»Ponys«, rief Tyson glücklich.
Meinem Kopf fiel es schwer, alles zu verarbeiten, was ich sah. Chiron war unter den Zentauren, seine Verwandten aber hatten kaum Ähnlichkeit mit ihm. Es gab Zentauren mit dem Rumpf schwarzer arabischer Hengste, andere mit goldenem Palominofell, wieder andere mit orangefarbenen und weißen Flecken, wie Karussellpferde. Einige trugen knallbunte T-Shirts mit dem Aufdruck PARTYPONYS Ortsgruppe SÜDFLORIDA. Einige waren mit Pfeil und Bogen bewaffnet, manche mit Baseballschlägern, andere mit Paintballpistolen. Einer hatte sein Gesicht wie ein Komantschenkrieger angemalt und schwenkte eine riesige Styroporhand, die eine große Nummer 1 darstellte. Ein anderer war nackt und ganz und gar grün angemalt. Ein Dritter hatte eine riesengroße Brille mit Augäpfeln, die an Sprungfedern herumhüpften, und eine Baseballmütze, auf der an beiden Seiten Halterungen für Getränkedosen angebracht waren.
Sie brachen so wild und bunt über das Deck herein, dass es für einen Moment sogar Luke die Sprache verschlug. Ich wusste nicht, ob sie zum Feiern oder zum Angreifen gekommen waren.
Offenbar zu beidem. Als Luke sein Schwert hob, um seine Truppen zusammenzurufen, gab ein Zentaur einen Pfeil mit einem ledernen Boxhandschuh am Ende ab. Er traf Luke ins Gesicht und ließ ihn in den Swimming-Pool stürzen.
Seine Krieger liefen auseinander. Ich konnte ihnen da keine Vorwürfe machen. Die Hufe eines sich aufbäumenden Pferdes vor sich zu haben ist schlimm genug – aber wenn es sich um einen Zentauren mit einer Limo trinkenden Mütze handelt, ergreift wohl selbst der tapferste Krieger die Flucht.
»Los, schnappt sie euch«, schrie ein Partypony.
Dann feuerten sie ihre Paintballpistolen ab. Eine Welle aus Gelb und Blau explodierte vor Lukes Kämpfern, blendete sie und bespritzte sie von Kopf bis Fuß. Sie versuchten wegzulaufen, aber dabei rutschten sie aus und stürzten.
Chiron galoppierte zu Annabeth und Grover hinüber, hob sie vom Deck hoch und setzte sie sich auf den Rücken.
Ich versuchte aufzustehen, aber mein verwundetes Bein schien in Flammen zu stehen.
Luke zog sich aus dem Pool.
»Angreifen, ihr Idioten!«, befahl er seinen Leuten. Irgendwo unter Deck ging eine riesige Alarmglocke los.
Ich wusste, dass Lukes Verstärkung jede Sekunde über uns hereinbrechen würde. Schon vergaßen seine Leute ihre Überraschung und griffen die Zentauren mit Schwertern und Speeren an.
Tyson stieß ein halbes Dutzend von ihnen beiseite und warf sie über die Achterreling in die Bucht von Miami. Ein Zentaur knallte einem Gegner seinen Baseballschläger auf den Helm und der Typ taumelte benommen rückwärts. Aber jetzt kam Nachschub die Treppe hoch.
»Rückzug, Brüder«, sagte Chiron.
»Damit kommst du nicht durch, Klepper!«, brüllte Luke. Er hob sein Schwert, wurde aber wieder von einem Boxhandschuhpfeil im Gesicht getroffen und sank in einen Liegestuhl.
Ein Palomino-Zentaur lud mich auf seinen Rücken. »Schnapp dir deinen großen Freund, Dussel!«
»Tyson«, schrie ich. »Komm schon!«
Tyson ließ die beiden Krieger fallen, die er gerade miteinander verknotete, und kam hinter uns hergerannt. Er sprang auf den Rücken des Zentauren.
»Dussel«, ächzte der Zentaur und wäre fast unter Tysons Gewicht zusammengebrochen. »Schon mal was von kohlehydratarmer Ernährung gehört?«
Lukes Krieger stellten sich jetzt als Phalanx auf, aber als sie bereit zum Vorrücken waren, waren die Zentauren schon über das Deck galoppiert und sprangen furchtlos über die Reling, als ob sie sich bei einem Hindernisrennen befänden und nicht zehn Stockwerke hoch. Ich war sicher, dass wir das nicht überleben würden. Wir stürzten der Landungsbrücke entgegen, aber die Zentauren trafen ziemlich sanft auf den Asphalt auf, galoppierten davon und schrien und johlten Beschimpfungen zurück in Richtung Prinzessin Andromeda, während wir durch die Straßen von Miami jagten.
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, was die Leute in Miami gedacht haben, als wir vorübergaloppierten. Straßen und Gebäude verschwammen, als die Zentauren ihr Tempo steigerten. Der Raum schien sich zu verdichten – und jeder Schritt schien uns viele Kilometer weiterzutragen. Sehr schnell lag die Stadt hinter uns. Wir sprengten durch sumpfige Wiesen mit hohem Gras und Weihern und Krüppelweiden.
Endlich hielten wir auf einem Parkplatz für LKWs an einem Seeufer. Die LKWs waren allesamt Pferdetransporter und sie waren mit Fernsehern und kleinen Kühlschränken und Moskitonetzen eingerichtet. Wir hatten ein Zentaurenlager erreicht.
»Hey, Dussel«, sagte ein Partypony, während es aus seinem Kostüm stieg. »Hast du diesen Bärenheini gesehen? Huch, da hab ich ja einen Pfeil im Mund!«
Der Zentaur mit der Glotzbrille lachte. »Das war schon klasse. Voller Kopfknall!«
Die beiden Zentauren gingen mit voller Wucht aufeinander los und stießen mit den Köpfen aneinander, dann taumelten sie mit blödsinnigem Grinsen in entgegengesetzten Richtungen davon.
Chiron seufzte. Er setzte Annabeth und Grover neben mir auf einer Picknickdecke ab. »Ich wünschte, meine Vettern würden nicht immer ihre Köpfe gegeneinanderstoßen. Sie haben wirklich nicht genug Gehirn, um auch nur etwas davon entbehren zu können.«
»Chiron«, sagte ich, noch immer wie benommen von der Tatsache, dass wir nun hier waren. »Sie haben uns gerettet.«
Er lächelte. »Na ja, ich konnte euch ja nicht sterben lassen, schon gar nicht, wo ihr meinen guten Ruf wiederhergestellt habt.«
»Aber woher wussten Sie, wo wir waren?«, fragte Annabeth.
»Gute Planung, meine Liebe. Ich habe mir ausgerechnet, dass ihr in der Nähe von Miami angeschwemmt werdet, wenn ihr das Meer der Ungeheuer überlebt. Fast alles, was irgendwie seltsam ist, wird in der Nähe von Miami angeschwemmt.«
»Toll, danke«, murmelte Grover.
»Nein, nein«, sagte Chiron. »Das sollte nicht heißen … ach, egal. Ich freue mich wirklich, dich zu sehen, mein junger Satyr. Es war so, dass ich Percys Iris-Message abhören und die Herkunft des Signals ausfindig machen konnte. Iris und ich sind schon seit Jahrhunderten befreundet. Ich habe sie gebeten, mir alle wichtigen Ferngespräche aus dieser Gegend zu übermitteln. Und dann war es nicht weiter schwer, meine Vettern zu überreden, euch zu Hilfe zu eilen. Wir ihr gesehen habt, können wir Zentauren sehr schnell reisen, wenn wir das wollen. Entfernung ist für uns nicht dasselbe wie für Menschen.«
Ich schaute zum Lagerfeuer hinüber, wo drei Partyponys Tyson die Bedienung einer Paintballpistole erklärten. Ich hoffte, dass sie wussten, worauf sie sich eingelassen hatten.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte ich Chiron. »Lassen wir Luke einfach entkommen? Er hat Kronos auf seinem Schiff … oder jedenfalls Teile von ihm.«
Chiron kniete sich hin und faltete vorsichtig seine Beine unter sich zusammen. Er öffnete den Medizinbeutel an seinem Gürtel und fing an, behutsam meine Wunden zu versorgen. »Ich fürchte, Percy, dass wir heute höchstens eine Art Unentschieden erreicht haben. Wir waren nicht genügend Leute, um das Schiff an uns zu bringen. Und Luke war nicht gut genug organisiert, um uns zu verfolgen. Niemand hat gewonnen.«
»Aber wir haben das Vlies«, sagte Annabeth. »Clarisse ist gerade damit unterwegs ins Camp.«
Chiron nickte, schien aber immer noch besorgt zu sein. »Ihr seid alle echte Helden und Heldinnen. Und sowie wir Percy verarztet haben, müsst ihr nach Half-Blood Hill zurückkehren. Die Zentauren werden euch tragen.«
»Kommen Sie mit?«, fragte ich.
»Aber natürlich, Percy. Es wird eine Erlösung sein, nach Hause zu kommen. Meine Brüder hier wissen Dean Martins Musik einfach nicht zu schätzen. Außerdem muss ich mit Mr D reden. Wir müssen den restlichen Sommer planen. Es steht noch so viel Training aus. Und ich möchte auch … Ich bin neugierig auf das Vlies.«
Ich wusste nicht genau, was er meinte, aber ich machte mir Sorgen, weil Luke gesagt hatte: Ich wollte dir das Vlies überlassen … wenn ich es nicht mehr brauche.
Hatte er einfach gelogen? Ich wusste schon, dass es bei Kronos meistens hinter jedem Plan noch einen anderen Plan gab. Der Titanenherr wurde nicht umsonst der Listenreiche genannt. Er brachte die Leute immer dazu, ihm zu Willen zu sein, ohne seine wahren Absichten auch nur zu ahnen.
Hinten beim Lagerfeuer wütete Tyson jetzt mit der Paintballpistole. Ein blaues Geschoss zerplatzte auf einem Zentauren und schleuderte ihn rückwärts in den See. Der Zentaur tauchte grinsend wieder auf, bedeckt mit Schlamm und blauer Farbe, und hob anerkennend beide Daumen.
»Annabeth«, sagte Chiron. »Du und Grover, könntet ihr vielleicht dafür sorgen, dass Tyson und meine Vettern sich nicht … äh, gegenseitig zu viele schlechte Gewohnheiten beibringen?«
Annabeth schaute ihm ins Gesicht. Auf irgendeine Weise verständigten die beiden sich dabei.
»Klar doch, Chiron«, sagte Annabeth. »Komm schon, Ziegenknabe.«
»Aber ich finde Paintball doof.«
»Tust du nicht.« Sie zog Grover auf die Hufe und führte ihn zum Lagerfeuer.
Chiron verband mein Bein. »Percy, auf dem Weg hierher habe ich mit Annabeth gesprochen. Über die Weissagung.«
Oh, oh, dachte ich.
»Es war nicht ihre Schuld«, sagte ich. »Ich habe sie gezwungen, es mir zu erzählen.«
Seine Augen flackerten gereizt. Ich war sicher, dass er mich jetzt zusammenstauchen würde, aber dann sah er plötzlich besorgt aus. »Ich nehme an, ich konnte es nicht in alle Ewigkeit geheim halten.«
»Dann bin also ich mit der Weissagung gemeint?«
Chiron steckte das restliche Verbandmaterial wieder in seine Gürteltasche. »Wenn ich das wüsste, Percy. Du bist noch keine sechzehn. Wir können dich nur so gut wie möglich ausbilden … und die Zukunft den Moiren überlassen.«
Die Moiren. An diese alten Damen hatte ich schon lange nicht mehr gedacht, aber als Chiron sie nun erwähnte, ging mir ein Licht auf.
»Das hat es also bedeutet«, sagte ich.
Chiron runzelte die Stirn. »Was hat was bedeutet?«
»Vorigen Sommer. Das Omen der Moiren, als ich gesehen habe, wie sie irgendeinen Lebensfaden durchtrennt haben. Ich dachte, das bedeutete, dass ich sofort sterben müsste, aber es ist noch schlimmer. Es hängt mit der Weissagung zusammen. Der Tod, den sie vorhergesagt haben – der wird eintreffen, wenn ich sechzehn bin.«
Chirons Schwanz peitschte nervös im Gras. »Mein Junge, das kannst du nicht mit Sicherheit sagen. Wir wissen nicht einmal, ob die Weissagung von dir handelt.«
»Aber es gibt kein anderes lebendes Halbblutkind der Großen Drei.«
»Soviel wir wissen.«
»Und Kronos kehrt zurück. Er wird den Olymp zerstören.«
»Das wird er versuchen«, stimmte Chiron zu. »Und damit auch die abendländische Zivilisation, wenn wir ihn nicht daran hindern können. Aber wir werden ihn daran hindern. Und in diesem Kampf wirst du nicht allein sein.«
Ich wusste, dass er mich in bessere Stimmung bringen wollte, aber ich musste daran denken, was Annabeth mir erzählt hatte. Alles würde auf einen einzigen Helden ankommen. Auf eine Entscheidung, die das Abendland retten oder zerstören könnte. Und ich war sicher, dass die Moiren mich auf irgendeine Weise gewarnt hatten. Etwas Entsetzliches würde passieren … entweder mir oder jemandem, der mir nahestand.
»Ich bin doch noch ein Junge, Chiron«, sagte ich unglücklich. »Was kann denn ein lausiger Heros gegen etwas wie Kronos ausrichten?«
Chiron brachte ein Lächeln zu Stande. »Was kann ein lausiger Heros … Etwas Ähnliches hat Joshua Lawrence Chamberlain einmal zu mir gesagt, ehe er eigenhändig den Verlauf eures Bürgerkrieges verändert hat.«
Er zog einen Pfeil aus seinem Köcher und drehte ihn so, dass die rasierklingenscharfe Spitze im Licht des Feuers funkelte. »Himmlische Bronze, Percy. Eine unsterbliche Waffe. Was würde passieren, wenn sie einen Menschen träfe?«
»Nichts«, sagte ich. »Sie würde einfach durch ihn durchgehen.«
»Genau«, sagte er. »Menschen existieren nicht auf derselben Ebene wie Unsterbliche. Sie können von unseren Waffen nicht einmal verletzt werden. Aber du, Percy – du bist halb Gott, halb Mensch. Du lebst in beiden Welten. Du kannst von beiden verletzt werden und du kannst beide beeinflussen. Und das ist das ganz Besondere an euch Heroen. Ihr tragt die Hoffnungen der Menschheit ins Reich des Ewigen. Ungeheuer sterben nicht. Sie werden wiedergeboren, aus dem Chaos und dem Barbarentum, die unter der Zivilisation immer weiter brodeln – also aus dem, was Kronos stärker werden lässt. Sie müssen immer wieder besiegt und in Schach gehalten werden. Heroen verkörpern diesen Kampf. In jeder Generation fechtet ihr die Schlachten aus, die die Menschheit gewinnen muss, wenn sie menschlich bleiben will. Verstehst du?«
»Ich … ich weiß nicht.«
»Du musst es versuchen, Percy. Denn ob du nun das Kind aus der Weissagung bist oder nicht – Kronos glaubt, du wärst es. Und nach allem, was heute passiert ist, wird er endgültig die Hoffnung aufgegeben haben, dich auf seine Seite zu bringen. Das war der einzige Grund, warum er dich noch nicht umgebracht hast. Sobald er sicher ist, dass er dich nicht benutzen kann, wird er dich vernichten.«
»Sie hören sich an, als ob Sie ihn kennen.«
Chiron schürzte die Lippen. »Ich kenne ihn ja auch.«
Ich starrte ihn an. Manchmal vergaß ich, wie alt Chiron war. »Hat Mr D Ihnen deshalb die Schuld gegeben, als der Baum vergiftet worden ist? Haben Sie deshalb gesagt, dass manche Leute Ihnen misstrauen?«
»Genau.«
»Aber, Chiron. Ich meine – also wirklich. Warum sollte jemand auf die Idee kommen, dass Sie das Camp jemals an Kronos verraten könnten?«
Chirons Augen waren von sehr tiefem Braun und erfüllt von der Traurigkeit von Jahrtausenden. »Percy, denk an deinen Unterricht. Denk an deine mythologischen Studien. Was ist meine Verbindung zum Titanenherrn?«
Ich versuchte mich zu erinnern, aber ich hatte die Mythologie immer schon durcheinandergeworfen. Sogar jetzt, wo sie so wirklich war, so wichtig für mein Leben, konnte ich mir nur mit Mühe alle Namen und Tatsachen klar vor Augen rufen. Ich schüttelte den Kopf. »Sie, äh, sind Kronos einen Gefallen schuldig? Er hat Ihnen das Leben geschenkt?«
»Percy«, sagte Chiron mit unvorstellbar sanfter Stimme. »Der Titan Kronos ist mein Vater.«
Das Wagenrennen endet mit einem Knall
Wir trafen nur eine Stunde nach Clarisse in Long Island ein und das hatten wir der Geschwindigkeit der Zentauren zu verdanken. Ich saß auf Chirons Rücken, aber wir sprachen nicht viel – schon gar nicht über Kronos. Ich wusste, dass es Chiron schwergefallen war, mir das alles zu erzählen. Ich wollte ihn nicht mit weiteren Fragen bedrängen. Ich meine … mir waren schon viele peinliche Eltern über den Weg gelaufen, aber Kronos, der tückische Titanenherr, der die abendländische Zivilisation zerstören wollte? Das war wirklich nicht die Sorte Dad, die man zum Schulfest mitbringt.
Als wir das Camp erreichten, wollten die Zentauren unbedingt Dionysos kennenlernen. Sie hatten gehört, dass er ziemlich heftige Partys schmiss, aber sie wurden enttäuscht. Der Gott des Weines war nicht in Feierstimmung, als das gesamte Camp sich oben auf dem Half-Blood Hill versammelte.
Das Camp hatte zwei harte Wochen hinter sich. Die Kunstgewerbehütte war nach einem Angriff des Draco Aionius (ich glaube, das ist Latein und bedeutet »wirklich große Eidechse mit einem Atem, der Dinge in die Luft fliegen lässt«) abgebrannt. Die Räume des Hauptgebäudes waren gerammelt voll mit Verwundeten und die Apollo-Hütte, in der die besten Heilkundigen wohnten, musste für die Versorgung Überstunden einlegen. Alle sahen müde und zerschlagen aus, als wir uns um Thalias Baum versammelten.
In dem Moment, als Clarisse das Goldene Vlies über den untersten Ast hängte, schien das Mondlicht heller zu werden und sich von Grau in flüssiges Silber zu verwandeln. Eine kühle Brise bewegte die Zweige und das Gras bis hinunter ins Tal. Alles war klarer zu sehen und zu spüren – das Glühen der Leuchtkäfer unten im Wald, der Duft der Erdbeerfelder, das Rauschen der Wellen am Strand.
Langsam verfärbten sich die Fichtennadeln von Braun zu Grün.
Alle jubelten. Es ging langsam vor sich, aber es konnte keinen Zweifel geben – die Zauberkraft des Vlieses sickerte in den Baum, erfüllte ihn mit neuer Kraft und trieb das Gift heraus.
Chiron stellte rund um die Uhr Wachen auf dem Hügel auf, jedenfalls so lange, bis er ein passendes Ungeheuer als Schutz für das Vlies gefunden haben würde. Er wollte sofort im »Olympus Weekly« eine Annonce aufgeben.
Clarisse wurde auf den Schultern ihrer Mitbewohner zum Amphitheater hinuntergetragen und mit einem Lorbeerkranz und einer großen Feier am Lagerfeuer geehrt.
Niemand hatte Augen für mich oder Annabeth. Es war, als ob wir das Camp nie verlassen hätten. Irgendwie war das wohl der beste Dank, den irgendwer uns erweisen konnte, denn wenn sie zugegeben hätten, dass wir uns aus dem Camp geschlichen hatten, um auf große Fahrt zu gehen, dann hätten sie uns rauswerfen müssen. Und ich wollte auch keine Aufmerksamkeit. Es tat gut, zur Abwechslung einmal ein ganz normaler Campbewohner zu sein.
Später an diesem Abend, als wir Marshmallows mit Schokolade rösteten und die Steel-Brüder uns eine Gespenstergeschichte über einen bösen König erzählten, der bei lebendigem Leib von dämonischen Frühstückspasteten verschlungen wurde, stieß Clarisse mich von hinten an und flüsterte mir ins Ohr: »Dass du dich einmal cool verhalten hast, Jackson, heißt noch lange nicht, dass du bei Ares jetzt wieder gute Karten hast. Ich warte noch immer auf die passende Gelegenheit, dich zu Staub zu zermahlen.«
Ich lächelte sie widerwillig an.
»Was?«, fragte sie.
»Nichts«, sagte ich. »Ist nur schön, wieder zu Hause zu sein.«
Am nächsten Morgen, nachdem die Partyponys sich auf den Rückweg nach Florida gemacht hatten, überraschte uns Chiron mit der Ankündigung, die Wagenrennen würden wie geplant stattfinden. Wir hatten alle gedacht, sie seien gestrichen worden, jetzt, wo Tantalus nicht mehr da war, aber es kam uns dann doch richtig vor, sie durchzuführen, vor allem, weil Chiron wieder bei uns und das Camp in Sicherheit war.
Tyson war nach unserer ersten Erfahrung nicht gerade scharf darauf, wieder auf einen Wagen zu steigen, deshalb ließ er mich nur zu gern mit Annabeth ein Team bilden. Ich sollte fahren und Annabeth verteidigen. Tyson würde unsere Boxenmannschaft sein. Während ich mich mit den Pferden beschäftigte, reparierte Tyson Athenes Wagen und fügte allerlei Neuerungen hinzu.
Dann trainierten wir zwei Tage lang wie bescheuert.
Annabeth und ich kamen überein, dass der Preis – keine Camparbeiten für den restlichen Monat – zwischen beiden Hütten geteilt werden sollte, wenn wir siegten. Da Athenes Hütte mehr Bewohner hatte, würden sie mehr Freizeit bekommen, was mir aber nichts ausmachte. Der Preis war mir egal. Ich wollte einfach nur gewinnen.
Am Abend vor dem Rennen blieb ich lange im Stall. Ich redete gerade mit unseren Pferden und striegelte sie ein letztes Mal, als hinter mir eine Stimme sagte: »Feine Tiere, Pferde. Ich wünschte, ich wäre auf die Idee gekommen.«
Ein Mann mittleren Alters in Postbotenuniform lehnte an der Stalltür. Er war schlank und hatte schwarze Locken unter seinem Tropenhelm und eine Posttasche über der Schulter.
»Hermes?«, fragte ich unsicher.
»Hallo, Percy. Hast du mich ohne meine Joggingkleidung nicht erkannt?«
»Äh …« Ich wusste nicht, ob ich jetzt niederknien oder bei ihm Briefmarken kaufen sollte oder was auch immer. Dann ging mir auf, warum er wohl gekommen war. »Ach … hören Sie, Herr Hermes, was Luke angeht …«
Der Gott hob seine Augenbrauen.
»Na ja, getroffen haben wir ihn schon«, sagte ich. »Aber …«
»Ihr habt ihn nicht zur Vernunft bringen können?«
»Also … wir haben mehr oder weniger versucht, uns bei einem Duell gegenseitig umzubringen.«
»Ich verstehe. Du hast es mit Diplomatie versucht.«
»Es tut mir wirklich leid. Ich meine … Sie haben uns diese großartigen Geschenke gemacht und überhaupt. Und ich weiß ja, wie sehr Sie sich wünschen, dass Luke zurückkommt. Aber … er ist wirklich zu jemand Bösem geworden. Sehr Bösem. Er sagt, er hat das Gefühl, dass Sie ihn im Stich gelassen haben.«
Ich wartete darauf, dass Hermes jetzt wütend wurde. Ich stellte mir vor, dass er mich in einen Hamster oder so etwas verwandeln würde, und ich hatte keinen Bock auf noch eine Runde als Nagetier.
Aber er seufzte nur. »Hast du je das Gefühl, dass dein Vater dich im Stich gelassen hat, Percy?«
Oh, Mann.
Ich hätte gern gesagt: höchstens ein paar hundert Mal am Tag. Ich hatte seit dem vergangenen Sommer nicht mehr mit Poseidon gesprochen. Ich hatte nie auch nur seinen Unterwasser-Palast besucht und dann war da diese ganze Sache mit Tyson … keine Vorwarnung, keine Erklärung. Nur bumm, du hast einen Bruder. Man sollte doch denken, dass hier ein kleiner Anruf oder so was angesagt gewesen wäre.
Je mehr ich darüber nachdachte, umso wütender wurde ich. Mir wurde klar, dass ich Anerkennung für die Aufgabe wollte, die ich bewältigt hatte. Aber nicht von den anderen Campbewohnern. Mein Dad sollte etwas sagen. Mich bemerken.
Hermes rückte seine Posttasche zurecht. »Percy, das Härteste am Gottsein ist, dass man oft indirekt handeln muss, vor allem, wenn es um die eigenen Kinder geht. Wenn wir immer eingreifen würden, wenn unsere Kinder ein Problem haben … also, das würde nur zu neuen Problemen und neuer Verärgerung führen. Aber ich glaube, wenn du ein wenig darüber nachdenkst, dann wirst du erkennen, dass Poseidon dich sehr wohl bemerkt hat. Er hat deine Gebete erhört. Ich kann nur hoffen, dass Luke eines Tages erkennt, dass es bei mir genauso ist. Und ob du nun das Gefühl hast, versagt zu haben, oder nicht, du hast immerhin Luke daran erinnert, wer er ist. Du hast mit ihm gesprochen.«
»Ich habe versucht, ihn umzubringen.«
Hermes zuckte mit den Schultern. »Familien sind chaotisch. Unsterbliche Familien sind auf ewig chaotisch. Manchmal können wir nicht mehr tun, als uns gegenseitig daran zu erinnern, dass wir miteinander verwandt sind, so oder so … und zu versuchen, Morde und Verstümmelungen auf ein Minimum zu reduzieren.«
Das hörte sich nicht gerade an wie ein Rezept für perfekte Familienharmonie. Aber als ich wieder über meinen Auftrag nachdachte, ging mir auf, dass Hermes durchaus Recht haben könnte. Poseidon hatte uns die Hippocampi zu Hilfe geschickt. Er hatte mir eine Macht über das Meer gegeben, von der ich bisher nichts geahnt hatte. Und selbst Tyson … hatte Poseidon uns ganz bewusst zusammengeführt? Wie oft hatte Tyson mir in diesem Sommer das Leben gerettet?
In der Ferne erscholl das Muschelhorn, das Zeichen für die Sperrstunde.
»Du solltest schlafen gehen«, sagte Hermes. »Ich habe dir in diesem Sommer schon genug Ärger beschert. Ich wollte eigentlich nur diese Sendung überbringen.«
»Eine Sendung?«
»Ich bin doch der Götterbote, Percy.« Er zog einen Scanner aus seiner Posttasche und hielt ihn mir hin. »Hier unterschreiben, bitte.«
Ich griff zum Stift, doch dann sah ich, dass zwei winzige grüne Schlangen sich darumgewickelt hatten. »Ah!«
Ich ließ den Scanner fallen.
Au, sagte George.
Wirklich, Percy, tadelte Martha. Würdest du gern in einem Pferdestall auf den Boden fallen gelassen werden?
»Oh … ’tschuldigung.« Ich hob den Scanner auf.
Ich wollte die Schlangen nicht anfassen, aber ich griff noch einmal zum Stift. Martha und George zappelten unter meinen Fingern und bildeten eine Art Bleistiftgriff, wie ich ihn in der zweiten Klasse auf der Sonderschule gehabt hatte.
Hast du mir eine Ratte mitgebracht?, fragte George.
»Nein«, sagte ich. »Äh, wir haben keine gefunden.«
Und auch kein Meerschweinchen?
George!, schimpfte Martha. Mach dich nicht über den Knaben lustig!
Ich bestätigte den Empfang der Sendung und gab Hermes den Scanner zurück.
Im Gegenzug reichte er mir einen meergrünen Briefumschlag.
Meine Finger zitterten. Noch ehe ich ihn öffnete, wusste ich, dass er von meinem Vater stammte. Ich konnte seine Macht in dem kühlen grünen Papier spüren, so als wäre der Umschlag aus einer Ozeanwelle gefaltet worden.
»Viel Glück morgen«, sagte Hermes. »Gutes Gespann hast du hier, aber wenn du verzeihst, dann werde ich zur Hermes-Hütte halten.«
Und sei nicht zu enttäuscht, wenn du das gelesen hast, Lieber, sagte Martha zu mir. Er will wirklich nur dein Bestes.
»Wie meinst du das?«, fragte ich.
Beachte sie nicht, sagte George. Und denk nächstes Mal dran, die Schlangen arbeiten für Trinkgeld.
»Das reicht, ihr beiden«, sagte Hermes. »Auf Wiedersehen, Percy … man sieht sich.«
Kleine weiße Flügel sprossen aus seinem Helm. Er fing an zu glühen und ich wusste genug über Götter, um meine Augen abzuwenden, ehe er seine wahre göttliche Gestalt zeigte. Mit einem strahlenden weißen Aufleuchten war er verschwunden und ich war mit den Pferden allein.
Ich starrte den grünen Umschlag in meinen Händen an. Er war in einer kräftigen, aber eleganten Handschrift beschrieben, die ich schon einmal gesehen hatte, auf einem Paket, das Poseidon mir im vergangenen Sommer geschickt hatte.
Percy Jackson
c/o Camp Half-Blood
Farm Road 3.141
Long Island, New York 11954
Ein echter Brief von meinem Vater. Vielleicht wollte er mir sagen, dass ich bei der Suche nach dem Vlies gute Arbeit geleistet hatte. Er würde die Sache mit Tyson erklären und um Entschuldigung bitten, weil er nicht früher mit mir gesprochen hatte. Es gab so viel, was ich in diesem Brief zu lesen wünschte.
Ich öffnete den Umschlag und faltete den Bogen auseinander.
Zwei schlichte Wörter waren mitten auf die Seite gesetzt:
SEI GEFASST.
Am nächsten Morgen redeten alle über das Wagenrennen, schauten aber auch immer wieder nervös gen Himmel, als ob sie einen Schwarm von Stymphalischen Vögeln fürchteten. Aber die ließen sich nicht sehen. Es war ein wunderschöner sonniger Sommertag mit blauem Himmel. Das Camp sah jetzt wieder so aus, wie es aussehen sollte – die Wiesen waren von üppigem Grün, die weißen Säulen der griechischen Gebäude leuchteten, Dryaden spielten glücklich im Wald.
Und ich fühlte mich elend. Ich hatte die ganze Nacht wach gelegen und mir über Poseidons Brief den Kopf zerbrochen.
Sei gefasst.
Ich meine … da macht er sich die Mühe, mir einen Brief zu schicken, und dann schreibt er nur zwei Wörter?
Martha, die Schlange, hatte gesagt, ich dürfte nicht enttäuscht sein.
Vielleicht hatte Poseidon gute Gründe dafür, sich so vage auszudrücken. Vielleicht wusste er nicht genau, wovor er mich warnte, aber er spürte, dass etwas passieren würde – etwas, das mich einfach umwerfen könnte, wenn ich nicht darauf vorbereitet wäre.
Es war schwer, aber ich versuchte mich auf das Rennen zu konzentrieren.
Als Annabeth und ich auf die Rennstrecke fuhren, musste ich Tyson einfach dafür bewundern, was er aus dem Athene-Wagen gemacht hatte. Der Wagen funkelte in seinem Bronzeschutz. Die Räder waren mit magischer Federung versehen worden, deshalb glitten wir fast unmerklich dahin. Die Pferde waren so perfekt angeschirrt, dass das Gespann sich bei der leisesten Bewegung der Zügel bewegte.
Tyson hatte außerdem zwei Wurfspeere geschmiedet, jeden mit drei Knöpfen am Schaft. Der erste Knopf ließ den Speer explodieren und setzte einen Draht frei, der sich um die Räder des Gegners wickeln und sie zerfetzen würde. Der zweite Knopf ließ einen stumpfen (aber immer noch sehr schmerzhaften) Speerkopf aus Bronze ausfahren, der den Fahrer vom Wagen werfen sollte. Der dritte Knopf brachte einen Haken zum Vorschein, der einen gegnerischen Wagen festhalten oder wegstoßen konnte.
Ich hatte das Gefühl, dass wir ziemlich gut im Rennen lagen, aber Tyson mahnte mich trotzdem zur Vorsicht. Auch die anderen Wagenlenker hatten jede Menge Tricks im Ärmel.
»Hier«, sagte Tyson unmittelbar vor Rennbeginn.
Er reichte mir eine Armbanduhr. Sie war nichts Besonderes, sie hatte ein weiß-silbernes Zifferblatt und ein schwarzes Lederband – doch sowie ich sie erblickte, wurde mir klar, dass Tyson seit Anfang des Sommers daran herumgebastelt hatte.
Ich trage normalerweise keine Uhr. Wen interessiert es schon, wie spät es ist? Aber das konnte ich Tyson nicht sagen.
»Danke, Mann.« Ich band die Uhr um und fand sie überraschend leicht und bequem. Ich merkte kaum, dass ich sie trug.
»Nicht rechtzeitig vor der Reise fertig geworden«, murmelte Tyson. »Tut mir wirklich sehr, sehr leid.«
»Ach, Mann. Ist doch nicht so wichtig.«
»Wenn du beim Rennen Schutz brauchst«, riet er, »dann drück auf den Knopf.«
»Ja … okay.« Ich begriff zwar nicht, wieso es helfen sollte, die Zeit zu stoppen, aber ich fand es rührend, dass Tyson so besorgt war. Ich versprach ihm, daran zu denken. »Und äh, hm, Tyson …«
Er sah mich an.
»Ich wollte nur sagen … na ja …« Ich wollte ihn um Entschuldigung dafür bitten, dass ich ihn vor der Reise verleugnet hatte, dass ich allen gesagt hatte, er sei nicht mein richtiger Bruder. Es war nicht leicht, die richtigen Worte zu finden.
»Ich weiß, was du sagen willst«, erwiderte Tyson und sah beschämt aus. »Ich bin Poseidon trotz allem wichtig.«
»Äh, na ja …«
»Er hat dich geschickt, um mir zu helfen. Genau das, worum ich gebeten hatte.«
Ich kniff die Augen zusammen. »Du hast Poseidon um … mich gebeten?«
»Um einen Freund«, sagte Tyson und fingerte an seinem Hemd herum. »Junge Zyklopen wachsen allein auf der Straße auf. Lernen, aus Schrott irgendwas Brauchbares zu machen. Lernen zu überleben.«
»Aber das ist doch grausam!«
Er schüttelte ernst den Kopf. »Sorgt dafür, dass wir uns über alles Gute freuen … und nicht gierig und fett und gemein werden wie Polyphem. Aber ich hatte Angst. Die Ungeheuer haben mich so gejagt, haben mich zerkratzt …«
»Die Narben auf deinem Rücken?«
Ihm traten Tränen in die Augen. »Sphinx auf der 72. Straße … ganz groß und fies. Ich hab zu Daddy um Hilfe gebetet. Und dann haben mich die Leute vom Meriwether gefunden. Und ich hab dich kennengelernt. Das Beste, was mir je passiert ist. Tut mir leid, dass ich gesagt habe, Poseidon sei gemein. Er hat mir einen Bruder geschickt.«
Ich starrte die Uhr an, die Tyson für mich gemacht hatte.
»Percy!«, rief Annabeth. »Komm schon!«
Chiron stand an der Startlinie und würde gleich ins Muschelhorn stoßen.
»Tyson«, sagte ich.
»Geh jetzt«, sagte Tyson. »Ihr werdet gewinnen.«
»Ich … alles klar, okay, Großer. Wir werden für dich gewinnen.« Ich stieg auf den Wagen und machte mich bereit und schon gab Chiron das Startsignal.
Die Pferde wussten, was sie zu tun hatten. Wir jagten so schnell über die Rennstrecke, dass ich aus dem Wagen gefallen wäre, wenn ich mir nicht die Lederzügel um die Arme gewickelt hätte. Annabeth klammerte sich am Wagenrand fest. Die Räder glitten wunderbar dahin. Wir gingen eine volle Wagenlänge vor Clarisse in die Kurve, denn sie war damit beschäftigt, einen Wurfspeerangriff der Gebrüder Steel im Hermes-Wagen abzuwehren.
»Wir haben sie!«, schrie ich, aber da hatte ich mich zu früh gefreut.
»Endspurt«, schrie Annabeth. Sie warf den ersten Wurfspeer über Bord und befreite uns dadurch von einem mit Blei beschwerten Netz, das uns nun nicht mehr einwickeln konnte. Der Apollo-Wagen hatte uns fast eingeholt. Ehe Annabeth sich wieder bewaffnen konnte, warf der Apollo-Kämpfer einen Speer auf unser rechtes Rad. Der Speer zerbrach, konnte aber einige von unseren Speichen zerschmettern. Unser Wagen schlingerte und wackelte. Ich war sicher, dass das Rad abbrechen würde, aber irgendwie rasten wir weiter.
Ich drängte die Pferde, das Tempo zu halten. Wir lagen jetzt Kopf an Kopf mit Apollo und dicht hinter uns holte Hephaistos auf. Ares und Hermes fielen zurück, sie fuhren Seite an Seite weiter, während Clarisse und Connor Steel mit Wurfspeeren kämpften.
Wenn unser Rad noch einmal getroffen wurde, würden wir umkippen.
»Ich hab euch«, schrie der Apollo-Kämpfer. Er war das erste Jahr im Camp. Ich konnte mich an seinen Namen nicht erinnern, aber an seinem Selbstvertrauen gab es nichts auszusetzen.
»Ja, genau«, schrie Annabeth zurück.
Sie griff zu ihrem zweiten Wurfspeer – ein echtes Risiko, denn vor uns lag ja noch eine Runde – und warf ihn nach dem Apollo-Fahrer.
Sie hatte perfekt gezielt. Der Speer fuhr eine schwere Spitze aus, als er den Fahrer an der Brust traf, warf ihn gegen seinen Kollegen und ließ beide mit einer Rolle rückwärts aus dem Wagen fallen. Die Pferde spürten, dass die Zügel locker hingen, sie gingen durch und hielten direkt auf das Publikum zu. Die Campbewohner gingen in Deckung, als die Pferde die Tribünen erreichten und der goldene Wagen umkippte. Die Pferde galoppierten weiter zu ihrem Stall und schleppten dabei den umgekippten Wagen hinter sich her.
Es gelang mir, unseren Wagen auf Kurs zu halten, obwohl das rechte Rad laut stöhnte. Wir passierten die Startlinie und donnerten in die letzte Runde.
Die Achse ächzte und quietschte. Das wackelnde Rad machte uns langsamer, obwohl die Pferde jedem meiner Befehle gehorchten und liefen wie eine gut geölte Maschine.
Das Hephaistos-Team holte noch immer auf.
Beckendorf grinste, als er auf einen Knopf in seinem Armaturenbrett drückte. Stahlkabel schossen vorn aus seinen mechanischen Pferden und wickelten sich um unser Heck. Unser Wagen schlingerte, als Beckendorfs Zugsystem loslegte – es riss uns rückwärts und zog Beckendorf vorwärts.
Annabeth fluchte und griff nach ihrem Messer. Sie hackte auf die Kabel ein, aber die waren zu dick.
»Kann ich nicht kappen«, schrie sie.
Der Hephaistos-Wagen war jetzt gefährlich nahe gekommen, seine Pferde konnten uns jeden Moment in Grund und Boden trampeln.
»Tausch mit mir«, sagte ich zu Annabeth. »Nimm die Zügel!«
»Aber ich …«
»Mach schon!«
Sie zog sich nach vorn und packte die Zügel. Ich wandte mich um, gab mir alle Mühe, auf den Beinen zu bleiben, und drehte die Kappe von Springflut.
Ich schlug zu und die Kabel rissen wie Bindfäden. Wir schossen vorwärts, aber Beckendorfs Fahrer ließ seinen Wagen einfach nach links schwenken und lag plötzlich neben uns. Beckendorf zog sein Schwert. Er schlug nach Annabeth, ich wehrte seinen Schlag ab.
Wir näherten uns der letzten Kurve. Wir würden es nicht mehr schaffen. Ich hätte den Hephaistos-Wagen unschädlich machen und aus dem Weg räumen müssen, aber ich musste auch Annabeth beschützen. Dass Beckendorf ein netter Typ war, hieß nicht, dass er uns nicht in die Krankenstation schicken würde, wenn wir nicht aufpassten.
Wir lagen jetzt Kopf an Kopf. Clarisse holte ebenfalls auf und machte verlorene Zeit gut.
»Bis dann, Percy«, rief Beckendorf. »Hier ist ein kleines Abschiedsgeschenk!«
Er warf einen Lederbeutel in unseren Wagen. Der Beutel klebte sofort am Boden fest und ließ grünen Rauch aufsteigen.
»Griechisches Feuer!«, schrie Annabeth.
Ich fluchte. Ich hatte schlimme Geschichten über griechisches Feuer gehört. Ich rechnete mir aus, dass uns vielleicht noch zehn Sekunden bis zur Explosion blieben.
»Weg damit«, schrie Annabeth, aber ich wusste nicht, wie. Der Hephaistos-Wagen blieb neben uns und wartete bis zur letzten Sekunde, um sichergehen zu können, dass das kleine Geschenk auch wirklich in die Luft ging. Beckendorf hielt mich mit seinem Schwert in Atem. Wenn ich meins zu lange am Boden ließ, um mich mit dem griechischen Feuer zu beschäftigen, würde er Annabeth in Scheiben schneiden und wir würden in Stücke gerissen.
Ich versuchte, den Lederbeutel mit dem Fuß wegzutreten, aber das ging nicht. Er klebte ja fest.
Dann fiel mir die Uhr ein.
Ich wusste nicht, wieso das helfen sollte, aber ich drückte auf den Stoppknopf. Sofort veränderte die Uhr sich. Sie dehnte sich aus, der Metallrand zog sich auseinander wie eine altmodische Kamera, ein Lederriemen wand sich um meinen Unterarm, und dann hielt ich einen runden Kriegsschild von über einem Meter Durchmesser in der Hand. Innen bestand er aus weichem Leder, außen aus polierter Bronze mit eingravierten Mustern, die ich mir in der Eile nicht genauer ansehen konnte.
Ich wusste nur: Tyson hatte es geschafft. Ich hob den Schild und Beckendorfs Schwert knallte dagegen. Die Klinge zerbrach.
»Was?«, schrie er. »Wie …«
Er konnte nicht mehr sagen, denn ich stieß ihm meinen neuen Schild vor die Brust und er fiel vom Wagen und in den Dreck.
Ich wollte schon mit Springflut auf den Fahrer einschlagen, als Annabeth rief: »Percy!«
Das griechische Feuer sprühte Funken. Ich schob die Schwertspitze unter den Lederbeutel und wuppte ihn damit hoch. Die Bombe beschrieb einen Bogen und landete zu Füßen des Fahrers im Hephaistos-Wagen. Der Fahrer schrie auf.
In dem Bruchteil einer Sekunde, der ihm blieb, traf er die richtige Entscheidung. Er ließ sich aus dem Wagen fallen und der jagte davon und zerbarst in grüne Flammen. Die Metallpferde schienen einen Kurzschluss zu haben. Sie wendeten und zerrten das brennende Wrack auf Clarisse und die Gebrüder Steel zu, die in großem Bogen ausweichen mussten.
Annabeth zog vor der letzten Kurve die Zügel an. Ich klammerte mich fest und war sicher, dass wir umkippen würden, aber irgendwie schaffte sie es und trieb die Pferde über die Ziellinie. Die Menge brüllte vor Begeisterung.
Als der Wagen zum Halten gekommen war, stürzten unsere Freunde zu uns. Sie fingen an, unsere Namen zu singen, aber Annabeth brüllte durch den ganzen Lärm: »Stopp! Hört doch zu. Wir waren das nicht allein!«
Die Menge johlte weiter, aber Annabeth verschaffte sich Gehör: »Wir hätten das nicht ohne Hilfe geschafft. Dann hätten wir dieses Rennen nicht gewonnen und das Vlies nicht geholt und Grover nicht gerettet. Wir verdanken unser Leben Tyson, Percys …«
»Bruder«, sagte ich laut genug, damit alle es hören konnten. »Meinem kleinen Bruder Tyson.«
Tyson lief rot an. Die Menge jubelte. Annabeth pflanzte mir einen Kuss auf die Wange. Das Gebrüll wurde noch lauter. Die Leute aus der Athene-Hütte hoben mich und Annabeth und Tyson auf die Schultern und trugen uns zum Siegertreppchen, wo Chiron schon mit den Lorbeerkränzen wartete.
Das Vlies ist viel zu magisch
Dieser Nachmittag war einer der glücklichsten, die ich bisher im Camp verbracht hatte, und vielleicht zeigt gerade das, dass wir nie wissen können, wann unsere Welt in Stücke gesprengt werden wird.
Grover verkündete, dass er den Rest des Sommers bei uns verbringen dürfte, ehe er seine Suche nach Pan wieder aufnahm. Seine Chefs im Rat der behuften Älteren waren so beeindruckt davon, dass er nicht umgebracht worden war und zudem für zukünftige Suchende den Weg frei gemacht hatte, dass sie ihm einen zweimonatigen Urlaub und einen neuen Satz Rohrflöten zugeteilt hatten. Die einzige schlechte Nachricht: Grover bestand darauf, den ganzen Nachmittag auf diesen Flöten herumzublasen, und seine musikalischen Fähigkeiten hatten sich nicht gerade verbessert. Er spielte »YMCA« und die Erdbeerpflanzen drehten durch und wickelten sich um unsere Füße, als ob sie uns erwürgen wollten. Und eigentlich konnte ich ihnen da keinen Vorwurf machen.
Grover sagte, er könne den Empathielink zwischen uns auflösen, jetzt, wo wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, aber ich sagte, ich würde den Link gern behalten, wenn ihm das recht wäre.
Er ließ seine Flöten sinken und starrte mich an. »Aber … wenn ich wieder Ärger kriege, dann bist auch du in Gefahr, Percy! Und musst vielleicht sterben!«
»Wenn du wieder Ärger kriegst, dann will ich das wissen. Und dann werde ich dir wieder zu Hilfe kommen, G-Mann. So und nicht anders will ich das.«
Er wurde rot, war aber schließlich bereit, den Link nicht zu brechen. Danach spielte er den Erdbeerpflanzen wieder »YMCA« vor und ich brauchte keinen Empathielink zu den Erdbeeren, um zu wissen, wie ihnen dabei zu Mute war.
Später, beim Unterricht im Bogenschießen, nahm Chiron mich beiseite und sagte, er habe meine Probleme mit dem Meriwether Prep in Ordnung gebracht. Die Schule glaubte nicht mehr, dass ich ihre Turnhalle abgefackelt hätte. Und ich wurde nicht mehr von der Polizei gesucht.
»Wie haben Sie das geschafft?«, fragte ich.
Chirons Augen funkelten. »Ich habe einfach angedeutet, dass die Sterblichen am fraglichen Tag etwas anderes gesehen haben könnten – eine Heizungsexplosion, mit der du wirklich nichts zu tun hattest.«
»Das haben Sie einfach gesagt und die haben Ihnen das geglaubt?«
»Ich habe den Nebel manipuliert. Irgendwann, wenn du so weit bist, zeige ich dir, wie das geht.«
»Sie meinen … ich kann im nächsten Schuljahr zurück aufs Meriwether?«
Chiron hob eine Augenbraue. »Das nicht, du bist immer noch der Schule verwiesen. Der Rektor, Mr Bonsai, sagt – wie hat er das noch ausgedrückt? – du hättest ein uncharmantes Karma, das die erzieherische Aura der Schule gestört hat. Aber du hast keine Probleme mehr mit Polizei oder Behörden und das war für deine Mutter eine große Erleichterung. Und ja, wo wir gerade von deiner Mutter reden …«
Er hakte sein Telefon von seinem Köcher los und reichte es mir. »Höchste Zeit, dass du sie anrufst.«
Das Schlimmste war der Anfang – die »Percy-Jackson-was-hast-du-dir-bloß-dabei-gedacht-weißt-du-überhaupt-was-ich-mir-für- schreckliche-Sorgen-gemacht-habe-einfach-ohne-Erlaubnis-aus-dem-Lager-ausbüxen-auf-gefährliche-Fahrten-gehen-und-mich-vor-Angst-fast-umbringen«-Nummer.
Aber endlich musste sie doch Atem holen. »Egal. Ich bin ja so froh, dass du in Sicherheit bist.«
Das ist das Großartige an meiner Mom. Sie kann einfach nicht lange sauer sein. Sie gibt sich alle Mühe, aber sie ist dazu eben nicht geschaffen.
»Tut mir leid, Mom«, sagte ich. »Ich werd dich nicht wieder so erschrecken.«
»Versprich das lieber nicht, Percy. Du weißt genau, dass es nur noch schlimmer werden kann.«
Sie versuchte, sich ganz gelassen anzuhören, aber ich merkte, dass sie ziemlich erschüttert war.
Ich hätte gern etwas gesagt, was sie getröstet hätte, aber ich wusste, dass sie Recht hatte. Ich als Halbblut würde immer Dinge tun, die ihr Angst machten. Und je älter ich würde, umso größer würde auch die Gefahr werden.
»Ich könnte für eine Weile nach Hause kommen«, bot ich an.
»Nein, nein, bleib du im Camp. Und trainiere. Tu, was du tun musst. Aber für das nächste Schuljahr kommst du dann doch nach Hause?«
»Sicher, natürlich. Äh, ich meine, wenn es irgendeine Schule gibt, die mich nimmt.«
»Ach, da finden wir schon was, Schatz«, seufzte meine Mutter. »Irgendeine, wo sie uns noch nicht kennen …«
Was Tyson anging, so wurde er im Lager nun wie ein Held behandelt. Ich hätte ihn gern in alle Ewigkeit als Mitbewohner behalten, aber als wir an diesem Abend auf einer Düne saßen und auf den Long Island Sound hinausblickten, rückte er mit einer Neuigkeit heraus, mit der ich überhaupt nicht gerechnet hätte.
»Daddy hat letzte Nacht einen Traum geschickt«, sagte er. »Ich soll ihn besuchen.«
Ich überlegte, ob das ein Witz sein sollte, aber Tyson hatte wirklich keine Ahnung, wie man Witze macht. »Poseidon hat dir eine Traumbotschaft geschickt?«
Tyson nickte. »Ich soll für den restlichen Sommer unter Wasser kommen. Und lernen, in den Zyklopenschmieden zu arbeiten. Das nennt er ein Prax-, ein Pracht…«
»Ein Praktikum?«
»Ja.«
Ich musste das erst einmal sacken lassen. Ich gebe zu, dass ich ein wenig eifersüchtig war. Mich hatte Poseidon noch nie unter Wasser eingeladen. Aber dann dachte ich … Tyson geht weg? Einfach so?
»Und wann sollst du aufbrechen?«, fragte ich.
»Jetzt.«
»Jetzt. Du meinst … jetzt sofort?«
»Jetzt.«
Ich starrte auf die Wellen im Long Island Sound. Das Wasser färbte sich im Sonnenuntergang rot.
»Das freut mich für dich, Großer«, brachte ich heraus. »Ehrlich.«
»Schwer, meinen neuen Bruder zu verlassen«, sagte er mit einem Zittern in der Stimme. »Aber ich will Dinge herstellen. Waffen für das Camp. Die werdet ihr brauchen.«
Leider wusste ich, dass er Recht hatte. Das Vlies hatte nicht alle Probleme des Camps gelöst. Luke war noch irgendwo unterwegs und sammelte an Bord der Prinzessin Andromeda seine Armee. Kronos entstand neu in seinem goldenen Sarg. Irgendwann würden wir gegen sie kämpfen müssen.
»Du wirst die besten Waffen aller Zeiten schmieden«, sagte ich zu Tyson. Stolz hob ich meine Uhr. »Und ich wette, die können dann auch die Zeit ansagen.«
Tyson schniefte. »Brüder helfen sich gegenseitig.«
»Du bist mein Bruder«, sagte ich. »Das steht fest.«
Er klopfte mir so hart auf den Rücken, dass er mich fast von der Düne geworfen hätte. Dann wischte er sich eine Träne von der Wange und erhob sich. »Und vergiss nicht, den Schild zu benutzen.«
»Werde ich, Großer.«
»Rettet eines Tages dein Leben.«
Das sagte er so selbstverständlich, dass ich mich fragte, ob sein Zyklopenauge in die Zukunft sehen konnte.
Er ging zum Strand hinunter und pfiff dabei. Regenbogen, der Hippocampus, tauchte aus den Wellen auf. Ich sah zu, wie die beiden zusammen ins Reich des Poseidon schwammen.
Als sie verschwunden waren, schaute ich auf meine neue Armbanduhr. Ich drückte auf den Knopf und der Schild entfaltete sich zu seiner vollen Größe. In die Bronze waren Bilder im altgriechischen Stil eingehämmert – Szenen unserer Abenteuer in diesem Sommer. Annabeth erschlug einen laistrygonischen Völkerballspieler, ich kämpfte auf dem Half-Blood Hill gegen die Bronzestiere, Tyson ritt auf Regenbogen auf die Prinzessin Andromeda zu, die C.S.S. Birmingham feuerte ihre Kanonen auf die Charybdis ab. Ich fuhr mit der Hand über das Bild von Tyson, der auf die Hydra einschlug und dabei eine Tüte mit Monster-Donuts hochhielt.
Ich konnte nicht dagegen an, ich war traurig. Ich wusste, dass Tyson sich unten im Meer großartig amüsieren würde. Aber ich würde alles an ihm vermissen – seine Begeisterung für Pferde, die Art, wie er Wagen reparieren oder mit bloßen Händen Metall zerbröckeln oder Schurken zu Knoten binden konnte. Ich würde sogar sein welterschütterndes Schnarchen nachts im Nachbarbett vermissen.
»He, Percy!«
Ich drehte mich um.
Annabeth und Grover standen oben auf der Düne. Ich hatte wohl etwas Sand in die Augen bekommen, denn ich musste immer wieder blinzeln.
»Tyson«, sagte ich zu ihnen. »Er musste …«
»Das wissen wir«, sagte Annabeth leise. »Chiron hat es uns gesagt.«
»Zyklopenschmieden.« Grover schüttelte sich angewidert. »Das Essen in der Cafeteria muss entsetzlich sein. Es gibt … absolut keine Enchiladas.«
Annabeth streckte die Hand aus. »Komm schon, Algenhirn. Zeit zum Abendessen.«
Wir gingen zusammen zurück zum Esspavillon. Nur wir drei, genau wie in alten Zeiten.
In dieser Nacht wütete ein Sturm, aber er machte einen Bogen um Camp Half-Blood, wie Stürme das meistens eben so machen. Am Horizont loderten Blitze auf, die Brecher krachten gegen den Strand, aber in unserem Tal fiel kein Regentropfen. Wir wurden jetzt durch das Vlies wieder beschützt und waren innerhalb unserer magischen Grenzen sicher.
Meine Träume waren trotzdem unruhig. Ich hörte, wie Kronos mich aus den Tiefen des Tartarus verspottete: Polyphem sitzt blind in seiner Höhle, junger Held, und glaubt, einen großen Sieg errungen zu haben. Lebst du in einem geringeren Irrtum? Das kalte Lachen des Titanen erfüllte die Dunkelheit.
Dann änderte mein Traum sich. Ich folgte Tyson auf den Meeresgrund, an den Hof des Poseidon. Es war eine strahlende Halle voll blauem Licht, der Boden war mit Perlen gepflastert. Und dort, auf einem Thron aus Korallen, saß mein Vater, gekleidet wie ein schlichter Fischer, in Khakishorts und einem von der Sonne ausgebleichten T-Shirt. Ich schaute in sein braunes, wettergegerbtes Gesicht und seine tiefgrünen Augen und er sagte zwei Worte: SEI GEFASST.
Ich fuhr aus dem Schlaf hoch.
Jemand hämmerte an die Tür. Grover kam hereingestürzt, ohne auf meine Aufforderung zu warten.
»Percy«, stammelte er. »Annabeth … auf dem Hügel … sie …«
Sein Blick verriet mir, dass etwas Schreckliches geschehen sein musste. Annabeth hatte in dieser Nacht Wachdienst auf dem Hügel und beschützte das Vlies. Wenn etwas passiert war …
Ich schlug meine Decke zurück und mein Blut erstarrte in meinen Adern zu Eis. Ich warf ein paar Kleidungsstücke über, während Grover versuchte, einen vollständigen Satz zu bilden, aber er war zu ratlos, zu sehr außer Atem. »Sie liegt da … sie liegt einfach da …«
Ich rannte aus der Hütte und über den großen Platz, dicht gefolgt von Grover. Es fing gerade erst an zu dämmern, aber das ganze Camp schien schon auf den Beinen zu sein. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Etwas Ungeheuerliches war geschehen. Die Ersten rannten schon auf den Hügel zu – Satyrn und Nymphen und Demigottheiten, eine wilde Mischung aus Rüstungen und Schlafanzügen.
Ich hörte das Klappern von Hufen und Chiron kam mit düsterer Miene hinter uns hergaloppiert.
»Stimmt es?«, fragte er Grover.
Grover konnte nur verwirrt nicken.
Ich wollte fragen, was denn los sei, aber Chiron packte mich am Arm und hob mich mühelos auf seinen Rücken. Zusammen donnerten wir den Half-Blood Hill hoch, auf dem sich schon eine kleine Menge versammelt hatte.
Ich hatte erwartet, dass das Vlies aus der Fichte verschwunden sein würde, aber es war noch da und funkelte im ersten Morgenlicht. Der Sturm hatte sich gelegt und der Himmel war blutrot.
»Verflucht sei der Titanenherr«, sagte Chiron. »Er hat uns abermals übertölpelt und sich wieder eine Möglichkeit geschaffen, die Weissagung zu beeinflussen.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte ich.
»Das Vlies«, sagte er. »Das Vlies hat zu gute Arbeit geleistet.«
Wir galoppierten weiter und alle anderen wichen uns aus. Vor dem Baum lag ein bewusstloses Mädchen. Ein anderes Mädchen in griechischer Rüstung kniete neben ihr.
Blut rauschte in meinen Ohren. Ich konnte nicht klar denken. Annabeth war angegriffen worden? Aber warum hing dann das Vlies noch hier?
Der Baum sah absolut in Ordnung aus, heil und gesund, durchtränkt mit der Kraft des Goldenen Vlieses.
»Es hat den Baum geheilt«, sagte Chiron mit brüchiger Stimme. »Und es hat nicht nur das Gift herausgeholt.«
Und dann sah ich, dass nicht Annabeth auf dem Boden lag. Sie war das Mädchen in der Rüstung, das neben der Bewusstlosen kniete. Als Annabeth uns erblickte, erhob sie sich und kam auf Chiron zugerannt. »Es … sie … war einfach plötzlich da …«
Ihr liefen die Tränen übers Gesicht, aber ich begriff noch immer nicht. Ich war zu verdutzt, um irgendetwas zu durchschauen. Ich sprang von Chirons Rücken und lief auf das bewusstlose Mädchen zu. Chiron rief: »Percy, warte!«
Ich kniete neben ihr nieder. Sie war etwas älter als ich und hatte kurze schwarze Haare und Sommersprossen auf der Nase. Sie war gebaut wie eine Langstreckenläuferin, stark und geschmeidig, und ihre Kleidung lag irgendwo zwischen Punk und Goth – schwarzes T-Shirt, schwarze, zerfetzte Jeans und eine Lederjacke mit Buttons von Bands, deren Namen ich noch nie gehört hatte.
Sie war keine Campbewohnerin. Ich hatte sie in keiner der Hütten je gesehen. Aber trotzdem hatte ich das seltsame Gefühl, dass ich ihr nicht zum ersten Mal begegnete.
»Es stimmt«, sagte Grover und keuchte nach seinem Lauf den Hang hinauf. »Ich kann es nicht glauben …«
Niemand sonst näherte sich dem Mädchen.
Ich legte ihr die Hand auf die Stirn. Ihre Haut war kalt, aber trotzdem schienen meine Fingerspitzen zu brennen.
»Sie braucht Nektar und Ambrosia«, sagte ich. Sie war eindeutig ein Halbblut, ob sie nun im Camp wohnte oder nicht. Das sagte mir diese eine Berührung. Ich begriff nicht, warum alle anderen solche Angst zu haben schienen.
Ich nahm ihre Schultern, zog sie hoch und lehnte ihren Kopf an meine Brust.
»Na los«, rief ich den anderen zu. »Was ist denn in euch gefahren? Wir müssen sie ins Hauptgebäude bringen!«
Niemand bewegte sich, nicht einmal Chiron. Immer noch sahen alle total verdutzt aus.
Dann holte das Mädchen zitternd Atem. Sie hustete und schlug die Augen auf.
Ihre Augen waren verwirrend blau – elektrisch blau, wie die Süßigkeiten, die meine Mom mir immer bei besonderen Anlässen gab.
Sie starrte mich verwirrt an, zitternd und aus weit aufgerissenen Augen. »Wer …«
»Ich bin Percy«, sagte ich. »Du bist jetzt in Sicherheit.«
»Ganz seltsamer Traum …«
»Ist schon gut.«
»Sterben.«
»Nein«, versicherte ich ihr. »Jetzt ist alles gut. Wie heißt du?«
Und dann wusste ich es. Noch ehe sie es sagen konnte.
Ihre blauen Augen starrten mich an und ich wusste, was wirklich hinter der Suche nach dem Goldenen Vlies gesteckt hatte. Und hinter der Vergiftung des Baumes. Hinter allem. Kronos hatte all das inszeniert, um eine weitere Schachfigur ins Spiel zu bringen – eine weitere Möglichkeit, die Weissagung zu beeinflussen.
Sogar Chiron, Annabeth und Grover, die in diesem Moment doch hätten jubeln müssen, waren zu schockiert angesichts dessen, was dies für die Zukunft bedeutete. Und ich hielt ein Mädchen in meinen Armen, das entweder meine beste Freundin oder meine ärgste Feindin sein würde.
»Ich bin Thalia«, sagte das Mädchen. »Die Tochter des Zeus.«
Glossar
Agrios Sohn der Polyphante, die jungfräulich leben wollte, von Aphrodite aber durch Zauber gezwungen wurde, sich in einen Bären zu verlieben. Aus dieser Beziehung gingen die Söhne Agrios und Oreios hervor.
Aigis Brustschild der Athene, verziert mit Orakelschlangen, die göttliche Macht ausstrahlen. Selbst der Obergott Zeus ist der Macht der Aigis gegenüber hilflos.
Ambrosia und Nektar göttliche Speise bzw. göttlicher Trunk, die die übernatürlichen Kräfte der Gottheiten stärkten, für gewöhnliche Menschen aber tödlich wirkten.
Anaklysmos zauberkräftiges Schwert des Poseidon, über das in den antiken Texten jedoch keine Einzelheiten berichtet werden.
Äneas einer der berühmtesten trojanischen Helden, Sohn der Aphrodite und des Anchises, der Sage nach Stammvater Roms, wohin er aus dem brennenden Troja floh. Seine Abenteuer wurden berühmt gemacht durch die »Äneis« des römischen Dichters Vergil.
Aphrodite Göttin der Liebe. Sie gehört zu den zwölf großen olympischen Gottheiten und spendet Schönheit und Fruchtbarkeit; nach Homer ist sie die Tochter des Zeus und der Dione, nach Hesiod aber die »Schaumgeborene« – danach entstieg sie in vollkommener Gestalt dem Meer: Kronos, der jüngste der Titanen, hatte seinem Vater Uranos die Geschlechtsteile abgeschnitten und ins Meer geworfen, Schaum sammelte sich und verwandelte sich in eine Frau. Mit Hephaistos verheiratet, war sie ihm keine treue Ehefrau und hat ihren Ehemann nicht nur mit Göttern, sondern auch mit Sterblichen hintergangen, so wurde auch Äneas gezeugt, der Gründer Roms. Aphrodite half Männern, die in sterbliche Frauen verliebt waren, wie zum Beispiel Paris und Helena.
Apollo Gott der prophetischen Weissagung, der Künste, besonders der Musik (die Musen sind ihm direkt untertan), des Bogenschießens, der Überbringer der Übel, aber auch der Schutzheilige der Medizin, Sohn des Zeus und der Leto, Zwillingsbruder der Artemis, wurde mit Nektar und Ambrosia ernährt und war schon wenige Tage nach seiner Geburt erwachsen, zusammen mit Poseidon errichtete er die Stadtmauern von Troja. Heil- und Sühnegott; nachdem er den mächtigen Python erschlagen hatte, wurde er der Patron des Orakels von Delphi.
Ares Gott des Krieges, einziger Sohn Zeus’ mit seiner Gemahlin Hera; unverheiratet, hatte aber häufig Liebschaften, unter anderem mit Aphrodite, die ihm drei Kinder gebar: Harmonia und die Zwillinge Phobos (Furcht) und Deimos (Schrecken), die ihren Vater gerne auf das Schlachtfeld begleiteten. Gilt als Vater der Penthesilea, der sagenhaften Ahnfrau der Amazonen (wer die Mutter war, ist nicht überliefert). Wegen seiner Blutrünstigkeit und Kriegslust wurde Ares im antiken Griechenland nur wenig geschätzt, bei den Römern wurde er später mit dem noch heute viel bekannteren Kriegsgott Mars gleichgesetzt und zählte dort zu den wichtigsten Gottheiten.
Argonauten etwa fünfzig Helden, die auf dem Schiff Argo unter der Führung des Jason ausfuhren, um das Goldene Vlies zu holen. Baumeister des Schiffes war Argos, der dabei von der Göttin Athene beraten wurde.
Argus der hundertäugige Wächter, der mit »Argusaugen« wacht.
Athene aus dem Kopf von Zeus hervorgetreten, also nicht auf normale Weise geboren, Göttin der klugen Kriegsführung (im Gegensatz zu Ares, der Krieg um jeden Preis wollte), der Weisheit, der Künste und des Handwerks, Stadtgottheit Athens, aber auch in vielen anderen Städten verehrt, Tochter von Zeus und Metis, der Tochter des Okeanos und der Titanin Thetis. Die Herkunft ihres Beinamens Pallas ist ungeklärt.
Blaue Felsen griechisch Symplegaden, zwei Felsen in einer Meerenge, die ständig gegeneinanderschlugen und alles zertrümmerten, was sich zwischen ihnen befand. Auf der Suche nach dem Goldenen Vlies überlisteten die Argonauten die Felsen mit Hilfe einer Taube und gelangten unversehrt hindurch.
Caduceus Stab des Hermes.
Chiron einer der Zentauren, Sohn des Kronos und der Philyra, gutmütig und weise, Lehrer des Achilles und des Heilgottes Asklepios (Äskulap). Als er durch einen giftigen Pfeil verwundet wurde, übertrug er seine Unsterblichkeit dem Prometheus, um von seinem unerträglichen Leiden erlöst zu werden.
Circe Zauberin, die auf der Insel Aiaia lebte, Tante der Medea, Tochter des Sonnengottes Helios und der Perse, bekannt als männermordende Femme fatale, deren Ränken sich nicht einmal der listenreiche Odysseus entziehen konnte.
Colchis sagenumwobene Landschaft zwischen Schwarzem Meer und Kaukasus, hier fand Jason das Goldene Vlies. Bewohnt wird Colchis vom Volk der Lasen, das noch heute eine kaukasische Sprache spricht und sich bereits vor der griechischen Kolonisation dort angesiedelt hatte.
Dionysos bei den Römern Bacchus genannt, Gott des Weines, der Fruchtbarkeit und der Ekstase, Sohn des Zeus und der thebanischen Prinzessin Semele, wurde als Kind immer als Mädchen verkleidet, weil Zeus und Semele die Rache von Zeus’ eifersüchtiger Gattin Hera fürchteten. Von Zeus zum Gott gemacht, als er den Wein entdeckte; zu seinem Gefolge gehören Satyrn und Silenen.
Ganymed schöner Jüngling, den Zeus wegen seiner Schönheit entführen ließ und als Mundschenk in seine Dienste nahm.
Hades Sohn des Kronos und der Rhea, Bruder von Zeus und Poseidon. Bei der Teilung der Welt fiel ihm das Totenreich zu, verheiratet mit Persephone, Totengott und Beherrscher der Unterwelt.
Harpyien weibliche Windgeister von monströser Gestalt mit Flügeln, Federn und den Klauen eines Vogels, Töchter des Meeresgottes Thaumas und der Okeanide Elektra. Sie wurden immer dann verantwortlich gemacht, wenn Menschen oder Gegenstände auf unerklärliche Weise verschwanden.
Hekate Göttin des Zauber- und Hexenwesens, der Fruchtbarkeit, der Unterwelt und des Mondes.
Hephaistos Gatte der Aphrodite, Gott des Feuers, der Schmiedekunst und der Handwerker, Sohn des Zeus und der Hera, bei den Römern Vulcanus genannt. Er öffnete mit dem Beil den Schädel seines Vaters, dem dann die Göttin Athene entsprang. Kam verkrüppelt auf die Welt; Hera war über sein Aussehen so entsetzt, dass sie ihn gleich nach der Geburt vom Olymp ins Meer warf, wo er von der Meeresgöttin Thetis gerettet wurde.
Hermes Götterbote, Gott der Hirten und ihrer Herden, der Reisenden, Kaufleute und Diebe, der Jugend, der Beredsamkeit, der Fruchtbarkeit, dazu ein kluger Erfinder. Sohn des Zeus und der Nymphe Maia. Hatte viele Liebschaften, so mit Aphrodite, mit der er den zweigeschlechtlichen Sohn Hermaphroditos zeugte.
Homer blinder Sänger und Dichter, berühmtester Dichter der Antike überhaupt. Über den historischen Homer ist nichts bekannt, unter Forschern ist sogar umstritten, ob es ihn je gegeben hat und ob die ihm zugeschriebenen Werke nicht vielleicht von verschiedenen Autoren stammen. Diese Werke sind die »Odyssee« und die »Ilias«, in der die Geschichte des Trojanischen Krieges geschildert wird, sie gelten als wichtigste Quelle für die Erschließung der antiken Mythologie.
Hydra Tochter des Typhon (ein Sohn von Gaia und Tartarus) und der Echidna, hatte Schlangengestalt, neun Köpfe und einen tödlich giftigen Atem. Wurde ihr ein Kopf abgeschlagen, wuchsen sogleich zwei nach. Erst Herakles konnte sie besiegen.
Iris Regenbogengöttin, überbringt durch den Regenbogen göttliche Botschaften, auch an die Menschen, wird dargestellt mit Heroldsstab und Flügeln.
Jason Anführer der Argonauten, Sohn eines entthronten Königs, der das Goldene Vlies an sich bringen wollte, um mit dessen Hilfe das Reich seines Vaters zurückzugewinnen. Er musste eine Unmenge von Prüfungen bestehen, bis er endlich das Vlies besaß. Dabei half ihm die zauberkundige Medea. Als Jason seinen Thron zurückgewonnen hatte, wollte er Medea verstoßen, um eine standesgemäße Ehe einzugehen. Medea tötete ihre Kinder aus der Beziehung mit Jason und dann sich selbst, worauf Jason ebenfalls Selbstmord beging.
Kadmos Gründer und König von Theben, Sohn des Agenor von Tyros und der Telephassa, Bruder der Europa, wurde zusammen mit seiner Schwester entführt, nach anderen Quellen wurde Europa allein entführt. Kadmos machte sich auf Wunsch seiner Mutter auf die Suche nach ihr, tötete auf seinem Weg einen dem Ares geweihten Drachen und musste zur Buße dem Gott sieben Jahre dienen. Danach erbaute er Theben und vermählte sich mit Harmonia, der Tochter von Ares und Aphrodite.
Kronos Herrscher der Titanen, jüngster Sohn der Gaia (Erde) und des Uranos (Himmel), Gatte der Rhea, bei den Römern Saturn genannt. Uranos zeugte mit Gaia viele Kinder, die Titanen, die hundertarmigen Hekatoncheiren und die einäugigen Zyklopen, die aus der »Odyssee« bekannt sind. Gaia überredete ihren Sohn Kronos zum Aufstand gegen den Vater. Sie gab ihm eine Sichel, mit der er Uranos entmannte. Damit brachte er die Weltherrschaft an sich und behielt sie, bis seine eigenen Kinder den Aufstand wiederholten.
Laistrygonen zwölf Menschenfressende Ungeheuer, die hoch im Norden hausen. Zwölf Schiffe aus der Flotte des Odysseus wurden von den Laistrygonen mit Felsbrocken zertrümmert, die Mannschaft wurde verschlungen, nur Odysseus konnte auf seinem Flaggschiff entkommen.
Minotaurus ein Stier, der aus dem Meer stieg, als Minos, der Sohn des Zeus und der Europa, sich mit seinen Brüdern um den Thron von Kreta stritt. Minos bat den Meeresgott Poseidon um ein Zeichen, dass er der rechtmäßige Thronerbe sei, Poseidon schickte den Stier, der aber nicht geopfert wurde, das Land verwüstete und erst von Herakles gefangen und in ein Labyrinth gesperrt werden konnte.
Moiren bei den Römern auch Parzen, drei Schicksalsgöttinnen, Töchter der Nacht oder des Zeus und der Themis. Klotho spinnt den Lebensfaden, Lachesis teilt das Schicksal zu, Atropos bestimmt die Länge des Lebensfadens.
Najaden Nymphen der Quellen, Flüsse und Seen.
Nereiden freundliche und schöne Meeresnymphen, Töchter des Meeresgottes Nereus und der Doris, nur wenige der fünfzig Nereiden, zum Beispiel Thetis, sind namentlich bekannt.
Orakel von Delphi ursprünglich geweiht der Gaia, der Göttin der Erde, später übernommen von den Titaninnen Themis und Phoibe. Apollo, der Gott der Weissagung, brachte dann die Herrschaft über diese heilige Stätte an sich, musste dabei aber den hellseherischen Drachen Python töten, der das Orakel bewachte. Die Orakelpriesterin, durch deren Mund die Weissagungen verkündet wurden, wurde nach dem Drachen Pythia genannt.
Oreios Bruder des Agrios.
Pan Wald- und Weidegott, Beschützer der Hirten, Gott der Berge, der Felder und des Landlebens, Sohn des Hermes und der Nymphe Penelope; von menschlicher Gestalt, hatte er die Füße eines Ziegenbockes und Hörner auf dem Kopf. Auf rätselhafte Weise verschwunden.
Perseus Sohn des Zeus und der Prinzessin Danaë, Vorfahr des Herakles. Sollte für seinen Bruder das Haupt der Medusa holen, was ihm mit Hilfe verschiedener Göttinnen auch gelang.
Polyphem berühmtester aller Zyklopen, besiegt von Odysseus, der sich als »Niemand« ausgab, weshalb Polyphem seinen Brüdern nicht zu sagen vermochte, wer ihm das Auge ausgestochen hatte, so dass sie ihn nicht rächen konnten.
Poseidon Welterschütterer, Sturmbringer, Vater der Pferde, Gott des Meeres und ursprünglich auch der Erde, Sohn des Kronos und der Rhea, schuf das Pferd aus dem Schaum des Meeres, großer Bruder von Zeus (einzig Homer nennt ihn Zeus’ jüngeren Bruder), erhielt bei der Aufteilung der Macht in der Welt die Herrschaft über das Meer. Temperamentvoll, meistens schlecht gelaunt und überaus rachsüchtig.
Prometheus Helfer der Menschheit gegen die Götter, Sohn des Titanen Japetos und der Göttin Themis, kluger, vorausschauender Mensch, half Zeus beim Kampf gegen die Titanen, schenkte den Menschen den Verstand und das Feuer, was Zeus übel nahm, aus Rache wurde er an einen Felsen am Schwarzen Meer gekettet, wo jeden Tag ein Adler von seiner nachts nachwachsenden Leber fraß.
Rhea Titanin, Tochter von Uranos und Gaia, Frau von Kronos. Mutter von Hestia, Hera, Demeter, Hades, Poseidon, Zeus.
Satyrn Geschöpfe des Waldes, menschengestaltig, aber mit Hufen und kleinen Hörnern auf dem Kopf, begleiten den trunkenen Zug des Dionysos, interessieren sich in der Regel sehr für Nymphen.
Sirenen Mischgestalt aus Mensch und Vogel, mit Vogelkörper und Frauenkopf. Die Sirenen waren Wettermacherinnen und betörten Seemänner durch ihren wunderschönen Gesang. Deren Schiffe zerschellten dann an den Felsen, auf denen die Sirenen saßen.
Sisyphos Halbgott, verriet die Pläne der Götter an die Menschen, konnte sich mehrmals der göttlichen Strafe entziehen, wurde dann von Ares besiegt und in die Unterwelt verschleppt, wo er in alle Ewigkeit einen Felsblock einen Hang hochrollen muss – in dem Moment, wo er oben angelangt ist, rollt der Felsblock wieder hinunter.
Stymphalische Vögel blutrünstige Vögel, die Menschen überfielen und zerfleischten, von Herkules besiegt.
Tantalus König von Pisa, der die Götter beleidigte und deshalb zu »Tantalusqualen« verurteilt wurde; er stand bis zum Kinn im Wasser, das zurückwich, wenn er davon trinken wollte, reife Früchte hingen unmittelbar außerhalb seiner Reichweite.
Tartarus Teil der Unterwelt und mythologische Gestalt, über die wenig bekannt ist, zusammen mit Eros, Gaia und Nyx entstieg er zu Beginn der Zeiten dem Chaos. Der nach ihm benannte Teil der Unterwelt ist der Ort, an dem die Toten endlose Qualen erleiden müssen.
Titanen Göttergeschlecht, das aus der Vereinigung des Himmels (Uranos) und der Erde (Gaia) hervorging. Die wichtigsten sind Kronos und Rhea, ihre Kinder waren keine Titanen, sondern gehörten zu dem Göttergeschlecht, das die Titanen ablöste. Zeus entwand Kronos die Weltherrschaft. Zu ihren Nachkommen gehörten außerdem die Okeaniden, die über Meere, Seen und Flüsse herrschten, die Mondgöttin Selene und Eos, die Göttin der Morgenröte; der Titanensohn Atlas galt selber als Titan.
Unterwelt dreigeteilt in Elysium (die Insel der Seligen), Tartarus und Asphodeliengrund. Tote wurden vom Fährmann über den Fluss Styx übergesetzt und mussten sich den Richtern stellen. Der Höllenhund Zerberus sorgte dafür, dass niemand das Reich verließ. Auf dem Grunde der Unterwelt liegt Tartarus, Ort ewiger Finsternis, wo besonders schlimme Missetäter oder auch Sterbliche, die die Götter erzürnt haben, ewig leiden müssen.
Uranos Vater des Kronos, Weltenschöpfer, von Kronos mit einer Sichel entmannt.
Zentauren ein Geschlecht von Lebewesen mit Pferdekörpern und -läufen, aber dem Kopf und den Armen eines Menschen. Sie sind die Kinder des Zentauros oder des Ixion; mit Ausnahme von Chiron, der von Kronos abstammt, gelten sie als brutal und lüstern.
Zeus Herrscher der Lüfte und des Olymps, Sohn von Kronos und Rhea, von den Römern Jupiter (»Göttervater«) genannt, ursprünglich wohl ein Wettergott, der unter anderem für Regen, Sturm, Blitz und Donner verantwortlich war, mit Hera verheiratet, Vater von Herakles und Perseus. Hat seinen Vater entmachtet und zu ewigen Qualen in den Tartarus gestürzt.
Zyklopen Riesen mit nur einem Auge auf der Stirn, Söhne des Uranos und der Gaia. Sie schmieden Donnerkeile und Blitze für Zeus.
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Rick Riordan war viele Jahre lang Lehrer für Englisch und Geschichte. Mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen lebt er in San Antonio, USA, und widmet sich inzwischen ausschließlich dem Schreiben. Die »Percy Jackson«-Bücher waren seine ersten Titel für junge Leser.