Die Iss-nicht-unbesorgt-Ethik hat sich im Laufe der Jahrtausende immer weiterentwickelt und in unterschiedlichen Kulturen zu unterschiedlichen ethischen Vorstellungen geführt: In Indien wurde das Essen von Kühen verboten, im Islam und im Judentum herrscht das Gebot der schnellen Schlachtung, in der russischen Tundra behaupteten die Jakuten, die Tiere wollten geschlachtet werden. Aber diese Ethik hielt sich nicht.

Die Iss-nicht-unbesorgt-Ethik ist nicht im Laufe der Zeit obsolet geworden, sondern sie ist plötzlich gestorben. Beziehungsweise sie wurde getötet.

Der erste Fließbandarbeiter

IN DEN 1820ER- UND 1830ER-JAHREN wurde in den ersten Fleischverarbeitungsbetrieben (vulgo: Schlachthöfen) zuerst in Cincinnati und dann in Chicago das Fachwissen der Schlachter durch Arbeiterkolonnen ersetzt. Sie verrichteten an einer Schlachtstraße eine koordinierte Abfolge von Arbeitsschritten, die Verstand, Muskeln und Gelenke gleichermaßen taub machte. Anhängen, stechen und entbluten, Kopf absetzen, Schwanz abtrennen, Füße abtrennen, Haut abziehen, ausweiden und das ganze Tier spalten (unter anderem). Nach seiner eigenen Aussage hat die Effizienz dieses Vorgehens Henry Ford dazu inspiriert, das Modell auf die Automobilindustrie zu übertragen, was zu einer Revolution der Produktionsmethoden führte. (Ein Auto zusammenzusetzen ist dasselbe, wie ein Rind auseinanderzunehmen, nur umgekehrt.)

Der Druck, das Schlachten und Verarbeiten immer effizienter zu gestalten, ging teilweise mit den Fortschritten im Eisenbahnverkehr einher, beispielsweise mit der Erfindung des Kühlwagens 1879, mit dem es möglich war, immer größere Mengen Rindfleisch über immer weitere Strecken zu transportieren.

Heute ist es nicht ungewöhnlich, dass Fleisch um die halbe Welt reist, bis es im Supermarkt landet. Die durchschnittliche Entfernung, die unser Fleisch zurücklegt, liegt bei etwa 2500 Kilometern. Als würde ich zum Mittagessen von Brooklyn zum Texas Panhandle fahren.

1908 wurden für diese Art der Arbeitsteilung Förderbänder eingeführt und gestatteten es eher den Aufsehern als den Arbeitern, das Arbeitstempo vorzugeben. Mehr als 80 Jahre lang wurde das Tempo immer weiter gesteigert – in vielen Fällen hat es sich verdoppelt oder sogar verdreifacht –, was erwartungsgemäß dazu führte, dass es bei immer mehr Schlachtungen zu Fehlern kam und entsprechend viele Arbeitsunfälle passierten.

Trotz dieser Entwicklungen in der Verarbeitung wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts Tiere auf Farmen und Ranches zum größten Teil auf dieselbe Weise wie immer gehalten – so, wie die meisten Menschen es sich weiterhin vorstellen. Die Farmer waren noch nicht auf die Idee gekommen, lebende Tiere wie tote zu behandeln.

Die erste Massentierhalterin

1923 ERLEBTE DIE HAUSFRAU CELIA STEELE aus Ocean View auf der Halbinsel Delmarva (Delaware, Maryland und Virginia) ein fast schon lustiges Missgeschick und gab damit weltweit die Initialzündung für die moderne Geflügelindustrie und die industrielle Landwirtschaft. Steele, die die kleine Geflügelschar ihrer Familie versorgte, erhielt angeblich eine Lieferung von 500 Küken statt der 50, die sie bestellt hatte. Aber statt sie irgendwie loszuwerden, beschloss sie auszuprobieren, ob sie die Tiere im Winter drinnen halten konnte. Mithilfe neu entwickelter Futterzusätze überlebten die Vögel, und sie experimentierte weiter. 1926 besaß Steele bereits 10 000 Vögel, und 1935 waren es 250 000. (Die durchschnittliche Größe einer Schar lag 1930 in Amerika bei 23 Tieren.)

Nur zehn Jahre nach Steeles Durchbruch war die Halbinsel Delmarva das Geflügelzentrum der Welt. Sussex County in Delaware produziert heute mehr als 250 Millionen Masthühnchen im Jahr, fast doppelt so viele wie jedes andere County. Geflügelproduktion ist der wichtigste Wirtschaftszweig der Region und der wichtigste Verschmutzungsfaktor. (Ein Drittel des Grundwassers in den ländlichen Gebieten von Delmarva ist nitratverseucht.)

Eng zusammengepfercht und monatelang ohne Tageslicht und Bewegung hätten Steeles Vögel niemals überlebt, wenn man nicht kurz zuvor die positive Wirkung von Vitamin-Aund – D-Zusätzen im Hühnerfutter entdeckt hätte. Steele hätte die Küken auch gar nicht bestellen können, wenn nicht schon zuvor Brütereien mit Brutkästen aufgekommen wären. Unzählige Kräfte – Generationen von Technologien – wurden gebündelt und verstärkten einander auf unerwartete Weise.

1928 versprach Herbert Hoover »ein Huhn für jeden Topf«. Das Versprechen sollte eingehalten und übertroffen werden, aber nicht so, wie sich das irgendjemand vorgestellt hatte. Anfang der 1930er-Jahre traten Architekten der Massentierhaltung wie Arthur Perdue und John Tyson ins Geflügelgeschäft ein. Sie förderten die neu entstehende moderne industrielle Landwirtschaftswissenschaft und brachten bis zum Zweiten Weltkrieg eine ganze Reihe von »Innovationen« in die Geflügelproduktion ein. Mit staatlicher Förderung produzierte Hybridgetreide waren ein billiges Futter, das schon bald über Fließbänder automatisch zu den Tieren gebracht wurde. Das Schnabelkürzen – das normalerweise bei frisch geschlüpften Küken mit einer heißen Klinge durchgeführt wird – wurde erfunden und dann automatisiert (der Schnabel ist das wichtigste Tastorgan des Huhns). Automatische Beleuchtung und Belüftung ermöglichten eine noch dichtere Belegung der Ställe und schließlich die inzwischen übliche Manipulation des Wachstums durch kontrollierte Beleuchtung.

Jeder Aspekt des Hühnerlebens wurde so manipuliert, dass die Tiere bei weniger Kosten mehr Fleisch produzieren. Und dann war es Zeit für den nächsten Durchbruch.

Das erste

Chicken of Tomorrow

1946 RICHTETE DIE GEFLÜGELINDUSTRIE den Blick auf die Genetik und schrieb mit Unterstützung des Agrarministeriums einen Wettbewerb um das »Chicken of Tomorrow« (»Huhn von morgen«) aus. Der Sieger war eine Überraschung: Charles Vantress aus Marysville, Kalifornien. (Bis dahin waren die meisten Zuchtrassen aus Neuengland gekommen.) Vantress’ rotfedrige Kreuzung aus Cornish-und New-Hampshire-Huhn führte das Cornish in die Zucht ein, das einer Fachzeitschrift der Industrie zufolge für »die breitbrüstige Erscheinung« sorgte, die »bald nach dem Krieg vom Markt verlangt werden würde«.

In den 1940er-Jahren wurden außerdem Sulfonamid und Antibiotika im Hühnerfutter eingeführt, um das Wachstum zu fördern und Krankheiten einzudämmen, die durch das Leben in Gefangenschaft aufkamen. Futter-und Medikamentenpläne für die »Hühner von morgen« wurden weiterentwickelt, und ab den 1950er-Jahrengab es nicht mehr »das Huhn«, sondern es gab zwei ganz unterschiedliche Sorten – eine für Eier, eine für Fleisch.

Die Genetik der Hühner wurde ebenso gründlich manipuliert wie ihr Futter und ihre Umgebung, damit sie entweder große Mengen Eier produzierten (Legehennen) oder Fleisch, vor allem Brustfleisch (Masthühner). Zwischen 1935 und 1995 stieg das Durchschnittsgewicht eines Masthuhns um 65 Prozent, während seine Lebensdauer bis zur Schlachtung um 60 Prozent verkürzt und der Futterbedarf um 57 Prozent gesenkt wurde. Zur Verdeutlichung, wie radikal diese Veränderungen waren, stellen Sie sich vor, ein Kind ernährt sich ausschließlich von Müsliriegeln und Vitamintabletten und wächst in zehn Jahren auf 140 Kilo heran.

Diese Manipulation der Genetik des Huhns war nicht nur ein Punkt unter vielen: Sie legte auch fest, wie die Vögel gehalten werden mussten. Nach den genetischen Veränderungen wurden Medikamente nicht mehr allein wegen des Profits eingesetzt, sondern anders wären die Vögel schlicht nicht mehr »gesund« gewesen, und in Freiheit hätten sie vielleicht nicht mal überlebt.

Noch schlimmer ist, dass diese genetisch grotesken Vögel nicht nur einen Teil der Industrie ausmachen – sie sind praktisch die einzigen Hühner, die noch zum Verzehr gezüchtet werden. Es gab in Amerika einmal Dutzende Hühnerrassen (zum Beispiel Jersey Giants, New Hampshire, Plymouth Rock), die jeweils an die Bedingungen in ihrer Region angepasst waren. Jetzt haben wir nur noch Fabrikhühner.

In den 1950er-und 1960er-Jahren erreichten die Geflügel-unternehmen die totale vertikale Integration. Sie besaßen den Genpool (heute sind drei Viertel der Genetik sämtlicher Masthühner der Welt in der Hand von zwei Firmen), die Vögel selbst (die Farmer versorgen sie nur wie Betreuer im Ferienlager), die benötigten Medikamente, Futter, Schlachthäuser, Verarbeitungsbetriebe und Handelsmarken. Nicht nur die Technik hatte sich verändert: Die Artenvielfalt wurde durch genetische Einheitlichkeit ersetzt, das Studienfach »Viehzucht« wurde in »Tierwissenschaften« umbenannt, ein Geschäftsbereich, der einst vornehmlich von Frauen betrieben wurde, wurde von Männern übernommen, und fachkundige Farmer wurden durch Lohnarbeiter ersetzt. Niemand hat einen Startschuss für das Rennen an den Tiefpunkt abgefeuert. Die Erde hat sich nur ein wenig geneigt, und alle sind in den Abgrund gerutscht.

Der erste Massentierhaltungsbetrieb

DER INDUSTRIELLE BETRIEB war eher ein Vorfall als eine Innovation. Kahle Sicherheitsstreifen verdrängten Weiden, Gebäudekomplexe für die Massentierhaltung wurden hochgezogen, wo vorher Scheunen standen, und genetisch manipulierte Tiere – Vögel, die nicht fliegen können, Schweine, die nicht draußen leben können, Puten, die sich nicht auf natürlichem Wege fortpflanzen können – ersetzten die einst vertraute Gemeinschaft auf dem Bauernhof.

Was bedeuten diese Veränderungen? Jacques Derrida ist einer der ganz wenigen zeitgenössischen Philosophen, die sich mit dieser unbequemen Frage beschäftigt haben. »Wie auch immer man es interpretiert«, sagt er, »welche praktischen, technischen, wissenschaftlichen, rechtlichen, ethischen oder politischen Konsequenzen man auch daraus zieht, niemand kann die beispiellosen Ausmaße der Unterwerfung des Tieres mehr leugnen.« Und er fährt fort:

Eine solche Unterwerfung … kann man im moralisch neutralsten Sinne des Wortes Grausamkeit nennen. … Niemand kann ernsthaft leugnen, oder zumindest nicht sehr lange, dass der Mensch alles tut, um diese Grausamkeit zu verbergen oder vor sich selbst zu verstecken, um auf der ganzen Welt dafür zu sorgen, dass diese Gewalt vergessen oder missverstanden wird.

Amerikanische Geschäftsleute haben im 20. Jahrhundert allein oder gemeinsam mit der Regierung und wissenschaftlichen Institutionen eine ganze Reihe landwirtschaftlicher Revolutionen geplant und durchgeführt. Sie setzten den frühmodernen philosophischen Ansatz (der vor allem von Descartes verfochten wurde), Tiere als Maschinen anzusehen, in die Tat um – mit Tausenden, dann Millionen, inzwischen Milliarden Tieren.

Seit den 1960er-Jahren wurde die Legehenne in den Industriezeitschriften als »nur eine hocheffiziente Umwandlungsmaschine« bezeichnet (Farmer and Stockbreeder),das Schwein sollte »wie eine Maschine in einer Fabrik« sein (Hog Farm Management) und das 21. Jahrhundert ein neues »Computer›Kochbuch‹ mit Rezepten für maßgefertigte Tiere« bringen (Agricultural Research).

Mit solch wissenschaftlicher Hexerei konnten Fleisch, Milch und Eier billig produziert werden. In den vergangenen 50 Jahren, in denen die Massentierhaltung vom Geflügel auf Rinder, Milchkühe und Schweine erweitert wurde, ist der Preis für ein Eigenheim um fast 1500 Prozent gestiegen, für Autos um 1400 Prozent, aber Milch kostet nur 350 Prozent mehr, und der Preis für Eier und Hühnchenfleisch hat sich nicht mal verdoppelt. Wenn man die Inflation mit bedenkt, kostet tierisches Eiweiß heute weniger denn je. (Allerdings nur, solange man die externen Kosten nicht mit einrechnet – Landwirtschaftssubventionen, Umweltbelastung, Humankrankheiten und so weiter –, die den Preis auf ein historisches Hoch treiben.)

Heute ist die Intensivhaltung bei allen Tieren die Regel – zu 99,9 Prozent bei Masthühnern, 97 Prozent bei Legehennen, 99 Prozent bei Puten, 95 Prozent bei Schweinen und 78 Prozent bei Rindern –, aber es gibt immer noch ein paar rührige Alternativen. In der Schweineindustrie kooperieren kleine Farmer, um weitermachen zu können. Nachhaltige Fischereiwirtschaft und Rinderzucht haben enorme Aufmerksamkeit in der Presse und einen wichtigen Marktanteil. Die Umwandlung der Geflügelindustrie allerdings – dem größten und einflussreichsten Zweig der Landwirtschaft (99 Prozent aller geschlachteten Landtiere sind Vögel) – ist so gut wie abgeschlossen. Es klingt unglaublich, aber möglicherweise gibt es in den USA tatsächlich nur noch einen einzigen unabhängigen Geflügelfarmer …

5.

Ich bin der letzte Geflügelfarmer

Mein Name ist Frank Reese, und ich bin Geflügelfarmer. Das war ich schon mein ganzes Leben lang. Ich weiß nicht, woher das kommt. Ich bin auf eine kleine Landschule mit nur einem Klassenraum gegangen. Meine Mutter sagt, einer meiner ersten Aufsätze hieß »Ich und meine Truthähne«.

Ich fand sie schon immer schön, so erhaben. Ich finde es toll, wie sie stolzieren. Ich weiß auch nicht, ich kann das nicht erklären. Ich finde das Muster auf ihrem Gefieder wunderschön. Und ich mag ihre Persönlichkeit, schon immer. Sie sind so neugierig, so verspielt, so freundlich und so voller Lebensfreude.

Ich kann nachts im Haus sitzen und sie hören und weiß sofort, ob es etwas Ernstes ist oder nicht. Nach 60 Jahren in der Gesellschaft von Puten kenne ich ihre Sprache. Ich weiß, wie es sich anhört, wenn bloß zwei Truthähne kämpfen, und wie es sich anhört, wenn ein Opossum im Stall ist. Sie machen ein bestimmtes Geräusch, wenn sie Angst haben, und ein anderes, wenn sie wegen irgendetwas Neuem aufgeregt sind. Einer Mutterpute zuzuhören ist faszinierend. Sie hat eine unglaubliche stimmliche Bandbreite, wenn sie mit ihren Küken spricht. Und die kleinen Küken verstehen sie. Sie kann ihnen zurufen »lauft und springt und versteckt euch unter meinem Gefieder« oder »geht mal hier rüber«. Puten kriegen alles mit, und sie können sich mitteilen – in ihrer Welt, in ihrer Sprache. Ich will ihnen keine menschlichen Eigenschaften zuschreiben, denn sie sind keine Menschen, sie sind Puten. Ich sage nur, was sie sind.

Viele Leute fahren langsamer, wenn sie an meiner Farm vorbeikommen. Ich habe eine Menge Schulklassen und Kirchengruppen und kleine Kinder hier. Manchmal fragen mich Kinder, wie der Truthahn auf den Baum oder auf mein Dach gekommen ist. Ich sage ihnen: »Er ist dahin geflogen!« Und das glauben sie mir nicht. Früher wurden Millionen Puten in Amerika so auf der Weide gehalten. Jahrhundertelang hatte jeder diese Truthähne auf seinem Hof, und jeder hat sie gegessen. Und jetzt sind meine die einzigen, die noch übrig sind, und ich bin der Einzige, der sie so hält.

Keine einzige Pute, die Sie im Supermarkt kaufen können, konnte normal gehen, schon gar nicht springen oder fliegen. Wussten Sie das? Sie können sich nicht mal fortpflanzen. Auch nicht die antibiotikafreien, die Bioputen, die freilaufenden oder irgendwelche. Sie haben alle dieselbe idiotische genetische Ausstattung, mit ihrem Körperbau geht das einfach nicht mehr. Jede Pute in jedem Geschäft und jedem Restaurant ist das Produkt künstlicher Befruchtung. Wenn es nur eine Frage der Effizienz wäre, wäre das die eine Sache, aber diese Tiere sind buchstäblich nicht mehr in der Lage, sich auf natürlichem Wege fortzupflanzen. Was soll denn daran nachhaltig sein?

Diese Burschen hier, denen macht Kälte, Schnee, Eis nichts aus. Mit den modernen Industrieputen wäre das eine schöne Bescherung. Sie würden das nicht überleben. Meine Jungs kommen problemlos mit 30 Zentimetern Schnee zurecht. Und alle meine Puten behalten ihre Krallen; sie behalten ihre Flügel und ihre Schnäbel – da wird nichts abgeschnitten, nichts kaputt gemacht. Wir impfen nicht und füttern keine Antibiotika. Brauchen wir nicht. Unsere Vögel sind den ganzen Tag in Bewegung. Und weil nicht mit ihren Genen herumgespielt wurde, haben sie von Natur aus ein starkes Immunsystem. Wir verlieren keine Vögel. Wenn Sie irgendwo auf der Welt eine gesündere Schar finden, glaube ich das erst, wenn ich es selbst sehe. Was die Industrie kapiert hat – und das war die eigentliche Revolution –, war, dass man keine gesunden Tiere braucht, um Profit zu machen. Kranke Tiere sind profitabler. Die Tiere zahlen den Preis dafür, dass wir jederzeit für sehr wenig Geld alles zur Verfügung haben.

Früher haben wir keine Biosicherheit gebraucht. Sehen Sie sich meine Farm an. Wer möchte, kann vorbeikommen, und ich würde meine Tiere jederzeit auf Ausstellungen und Messen mitnehmen. Ich sage den Leuten immer, sie sollen mal eine industrielle Putenfarm besuchen. Da braucht man nicht mal ins Gebäude zu gehen.

Man riecht es schon, bevor man da ist. Aber das wollen die Leute nicht hören. Sie wollen nicht hören, dass diese großen Putenfarmen Verbrennungsöfen haben, in denen die ganzen Puten verbrannt werden, die täglich sterben. Sie wollen nicht hören, dass die Industrie beim Transport der Puten zum Schlachthof mit zehn bis 15 Prozent Verlust rechnet – Tiere, die bei der Ankunft schon tot sind. Wissen Sie, wie viele von meinen Tieren dieses Jahr zu Thanksgiving tot beim Schlachthof angekommen sind? Keins. Aber das sind nur Zahlen, nichts, worüber sich irgendwer aufregen würde. Es geht nur umsGeld. Dann erstickenhalt15Prozent derPuten. Abinden Brennofen damit.

Warum sterben ganze Scharen von Industrievögeln auf einmal? Und was ist mit den Menschen, die diese Vögel essen? Neulich hat mir der Kinderarzt hier im Ort erzählt, dass er neuerdings alle möglichen Krankheiten zu sehen bekommt, die er noch nie gesehen hat. Nicht nur Diabetes bei Jugendlichen, sondern auch Entzündungs- und Autoimmunerkrankungen, von denen viele Ärzte nicht mal den Namen kennen. Und Mädchen kommen viel früher in die Pubertät, die Kinder sind gegen ungefähr alles allergisch, und das Asthma bekommt er gar nicht mehr in den Griff. Jeder weiß, dass das an unserer Ernährung liegt. Wir manipulieren die Gene dieser Tiere, und dann füttern wir sie mit Wachstumshormonen und allen möglichen Medikamenten, über die wir in Wahrheit gar nicht genug wissen. Und dann essen wir sie. Die Kinder von heute sind die erste Generation, die mit dem Zeug aufwächst, wir benutzen die Kinder als wissenschaftliches Experiment. Ist das nicht seltsam, wie die Leute sich aufregen, wenn ein paar Basketballspieler Wachstumshormone nehmen, wo wir mit unseren Nutztieren doch genau dasselbe machen und sie unseren Kindern zu essen geben?

Die Menschen sind heute so weit weg von den Tieren. Als ich aufgewachsen bin, versorgte man zuerst die Tiere. Bestimmte Arbeiten wurden vor dem Frühstück erledigt. Man hat uns beigebracht, wenn wir uns nicht um die Tiere kümmern, kriegen wir nichts zu essen. Wir sind nie in Urlaub gefahren. Einer musste immer zu Hause sein. Ich weiß noch, dass wir manchmal Ausflüge gemacht haben, aber wir haben sie immer gehasst, denn wenn wir nicht vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause waren, dann war klar, dass wir draußen auf der Weide rumlaufen und versuchen mussten, die Kühe reinzuholen, um sie dann im Dunkeln zu melken. Das musste gemacht werden, egal, was geschah. Wer diese Verantwortung nicht übernehmen will, darf nicht Farmer werden. Denn so ist es nun mal, wenn man es richtig machen will. Und wenn man es nicht richtig machen kann, sollte man es gar nicht machen. Und noch etwas: Wenn der Verbraucher den Farmer nicht dafür bezahlen will, dass er es richtig macht, dann soll er kein Fleisch essen.

Den Menschen sind diese Dinge wichtig. Und ich meine nicht mal reiche Leute aus der Stadt. Die meisten Kunden, die meine Puten kaufen, sind überhaupt nicht reich; sie kommen so gerade zurecht. Aber sie sind bereit, mehr zu bezahlen, weil sie es für richtig halten. Sie sind bereit, den echten Preis zu zahlen. Und wenn einer sagt, das sei einfach zu viel für einen Truthahn, dann sage ich: »Dann iss keinen.« Möglicherweise kann man es sich nicht leisten, sich um diese Dinge zu kümmern. Aber man kann es sich mit Sicherheit nicht leisten, sich nicht darum zu kümmern.

Es heißt immer, man soll frisch und aus der Region kaufen. Aber das ist Heuchelei. Es sind alles dieselben Vögel, und das Leiden steckt schon in ihren Genen. Als der Truthahn von heute für die Massentierhaltung designt wurde, wurden dafür bei Experimenten Tausende von Truthähnen getötet. Brauchen wir kürzere Beine oder ein kürzeres Brustbein? Wollen wir das Tier so oder lieber anders? Menschliche Babys werden manchmal mit Deformitäten geboren. Da sind wir nicht darauf aus, das Generation für Generation zu reproduzieren. Aber mit den Puten haben sie genau das getan.

Michael Pollan schrieb in The Omnivore’s Dilemma über die Polyface Farm, als wäre sie etwas Tolles, aber diese Farm ist schrecklich. Das ist wirklich ein Witz. Joel Salatin hält dort Industrievögel. Sie können ihn ja mal anrufen und fragen. Dann setzt er sie eben auf eine Weide, aber das ändert ja nichts. Das ist, als würde man einen kaputten Honda auf die Autobahn setzen und behaupten, es wäre ein Porsche. Die Hühnchen von KFC werden fast immer nach 39 Tagen geschlachtet. Das sind Babys. So schnell wachsen sie. Salatins freilaufendes Biohuhn wird mit 42 Tagen geschlachtet. Denn es ist immer noch dasselbe Huhn. Man kann es gar nicht länger am Leben lassen, weil es genetisch so versaut ist. Das muss man sich mal vorstellen: ein Vogel, den man gar nicht über seine Adoleszenz hinaus leben lassen kann. Vielleicht sagt er, er tut, was er kann, aber es ist ihm zu teuer, gesunde Tiere zu halten. Tut mir leid, dafür kann ich ihm nicht auf die Schulter klopfen und ihm erzählen, was für ein Supertyp er ist. Das sind doch keine Dinge, es sind Tiere, da sollte man nicht über »gut genug« reden. Entweder man macht es richtig oder gar nicht.

Ich mache es vom Anfang bis zum Ende richtig. Das Wichtigste ist, dass ich den alten Genpool benutze, die Vögel, die vor 100 Jahren gehalten wurden. Wachsen sie langsamer? Ja. Muss ich ihnen mehr Futter geben? Ja. Aber sehen Sie sie sich an und sagen Sie mir, ob das gesunde Vögel sind.

Ich lasse nicht zu, dass Küken mit der Post verschickt werden. Vielen Leuten ist es egal, dass die Hälfte ihrer Puten beim Verschicken an Stress sterben oder dass die, die überleben, am Ende fünf Pfund leichter sind als die, denen man sofort Futter und Wasser gibt. Mir ist das nicht egal. All meine Tiere bekommen so viel Weideland, wie sie wollen, ich verstümmle sie nicht und gebe ihnen keine Medikamente. Ich manipuliere das Licht nicht und lasse sie nicht hungern, damit sie sich zu unnatürlichen Zeiten fortpflanzen. Ich lasse meine Puten nicht transportieren, wenn es zu kalt oder zu heiß ist. Ich lasse sie nachts transportieren, da sind sie ruhiger. Ich lasse auch nur eine bestimmte Menge Puten in einen Laster, auch wenn man noch viel mehr reinstopfen könnte. Meine Puten werden immer aufrecht getragen, nie an den Füßen gepackt, auch wenn das viel länger dauert. In unserem Verarbeitungsbetrieb müssen sie alles langsamer machen. Ich zahle ihnen doppelt so viel, damit sie es halb so schnell machen. Sie müssen die Puten vorsichtig aus dem Lastwagen holen. Ohne dass Knochen brechen und ohne unnötigenStress. Alles wird von Hand und sorgfältig gemacht. Es wird immer richtig gemacht. Die Puten werden betäubt, bevor sie angehängt werden. Normalerweise werden sie unbetäubt angehängt und durch ein elektrisch geladenes Bad gezogen, aber das machen wir nicht. Wir machen ein Tier nach dem anderen. Ein Mensch macht das, und zwar von Hand. Wenn sie ein Tier nach dem anderen nehmen, dann machen sie es gut. Meine große Angst ist, dass lebende Tiere im kochenden Wasser landen. Meine Schwester hat mal auf einer großen Geflügelfarm gearbeitet. Sie brauchte das Geld. Zwei Wochen hat sie es ausgehalten. Das ist viele Jahre her, aber sie spricht immer noch über den Horror, den sie dort erlebt hat.

Den Menschen sind Tiere nicht egal. Daran glaube ich. Sie wollen es nur nicht wissen oder bezahlen. Ein Viertel aller Hühner hat Ermüdungsbrüche. Das ist doch falsch. Sie sind dicht an dicht gepackt, stehen in ihren eigenen Exkrementen und sehen nie die Sonne. Ihre Krallen wachsen um die Gitter der Käfige herum. Das ist falsch. Sie merken, dass sie geschlachtet werden. Das ist falsch, und die Leute wissen auch, dass es falsch ist. Man muss sie nicht erst überzeugen. Sie müssten sich nur anders verhalten. Ich bin kein besserer Mensch als andere, und ich will niemanden überreden, nach meinen Überzeugungen zu leben. Ich will sie dazu bringen, nach ihren eigenen Überzeugungen zu leben.

Meine Mutter war Halbindianerin. Ich habe immer noch die Angewohnheit, mich zu entschuldigen wie ein Indianer. Zu Thanksgiving, wenn andere Leute danken, entschuldige ich mich. Ich hasse es, wenn die Puten auf dem Laster sind und zum Schlachthof gefahren werden. Sie sehen mich an und sagen: »Hol mich hier runter.« Töten ist … ist sehr … Manchmal rechtfertige ich mich vor mir selbst damit, dass es die Tiere in meiner Obhut wenigstens so gut wie möglich haben. Es ist wie … sie sehen mich an, und ich sage zu ihnen: »Bitte verzeiht mir.« Ich kann nicht anders. Für mich sind es Individuen. Tiere sind hart. Heute Abend gehe ich raus und hole alle, die über den Zaun gesprungen sind, wieder rein. Diese Puten sind an mich gewöhnt, sie kennen mich, und wenn ich da rausgehe, kommen sie angelaufen, ich mache das Tor auf, und sie kommen herein. Aber gleichzeitig lade ich Tausende von ihnen auf Lastwagen und schicke sie zum Schlachthof.

Viele Leute konzentrieren sich auf die letzte Sekunde vor dem Tod. Ich möchte, dass sie den Blick auf das ganze Leben der Tiere richten. Wenn ich die Wahl hätte, mir sofort den Hals aufschlitzen zu lassen, was höchstens drei Minuten dauert, oder vorher noch sechs Wochen unter Schmerzen zu leben, dann würde ich vermutlich darum bitten, den Halsschnitt sofort zu bekommen. Die Leute sehen nur das Töten. Sie sagen: »Was soll’s, wenn das Tier nicht gehen oder sich bewegen kann, wenn es sowieso geschlachtet wird?« Wenn es um Ihr Kind ginge, würden Sie wollen, dass es drei Jahre leidet, drei Monate, drei Wochen, drei Stunden, drei Minuten? Ein Putenküken ist kein menschliches Baby, aber es leidet. Ich habe niemanden in der Industrie kennengelernt – Manager, Tierarzt, Arbeiter, sonst wen –, der daran zweifelt, dass sie Schmerzen haben. Wie viel Leiden akzeptieren wir? Das ist die Frage, die wir uns stellen müssen und die jeder sich selbst stellen muss. Wie viel Leiden akzeptiere ich für mein Essen?

Mein Neffe und seine Frau haben ein Baby bekommen, und man hat ihnen direkt nach der Geburt gesagt, dass es nicht überleben wird. Sie sind sehr religiös. Sie haben ihre Tochter 20 Minuten lang auf dem Arm gehabt. 20 Minuten hat sie gelebt und keine Schmerzen gehabt, und sie war Teil ihres Lebens. Und sie sagen, sie würden diese 20 Minuten nicht missen wollen. Sie haben Gott gedankt und ihn gepriesen, dass sie lebte, auch wenn es nur für 20 Minuten war. Was sagen Sie dazu?

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Für die Ernährung des durchschnittlichen Amerikaners sterben insgesamt 21 000 Tiere - ein Tier für jeden Buchstaben auf den letzten Seiten.

Lam Hoi-ka

BREVIG MISSION ist ein winziges Inuit-Dorf an der Beringstraße. Der einzige Vollzeitangestellte im öffentlichen Dienst ist Finanzverwalter. Es gibt keine Polizei und keine Feuerwehr, keine öffentlichen Versorgungsbetriebe, keine Abfallwirtschaft. Erstaunlicherweise gibt es aber einen Online-Dating-Service. (Dabei sollte man doch denken, dass bei 276 Einwohnern ohnehin jeder weiß, wer zu haben ist.) Zwei Frauen und zwei Männer sind auf der Suche nach der Liebe, was sich mathematisch betrachtet ganz gut treffen würde, wenn nicht – zumindest, als ich das letzte Mal auf der Seite nachgesehen habe – einer der Männer Frauen uninteressant fände. Cutieguy1, ein Farbiger, beschreibt sich selbst als »süße 1,64 m, größer aussehend« und ist die zweitunwahrscheinlichste Person, die man in Brevig erwarten würde. Die unwahrscheinlichste ist Johan Hultin, ein 1,83 Meter großer Schwede mit weißem Haar und einem weißen Spitzbart. Hultin kam am 19. August 1997 in Brevig an – er hatte nur einem einzigen Menschen von seinen Reiseplänen erzählt – und fing sofort an zu graben. Unter meterdickem Eis lagen Leichen. Er grub ein Massengrab aus.

Tief im Permafrost waren Opfer der Grippepandemie von 1918 konserviert. Die eine Person, der Hultin von seinen Plänen erzählt hatte, war sein Wissenschaftlerkollege Jeffery Taubenberger, der ebenfalls nach der Ursache der Grippe von 1918 forschte.

Hultins Suche nach den Toten von 1918 fand zur rechten Zeit statt. Nur ein paar Monate vor seiner Ankunft in Brevig Mission war das H5N1-Virus in Hongkong anscheinend zum ersten Mal von Hühnern auf den Menschen übergegangen – ein Ereignis von möglicherweise historischer Bedeutung.

Der dreijährige Lam Hoi-ka war der erste von sechs Menschen, die an dieser besonders gefährlichen Variante des H5N1Virus starben. Ich, und jetzt Sie, kennen seinen Namen, weil es immer, wenn ein tödliches Virus von einer Spezies auf die andere übergeht, zu einer Pandemie kommen kann. Hätten die Gesundheitsbehörden nicht so reagiert, wie sie reagiert haben (oder hätten wir einfach mehr Pech gehabt), hätte Lam Hoika der erste Tote einer weltweiten Pandemie sein können. Das könnte er immer noch sein. Die massive Bedrohung durch H5N1 ist nicht von der Erdoberfläche verschwunden, sondern nur aus den Schlagzeilen. Die Frage ist, ob es weiterhin eine relativ kleine Zahl von Menschen töten oder zu einer noch gefährlicheren Variante mutieren wird. Viren wie H5N1 können wie wild gewordene Unternehmer ständig Neues entwickeln, rastlos in ihrem Streben, das menschliche Immunsystem zu zerstören.

Wegen der möglichen Bedrohung durch H5N1 wollten Hultin und Taubenberger wissen, was die Pandemie von 1918 ausgelöst hatte. Und zwar mit gutem Grund: Die Pandemie von 1918 hat in kürzerer Zeit mehr Menschen getötet als jede andere Krankheit – oder jedes andere Irgendwas – je zuvor oder jemals wieder.

Influenza

DIE PANDEMIE VON 1918 ist als »Spanische Grippe« in die Geschichte eingegangen, weil die spanische Presse als einziges westliches Medium angemessen über die hohen Todesraten berichtete. (Man nimmt an, das habe daran gelegen, dass Spanien nicht in den Krieg involviert war und die Berichterstattung dort nicht durch Zensur und andere Themen verzerrt wurde.) Trotz ihres Namens hat die Spanische Grippe die ganze Welt getroffen – daher Pandemie und nicht Epidemie. Es war weder die erste Grippepandemie noch die letzte (1957 und 1968 gab es weitere), aber es war bei Weitem die verlustreichste. AIDS hat rund 24 Jahre gebraucht, um 24 Millionen Menschen zu töten, die Spanische Grippe hat das in 24 Wochen geschafft. Jüngsten Neuberechnungen zufolge fielen ihr weltweit insgesamt 50 Millionen oder sogar 100 Millionen Menschen zum Opfer. Laut Schätzungen war ein Viertel der Amerikaner und möglicherweise ein Viertel der Weltbevölkerung erkrankt.

Im Gegensatz zu anderen Grippeerkrankungen, die zumeist nur für sehr junge, sehr alte und bereits kranke Menschen lebensbedrohlich sind, tötete die Spanische Grippe gesunde Menschen in der Blüte ihres Lebens. Die höchste Sterblichkeitsrate lag in der Altersgruppe der 25-bis 29-Jährigen, und auf dem Höhepunkt der Grippewelle sank die durchschnittliche Lebenserwartung eines Amerikaners auf 37 Jahre. Die Not war in den USA – wie überall auf der Welt – so groß, dass es mir unbegreiflich ist, warum ich darüber nicht mehr in der Schule gelernt habe oder durch Gedenkstätten oder Geschichten. Auf dem Höhepunkt der Spanischen Grippe starben in einer Woche 20 000 Amerikaner. Es wurden Löffelbagger eingesetzt, um Massengräber zu schaufeln.

Heute befürchten die Gesundheitsbehörden genau solch einen Fall. Viele sind überzeugt, dass eine durch das H5N1-Virus ausgelöste Pandemie unvermeidlich ist und dass die Frage nur noch ist, wann sie zuschlägt und, vor allem, wie schlimm es wird.

Selbst wenn das H5N1-Virus an uns vorüberzieht, ohne größeren Schaden anzurichten als der kürzliche Ausbruch der Schweinegrippe, geht heute keine Gesundheitsbehörde mehr davon aus, dass Pandemien vollständig vermieden werden können.

Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sagte ganz schlicht: »Wir wissen, dass eine Pandemie unvermeidlich ist. … Sie wird kommen.« Das National Academy of Sciences Institute of Medicine hat kürzlich hinzugefügt, dass eine Pandemie »nicht nur unvermeidlich ist, sondern überfällig«. In der jüngeren Geschichte brachen im Durchschnitt alle 27,5 Jahre Pandemien aus, und jetzt sind seit der letzten schon über 40 Jahre vergangen. Wissenschaftler können über die Pandemien der Zukunft nichts mit absoluter Sicherheit sagen, aber sie wissen, dass die Bedrohung vor der Tür steht.

Die WHO hat heute die größte Menge wissenschaftlicher Daten zur Verfügung, die je über eine mögliche neue Grippepandemie gesammelt wurde. Und da ist es ziemlich beunruhigend, dass diese hochoffizielle Anzug-und-Laborkittel-Institution, die normalerweise eher die Devise »keine Panik« ausgibt, folgende Liste »Was man über Grippepandemien wissen muss« für ihre Klientel, also für jeden, bereithält:

Die Welt steht vor einer weiteren Pandemie.

Alle Länder werden betroffen sein.

Es wird zu Massenerkrankungen kommen.

Die medizinische Versorgung wird unzulänglich sein.

Es wird viele Tote geben.

Die ökonomischen und sozialen Schäden werden enorm sein.

Die relativ konservative WHO geht »nach relativ konservativer Schätzung von 2 Millionen bis 7,4 Millionen Toten« aus, wenn die Vogelgrippe auf den Menschen übergreift und durch die Luft übertragen wird (wie die Schweinegrippe, H1N1). »Diese Schätzung«, erklärt die WHO weiter, »basiert auf der verhältnismäßig milden Grippepandemie von 1957. Wenn man von einem Virus ausgeht, das so virulent ist wie das von 1918, liegen die Schätzungen sehr viel höher.« Schön, dass die WHO diese höheren Schätzungen nicht in die »Was man wissen muss«Liste aufgenommen hat. Unschön, dass sie nicht sagen kann, die höheren Schätzungen wären weniger realistisch.

Von all den tiefgefrorenen Toten von 1918 grub Hultin schließlich die Leiche einer Frau aus und nannte sie Lucy. Er trennte die Lunge aus Lucys Körper heraus und schickte sie an Taubenberger, der Gewebeproben nahm und wirklich bemerkenswerte Erkenntnisse gewann. Seine Ergebnisse, die 2005 veröffentlicht wurden, zeigen, dass die Quelle für die Pandemie 1918 die Geflügelpest war – Vogelgrippe. Eine große wissenschaftliche Frage war beantwortet.

Andere Forschungen kommen zu dem Ergebnis, dass das Virus von 1918 in Schweinen mutiert sein könnte (die in besonderer Weise für Viren von Vögeln und Menschen anfällig sind) oder womöglich sogar eine Zeit lang in menschlichen Populationen, bis es seine tödlichen Eigenschaften voll ausgebildet hatte. Ganz sicher kann man es nicht wissen. Sicher wissen wir nur, dass es einen wissenschaftlichen Konsens gibt, dass neue Viren, die zwischen Nutztieren und Menschen ausgetauscht werden, in naher Zukunft weltweit eine große gesundheitliche Bedrohung darstellen werden. Das bezieht sich nicht nur auf die Vogelgrippe oder die Schweinegrippe oder welche auch immer als Nächstes kommt, sondern auf die gesamte Klasse der »zoonotischen« (von Tieren auf Menschen und umgekehrt übertragbaren) Erreger – vor allem Viren, die zwischen Menschen, Hühnern, Puten und Schweinen ausgetauscht werden.

Wir können auch sichers ein, dass wir, wenn wir über Grippepandemien sprechen, nicht vergessen dürfen, dass die zerstörerischste Krankheit, die die Welt je erlebt hat, und eine der größten gesundheitlichen Bedrohungen unserer Zeit sehr eng mit der Gesundheit der Nutztiere in aller Welt zusammenhängt, vor allem mit der von Vögeln.

Alle Grippearten

EINE WEITERE WICHTIGE FIGUR in der Geschichte der Grippeforschung ist der Virologe Robert Webster, der nachwies, dass alle menschlichen Grippearten von Vögeln stammen. Er nannte das die »Barnyard Theory« (»Bauernhof-Theorie«), weil er davon ausging, dass»die Viren in menschlichen Pandemien einige Gene aus den Grippeviren domestizierter Vögel beziehen«.

Einige Jahre nach der Pandemie der »Hongkong-Grippe« von 1968 (deren Nachfolger immer noch jährlich 20 000 Amerikaner das Leben kostet) identifizierte Webster das Virus. Wie er angenommen hatte, war es ein Hybrid aus verschiedenen Bestandteilen eines Vogelvirus, das in einer Ente in Mitteleuropa gefunden wurde. Inzwischen weiß man, dass es keine Ausnahme war, dass die Pandemie von 1968 ihren Ursprung in Vögeln hatte: Wissenschaftler sagen heute, dass die Quelle aller Grippeviren in migrierenden Wasservögeln zu suchen ist, wie Enten und Gänsen, die seit hundert Millionen Jahren auf der Erde leben. Die Grippe hat also mit unserer Beziehung zu Vögeln zu tun.

Ein paar wissenschaftliche Grundlagen sind hier erforderlich: Wilde Enten, Gänse, Seeschwalben und Möwen, die ursprüngliche Quelle der Viren, tragen das gesamte Spektrum der Grippeviren in sich, von H1 bis zum kürzlich entdeckten H16, außerdem N1 bis N9. Auch domestizierte Vögel können Träger einer ganzen Reihe dieser Erreger sein. Weder wilde noch domestizierte Vögel werden von diesen Viren notwendigerweise krank. Oft transportieren sie sie einfach, manchmal rund um den Erdball, und geben sie dann mit ihren Fäkalien in Seen, Flüsse, Teiche und dank der industriellen Tierverarbeitung ziemlich häufig direkt in das, was wir essen.

Jede Säugetierart ist nur für einige der von Vögeln übertragenen Viren anfällig. Menschen zum Beispiel sind typischerweise nur für H1, H2 und H3 anfällig, Schweine für H1 und H3, Pferde für H3 und H7. Das H steht für Hämagglutinin, ein Protein, das auf der Oberfläche von Grippeviren gefunden wurde und nach seiner Fähigkeit zu »agglutinieren« benannt ist – das heißt, rote Blutkörperchen zu verklumpen. Hämagglutinin dient als eine Art molekulare Brücke, die es dem Virus ermöglicht, in die Zellen des Opfers einzudringen wie feindliche Truppen über eine provisorische Brücke. Das Hämagglutinin kann seine tödliche Wirkung aufgrund seiner Fähigkeit entfalten, sich an bestimmte molekulare Strukturen zu binden, die sogenannten Rezeptoren, die sich auf der Oberfläche menschlicher und tierischer Zellen befinden. H1, H2 und H3 – die drei Arten Hämagglutinin, die Menschen normalerweise angreifen – sind Spezialisten dafür, sich in unseren Atemwegen festzusetzen, daher beginnt die menschliche Grippe so oft dort.

Die Schwierigkeiten beginnen dann, wenn ein Virus in einer Spezies nervös wird und anfängt, sich mit anderen Viren in anderen Spezies zu verbinden, wie es beim H1N1 geschehen ist (in dem Vogel-, Schweine-und Menschenviren vereinigt sind). Im Falle des H5N1, eines für den Menschen höchst ansteckenden neuen Virus, besteht die Befürchtung, dass es sich in Schweinepopulationen ausbreiten könnte, denn Schweine sind sowohl für die Arten von Viren anfällig, die Vögel angreifen, als auch für die, die für den Menschen gefährlich sind. Wenn ein einziges Schwein sich mit zwei verschiedenen Virentypen gleichzeitig ansteckt, besteht die Möglichkeit, dass diese Viren ihre Gene austauschen. Das Schweinegrippevirus H1N1 scheint so entstanden zu sein. Besorgniserregend ist, dass ein solcher genetischer Austausch zwischen Viren ein neues Virus schaffen könnte, das so gefährlich ist wie die Vogelgrippe und so ansteckend wie eine banale Erkältung.

Wie sind diese neuen Krankheiten entstanden? Inwiefern ist die moderne Landwirtschaft dafür verantwortlich? Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir wissen, woher die Vögel kommen, die wir essen, und warum ihre Lebensumstände perfekt sind, um nicht nur die Vögel, sondern auch uns krank zu machen.

Leben und Tod eines Vogels

DIE ZWEITE FARM, die ich mit C. zusammen sah, bestand aus einer Reihe von 20 Hallen, je 14 Meter breit und 150 Meter lang, und in jeder lebten um die 33 000 Vögel. Ich hatte kein Maßband dabei und konnte sie nicht mal annähernd zählen. Aber ich kann diese Zahlen trotzdem mit einiger Sicherheit nennen, denn es sind die in der Industrie üblichen Maße – wobei einige Farmer inzwischen noch größere Hallen bauen: bis zu 18 Meter breit und 155 Meter lang, für 50 000 oder mehr Vögel.

Es ist schwierig, sich 33 000 Vögel in einem Raum vorzustellen. Man muss es nicht selbst gesehen haben, man muss nicht mal rechnen, um zu verstehen, dass das ganz schön eng ist. Das National Chicken Council legt in seinen Tierschutzrichtlinien eine Fläche von 0,074 Quadratmetern (ca. 27 x27 Zentimetern) pro Vogel als angemessenen Platz fest. Das ist das, was von einer Mainstream-Organisation, die die Hühnerfarmer vertritt, für artgerecht gehalten wird. Es zeigt, wie willkürlich die Vorstellungen von Tierschutz geworden sind – und warum man Labels nicht vertrauen kann, die nicht aus einer unabhängigen Quelle stammen.

Bleiben wir kurz bei diesem Thema. Auch wenn viele Tiere auf deutlich weniger Platz leben, gehen wir einmal von den vollen 0,074 Quadratmetern aus. Stellen Sie sich das einmal vor. (Es ist unwahrscheinlich, dass Sie je persönlich in eine Geflügelfarm schauen werden, aber im Internet gibt es reichlich Bilder.) Nehmen Sie sich ein DIN – A4-Blatt Papier und stellen Sie sich einen ausgewachsenen Vogel in der Form eines Fußballs mit Beinen darauf vor. Und dann stellen Sie sich 33 000 dieser Rechtecke nebeneinander vor. (Masthühner werden nie in Käfigen gehalten und auch nicht in mehreren Stockwerken übereinander.) Dann umgeben Sie das Ganze mit fensterlosen Wänden und einem Dach. Dazu kommen Systeme für automatische Futterzuführung (mitsamt Medikamenten), Wasser, Heizung und Belüftung. Das ist eine Farm.

Und jetzt zu der Landwirtschaft, die dort betrieben wird.

Zuerst suchen Sie sich ein Huhn, das so schnell wie möglich wächst, bei so wenig wie möglich Futter. Muskeln und Fettgewebe der neu gezüchteten Masthühner wachsen deutlich schneller als ihr Skelett, was zu Deformitäten und Krankheiten führt. Zwischen einem und vier Prozent der Hühner werden in konvulsivischen Zuckungen am Sudden Death Syndrome sterben, einem Leiden, das außerhalb der Massentierhaltung praktisch nicht vorkommt. Ein weiteres Leiden, das nur bei Intensivhaltung auftritt, bei dem die Bauchhöhle sich mit Flüssigkeit füllt, tötet noch mehr Tiere (weltweit fünf Prozent der Vögel). Drei von vier Tieren haben Schwierigkeiten beim Gehen, und der gesunde Menschenverstand sagt einem, dass sie chronische Schmerzen haben. Eines von vieren wird so schlecht laufen können, dass es außer Frage steht, dass es Schmerzen hat.

Lassen Sie für Ihre Masthühnchen in ungefähr den ersten sieben Tagen ihres Lebens das Licht 24 Stunden am Tag an. Dann fressen sie mehr. Danach machen Sie gelegentlich das Licht aus, sodass sie am Tag vielleicht vier Stunden Dunkelheit haben – gerade genug Schlaf, um nicht zu sterben. Natürlich werden Hühner verrückt, wenn sie lange unter diesen unnatürlichen Bedingungen leben müssen – das Licht, die Überfüllung, das Gewicht ihrer grotesken Körper. Normalerweise werden Masthühner schon am 42. Tag ihres Lebens geschlachtet (oder zunehmend schon am 39.), da haben sie wenigstens noch keine sozialen Hierarchien aufgebaut, derentwegen sie kämpfen müssten.

Es liegt auf der Hand, dass es nicht besonders gesund sein kann, deformierte, mit Medikamenten abgefüllte, gestresste Vögel in einem schmutzigen Raum voller Kot zusammenzupferchen. Abgesehen von Deformitäten sind Augenschäden, Blindheit, bakterielle Knocheninfektionen, Wirbelverschiebungen, Lähmungen, innere Blutungen, Anämie, Sehnenschäden, verkrümmte Unterschenkel und Hälse, Erkrankungen der Atemwege und schwache Immunsysteme häufige und seit Langem bestehende Probleme in der Massentierhaltung. Wissenschaftliche Studien und amerikanische Regierungsberichte lassen darauf schließen, dass praktisch alle Hühner (mehr als 95 Prozent) mit E. coli infiziert werden (ein Indikator für fäkale Verunreinigungen) und zwischen 39 und 75 Prozent der Hühner im Supermarkt es immer noch sind. Etwa acht Prozent der Vögel haben Salmonellen (vor einigen Jahren war es noch jeder vierte, und auf manchen Farmen ist das immer noch so). 70 bis 90 Prozent sind mit einem anderen potenziell tödlichen Krankheitserreger verseucht, Campylobacter. Normalerweise werden Schleim, Geruch und Bakterien durch Chlorbäder entfernt.

Natürlich könnte der Verbraucher merken, dass sein Huhn nicht richtig schmeckt – wie gut kann ein mit Medikamenten vollgestopftes, von Krankheiten geplagtes, mit Fäkalien verschmutztes Tier schmecken? –, deshalb kriegen die Vögel eine Injektion mit »Bouillon« oder Salzlösungen (oder werden sonst wie damit aufgepumpt), damit sie das bekommen, was wir für Aussehen, Geruch und Geschmack von Hühnchen halten. (Eine kürzlich erstellte Untersuchung des Consumer Reports hat herausgefunden, dass Hühnchen-und Putenprodukte, von denen viele als naturbelassen gekennzeichnet waren, »mit 10 bis 30 Prozent ihres Gewichts an Bouillon, Geschmacksstoffen oder Wasser aufgepumpt waren«.)

Das war das Leben der Tiere, kommen wir nun zur »Verarbeitung«.

Als Erstes brauchen Sie Arbeiter, die die Vögel in Kisten stecken und dann dafür sorgen, dass die lebenden, ganzen Vögel zu in Plastik verpackten Teilen werden. Wahrscheinlich müssen Sie permanent Arbeiter suchen, denn die jährliche Fluktuation liegt normalerweise bei über 100 Prozent. (Die Interviews, die ich geführt habe, lassen einen Personalwechsel von etwa 150 Prozent vermuten.) Oft werden illegale Ausländer bevorzugt, aber es werden auch gern mittellose Neueinwanderer genommen, die kein Englisch sprechen. Nach internationalen Menschenrechtsstandards verstoßen die üblichen Arbeitsbedingungen in amerikanischen Schlachthöfen gegen die Menschenrechte; aber für Sie sind die Arbeiter vor allem ein entscheidender Faktor, um billiges Fleisch zu produzieren und die Welt zu ernähren. Bezahlen Sie Ihren Arbeitern den Mindestlohn oder wenigstens annähernd, damit sie die Vögel packen – fünf in jeder Hand, an den Beinen, mit dem Kopf nach unten – und sie in die Transportkisten stopfen.

Wenn Ihr Unternehmen im vorgesehenen Tempo läuft – laut verschiedener Hühnerstopfer, mit denen ich gesprochen habe, wird erwartet, dass ein Arbeiter in dreieinhalb Minuten 105 Hühner in Kisten stopft –, dann werden die Hühner entsprechend unsanft angepackt, und die Arbeiter spüren regelmäßig Hühnerknochen in ihren Händen brechen. (Ungefähr 30 Prozent aller lebenden Hühner, die im Schlachthaus ankommen, haben aufgrund ihrer Frankenstein-Genetik und der ruppigen Behandlung frische Knochenbrüche.) Kein Gesetz schützt diese Vögel, aber es gibt durchaus Gesetze, wie man Arbeiter zu behandeln hat, und diese Art Arbeit verursacht mehrere Tage anhaltende Schmerzen. Also stellen Sie besser Leute ein, die sich nicht beschweren können – Leute wie »Maria«, eine Angestellte eines der größten Hühnerverarbeiter in Kalifornien, mit der ich einen Nachmittag verbracht habe. Nach mehr als 40 Jahren Arbeit und fünf Operationen wegen Arbeitsunfällen kann Maria ihre Hände nicht mal mehr so benutzen, dass sie den Abwasch machen könnte. Sie hat so schlimme chronische Schmerzen, dass sie die Abende damit verbringt, ihre Arme in Eiswasser zu baden, und oft nicht ohne Tabletten einschlafen kann. Sie bekommt acht Dollar die Stunde und hat mich aus Angst vor Sanktionen gebeten, ihren Namen nicht zu nennen.

Laden Sie die Kisten auf Lastwagen. Ignorieren Sie extreme Witterungsbedingungen und geben Sie den Tieren weder Futter noch Wasser, auch wenn der Schlachthof Hunderte von Meilen entfernt ist. Wenn Sie dort ankommen, brauchen Sie weitere Arbeiter, die die Vögel kopfunter mit den Füßen in Metallschlingen an einem automatischen Förderband aufhängen. Weitere Knochen brechen. Oft sind die Schreie der Vögel und ihr Geflatter so laut, dass man den Arbeiter neben sich an der Schlachtstraße nicht mehr versteht. Oft koten die Tiere vor Angst und Schmerzen.

Das Förderband zieht die Tiere durch ein elektrisch geladenes Wasserbad. Dadurch werden sie höchstwahrscheinlich betäubt, es macht sie aber nicht gefühllos. In anderen Ländern, unter anderem in vielen europäischen, müssen die Hühner (zumindest dem Gesetz nach) bewusstlos oder tot sein, bevor sie entbluten und gebrüht werden. In Amerika, wo das Gesetz über humane Schlachtmethoden laut Agrarministerium für Geflügel nicht gilt, wird die elektrische Spannung niedrig gehalten – sie beträgt ungefähr ein Zehntel dessen, was die Tiere bewusstlos machen würde. Nachdem sie durch dieses Bad gezogen wurden, werden sich die Augen eines paralysierten Huhns immer noch bewegen. Manchmal werden die Vögel ihren Körper noch so weit unter Kontrolle haben, dass sie langsam den Schnabel öffnen, als wollten sie schreien.

Die nächste Schlachtstraßenstation des Vogels, der zwar unbeweglich, aber bei Bewusstsein ist, ist der Halsschnittautomat. Langsam läuft das Blut aus den Vögeln heraus, außer wenn die wichtigsten Arterien nicht getroffen wurden, was, wie mir ein anderer Arbeiter erzählte, »andauernd« passiert. Also brauchen Sie weitere Arbeiter, die als sogenannte Nachschneider – »Killer« – den Hühnern, die die Maschine nicht erwischt hat, die Kehle aufschlitzen. Es sei denn, diese Arbeiter erwischen die Vögel ebenfalls nicht, was, wie man mir berichtete, ebenfalls »andauernd« passiert. Laut National Chicken Council (den Vertretern der Industrie) werden jedes Jahr 180 Millionen Hühner unsachgemäß geschlachtet. Auf die Frage, ob diese Zahlen ihn beunruhigen, seufzte Richard L. Lobb, der Sprecher des Councils, und sagte: »Die Sache dauert nur ein paar Minuten.«

Ich habe mit vielen Stopfern, Anhängern und Nachschneidern gesprochen, die beschrieben haben, wie Hühner lebendig und bei Bewusstsein ins Brühbad kommen. (Schätzungen der amerikanischen Regierung zufolge, die ich dank des Freedom of Information Act einsehen konnte, betrifft das etwa vier Millionen Vögel pro Jahr.) Kot auf Haut und Federn verbleibt in den Kesseln, sodass Vögel, die bislang keine hatten, hier durch Einatmen oder über die Haut Krankheitserreger aufnehmen (das heiße Wasser öffnet die Poren).

Nachdem den Vögeln der Kopf abgerissen und die Füße entfernt wurden, werden sie mit einem Vertikalschnitt maschinell geöffnet und ausgenommen (Eviszeration). Hier kommt es oft zu Verschmutzungen, weil die Hochleistungsmaschinen oft die Eingeweide mit aufreißen, sodass Fäkalien in die Körperhöhlen des Huhns geraten. Früher mussten die USDA – Inspektoren diese fäkalverschmutzten Tiere aussortieren. Aber vor ungefähr 30 Jahren überzeugte die Geflügelindustrie das Agrarministerium davon, Fäkalien neu zu klassifizieren, damit sie die Tiere weiterhin maschinell ausweiden lassen konnten. Einst eine gefährliche Verschmutzung, sind Fäkalien jetzt »kosmetische Mängel«. Und die Inspektoren sortieren nur noch halb so viele Tiere aus. Vielleicht würden Lobb und das National Chicken Council dazu auch nur seufzen und sagen: »Das bisschen Kot ist doch in ein paar Minuten gegessen.«

Dann werden die Vögel also von einem Beamten des Agrarministeriums inspiziert, dessen vorgebliche Aufgabe der Verbraucherschutz ist. Der Kontrolleur hat für jeden Vogel ungefähr zwei Sekunden Zeit, um ihn von innen und außen, sowohl den Schlachtkörper als auch die Innereien, auf mehr als ein Dutzend Krankheiten und Anomalien zu untersuchen. Er begutachtet ungefähr 25 000 Vögel am Tag. Der Journalist Scott Bronstein hat eine bemerkenswerte Serie für das Atlanta Journal-Constitution über die Geflügelinspektion geschrieben, die Pflichtlektüre für jeden sein sollte, der darüber nachdenkt, Hühnchen zu essen. Er hat mit fast 100 USDA – Geflügelinspektoren von 37 Schlachthöfen Interviews geführt. »Jede Woche«, berichtet er, »werden Hühner, aus denen gelber Eiter rinnt, die mit grünen Fäkalien verschmutzt, mit gesundheitsgefährdenden Bakterien verseucht oder durch Lungen-oder Herzkrankheiten gezeichnet sind, zum Verkauf an den Verbraucher verladen.«

Als Nächstes kommen die Hühner in ein riesiges Kühlwasserbecken, in dem Tausende von Vögeln zusammen gekühlt werden. Tom Devine vom Government Accountability Project (einer gemeinnützigen Organisation zum Schutz von Informanten aus staatlichen Stellen und Konzernen) berichtet, dass »das Wasser in diesen Becken passenderweise ›Fäkalsuppe‹ genannt wird, weil so viel Dreck und Bakterien darin herumschwimmen. Indem man saubere, gesunde Vögel im selben Becken mit den verschmutzten kühlt, stellt man quasi sicher, dass alle verseucht werden.«

In Europa und Kanada verwendet eine beträchtliche Anzahl der Geflügelverarbeiter Luftkühlungssysteme, in den USA hingegen benutzen 99 Prozent der Geflügelproduzenten weiterhin die überholte Wasserkühlung, trotz Klagen von Verbrauchern und der Rinderindustrie. Der Grund liegt auf der Hand. Bei Luftkühlung sinkt das Gewicht des Kadavers, bei Wasserkühlung saugt das Fleisch Wasser auf (das Wasser, das Fäkalsuppe genannt wird). Eine Studie hat gezeigt, dass die Übertragung von Krankheitserregern vermieden werden könnte, wenn man die Tierkadaver zum Kühlen einfach einzeln in Plastik einschweißen würde. Aber das würde natürlich auch verhindern, dass das Abwasser sich in Form von zusätzlichem Gewicht in zig Millionen Dollar verwandelt.

Vor nicht allzu langer Zeit gab es einen vom Agrarministerium festgelegten Grenzwert von acht Prozent absorbierter Flüssigkeit, die man offiziell mit dem Fleisch verkaufen durfte. Als das in den 1990er-Jahren publik wurde, gab es verständlicherweise einen Aufschrei. Verbraucher klagten dagegen, weil sie das nicht nur abstoßend fanden, sondern sie sich zudem betrogen fühlten. Die Gerichte kippten die Achtprozentgrenze, weil sie »willkürlich und nicht kalkulierbar« sei.

Ironischerweise gestattete die Interpretation der gerichtlichen Entscheidung durch das Agrarministerium es der Hühnerindustrie, ihre eigenen Untersuchungen durchzuführen, um zu definieren, wie viel Prozent des Hühnerfleischs aus fauligem Chlorwasser bestehen sollten. (Das kommt davon, wenn man die industrielle Landwirtschaft herausfordert.) Inzwischen sind jetzt etwas mehr als elf Prozent Flüssigkeitsaufnahme zulässig (der genaue Prozentsatz steht klein gedruckt auf den Packungen). Sobald die öffentliche Aufmerksamkeit auf etwas anderes gerichtet war, setzte die Geflügelindustrie die Verordnungen, die zum Schutz der Verbraucher gedacht waren, zu ihrem eigenen Vorteil ein.

Geflügelkonsumenten in den USA schenken mächtigen Geflügelproduzenten dank dieser Flüssigkeit jedes Jahr Millionen zusätzlicher Dollars. Das Agrarministerium weiß das und verteidigt dieses Vorgehen – schließlich tun die Geflügelverarbeiter, wie so viele Farmer es ebenfalls ausdrücken, nur ihr Bestes, um »die Welt zu ernähren«. (Oder in diesem Fall mit Wasser zu versorgen.)

Was ich hier beschrieben habe, ist nicht die Ausnahme. Es hat nichts mit masochistischen Arbeitern, defekten Maschinen oder schwarzen Schafen zu tun. Es ist die Regel. Mehr als 99 Prozent aller in den USA verkauften Hühnchen leben und sterben auf diese Weise.

In einigen Bereichen können die Fabriksysteme sich beträchtlich unterscheiden, beispielsweise beim Prozentsatz der Vögel, die während der Verarbeitung lebendig gebrüht werden, oder bei der Menge Fäkalsuppe, die das Fleisch aufnimmt. Diese Unterschiede sind von Bedeutung. In anderen Bereichen jedoch sind alle Hühnerfarmen – gut oder schlecht bewirtschaftet, mit »Bodenhaltung« oder nicht – im Wesentlichen gleich: Alle Vögel stammen aus Frankensteins Genpool; alle sind eingesperrt; keines der Tiere kennt frische Luft oder die Wärme der Sonne; keines ist zu artspezifischem Verhalten in der Lage wie Nestbau, auf der Stange sitzen, die Umgebung erkunden, eine Hackordnung festlegen; es gibt immer Krankheiten; Leiden ist immer die Regel; die Tiere sind immer nur eine Einheit, ein Gewicht; der Tod ist unvermeidlich grausam. Diese Gemeinsamkeiten sind wichtiger als die Unterschiede.

Dass die Geflügelindustrie so riesig ist, bedeutet: Wenn mit dem System etwas nicht stimmt, dann stimmt mit der Welt etwas nicht. Unter ungefähr diesen Bedingungen werden heute in der Europäischen Union sechs Milliarden Hühner pro Jahr produziert, über neun Milliarden in den USA und mehr als sieben Milliarden in China. Indiens Milliardenbevölkerung isst weniger Huhn pro Kopf, kommt aber dennoch auf jährlich zwei Milliarden Vögel aus Hühnerfabriken, und die Zahlen steigen – wie auch in China – in einem rasanten Tempo, das globale Auswirkungen hat (oft doppelt so schnell wie die schnell wachsende Geflügelindustrie der USA). Alles in allem werden weltweit 50 Milliarden (und mehr) Vögel in Geflügelfabriken produziert. Wenn Indien und China anfangen, ähnliche Mengen Geflügel zu verspeisen wie die Amerikaner, verdoppelt sich diese schwindelerregende Zahl noch einmal.

50 Milliarden. Jedes Jahr müssen 50 Milliarden Vögel so leben und sterben.

Man kann gar nicht oft genug betonen, wie revolutionär und relativ neu diese Realität ist – vor Celia Steeles Experiment 1923 war die Anzahl der Vögel aus Massentierhaltung gleich null. Und wir ziehen die Hühner nicht nur anders auf, wir essen auch viel mehr. Amerikaner essen heute 150-mal so viel Hühnerfleisch wie vor 80 Jahren.

Noch etwas, was wir über diese 50 Milliarden sagen können, ist, dass sie minutiös berechnet sind. Die Statistiker, die die Zahl neun Milliarden für die USA ausgeben, brechen sie auf Monat, Bundesstaat, Gewicht des Vogels runter und vergleichen diese Zahlen – jeden Monat aufs Neue – mit der Todesrate im gleichen Monat des Vorjahrs. Diese Zahlen werden studiert, diskutiert, vorausberechnet und von der Industrie wie kultische Objekte verehrt. Sie sind nicht mehr reine Fakten, sondern die Verkündigung eines Sieges.

Einfluss

EBENSO WIE DAS VIRUS, das es benennt, verdanken wir das Wort Influenza einer Mutation. Das Wort wurde zuerst im Italienischen benutzt und bezeichnete den Einfluss der Sterne – also astrale oder okkulte Einflüsse, die von vielen Menschen gleichzeitig empfunden wurden. Ab dem 16. Jahrhundert vermischte sich die Bedeutung allerdings mit der Bedeutung anderer Wörter und bezeichnete epidemische und pandemische Grippeerkrankungen, die verschiedene Gemeinschaften gleichzeitig trafen (als hätte eine böse Macht sie verursacht).

Zumindest etymologisch sprechen wir also, wenn wir über die Grippe sprechen, über Einflüsse, die die ganze Welt gleichzeitig prägen. Die heutigen Vogel-und Schweinegrippeviren oder die Spanische Grippe von 1918 sind nicht die wirkliche Influenza, nicht der eigentliche Einfluss, sondern nur sein Symptom.

Nur wenige von uns glauben noch, dass Pandemien von okkulten Mächten geschickt werden. Sollen wir 50 Milliarden kranke, mit Medikamenten vollgestopfte Vögel – Vögel, die der Ursprung aller Grippeviren sind – als grundlegenden Faktor für die Entwicklung neuer, für den Menschen gefährlicher Erreger in Betracht ziehen? Was ist mit den 500 Millionen in Gefangenschaft lebenden Schweinen mit kaputten Immunsystemen?

2004 trafen sich Experten für neu auftauchende Zoonosen aus aller Welt und erörterten einen möglichen Zusammenhang zwischen all diesen eingesperrten kranken Tieren und ausbrechenden Pandemien. Bevor wir zu ihren Schlussfolgerungen kommen, ist es hilfreich, über die neuen Erreger als zwei miteinander verwandte, aber doch eigenständige Bedrohungen für die Gesundheit der Menschen nachzudenken. Die erste Bedrohung ist eine allgemeinere und hat mit dem Zusammenhang zwischen Massentierhaltung und allen Erregern, wie etwa neuen Varianten von Campylobacter, Salmonellen und E. coli zu tun. Die zweite Bedrohung für die menschliche Gesundheit ist spezieller: Menschen schaffen die Bedingungen für die Entstehung des ultimativen Supererregers, eines Hybridvirus, das quasi für eine Wiederholung der Spanischen Grippe von 1918 sorgen könnte. Diese beiden Themen hängen eng miteinander zusammen.

Es kann nicht jeder Fall lebensmittelinduzierter Krankheiten zurückverfolgt werden, aber dort, wo der Verursacher bekannt ist, beziehungsweise das Transportmedium, ist es in der überwältigenden Mehrheit der Fälle ein Tierprodukt. Laut dem amerikanischen Seuchenzentrum (Centers for Disease Control, CDC) ist Geflügel der Hauptverursacher. Einer Studie des Consumer Report zufolge sind 83 Prozent des Hühnerfleischs (inklusive antibiotikafreiem Fleisch und Biofleisch) zum Zeitpunkt des Kaufs entweder mit Campylobacter oder Salmonellen infiziert.

Ich bin nicht sicher, warum nicht mehr Menschen über die Zahlen der vermeidbaren lebensmittelinduzierten Krankheiten Bescheid wissen (und entsprechend wütend sind). Vielleicht ist es nicht so offensichtlich, dass da etwas im Argen liegt, denn wenn etwas andauernd passiert – zum Beispiel, dass Fleisch (vor allem Geflügel) kontaminiert ist –, fällt es nicht mehr so auf.

Aber wenn man erst mal weiß, worauf man achten muss, erschrecken einen diese Erreger zunehmend. Wenn zum Beispiel das nächste Mal ein Freund eine plötzliche »Grippe« hat – das, was fälschlicherweise oft »Magen-Darm-Grippe« genannt wird –, stellen Sie mal ein paar Fragen. War es eine dieser 24-Stunden-Krankheiten, die genauso schnell wieder gehen, wie sie gekommen sind – Brechdurchfall, und dann geht’s wieder? Die Diagnose ist nicht so leicht, aber wenn die Antwort auf diese Frage Ja lautet, hatte Ihr Freund wahrscheinlich keine Grippe – er gehört wahrscheinlich zu den 76 Millionen Fällen, die nach Schätzungen des CDC in den USA jährlich durch Lebensmittel krank werden. Ihr Freund hat sich nicht »einen Bazillus gefangen«, er hat vielmehr einen gegessen. Und aller Wahrscheinlichkeit nach stammte der aus Massentierhaltung.

Abgesehen von der unglaublich großen Zahl an Erkrankungen, die mit der Massentierhaltung zusammenhängen, wissen wir auch, dass die Tierfabriken dazu beitragen, dass immer mehr Erreger gegen antimikrobielle Mittel resistent sind, einfach weil diese Farmen so viel davon verwenden. Wir müssen zum Arzt gehen und uns Antibiotika und andere antimikrobielle Mittel verschreiben lassen, damit nicht zu viele dieser Medikamente genommen werden. Das schützt die öffentliche Gesundheit. Wir akzeptieren diesen Umstand, weil er medizinisch notwendig ist. Mikroben gewöhnen sich irgendwann an antimikrobielle Medikamente, und wir wollen sicherstellen, dass sie nur von den wirklich Kranken genommen werden, solange die Mikroben noch nicht resistent dagegen sind.

In einer typischen Tierfabrik bekommen die Tiere mit jeder Mahlzeit Medikamente. In Geflügelfarmen ist das, wie bereits beschrieben, geradezu notwendig. Der Industrie war dieses Problem von Anfang an bewusst, aber statt weniger produktive Tiere zu akzeptieren, stärkten sie das geschwächte Immunsystem der Tiere mit Futterzusätzen.

Nutztiere werden also nichttherapeutisch (das heißt, bevor sie krank werden) mit Antibiotika gefüttert. In den Vereinigten Staaten werden pro Jahr 1,4 Millionen Kilo Antibiotika an Menschen ausgegeben, aber unglaubliche acht Millionen Kilo an Tiere – das ist zumindest die Zahl, die von der Industrie kommuniziert wird. Die Union of Concerned Scientists (UCS) hat nachgewiesen, dass die Industrie ihren Gebrauch von Antibiotika um mindestens 40 Prozent zu niedrig angibt. Die UCS hat ausgerechnet, dass 11,2 Millionen Kilo Antibiotika an Hühner, Schweine und andere Masttiere verfüttert werden, und da ist nur der nichttherapeutische Einsatz berechnet. Und weiter rechnet sie aus, dass geschlagene 6,1 Millionen Kilo dieser antimikrobiellen Mittel in der EU verboten wären.

Was das für das Entstehen resistenter Erreger bedeutet, liegt auf der Hand. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Resistenz gegen antimikrobielle Mittel der Einführung neuer Medikamente in der Massentierhaltung auf dem Fuße folgt. Nachdem die Food and Drug Administration (FDA, Lebensmittelbehörde) 1995 gegen den Protest des Seuchenzentrums Fluoroquinolon – zum Beispiel Cipro – für den Einsatz bei Hühnern zugelassen hatte, stieg der Prozentsatz der Bakterienstämme, die gegen dieses starke Mittel resistent waren, bis 2002 von fast null auf 18 Prozent. Eine breiter angelegte Studie im New England Journal of Medicine zeigte für den Zeitraum von 1992 bis1997eine achtfache Erhöhung der Resistenz gegen antimikrobielle Mittel und brachte diesen Anstieg mithilfe molekularer Subtypisierung mit dem Einsatz antimikrobieller Mittel bei Fabrikhühnern in Verbindung.

Bereits in den 1960er-Jahren haben Wissenschaftler vor dem nichttherapeutischen Einsatz von Antibiotika im Tierfutter gewarnt. Heute haben so unterschiedliche Institutionen wie die American Medical Association, das Seuchenzentrum, das Institute of Medicine (eine Abteilung der National Academy of Sciences) und die Weltgesundheitsorganisation einen Zusammenhang zwischen dem nichttherapeutischen Einsatz von Antibiotika in Massentierhaltungsbetrieben und einer zunehmenden Resistenz gegen antimikrobielle Mittel nachgewiesen und fordern ein Verbot. In den USA hat die Fleischindustrie ein solches Verbot allerdings immer wieder verhindert. Und es ist offensichtlich, dass die Teilverbote in anderen Ländern auch nur eine Teillösung darstellen.

Es gibt einen himmelschreienden Grund dafür, dass das notwendige absolute Verbot der nichttherapeutischen Benutzung von Antibiotika nicht durchgesetzt wurde: Die Fleischindustrie (im Verbund mit der Pharmaindustrie) hat schlicht mehr Macht als die Gesundheitsbehörden. Woher diese ungeheure Macht der Industrie stammt, ist kein Geheimnis: Wir geben sie ihr. Wir haben uns unwissentlich dafür entschieden, diese Industrie in großem Stil zu finanzieren, indem wir Tierprodukte aus Massentierhaltung kaufen (und Wasser, das als Tierprodukt deklariert wird) – und zwar täglich.

Diese Bedingungen, die dazu geführt haben, dass jedes Jahr 76 Millionen Amerikaner durch ihre Ernährung krank werden, und die dafür sorgen, dass Bakterienstämme resistent werden, tragen auch zum Risiko einer Pandemie bei. Was uns wieder zu der erstaunlichen Konferenz von 2004 zurückführt, bei der die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), die Weltgesundheitsorganisation und die Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) ihre ungeheuren Kräfte gebündelt haben, um die vorhandenen Informationen über neue Zoonosen auszuwerten. Zur Zeit der Konferenz standen H5N1 und SARS ganz oben auf der Liste der befürchteten neuen Zoonosen. Heute wäre H1N1 der Erreger Nummer eins.

Die Wissenschaftler unterschieden zwischen »primären Risikofaktoren« für Zoonosen und einfachen »weiteren Risikofaktoren«, die nur das Tempo betreffen, in dem eine Krankheit sich ausbreitet. Als Beispiele für primäre Risikofaktoren führten sie »Veränderungen in einem landwirtschaftlichen Produktionssystem oder Verbrauchergewohnheiten« an. Was für Veränderungen in Landwirtschaft und Verbrauchergewohnheiten waren das genau? Das erste auf der Liste der vier wichtigsten Risikofaktoren war die »zunehmende Nachfrage nach tierischem Eiweiß«, mit anderen Worten, die Nachfrage nach Fleisch, Eiern und Milch ist ein »primärer Risikofaktor« für neue von Tieren übertragene Krankheiten.

Diese Nachfrage nach tierischen Produkten, fährt der Bericht fort, führt zu »Veränderungen der landwirtschaftlichen Methoden«. Damit keine Verwirrung aufkommt: Diese »Veränderungen« betreffen vor allem die Massentierhaltungsbetriebe für Geflügel.

Zu ähnlichen Schlüssen kam das Council for Agricultural Science and Technology, das Experten der Industrie mit denen von WHO, OIE und USDA zusammenbrachte. Ihr Bericht von 2005 führt an, eine wichtige Folge der Massentierhaltung sei »die rasante Selektion und Verbreitung von Erregern aus einem bösartigen Stamm (oft durch schleichende Mutation entstanden), weshalb es ein erhöhtes Risiko für das Auftauchen und/ oder die Verbreitung von Krankheiten« gebe. In überfüllten, stressfördernden, fäkalienverseuchten und künstlich beleuchteten Hühnerfabriken genetisch einheitliche und krankheitsanfällige Vögel zu produzieren fördert Wachstum und Mutation der Erreger. Zu den »Kosten der Effizienzsteigerung«, schließt der Bericht, gehöre ein weltweit erhöhtes Krankheitsrisiko. Wir haben eine einfache Wahl: billige Hühner oder unsere Gesundheit.

Der Zusammenhang zwischen Massentierhaltung und Pandemie könnte nicht offensichtlicher sein. Der Urvater des kürzlich ausgebrochenen H1N1 (Schweinegrippe) stammt von einer Schweinefarm in North Carolina, dem amerikanischen Bundesstaat mit der höchsten Dichte an Schweinefarmen, und verbreitete sich schnell in Nord-und Südamerika. In diesen Massentierhaltungsbetrieben fanden Wissenschaftler zum ersten Mal Viren, die das genetische Material von Hühner-, Schweine-und Menschenviren trugen. Wissenschaftler der Universitäten Columbia und Princeton haben tatsächlich sechs der acht genetischen Sequenzen des (im Moment) am meisten gefürchteten Virus der Welt direkt auf amerikanische Massentierhaltungsbetriebe zurückgeführt.

Vielleicht verstehen wir im Grunde auch ohne diese ganzen wissenschaftlichen Erkenntnisse längst, dass irgendetwas schrecklich schiefläuft. Unsere Nahrung besteht aus Leiden. Wenn man uns anbietet, uns einen Film darüber zu zeigen, woher unser Fleisch kommt, wissen wir, dass es ein Horrorfilm sein wird. Wir wissen vielleicht mehr, als wir zugeben, und schieben das in den hintersten Winkel unseres Bewusstseins – wir wollen damit nichts zu tun haben. Wenn wir Fleisch aus Massentierhaltung essen, leben wir buchstäblich von gefoltertem Fleisch. Und dieses gefolterte Fleisch wird zunehmend unser eigenes.

Weitere Einflüsse

DER VERZEHR VON INDUSTRIEFLEISCH kann nicht nur zu lebensmittelinduzierten und übertragbaren Krankheiten führen, sondern beeinflusst die menschliche Gesundheit auch auf andere Weise: Am offensichtlichsten ist der inzwischen anerkannte Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und den wichtigsten Todesursachen (erstens Herzinfarkt, zweitens Krebs, drittens Schlaganfall). Etwas weniger offensichtlich ist der verzerrende Einfluss der Fleischindustrie auf die Ernährungsinformationen, die wir von der Regierung und von Medizinern erhalten.

1917, als der Erste Weltkrieg Europa verwüstete und kurz bevor die Spanische Grippe die ganze Welt verwüstete, gründete eine Gruppe von Frauen – teilweise durch den Wunsch motiviert, die amerikanischen Lebensmittelvorräte in Kriegszeiten optimal nutzen zu können – die heute wichtigste US – Organisation von Menschen in Lebensmittel-und Ernährungsberufen, die American Dietetic Association (ADA). Seit den 1990erJahren gibt die ADA das Standardwerk zu den nachgewiesenen gesundheitlichen Vorteilen einer vegetarischen Ernährung heraus. Die ADA nimmt dabei eine vorsichtige Haltung ein und lässt eine Menge gut dokumentierter gesundheitlicher Vorteile außer Acht, die mit einer Reduktion des Konsums tierischer Produkte einhergeht. Hier sind die drei Schlüsselsätze aus der Zusammenfassung ihrer Zusammenfassung der relevanten wissenschaftlichen Literatur. Erstens:

Eine ausgewogene vegetarische Ernährung ist für alle Menschen in jeder Lebensphase geeignet, einschließlich Schwangerer, stillender Mütter, Kinder und Jugendlicher, ebenso wie für Sportler.

Zweitens:

Eine vegetarische Ernährung enthält weniger gesättigte Fettsäuren und Cholesterin, aber mehr Ballaststoffe, Magnesium und Kalium, Vitamine C und E, Folsäure, Karotinoide, Flavonoide und andere Phytochemikalien.

An anderer Stelle weist das Papier darauf hin, dass Vegetarier und Veganer (einschließlich Sportlern) »ausreichend oder sogar mehr« Protein zu sich nehmen. Es sagt außerdem, dass eine übermäßige Zufuhr von tierischem Eiweiß schädlich sein kann und mit Osteoporose, Nierenleiden, Harnsteinen und einigen Krebsarten in Zusammenhang steht. Laut ADA sind Vegetarier und Veganer in der Regel viel besser mit Proteinen versorgt als Allesesser.

Und schließlich die wirklich wichtige Neuigkeit, die nicht auf Vermutungen basiert (so fundiert solche Vermutungen auch sein mögen), sondern auf dem Nonplusultra der Ernährungsforschung: Studien an lebenden Menschen.

Drittens:

Vegetarische Ernährung hat eine Reihe gesundheitlicher Vorteile, darunter ein niedrigerer Cholesterinspiegel, geringeres Risiko von Herzkrankheiten [die allein schon für über 25 Prozent aller Todesfälle in den USA verantwortlich sind], niedrigerer Blutdruck und ein geringeres Risiko von Hypertonie und Diabetes Typ II. Vegetarier haben zumeist einen niedrigeren Body-Mass-Index (BMI) [das heißt, sie sind nicht so dick] und insgesamt eine niedrigere Krebsrate [an Krebs sterben jährlich weitere fast 25 Prozent der US-Bürger].

Ich glaube nicht, dass die individuelle Gesundheit ein zwingender Grund ist, Vegetarier zu werden, aber wenn es ungesund wäre, keine Tiere zu essen, wäre das bestimmt ein Grund, kein Vegetarier zu sein. Es wäre ziemlich sicher ein Grund, meinem Sohn Tiere zu essen zu geben.

Ich habe mit führenden Ernährungswissenschaftlern darüber gesprochen – und sowohl nach Erwachsenen als auch nach Kindern gefragt – und habe immer und immer wieder dieselben Antworten bekommen: Vegetarismus ist mindestens so gesund wie eine Ernährung mit Fleisch.

Es ist manchmal schwer zu glauben, dass es gesünder ist, tierische Produkte zu vermeiden, und dafür gibt es einen Grund: Wir werden über unsere Ernährung konsequent belogen. Ich will das gern ausführen. Wenn ich sage, wir werden belogen, will ich nicht die wissenschaftliche Literatur anzweifeln, sondern ich verlasse mich auf sie. Wissenschaftliche Informationen über Ernährung und Gesundheit (vor allem aus den staatlichen Ernährungsrichtlinien) erreichen uns auf vielen Umwegen. Seitdem es Ernährungswissenschaft gibt, haben Fleischproduzenten sichergestellt, dass sie mitbestimmen, auf welche Weise Leuten wie Ihnen und mir Informationen zur Ernährung präsentiert werden.

Sehen wir uns zum Beispiel das National Dairy Council (NDC) an, einen Marketingableger der Dairy Management Inc., ein Industrieunternehmen, dessen einziger Zweck, laut seiner Webseite, darin liegt, »Nachfrage und Kauf von Milchprodukten in den USA zu steigern«. Das NDC vermarktet Milchprodukte ohne Rücksicht auf die Gesundheit und verkauft sogar Milchprodukte an Völker, die das Zeug gar nicht verdauen können. Da das NDC ein Marketingunternehmen ist, ist sein Handeln zumindest nachvollziehbar. Schwerer nachzuvollziehen ist, warum Pädagogen und Regierung es zugelassen haben, dass das NDC seit den 1950er-Jahren der größte und wichtigste Verleger von ernährungspädagogischem Material in den USA ist. Schlimmer noch, unsere aktuellen Ernährungsrichtlinien kommen aus derselben Regierungsabteilung, die so hart daran gearbeitet hat, die Massentierhaltung zur Norm zu machen, nämlich dem Agrarministerium USDA.

Das USDA hat das Monopol für den wichtigsten Werbeplatz der Nation – diese kleinen Kästchen mit Nährwertangaben, die auf fast allen Lebensmitteln abgedruckt sind. Das Agrarministerium wurde im selben Jahr gegründet wie die ADA und erhielt die Aufgabe, die Nation über Nahrungsmittel zu informieren und letztendlich Richtlinien zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit zu erarbeiten. Gleichzeitig jedoch sollte das Agrarministerium die Industrie fördern.

Der Interessenkonflikt ist kein geringer: Unser Land erhält sämtliche offiziellen Ernährungsinformationen von einer Organisation, die die Lebensmittelindustrie fördern muss, was heutzutage bedeutet, die Massentierhaltung zu fördern. Die kleinen Fehlinformationen, die verbreitet werden (wie die Angst, nicht »genug Protein« zu sich zu nehmen), sind eine logische Konsequenz daraus und wurden bereits von Autoren wie Marion Nestle detailliert dargestellt. Nestle hat als Gesundheitsexpertin intensiv mit der Regierung zusammengearbeitet, unter anderem am »Lagebericht des Gesundheitsministeriums über Ernährung und Gesundheit«, und hatte jahrzehntelang engen Kontakt zur Lebensmittelindustrie. In vielerlei Hinsicht sind ihre Schlüsse banal und bestätigen nur, was wir ohnehin wussten, aber die Insiderperspektive zeigt uns doch ein sehr viel klareres Bild davon, wie viel Einfluss die Lebensmittelindustrie – vor allem die Tierproduktion – auf die staatliche Ernährungspolitik hat. Nestle schreibt, die Lebensmittelindustrie sage und tue – ebenso wie die Zigarettenhersteller (ihr Vergleich) – alles, was den Verkauf fördere. Sie »betreiben Lobbyarbeit beim Kongress, damit unliebsame Vorschriften entfernt werden; sie üben Druck auf Bundesbehörden aus, damit solche Vorschriften nicht durchgesetzt werden; und wenn ihnen eine Entscheidung nicht passt, ziehen sie vor Gericht. Wie die Zigarettenindustrie kooptiert die Lebensmittelindustrie Ernährungsexperten, indem sie Organisationen und Forschungsinstitute fördert, und sie erhöhen die Verkäufe, indem sie ihr Marketing direkt an Kinder richten.« Dazu, dass die US – Regierung den Konsum von Milchprodukten empfiehlt, um gegen Osteoporose vorzubeugen, bemerkt Nestle, dass in den Teilen der Welt, in denen keine Milch auf dem täglichen Speiseplan steht, oftmals weniger Fälle von Osteoporose und Knochenbrüchen vorkommen als in Amerika. Die höchsten Osteoporoseraten haben die Länder, in denen die meisten Milchprodukte verzehrt werden.

Als alarmierendes Beispiel für den Einfluss der Lebensmittelindustrie führt Nestle an, dass die inoffizielle Politik des Agrarministeriums im Moment dahin gehe, nie zu sagen, dass wir von irgendetwas »weniger essen« sollen, egal, wie gesundheitsschädlich es möglicherweise ist. Anstatt also zu sagen: »esst weniger Fleisch« (was hilfreich sein könnte), sagen sie: »Fett sollte weniger als 30 Prozent der gesamten Kalorienzufuhr ausmachen« (womit niemand etwas anfangen kann). Die Institution, die wir damit beauftragt haben, es uns zu sagen, wenn Lebensmittel gefährlich sind, betreibt die Politik, es uns nicht (direkt) zu sagen, wenn Lebensmittel (vorallem, wenn es sich um Tierprodukte handelt) gefährlich sind.

Die Lebensmittelindustrie bestimmt unsere Ernährungspolitik von der Entscheidung, welche Lebensmittel im Supermarkt in der »Health Food«-Ecke stehen, bis hin zum Schulessen unserer Kinder. Im National School Lunch Program zum Beispiel wird mehr als eine halbe Milliarde Dollar Steuergelder an die Milch-, Rinder-, Ei-und Geflügelindustrie gezahlt, um den Kindern Tierprodukte zu essen zu geben, obwohl ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse uns nahelegen, weniger davon zu essen. Gleichzeitig werden bescheidene 161 Millionen Dollar für Obst und Gemüse ausgegeben, obwohl selbst das Agrarministerium gesteht, dass wir davon mehr essen sollten. Wäre es nicht sinnvoller (und moralisch besser vertretbar), wenn die National Institutes of Health – eine Organisation, die auf die menschliche Gesundheit spezialisiert ist und darüber hinaus nichts zu gewinnen hat – dafür zuständig wären?

Die globalen Auswirkungen der Ausbreitung von Massentierhaltung, vor allem in Bezug auf lebensmittelinduzierte Krankheiten, Resistenz der Erreger gegen antimikrobielle Medikamente und mögliche Pandemien, sind wirklich beängstigend. Die Geflügelindustrien von Indien und China sind seit den 1980er-Jahren jährlich um fünf bis 13 Prozent gewachsen. Wenn Indien und China dieselbe Menge Geflügel essen würden wie die Amerikaner (27 bis 28 Vögel im Jahr), würden sie allein so viel Geflügel verzehren wie die gesamte Welt heute. Wenn die Welt dem amerikanischen Vorbild folgt, wird sie jährlich über 165 Milliarden Hühner essen (wenn die Weltbevölkerung nicht wächst). Und wie weiter? 200 Milliarden? 500? Werden die Käfige höher gestapelt oder kleiner gemacht oder beides? Wann akzeptieren wir, dass Antibiotika nicht mehr als Mittel gegen Humankrankheiten eingesetzt werden können? Wie viele Tage pro Woche werden unsere Enkel krank sein? Wohin führt das?

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Fast ein Drittel der Landoberfläche unseres Planeten wird für Viehzucht genutzt.

1.

Lach, lach, heul, heul

PARADISE LOCKER MEATS lag früher etwas näher am Smithville Lake im Nordwesten Missouris. Die ursprüngliche Anlage brannte 2002 nieder, als in der Schinkenräucherei ein Feuer ausbrach. Im neuen Gebäude hängt ein Gemälde vom alten, auf dem eine Kuh sich durch den Hintereingang davonmacht. Diese Szene geht auf eine tatsächliche Begebenheit zurück: Vier Jahre vor dem Feuer, im Sommer 1998, entkam eine Kuh aus dem Schlachthof. Sie rannte meilenweit – und das allein wäre schon eine bemerkenswerte Geschichte. Doch dies war keine gewöhnliche Kuh. Sie überquerte Straßen, trampelte Zäune nieder oder überwand sie auf andere Weise, entkam den Farmern, die nach ihr suchten. Als sie ans Seeufer gelangte, kehrte sie nicht um, dachte nicht lange nach oder hielt die Hufe prüfend ins Wasser. Sie versuchte, sich schwimmend zu retten – der zweite Teil ihres Triathlons –, wenn es denn Rettung gab. Zumindest schien sie zu wissen, wovor sie floh. Mario Fantasma – der Besitzer von Paradise Locker Meats – wurde von einem Freund angerufen, der den Sprung der Kuh ins Wasser gesehen hatte. Die Flucht endete schließlich, als Mario sie auf der anderen Seeseite erwischte. Bumm, bumm, Vorhang. Ob man das als Komödie oder Tragödie sieht, hängt davon ab, wen man für den Helden der Geschichte hält.

Patrick Martins, Mitbegründer des Edelfleischvertriebs Heritage Foods, erzählte mir von diesem Ausbruchsversuch. Er verschaffte mir auch Kontakt zu Mario. »Erstaunlich, wie viele Leute bei einem spektakulären Ausbruch mitfiebern«, schrieb Patrick zu dieser Geschichte in seinem Blog. »Ich habe überhaupt kein Problem, Fleisch zu essen, trotzdem würde ich gern von einem Schwein hören, das abhauen konnte und vielleicht sogar im Wald eine Kolonie freier und wilder Schweine gegründet hat.« Für Patrick hat die Geschichte zwei Helden und ist daher sowohl Komödie als auch Tragödie.

Fantasma klingt wie ein ausgedachter Name, weil es einer ist. Marios Vater wurde auf einer Türschwelle in Kalabrien abgelegt. Die Familie nahm das Kind auf und gab ihm den Nachnamen »Gespenst«.

Mario hat jedoch ganz und gar nichts Geisterhaftes an sich. Seine körperliche Präsenz ist eindrucksvoll – »ein Nacken wie ein Stier und Arme wie Schinkenschlegel«, so beschrieb ihn Patrick –, und er spricht laut und geradeheraus. Bestimmt weckt er ständig unabsichtlich schlafende Babys. Ich fand seine Art ungeheuer angenehm, besonders im Vergleich zu den anderen Schlachtern, mit denen ich geredet (oder zu reden versucht) hatte und die geschwiegen hatten und ausgewichen waren.

Montag und Dienstag sind bei Paradise Schlachttage. Mittwochs und donnerstags wird zerlegt, entbeint und verpackt, und freitags können die Leute aus der Gegend ihre Tiere schlachten und/oder zerlegen lassen. (Mario erzählte mir: »Während der Jagdsaison kriegen wir in einem Zeitraum von zwei Wochen zwischen 500 und 800 Hirsche. Da wird es ziemlich wild hier.«) Heute ist Dienstag. Ich parke, schalte den Motor aus und höre Quieken.

Durch die Eingangstür von Paradise gelangt man in einen kleinen Verkaufsraum mit Kühlregalen an den Wänden, worin einige Produkte liegen, die ich schon gegessen habe (Schinken, Steaks), andere, die ich noch nie bewusst verzehrt habe (Blut, Schweineschnauze), und manche, die ich nicht kenne. Weiter oben an den Wänden hängt Ausgestopftes, zwei Hirschköpfe, ein Longhorn-Rind, ein Widder, Fische, außerdem mehrere Geweihe. Weiter unten Buntstiftbotschaften von Grundschülern: »Vielen Dank für die Schweineaugäpfel. Es hat Spaß gemacht, sie aufzuschneiden und die Teile des Auges kennenzulernen!« »Sie waren zwar schleimig, aber ich hatte viel Spaß damit!« »Danke für die Augen!« Neben der Registrierkasse steht ein Visitenkartenhalter, in dem ein halbes Dutzend Tierpräparatoren und eine schwedische Masseuse ihre Dienste anbieten.

Paradise Locker Meats ist eine der letzten Bastionen unabhängiger Schlachthöfe im Mittelwesten, ein Gottesgeschenk für die regionalen Viehzüchter. Die großen Agrarkonzerne haben so gut wie alle aufgekauft und geschlossen und die Farmer in ihr System hineingezwungen. Kleinere Kunden – also Farmer, die keine Massentierhaltung betreiben – müssen dort fürs Schlachten eine Zusatzgebühr bezahlen (wenn der Schlachthof ihre Tiere überhaupt annimmt, was immer fraglich ist), und sie können kaum Einfluss darauf nehmen, wie ihre Tiere behandelt werden.

Paradise hat während der Jagdsaison zu allen Tageszeiten telefonische Anfragen von Leuten aus der Gegend. Hier gibt es im Laden Dinge, die im Supermarkt nicht mehr zu bekommen sind – Fleisch am Knochen zum Beispiel, Kundenwünschen gemäß zerlegte Fleischstücke, eine Räucherkammer –, und bei Kommunalwahlen fungiert der Raum auch mal als Wahllokal. Paradise ist für Sauberkeit, fachmännische Schlachtung und Einhaltung der Tierschutzbestimmungen bekannt. Kurz gesagt ist es wohl der »idealste« Schlachthof, der sich finden lässt, und damit statistisch ganz und gar nicht repräsentativ für das Schlachtgewerbe. Wollte man bei einem Besuch von Paradise das industrielle Hochleistungsschlachthaus verstehen, wäre das ungefähr so, als wollte man den Kraftstoffverbrauch eines Geländewagens einschätzen, indem man das Fahrradfahren in Augenschein nimmt (schließlich sind beides Transportarten).

Die Anlage ist in verschiedene Einheiten unterteilt – den Laden, das Büro, zwei riesige Kühlhäuser, eine Räucherkammer, einen Fleischerraum, einen Pferch hinterm Gebäude, wo die Tiere aufs Schlachten warten –, doch das eigentlicheTöten und erste Zerlegen findet in einem einzigen großen Saal mit hoher Decke statt. Mario lässt mich einen weißen Papieroverall überziehen und eine Kappe aufsetzen, ehe ich durch die Schwingtüren gehen darf. Er deutet mit der fleischigen Hand in die hintere Ecke des Schlachtraums und erklärt die Vorgehensweise: »Der Kerl dahinten bringt die Schweine rein. Dann setzt er den Schocker an [ein Betäubungsgerät, das Tiere mithilfe eines Stromstoßes rasch bewusstlos macht]. Wenn sie betäubt sind, ziehen wir sie mit der Winde hoch, stechen sie und lassen sie ausbluten. Ziel ist – wozu wir auch nach dem Gesetz verpflichtet sind –, dass das Tier sofort zu Boden geht und nicht mehr die Augen aufschlägt. Es muss außer Gefecht gesetzt sein.«

Im Gegensatz zu den riesigen Massenschlachthöfen, wo die Zerlegemaschinerie ununterbrochen weiterläuft, werden die Schweine bei Paradise eins nach dem anderen verarbeitet. Es werden auch keine Hilfsarbeiter eingestellt, die ihren Job meist nicht mal ein Jahr machen; hier arbeitet unter anderem Marios Sohn im Schlachtraum. Die Schweine werden aus halb im Freien liegenden Gehegen hinterm Gebäude in einen mit Gummi verkleideten engen Gang getrieben, der zum Tötungsbereich im Schlachtraum führt. Sobald ein Schwein in dem Gang ist, fällt die Tür hinter ihm zu, sodass die dahinter wartenden Schweine nicht zu sehen bekommen, was geschieht. Das ist nicht nur human, sondern auch praktisch: Ein Schwein, das den Tod fürchtet – oder wie man seine Panik auch beschreiben möchte –, ist schwer zu bändigen, vielleicht sogar gefährlich. Und Stress mindert bekanntlich die Qualität des Fleisches.

Neben der Tür für das Schwein befindet sich eine Tür für den Arbeiter, der, nachdem er das Schwein in den Gang getrieben hat, den Tötungsbereich, der zum Teil durch Wände vom Rest des Schlachtsaals abgetrennt ist, ebenfalls betritt.

In dieser versteckten Ecke steht ein gewaltiger Apparat, der das Tier, wenn es hereinkommt, für kurze Zeit so festhält, dass es sich nicht bewegen kann, damit der »Knocker« – der Arbeiter mit dem Betäubungsgerät, dem »Schocker« – den Stromstoß auf der Schädeldecke des Schweins setzen kann, sodass es im Idealfall sofort das Bewusstsein verliert. Niemand will mir einen Grund dafür nennen, wieso dieser Apparat und seine Funktion vor allen Blicken außer denen des Knockers verborgen werden müssen, aber Vermutungen drängen sich auf. Sicherlich sollen die anderen Angestellten ihrer Arbeit nachgehen können, ohne ständig daran erinnert zu werden, dass sie Wesen zerlegen, die eben noch lebendig waren. Wenn das Schwein in ihr Blickfeld kommt, ist er oder sie schon ein Ding.

Durch diese Anordnung wird allerdings auch dem Inspektor des Agrarministeriums, Doc, die Sicht auf die Schlacht verstellt. Das scheint problematisch, denn es fällt in seine Verantwortung, die lebenden Tiere nach Krankheiten oder Gebrechen zu untersuchen, die sie ungeeignet für den menschlichen Verzehr machen. Außerdem – und dies ist ein sehr wichtiger Aspekt, besonders aus Sicht des Schweins – hat er ganz allein darauf zu achten, dass human geschlachtet wird.

Dave Carney, früher selbst amtlicher Schlachthofinspektor und jetzt Vorsitzender der National Joint Council for Food Inpection Locals (Gewerkschaft der Lebensmittelkontrolleure), sagte dazu: »So wie die Schlachthöfe gebaut und aufgeteilt sind, findet die Fleischbeschau immer weiter hinten am Fließband statt. Meistens kann der Inspektor den Schlachtvorgang von seinem Standort aus nicht mal sehen. Es ist praktisch unmöglich, den Schlachtbereich zu überwachen, wenn man gleichzeitig versucht, an den vorbeisausenden Tierkörpern Krankheiten und Anomalien festzustellen.« Ein Inspektor aus Indiana bestätigt das: »Da, wo wir eingesetzt werden, können wir nicht sehen, was passiert. In sehr vielen Schlachthöfen ist der Tötungsbereich durch Wände vom Rest des Schlachtraums abgetrennt. Ja, wir müssten das Töten eigentlich überwachen. Aber wie soll man so etwas überwachen, wenn man seinen Posten nicht verlassen darf, um nachzuschauen, was dort passiert?«

Ich frage Mario, ob der Schocker immer richtig funktioniert.

»In 80 Prozent der Fälle, schätze ich, kriegen wir sie mit dem ersten Stoß bewusstlos. Wir wollen nicht, dass das Tier noch etwas spürt. Einmal funktionierte das Gerät nicht richtig und verpasste dem Tier nur die halbe Ladung. Da muss man wirklich aufpassen – vorm Schlachten immer noch mal testen. Es kann immer vorkommen, dass Geräte nicht richtig arbeiten. Darum haben wir auch ein Bolzenschussgerät als Ersatz. Das setzt man ihnen auf den Kopf, und dann wird ihnen ein Stahlstift in den Schädel geschossen.«

Nach dem ersten oder höchstens zweiten Stromstoß, der das Schwein hoffentlich bewusstlos gemacht hat, wird es an den Füßen aufgehängt und »gestochen« – am Hals aufgeschnitten –, damit es ausblutet. Danach wird es in den Brühkessel gesenkt. Wenn es wieder herauskommt, sieht es längst nicht mehr so nach Schwein aus – glatt und glänzend, fast wie Plastik. Es wird auf einem Tisch abgelassen, wo zwei Arbeiter alle übrig gebliebenen Borsten entfernen, einer mit dem Schneidbrenner, einer mit einem Schabeisen.

Dann wird das Schwein wieder aufgehängt, und jemand – heute ist es Marios Sohn – schneidet es mit einer Kettensäge der Länge nach durch. Man erwartet ja – oder ich erwartete zumindest –, dass der Bauch aufgeschnitten wird und so weiter, aber das Gesicht halbiert zu sehen, die Nase in der Mitte gespalten, die Kopfhälften aufgeschlagen wie ein Buch, das hat mich schockiert. Befremdet hat mich auch, dass die Innereien nicht nur per Hand, sondern auch ohne Handschuhe aus dem aufgeschnittenen Schwein geholt werden: Man braucht dazu den Griff und das Feingefühl der nackten Finger.

Das finde ich nicht bloß abstoßend, weil ich ein Stadtkind bin. Auch Mario und seine Angestellten gaben zu, dass die blutigeren Aspekte der Schlachtung ihnen Schwierigkeiten machen, und ähnliche Aussagen hörte ich überall, wo ich offen mit Schlachthausarbeitern reden konnte.

Die Innereien und Organe werden zu Docs Tisch gebracht, der sie untersucht und sehr selten einmal ein Teil aufschneidet, um reinzuschauen. Dann schiebt er den ganzen Glibber vom Tisch in eine große Mülltonne. Doc müsste sich kaum verändern, um in einem Horrorfilm mitzuspielen – und zwar nicht als Opfer. Sein Kittel ist blutverschmiert, sein Blick hinter der dicken Schutzbrille entschieden wahnsinnig, er ist Innereienbeschauer und hört auf den Namen Doc. Seit Jahren schon begutachtet er die Därme und Organe im Schlachtraum von Paradise. Ich frage ihn, wie oft er schon etwas Verdächtiges entdeckt hat und unterbrechen musste. Er setzt die Schutzbrille ab, sagt »Niemals« und setzt sie wieder auf.

Das

Schwein gibt es nicht

WILDE SCHWEINE gibt es auf jedem Kontinent außer der Antarktis, die Taxonomie zählt insgesamt 16 Arten. Hausschweine – die Art, die wir essen – werden wiederum in eine Vielzahl von Zuchtrassen unterteilt. Zuchtrassen sind im Gegensatz zu Arten kein natürliches Phänomen. Sie werden von Farmern gehalten, die ausgewählte Tiere mit besonderen Eigenschaften miteinander kreuzen, heutzutage normalerweise durch künstliche Befruchtung (ungefähr 90 Prozent der großen Schweinefarmen nutzen künstliche Befruchtung). Würde man ein paar Hundert Hausschweine einer bestimmten Rasse ein paar Generationen lang sich selbst überlassen, würden sie allmählich ihre angezüchteten Eigenschaften verlieren.

Wie Hunde-oder Katzenrassen werden auch jeder Schweinerasse bestimmte Merkmale zugeschrieben; manche sind für den Produzenten wichtiger, wie die unvermeidliche Futterverwertungsrate; andere interessieren eher den Verbraucher, wie mager oder marmoriert zum Beispiel das Muskelfleisch ist; und einige sind vor allem für das Schwein von Bedeutung, zum Beispiel die Anfälligkeit für Angstzustände oder schmerzhafte Beindefekte. Da für Produzent, Konsument und Schwein natürlich nicht die gleichen Eigenschaften zählen, züchten Farmer regelmäßig Tiere, die wegen bestimmter körperlicher Merkmale, nach denen Industrie und Verbraucher verlangen, noch schlimmer als nötig leiden. Wenn Sie je einem reinrassigen Deutschen Schäferhund begegnet sind, ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass beim stehenden Hund das Hinterteil niedriger ist als die Vorderpartie, dass der Hund also ständig zu kauern oder auf dem Sprung zu sein scheint. Diesen »Look« fanden Züchter wünschenswert und haben ihn daher über Generationen angezüchtet, indem sie Tiere mit kürzeren Hinterbeinen zur Zucht auswählten. Infolgedessen leiden Deutsche Schäferhunde aus bester Zucht weit überdurchschnittlich an Hüftdysplasie, einer schmerzhaften erblichen Erkrankung, die viele Besitzer letztlich dazu zwingt, ihre Gefährten entweder leiden zu sehen, einzuschläfern oder teuren chirurgischen Eingriffen zu unterziehen. Fast alle landwirtschaftlichen Nutztiere in den USA, ganz egal, unter welchen Bedingungen sie gehalten werden – »freilaufend«, »Freiland« oder »artgerecht« –, sind schon von ihrer Anlage her zum Leiden verurteilt. Massentierhaltung erlaubt Viehzüchtern, mit ernsthaft kranken Tieren durch Einsatz von Antibiotika und anderen Pharmazeutika sowie streng kontrollierter Gefangenschaft hohen Profit zu machen, und hat daher ganz neue, manchmal monströse Kreaturen hervorgebracht.

Die Nachfrage nach magerem Schweinefleisch – »the other white meat« (das andere weiße Fleisch), wie es uns verkauft wird – hat dazu geführt, dass die Schweinefleischindustrie Tiere produziert, die nicht nur mehr Herzprobleme und Schäden im Bewegungsapparat haben, sondern auch unter größerer Erregbarkeit, Angstzuständen, Nervosität und Stress leiden. (Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler, die für die Agrarindustrie forschen.) Diese außerordentlich gestressten Tiere machten den Fleischproduzenten Kummer, natürlich nicht ihres Wohlergehens wegen, sondern weil, wie bereits erwähnt, »Stress« den Geschmack des Fleisches anscheinend negativ beeinflusst: Der Körper der gestressten Tiere produziert mehr Säure, die das Muskelfleisch ganz ähnlich angreift wie unsere Magensäure beim Verdauen.

Der National Pork Producers Council, der landesweite Verband und politische Arm der amerikanischen Schweinefleischindustrie, berichtete 1992, übersäuertes, blässliches, weichliches Fleisch (sogenanntes PSE – Fleisch, »pale soft exudative«, also blässlich, weichlich und wässrig) finde sich bei etwa zehn Prozent aller geschlachteten Schweine und koste die Industrie 69 Millionen Dollar jährlich. Als Professor Lauren Christian von der Iowa State University 1995 verkündete, er habe ein Stress-gen entdeckt, durch dessen Beseitigung das Auftreten von PSE – Fleisch reduziert werden könne, entfernte die Fleischindustrie das Gen aus ihrem Genpool. Doch leider nahmen die Probleme mit PSE – Fleisch weiter zu, manche Schweine waren so stressanfällig, dass sie schon tot umfielen, wenn ein Traktor zu dicht an ihrem gefängnisartigen Pferch vorbeifuhr. 2002 stellte die American Meat Science Association – ein von der Industrie gegründeter Forschungsverbund – fest, dass über 15 Prozent aller geschlachteten Schweine PSE – Fleisch lieferten (oder jedenfalls Fleisch, das blass oder weichlich oder wässrig war, wenn nicht gar alle drei Merkmale besaß). Das Stressgen auszuschalten war insofern eine nützliche Maßnahme, als die Zahl der beim Transport verendeten Tiere abnahm, aber der Stress an sich wurde dadurch nicht reduziert.

Natürlich nicht. In den letzten Jahrzehnten sind immer wieder Wissenschaftler an die Öffentlichkeit getreten und haben die Entdeckung von Genen verkündet, die unseren körperlichen Zustand und unsere seelischen Neigungen »kontrollieren« sollen. Da wird beispielsweise ein »Fettgen« vorgestellt und versprochen, seine Entfernung aus dem Genom werde dafür sorgen, dass wir essen könnten, was wir wollten, auf jegliche sportliche Betätigung verzichten dürften und dennoch nicht mehr dick würden. Es wird auch behauptet, bestimmte Gene würden zu Untreue, mangelnder Neugier, Feigheit oder Unbeherrschtheit führen. Das ist sicher insofern richtig, als bestimmte Genomsequenzen unser Aussehen, unser Handeln, unsere Gefühle stark beeinflussen. Aber abgesehen von einer Handvoll äußerst simpler Eigenschaften wie Augenfarbe handelt es sich nicht um Eins-zu-eins-Beziehungen; und ganz gewiss nicht bei einem so komplexen Feld wie den verschiedenartigen Phänomenen, die wir unter dem Begriff »Stress« zusammenfassen. Wenn wir von Stress bei Nutztieren sprechen, meinen wir ganz unterschiedliche Dinge: Nervosität, abnorme Aggressivität, Frustration, Angst und vor allem Leiden – und nichts davon sind simple genetische Merkmale wie blaue Augen, die sich einfach ausschalten lassen.

Ein Schwein aus einer der vielen Rassen, die traditionell auf Amerikas Farmen gezüchtet wurden, konnte und kann das ganze Jahr draußen leben, wenn man ihm ausreichenden Wetterschutz und Schlafplätze bietet. Das ist auch gut so, denn dadurch lassen sich nicht nur ökologische Katastrophen vom Ausmaß der Exxon-Valdez-Ölpest vermeiden (dazu komme ich später), sondern Schweine können durch Auslauf im Freien auch all das tun, was sie am liebsten tun – laufen, spielen, sich sonnen, grasen, sich in Schlamm und Wasser wälzen, damit der Wind sie kühlt (Schweine können nur an der Schnauze schwitzen). Die heute in der Massentierhaltung verwendeten Rassen sind genetisch so weit verändert, dass sie oft genug in klimaregulierten Gebäuden gehalten werden müssen, von Sonne und Jahreszeitenwechsel völlig abgeschnitten. Wir züchten Kreaturen, die nur in künstlichster Umgebung überlebensfähig sind. Wir haben die ungeheuren Möglichkeiten moderner Genetik darauf konzentriert, Tiere zu erschaffen, die mehr leiden.

Nett, beunruhigend, unsinnig

MARIO FÜHRT MICH HINTER DAS GEBÄUDE. »Das hier ist der Schweinepferch. Sie kommen am Abend vorher an. Wir spritzen sie sauber. Wenn sie 24 Stunden bleiben müssen, füttern wir sie. Die Gehege wurden eigentlich eher für Rinder gebaut. Sie bieten genug Raum für 50 Schweine, aber manchmal kriegen wir 70 oder 80 auf einmal, dann wird es schwierig.«

Es ist ziemlich heftig, so großen, intelligenten Lebewesen so nah zu sein, wenn ihr Tod so kurz bevorsteht. Man kann unmöglich wissen, ob sie tatsächlich spüren, was sie erwartet. Außer wenn der Knocker herauskommt, um das nächste Schwein in den Gang zu treiben, wirken sie relativ entspannt. Es ist kein offensichtliches Entsetzen, kein Geheul oder auch nur Zusammendrängen zu beobachten. Ein Schwein fällt mir allerdings auf, das auf der Seite liegt und ziemlich zittert. Alle anderen springen auf, wenn der Knocker kommt, doch dieses bleibt liegen und bibbert. Würde George sich so verhalten, führen wir sofort mit ihr zum Tierarzt. Und wenn jemand sähe, dass ich mich nicht um sie kümmern würde, würde er oder sie mir zumindest fehlende Menschlichkeit attestieren. Ich frage Mario nach dem Schwein.

»So was machen Schweine eben«, sagt er glucksend.

Es ist tatsächlich nicht ungewöhnlich, dass Schweine, die aufs Schlachten warten, Herzinfarkte bekommen oder ihnen die Beine den Dienst versagen. Zu viel Stress: der Transport, der Tapetenwechsel, die Behandlung, das Quieken hinter der Tür, der Blutgeruch, das Armeschwenken des Knockers. Aber vielleicht machen Schweine so was eben einfach nur, und Marios Glucksen bezieht sich auf meine Unwissenheit.

Ich frage Mario, ob er glaubt, dass die Schweine irgendeine Ahnung haben, wieso sie hier sind oder was drinnen passiert. »Ich persönlich glaube nicht, dass sie es wissen. Eine Menge Leute versuchen einem das einzureden: Tiere wissen, dass sie

sterben müssen. Ich habe schon so viele Schweine und Rinder hier durchlaufen sehen, und ich habe überhaupt nicht den Eindruck. Klar haben sie Angst, weil sie ja noch nie hier drin gewesen sind. Sie sind ans Draußensein gewöhnt, an Erde und Weiden und so was. Darum bringen wir sie gerne nachts hier rein. Wenn sie was wissen, dann bloß, dass sie weggebracht wurden und jetzt woanders auf irgendwas warten.«

Vielleicht ist ihnen ihr Schicksal unbekannt und macht ihnen daher keine Angst. Vielleicht hat Mario recht, vielleicht auch nicht. Beides scheint möglich.

»Mögen Sie Schweine?«, frage ich – vielleicht die Frage, die am ehesten auf der Hand liegt und doch in diesem Zusammenhang sehr schwer zu stellen und zu beantworten ist.

»Sie müssen getötet werden. Das ist irgendwie eine mentale Sache. Wenn es darum geht, welches Tier ich lieber mag als andere, sind Lämmer am schlimmsten. Unser Schocker ist für Schweine gemacht, nicht für Lämmer. Früher haben wir sie erschossen, aber es kann Querschläger geben.«

Dieser letzten Bemerkung über Lämmer kann ich nicht recht folgen, weil meine Aufmerksamkeit vom Knocker beansprucht wird, der gerade nach draußen kommt, die Arme zur Hälfte blutverschmiert, und mit einem Paddel, an dem eine Rassel hängt, das nächste Schwein in den Schlachtraum treibt. Ganz unvermittelt – oder auch nicht – fängt Mario an, über seinen Hund zu reden, »einen Kleinhund, einen Shih Tzu«, sagt er und spricht die erste Silbe »Shit« aus, macht dann eine Millisekunde Pause, als müsse er im Mund Druck aufbauen, um schließlich »Zu« herauszischen zu lassen. Mit offensichtlichem Vergnügen erzählt er mir von der Geburtstagsfeier, die er vor Kurzem für seinen Shih Tzu organisiert hatte und zu der er und seine Familie die anderen Hunde der Gegend eingeladen hatten, »alle kleinen Hunde«. Schließlich hatte er ein Foto von allen Hunden auf dem Schoß ihrer Besitzer gemacht. Früher konnte er kleine Hunde nicht leiden. Betrachtete sie nicht als richtige Hunde. Dann hatte er einen kleinen Hund geschenkt bekommen, und jetzt liebte er kleine Hunde. Der Knocker kommt her

aus, schwenkt die blutigen Arme und holt das nächste Schwein.

»Geht Ihnen das mit den Tieren schon mal nahe?«, frage ich.

»Nahegehen?«

»Wollten Sie schon mal eins verschonen?«

Er erzählt mir die Geschichte einer Kuh, die ihm kürzlich gebracht wurde. Sie war als eine Art Haustier auf einem Hobbybauernhof gehalten worden, und dann »war ihre Zeit gekommen«. (Niemand scheint solche Sätze näher erläutern zu wollen.) Als Mario sich daranmachte, die Kuh zu töten, leckte sie ihm übers Gesicht. Immer wieder. Vielleicht war sie einfach daran gewöhnt, Menschen als Gefährten zu betrachten. Vielleicht flehte sie auch um Gnade. Als Mario die Geschichte erzählt, gluckst er wieder und zeigt damit – absichtlich, glaube ich –, wie unwohl er sich dabei fühlte. »Junge, Junge«, sagt er. »Dann hat sie mich an die Wand gedrückt und sich ungefähr 20 Minuten oder so an mich gelehnt, ehe ich sie endlich zu Boden gekriegt habe.«

Eine nette Geschichte, eine beunruhigende Geschichte und eine, die absolut keinen Sinn ergibt. Wie sollte die Kuh ihn an die Wand gedrückt haben? Das kann nicht sein, so wie die Anlage gebaut ist. Und was war mit den Schlachthofmitarbeitern? Was haben die derweil gemacht? Immer wieder habe ich gehört, in den größten wie den kleinsten Schlachthöfen, wie wichtig es ist, alles am Laufen zu halten. Wieso sollte man bei Paradise eine 20-minütige Unterbrechung tolerieren?

War das seine Antwort auf meine Frage, ob er schon mal ein Tier verschonen wollte?

Zeit zu gehen. Ich möchte noch mehr Zeit mit Mario und seinen Angestellten verbringen. Das sind nette Leute, stolze, gastfreundliche Menschen – Menschen, wie man sie wohl leider in der Landwirtschaft nicht mehr lange finden wird. 1967 gab es noch über eine Million Schweinefarmen im Land. Heute ist es nicht einmal mehr ein Zehntel, und allein in den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Schweinemastbetriebe um über zwei Drittel zurückgegangen. (Vier Unternehmen produzieren inzwischen 60 Prozent des Schweinefleischs in Amerika.)

Das ist Teil eines umfassenderen Wandels. 1930 war noch über ein Fünftel der amerikanischen Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt. Heute sind es noch zwei Prozent. Und das, obwohl sich die landwirtschaftliche Produktion zwischen 1820 und 1920 verdoppelt hat, zwischen 1950 und 1965 erneut, ebenso zwischen 1965 und 1975, und sich in den nächsten zehn Jahren noch einmal verdoppeln wird. 1950 produzierte ein Farmer genug, um 15,5 Verbraucher zu versorgen. Heute versorgt er 140. Das ist eine deprimierende Entwicklung, nicht nur für die Gemeinden, die genau wussten, was sie an ihren kleinen und mittleren Farmern hatten, sondern auch für die Farmer selbst. (Amerikanische Farmer sind viermal so selbstmordgefährdet wie der Durchschnitt der Bevölkerung.) Heutzutage ist so gut wie alles – Futter, Wasser, Beleuchtung, Heizung, Belüftung, sogar das Schlachten – automatisiert. Die einzigen Arbeitsplätze, die in der Massentierhaltung entstehen, sind entweder bürokratische Schreibtischjobs (wenige) oder ungelernte, gefährliche und schlecht bezahlte Hilfsjobs (viele). In der Massentierhaltung gibt es keine Farmer.

Vielleicht spielt das auch keine Rolle. Die Zeiten ändern sich. Vielleicht ist die Vorstellung vom sachkundigen Farmer, der sich um seine Tiere und unser Essen kümmert, reine Nostalgie, wie die von der Telefonistin, die unsere Gespräche durchstellt. Und vielleicht rechtfertigt das, was wir im Tausch dafür bekommen, Farmer gegen Maschinen, dieses Opfer.

»So können wir Sie nicht gehen lassen«, sagt eine der Arbeiterinnen. Sie verschwindet ein paar Sekunden und kommt mit einem Pappteller zurück, auf dem sich ein Berg rosaroter Schinkenscheiben türmt. »Was wären wir denn für Gastgeber, wenn wir unseren Gast nicht mal kosten ließen?«

Mario nimmt eine Scheibe und steckt sie sich in den Mund.

Ich will das nicht essen. Ich will im Augenblick überhaupt nichts essen, die Bilder und Gerüche des Schlachthofs haben mir den Appetit geraubt. Und ganz bestimmt will ich nicht essen, was da auf dem Teller liegt, denn das war vor nicht allzu langer Zeit Teil eines Schweins draußen im Gehege. Vielleicht ist gar nichts dabei, es zu essen. Aber irgendwas tief in meinem Bewusstsein – ob vernünftig oder unvernünftig, ob ästhetisch oder ethisch, ob egoistisch oder mitfühlend – will dieses Fleisch nicht in meinem Körper haben. Für mich ist dieses Fleisch nicht zum Verzehr geeignet.

Aber etwas anderes tief in meinem Bewusstsein will das Fleisch essen. Ich möchte Mario sehr gern zeigen, wie sehr ich seine Großzügigkeit zu schätzen weiß. Und ich möchte ihm sagen können, dass aus seiner harten Arbeit leckeres Essen wird. Ich möchte sagen: »Toll! Schmeckt großartig!«, und noch ein Stück nehmen. Ich möchte »das Brot mit ihm brechen«. Nichts – kein Gespräch, kein Handschlag, nicht mal eine Umarmung – besiegelt Freundschaft so deutlich wie gemeinsames Essen. Vielleicht ein kulturelles Phänomen. Vielleicht ein Nachhall der gemeinschaftlichen Mahlzeiten unserer Vorfahren.

Und darum geht es in gewisser Hinsicht auf einem Schlachthof. Vor mir auf dem Teller liegt der Zweck, der die blutigen Mittel nebenan zu heiligen verspricht. So etwas habe ich immer wieder von Menschen gehört, die Tiere zum Verzehr aufziehen, und nur so lässt sich die Gleichung aufmachen: Das Essen – wie es schmeckt, wozu es dient – rechtfertigt den Prozess, der es auf den Teller gebracht hat, oder eben nicht.

Für einige Menschen wäre er in diesem Fall gerechtfertigt. Nicht für mich.

»Ich lebe koscher«, sage ich.

»Koscher?«, fragt Mario nach.

»Genau.« Ich gluckse. »Ich bin Jude. Und lebe koscher.«

Der ganze Raum verstummt, als müsste die Luft selbst diese neue Information verarbeiten.

»Irgendwie komisch, dann über Schweinefleisch zu schreiben«, sagt Mario. Ich habe keine Ahnung, ob er mir glaubt, ob er mich versteht und ich ihm leidtue oder ob er mir misstraut und beleidigt ist. Vielleicht weiß er, dass ich lüge, aber versteht mich und ich tue ihm leid. Alles scheint möglich. »Ja, irgendwie komisch«, wiederhole ich. Ist es aber nicht.

2.

Albträume

DIE SCHWEINE, die bei Paradise Locker Meats geschlachtet werden, kommen meist von den wenigen übrig gebliebenen Schweinefarmen im Land, die noch keine Massentierhaltung betreiben. Das Fleisch, das in so gut wie jedem Supermarkt und Restaurant angeboten wird, stammt aus Massentierhaltung, die inzwischen 95 Prozent des amerikanischen Schweinefleischs produziert. (Zum Zeitpunkt der Niederschrift gab das mexikanische Schnellrestaurant Chipotle als einzige landesweite Kette an, einen beträchtlichen Teil seines Schweinefleischs aus artgerechter Tierhaltung zu beziehen.) Wenn man nicht bewusst nach Alternativen sucht, kann man ziemlich sicher sein, dass der Schinken, die Speckstreifen, das Kotelett auf dem Teller aus Massentierhaltung stammen.

Der Unterschied zwischen dem Leben eines Schweins aus Massentierhaltung – mit Antibiotika vollgepumpt, verstümmelt, auf engstem Raum eingepfercht und jedes Sinnenreizes beraubt – und dem eines Schweins, das auf einem gut geführten Betrieb aufwächst, wo traditionelle Tierhaltungsmethoden mit besten Neuentwicklungen kombiniert werden, ist erstaunlich. Man wird kaum einen besseren Schweinefarmer finden als Paul Willis, Speerspitze der Bewegung zur Erhaltung der traditionellen Schweinezucht (und Leiter der Schweinefleischabteilung von Niman Ranch, dem einzigen landesweiten Anbieter von Fleisch aus traditioneller Haltung), und man wird kaum ein offensichtlich gewissenloseres Unternehmen finden als Smithfield, den größten Schweinefleischproduzenten des Landes.

Ich war versucht, in diesem Kapitel zunächst die Hölle der Fleischfabriken von Smithfield zu beschreiben, um dann die relative Idylle der besten traditionellen Betriebe anzuschließen. Aber diese Reihenfolge würde suggerieren, dass sich die Schweinefleischindustrie insgesamt in Richtung mehr Tierschutz und Umweltbewusstsein bewegt, während doch genau das Gegenteil zutrifft. Es gibt keine »Rückkehr« zur guten alten Schweinezucht. Die »Bewegung« in Richtung traditioneller Familien-betriebe gibt es zwar wirklich, doch besteht sie vor allem aus alteingesessenen Farmern, die langsam lernen, sich besser zu vermarkten und zu behaupten. In den USA expandiert immer noch die Massenschweinehaltung, deren weltweites Wachstum sich sogar noch aggressiver darstellt.

Unsere guten alten wohlmeinenden Versuche

ALS ICH MEINEN WAGEN in Thornton, Iowa, vor Paul Willis’ Farm parkte, von wo dieser die Schweinefleischproduktion für Niman Ranch mit ungefähr 500 anderen kleineren Betrieben koordiniert, war ich ein wenig verwirrt. Paul hatte gesagt, ich sollte in sein Büro kommen, aber ich sah bloß ein unscheinbares Backsteinhaus und ein paar landwirtschaftlich genutzte Gebäude. Es war noch morgendlich still, und eine schmächtige weiß-braune Hofkatze kam auf mich zu. Ich schlenderte umher und suchte nach irgendetwas, das meiner Vorstellung von Büro nahekäme, als Paul zu Fuß vom Feld kam, einen Kaffee in der Hand und mit einem gefütterten blauen Overall bekleidet, dazu eine kleine Mütze, die sein kurz geschorenes graubraunes Haar bedeckte. Nach einem kurzen Lächeln und einem festen Händedruck führte er mich ins Haus. Ein paar Minuten saßen wir schweigend in einer Küche, deren Einrichtung anscheinend zu Zeiten des Kalten Krieges aus dem Ostblock geschmuggelt worden war. Es war noch Kaffee in der Maschine, aber Paul bestand darauf, neuen zu kochen. »Der hier steht schon eine Weile«, erklärte er und zog seinen gefütterten Overall aus, worunter er einen weiteren mit schmalen blauen und weißen Streifen trug.

»Ich nehme an, Sie wollen das aufnehmen«, sagte er, ehe er zu erzählen anfing. Diese Offenheit und Hilfsbereitschaft, diese Bereitschaft, seine Geschichte für ein größeres Publikum zu erzählen, gab den Ton für den Rest unseres gemeinsamen Tages vor – auch für die Momente, in denen unsere Meinungsverschiedenheiten offen zutage traten.

»Ich bin in diesem Haus aufgewachsen«, fing Paul an. »Die Familie traf sich hier zum Essen, vor allem sonntags, Verwandte wie Großeltern, Tanten und Onkel, Cousins und Cousinen kamen. Nach dem Essen, bei dem es immer Gemüse der Saison gab, Maiskolben zum Beispiel oder frische Tomaten, rannten wir Kinder raus und spielten den Rest des Tages am Fluss oder im Wald, bis wir nicht mehr konnten. Der Tag war nie lang genug für all die Dinge, die Spaß machten. Dieses Zimmer, in dem ich jetzt arbeite, war die gute Stube, wo für die Sonntagsessen gedeckt wurde. An den anderen Tagen aßen wir in der Küche, und meistens waren noch ein paar Männer zum Essen da, vor allem, wenn besondere Arbeiten anstanden – Heu machen oder Schweine kastrieren oder irgendwelche Bauprojekte, ein Kornsilo zum Beispiel. Alles, wofür man zusätzliche Arbeitskraft brauchte. Das Mittagessen war selbstverständlich. Nur im Notfall fuhren wir in die Stadt zum Essen.«

Neben der Küche gab es noch ein paar größtenteils leere Zimmer. In Pauls Büro stand ein einzelner Holzschreibtisch, darauf ein Computer, dessen Bildschirm von Mails, Tabellenkalkulationen und Ordnern übersät war; an den Wänden hingen Karten mit Stecknadeln darauf, welche die zu Niman Ranch gehörenden Farmer sowie die zugelassenen Schlachthöfe markierten. Hinter großen Fenstern wogte die typische Agrarlandschaft Iowas: Sojafelder, Maisfelder, Weiden.

»Ich will mich kurz fassen«, fuhr Paul fort. »Als ich auf die Farm zurückkam, fingen wir an, Weideschweine zu züchten, im Grunde ganz ähnlich wie heute. Und es war auch gar nicht so viel anders in meiner Kindheit. Als Junge hatte ich verschiedene Aufgaben auf dem Hof, und ich kümmerte mich um die Schweine. Aber natürlich hatte sich auch einiges geändert, vor allem, was den Maschinenpark angeht. Damals setzte im Grunde die Muskelkraft der Arbeit Grenzen. Man arbeitete mit der Mistgabel. Das machte landwirtschaftliche Tätigkeit so mühevoll.

Aber ich will nicht abschweifen: Ich züchtete also meine Schweine, und es machte mir Spaß. Nach und nach vergrößerten wir uns, bis wir 1000 Schweine im Jahr großzogen, ungefähr so wie heute. Dann sah ich immer häufiger, dass solche Mastställe mit Käfigen gebaut wurden. Damals zog das in North Carolina ziemlich an, Murphy Family Farms. Ich ging zu ein paar Versammlungen, und alle sagten: ›Das ist die Zukunft. Wir müssen uns vergrößern!‹ Und ich habe gesagt: ›Nichts hiervon ist besser als das, was ich tue. Nichts. Es ist nicht besser für die Tiere, nicht besser für die Viehzüchter, nicht besser für die Verbraucher. Nichts daran ist besser.‹ Aber sie hatten schon viele Leute, die im Geschäft bleiben wollten, davon überzeugt, dass es so laufen müsste. Ich schätze mal, das war so Ende der Achtziger. Also fing ich an, einen Markt für ›freilaufende Schweine‹ zu suchen. Ich habe den Ausdruck sogar erfunden.«

Hätte sich die Geschichte ein wenig anders entwickelt, kann man sich leicht vorstellen, dass Paul keinen Abnehmer gefunden hätte, der ihm für seine Schweine mehr bezahlt hätte als für die leichter erhältlichen von Smithfield. An diesem Punkt hätte seine Geschichte zu Ende sein können, so wie die einer halben Million Schweinezüchter, die in den letzten 25 Jahren aufgeben mussten. Aber zufällig fand Paul in Bill Niman, dem Gründer von Niman Ranch, genau den Abnehmer, den er brauchte, und kurze Zeit später leitete er bereits die Schweinefleischproduktion bei Niman Ranch, während Bill und sein Unternehmen Abnehmer für Andy in Michigan, dann für Justin in Minnesota, für Todd in Nebraska, für Betty in South Dakota, für Charles in Wisconsin und für inzwischen 500 weitere kleine Schweinezüchter fanden. Niman Ranch zahlt diesen Farmern fünf Cent pro Pfund über dem üblichen Marktpreis und hat außerdem einen Mindestpreis festgelegt, der unabhängig von Marktschwankungen gezahlt wird. Heute bedeutet das pro Schwein eine Mehreinnahme von 25 bis 30 Dollar. Der bescheidene Betrag hat gereicht, diese Farmer überleben zu lassen, während die meisten anderen aufgeben mussten.

Pauls Betrieb ist ein beeindruckendes Beispiel für das, was Wendell Berry, der Inbegriff des intellektuellen Farmers, »unsere wohlmeinenden Versuche, natürliche Vorgänge zu imitieren«, nannte. Paul richtet sich bei seiner Fleischproduktion nach dem Grundsatz, die Schweine (so weit wie möglich) Schweine sein zu lassen. Gut für ihn, dass er ihnen auf diese Weise dabei zusehen kann, wie sie rund und (hat man mir versichert) schmackhaft werden. (Bei Geschmackstests schneiden traditionelle Farmen immer besser ab als industrielle Betriebe.) Es geht darum, dass der Farmer Methoden wählen muss, die das Wohl der Tiere und das Interesse des Farmers, sie nämlich so problemlos wie möglich auf ihr vorgesehenes Schlachtgewicht zu bringen, weitgehend in Einklang bringen. Wer behauptet, dass es eine perfekte Symbiose zwischen Produzenteninteresse und Tierwohl gibt, will höchstwahrscheinlich etwas verkaufen (und zwar keinen Tofu). »Ideales Schlachtgewicht« ist sicher nicht größtmögliches Schweineglück, doch in den besten kleineren Schweinemastbetrieben gibt es eine beachtliche Schnittmenge. Wenn Paul einen Tag alte Eberferkel ohne Betäubung kastriert (wie es 90 Prozent aller männlichen Ferkel widerfährt), dann sollte man meinen, dass seine Interessen nicht sehr gut auf die der ehemaligen Jungeber, nun Altschneider, abgestimmt sind; doch das Leiden ist sehr kurz und begrenzt im Vergleich beispielsweise zur gemeinsamen Freude von Paul und seinen Schweinen, wenn er sie auf der Weide laufen lässt – und erst recht im Vergleich zum ständigen Leid, das Schweine in Massentierhaltung erdulden müssen.

In bester alter Landwirtschaftstradition versucht Paul immer, die Bedürfnisse seines Betriebes so weit wie möglich den Bedürfnissen der Schweine anzupassen – ihrem Biorhythmus und ihrem natürlichen Wachstum.

Während Paul also seine Farm nach der Prämisse führt, die Schweine Schweine sein zu lassen, hat sich die moderne Agrarindustrie gefragt, wie Schweinehaltung wohl aussehen könnte, wenn man sich nur auf Gewinnmaximierung konzentriert – und in Bürohochhäusern in fernen Städten die mehrstufigen Mastbetriebe konzipiert, die heute das Bild in vielen amerikanischen Staaten und auch anderen Ländern bestimmen. Welche praktischen Unterschiede ergeben sich aus diesem ideologischen Graben? Der auffälligste Unterschied – den man sogar von der Straße aus sehen kann, auch wenn man keine Ahnung von Schweinen hat – ist folgender: Auf Pauls Farm haben die Schweine Zugang zu richtiger Erde und stehen nicht auf Beton und Vollspaltenböden. Viele, wenn auch nicht alle Schweinezüchter von Niman Ranch lassen ihre Schweine ins Freie. Wer das nicht tut, muss zumindest für »tiefe Einstreu« sorgen, die den Schweinen erlaubt, sich »artspezifisch« zu verhalten – also wie es sich für Schweine gehört: zu wühlen, zu spielen, Nester zu bauen und sich nachts in tiefem Stroh zusammenzudrängen (Schweine schlafen, weil das wärmer ist, am liebsten gemeinsam).

Zu Pauls Hof gehören fünf Felder von jeweils etwa 30 Morgen, auf denen abwechselnd Schweine weiden oder Futter angebaut wird. Wir fuhren in seinem riesigen weißen Pick-up mit leerer Ladefläche herum. Nach meinen mitternächtlichen Besuchen in Massentierhaltungsbetrieben fand ich besonders bemerkenswert, wie viel ich draußen zu sehen bekam: die Foliengewächshäuser auf den Feldern, die Ställe, die sich zu den Weiden öffneten, Mais und Soja, so weit das Auge reichte. Und weit entfernt gelegentlich ein Massentierhaltungsbetrieb.

Das Herzstück einer jeden Schweinezucht – und entscheidend für den Tierschutz bei Schweinen – ist das Leben der Zuchtsauen. Pauls Jungsauen (die also noch nicht geferkelt haben) und Sauen werden wie auf allen Betrieben von Niman Ranch in Gruppen gehalten, sodass sich eine »stabile soziale Hierarchie« entwickeln kann. (Ich zitiere hier aus den beeindruckenden Tierschutzstandards des Unternehmens, die mithilfe von Paul und verschiedenen Tierschutzexperten entwickelt wurden, darunter auch die Schwestern Diane und Marlene Halverson, die sich seit 30 Jahren für landwirtschaftsfreundlichen Tierschutz einsetzen.)

Neben weiteren Standards, die eine solche stabile Stallhierarchie sicherstellen sollen, verlangt das Regelwerk auch, dass »ein einzelnes Tier nie in eine schon bestehende Gruppe gesetzt werden« darf. Nicht gerade ein Tierschutzprinzip, das man klein gedruckt auf eingeschweißtem Bacon finden wird, aber für Schweine ist es von ungeheurer Bedeutung. Das Prinzip dahinter ist ganz einfach: Schweine brauchen die Gesellschaft anderer, ihnen bekannter Schweine, um sich normal zu verhalten. So wie die meisten Eltern es ihren Kindern ersparen wollen, mitten im Schuljahr die Schule zu wechseln und sich in eine vollkommen unbekannte Klasse integrieren zu müssen, versucht der gute Schweinezüchter immer, seine Tiere in stabilen sozialen Gruppen zu halten.

Paul sorgt außerdem dafür, dass seine Sauen genug Platz haben, damit die ängstlicheren Tiere den aggressiveren ausweichen können. Manchmal baut er mit Strohballen »Rückzugszonen«. Wie die anderen Farmer von Niman Ranch kappt er den Schweinen nicht die Zähne oder Schwänze, wie es in der Massentierhaltung routinemäßig geschieht, um heftiges Beißen und Kannibalismus zu verhindern. Stimmt die Gruppenhierarchie, regeln die Schweine alle Streitigkeiten problemlos untereinander.

Auf allen Schweinefarmen von Niman Ranch müssen trächtige Sauen – also schwangere Schweine – in ihren sozialen Gruppen verbleiben und die Möglichkeit haben, ins Freie zu gelangen. Im Gegensatz dazu werden 80 Prozent aller trächtigen Sauen in Amerika, darunter auch die 1,2 Millionen im Besitz von Smithfield, in so kleinen Einzelkäfigen aus Stahl und Beton eingepfercht, dass sie sich nicht einmal umdrehen können. Wenn Schweine eine Niman-Ranch-Farm verlassen, gelten weiterhin strenge Auflagen für Transport und Schlachtung (die gleichen Tierschutzstandards, die auch eine stabile Stallhierarchie vorschreiben). Das heißt aber nicht, dass bei Niman Ranch »auf die gute alte Art« transportiert und geschlachtet wird. Es gibt zahlreiche tatsächliche Verbesserungen, organisatorische wie auch auf technischer Seite: Zertifizierungen zur humanen Tierbehandlung für Fahrer und Viehtreiber, Schlachtevaluationen, lückenlose Haftungsnachweise, vermehrtes Angebot von besser ausgebildeten Veterinären, Wettervorhersagen, um Transporte bei extremer Hitze oder Kälte zu vermeiden, rutschfester Untergrund, Betäubung. Doch auch bei Niman Ranch hat niemand die Macht, alle Veränderungen durchzusetzen, die wünschenswert wären; diesen Einfluss haben lediglich die großen Agrarunternehmen. Es wird also verhandelt, und es werden Kompromisse eingegangen, wie zum Beispiel die weiten Wege, die viele Schweine von Niman Ranch zu einem akzeptablen Schlachthof zurücklegen müssen.

An Pauls Betrieb und den anderen, die zu Niman Ranch gehören, beeindruckt weniger das, was man sieht, als vielmehr das, was man nicht sieht. Den Tieren werden keine Antibiotika oder Hormone verabreicht, wenn es keinen medizinischen Grund dafür gibt. Es gibt keine Gruben oder Container voller Tierkadaver. Es stinkt nicht, vor allem, weil es keine riesigen Gülleteiche gibt. Weil die Zahl der Tiere der Größe des Besitzes angepasst ist, können mit dem Mist die Felder gedüngt werden, auf denen das Futter der Schweine wächst. Natürlich gibt es auch Leiden, aber zum größten Teil gibt es ganz normales Tierleben und sogar Momente, die nach purem Schweineglück aussehen.

Paul und die anderen Schweinezüchter von Niman Ranch tun (oder lassen) all das nicht bloß, weil sie es wollen; sie sind verpflichtet, sich an die Richtlinien zu halten. Sie unterschreiben Verträge. Sie lassen sich von tatsächlich unabhängigen Prüfern kontrollieren, und was vielleicht noch bemerkenswerter ist: Sie lassen zu, dass Leute wie ich die Tiere unter die Lupe nehmen. Es ist ganz wichtig, das festzuhalten, denn die meisten Standards für »humane« Viehzucht sind bloß durchsichtige Versuche der Agrarindustrie, die wachsende Besorgnis der Verbraucher zu Geld zu machen. Es ist ausgesprochen wichtig, die wenigen Unternehmen hervorzuheben – der winzige Zusammenschluss Niman Ranch ist mit Abstand das größte von ihnen –, die nicht bloß eine Variation der Massentierhaltung darstellen.

Als ich mich zum Aufbruch von Pauls Farm rüstete, zitierte er Wendell Berry und beschwor den unausweichlichen und starken Zusammenhang zwischen jedem Einkauf im Supermarkt, jeder Bestellung im Restaurant und den agrarpolitischen Entwicklungen – also den Entscheidungen, die Farmer wie Paul und Agrarunternehmer treffen. Mit jeder Entscheidung übers Essen, mahnte Paul mit Berrys Worten, »betreibt man Vertreter-Landwirtschaft«.

In dem Essay The Art of the Commonplace fasst Berry zusammen, was dieser Gedanke der »Vertreter-Landwirtschaft« alles beinhaltet.

Unsere Arbeitstechniken … ähneln immer mehr denen des Bergbaus … das ist vielen von uns ausreichend klar. Was wir jedoch vielleicht alle noch nicht genügend begreifen, ist das Ausmaß unserer individuellen Komplizenschaft, vor allem als Verbraucher, am Vorgehen der Konzerne … Die meisten Menschen … lassen die Konzerne stellvertretend für sie sämtliche Lebensmittel produzieren und liefern.

Ein Gedanke, der Mut macht. Der ganze Lebensmittelindustrie-Goliath wird letztendlich durch unsere Wahl geformt und gelenkt, wenn der Kellner ungeduldig auf unsere Bestellung wartet, oder von den praktischen und launenhaften Entscheidungen, wenn wir unseren Einkaufswagen oder unsere Markttasche füllen.

Wir beendeten den Tag in Pauls Haus. Hühner rannten davor herum, an der Seite war ein Eberpferch. »Dieses Haus ist von Marius Floy gebaut worden«, erzählte er mir. »Mein Urgroßvater, der aus Norddeutschland stammte. Es wurde Stück für Stück erweitert, als die Familie wuchs. Wir wohnen seit 1978 hier. Anne und Sarah sind hier aufgewachsen. Sie sind den Weg bis zur Straße runtergelaufen und haben dort den Schulbus genommen.«

Ein paar Minuten später erzählte uns Pauls Frau Phyllis, dass ein Massentierhaltungsbetrieb einem Nachbarn ein Stück Land abgekauft hätte und dort bald eine Schweinemast für 6000 Tiere bauen würde. Der Betrieb sollte direkt neben dem Häuschen entstehen, in dem Paul und Phyllis ihren Lebensabend verbringen wollten – es lag auf einem kleinen Hügel inmitten eines Stücks Land, das Paul in jahrzehntelanger harter Arbeit wieder zu echter mittelwestlicher Prärie gemacht hatte. Er und Phyllis nannten es »die Traumfarm«. Doch neben ihrem Traum drohte jetzt ein Albtraum: Tausende leidender, kranker Schweine, umgeben und beeinträchtigt von schwerem, Brechreiz erregendem Gestank. Die Tierfabrik wird nicht nur den Wert von Pauls Grundbesitz verringern (man geht davon aus, dass amerikanische Bürger durch den Wertverlust ihrer Grundstücke infolge industrieller Landwirtschaft bereits 26 Milliarden Dollar eingebüßt haben) und das Land selbst zerstören, der Gestank wird nicht bloß das Leben in der Nachbarschaft im besten Falle unerträglich machen, wahrscheinlicher jedoch die Gesundheit seiner Familie gefährden; nein, sie steht schlicht im Gegensatz zu allem, wofür Paul sein ganzes Leben gearbeitet hat.

»Die einzigen Menschen, die für solche Fabriken sind, sind die Besitzer«, sagte Paul. Phyllis führte den Gedanken weiter: »Die Leute hassen diese Farmer. Wie muss sich das anfühlen, wenn man einen Job hat, für den die Menschen einen hassen?«

In dieser Küche offenbarte sich in diesem Augenblick das schleichende Drama agroindustriellen Wachstums. Aber es offenbarte sich auch Widerstand, am spürbarsten durch Paul selbst verkörpert. (Auch Phyllis hat sich aktiv an regionalen politischen Auseinandersetzungen beteiligt, bei denen die Macht und Allgegenwart der Massenschweinehaltung in Iowa eingeschränkt werden sollte.) Die Worte, die ich gerade niederschreibe, sind natürlich auch von diesem Augenblick geprägt. Wenn diese Geschichte Sie in irgendeiner Weise berührt, dann wird das Drama agroindustriellen Wachstums vielleicht dazu beitragen, den Widerstand zu wecken, der das Wachstum beendet.

3.

Viele Haufen Scheiße

DIE SZENE IN DER KÜCHE der Familie Willis hat sich schon viele Male abgespielt. Gemeinden auf der ganzen Welt haben gegen die Umweltverschmutzung und den Gestank der Massentierhaltungsbetriebe gekämpft, vor allem der riesigen Schweinefabriken.

Die erfolgreichsten Gerichtsprozesse gegen Schweinegroßbetriebe in den Vereinigten Staaten nahmen deren unfassbare Umweltbilanz ins Visier. (Wenn man von Umweltbelastung durch Tierhaltung spricht, meint man meist genau das.) Das Problem ist recht einfach beschrieben: ungeheure Mengen Scheiße. So viel und so schlecht kontrolliert, dass sie einfach in Flüsse, Seen, Meere sickern – die Tierwelt gefährden und Luft, Land und Wasser so sehr verschmutzen, dass die menschliche Gesundheit Schaden nimmt.

Ein typischer amerikanischer Schweinemastbetrieb produziert derzeit 3,3 Millionen Kilogramm Dung im Jahr, ein durchschnittlicher Hühnermastbetrieb etwa drei Millionen Kilo, eine gewöhnliche Mastanlage für Rinder 156 Millionen Kilo. Das Government Accounting Office (GAO, Untersuchungsbehörde des amerikanischen Kongresses) hat berichtet, dass einzelne Betriebe »mehr Fäkalien erzeugen als die Bevölkerung einiger amerikanischer Großstädte«. Insgesamt produzieren Nutztiere in den Vereinigten Staaten das 130-Fache der Fäkalien der gesamten Bevölkerung – ungefähr 40 000 Kilo Scheiße pro Sekunde. Das Verschmutzungspotenzial dieser Masse ist 160-mal so hoch wie das von städtischem Abwasser. Trotzdem gibt es bei der Nutztierhaltung fast keine Abwasserinfrastruktur – natürlich keine Toiletten, aber auch keine Abwasserrohre, Aufbereitungsanlagen und so gut wie keine behördlichen Richtlinien. (Der GAO – Bericht stellt fest, dass keine einzige Bundesbehörde verlässliche Daten über Betriebe mit Massentierhaltung erhebt oder überhaupt nur weiß, wie viele legale Massentierhaltungsbetriebe es landesweit gibt, und dass sich daher auch keine »sinnvollen Richtlinien« entwickeln lassen.) Was also geschieht mit der Scheiße? Ich werde mich hier auf die Scheiße von Smithfield, dem größten amerikanischen Schweinefleischproduzenten, konzentrieren.

Smithfield allein tötet pro Jahr mehr Schweine, als Menschen in New York City, Los Angeles, Chicago, Houston, Phoenix, Philadelphia, San Antonio, San Diego, Dallas, San Jose, Detroit, Jacksonville, Indianapolis, San Francisco, Columbus, Austin, Fort Worth und Memphis zusammengenommen leben – etwa 31 Millionen Tiere. Nach konservativen Berechnungen des Umweltschutzamtes EPA produziert ein Schwein zwei-bis viermal so viel Fäkalien wie ein Mensch; im Falle Smithfield heißt das ungefähr 127 Kilo Scheiße für jeden US – Bürger. Und das wiederum bedeutet, dass Smithfield allein – ein einziges Unternehmen – mindestens so viele Fäkalien ausscheidet wie die gesamte Bevölkerung der Bundesstaaten Kalifornien und Texas.

Stellen Sie sich das einmal vor. Stellen Sie sich vor: Anstelle der ungeheuren Abwasserinfrastruktur, die wir in jeder modernen Stadt für selbstverständlich halten, gäbe es bloß eine riesige Grube unter freiem Himmel, in die jeder Mann, jede Frau, jedes Kind in Kalifornien und Texas einen Tag lang pinkeln und kacken würden. Und stellen Sie sich jetzt vor, das würden sie nicht bloß einen Tag lang tun, sondern das ganze Jahr, für immer und ewig. Um zu begreifen, was es bedeutet, die Umwelt mit einer solchen Menge Scheiße zu belasten, muss man zunächst mal wissen, was alles darin steckt. In seinem großartigen Artikel über Smithfield für den Rolling Stone, »Boss Hog«, stellt Jeff Tietz eine hilfreiche Liste über den ganzen Mist zusammen, den man im Schweinemist aus Massentierhaltung findet: »Ammoniak, Methan, Schwefelwasserstoff, Kohlenmonoxid, Zyanid, Phosphor, Nitrate und Schwermetalle. Dazu gedeihen darin mehr als 100 verschiedene mikrobielle Erreger menschlicher Krankheiten, darunter Salmonellen, Kryptosporidien, Streptokokken und Giardien« (weshalb Kinder, die auf einem typischen Schweinemastbetrieb aufwachsen, zu über 50 Prozent an Asthma leiden, und Kinder, die in der Nähe eines solchen Betriebes aufwachsen, immer noch doppelt so häufig Asthma bekommen als Kinder anderswo). Und die Scheiße ist auch nicht einfach nur Scheiße, sondern alles, was durch die Bodenschlitze der Käfigställe passt. Dazu gehören (und diese Liste ist noch unvollständig) tot geborene Ferkel, Nachgeburten, verendete Ferkel, Erbrochenes, Blut, Urin, Spritzen zur Verabreichung von Antibiotika, Scherben von Insektizidflaschen, Haare, Eiter, sogar Körperteile.

Die Schweineindustrie erweckt gern den Eindruck, dass die umliegenden Äcker die Giftstoffe im Schweinemist absorbieren können, aber wir wissen, dass dem nicht so ist. Der Überlauf sickert in Bäche und Flüsse, giftige Gase wie Ammoniak und Schwefelwasserstoff entweichen ungehindert in die Luft. Wenn die fußballplatzgroßen Güllegruben überlaufen, sprüht Smithfield, ebenso wie andere Unternehmen der Agrarindustrie, den Flüssigdünger auf die umliegenden Felder. Manchmal sprühen sie ihn auch einfach nur senkrecht in die Luft, ein Geysir aus Scheiße, der einen feinen Fäkaliennebel verbreitet, wobei Faulgase frei werden, die Hirnschädigungen hervorrufen können. In den Gemeinden in der Nähe großer Schweinefarmen leiden die Menschen unter ständigem Nasenbluten, Ohrenschmerzen, chronischer Diarrhö und brennenden Entzündungen der Atemwege. Und selbst wenn es Bürgern einmal gelungen ist, Gesetze auf den Weg zu bringen, die solche Praktiken einschränken sollen, sorgt der gewaltige Einfluss der Agrarindustrie auf alle Regierungsebenen meist dafür, dass diese Verordnungen für nicht zulässig erklärt oder ignoriert werden.

Smithfields Bilanzen sehen beeindruckend aus – im Jahr 2007 setzte das Unternehmen zwölf Milliarden Dollar um –, bis man sich klarmacht, wie viele externe Kosten produziert werden: die Umweltverschmutzung durch die Gülle natürlich, aber auch die Krankheiten, die dadurch verursacht werden, und den damit einhergehenden Wertverlust von Grundstücken (um nur die offensichtlichsten externen Kosten zu nennen). Würde Smithfield diese und andere Belastungen nicht der Allgemeinheit aufbürden, könnte das Unternehmen nicht so billiges Fleisch produzieren, ohne pleitezugehen. Wie bei jeder Massentierhaltung wird bei Smithfield die Illusion der Ertragskraft und »Effizienz« nur durch ein ungeheures Ausmaß an Raubbau und Diebstahl aufrechterhalten.

Ein Schritt zurück: Scheiße an sich ist nicht böse. Lange Zeit war sie der Freund des Farmers, düngte seine Felder, auf denen er Futter für die Tiere wachsen ließ, deren Fleisch Menschen ernährte und deren Dung ebenfalls aufs Feld wanderte. Die Gülle wurde erst zum Problem, als wir Amerikaner beschlossen, mehr Fleisch zu essen als jede andere Kultur in der Menschheitsgeschichte und dafür nur einen historischen Tiefpreis zu zahlen. Um uns diesen Traum zu erfüllen, haben wir Paul Willis’ Traumfarm links liegen lassen und uns Smithfield verschrieben, haben zugelassen – nein: dafür gesorgt –, dass die Viehzucht aus den Händen von Farmern unter Kontrolle von Konzernen gelangte, die nach Kräften versuchen, ihre Kosten auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Da die Verbraucher sich nicht darum scheren oder blind dafür sind (oder noch schlimmer, es ganz in Ordnung finden), konnten Unternehmen wie Smithfield Tiere in absurder Enge zusammenpferchen. Unter solchen Bedingungen kann kein Farmer auch nur annähernd genug Futter auf dem eigenen Acker produzieren und muss es stattdessen kaufen. Und natürlich entsteht viel mehr Gülle, als die Felder aufnehmen können – nicht ein bisschen zu viel, nicht viel zu viel, sondern ein riesiger Haufen Scheiße zu viel. Irgendwann produzierten allein drei Mastbetriebe in North Carolina mehr Stickstoff (wichtiger Bestandteil von Kunstdünger), als alle Nutzflächen des gesamten Bundesstaates hätten absorbieren können.

Zurück also zur Ausgangsfrage: Was passiert mit diesen ungeheuren Mengen ungeheuer gefährlicher Scheiße?

Wenn alles nach Plan läuft, wird die Gülle in riesige »Lagunen« gepumpt, die gleich neben den Mastställen liegen. Diese Giftteiche können bis zu 12 000 Quadratmeter groß sein – die Grundfläche der größten Casinos von Las Vegas oder etwa zwei Fußballfelder nebeneinander – und bis zu zehn Meter tief. Dass solche Jauchegruben, groß wie Badeseen, einfach ausgehoben werden, gilt als normal und ist völlig legal, obwohl sie ihren Inhalt so gut wie nie halten können. Hundert oder mehr dieser enormen Latrinen können rund um einen einzigen Schlachthof angelegt sein (die meisten Schweinemastbetriebe ballen sich um die Schlachthöfe). Fällt man in so eine Grube, ist man tot. (So wie man auch in Minutenfrist ersticken würde, wenn in einem der Mastställe der Strom und damit die Belüftung ausfiele.) Tietz erzählt eine bedrückende Geschichte über eine Güllelagune:

Als ein Arbeiter in Michigan Reparaturen an einer Güllelagune durchführen sollte, wurde er vom Gestank bewusstlos und fiel hinein. Sein 15-jähriger Neffes prang hinterher, um ihn zu retten, verlor jedoch ebenfalls das Bewusstsein; der Cousin des Arbeiters sprang hinein, um den Teenager zu retten, und wurde vom Gestank überwältigt, der ältere Bruder des Arbeiters sprang hinein, schließlich noch der Vater des Arbeiters. Sie alle starben in der Schweinescheiße.

Für Konzerne wie Smithfield ist die Kosten-Nutzen-Rechnung einfach: Es ist billiger, die Strafen für Umweltverschmutzung zu zahlen, als das gesamte Massentierhaltungssystem aufzugeben – denn nur so ließe sich das zerstörerische Treiben beenden.

Wenn Konzerne wie Smithfield doch einmal per Gesetz zu Auflagen gezwungen werden sollen, was selten genug geschieht, dann finden sie fast immer Wege, diese zu umgehen. Ein Jahr bevor Smithfield die größte Schlacht-und Fleischverarbeitungsfabrik der Welt in Bladen County, North Carolina, baute, entzog die Gesetzgebung des Bundesstaates den regionalen Behörden tatsächlich das Recht, Vorschriften für Schweinemastfabriken zu erlassen. Wie praktisch für Smithfield. Es ist sicher kein Zufall, dass der ehemalige Senator des Bundesstaates, Wendell Murphy, der diese rechtzeitige Liberalisierung auf den Weg gebracht hatte, inzwischen im Aufsichtsrat von Smithfield sitzt und früher Vorstandsvorsitzender von Murphys Family Farms war, einem anderen Schweinemastunternehmen, das Smithfield im Jahr 2000 aufkaufte.

Wenige Jahre nach dieser Liberalisierung, nämlich im Juni 1995, ließ Smithfield mehr als 80 Millionen Liter Gülle in den New River in North Carolina laufen. Diese »Jauchepest« ist bis heute die größte Umweltkatastrophe ihrer Art, die ausgetretene Menge war zweimal so groß wie bei der legendären Ölpest der Exxon Valdez sechs Jahre zuvor vor der Küste Alaskas: Die flüssigen Fäkalien hätten 250 Langbahn-Schwimmbecken gefüllt. Der Sierra Club berichtet in seinem vernichtenden »RapSheet on Animal Factories« (»Sündenregister der Massentierhaltung«), dass Smithfield 1997 für unfassliche 7000 Verletzungen des Wasserschutzgesetzes Strafen zahlte – das sind ungefähr 20 Verstöße pro Tag. Die US – Regierung warf dem Unternehmen vor, unerlaubte Abwassermengen in den Pagan River geleitet zu haben, der in die Chesapeake Bay fließt, und danach Aufzeichnungen gefälscht und vernichtet zu haben, um derlei Aktivitäten zu vertuschen. Ein Verstoß mag Zufall sein. Vielleicht auch noch zehn. 7000 Verstöße sind Firmenpolitik. Smithfield musste 12,6 Millionen Dollar Strafe zahlen, was sich zunächst nach einem Sieg im Kampf gegen Massentierhaltung anhört. Damals waren die 12,6 Millionen die höchste Strafe, die in den Vereinigten Strafen jemals wegen Umweltverschmutzung verhängt worden war, doch im Vergleich zum Profit des Unternehmens ist das eine lächerliche Summe: So viel wird vom Konzern alle neun Stunden umgesetzt. Smithfields ehemaliger Vorstandsvorsitzender Joseph Luter III. erhielt 1997 12,6 Millionen Dollar in Aktienanteilen.

Wie hat die essende Öffentlichkeit darauf reagiert? Im Allgemeinen schlagen wir ein bisschen Krach, wenn die Umweltverschmutzung biblische Ausmaße erreicht, worauf Smithfield (oder sonst ein Unternehmen) mit »hoppla« und »sorry« reagiert, wir akzeptieren die Entschuldigung und essen weiter unser Tierfabrikfleisch. Smithfield überlebte die Bestrafung nicht nur, sondern blühte danach erst richtig auf. Als der Konzern den Pagan River vergiftete, war er der siebtgrößte Schweinefleischproduzent der USA; zwei Jahre später war er der größte, und er baut seine überlegene Marktstellung immer noch aus. Heute schlachtet Smithfield jedes vierte Schwein, das landesweit in den Verkauf kommt. Unsere derzeitigen Essensgewohnheiten – die Dollars, die wir Unternehmen wie Smithfield täglich in den Rachen werfen – honorieren die schlimmsten vorstellbaren Methoden.

Vorsichtigen Schätzungen der Umweltbehörde zufolge haben die Exkremente von Hühnern, Schweinen und Rindern bereits Flüsse auf einer Länge von 56 000 Kilometern in 22 Bundesstaaten verpestet (nur zum Vergleich: der Erdumfang beträgt ungefähr40 000 Kilometer). In nur drei Jahren gab es 200 Fälle von Fischsterben – das heißt, die gesamte Fischpopulation eines bestimmten Flussabschnitts wird auf einmal getötet –, die alle dadurch verursacht wurden, dass Massentierhaltungsbetriebe nicht in der Lage waren, ihre Fäkalien von Flüssen fernzuhalten. Allein bei diesen bekannt gewordenen und dokumentierten Vorfällen wurden 13 Millionen Fische buchstäblich mit Scheiße vergiftet – würde man sie Kopf an Schwanzflosse aneinanderlegen, würde das eine Linie ergeben, die von Seattle an der westlichen Küste entlang bis zur mexikanischen Grenze reicht.

Die Menschen, die in der Nähe solcher Betriebe wohnen, sind nur selten wohlhabend, und die Fleischindustrie interessiert sich nicht sonderlich für sie. Der Fäkaliennebel, den sie einatmen müssen, bringt Menschen normalerweise nicht um, aber Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Hustenreiz, eine laufende Nase, Durchfall und sogar Nervenkrankheiten wie überhöhte Anspannung, Depressionen, Wutattacken und chronische Müdigkeit sind normal. Ein Prüfungsbericht des Senats von Kalifornien stellt fest: »Forschungen haben gezeigt, dass die [Gülle-] Lagunen giftige aerogene Chemikalien ausdünsten, die bei Menschen Entzündungen, Immunreaktionen, Reizungen und neurochemische Schäden hervorrufen können.«

Es gibt sogar gute Gründe, von einer Verbindung zwischen dem Leben in der Nähe eines Schweinemastbetriebs und Infektionen mit MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) auszugehen. MRSA kann »zu Hautschwellungen führen, die groß wie Untertassen und feuerrot werden, brennen und bei Berührung furchtbare Schmerzen hervorrufen«. Im Jahr 2005 starben in Amerika mehr Menschen (18 000) an einer MRSA – Infektion als an AIDS. Kolumnist Nicholas Kristof von der New York Times, der selbst auf einer Farm aufgewachsen ist, hat berichtet, dass ein Arzt in Indiana kurz vor der Veröffentlichung einer Studie, in welcher der Verdacht auf eine solche Verbindung geäußert wird, plötzlich starb – womöglich an Komplikationen infolge einer MRSA – Infektion. Die Verbindung zwischen der Verbreitung des resistenten Bakteriums und Schweinemastfabriken ist längst nicht bewiesen, aber, wie Kristof betont: »Die wichtigere Frage ist, ob wir als gesamte Nation ein landwirtschaftliches Modell gewählt haben, das uns zwar billigen Schinken liefert, aber dabei auch unser aller Gesundheit aufs Spiel setzt. Die Antwort darauf steht noch nicht zweifelsfrei fest, doch es mehren sich die Hinweise, dass sie Ja lauten muss.«

Die Gesundheitsprobleme, mit denen die Nachbarn der Tierfabriken heftig zu kämpfen haben, verbreiten sich unmerklich, aber stetig im ganzen Land. Die American Public Health Association, der weltgrößte Berufsverband im Bereich Gesundheitswesen, fand die Entwicklung so alarmierend, dass man unter Auflistung eines ganzen Spektrums von Krankheiten, die mit Tierexkrementen und dem Missbrauch von Antibiotika zusammenhängen, einen Genehmigungsstopp für Massentierhaltungsbetriebe forderte. Die Stiftung Pew Charitable Trusts, die Studien zu gesellschaftspolitischen Zukunftsfragen finanziert, hat eine Expertenkommission eingesetzt, die nach zweieinhalbjähriger Forschungsarbeit sogar noch weiter geht: Der Abschlussbericht fordert zur Verbesserung des Tierschutzes und der öffentlichen Gesundheit eine stufenweise, aber letztlich völlige Abschaffung bestimmter »intensiver und inhumaner Tierhaltungspraktiken«.

Die wichtigsten Entscheidungsträger – die täglich auswählen, was sie essen und was nicht – sind allerdings untätig geblieben. Bis jetzt haben wir weder ein landesweites Moratorium noch gar eine Abschaffung der Massentierhaltung gefordert. Wir haben Smithfield und Konsorten so reich gemacht, dass sie Hunderte von Millionen Dollar investieren können, im Ausland zu expandieren. Und das tun sie nicht zu knapp: Smithfield, das sich noch vor nicht allzu langer Zeit aufs US – Geschäft beschränkte, hat sich inzwischen über den ganzen Globus ausgebreitet und operiert in Belgien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Mexiko, den Niederlanden, Polen, Portugal, Rumänien und Spanien. Der Wert der Smithfield-Aktien im Besitz von Joseph Luter III. wurde vor Kurzem auf 138 Millionen Dollar geschätzt. Sein Nachname wird wie das englische Wort »looter« ausgesprochen, was »Plünderer« bedeutet.

4.

Unser neuer Sadismus

UMWELTPROBLEME LASSEN SICH von Ärzten und Behörden aufspüren, deren Aufgabe es ist, sich um die Gesundheit der Menschen zu kümmern, aber wie findet man etwas über das Leiden der Tiere in Massenhaltung heraus, das meistens keine Spuren hinterlässt?

Verdeckte Ermittlungen von engagierten gemeinnützigen Organisationen sind das einzige Schlüsselloch, das der Öffentlichkeit einen Blick auf den unzulänglichen Arbeitsalltag von industriellen Mastbetrieben und Schlachtfabriken gewährt. Ein mit versteckter Kamera aufgenommenes Video aus einer Tierfabrik in North Carolina zeigte, dass einige Arbeiter täglich Tiere verprügelten, mit einem Schraubenschlüssel auf trächtige Sauen eindroschen, Muttertieren eine Eisenstange tief in Rektum oder Vagina rammten. Damit sollen nicht etwa der Geschmack des zu gewinnenden Fleisches verbessert oder die Schweine aufs Schlachten vorbereitet werden – es ist reine Perversion. Weitere Aufnahmen zeigen, wie Mitarbeiter Schweinen bei vollem Bewusstsein Beine absägten oder die Haut abzogen. In einem anderen Betrieb eines der größten Schweinefleischproduzenten der Vereinigten Staaten wurden Arbeiter gefilmt, wie sie Schweine herumwarfen, prügelten, traten; sie auf den Betonboden knallten, ihnen mit eisernen Torstangen und Hämmern auf den Kopf schlugen. Mehrere Jahre dauernde Untersuchungen in einem weiteren Betrieb wiesen die systematische Misshandlung von 10 000 Schweinen nach: Mitarbeiter drückten Zigaretten auf Tieren aus, schlugen sie mit Harken oder Schaufeln, strangulierten sie, warfen sie in Güllegruben und ließen sie ertrinken. Man steckte den Schweinen Elektroschocker in die Ohren, in die Vagina oder den Anus. Die Untersuchung belegte, dass die Betriebsleiter diese Misshandlungen billigten, doch die Behörden weigerten sich, Ermittlungen einzuleiten. Dieser Verzicht auf Strafverfolgung ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Es ist nicht so, dass die Behörden derzeit sehr milde gestimmt wären – Unternehmen brauchten schlicht noch nie ernsthafte Bestrafungen zu fürchten, wenn ihre Nutztiere misshandelt wurden.

Egal, welche Art Massentierhaltung wir betrachten, überall zeigen sich ähnliche Probleme. Tyson Foods ist einer der größten Lieferanten von Kentucky Fried Chicken. Eine Untersuchung in einem großen Betrieb des Unternehmens ergab, dass einige Mitarbeiter regelmäßig Hühnern bei vollem Bewusstsein den Kopf abrissen (mit ausdrücklicher Erlaubnis ihres Vorgesetzten), in den Bereich urinierten, wo die Tiere lebend zur Schlachtung aufgehängt werden (auch auf das Schlachtband, die Transportschiene für die Tiere), und dass sie fehlerhaftes Schlachtgerät, das den Tieren nicht den Hals durchtrennte, sondern in den Körper schnitt, ungerührt weiterlaufen ließen. Bei einem »Lieferanten des Jahres« von KFC, Pilgrim’s Pride, wurden Hühner bei vollem Bewusstsein getreten, zertrampelt, gegen Wände geschleudert, ihnen wurde Tabaksaft in die Augen gespuckt, buchstäblich die Scheiße aus dem Leib gedrückt oder die Schnäbel abgerissen. Tyson und Pilgrim’s Pride beliefern nicht allein KFC; während ich dies schreibe, sind sie die beiden größten Hühnchenverarbeiter des Landes, die zusammen jedes Jahr fast fünf Milliarden Tiere töten.

Auch ohne verdeckte Nachforschungen und Enthüllungen über die extremen (wenn auch nicht ungewöhnlichen) Misshandlungen durch Mitarbeiter, die ihren Frust an Tieren auslassen, wissen wir, dass Tiere aus industrieller Viehzucht elendig dahinvegetieren.

Schauen wir uns das Leben einer trächtigen Sau an. Ihre unglaubliche Fruchtbarkeit ist der Grund für ihre besondere Hölle. Während eine Kuh immer nur ein Kalb zur Welt bringt, kann die moderne Zuchtsau im Schnitt neun Ferkel werfen, säugen, großziehen – und die Zahl wird von den industriellen Züchtern ständig weiter erhöht. Sie muss unweigerlich so häufig wie nur irgend möglich trächtig sein, also den größten Teil ihres geschlechtsreifen Lebens. Wenn der Wurftermin naht, werden ihr wahrscheinlich Medikamente verabreicht, damit sie zu einem dem Züchter genehmen Zeitpunkt wirft. Sobald die Ferkel entwöhnt sind, werden der Sau Hormone gespritzt, damit sie so rasch wie möglich wieder empfängnisbereit ist und nur drei Wochen später bereits wieder künstlich befruchtet werden kann.

In vier von fünf Fällen verbringt die Sau die 16 Wochen Schwangerschaft in einem Kastenstand, der so eng ist, dass sie sich nicht umdrehen kann. Ihre Knochendichte nimmt aufgrund des Bewegungsmangels ab. Sie hat keinerlei Einstreu und bekommt daher vom Reiben am Käfig oft münzgroße, schwärzlich schwärende wunde Stellen. (Bei einer verdeckten Ermittlung in Nebraska wurden trächtige Sauen mit einer Vielzahl offener, entzündeter Wunden im Gesicht, an Kopf, Schultern, Rücken und Beinen – manche davon faustgroß – auf Video aufgenommen. Ein Mitarbeiter kommentierte: »Die haben alle Wunden … hier drin gibt es kaum ein Schwein, das nicht solche Wunden hat.«)

Noch ernster und tief greifender ist das Leiden der trächtigen Sauen aufgrund von Langeweile, Isolation und Unterdrückung des starken Brutpflegetriebs. In der Natur würde sie viel Zeit damit verbringen, zu scharren und schließlich aus Gras, Heu oder Stroh ein Nest zu bauen. Um zu starke Gewichtszunahme zu vermeiden und Futterkosten zu sparen, lässt man die Sau im Käfig häufig hungern. Schweine mögen von Natur aus nicht am selben Ort schlafen, wo sie defäkieren, doch genau dazu zwingt sie der Kastenstand. Die trächtigen Sauen müssen wie alle Schweine in industrieller Haltung auf ihren Exkrementen liegen oder darauftreten, um sie durch die Bodenspalten zu drücken. Die Industrie verteidigt die Gefangenschaft damit, dass sich die Tiere so besser kontrollieren und betreuen ließen, doch in Wirklichkeit wird auf diese Weise die Pflege erschwert, denn ob eine Sau lahm oder krank ist, lässt sich praktisch nicht ausmachen, wenn sich ohnehin keines der Tiere bewegen kann.

Tierschutzanwälte haben diese grausame Wirklichkeit, die sich kaum leugnen lässt, inzwischen öffentlich gemacht und damit große Empörung ausgelöst. In letzter Zeit haben drei Bundesstaaten – Florida, Arizona und Kalifornien – per Referendum beschlossen, die Kastenstände für trächtige Sauen nach und nach abzuschaffen. In Colorado hat die Industrie unter dem Druck einer Kampagne der Humane Society, der größten Tierschutzorganisation Amerikas, eingewilligt, ein Gesetz mit zu erarbeiten und zu tragen, das die Käfige verbietet. Das ist ein unglaublich hoffnungsvolles Signal. Natürlich bleiben bei einem Verbot in vier Staaten noch sehr viele Bundesstaaten übrig, wo solche Praktiken weiter zum Alltag gehören, doch es scheint, als könne der Kampf gegen die Kastenstände gewonnen werden. Das ist ein Sieg, der viel bedeutet.

Immer häufiger werden trächtige Sauen nicht mehr in Gitterkäfige gezwängt, sondern leben in kleinen Gruppenbuchten. Sie können nicht über die Weide laufen oder gar die Sonne genießen, wie die Schweine auf Paul Willis’ Farm, aber sie haben genug Raum zum Schlafen und können sich ausstrecken. Die Körper dieser Sauen sind nicht mit eiternden Wunden übersät. Sie nagen nicht wie wahnsinnig an ihren Gitterstäben. Eine solche Veränderung rettet oder rechtfertigt natürlich keineswegs die Massentierhaltung, aber sie verbessert das Leben der Sauen spürbar.

Aber ob sie nun ihre Schwangerschaft in Kastenständen oder kleinen Buchten verbringen, zum Abferkeln werden die Sauen nahezu ausnahmslos in einen womöglich noch engeren Käfig als den Kastenstand gesperrt: das Abferkelgitter. Ein Arbeiter erzählt, es sei nötig, den trächtigen Sauen »die Scheiße aus dem Leib zu prügeln, um sie in die Gitter zu kriegen, weil sie einfach nicht da reinwollen«. Der Mitarbeiter eines anderen Betriebes beschrieb, wie die Sauen regelmäßig mit Eisenstangen blutig geprügelt werden: »Einer hat einer Sau so den Rüssel zu Brei geschlagen, dass sie am Ende verhungert ist.«

Die Befürworter der Massenschweinehaltung argumentieren, das Abferkelgitter sei nötig, weil die Sauen manchmal versehentlich ihre Ferkel erdrückten. Das Argument entbehrt nicht einer gewissen perversen Logik: Man kann auch die Waldbrandgefahr mindern, indem man sämtliche Bäume fällt. Wie der Kastenstand schränkt auch das Abferkelgitter die Sau so ein, dass sie sich nicht umdrehen, ja kaum bewegen kann; manchmal wird sie sogar am Boden festgeschnallt. Natürlich wird es ihr so erschwert, ihre Nachkommen zu erdrücken. Doch eins verschweigen die Verteidiger solcher Methoden: Auf einer Farm wie der von Willis entsteht das Problem gar nicht erst. Es überrascht kaum, dass eine Sau, die vom Züchter wegen ihrer Muttereigenschaften ausgewählt wurde, deren Geruchssinn nicht vom Gestank ihrer eigenen Ausscheidungen beeinträchtigt ist, die sich unter ihr sammeln, deren Ohren nicht von dem ständigen Scheppern der Metallkäfige geschädigt sind, die Raum genug hat, ihre Ferkel zu beobachten und ihre Beine zu bewegen, sodass sie sich langsam hinlegen kann, keinerlei Problem hat, ihre Ferkel nicht zu erdrücken.

Und natürlich sind nicht bloß die Ferkel gefährdet. Eine Studie des Wissenschaftlichen Ausschusses für Tiergesundheit und Tierschutz der EU aus dem Jahr 1997 belegte, dass in Käfigen gehaltene Schweine weichere Knochen aufwiesen, das Risiko von Beinverletzungen, Herz-Kreislauf-Problemen und Harnwegsentzündungen stark angestiegen und die Muskelmasse so weit geschwunden war, dass die Tiere kaum noch in der Lage waren, sich hinzulegen. Andere Studien gaben an, dass zehn bis 40 Prozent der Schweine wegen schlechter Erbmasse, mangelnder Bewegung und unzureichender Ernährung einen instabilen Körperbau aufwiesen, weil ihnen die Knie einknickten, die Beine verkrümmt, die Zehen nach innen gebogen waren. National Hog Farmer, eine Zeitschrift der amerikanischen Schweineindustrie, berichtete 2001, dass sieben Prozent aller Zuchtsauen vorzeitig an Stress, ausgelöst durch die Käfighaltung und die intensive Zucht, sterben – in manchen Betrieben übersteigt die Rate 15 Prozent. Viele Schweine werden in den Käfigen wahnsinnig, nagen manisch an den Gitterstäben, drücken unablässig gegen ihre Wasserflaschen oder trinken Urin. Andere zeigen sogenanntes »Trauern«, das heißt, sie sitzen auf den Hinterläufen und lassen den Kopf hängen, was Wissenschaftler als »erlernte Hilflosigkeit« beschreiben.

Und dann kommen die Kinder – die Rechtfertigung für das Leiden der Mutter.

Viele Ferkel werden deformiert geboren. Zu den üblichen Geburtsfehlern gehören Gaumenspalten, Hermaphroditismus, Schlupfwarzen, fehlender Anus, Spreizstellung der Beine, Muskelzittern und Leistenbrüche. Letztere sind so häufig, dass sie im Verlauf der Kastration routinemäßig operativ behandelt werden. Und selbst die völlig gesunden Ferkel müssen in den ersten Lebenswochen zahlreiche körperliche Eingriffe erdulden. Innerhalb von 48 Stunden nach der Geburt werden ihnen die Schwänze kupiert und die Zähne gekürzt, natürlich ohne jede Betäubung, damit sich die Tiere so wenig wie möglich gegenseitig verletzen, wenn sie um die Zitzen der Muttersau konkurrieren. Unter den Bedingungen der Massenhaltung ist krankhaftes Schwanzbeißen die Norm, und schwächere Tiere können den stärkeren nicht ausweichen. Meist wird die Umgebung der Ferkelwarm (23 bis 28Grad Celsius) und dunkelgehalten, damit sie apathisch werden und ihr »soziales Fehlverhalten« nicht ausleben, wie frustriertes Beißen oder Saugen an Nabeln, Schwänzen oder Ohren anderer Ferkel genannt wird. In der traditionellen Tierhaltung, wie sie auf Paul Willis’ Farm praktiziert wird, vermeidet man derartige Probleme, indem man den Tieren mehr Raum und mehr Beschäftigungsmöglichkeiten gibt und für stabile soziale Gruppen sorgt.

In den ersten zwei Lebenstagen wird den Schweinen außerdem häufig Eisen injiziert, weil die Muttermilch der Sau wegen des raschen Wachstums der Ferkel und der intensiven Zuchtbedingungen meistens schlecht ist. Innerhalb von zehn Tagen werden männlichen Ferkeln die Hoden aus dem Leib gerissen, auch das natürlich ohne Betäubung. Der Grund dafür ist der Fleischgeschmack – amerikanische Verbraucher bevorzugen derzeit das Aroma kastrierter Tiere. Zur Identifizierung werden den Ferkeln außerdem häufig münzgroße Stücke aus den Ohren geschnitten. Zur Zeit der Entwöhnung sind bereits neun bis 15 Prozent Ferkel verendet.

Je schneller sie anfangen, feste Nahrung zu sich zu nehmen, desto eher erreichen sie ihr »Marktgewicht« (110 bis 120 Kilo). Die »feste Nahrung« enthält in diesem Fall häufig getrocknetes Blutplasma, ein Abfallprodukt der Schlachthäuser. (Und das macht die Ferkel tatsächlich rasch fetter. Außerdem schädigt es ihre Darmflora schwer und nachhaltig.) Ohne äußeren Zwang hören Ferkel meist nach 15 Wochen auf zu saugen, doch in der Intensivhaltung werden sie normalerweise nach 15 Tagen entwöhnt, immer häufiger schon nach zwölf Tagen. So jung können sie feste Nahrung noch gar nicht richtig verdauen, weshalb man ihrem Futter zahlreiche Medikamente zusetzt, um Durchfall zu verhindern. Die entwöhnten Ferkel werden dann in Mastkäfige gesperrt, die man aufeinanderstapelt, sodass Urin und Fäkalien von den oberen Tieren auf die unteren laufen. Mäster lassen die Ferkel so lange wie nur möglich in diesen Käfigen, bis sie an ihren letzten Aufenthaltsort verbracht werden: in beengte Buchten. Die Überfüllung ist gewollt, denn, wie es in einer amerikanischen Schweinemastzeitschrift heißt: »Überfüllung zahlt sich aus.« Wenn die Tiere keinen Platz haben, um sich zu bewegen, verbrennen sie auch weniger Kalorien und werden schneller und mit weniger Futter fett.

Wie in jeder Fabrik ist ein reibungsloser Ablauf für den Produktionsprozess wichtig. Ferkel, die nicht rasch genug wachsen – »Kümmerlinge« –, verbrauchen unnötig Ressourcen, weshalb es für sie keinen Platz im Betrieb gibt. Sie werden an den Hinterbeinen gepackt, aus der Bucht geschwungen und knallen dann mit dem Kopf zuerst auf den Betonboden auf. Diese übliche Tötungspraxis nennt sich »klopfen«. »Wir haben manchmal 120 an einem Tag geklopft«, sagte ein Arbeiter aus einem Betrieb in Missouri.

Wir schwingen sie einfach raus, klopfen sie auf den Boden und schmeißen sie an die Seite. Wenn man dann so zehn, zwölf, 14 geklopft hat, bringt man sie in den Raum mit der Laderutsche und stapelt sie dort, bis der Kadaverlaster sie abholen kommt. Wenn man dann wieder in den Laderaum kommt, und manche sind noch am Leben, muss man sie noch mal klopfen. Manchmal bin ich reingekommen, und da liefen welche rum, denen ein Augapfel raushing, oder sie bluteten wie verrückt, oder der Kiefer war gebrochen.

»Sie nennen das ›Euthanasie‹«, sagte die Frau des Arbeiters aus Missouri.

Eine ganze Flut Antibiotika, Hormone und anderer Medikamente, die dem Futter beigemischt wird, hält die meisten Tiere trotz der schaurigen Bedingungen am Leben. Die meisten dieser Pharmazeutika sollen die Atemwegsprobleme bekämpfen, die in Schweinemastbetrieben allgegenwärtig sind. Die feuchtwarme Atmosphäre, in der die Tiere eingesperrt sind, ihre große Zahl auf engstem Raum, das vom Stress geschwächte Immunsystem und die giftigen Gase aus dem gesammelten Kot und Urin machen solche Probleme praktisch unvermeidlich. 30 bis 70 Prozent aller Schweine haben bis zum Schlachttermin irgendeine Atemwegsentzündung, und die Sterblichkeitsrate allein bei solchen Krankheiten beträgt vier bis sechs Prozent. Diese ständigen Erkrankungen fördern natürlich die Entstehung neuer mutierter Grippeviren, weshalb manchmal der gesamte Schweinebestand eines ganzen Bundesstaates zu 100 Prozent mit einem neuen tödlichen Virus infiziert ist, der sich unter den so eng zusammengepferchten kranken Tieren ausgebreitet hat (und immer häufiger infizieren solche Viren auch Menschen).

In der Welt der Massentierhaltung wird alles, was man gemeinhin erwartet, auf den Kopf gestellt: Tierärzte haben nicht das maximale Wohl der Tieres, sondern die maximale Rentabilität im Blick. Medikamente dienen nicht der Heilung von Krankheiten, sondern ersetzen zerstörte Immunsysteme. Farmer haben kein Interesse daran, gesunde Tiere großzuziehen.

5.

Unser Unterwassersadismus (Eine zentrale Nebenbemerkung)

DIE BERICHTE ÜBER TIERQUÄLEREI und Umweltverschmutzung, die ich im Zusammenhang mit der Schweinemast wiedergegeben habe, stehen in den entscheidenden Aspekten stellvertretend für die gesamte Massentierhaltung. Industriell gehaltene Hühner, Puten oder Rinder haben zwar nicht unter genau den gleichen Problemen zu leiden, aber grundsätzlich leiden sie sehr ähnlich. Und ebenso leiden auch Fische, wie sich zeigt. Wir beurteilen Fische meist nach anderen Kategorien als Landtiere, aber »Aquakultur« – die intensive Aufzucht und Haltung von Meerestieren in Gefangenschaft – ist im Grunde Massentierhaltung unter Wasser.

Viele der Meerestiere, die wir essen, darunter auch der weitaus größte Anteil an Lachs, stammen aus Aquakultur. Zunächst wurde die Aquakultur als Lösung der Überfischungsprobleme und Rettung für abnehmende Wildfischbestände verkauft; doch die Nachfrage nach Wildlachs hat im Gegensatz zu solchen Beteuerungen nicht abgenommen, sondern ist seit der Einführung von Lachsfarmen gestiegen, und damit auch die Fangmenge. Zwischen 1988 und 1997, in den Boomjahren der Aquakultur, stieg die Menge der alljährlich gefangenen Lachse weltweit um 27 Prozent.

Die Tierschutzprobleme im Zusammenhang mit solchen Fischfarmen klingen sehr vertraut. Im Handbook of Salmon Farming [Handbuch für Lachsfarmen], einer Art Ratgeber für industrielle Lachszucht, werden sechs »entscheidende Stressfaktoren in aquakultureller Umgebung« ausgemacht: »Wasserqualität«, »Überfüllung«, »Handling«, »Beeinträchtigungen«, »Ernährung« und »Hierarchie«. Übersetzt sind also die Haupt-gründe für das Leiden der Lachse folgende: 1. so verdrecktes Wasser, dass die Tiere kaum noch atmen können; 2. so heftiges Gedränge in den Becken, dass die Tiere zu Kannibalismus getrieben werden; 3. eine so brutale Behandlung, dass sich noch einen Tag später körperliche Stresssignale messen lassen; 4. Beeinträchtigungen durch Mitarbeiter und Wildtiere; 5. Mangelernährung, die das Immunsystem schwächt; und 6. das Fehlen einer natürlich gewachsenen, stabilen Gruppenhierarchie, was wiederum zu Kannibalismus führt. Das sind typische Probleme. Das Handbuch nennt sie »wesentliche Merkmale der Aquakultur«.

Ein großes Problem stellen für Lachse und andere in Gefangenschaft gezüchtete Fische die reichlich vorhandenen Lachsläuse dar, die in schmutzigem Wasser besonders gut gedeihen. Diese Kleinkrebse nagen an der Haut der Fische, sodass sich Geschwüre bilden, und manchmal fressen sie sich sogar bis zu den Gesichtsknochen durch – das Phänomen ist immerhin so verbreitet, dass es in der Lachsindustrie als »Todeskrone« bekannt ist. Eine einzige Lachsfarm bringt riesige Schwärme von Lachsläusen hervor, deren Konzentration 30 000-mal höher ist als in freier Wildbahn.

Die Fische, die unter solchen Bedingungen überleben (eine Sterblichkeitsrate von zehn bis 30 Prozent wird von vielen in der Lachsindustrie als guter Schnitt angesehen), müssen sehr wahrscheinlich während des Schlachttransports sieben bis zehn Tage lang hungern, damit sie weniger Exkremente produzieren, und werden dann getötet, indem man ihnen die Kiemen aufschlitzt und sie in einen Wassertank wirft, wo sie verbluten. Meistens werden die Tiere bei vollem Bewusstsein geschlachtet und zucken im Todeskampf rasend vor Schmerz. Manchmal werden sie auch mit Stromstößen betäubt, doch die derzeit verwendeten Methoden sind unzuverlässig und führen womöglich dazu, dass die Tiere noch schlimmer leiden. Wie bei Hühnern und Puten gibt es auch für Fische kein Gesetz, das eine humane Schlachtung vorschreibt.

Sind also im Meer gefangene Fische die humanere Alternative? Mit Sicherheit führen sie vor dem Fang ein besseres Leben als ihre Artgenossen in Gefangenschaft, da sie nicht in verdreckten, überfüllten Gefängnissen leben. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Doch betrachten wir einmal die häufigsten Fang-arten der in Amerika am häufigsten verzehrten Meerestiere, also Thunfisch, Garnele und Lachs. Drei Methoden herrschen vor: Langleinenfischerei, Schleppnetzfischerei und Ringwadenfischerei. Eine Langleine sieht ein wenig aus wie eine im Wasser hängende Telegrafenleitung, die an Bojen statt Masten befestigt ist. In regelmäßigen Abständen zweigen von dieser Hauptleine kürzere Nebenleinen ab, jede von ihnen strotzt vor Haken. Und nun stellen Sie sich nicht bloß eine dieser Langleinen mit zahllosen Haken, sondern Dutzende oder gar Hunderte von ihnen vor, die eine nach der anderen von einem einzigen Schiff ausgebracht werden. Die Bojen sind mit GPS und anderen elektronischen Kommunikationssystemen ausgestattet, sodass die Fischer leicht zu ihnen zurückfinden. Und natürlich bringt nicht nur ein Schiff Langleinen aus, sondern Dutzende, Hunderte, bei den größten kommerziellen Fischereiflotten gar Tausende Schiffe.

Langleinen sind heute bis zu 120 Kilometer lang – man könnte sie dreimal über den Ärmelkanal legen. Man schätzt, dass Tag für Tag 27 Millionen Haken ins Wasser gehängt werden. Und daran bleibt beileibe nicht bloß die »Zielfischart« hängen, sondern 145 weitere. Eine Studie kam zu dem Ergebnis, dass bei der Langleinenfischerei jedes Jahr etwa 4,5 Millionen Meerestiere als Beifang getötet werden, darunter ungefähr 3,3 Millionen Haie, 1 Million Schwertfische, 60 000 Meeresschildkröten, 75 000 Albatrosse und 20 000 Delfine und Wale.

Doch nicht einmal Langleinen produzieren so kolossale Beifangmengen wie die Schleppnetzfischerei. Der häufigste Typ des modernen Garnelentrawlers fegt dabei einen 25 bis 30 Meter breiten Meeresbodenstreifen leer. Das Schleppnetz wird mit 4,5 bis 6,5 Stundenkilometern mehrere Stunden lang über den Grund geschleift, wobei Garnelen (und alles andere) in die breite Öffnung eines trichterförmigen Netzsacks gelangen. Schleppnetzfischerei, die vor allem Garnelen und anderen Krebstieren gilt, ist in etwa das Gleiche wie der Kahlschlag eines tropischen Regenwaldes. Egal, was sie eigentlich fangen wollen, Schleppnetze grasen alles ab: verschiedenste Fischarten, Haie, Rochen, Krabben, Tintenfische, Weichtiere – meistens über 100 verschiedene Tierarten. So gut wie alle sterben dabei.

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