt. Ihr Herz ist stehen geblieben, und sie erlitt einen Kollaps.«
Norman starrte ihn an. »Heißt das, dass ihre Nerven sie umgebracht haben? Wie soll das denn passiert sein? Sie haben sie immer geplagt — aber lebensgefährlich war das bisher nie.«
»Es hängt davon ab, was Sie ihr angetan haben. In diesem Bericht wird die Vermutung aufgestellt, dass Sie sie mehrmals mit der Faust ins Gesicht geschlagen und dann dem Tod überlassen haben. Wenn Sie das nicht getan hätten — wenn Sie bei ihr geblieben wären und versucht hätten, ihr irgendwie zu helfen -, würde ich Sie nicht des Mordes beschuldigen.«
»Aber ich habe nichts getan, Mr. Gillan. Das müssen Sie mir glauben. Es war genau so, wie ich es in meiner Aussage geschildert habe.«
Gillan schob seinen Stuhl zurück. »Dann hätten Sie sie nicht enthaupten sollen. Es ist leichter, Druckmale oder Einschnitte zu erkennen, wenn der Hals unversehrt ist.« Er stand auf. »Sie haben diese arme Frau mit weniger Achtung behandelt als ein totes Huhn. Und so was mögen Polizeibeamte nicht, Norman.«