14 Gefangene der Drakonier

Tolpan, der auf dem Boden lag und nach Luft schnappte, beobachtete die Vorbereitungen der Drakonier, seine bewußtlosen Freunde wegzutragen. Der Kender hielt sich hinter einem Busch am Sumpf gut versteckt. Der Zwerg lag ausgestreckt neben ihm, ausgeschaltet. Tolpan sah ihn bedauernd an. Er hatte keine andere Wahl gehabt. In seiner Panik hatte Flint den Kender in das kalte Wasser gezogen. Wenn er den Zwerg nicht mit seinem Hupakstab niedergeschlagen hätte, wären beide ertrunken. Er hatte den reglosen Zwerg dann aus dem Wasser gezerrt und neben sich hinter dem Busch versteckt.

Dann mußte Tolpan hilflos mit ansehen, wie die Drakonier seine Freunde mit Hilfe eines Zaubers mit etwas fesselten, das wie mächtige Spinngewebe aussah. Offenbar waren alle ohnmächtig - oder tot -, da sie sich weder widersetzten noch kämpften.

Trotzdem amüsierte sich der Kender grimmig, als die Drakonier versuchten, Goldmonds Stab zu entwenden. Offenbar erkannten sie ihn, denn sie besprachen sich in ihrer gutturalen Sprache und gestikulierten ausgelassen. Einer – vermutlich der Anführer - griff nach dem Stab. Ein blaues Licht blitzte auf. Der Drakonier schrie kreischend auf, ließ den Stab fallen und hüpfte auf und ab, während er—so vermutete Tolpan – unhöfliche Worte ausstieß. Schließlich kam dem Anführer wohl eine glänzende Idee. Er zog aus Goldmonds Gepäck eine Felldecke und breitete sie auf dem Boden aus. Dann nahm er einen Stock, mit dem er den Stab auf die Decke rollte, wickelte den Stab anschließend in das Fell ein und hielt ihn triumphierend hoch. Die Drakonier nahmen die gefesselten Freunde auf und trugen sie fort. Andere Drakonier folgten mit den Rucksäcken und den Waffen der Gefährten.

Als die Drakonier auf dem Pfad nahe am Versteck des Kenders vorbeimarschierten, stöhnte Flint plötzlich auf. Tolpan legte seine Hand auf den Mund des Zwergs. Die Drakonier schienen sie nicht gehört zu haben und gingen weiter. Tolpan konnte seine Freunde deutlich im schwindenden Nachmittagslicht erkennen. Sie schienen zu schlafen. Caramon schnarchte sogar. Der Kender erinnerte sich an Raistlins Schlafzauber und vermutete, daß sich die Drakonier einer ähnlichen Magie bedient hatten. Flint stöhnte wieder. Einer der Drakonier am Ende der Reihe hielt an und spähte ins Gebüsch. Tolpan nahm seinen Hupak und hielt ihn über den Kopf des Zwergs - nur für den Notfall. Aber es war nicht nötig. Der Drakonier zuckte mit den Schultern, dann beeilte er sich, zu den anderen aufzuschließen. Erleichtert seufzte Tolpan auf und zog seine Hand vom Mund des Zwergs. Flint blinzelte und öffnete die Augen.

»Was ist denn los?« Der Zwerg ächzte und griff nach seinem Kopf.

»Du bist von der Brücke gefallen und hast dir den Kopf am Stamm gestoßen«, sagte Tolpan schlagfertig.

»Wirklich?« argwöhnte Flint. »Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern. Ich weiß, daß einer dieser Drakonier auf mich zukam und daß ich ins Wasser gefallen bin...«

»Also wirklich, es stimmt schon, also streite nicht«, sagte Tolpan hastig und erhob sich. »Kannst du laufen?« »Natürlich kann ich laufen«, murrte der Zwerg. Er stand auf, schwankte, hielt sich aber aufrecht. »Wo sind die anderen?« »Die Drakonier haben sie gefangengenommen und verschleppt.« »Alle?« Flints Mund blieb offen. »Einfach so?« »Diese Drakonier waren Magier«, sagte Tolpan ungeduldig, da er endlich aufbrechen wollte. »Aber sie haben sie nicht verletzt, außer Raistlin. Ich glaube, sie haben etwas Schreckliches mit ihm angestellt. Ich habe ihn gesehen, als sie hier vorbeigingen. Er sah furchtbar aus. Aber er ist der einzige.« Der Kender zog am nassen Ärmel des Zwergs. »Laß uns gehen - wir müssen ihnen folgen.«

»Ja, natürlich«, murmelte Flint und sah sich um. Dann faßte er mit einer Hand nach seinem Kopf. »Wo ist mein Helm?« »Am Grund des Sumpfes«, sagte Tolpan wütend. »Willst du ihn suchen?«

Der Zwerg warf dem schlammigen Wasser einen angstvollen Blick zu, schauderte und wendete sich eilig ab. Wieder legte er seine Hand an den Kopf und fühlte eine riesige Beule. »Ich erinnere mich wirklich nicht, meinen Kopf aufgeschlagen zu haben«, brummte er. Dann fiel ihm plötzlich noch etwas ein. Er griff wild nach hinten. »Meine Axt!« schrie er.

»Psst!« schimpfte Tolpan. »Wenigstens bist du am Leben. Wir müssen jetzt die anderen befreien.«

»Wie stellst du dir das denn ohne Waffen vor, nur mit dieser übergroßen Steinschleuder?« grummelte Flint, während er hinter dem voraneilenden Kender stapfte. »Uns wird schon etwas einfallen«, sagte Tolpan vertrauensselig; obwohl ihm das Herz bis zu den Füßen hing. Der Kender nahm die Spur der Drakonier ohne Schwierigkeiten auf. Es war ein alter und oft benutzter Pfad; er sah aus, als ob Hunderte von Drakonierfüßen über ihn getrampelt wären. Tolpan wurde bei der Spurensuche plötzlich klar, daß sie vielleicht ins Lager dieser Ungeheuer laufen könnten. Er zuckte die Achseln. Es hatte keinen Sinn, sich um solche Kleinigkeiten Sorgen zu machen.

Unglücklicherweise teilte Flint nicht seine Philosophie. »Dort drüben ist eine ganze verdammte Armee!« keuchte der Zwerg und packte den Kender an der Schulter.

»Ja, nun...« Tolpan machte eine Pause, um die Lage zu überdenken. Er strahlte auf. »Um so besser. Je mehr von ihnen da sind, um so geringer die Chance, daß sie uns bemerken.« Und marschierte weiter. Flint runzelte die Stirn. Irgend etwas stimmte an dieser Logik nicht, aber im Moment kam er nicht darauf, und er war zu durchgefroren, um zu streiten. Außerdem dachte er das gleiche wie der Kender: Für sie gab es keine Wahl, die Freunde durften nicht in den Händen der Drakonier bleiben!

Sie gingen eine weitere halbe Stunde. Die Sonne versank im Nebel, und die Nacht brach schnell herein.

Bald sahen sie ein loderndes Licht auftauchen. Sie verließen den Pfad und verkrochen sich im Gebüsch. Der Kender bewegte sich leise wie eine Maus; der Zwerg trat auf Stöcke, die unter seinen Füßen krachten, rannte gegen Bäume und rauschte durch die Büsche. Glücklicherweise wurde im Drako-nierlager gefeiert, und man hätte vermutlich nicht einmal eine ganze Zwergenarmee sich nähern gehört. Flint und Tolpan versteckten sich in der Nähe des Feuers und beobachteten. Der Zwerg griff plötzlich mit solcher Gewalt nach dem Kender, daß dieser fast hinüberfiel.

»Großer Reorx!« fluchte Flint. »Ein Drache!«

Tolpan hockte wie gelähmt, unfähig, etwas zu sagen. Er und der Zwerg sahen mit Entsetzen, wie die Drakonier vor einem riesigen schwarzen Drachen tanzten und sich in den Staub warfen. Die Kreatur lag halb in den Überresten einer zerfallenen, kuppelförmigen Ruine verborgen. Ihr Kopf war größer als die Baumkronen, ihre Flügelspanne beachtlich. Ein Drakonier in einer Robe verbeugte sich vor dem Drachen und zeigte auf den Stab, den er zusammen mit den erbeuteten Waffen vor ihm abgelegt hatte. »Irgend etwas stimmt mit dem Drachen nicht«, flüsterte Tolpan nach einigen Augenblicken.

»Daß das gar kein richtiger ist?«

»Genau das ist der Punkt«, sagte Tolpan. »Sieh ihn dir an. Die Kreatur bewegt sich nicht, noch reagiert sie auf etwas. Sie liegt einfach nur da. Ich dachte immer, daß Drachen lebhafter wären, verstehst du?«

»Geh doch hin und kitzel ihn am Fuß!« schnaubte Flint verächtlich. »Dann wirst du schon sehen, wie das mit seiner Lebhaftigkeit ist!« »Ich denke, das mache ich auch«, sagte der Kender. Bevor der Zwerg etwas erwidern konnte, war Tolpan aus dem Gebüsch vorgekrochen und näherte sich, von einem Schatten zum nächsten huschend, dem Lager. Flint hätte sich vor Wut am liebsten den Bart ausgerissen, aber es war jetzt schon zu gefährlich, den Kender aufhalten zu wollen. Dem Zwerg blieb nichts anderes übrig, als zu folgen.

»Tanis!«

Der Halb-Elf hörte, daß ihn jemand rief. Er versuchte zu antworten, aber sein Mund war mit einer klebrigen Masse verstopft. Er schüttelte den Kopf. Dann fühlte er Arme um seine Schultern, die ihm halfen aufzusitzen. Er öffnete die Augen. Es war Nacht. Dem flackernden Licht nach zu urteilen, brannte irgendwo ein großes Feuer. Sturms besorgtes Gesicht war dicht an seinem. Tanis versuchte zu sprechen, mußte aber erst Teile dieser klebrigen Substanz, die an seinem Gesicht und in seinem Mund wie Spinngewebe hingen, wegziehen.

»Mit mir ist alles in Ordnung«, sagte Tanis, als er sprechen konnte. »Wo sind wir?« Er blickte sich um. »Sind alle hier? Jemand verletzt?« »Wir sind in einem Drakonierlager«, antwortete Sturm und half dem Halb-Elf beim Aufstehen. »Tolpan und Flint fehlen, und Raistlin ist verletzt.«

»Schlimm?« fragte Tanis, durch den ernsten Gesichtsausdruck von Sturm beunruhigt.

»Sieht nicht gut aus«, erwiderte der Ritter.

»Vergifteter Pfeil«, sagte Flußwind. Tanis wandte sich dem Barbaren zu und erhielt zum ersten Mal einen deutlichen Eindruck ihres Gefängnisses. Sie befanden sich in einem Käfig aus Bambus. Drakonierwachen standen mit gezogenen langen Krummschwertern davor. Hinter dem Käfig waren Hunderte von Drakoniern um ein Lagerfeuer versammelt. Und über dem Lagerfeuer...

»Ja«, sagte Sturm, als er Tanis' erstaunten Gesichtsausdruck sah. »Ein Drache. Weitere Kindergeschichten. Raistlin würde sich diebisch freuen.«

»Raistlin...« Tanis ging zum Magier, der in einer Ecke des Käfigs lag, eingehüllt in seinem Umhang. Der junge Zauberer hatte Fieber und Schüttelfrost. Goldmond kniete neben ihm, ihre Hand auf seiner Stirn. Er war bewußtlos, warf seinen Kopf wild hin und her und murmelte seltsame Worte, manchmal schrie er irgendwelche Befehle. Caramon, dessen Gesicht fast ebenso blaß war, saß neben ihm. Goldmond bemerkte Tanis' fragenden Blick und schüttelte traurig den Kopf. Flußwind kam zu Tanis herüber.

»Sie zog das aus seinem Hals«, sagte er und hielt vorsichtig einen gefiederten Pfeil zwischen Daumen und Zeigefinger. Er blickte mitleidig zum Magier. »Wer weiß, welches Gift in seinem Blut kreist?« »Wenn wir den Stab hätten...«, sagte Goldmond.

»Genau«, sagte Tanis. »Wo ist er?«

»Dort«, sagte Sturm, sein Mund verzog sich gequält. Tanis spähte durch die Drakoniermenge und sah den Stab auf Goldmonds Felldecke vor dem schwarzen Drachen liegen. Tanis faßte eine Käfigstange. »Wir könnten ausbrechen« sagte er zu Sturm. »Caramon könnte diese Stangen wie einen Zweig zerbrechen.«

»Tolpan könnte diese Stangen wie einen Zweig zerbrechen wenn er hier wäre«, sagte Sturm. »Ja, und dann brauchten wir uns nur noch vor den paar Ungeheuern dort in acht zu nehmen, und dann noch vor dem Drachen.«

»Na schön. Mal das nicht weiter aus.« Tanis seufzte. »Eine Idee, was mit Flint und Tolpan passiert ist?«

»Flußwind sagt, er habe ein Aufplatschen gehört, gerade nachdem Tolpan geschrien hat, daß wir aus dem Hinterhalt überfallen werden. Falls sie Glück hatten, sind sie vom Baumstamm gesprungen und durch den Sumpf entwischt. Wenn nicht...« Sturm beendete den Satz nicht.

Tanis schloß die Augen, um den Feuerschein nicht mehr sehen zu müssen. Er fühlte sich müde - müde vom Kämpfen, müde vom Töten, müde vom mühsamen Gang durch den Morast. Er dachte sehnsüchtig daran, sich hinzulegen und wieder in Schlaf zu versinken. Statt dessen öffnete er die Augen wieder, ging zum Gitter und rüttelte an den Stäben. Eine Drakonierwache drehte sich mit erhobenem Schwert um.

»Sprichst du die Umgangssprache?« fragte Tanis mit den allereinfachsten Worten, die auf Krynn verwendet wurden. »Ich beherrsche sie. Und besser als du, wie's aussieht, du Elfenabschaum«, schnarrte der Drakonier. »Was willst du?« »Einer von uns ist verletzt. Wir bitten dich, daß du ihn behandelst. Gib ihm etwas gegen das Gift.« »Gift?« Der Drakonier spähte in den Käfig. »Ach ja, dieser Magier.« Die Kreatur gab ein gurgelndes Geräusch von sich, offensichtlich ein Lachen. »Krank ist er? Ja, das Gift wirkt schnell. Wir können keinen Magier gebrauchen. Selbst hinter Gittern ist er gefährlich. Aber mach dir keine Sorgen. Er wird nicht einsam bleiben - ihr anderen werdet ihm bald folgen. In der Tat solltest du ihn beneiden. Ihr werdet nicht so schnell und einfach sterben.«

Der Drakonier drehte sich um, sagte etwas zu seinem Kameraden und deutete dabei mit seinem Klauendaumen zum Käfig- Beide gaben ein gurgelndes Lachgeräusch von sich. Tanis, der Ekel und Zorn in sich aufsteigen spürte, sah zu Raistlin.

Der Zustand des Magiers hatte sich rapide verschlechtert. Goldmond legte eine Hand auf Raistlins Hals, um den Pulsschlag zu fühlen, dann schüttelte sie den Kopf. Caramon stöhnte auf. Dann richtete sich sein Blick auf die beiden lachenden und schwätzenden Drakonier.

»Halt – Caramon!« gellte Tanis, aber es war zu spät. Mit dem Brüllen eines verwundeten Tieres sprang der riesige Krieger auf die Drakonier zu. Der Bambus gab nach, die Splitter zerschnitten seine Haut. Caramon spürte es nicht einmal. Tanis sprang auf seinen Rücken, als der Kämpfer an ihm vorbeistürmte, aber Caramon schüttelte ihn ab wie ein Bär eine lästige Fliege.

»Caramon, du Dummkopf...«, ächzte Sturm, als er und Flußwind sich auf den Kämpfer warfen. Aber Caramon war nicht mehr aufzuhalten.

Ein Drakonier wirbelte mit gezogenem Schwert herum, doch Caramon schlug ihm die Waffe aus der Hand. Die Kreatur stürzte, vom Faustschlag des Mannes ohnmächtig geschlagen, zu Boden. Innerhalb von Sekunden hatten sechs Drakonier mit Pfeil und Bogen den Krieger umzingelt. Sturm und Flußwind schafften es mit Mühe, Caramon auf den Boden zu zwingen. Sturm setzte sich auf ihn und drückte sein Gesicht in den Schlamm, bis er glaubte, daß Caramon sich beruhigt hatte, und er ihn aufschluchzen hörte.

In diesem Moment kreischte eine hohe, schrille Stimme durch das Lager. »Bringt mir den Kämpfer«, schrie der Drache. Tanis' Haare standen zu Berge. Die Drakonier ließen ihre Waffen fallen und wandten sich, vor Erstaunen erstarrt, dem Drachen zu. Flußwind und Sturm erhoben sich. Caramon blieb, von lauten Schluchzern geschüttelt, auf dem Boden liegen. Die Drakonier blickten sich voller Unbehagen an, während die anderen, die in der Nähe des Drachens standen, eilig zurückwichen und einen Halbkreis um ihn bildeten. Eine der Kreaturen, von der Tanis aufgrund ihrer Insignien auf der Rüstung annahm, daß sie eine Art Anführer war, stolzierte auf einen in eine Robe gewandeten Drakonier zu, der mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen den schwarzen Drachen anstarrte.

»Was ist hier los?« verlangte der Anführer zu wissen. Der Drakonier benutzte die Umgangssprache. Tanis versuchte, dem Gespräch zu folgen. Die in Roben gekleideten Drakonier waren offenbar die Magier und Priester. Wahrscheinlich konnten die beiden nicht in der eigenen Sprache kommunizieren. Der Krieger-Drakonier war deutlich aufgebracht.

»Wo ist euer Bozak-Priester? Er muß uns sagen, was wir tun sollen!«

»Der Oberste meines Ordens ist nicht hier.« Der PriesterDrakonier gewann schnell seine Fassung wieder. »Einer von ihnen kam angeflogen und hat ihn mitgenommen, um sich mit Lord Verminaard über den Stab zu beraten.«

»Aber der Drache spricht nie, wenn der Priester nicht da ist.« Der Anführer senkte die Stimme. »Meinen Jungs gefällt diese Sache nicht. Du solltest ganz schnell etwas unternehmen!« »Was ist das für eine Verzögerung?« Die Stimme des Drachen kreischte wie heulender Wind. »Bringt mir den Kämpfer!« »Tb, was er sagt.« Der Priester-Drakonier machte eine schnelle Handbewegung mit seiner Klauenhand. Mehrere Drakonier eilten zum Käfig, schoben Tanis und Flußwind und Sturm in den zertrümmerten Bau zurück und hoben den blutenden Caramon auf. Sie zogen ihn vor den Drachen und stellten ihn mit dem Rücken zum lodernden Feuer auf. Neben ihm lagen der blaue Kristallstab, Raistlins Stab, ihre Waffen und ihr Gepäck.

Caramon hob seinen Kopf, um sich dem Ungeheuer zu stellen, seine Augen waren von Tränen und Blut verschmiert. Der Drache erhob sich schemenhaft vor ihm, nur undeutlich durch den Rauch des Feuers sichtbar.

»Wir dienen der Gerechtigkeit, und zwar schnell und sicher, menschlicher Abschaum«, zischte der Drache. Während er sprach, schlug er wild mit seinen riesigen Flügeln. Die Drakonier keuchten, wichen einige Schritte zurück und stolperten dabei übereinander. Offenbar wußten sie, was folgen würde.

Caramon starrte die Kreatur furchtlos an. »Mein Bruder liegt im Sterben«, schrie er. »Mach mit mir, was du willst. Ich bitte nur um eins. Gib mir mein Schwert, damit ich kämpfend sterbe!«

Der Drache lachte schrill auf; die Drakonier fielen gurgelnd und krächzend ein. Mit seinen Flügeln schlagend, begann er auf und ab zu schaukeln, als ob er zum todbringenden Sprung auf den Kämpfer ansetzte.

»Das wird lustig werden. Gebt ihm seine Waffe«, befahl der Drache. Seine schlagenden Flügel verursachten einen Wind, der durch das ganze Lager peitschte und Feuerfunken versprühte. Caramon schob die Drakonierwachen beiseite. Er wischte über seine Augen, ging zum Waffenhaufen und zog sein Schwert heraus. Dann wandte er sich dem Drachen zu, in seinem Gesicht lagen Trauer und Resignation. Er hob sein Schwert. »Wir können doch nicht zusehen, wie er sich umbringt!« sagte Sturm barsch, trat einen Schritt nach vorn, um aus dem Käfig zu brechen.

Plötzlich flüsterte eine Stimme aus der Dunkelheit.

»Psst... Tanis!«

Der Halb-Elf wirbelte herum. »Flint!« rief er, blickte dann besorgt zu den Wachen, aber diese waren völlig mit dem Spektakel von Caramon und dem Drachen beschäftigt. Tanis eilte zum hinteren Teil des Bambuskäfigs, wo der Zwerg stand. »Verschwinde hier«, befahl der Halb-Elf. »Hier kannst du nichts machen. Raistlin liegt im Sterben, und der Drache...« »Ist Tolpan«, sagte Flint kurz und bündig.

»Was?« Tanis starrte den Zwerg an. »Sag das noch mal.« »Der Drache ist Tolpan«, wiederholte Flint geduldig. Tanis verschlug es die Sprache. Er starrte den Zwerg nur an. »Der Drache besteht aus Flechtwerk«, flüsterte der Zwerg eilig. »Tolpan hat sich hineingeschlichen und im Innern nachgeguckt. Er ist falsch! Jeder, der im Drachen sitzt, kann mit den Flügeln schlagen und durch eine Röhre sprechen. Ich vermute so halten die Priester hier die Ordnung aufrecht. Auf jeden Fall ist es Tolpan, der mit den Flügeln schlägt und droht, Caramon zu fressen.«

Tanis schnappte nach Luft. »Aber was sollen wir machen? Es sind immer noch mehr als hundert Drakonier. Früher oder später wird ihnen klar werden, was vor sich geht.« »Geht rüber zu Caramon, du und Flußwind und Sturm. Ergreift eure Waffen und die Rucksäcke und den Stab. Ich werde Goldmond helfen, Raistlin in den Wald zu tragen. Tolpan hat irgend etwas vor. Seid auf alle Fälle bereit.«

Tanis stöhnte.

»Mir gefällt die Sache genausowenig wie dir«, grollte der Zwerg. »Unser Leben diesem verrückten Kender anzuvertrauen. Aber - nun, er ist der Drache, immerhin.« »Das ist er sicherlich«, sagte Tanis und beäugte den Drachen, der kreischte und heulte und mit seinen Flügeln schlug und sich hin und zurück schaukelte. Die Drakonier starrten ihn mit offenen Mündern an. Tanis griff sich Sturm und Flußwind und zog sie zu Goldmond, die nicht von Raistlins Seite wich. Der HalbElf erklärte rasch, was geschehen war. Flußwind schüttelte den Kopf.

»Nun, habt ihr einen besseren Plan?« fragte Tanis.

Beide sahen auf den Drachen, dann wieder auf Tanis und zuckten mit den Schultern.

»Goldmond, geh mit dem Zwerg!« sagte Fluß wind.

Sie wollte protestieren. Er sah sie nur an, seine Augen waren ausdruckslos, sie schluckte und schwieg.

»Ja«, sagte Tanis. »Bleib bei Raistlin, bitte. Wir bringen dir den Stab zurück.«

»Beeilt euch«, sagte sie mit weißen Lippen. »Er stirbt.« »Wir werden uns beeilen«, sagte Tanis grimmig. Er stand auf und holte tief Luft.

Flußwinds Augen waren immer noch auf Goldmond gerichtet. Er wollte etwas sagen, dann schüttelte er den Kopf und wandte sich ohne ein weiteres Wort ab. Sturm gesellte sich zu ihnen. Die drei schlichen sich an den Drakonierwachen vorbei. Caramon hob sein Schwert. Es blitzte im Feuerschein auf. Der Drache bewegte sich immer hektischer, und die Drakonier wichen weiter zurück. Der durch die Drachenflügel erzeugte Wind blies Asche und Funken aus dem Feuer umher und setzte einige nahe gelegene Bambushütten in Brand. Die Drakonier bemerkten es nicht. Der Drache schrie und heulte, und Caramons Kehle wurde trocken, und seine Bauchmuskeln zogen sich zusammen. Zum ersten Mal in seinem Leben ging er ohne Raistlin in eine Schlacht. Dieser Gedanke ließ ihn voller Schmerz aufschluchzen. Er wollte gerade zum Angriff ansetzen, als Tanis, Sturm und Flußwind wie aus dem Nichts plötzlich neben ihm auftauchten.

»Wir werden unseren Gefährten nicht allein sterben lassen!« schrie der Halb-Elf dem Drachen herausfordernd zu. Die Drakonier applaudierten und jubelten wild. »Verschwinde hier, Tanis!« knurrte Caramon. »Das ist mein Kampf.«

»Halt den Mund und hör mir zu!« befahl Tanis. »Sturm, nimm dein und mein Schwert. Flußwind, kümmere du dich um deine Waffen und das Gepäck und nimm, wenn möglich, Waffen von den Drakoniern mit, für den Fall, daß wir unsere verlieren. Caramon, du hebst die beiden Stäbe auf.«

Caramon starrte ihn an. »Was...«

»Tolpan ist der Drache«, sagte Tanis. »Ich hab' keine Zeit für Erklärungen. Tu nur das, was ich sage. Nimm die Stäbe und bring sie in den Wald. Goldmond wartet dort auf uns.« Er legte seine Hand auf die Schulter des Kämpfers. »Mach schon! Mit Raistlin ist es bald vorbei! Du bist seine letzte Chance.« Das war das Stichwort für Caramon. Er rannte zum Waffenhaufen, griff sich den blauen Kristallstab und Raistlins Stab des Magus, während die Drakonier aufbrüllten. Sturm und Flußwind bewaffneten sich, Sturm brachte Tanis' Schwert mit. »Und nun bereitet euch auf den Tod vor, Menschen!« schrie der Drache. Seine Flügel machten einen Ruck, und plötzlich hob die Kreatur ab und schwebte hoch. Die Drakonier krächzten und kreischten beunruhigt, einige stürzten in den Wald, andere legten sich flach auf den Boden. »Jetzt!« gellte Tanis. »Lauf, Caramon!«

Der Krieger stürzte auf den Wald zu und rannte dorthin, wo er Goldmond und Flint warten sah. Ein Drakonier tauchte vor ihm auf, aber Caramon stieß ihn beiseite. Hinter sich konnte er einen heftigen Tumult vernehmen. Sturm stieß seinen solamnischen Schlachtruf aus, Drakonier kreischten. Andere griffen Caramon an. Er schwang den blauen Kristallstab im weiten Bogen um sich, so wie er es bei Goldmond gesehen hatte. Er flammte blau auf, und die Drakonier wichen zurück. Caramon erreichte den Wald und fand Raistlin zu Goldmonds Füßen liegen. Er atmete kaum noch. Goldmond riß den Stab aus Caramons Hand und legte ihn auf den Körper des Magiers. Flint sah zu und schüttelte den Kopf. »Es wird nicht gehen«, murmelte der Zwerg. »Er ist verbraucht.«

»Es muß gehen«, sagte Goldmond bestimmt. »Bitte«, flehte sie, »wer auch immer der Meister dieses Stabes ist, heile diesen Mann. Bitte!« Ohne sich dessen bewußt zu sein, wiederholte sie diesen Satz immer wieder. Caramon sah einen Moment zu und blinzelte dann: Der Wald hatte sich von einem gigantischen Flammenausbruch erhellt.

»Im Namen der Hölle!« keuchte Flint. »Sieh dir das an.« Caramon drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um den großen schwarzen Flechtdrachen kopfüber in das lodernde Feuer stürzen zu sehen. Brennende Holzstücke flogen durch die Luft und regneten auf das Lager herab. Die Bambushütten der Drakonier, die noch nicht in Rammen standen, begannen jetzt lichterloh zu brennen. Der Flechtwerkdrache stieß einen letzten entsetzlichen Schrei aus und fing dann selbst Feuer. »Tolpan!« fluchte Flint. »Dieser aufgeblasene Kender - er ist da drin!« Bevor Caramon ihn aufhalten konnte, rannte der Zwerg in das lodernde Drakonierlager.

»Caramon...«, murmelte Raistlin. Der Krieger kniete sich neben seinen Bruder. Raistlin war immer noch blaß, aber seine Augen waren jetzt geöffnet und klar. Er setzte sich auf, noch geschwächt, lehnte sich an seinen Bruder und starrte auf das um sich greifende Feuer. »Was ist los?«

»Ich weiß es nicht genau«, sagte Caramon. »Tolpan hat sich in einen Drachen verwandelt, und seitdem ist alles völlig durcheinander. Du mußt dich ausruhen.« Der Kämpfer starrte mit gezogenem Schwert in den Rauch, bereit, angreifende Drakonier abzuwehren.

Aber die Drakonier zeigten wenig Interesse an den Gefangenen. Viele flohen voller Panik in den Wald, als ihr Gottdrache in Flammen aufging. Einige Priester-Drakonier versuchten vergeblich, Ordnung in das Chaos zu bringen. Sturm kämpfte sich seinen Weg durch Drakonier, ohne auf ernst zu nehmenden Widerstand zu stoßen. Er hatte fast den Rand der Böschung nahe des Bambuskäfigs erreicht, als Flint an ihm vorbeirannte und auf das Lager zulief!

»He! Wo...«, schrie Sturm dem Zwerg hinterher.

»Tolpan... im Drachen!« Der Zwerg hielt nicht an.

Sturm drehte sich um und erblickte den schwarzen Flechtdrachen, der in Flammen stand. Dichter Rauch stieg hoch und legte sich über das Lager. Funken prasselten nieder, als ein Teil des lodernden Drachen im Lager zerbarst. Sturm duckte sich und schüttelte sich, um Funken von seinem Umhang zu entfernen. Dann rannte er dem Zwerg hinterher und holte den kurzbeinigen Flint mühelos ein. »Flint«, keuchte er und packte den Zwerg am Arm. »Es hat keinen Sinn. In diesem Ofen kann nichts leben! Wir müssen zu den anderen zurück!«

»Laß mich los!« Flint brüllte so wild, daß Sturm ihn verwundert losließ. Der Zwerg rannte weiter auf den brennenden Drachen zu. Sturm seufzte tief und rannte ihm nach, seine Augen begannen zu tränen.

»Tolpan Barfuß!« rief Flint. »Du idiotischer Kender! Wo bist du?«

Es kam keine Antwort.

»Tolpan!« kreischte Flint. »Wenn du diese Flucht verhinderst, werde ich dich umbringen. Hilf mir doch...« Tränen der Enttäuschung und vom Rauch liefen über seine Wangen. Die Hitze war unerträglich. Sturm konnte kaum noch atmen, und der Ritter wußte, daß sie hier nicht länger bleiben konnten, ohne selbst umzukommen. Er hielt den Zwerg fest, um ihn bewußtlos zu schlagen, als er plötzlich eine Bewegung wahrnahm. Er rieb seine Augen und sah genauer hin.

Der Drache lag auf dem Boden, der Kopf war noch mit dem lodernden Körper durch einen langen Hals verbunden. Er hatte noch nicht Feuer gefangen, aber die Flammen näherten sich schon dem Hals. Bald würde auch der Kopf lodern. Sturm sah wieder eine Bewegung.

»Flint! Sieh!« Sturm rannte auf den Kopf zu, der Zwerg stampfte hinterher. Zwei kleine Beine in hellblauen Hosen sahen aus dem Drachenmaul heraus und zappelten schwach. »Tolpan!« schrie Sturm. »Komm da raus! Der Kopf wird gleich brennen!«

»Ich kann nicht! Ich hänge fest!« ertönte eine dumpfe Stimme. Sturm starrte auf den Kopf, versuchte hektisch, zu überlegen, wie man den Kender befreien könnte, während Flint Tolpans Beine ergriff und an ihnen zog.

»Aua! Hör auf!« schrie Tolpan.

»Hat keinen Sinn«, schnaufte Flint. »Er hängt fest.« Die Flammen krochen zum Drachenhals hoch.

Sturm zog sein Schwert. »Ich könnte seinen Kopf abschlagen«, murmelte er zu Flint, »es ist seine letzte Chance.« Er schätzte die Größe des Kenders ab, überlegte, wo sein Kopf sein könnte, und hob sein Schwert...

Flint schloß die Augen.

Der Ritter atmete tief durch, ließ die Klinge auf den Drachen niedersausen und trennte den Kopf vom Hals. Aus dem Innern kam ein Schrei von Tolpan, aber Sturm konnte nicht sagen, ob vor Schmerz oder Erstaunen.

»Zieh«, schrie er dem Zwerg zu.

Flint ergriff den Drachenkopf und zog ihn vom Hals weg. Plötzlich tauchte aus dem Rauch ein hoher dunkler Schatten auf. Sturm warf sich herum und sah auf Flußwind.

»Was macht ihr...« Der Barbar starrte auf den Drachenkopf. Womöglich waren Flint und Sturm verrückt geworden.

»Der Kender hängt fest!« schrie Sturm. »Wir können hier nicht den Kopf auseinandernehmen, umzingelt von Drakoniern! Wir müssen...«

Seine Worte verloren sich im Tosen der Flammen, aber schließlich sah auch Flußwind die blauen Beine aus dem Drachenmaul herausragen. Er griff eine Seite des Drachenkopfes, schob seine Hände in eine der Augenhöhlen, Sturm steckte seine Hände in die andere Augenhöhle, und dann hoben sie gemeinsam den Kopf samt Kender hoch und rannten durch das Lager. Die wenigen Drakonier, auf die sie stießen, warfen nur einen Blick auf diese entsetzliche Erscheinung und flohen. »Raistlin«, sagte Caramon besorgt und legte seinen Arm um die Schultern seines Bruders. »Du mußt versuchen aufzustehen. Wir müssen bereit sein, um hier zu verschwinden. Wie fühlst du dich?«

»Wie soll ich mich schon fühlen?« flüsterte Raistlin bitter. »Hilf mir. Gut. Jetzt laß mich einen Moment in Ruhe.« Er lehnte sich zitternd an einen Baum.

»Natürlich, Raist«, sagte Caramon verletzt und wich zurück. Goldmond sah angewidert zu Raistlin hinüber. Sie erinnerte sich an Caramons Trauer, als sein Bruder im Sterben lag. Sie drehte sich um und beobachtete die anderen durch den Rauch. Tanis erschien als erster und wäre fast mit Caramon zusammengestoßen, weil er so schnell gelaufen war. Der Krieger fing ihn in seinen riesigen Armen auf.

»Danke!« keuchte Tanis. Er beugte sich vornüber, die Hände an den Knien, um Luft zu holen. »Wo sind die anderen?« »Waren sie nicht mit dir zusammen?« Caramon runzelte die Stirn.

»Wir haben uns verloren.« Tanis atmete tief ein und fing dann an zu husten, als der Rauch in seine Lungen gelangte. »Su Torakh!« unterbrach Goldmond sie mit ehrfürchtiger Stimme. Tanis und Caramon drehten sich besorgt um und starrten auf das in Rauch gehüllte Lager. Ein grotesker Anblick bot sich plötzlich ihren staunenden Augen. Tanis blinzelte ungläubig, dann hörte er hinter sich einen Laut, der ihn vor Panik fast auf einen Baum springen ließ. Er wirbelte herum, sein Herz in der Kehle, sein Schwert in der Hand.

Raistlin lachte.

Tanis hatte den Magier niemals zuvor lachen gehört - selbst als Raistlin noch ein Kind war -, und er hoffte, er würde es nie wieder hören. Es war ein schauriges, schrilles, spöttisches Lachen. Caramon starrte seinen Bruder erstaunt an, Goldmond entsetzt. Endlich erstarb Raistlins Lachen, bis der Magier nur noch still vor sich hin kicherte, seine goldenen Augen spiegelten sich im Glanz des Feuers wider. Tanis schauderte und wandte sich wieder dem Lager zu. Es stimmte wahrhaftig – Sturm und Fluß wind trugen den Kopf des Drachen zwischen sich. Flint lief mit einem Drakonierhelm vor ihnen. Tanis rannte zu ihnen.

»Was, im Namen von...«

»Der Kender hängt hier fest!« erklärte Sturm. Er und Flußwind ließen den Kopf schweratmend auf den Boden fallen. »Wir müssen ihn rausholen.« Sturm beäugte den lachenden Raistlin argwöhnisch. »Was ist denn in ihn gefahren? Immer noch vergiftet?«

»Nein, es geht ihm besser«, antwortete Tanis und untersuchte den Drachenkopf.

»Eine Schande«, murmelte Sturm, als er sich neben den HalbElf kniete. »Tolpan, alles in Ordnung?« rief Tanis und schob das riesige Maul auseinander.

»Ich glaube, Sturm hat meine Haare abgesäbelt«, plärrte der Kender.

»Sei froh, daß es nicht dein Kopf war!« schimpfte Flint. »Woran hängt er denn fest?« Fluß wind lehnte sich vor, um in das Drachenmaul zu spähen.

»Ich weiß nicht«, sagte Tanis leise fluchend. »Ich kann überhaupt nichts erkennen.« Er erhob sich und seufzte enttäuscht. »Und wir müssen hier verschwinden! Die Drakonier werden sich bald organisiert haben. Caramon, komm her. Sieh mal, ob du den oberen Teil aufreißen kannst.«

Der Krieger stellte sich vor den Drachenkopf. Er griff in beide Augenhöhlen, schloß seine Augen, holte tief Luft, grunzte und begann zu ziehen. Eine Zeitlang passierte nichts. Tanis beobachtete, wie die Armmuskeln des riesigen Mannes anschwollen. Blut schoß ihm ins Gesicht. Dann hörte man das reißende und knackende Geräusch von splitterndem Holz. Der obere Teil des Drachenkopfes fiel mit einem Krachen auseinander. Caramon stolperte nach hinten, den oberen Teil des Kopfes in den Händen haltend.

Tanis griff hinein, faßte Tolpans Hand und zog ihn heraus. »Alles in Ordnung?« fragte er. Der Kender schien etwas wacklig auf den Füßen zu stehen, aber sein Grinsen war so breit wie eh und je.

»Mir geht es gut«, strahlte er. »Nur ein bißchen angesengt.« Dann verdüsterte sich sein Gesicht. »Tanis«, sagte er, sein Gesicht verzog sich zu ungewohnter Besorgtheit. Er fühlte an seinem langen Haarknoten. »Mein Haar?« »Ist alles da«, sagte Tanis lächelnd.

Tolpan atmete erleichtert auf. Dann begann er zu erzählen. »Tanis, es war das Wundervollste – so zu fliegen. Und Caramons Miene...« »Mit der Geschichte mußt du warten«, sagte Tanis streng. »Wir müssen hier schnellstens verschwinden. Caramon? Schaffst du es mit deinem Bruder?«

»Ja«, sagte Caramon.

Raistlin stolperte vorwärts und nahm die Hilfe seines Bruders an. Der Magier blickte auf den gespaltenen Drachenkopf zurück und lachte noch einmal auf, seine Schultern schüttelten sich vor stummer grausiger Belustigung.

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