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Beim ersten Verkauf ist es immer am schlimmsten. Doch bleibt auch beim zweiten- oder drittenmal ein Rest von Unbehagen und Nervosität. Das Schlimmste ist vermutlich die Ungewißheit, wer von den zahlreichen Besuchern des Auktionshauses die Sklavin befreien wird. Man wird angestrahlt, vorgeführt und von der besten Seite gezeigt. Neben der Sklavin steht der Auktionator mit seiner Peitsche. Man gibt sich größte Mühe. Der Block ist glatt. Viele Mädchen sind hier schon verkauft worden. Man ist nichts Besonderes, man ist nur eine von vielen Sklavinnen, ein bißchen mehr oder weniger hübsch als andere. Man spürt die Sägespäne unter den Füßen. Man hebt den Kopf im Fackellicht. Das erste Gebot kommt, und man versucht an der Stimme zu erkennen, was für ein Mann sich da um die Sklavin bemüht. Dann kommt das nächste Gebot. Man lächelt, wendet sich, geht ein paar Schritte, hebt die Arme, kniet nieder und befolgt die Anordnungen des Auktionators, die darauf abzielen, die Vorteile des Mädchens vorzuführen. Das Mädchen schwitzt. Das Sägemehl klebt ihr am Körper und in den Haaren. Die Furcht vor der Peitsche des Auktionators beflügelt die Sinne. Endlich steht sie schweratmend und nackt vor der Menge. Das letzte Gebot kommt, die Faust des Auktionators zuckt herab und besiegelt das Geschäft. Die Sklavin ist verkauft.

Viele Mädchen träumen davon, im Curuleum verkauft zu werden. Der große Block ist vielleicht der berühmteste in Ar – jedenfalls ist er der größte, halbkreisförmig, etwa vierzig Fuß weit und fünfzehn Fuß hoch. Blau und gelb schimmern die Verzierungen – in den Farben der Sklavenhändler. Das interessanteste Detail ist vielleicht die Tatsache, daß in gleichmäßigen Abständen an der Vorderseite neun aus weißem Holz geschnitzte Sklavinnenfiguren das Publikum anblicken – angeblich die ersten neun Sklavinnen, die vor vielen tausend Jahren von den Männern eines kleinen Dorfes namens Ar erobert wurden.

»Du, Sklavin!« sagte der Mann.

»Ja, Herr«, sagte ich. Ich trug einen Kragen, der mich mit einer Kette links und rechts mit je einem Mädchen verband. Wir standen in dem Tunnel, der zum Auktionsblock führte. Ein zweiter Tunnel führte vom Block fort.

»Kennst du das Ritual des Verkaufs?« fragte er.

»Ja, Herr«, antwortete ich. Man hatte ausgiebig mit mir geprobt. Bei einer Auktion wird nichts dem Zufall überlassen.

Der Mann ging zum nächsten Mädchen und stellte ihr dieselbe Frage. Und dann zu dem Mädchen, das nach ihr angekettet war. Stets erhielt er eine bejahende Antwort. Es standen hundertundzwanzig Sklavinnen zum Verkauf; sie warteten hier im Tunnel. Der Verkauf würde fünf bis sechs Ahn dauern, wenn das Publikum gut kaufte, konnte sich aber auch bis in die frühen Morgenstunden hinziehen.

Ich betrachtete das Mädchen zu meiner Linken. Wir hatten uns mit goreanischem Make-up herrichten dürfen und waren vorhin bereits in Ausstellungskäfigen den interessierten Kunden vorgestellt worden.

Plötzlich spürte ich ein leichtes Beben durch die Kette gehen. Das Flüstern ging von Mund zu Mund. »Die Auktion hat begonnen!«

»Ich habe Angst«, sagte ein Mädchen.

»Im Curuleum bietet ganz Ar mit«, meinte eine andere.

Ich hörte nichts, doch ich wußte, daß das erste Mädchen den Block bestiegen hatte.

Ich saß auf der schmalen Bank, die sich an der Tunnelwand hinzog. An meinem Körper hing ein raffiniert geschnittenes grünes Seidengewand, das dazu bestimmt war, mir Stück um Stück in einer genau festgelegten Reihenfolge vom Leib gerissen zu werden, bis im entscheidenden Stadium das Abreißen der letzten Fetzen das Interesse und die Lüsternheit der Bietenden noch einmal steigerte.

»Eins aufrücken!« sagte der Sklavenwärter. Wir gehorchten.

Das Mädchen zu meiner Linken trug eine einfache kurze Tunika von der Art, wie Haussklavinnen sie tragen. Beim Publikum sollte der Eindruck entstehen, sie habe seit ihrer Kindheit im Eigentum einer ruhigen und angesehenen Familie gestanden, die wegen finanzieller Schwierigkeiten habe verkaufen müssen. Diese Geschichte war nicht völlig falsch, war aber natürlich so gestaltet, daß der Preis möglichst hoch ausfallen mußte.

Das Mädchen zu meiner Rechten, das nach mir an die Reihe kam, sollte mit einer ganz anderen Geschichte auf den Block kommen. Sie trug einen weißen Fetzen, der ihr von den Schultern bis zu den Oberschenkeln reichte. Der Gegensatz zwischen ihrem dunklen Haar und ihren nackten Beinen und Armen zu dem weißen Kleid war auffällig. Von ihr war eben das Bekenntnis gekommen, daß sie Angst habe; ich konnte es ihr nicht verdenken. Sie war Jungfrau.

Wir rückten einen weiteren Platz auf.

»Es wird heute schnell verkauft«, sagte ein Mädchen weiter unten. Schnelle Zuschläge waren gut. Sie bedeuteten, daß der Auktionator guter Laune war und daher wohl mit seinen Schützlingen weniger grausam umspringen würde.

Und wieder rückten wir weiter.

Die meisten Mädchen werden einzeln verkauft, manchmal aber auch zu mehreren gleichzeitig, als Paare oder in zueinanderpassenden Gruppierungen, die sich etwa nach Haarfarbe oder Dialekt orientie ren.

Gruppen kommen meistens zum Verkauf, wenn es um Sklaven für die Feld- und Küchenarbeit geht. Solche Sklavinnen wurden im Curuleum aber nicht angeboten. Trotzdem gab es heute zwei Pärchen an der Kette, eine Sängerin und ihre Lautenspielerin und eineiige Zwillinge von der Insel Tabor.

Noch konnte ich die Rufe des Auktionators nicht hören, ab und zu hallte aber bereits die lautstarke Reaktion des Publikums durch den Tunnel.

Ich war Mädchen 91 an der Kette, eine gute Position. Die Verkäufe beginnen am frühen Abend. Wenn nicht etwas Besonderes angeboten wird, läuft die Auktion gewöhnlich ziemlich langsam an. Das Publikum ist noch nicht vollzählig, und die letzten Plätze füllen sich meistens erst im Verlauf der zweiten Ahn. Das erkennbare Tempo der heutigen Verkäufe verwirrte mich. Soweit ich wußte, stand nichts Besonderes auf dem Programm. Jedenfalls ist es nicht sehr angenehm, zu den ersten zwanzig Sklavinnen zu gehören, die vor fast halbleerem Haus verkauft werden müssen; meistens werden zu dieser Zeit auch die uninteressantesten Mädchen angeboten. Vom Standpunkt der Sklavin aus ist es am günstigsten, zwischen Position 80 und 95 zu stehen, bei einer Kette von hundertundzwanzig Mädchen. Noch später läßt das Interesse wieder nach, und die ersten Besucher brechen auf. Diese Bemerkungen gelten natürlich nur für die sogenannten offenen Verkäufe, die von großen Auktionshäusern etwa viermal die Woche abgehalten werden; daneben gibt es Sonderverkäufe, Privatverkäufe und Verkäufe ganzer Haushalte, die gesondert angekündigt werden.

Wir rückten immer weiter auf. Inzwischen konnte ich die Rufe des Auktionators recht deutlich verstehen und hörte einzelne Zurufe aus der Menge. Das Ende des Tunnels rückte näher. Das Mädchen in der Haustunika saß angespannt neben mir. Sie war Nummer 90. Ihre Fingernägel bohrten sich in das Holz der Bank. Ihr Make-up wurde inspiziert und noch verbessert. Dann wurde sie von der Kette genommen. Am Ausgang des Tunnels stand ein Mann mit einer Schreibtafel und einem Markierstift. Er bedeutete ihr näherzukommen. Dann inspizierte er ihre Kettennummer, die mit Lippenstift unter ihrem linken Ohr angebracht war.

Begeistertes Gebrüll wurde laut, und ich wußte, daß das Mädchen auf dem Block verkauft worden war. Ein anderes Mädchen mit der Nummer 89 hatte am Fuße des Blocks gewartet. Ein Mann mit einer Peitsche schob sie jetzt die Treppe hinauf.

Gleichzeitig drängte der Mann mit der Schreibtafel das Mädchen in der Haustunika vor die unterste Stufe.

»Schau mich an«, sagte ein Mann.

Ich saß still und starrte ihn an. Er untersuchte mein Make-up und verbesserte es mit einigen geschickten Strichen.

»Du bist schön genug«, sagte er.

»Vielen Dank, Herr.«

Ein anderer nahm mir den Kragen ab und schickte mich zu dem Mann mit der Schreibtafel. Von dort vermochte ich zum Dach des Curuleum emporzublicken und sah einige der oberen Reihen des Publikums.

Die Erregung im hohen Rund erschreckte mich. Der Verkauf lief heute zu gut. Die Menge brüllte. Das nackte Mädchen auf dem Block wurde vorgeführt. Sie schrie entsetzt, als der Auktionator sie mit der Peitsche berührte. Sie wurde schnell verkauft.

Nun mußte das Mädchen in der Haustunika die Stufen ersteigen.

»Was haben wir denn hier?« rief der Auktionator. »Da muß ein Fehler vorliegen! Das ist doch nur eine unwichtige kleine Haussklavin!«

Die Menge lachte brüllend.

Ich hörte zu, wie der Verkauf eingeleitet wurde. Nicht mehr lange würde sie die züchtige Haustunika tragen.

»Nummer?« sagte der Mann mit der Schreibtafel zu mir.

Ich drehte mich zur Seite, damit er die winzige Nummer unter meinem linken Ohr entziffern konnte.

»Einundneunzig«, sagte er und machte eine Notiz in seinen Unterlagen.

Ich hörte das Reißen von Stoff. Die Bietung ging ins letzte Stadium.

Der Schreiber schob mich zur Treppe, die zum Block führte.

In diesem Augenblick erfolgte oben der Zuschlag.

Ich erstieg den Block. Die halbrunde Fläche war rie sig. Erst jetzt erkannte ich, wie groß das Publikum wirklich war. Schweigen herrschte in dem riesigen Rund. Ich bekam Angst.

Der Auktionator schien ebenfalls nicht zu wissen, was los war. Doch er ließ sich nicht beirren. »Hier scheint uns jemand etwas Besonderes geschickt zu haben«, sagte er gedehnt und deutete mit der Peitsche auf mich. »Du Umrisse lassen hoffen, daß sie hübsch gewachsen ist.« Er blickte in die Menge. »Wollen wir uns das mal ansehen?« fragte er.

Doch das Publikum forderte ihn nicht auf weiterzumachen. Vielmehr blieb es gespenstisch still. Seine Hand erbebte. Ich hatte Angst. Ich begriff nicht, was hier vorging.

»Wir wollen mal sehen«, fuhr der Auktionator krampfhaft lustig fort. Er hob einige Seidenbahnen hoch, die mein Gesicht verdeckten. Ein Murmeln der Bewunderung ging durch die Menge. Ich war eitel genug, mich darüber zu freuen. »Ein liebliches Gesicht«, verkündete er, »weiblich, weich, verwundbar, ausdrucksstark. Man kann darin lesen wie in einem Buch.« Er zuckte die Achseln. »Das Haar ist natürlich viel zu kurz, aber die Führung des Curuleum hat mir versichert, daß es nachwachsen wird.«

Niemand lachte.

Die Hand des Auktionators zitterte stärker. Er war nervös. Ich schob das rechte Bein vor, hob es an, spreizte die Zehen, drehte die Hüfte. Langsam nahm er mir eine Seidenbahn nach der anderen ab. »Ein hübsches Geschöpf«, sagte er.

Die Menge war seltsam ruhig und angespannt. Die Unruhe des Auktionators nahm zu.

»Wir wollen doch mal sehen, ob hier mehr Interessantes zu finden ist«, sagte er.

Ich hörte ein scharfes Atemholen in der Menge, doch es wurde nicht geboten.

Wir vollendeten die vorgesehene Vorstellung nicht, die ohnehin weitgehend vom Publikum abhängt. Seine Reaktion bestimmt die Ereignisse auf dem Block. Der Auktionator entfernte das letzte Stück Stoff von meinem Körper, doch ohne Schwung, ohne große Schau.

»Dies ist die Frau!« rief er. »Wie lautet das Gebot?«

Niemand meldete sich.

»Seht!« rief eine Stimme. Die Menge verdrehte die Köpfe, und ich und der Auktionator starrten ebenfalls empor. Oben am Portal zum Mittelgang stand ein Krie ger in voller Bewaffnung. Er sprach nicht. Er hatte Schild und Speer gehoben. Über seiner linken Schulter hing das Kurzschwert in seiner Scheide. Er hatte den Helm aufgesetzt.

»Herr?« fragte der Auktionator mit unsicherer Stimme.

Der Krieger schwieg.

Der Auktionator deutete auf mich und lenkte damit die allgemeine Aufmerksamkeit von der eindrucksvollen Gestalt des Kriegers ab. »Was wird geboten?« fragte er.

In diesem Augenblick begann der behelmte Krieger den Gang herabzusteigen. Wir sahen ihn näherkommen.

Sekunden später stand er ebenfalls auf dem Block, der Menge gegenüber. Er schlug mit dem Schaft des langen Speers auf den Holzboden. »Kajira canjellne!« rief er. »Ich erhebe Anspruch auf diese Sklavin!« Er drehte sich zu mir um, und ich kniete nieder. Ich konnte nicht sprechen vor Angst, das Bewußtsein zu verlieren.

Dann sprach er wieder zu der Menge. »Ich fordere diese Frau! Für sie kämpfe ich gegen ganz Ar, gegen die ganze Welt!«

»Ich liebe dich, Clitus Vitellius!« rief ich. Tränen Schossen mir in die Augen.

»Niemand hat dir erlaubt zu sprechen!« rief der Auktionator und hob die Peitsche, um mich zu strafen.

Doch schon richtete sich Clitus Vitellius’ Speer auf seinen Hals. »Du schlägst sie nicht!« befahl der Krieger.

»Nein, Herr!« sagte der Auktionator, wurde bleich und wich zurück.

»Kajira canjellne!« rief Clitus Vitellius ins Publikum. »Ich fordere dieses Mädchen!«

Es kam keine Antwort. Dann stand ein Mann auf und schlug sich mit der Faust gegen die rechte Schulter. Gleich darauf folgten ein zweiter und ein dritter und ein vierter. In Sekunden war die ganze Menge auf den Beinen und jubelte und schlug sich gegen die Schulter. Clitus Vitellius stand ruhig auf der großen Plattform, den großen runden Schild am linken Arm, den sieben Fuß langen Speer in der rechten Hand.

»Sie gehört dir, Herr«, sagte der Auktionator zu Clitus Vitellius. Voller Freude kniete ich zu Füßen meines Herrn. Er würde mich befreien und mich zur Gefährtin nehmen. Er legte Schild und Speer fort, um mich aufzuheben.

»Deine Peitsche«, sagte Clitus Vitellius zum Auktionator.

»Aber du wolltest doch nicht, daß sie ausgepeitscht wird!« rief dieser.

»Wenn sie gestraft werden muß, dann nur von mir!«

»Herr, willst du mich denn nicht zur freien Frau machen?« fragte ich.

»Nur ein Dummkopf befreit eine Sklavin!«

»Herr!« rief ich verzweifelt.

Mit gesenktem Kopf kniete ich vor ihm. Ich zitterte. Sollte ich weiter seine Sklavin sein? Meinte er das wirklich ernst?

»Ich möchte nicht, daß du an dem Mädchen Verlust machst«, sagte mein Herr zu dem Auktionator. »Hier ist etwas, das eure Kosten für die Sklavin deckt.«

Ich hörte einen schweren metallgefüllten Beutel auf die Dielen des Blocks fallen.

»Das Haus ist dir dankbar, Herr!« rief der Auktionator. Er öffnete die Schnur des Beutels und stieß einen Freudenschrei aus. Goldstücke ergossen sich über den Boden. Mit sicheren Fingern sortierte er die Münzen. »Hundert goldene Tarnscheiben!« rief er.

Die Menge brüllte begeistert.

Ich weinte. Diese Summe überstieg meinen Wert um ein Hundertfaches oder mehr. Erst in diesem Augenblick erkannte ich, was Clitus Vitellius für mich empfand. Ich weinte vor Freude. Ich hatte nicht geahnt, daß ein Mann sich so sehr nach einer Frau sehnen konnte. Trotzdem hielt er mich als seine Sklavin!

Vielleicht kann man nur als Sklavin so geliebt werden.

Als ich nun den Kopf drehte und in seine Augen blickte, durchfuhr mich Furcht. Ich erkannte, daß er trotz allem ein goreanischer Sklavenherr war. So sehr er mich auch begehren mochte – für ihn war ic h nichts weiter als eine Sklavin. Wie seine Gefühle für mich auch aussehen mochten, er wollte nichts weiter als mich versklavt zu seinen Füßen haben. Er würde der Herr sein, ich die Sklavin, uneingeschränkt.

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