Mary Poppins kommt wieder

1. Kapitel. Der Drachen

Es war eine jener frühen Morgenstunden, wo die Welt so blank, so sauber und strahlend erscheint, als hätte man sie über Nacht frisch geputzt.

Im Kirschbaumweg blitzten die Fenster, als die Rolläden hochgingen, und die dünnen Schatten der Kirschbäume fielen in dunklen Streifen über die besonnte Straße. Kein Laut war zu hören, nur die Klingel des Eismannes, der mit seinem Karren hin und her fuhr.

»Bleib stehen und kauf eine Waffel« verkündete ein Plakat vorn an dem Karren. Kurz darauf bog ein Straßenfeger um die Ecke und hob winkend seine große Hand.

Der Eismann fuhr klingelnd zu ihm hin.

»Für 'n Penny«, sagte der Straßenfeger. Er blieb auf seinen Besen gestützt stehen, während er mit der Zungenspitze das Eis aus seiner Waffel leckte. Als er damit fertig war, wickelte er die tütenförmige Waffel in sein Taschentuch und steckte sie ein.

»Essen Sie keine Waffeltüten?« fragte der Eismann höchst überrascht.

»Nein. Ich sammle sie!« sagte der Straßenfeger. Und damit nahm er seinen Besen wieder auf und spazierte durch Admiral Booms vordere Gartenpforte, weil es einen Hintereingang nicht gab.

Der Eismann rollte seinen Karren weiter die Straße hinauf und klingelte; abwechselnd huschten Sonnen- und Schattenstreifen über seine dahinwandernde Gestalt.

»Hab's hier noch nie so ruhig gesehen«, murmelte er und hielt dabei, von rechts nach links blickend, Ausschau nach neuen Kunden.

Genau in diesem Augenblick erscholl aus Nummer siebzehn eine Stimme. Der Eismann eilte auf das Gitter zu, in der Hoffnung auf ein Geschäft.

»Ich halt das nicht aus! Ich halt das einfach nicht länger aus!« brüllte Mister Banks und stapfte wütend zwischen Haustür und Treppe hin und her.

»Was ist los?« erkundigte sich Mistreß Banks erschrocken und eilte aus dem Eßzimmer herbei. »Warum tobst du so in der Diele herum?«

Mister Banks holte mit dem Fuß aus, und etwas Schwarzes flog ein paar Stufen die Treppe hinauf.

»Mein Hut!« knirschte er zwischen den Zähnen. »Mein bester Ausgehhut!«

Er rannte die Treppe hinauf und beförderte ihn mit einem Fußtritt wieder hinunter. Der Hut trudelte über die Fliesen und landete vor Mistreß Banks' Füßen.

»Ist etwas nicht in Ordnung damit?« sagte Mistreß Banks nervös. Aber insgeheim fragte sie sich, ob vielleicht mit Mister Banks etwas nicht in Ordnung sei.

»Guck ihn dir an!« brüllte er.

Zitternd bückte sich Mistreß Banks und hob den Hut auf. Er war mit großen, glänzenden, klebrigen Flecken bedeckt und strömte, wie sie feststellte, einen merkwürdigen Geruch aus.

Sie schnüffelte an der Krempe.

»Das riecht doch wie Schuhwichse«, sagte sie.

»Es ist Schuhwichse«, erwiderte Mister Banks. »Robertson Ay hat meinen Hut mit der Schuhbürste behandelt — er hat ihn tatsächlich blank poliert.«

Mistreß Banks klappte vor Schreck die Kinnlade herunter.

»Ich weiß nicht, was über dieses Haus gekommen ist«, fuhr Mister Banks fort. »Nichts geht, wie es soll — seit Jahren nicht! Das Rasierwasser zu heiß, der Frühstückskaffee zu kalt. Und nun — auch das noch!«

Er riß Mistreß Banks seinen Hut aus der Hand und griff nach der Aktentasche. »Ich gehe!« sagte er. »Und ich weiß nicht, ob ich je wieder zurückkomme. Wahrscheinlich mache ich eine lange Seereise!«

Dann stülpte er sich den Hut auf den Kopf, schlug die Tür hinter sich zu und stürzte so rasch durchs Gartentor, daß er den Eismann über den Haufen rannte, der das Zwiegespräch mit höchstem Interesse verfolgt hatte.

»Das ist Ihre Schuld!« sagte Mister Banks schroff. »Sie haben kein Recht, hier zu stehen!« Und mit weit ausholenden Schritten wandte er sich der Stadt zu; sein polierter Hut glänzte wie ein Juwel in der Sonne.

Der Eismann stand vorsichtig auf, und nachdem er festgestellt hatte, daß seine Knochen noch alle heil waren, setzte er sich auf den Bordstein und tröstete sich mit einer großen Eiswaffel.

»Du meine Güte!« sagte Mistreß Banks, als sie die Tür zuschlagen hörte. »Es stimmt wahrhaftig. Nichts klappt mehr. Bald ist hier was los, bald dort. Seit Mary Poppins uns ohne Kündigung verlassen hat, geht alles schief.«

Sie setzte sich auf eine Stufe, zog ihr Taschentuch und schluchzte.

Und als sie so weinte, dachte sie an alles, was geschehen war, seit Mary Poppins so plötzlich und geheimnisvoll verschwand.

»Die eine Nacht noch hier und in der nächsten — fort, wie ärgerlich!« schluchzte Mistreß Banks.

Als erstes war ein Kindermädchen namens Green erschienen; es hatte sie am nächsten Wochenende wieder verlassen, weil Michael nach ihr gespuckt hatte. Die Nachfolgerin war eine Miß Brown, die eines Tages spazierenging und nicht wieder zurückkam. Erst einige Zeit später entdeckte man, daß sie alle Silberlöffel hatte mitgehen heißen.

Nach Miß Brown war Miß Quigley gekommen, die Hauslehrerin, der man hatte kündigen müssen, weil sie jeden Morgen vor dem Frühstück drei Stunden lang Tonleitern übte. Mister Banks machte sich nichts aus Musik.

»Und dann«, stöhnte Mistreß Banks in ihr Taschentuch, »bekam Jane die Masern, im Badezimmer platzte der Wasserspeicher, die Kirschbäume erfroren und ... «

»Ach bitte, Madam . . .!« Mistreß Banks blickte hoch und sah Mistreß Brill, die Köchin, vor sich stehen.

»In der Küche brennt's! Der Kamin!« verkündete Mistreß Brill düster.

»Um Himmels willen! Was jetzt?« rief Mistreß Banks. »Schnell, Sie müssen Robertson Ay rufen, zum Löschen. Wo steckt er?«

»Er schläft, Madam, im Besenschrank. Und wenn der einmal schläft, kann nichts ihn aufwecken — nicht einmal ein Erdbeben oder ein Regiment Trommler«, sagte Mistreß Brill, als sie hinter Mistreß Banks her die Küchentreppe hinabrannte.

Zu zweit brachten sie es fertig, das Feuer zu löschen, aber damit hörten für diesen Tag Mistreß Banks' Nöte noch lange nicht auf.

Sie hatten eben das Mittagessen beendet, als eine Treppe höher ein Krach ertönte, gefolgt von einem lauten Plumps.

»Was ist denn nun wieder los?« Mistreß Banks stürzte aus dem Zimmer, um nachzusehen, was es gab.

»Oh, mein Bein, mein Bein!« schrie Ellen, das Zimmermädchen.

Sie saß auf der Treppe, von zerbrochenem Geschirr umgeben, und stöhnte laut.

»Was ist mit dem Bein?« fragte Mistreß Banks scharf.

»Gebrochen«, wimmerte Ellen und lehnte sich ans Geländer.

»Unsinn, Ellen! Sie haben sich den Knöchel verstaucht, das ist alles!«

Aber Ellen stöhnte weiter.

»Ich hab mir das Bein gebrochen! Was mach ich nur?« jammerte sie immer wieder. In diesem Augenblick erscholl aus dem Kinderzimmer das gellende Geschrei der Zwillinge. Sie kämpften miteinander um den Besitz einer blauen Zelluloidente. Ihr schrilles Gezeter übertönte die Stimmen von Jane und Michael, die gerade Bilder an die Wand malten und darüber stritten, ob das grüne Pferd einen purpurfarbenen Schwanz bekommen sollte oder einen ziegelroten. Und den ganzen Lärm durchdrang unaufhörlich wie das Dröhnen einer Trommel das Gestöhn Ellens: »Ich hab mir das Bein gebrochen! Was mach ich nur?«

»Das«, sagte Mistreß Banks und rannte die Treppen hinauf, »das hat gerade noch gefehlt!«

Sie brachte Ellen ins Bett und machte ihr einen kalten Umschlag um den Knöchel. Dann ging sie hinüber ins Kinderzimmer.

Jane und Michael stürzten auf sie zu.

»Es muß doch einen ziegelroten Schwanz bekommen, nicht?« erkundigte sich Michael.

»Ach, Mutter! Das ist ja dumm! Kein Pferd hat einen ziegelroten Schwanz, oder doch?«

»Na, und welches Pferd hat denn einen purpurnen Schwanz? Kannst du mir das verraten?« schrie er.

»Das ist meine Ente!« kreischte John und riß Barbara die Ente aus der Hand.

»Meine, meine, meine!« brüllte Barbara und riß ihm die Ente wieder weg.

»Kinder, Kinder!« Mistreß Banks rang verzweifelt die Hände. »Seid still, oder ich werde verrückt!«

Einen Augenblick trat Ruhe ein, während alle gespannt auf die Mutter starrten. Wurde sie wirklich verrückt? fragte sie sich. Und was geschah dann?

»Nein«, sagte Mistreß Banks. »So benimmt man sich nicht. Die arme Ellen hat sich den Knöchel verstaucht, und es ist keiner mehr da, um auf euch aufzupassen. Ihr müßt in den Park hinüber und bis zum Tee dort spielen. Jane und Michael, gebt schön acht auf die beiden Kleinen! John, laß die Ente jetzt Barbara; du bekommst sie später, wenn du zu Bett gehst. Michael, du darfst deinen neuen Drachen mitnehmen. Nun holt eure Hüte, und fort mit euch!«

»Aber ich möchte mein Pferd fertigmalen . . .«, begann Michael zu maulen.

»Warum müssen wir in den Park?« beschwerte sich Jane. »Dort ist es so langweilig!«

»Weil ich endlich Ruhe haben muß!« sagte Mistreß Banks. »Wenn ihr jetzt weggeht und artige Kinder seid, gibt es Kokosnußmakronen zum Tee.«

Und bevor sie Zeit fanden, noch einmal aufzubegehren, hatte sie ihnen die Hüte aufgesetzt und schob sie die Treppe hinunter.

»Guckt erst nach beiden Seiten!« rief sie ihnen nach, als sie durchs Tor gingen. Jane schob den Kinderwagen mit den Zwillingen, und Michael trug seinen Drachen.

Die Kinder blickten nach rechts. Von dort kam nichts.

Sie blickten nach links. Dort war niemand, nur der Eismann, der am unteren Ende der Straße herumklingelte.

Jane eilte über die Straße.

Michael folgte ihr dicht auf dem Fuß.

»Ich hasse dieses Leben«, sagte er unglücklich zu seinem Drachen. »Immer geht alles schief.«

Jane schob den Kinderwagen bis zum Teich.

»Nun«, sagte sie, »gebt mir die Ente!«

Die Zwillinge kreischten und umklammerten krampfhaft ihr Spielzeug. Jane bog ihnen die Fingerchen auf.

»Guckt!« sagte sie und warf die Ente in den Teich. »Guckt, meine Herzchen, jetzt schwimmt sie nach Indien!«

Die Ente trieb auf dem Wasser davon. Die Zwillinge starrten ihr nach und schluchzten.

Jane rannte um den Teich herum, griff die Ente auf und schubste sie wieder ins Wasser.

»Jetzt«, sagte sie fröhlich, »ist sie auf dem Wege nach Southampton!«

Den Zwillingen schien es keinen Spaß zu machen.

»Jetzt geht's nach New York!« Die Zwillinge jammerten noch heftiger.

Jane zuckte ratlos die Achseln. »Michael, was machen wir bloß mit ihnen? Wenn wir ihnen die Ente geben, zanken sie sich darum, und tun wir's nicht, so heulen sie weiter.«

»Ich lasse den Drachen für sie steigen«, sagte Michael. »Guckt, Kinderchen, guckt!«

Er hielt den wundervollen gelbgrünen Drachen hoch und begann, die Schnur abzuwickeln. Die Zwillinge sahen mit tränenvollen Augen zu und zeigten keinerlei Interesse. Michael hob den Drachen über den Kopf und lief ein kleines Stück. Der Drachen flatterte einen Augenblick in der Luft und purzelte dann heimtückisch ins Gras.

»Versuch's noch mal!« sprach Jane ihm Mut zu.

»Halte du ihn hoch, während ich laufe«, sagte Michael.

Diesmal stieg der Drachen ein wenig höher. Aber als er in der Luft trieb, verfing sich sein langer, mit Papierstreifen besetzter Schweif in den Ästen einer Linde, und der Drachen baumelte hilflos zwischen den Zweigen.

Die Zwillinge jauchzten vor Wonne.

»Du meine Güte!« sagte Jane. »Nichts klappt heute!«

»Hallo, hallo, hallo! Was gibt's denn?« sagte hinter ihnen eine Stimme.

Sie drehten sich um und erblickten den Parkaufseher, der in seiner Uniform und seiner Schirmmütze sehr eindrucksvoll wirkte. Mit der Spitze seines Stocks spießte er die umherliegenden Papierfetzen auf. Jane zeigte mit dem Finger auf den Lindenbaum. Der Parkaufseher blickte hoch. Sein Gesicht wurde sehr ernst.

»Aber, aber! Ihr verletzt ja die Vorschriften. Wir dulden hier kein Gerümpel, das wißt ihr — weder auf der Erde noch auf den Bäumen. Das ist nicht gestattet.«

»Das ist kein Gerümpel. Das ist ein Drachen«, belehrte ihn Michael.

Ein milder, sanfter, törichter Ausdruck zeigte sich auf dem Gesicht des Parkaufsehers. Er trat an die Linde heran.

»Ein Drachen? Wahrhaftig! Und ich habe keinen Drachen mehr stei-gen lassen, seit ich ein kleiner Junge war!« Mit einem Sprung kletterte er in den Baum hinauf und kam, den Drachen zärtlich unterm Arm, wieder herunter.

»So«, sagte er aufgeregt, »nun wickeln wir die Schnur wieder auf, nehmen einen Anlauf und lassen ihn fliegen.« Er streckte die Hand nach der Spule aus.

Michael drückte sie heftig an sich.

»Besten Dank, aber ich möchte ihn selbst fliegen lassen.«

»Natürlich, aber ich darf dir doch dabei helfen, nicht wahr?« sagte der Parkaufseher bescheiden. »Wo ich doch für dich auf den Baum geklettert bin und keinen Drachen mehr hab steigen lassen, seit ich ein kleiner Junge war!«

»Na schön«, sagte Michael, denn er wollte nicht unfreundlich erscheinen.

»Ach, ich danke dir, ich danke dir!« rief der Parkaufseher fröhlich. »Jetzt nehme ich den Drachen und gehe zehn Schritte über den Rasen. Und wenn ich rufe >los<, dann fängst du an zu laufen. Verstanden?«

Der Parkaufseher entfernte sich und zählte dabei laut seine Schritte. »Acht, neun, zehn!«

Er machte kehrt und hob den Drachen über den Kopf. »Los!«

Michael begann zu laufen.

»Mehr Schnur geben!« brüllte der Parkaufseher.

Michael hörte hinter seinem Rücken ein sanftes Flattern. Er spürte einen Zug an der Schnur, als sich die Spule in seiner Hand drehte.

»Er fliegt!« rief der Parkaufseher.

Michael blickte zurück. Der Drachen segelte durch die Luft und stieg gleichmäßig. Höher und höher strebte er, ein winziger gelbgrüner Fleck, der sich im Blauen verlor. Dem Parkaufseher traten fast die Augen aus dem Kopf. »So was von Drachen hab ich noch nie gesehen. Selbst nicht als kleiner Junge«, murmelte er und starrte in die Höhe.

Ein lichtes Wölkchen zog über die Sonne und schwebte weiter am Himmel entlang. »Es treibt auf den Drachen zu«, flüsterte Jane aufgeregt.

Höher und höher stieg der unruhig schwänzelnde Drachen; wie ein Pfeil bohrte er sich in die Luft, bis er am Himmel nur noch als schwaches dunkles Pünktchen zu sehen war. Die Wolke trieb langsam auf ihn zu. Näher und näher!

»Weg ist er!« sagte Michael, als der Punkt hinter dem dünnen grauen Vorhang verschwand.

Jane stieß einen kleinen Seufzer aus. Die Zwillinge saßen friedlich in ihrem Kinderwagen. Eine seltsame Ruhe lag über ihnen allen. Die straff gespannte Schnur, die von Michaels Hand aufstieg, schien sie alle mit der Wolke zu verbinden und die Erde mit dem Himmel. Mit angehaltenem Atem warteten sie darauf, daß der Drachen wieder erschien.



Plötzlich konnte Jane es nicht länger aushalten.

»Michael«, schrie sie, »hol ein, hol ein!«

Sie legte die Hand auf die straff gespannte, zitternde Schnur.

Michael drehte den Stock und zog lang und heftig an der Schnur. Sie blieb straff und gab nicht nach. Wieder zog er, keuchend und schnaufend.

»Ich schaff's nicht«, sagte er. »Er kommt nicht.«

»Ich helfe!« sagte Jane. »Jetzt — zieh!«

Aber, sosehr sie sich auch anstrengten, die Schnur gab nicht nach, und der Drachen blieb hinter der Wolke versteckt.

»Laßt mich mal!« sagte der Parkaufseher wichtig. »Als ich ein Junge war, da machten wir es so!«

Er legte oberhalb von Janes Finger seine Hand auf die Schnur und zog kurz und scharf. Die Schnur schien ein wenig nachzugeben.

» Und jetzt — alle miteinander — zieht! « brüllte er.

Dem Parkaufseher fiel die Mütze vom Kopf, Jane und Michael stemmten ihre Füße fest ins Gras und zogen aus allen Kräften.

»Er kommt!« schnaufte Michael.

Plötzlich erschlaffte die Schnur; ein kleines wirbelndes Etwas schoß durch die graue Wolke und kam herabgesegelt.

»Winde die Schnur auf!« rief der Parkaufseher und warf Michael einen Blick zu.

Aber die Schnur wand sich schon von selbst um die Spule.

Langsam, ganz langsam kam der Drachen herunter, schlug Purzelbäume in der Luft und tanzte wild am Ende seiner zuckenden Schnur.

Jane japste plötzlich.

»Da ist etwas passiert!« schrie sie. »Das ist nicht unser Drachen. Es ist ein ganz anderer!«

Sie starrten hinauf.

Es war wirklich so. Der Drachen war nicht mehr gelbgrün. Er hatte die Farbe gewechselt und war jetzt marineblau. Er kam herunter, tanzend und hüpfend.

Plötzlich stieß Michael einen Schrei aus.

»Jane! Jane! Das ist gar kein Drachen. Es sieht aus wie — oh, es sieht aus wie —«

»Mach doch, Michael, schneller!« keuchte Jane. »Ich kann's kaum erwarten!«

Denn jetzt wurde über den höchsten Bäumen des Parkes das Gebilde am Ende der Drachenschnur deutlich. Keine Rede mehr von dem gelbgrünen Drachen! An seiner Stelle tanzte eine Gestalt, die ihnen bei aller Seltsamkeit dennoch bekannt vorkam, eine Gestalt, die einen blauen Mantel mit Silberknöpfen trug und einen mit Stiefmütterchen bekränzten Strohhut. Festgeklemmt unter dem Arm hatte sie einen Regenschirm mit einem Papageienkopf als Krücke; linker Hand baumelte eine braune

Plüschreisetasche, während die Rechte mit festem Griff das Ende der Drachenschnur hielt.

»Oh!« schrie Jane triumphierend. »Sie ist es!«

»Ich wußte es!« brüllte Michael; seine Hand zitterte beim raschen Aufwinden der Schnur.

»Seltsamer Vogel!« sagte der Parkaufseher und grinste. »Seltsamer Vogel!«

Immer näher segelte die merkwürdige Gestalt; ihre Füße streiften schon fast die Baumwipfel. Sie konnten jetzt ihr Gesicht erkennen und die wohlvertrauten Züge — kohlschwarzes Haar, blitzende blaue Augen und eine Stupsnase wie bei einer Holländerpuppe. Als das letzte Stückchen Schnur sich um die Spule legte, glitt die Gestalt zwischen den Lindenbäumen zu Boden und setzte sauber aufs Gras auf.

Mit einem Schwung warf Michael die Drachenschnur weg und rannte drauflos, Jane eilig hinterher.

»Mary Poppins, Mary Poppins!« schrien sie durcheinander und stürzten auf sie zu.

Hinter ihnen krähten die Zwillinge wie Hähne in der Morgenfrühe, und der Parkaufseher machte abwechselnd den Mund auf und zu, als wollte er etwas sagen, fände aber nicht die richtigen Worte.

»Endlich! Endlich! Endlich!« brüllte Michael wie wild; er umklammerte ihren Arm, ihre Reisetasche, ihren Regenschirm, kurz, alles, was sich nur anfassen ließ, um sich zu überzeugen, daß sie es wirklich und leibhaftig war.

»Wir wußten, du würdest wiederkommen! Wir fanden deinen Brief mit dem >au revoir< am Ende!« rief Jane und warf ihre Arme um den blauen Mantel.

Ein befriedigtes Lächeln zuckte für einen Augenblick über Mary Poppins' Gesicht — vom Mund her, über die Stupsnase bis in die blauen Augen. Aber rasch verschwand es wieder.

»Ich wäre dir dankbar«, bemerkte sie und befreite sich aus Janes Händen, »wenn du dich daran erinnern wolltest, daß dies hier ein öffentlicher Park ist und kein Affenhaus. Was für ein Benehmen! Bin ich denn im Zoo? Und wo sind, wenn ich fragen darf, eure Handschuhe?«

Die Kinder prallten zurück und gruben in ihren Taschen.

»Hm! Zieht sie an, bitte.«

Zitternd vor Freude und Aufregung stopften Jane und Michael ihre Hände in die Handschuhe und setzten ihre Hüte auf.

Mary Poppins trat auf den Kinderwagen zu. Die Zwillinge glucksten vergnügt, als sie sie fester einwickelte und die Decke geradezog. Dann blickte sie sich um.

»Wer hat die Ente in den Teich geworfen?« erkundigte sie sich mit der strengen, unnahbaren Stimme, die alle so gut kannten.

»Ich war's«, sagte Jane. »Wegen der Zwillinge. Die Ente schwamm nach New York.«

»Na, dann hol sie mal wieder her!« sagte Mary Poppins. »Sie schwimmt nicht nach New York — wo immer das sein mag —, sondern nach Hause zum Tee.«

Nachdem sie ihre Reisetasche über den Griff des Kinderwagens hatte gleiten lassen, begann sie, die Zwillinge nach dem Ausgang zu schieben.

Der Parkaufseher, der plötzlich seine Stimme wiedergefunden hatte, stellte sich ihr in den Weg.

»Hören Sie mal«, sagte er und glotzte. »Ich muß einen Bericht machen. Es ist gegen alle Vorschriften. Geradewegs vom Himmel zu fallen, so wie Sie! Und woher, möchte ich gern wissen, woher?«

Er brach ab, denn Mary Poppins blickte an ihm hinauf und hinunter, auf eine Art, daß er sich weit weg wünschte.

»Wenn ich Parkaufseher wäre«, bemerkte sie kurz, »würde ich meine Mütze aufsetzen und mir den Rock zuknöpfen. Entschuldigen Sie.«

Und ihn hochnäsig zur Seite fegend, schob sie den Kinderwagen an ihm vorüber.

Mit rotem Kopf bückte sich der Aufseher, um seine Mütze aufzuheben. Als er wieder aufblickte, waren Mary Poppins und die Kinder bereits durch das Tor von Kirschbaumweg Nummer siebzehn verschwunden.

Er blickte verdutzt auf den Weg. Dann starrte er zum Himmel empor und danach wieder auf den Weg.

Er nahm die Mütze ab, kratzte sich den Kopf und setzte sie wieder auf.

»So was hab ich noch nicht erlebt!« sagte er kopfschüttelnd. »Nicht mal als kleiner Junge!« Und vor sich hin murmelnd ging er verstört davon.

»Ei, das ist ja Mary Poppins!« sagte Mistreß Banks, als sie in die Diele traten. »Wo kommen Sie denn her? Aus blauem Himmel?«

»Jawohl«, begann Michael vergnügt, »sie kam herunter am Ende einer . . .«

Er brach plötzlich ab, denn Mary Poppins hatte ihm einen ihrer fürchterlichen Blicke zugeworfen.

»Ich fand sie im Park, Madam«, sagte sie, sich an Mistreß Banks wendend, »und so brachte ich sie nach Haus.«

»Sie sind also gekommen, um zu bleiben?«

»Vorläufig, Madam.«

»Aber als Sie das letztemal hier waren, Mary Poppins, haben Sie mich ohne ein Wort der Kündigung verlassen. Woher soll ich denn wissen, daß Sie es diesmal nicht wieder tun?«

»Das können Sie nicht«, entgegnete Mary Poppins ungerührt.

Mistreß Banks sah reichlich verdutzt aus.

»Aber — aber, wollen Sie denn wirklich?« fragte sie unsicher.

»Ich kann's nicht sagen, Madam, wirklich nicht.«

»Ach!« sagte Mistreß Banks, weil ihr nichts Besseres einfiel.

Aber ehe sie sich von ihrer Überraschung erholt hatte, hatte Mary Poppins schon ihre Reisetasche ergriffen und drängte die Kinder die Treppe hinauf.

Mistreß Banks, die ihnen nachblickte, hörte, wie die Tür zum Kinderzimmer sich leise schloß. Mit einem Seufzer der Erleichterung lief sie ans Telefon.

»Mary Poppins ist zurückgekommen!« rief sie glücklich in den Hörer.

»Ach wirklich?« sagte Mister Banks am anderen Ende. »Dann komm ich vielleicht auch.«

Und er hängte ab.

Eine Treppe höher zog Mary Poppins ihren Mantel aus. Sie hängte ihn an einen Haken hinter der Tür zum Kinderschlafzimmer. Dann legte sie den Hut ab und setzte ihn ordentlich auf einen der Bettpfosten.

Jane und Michael verfolgten die vertrauten Bewegungen. Alles an ihr war genauso wie immer. Sie konnten kaum noch glauben, daß sie jemals weg gewesen war.

Mary Poppins bückte sich und öffnete die Reisetasche.

Mit Ausnahme eines großen Thermometers war sie völlig leer.

»Wozu ist denn das?« fragte Jane neugierig.

»Für dich«, sagte Mary Poppins.

»Aber ich bin doch nicht krank«, protestierte Jane. »Es ist zwei Monate her, daß ich die Masern hatte.«

»Mund auf!« sagte Mary Poppins mit einer Stimme, vor der Jane schleunigst die Augen schloß und den Mund aufsperrte. Das Thermometer glitt hinein.

»Ich möchte wissen, wie du dich aufgeführt hast, während ich weg war«, bemerkte Mary Poppins streng. Dann nahm sie das Thermometer heraus und hielt es ans Licht.

»Unachtsam, gedankenlos und liederlich!« las sie ab.

Jane erstarrte.

»Hm!« sagte Mary Poppins und steckte Michael das Thermometer in den Mund. Er hielt es fest zwischen die Lippen geklemmt, bis sie es herauszog und ablas:

»Ein sehr geräuschvoller, mutwilliger und unruhiger Junge.«

»Das bin ich nicht«, sagte er aufgebracht.

Statt aller Antwort hielt sie ihm das Thermometer unter die Nase, und er entzifferte die großen roten Buchstaben.

»E—i—n s—e—h—r g—e—r-!«

»Siehst du wohl?« sagte Mary Poppins mit einem triumphierenden Blick. Sie öffnete John das Mäulchen und steckte das Thermometer hinein.

»Launisch und leicht aufgeregt.« Das war Johns Temperatur.

Und als Barbara gemessen war, las Mary Poppins folgende Worte ab: »Durch und durch verwöhnt.«

»Hm«, schnaufte sie. »Höchste Zeit, daß ich zurückkam.«

Dann steckte sie es schnell in ihren eigenen Mund, beließ es dort einen Augenblick und zog es heraus.

»Eine ausgezeichnete, höchst ehrenwerte Person, durchaus verläßlich in jeder Beziehung.«

Ein erfreutes und geschmeicheltes Lächeln erhellte ihr Gesicht, als sie ihre Temperatur laut vorlas.

»Das dachte ich mir«, sagte sie, von sich selbst überzeugt.

Es dauerte ihrem Gefühl nach kaum mehr als eine Minute, bis die Kinder ihre Milch ausgetrunken und ihre Kokosnußplätzchen gegessen hatten, bis sie danach gebadet und wieder abgetrocknet waren. Wie üblich, geschah alles, was Mary Poppins tat, mit Blitzgeschwindigkeit. Haken und Ösen lösten sich wie von selbst, Knöpfe sprangen eifrig aus ihren Löchern, Schwamm und Seife glitten auf und ab wie geölt, und Handtücher trockneten ab ohne langes Rubbeln. Mary Poppins wanderte die Reihe der Betten entlang und steckte alle unter die Decken. Ihre gestärkte weiße Schürze knisterte, und sie roch höchst angenehm nach frisch geröstetem Toast.

Als sie an Michaels Bett kam, bückte sie sich und fuhrwerkte eine Weile darunter herum. Dann zog sie vorsichtig ein Feldbett hervor, auf dem ihre Habseligkeiten sorgfältig aufgestapelt lagen: das große Stück Sunlichtseife, die Zahnbürste, das Paket Haarnadeln, die Parfümflasche, der kleine, zusammenlegbare Armsessel, die Schachtel mit Hustenpastillen. Außerdem die sieben Flanellnachthemden, die vier baumwollenen, die Stiefel, die Dominosteine, die beiden Bademützen und das Postkartenalbum.

Jane und Michael setzten sich auf und staunten.

»Woher kommt das alles denn her?« fragte Michael. »Ich bin mindestens hundertmal unter mein Bett gekrochen, und ich weiß bestimmt, das war vorher nicht da.«

Mary Poppins antwortete nicht. Sie hatte angefangen, sich auszuziehen.

Jane und Michael wechselten heimliche Blicke. Sie wußten, es hatte keinen Zweck zu fragen, Mary Poppins erklärte nie etwas.

Sie nahm den gestärkten weißen Kragen ab und fingerte am Verschluß einer Kette herum, die sie um den Hals trug.

»Was ist denn da drin?« erkundigte sich Michael und blickte auf ein kleines goldenes Medaillon am Ende der Kette.

»Ein Bild.«

»Wessen Bild?«

»Das erfahrt ihr, wenn es an der Zeit ist — nicht eher«, versetzte sie kurz.

»Wann ist es Zeit?«

»Wenn ich weggehe.«

Sie starrten sie mit erschreckten Augen an.

»Aber, Mary Poppins«, schrie Jane, »du willst uns doch nicht wieder verlassen, oder doch? Ach bitte, sag nein!«

Mary Poppins warf ihr einen Blick zu.

»Ein schönes Leben wäre das für mich«, bemerkte sie, »wenn ich all meine Tage mit euch verbringen müßte!«

»Aber du bleibst, gelt?« setzte Jane ihr eifrig zu.

Mary Poppins ließ das Medaillon auf ihrer Handfläche tanzen.

»Ich bleibe, bis die Kette bricht«, erklärte sie kurz.

Und das Nachthemd über den Kopf streifend, begann sie, sich darunter auszuziehen.

»Dann ist alles in Ordnung«, flüsterte Michael zu Jane hinüber. »Ich hab gesehen, die Kette ist sehr stark!«

Er nickte ihr aufmunternd zu. Sie kuschelten sich in ihre Betten und sahen zu, wie Mary Poppins geheimnisvoll unter dem Zelt ihres Nachthemdes herumhantierte. Und sie dachten an den Abend ihrer ersten Ankunft im Kirschbaumweg und an all die seltsamen und wunderbaren Abenteuer, die sich danach ereignet hatten; wie sie an ihrem Schirm davongeflogen war, als der Wind umschlug; an die langen, trübseligen Tage ohne sie und daran, wie sie heute nachmittag auf so wunderbare Weise vom Himmel herabgestiegen war.

Plötzlich fiel Michael etwas ein. »Mein Drachen!« sagte er und setzte sich im Bett auf. »Den habe ich ganz vergessen! Wo ist mein Drachen?«

Mary Poppins' Kopf tauchte über dem Halsausschnitt ihres Nachthemds auf. »Drachen?« fragte sie unwirsch. »Welcher Drachen? Was für ein Drachen?«

»Mein gelbgrüner Drachen mit dem langen Schwanz. Der, mit dem du heruntergekommen bist, am Ende der Schnur.«

Mary Poppins starrte ihn an. Er hätte nicht sagen können, ob sie mehr erstaunt war oder mehr böse, aber sie sah aus, als wäre sie beides.

Und als sie sprach, war ihre Stimme noch fürchterlicher als ihr Blick.

»Hab ich recht gehört, du sagtest, daß . . .«, wiederholte sie die Worte langsam zwischen den Zähnen — »daß ich von irgendwo herunterkam und gar am Ende einer Schnur?«

»Aber so war's doch!« stotterte Michael. »Heute. Aus einer Wolke heraus. Wir haben dich gesehen.«

»Am Ende einer Schnur? Wie ein Affe, oder wie ein Brummkreisel? Ich, Michael Banks?«

In ihrer Wut schien Mary Poppins zu doppelter Größe anzuwachsen.

Sie schwebte in ihrem Nachthemd drohend über ihm, großmächtig und zornig, in Erwartung seiner Antwort.

Er zog hilfesuchend die Bettdecke über den Kopf.

»Sag ja nichts mehr, Michael!« wisperte Jane warnend aus ihrem Bett herüber. Aber er war zu weit gegangen, um noch einhalten zu können.

»Dann — wo ist dann mein Drachen?« sagte er vorwitzig. »Wenn du nicht herabgeschwebt bist auf — auf die Art, wie ich sagte —, wo ist dann mein Drachen? Er war nicht mehr am Ende der Schnur.«

»Oho! Und ich war's, nehme ich an?« fragte sie mit einem spöttischen Lachen.

Jetzt sah er ein, daß es keinen Zweck hatte, weiter zu gehen. Er konnte sich nicht deutlich genug ausdrücken. Also mußte er aufgeben.

»N . . . ein«, sagte er kleinlaut. »Nein, Mary Poppins.«

Sie drehte sich um und knipste das elektrische Licht aus.

»Eure Manieren«, bemerkte sie scharf, »sind auch nicht besser geworden, seit ich wegging! Am Ende einer Schnur, so was! Nie im Leben bin ich so beleidigt worden. Niemals!«

Und mit einer wütenden Armbewegung schlug sie ihre Bettdecke zurück, plumpste ins Bett hinein und zog die Decke bis über die Ohren.

Michael lag ganz still, fest in seine Bettdecke gewickelt.

»Und sie hat's doch getan. Wir haben's ja gesehen«, flüsterte er nach einer kleinen Weile zu Jane hinüber.

Aber Jane antwortete nicht. Statt dessen deutete sie nach der Tür des Kinderschlafzimmers.

Vorsichtig hob Michael den Kopf.

Hinter der Tür, an einem Haken, hing Mary Poppins' Mantel; die silbernen Knöpfe schimmerten im Schein des Nachtlichts. Und aus der Tasche hing eine Schnur mit Papierschnitzeln, die Schnur eines gelbgrünen Drachens.

Lange Zeit starrten sie unverwandt darauf hin.

Dann nickten sie sich zu. Sie wußten, es ließ sich nichts darüber sagen, denn bei Mary Poppins gab es Dinge, die sie niemals verstehen würden. Aber — sie war wieder da. Das war die Hauptsache. Ihr gleichmäßiger Atem drang vom Feldbett zu ihnen herüber. Sie fühlten sich friedvoll und glücklich und wohl aufgehoben.

»Ich hab nichts dagegen, Jane, wenn es einen purpurfarbenen Schwanz bekommt«, flüsterte Michael dann.

»Nein, Michael!« sagte Jane. »Ich glaube wirklich, ein ziegelroter wäre schöner.«

Danach wurde es still im Kinderzimmer, und nichts war mehr zu hören als der ruhige Atem der Schlafenden . ..

»P—p! P—p!« machte Mister Banks' Pfeife'.

»Klick, klick!« machten Mistreß Banks' Stricknadeln.

Mister Banks setzte seine Füße aufs Kamingitter in seinem Arbeitszimmer und schnarchte ein bißchen.

Nach einem Weilchen sprach Mistreß Banks.

»Hast du immer noch vor, eine lange Seereise zu machen?« fragte sie.

»Hm, ich glaube nicht. Ich werde zu leicht seekrank. Und mein Hut ist wieder ganz in Ordnung. Ich hab ihn vom Schuhputzer an der Ecke ganz und gar überpolieren lassen, und jetzt sieht er wieder aus wie neu. Sogar noch besser. Außerdem wird jetzt, wo Mary Poppins wieder da ist, mein Rasierwasser nicht mehr zu heiß sein.«

Mistreß Banks lächelte vor sich hin und strickte weiter.

Sie war recht froh darüber, daß Mister Banks ein schlechter Seefahrer und daß Mary Poppins wieder da war.

Unten in der Küche machte Mistreß Brill einen frischen Umschlag um Ellens Knöchel.

»Ich hab nicht viel von ihr gehalten, als sie damals hier war!« sagte Mistreß Brill. »Aber ich muß sagen, seit heute nachmittag ist dies hier ein anderes Haus geworden. So ruhig wie ein Sonntagmorgen und so sauber wie ein neues Nickelstück. Ich bin nicht traurig darüber, daß sie wieder da ist.«

»Ich auch nicht, wahrhaftig!« meinte Ellen dankbar.

»Und ich ebensowenig«, sagte Robertson Ay, der durch die Wand des Besenschranks die Unterhaltung belauschte. »Jetzt werd ich wieder ein bißchen mehr Ruhe haben.«

Er setzte sich auf dem umgestülpten Kohleneimer bequem zurecht und fiel, den Kopf an eine Bürste gelehnt, wieder in Schlaf.

Wie Mary Poppins darüber dachte, das erfuhr jedoch keiner, denn sie behielt ihre Gedanken für sich und erzählte keine m Menschen ein Wort.

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