Diese »Meeresernte« im Stil einer Brandrodung ist wirklich finster. Bei einem durchschnittlichen Schleppnetzeinsatz werden 80 bis 90 Prozent der gefangenen Meerestiere als Beifang über Bord geworfen. Bei den unergiebigsten Einsätzen werden sogar 98 Prozent der gefangenen Lebewesen tot zurück ins Meer geschmissen.

Wir reduzieren die Artenvielfalt und Lebensfähigkeit der Meeresfauna insgesamt (das wahre Ausmaß haben Wissenschaftler erst in jüngster Zeit begriffen): Moderne Fischereimethoden zerstören Ökosysteme, die komplexeren Wirbeltieren (wie Lachs oder Thunfisch) die Lebensgrundlage bieten, und übrig bleiben nur jene paar Arten, die von Plankton und Pflanzen allein leben können – wenn das noch vorhanden ist. Wir stopfen die begehrtesten Fischarten massenhaft in uns hinein, meistens größere Räuber am oberen Ende der Nahrungskette wie eben Lachs und Thunfisch, und eliminieren damit die Fressfeinde der eine Stufe niedriger stehenden Arten, wodurch diese sich kurzfristig vermehren können. Dann fischen wir diese Arten komplett ab, bis nichts mehr übrig ist, und wenden uns der nächstniedrigeren Stufe der Nahrungskette zu. Da sich solche Prozesse von Generation zu Generation vollziehen, lassen sich die Veränderungen nur schwer fassen (wissen Sie, was für Fische Ihre Großeltern gegessen haben?), und da die Fangmenge insgesamt nicht abnimmt, stellt sich das trügerische Gefühl ein, das alles wäre nachhaltig. Kein Einzelner plant diese Zerstörung, die Marktmechanismen führen jedoch unweigerlich zur Instabilität des Systems. Wir leeren die Meere nicht völlig; es ist eher so, als würden wir einen Wald, der Tausenden von Spezies Heimat bietet, kahl schlagen und an dessen Stelle riesige Sojafelder mit nur einer einzigen Sorte Sojabohnen pflanzen.

Schleppnetz-und Langleinenfischerei sind nicht nur ökologisch höchst bedenklich; sie sind auch grausam. In den Schleppnetzen werden mehr als 100 verschiedene Tierarten zusammengequetscht, an Korallenriffs aufgeschlitzt, auf Felsen geschlagen – stundenlang – und dann aus tiefem Wasser nach oben gehievt, was einen schmerzhaften Druckabfall mit sich bringt (der den Tieren manchmal die Augen aus dem Kopf springen oder die inneren Organe aus dem Maul dringen lässt). Auch an Langleinen sterben die gefangenen Tiere meist einen langsamen Tod. Manche hängen fest und sterben erst, wenn sie vom Haken genommen werden. Manche sterben an den Wunden, die der Haken ihnen im Maul geschlagen hat, oder an ihren Befreiungsversuchen. Manche können sich der Angriffe anderer Beutejäger nicht mehr erwehren.

Als letzte Methode möchte ich die Ringwadenfischerei beschreiben, mit der Amerikas beliebtester Fisch, der Thunfisch, gejagt wird. Dabei wird eine Art Netzwand ringförmig um einen Schwarm Fische gezogen, und wenn dieser vollständig eingekreist ist, wird das untere Ende des Netzes mit einer Schnürleine zugezogen. Die gefangenen Zielfische und alle anderen Lebewesen in der näheren Umgebung werden dann langsam eingeschnürt und an Deck gehievt. Fische, die sich im Netz verfangen haben, können dabei langsam in Stücke gerissen werden. Doch die meisten gefangenen Meerestiere sterben erst an Deck, wo sie entweder langsam ersticken oder ihnen bei vollem Bewusstsein die Kiemen aufgeschnitten werden. Manchmal werden die Tiere aus Gründen der Kühlung direkt auf Eis geworfen, was ihr Sterben noch verlängert. Nach einer aktuellen Untersuchung, die in der amerikanischen Zeitschrift Applied Animal Behaviour Science veröffentlicht wurde, kann sich der langsame und schmerzhafte Tod von Fischen, die bei vollem Bewusstsein auf Eisbrei geworfen werden (was sowohl wild gefangenen wie in Farmen gezüchteten Fischen passiert), über 14 Minuten hinziehen.

Ist das wichtig? So wichtig, dass wir unsere Essgewohnheiten ändern sollten? Vielleicht brauchen wir ja bloß eine bessere Etikettierung, damit wir klügere Entscheidungen treffen können, welche Fische und Fischprodukte wir kaufen? Welche Entscheidung würden die meisten wählerischen Allesesser wohl treffen, wenn an jedem Stück Lachs, das sie essen, ein Etikett klebte, das ihnen mitteilte, dass 80 Zentimeter lange Aquakulturlachse ihr ganzes Leben in einer Badewannenmenge Wasser verbringen müssen und dass die Augen der Tiere wegen der Wasserverschmutzung bluten? Und wenn das Etikett auch die explosionsartige Vermehrung der Parasiten, die Zunahme der Krankheiten, das deformierte Erbgut und die neuen, gegen Antibiotika resistenten Erreger, die in Lachsfarmen entstehen, erwähnen würde?

Aber für manches brauchen wir auch gar keine Etiketten. Es ist zwar eine durchaus realistische Annahme, dass immerhin ein gewisser Anteil aller Kühe und Schweine rasch und sorgfältig geschlachtet wird, doch kein Fisch stirbt einen guten Tod. Nicht ein einziger. Man muss sich nicht fragen, ob der Fisch, den man gerade auf dem Teller hat, wohl gelitten hat. Er hat. Auf jeden Fall.

Egal, ob wir über verschiedene Fischarten oder über Schweine oder über andere Tiere reden, die gegessen werden: Ist solches Leiden das Allerwichtigste auf der Welt? Ganz bestimmt nicht. Aber das ist auch nicht die Frage. Ist es wichtiger als Sushi, Schinken oder Chicken Nuggets? Das ist die Frage.

6.

Tiere essen

UNSERE ESSENSENTSCHEIDUNGEN werden dadurch verkompliziert, dass wir nicht allein essen. Tischgemeinschaften haben schon immer soziale Bande gestärkt, soweit archäologische Funde uns erlauben, das zu beurteilen. Essen, Familie und Erinnerung sind seit Urzeiten miteinander verbunden. Wir sind nicht bloß Tiere, die essen, sondern essende Tiere.

Einige der mir wichtigsten Erinnerungen sind mit den wöchentlichen Sushi-Dinners mit meinem besten Freund, den Puten-Burgern meines Vaters, mit Senf und gegrillten Zwiebeln, die ich bei Gartenfesten aß, und dem salzigen Geschmack von Gefilte Fisch beim Pessachmahl im Haus meiner Großmutter verbunden. Solche Anlässe sind ohne das entsprechende Essen einfach nicht dasselbe – und das ist wichtig.

Auf den Geschmack von Sushi oder Brathähnchen zu verzichten ist ein Verlust, der weit über das genussvolle Essenserlebnis hinausgeht. Wenn wir unseren Nahrungskatalog ändern und bestimmte Aromen aus unserer Erinnerung tilgen, dann bedeutet das auch einen kulturellen Verlust, eine Art Vergessen. Vielleicht ist es ein Vergessen, das es zu akzeptieren oder gar zu kultivieren gilt (man kann auch Vergessen kultivieren). Um mich an die Tiere und meine Sorge um ihr Wohlergehen zu erinnern, muss ich vielleicht bestimmte Geschmackserfahrungen vergessen und mir für die Erinnerungen, die sie mitgetragen haben, andere Vehikel suchen.

Erinnern und Vergessen sind Teil des gleichen geistig-seelischen Vorgangs. Wenn man ein Detail eines Ereignisses aufschreibt, lässt man ein anderes weg (es sei denn, man schreibt endlos weiter). Wenn man sich einer Sache erinnert, lässt man eine andere ins Vergessen gleiten (es sei denn, man erinnert sich endlos weiter). Es gibt ethisches Vergessen und gewaltsames Vergessen. Wir können nicht alles behalten, was wir erfahren und gelernt haben. Die Frage ist also weniger, ob wir vergessen, sondern was oder wen wir vergessen – nicht, ob unsere Essgewohnheiten sich ändern, sondern wie.

Vor Kurzem haben mein Freund und ich angefangen, vegetarisches Sushi zu essen oder zum Italiener nebenan zu gehen. Statt der Puten-Burger, die mein Vater gegrillt hat, werden sich meine Kinder meiner vegetarischen Burger erinnern, die ich im Garten anbrennen lassen werde. Bei unserem letzten Pessachfest spielte der Gefilte Fisch eine untergeordnete Rolle, doch wir erzählten uns Geschichten darüber (damit habe ich offensichtlich nicht aufgehört). Dem Auszug aus Ägypten – die großartigste aller Geschichten vom höchst unerwarteten Sieg der Schwachen über die Starken – wurden neue Geschichten von Schwachen und Starken hinzugefügt.

Das Entscheidende an diesen besonderen Mahlzeiten, die wir zu besonderen Anlässen mit besonderen Menschen einnahmen, war doch, dass wir sie willentlich von allen anderen Mahlzeiten abhoben. Indem wir nun eine weitere willentliche Entscheidung hinzufügen, bereichern wir sie. Ich bin auf jeden Fall dafür, Traditionen zugunsten eines guten Zwecks aufzugeben, aber in diesem Fall wurde die Tradition weniger aufgegeben als vielmehr mit neuem Leben gefüllt.

Für mich ist es ganz einfach falsch, Schweinefleisch aus Massentierhaltung zu essen oder es meiner Familie zu essen zu geben. Wahrscheinlich ist es sogar falsch, schweigend dabeizusitzen, wenn Freunde Fleisch aus Massentierhaltung essen, so schwierig es auch sein mag, etwas zu sagen. Schweine sind eindeutig von hoher Intelligenz und sind ebenso eindeutig in den Tierfabriken zu einem elendigen Leben verdammt. Der Vergleich mit einem Hund, der sein Leben lang im Kleiderschrank eingesperrt wird, trifft einigermaßen, auch wenn er noch viel zu harmlos ist. Und die Umweltargumente gegen die Massentierhaltung sind so wasserdicht wie vernichtend.

Aus ähnlichen Gründen würde ich auch kein Geflügel oder Meerestiere aus industrieller Haltung essen. Es bewegt einen vielleicht weniger, diesen Tieren in die Augen zu schauen, als das beim Schwein der Fall ist, aber unser Bewusstsein bestimmt eben auch, was wir sehen. Was ich im Laufe meiner Recherchen über die Intelligenz und die soziale Entwicklung von Vögeln und Fischen gelernt habe, zwingt mich, die Größe ihres Elends ebenso ernst zu nehmen wie das leichter zu begreifende Elend industriell gehaltener Schweine.

Rinder, die auf Mastparzellen, sogenannten »Feedlots«, gemästet werden, finde ich weniger problematisch (und ein Rind, das vollständig auf der Weide groß geworden ist, liefert wahrscheinlich das unbedenklichste Fleisch überhaupt – mehr darüber im nächsten Kapitel). Doch die Feststellung, dass irgendetwas weniger bedenklich ist als Fleisch aus einer der riesigen Schweine- oder Geflügelfabriken, sagt so gut wie nichts aus.

Für mich stellt sich folgende Frage: Wenn es für meine Familie vollkommen unnötig ist, Tiere zu essen – im Gegensatz zu Menschen in anderen Gegenden der Welt kommen wir problemlos an eine reiche Auswahl anderer Nahrungsmittel –, sollten wir sie trotzdem essen? Und ich beantworte diese Frage als jemand, der sehr gern Tiere gegessen hat. Vegetarische Ernährung kann vielseitig und schmackhaft sein, doch im Gegensatz zu vielen Vegetariern könnte ich nicht guten Gewissens behaupten, dass sie ebenso befriedigend ist wie Ernährung mit Fleisch. (Menschen, die Schimpansen essen, sind der Ansicht, dass es der westlichen Nahrungspalette leider an einem großen Genuss mangelt.) Ich liebe Sushi, ich liebe Brathähnchen, ich liebe ein gutes Steak. Aber meine Liebe hat Grenzen.

Seit ich die Wirklichkeit der Massentierhaltung mit eigenen Augen gesehen habe, ist mir die Entscheidung, kein konventionelles Fleisch mehr zu essen, nicht mehr schwergefallen. Und ich kann mir nur schwer vorstellen, dass außer denjenigen, die Profit daraus ziehen, irgendjemand diese industrielle Tierhaltung verteidigen wollte.

Bei Betrieben wie Paul Willis’ Schweinefarm oder Frank Reeses Geflügelhof wird die Sache allerdings komplizierter. Ich bewundere ihre Arbeit, und in Anbetracht der Alternativen kann man sie im Grunde nur heldenhaft nennen. Die Tiere, die sie aufziehen, bedeuten ihnen etwas, und sie behandeln sie so gut, wie es ihnen möglich ist. Und wenn wir Verbraucher unsere Nachfrage nach Schwein und Geflügel auf die Menge reduzieren könnten, die das Land bei vernünftiger Produktion hergibt (ein sehr großes Fragezeichen), gäbe es keine schlagenden ökologischen Argumente gegen ihre Form der Landwirtschaft.

Es stimmt natürlich, dass jede Form des Tierverzehrs notwendigerweise die Massentierhaltung unterstützt, wenn auch indirekt, indem sie die Nachfrage nach Fleisch erhöht. Das ist gar nicht so nebensächlich, aber dennoch nicht der Hauptgrund, warum ich kein Schweinefleisch von Paul Willis’ oder Geflügel von Frank Reeses Hof essen würde – und es fällt mir schwer, diesen Satz zu schreiben, denn ich weiß, dass Paul und Frank, die inzwischen meine Freunde sind, ihn lesen werden.

Paul tut, was er kann, doch auch seine Schweine werden kastriert, und sie werden über weite Strecken zum Schlachthof transportiert. Und bevor er Diane Halverson kennenlernte, die Tierschutzexpertin, die seine Arbeit für Niman Ranch von Anfang an unterstützte, kupierte auch er die Schwänze der Schweine, was nur zeigt, dass auch die mitfühlenden Farmer manchmal weniger auf das Wohl ihrer Tiere bedacht sind, als sie könnten.

Und schließlich die Schlachthöfe. Frank spricht ganz offen darüber, wie schwierig es ist, seine Truthähne auf eine für ihn akzeptable Weise schlachten zu lassen – den optimalen Schlachthof für seine Vögel hat er noch nicht gefunden. Was die Schweineschlachtung betrifft, ist Paradise Locker Meats tatsächlich eine Art Paradies. Doch die strukturelle Organisation der amerikanischen Fleischindustrie und die Bestimmungen des Agrarministeriums zwingen Paul und Frank, ihre Tiere in Schlachthöfe zu schicken, über deren Tun sie nur sehr begrenzte Kontrolle haben.

Wie alles hat auch jeder landwirtschaftliche Betrieb seine Schwachstellen, ist Fehlleistungen und Unfällen ausgesetzt, arbeitet manchmal nicht nach Plan. Das Leben ist voller Fehler, aber manche zählen mehr als andere. Wie fehlerhaft müssen Viehzucht und Schlachtung sein, damit es zu viel ist? Verschiedene Menschen werden die Grenze unterschiedlich ziehen, wenn es um Betriebe wie die von Paul und Frank geht. Auch Menschen, die ich respektiere, werden sie an anderer Stelle ziehen als ich. Doch für mich – und für meine Familie – sind heute die Bedenken angesichts der Realität der Fleischproduktion, angesichts dessen, was aus Fleisch geworden ist, so groß, dass ich ganz darauf verzichte.

Natürlich kann ich mir Umstände vorstellen, unter denen ich Fleisch essen würde – sogar solche, unter denen ich einen Hund verzehren würde –, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass ich mich je in solchen Umständen wiederfinden werde. Vegetarier zu sein ist in einigen Bereichen Auslegungssache. Ich für meinen Teil habe mich von einer Geisteshaltung verabschiedet, in der ich ständig Einzelentscheidungen darüber treffe, ob ich ein bestimmtes Tier esse (wer kann das schon ständig aushalten?), und mich entschieden, gar keine mehr zu essen.

Was mich wieder zum Bild von Kafka bringt, wie er im Berliner Aquarium vor den Fischen steht und sie mit neu gewonnener innerer Ruhe betrachtet, nachdem er beschlossen hatte, keine Tiere mehr zu essen. Für Kafka waren die Fische Teil seiner unsichtbaren Familie – nicht ebenbürtig, aber doch andere Lebewesen, denen sein Mitgefühl galt. Eine ähnliche Erfahrung machte ich bei Paradise Locker Meats. Ich war nicht unbedingt »ruhig«, als mich in Marios Schlachthof unerwartet der Blick eines Schweins traf, das nur noch Sekunden zu leben hatte. (Waren Sie schon einmal das Letzte, was jemand im Leben sah?) Aber ich war auch nicht zutiefst beschämt. Das Schwein war kein Behältnis meines Vergessens, sondern meines Mitgefühls. Das erleichterte mich, erleichtert mich immer noch. Für das Schwein spielt meine Erleichterung keine Rolle. Aber für mich. Und das gehört zu meiner Einstellung zum Essen von Tieren. Wenn ich nur meine Seite betrachte – die des essenden Tieres, nicht die des gegessenen –, fühle ich mich einfach nicht ganz, wenn ich so bewusst, so absichtlich vergesse.

Und schließlich ist da auch noch meine sichtbare Familie. Jetzt, nach Abschluss meiner Recherchen, werde ich nur noch in seltenen Ausnahmefällen einem Nutztier in die Augen schauen. Doch viele Tage meines zukünftigen Lebens werde ich vielmals am Tag meinem Sohn in die Augen schauen.

Der Entschluss, keine Tiere mehr zu essen, ist für mich notwendig, aber er ist auch begrenzt und persönlich. Eine Entscheidung, die nur im Kontext meines Lebens und keines anderen fällt. Bis vor ungefähr 60 Jahren wären meine Begründungen größtenteils völlig unverständlich geblieben, denn die industrielle Tierproduktion, auf die ich Bezug nehme, war längst nicht so dominant wie heute. Wäre ich zu anderen Zeiten geboren, wäre ich vielleicht auch zu anderen Schlüssen gelangt. Dass ich die Wahl treffe, keine Tiere mehr zu essen, bedeutet nicht, dass ich ganz allgemein dagegen bin, Tiere zu essen, oder auch nur gemischte Gefühle dazu habe. Man kann entschieden dagegen sein, einem Kind durch Schläge »eine Lektion zu erteilen«, und dennoch starke elterliche Autorität befürworten. Wenn ich beschließe, mein Kind auf eine bestimmte Weise zu erziehen und nicht auf eine andere, so will ich diese Entscheidung nicht notwendigerweise anderen Eltern aufdrängen. Wer für sich selbst und seine Familie entscheidet, meint damit nicht unbedingt das ganze Land oder die Welt.

Doch wenn ich es auch für einen Wert an sich halte, wenn wir alle unsere persönlichen Gedanken und Entscheidungen über das Essen von Tieren aussprechen, so habe ich dieses Buch doch nicht nur geschrieben, um am Ende zu einem persönlichen Entschluss zu gelangen. Die Landwirtschaft wird nicht nur durch unsere Nahrungsentscheidungen beeinflusst, sondern auch durch politische Beschlüsse. Es reicht nicht, seinen persönlichen Speiseplan umzustellen. Doch wieweit bin ich bereit, meine eigenen Vorstellungen und Ansichten über bestmögliche Tierhaltung zu propagieren? (Ich esse zwar Pauls und Franks Produkte nicht, doch meine aktive Unterstützung für die Art der Landwirtschaft, die sie betreiben, wird von Tag zu Tag entschlossener.) Was erwarte ich von anderen? Was sollten wir alle voneinander erwarten, wenn es um die Frage geht, ob und wie wir Tiere essen?

Es liegt auf der Hand, dass meine Gegnerschaft zur Massentierhaltung nicht bloß persönlicher Abneigung entspringt, doch was daraus folgt, ist weniger eindeutig. Sollten alle Menschen immer alle Produkte aus Massentierhaltung boykottieren, weil diese tierquälerisch und verheerend für die Umwelt ist und Ressourcen verschwendet? Kann das Problem nicht allein durch unsere persönlichen Konsumentscheidungen gelöst werden, bedarf es gesetzgeberischer und gemeinsamer politischer Anstrengungen?

An welcher Stelle sollte ich respektvoll gegensätzliche Meinungen akzeptieren, und wo muss ich um grundlegender Werte willen unnachgiebig bleiben und andere auffordern, meine Haltung zu unterstützen? Wo lassen die unstrittigen Fakten vernünftigen Menschen noch Raum, anderer Ansicht zu sein, und wo verlangen sie von uns allen Taten? Ich bestehe nicht darauf, dass es immer und für alle Menschen falsch ist, Fleisch zu essen, oder dass die Fleischproduktion – trotz ihres beklagenswerten Zustands – nicht zu retten ist. Welche Haltung zum Essen von Tieren lässt sich mit menschlichem Anstand vereinbaren? Worauf würde ich bestehen?

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Weniger als ein Prozent aller für die Fleischproduktion geschlachteten Tiere in den USA stammt von Familienbetrieben.

1.

Bill und Nicolette

DIE STRASSEN, DIE MICH AN MEIN ZIEL FÜHRTEN, hatten keine Fahrbahnmarkierung, und die meisten hilfreichen Wegweiser waren von Einheimischen umgeworfen worden. »Es gibt keinen Grund, nach Bolinas zu kommen«, formulierte es ein Einwohner der Gemeinde in einem unfreundlichen Artikel in der New York Times. »Die Strände sind dreckig, die Feuerwehr ist eine Katastrophe, die Eingeborenen sind feindselig und haben einen Hang zum Kannibalismus.«

Nicht ganz. Die 50 Kilometer Küstenstraße nordwärts von San Francisco sind pure Naturromantik – atemberaubende Panoramen und geschützte natürliche Buchten wechseln sich ab –, und als ich endlich in Bolinas (2500 Einwohner) war, konnte ich mir kaum noch erklären, wieso Brooklyn (2 500 000 Einwohner) für mich jemals ein schöner Ort zum Leben war, und umso leichter begreifen, wieso diejenigen, die irgendwie nach Bolinas geraten sind, alle anderen daran hindern wollen.

Das ist einer der beiden Gründe, wieso es so überraschend ist, dass Bill Niman mich so bereitwillig zu sich nach Hause eingeladen hatte. Der andere Grund ist sein Beruf: Rinderrancher.

Eine stahlgraue Dänische Dogge, größer und ruhiger als mein Hund George, kam als Erste auf mich zu, dann folgten Bill und seine Frau Nicolette. Nach den üblichen Begrüßungen ließen sie mich in ihr bescheidenes Heim, das sich wie ein Bergkloster an den Hang schmiegte. Moosige Felsbrocken ragten aus der schwarzen Erde, dazwischen leuchtend bunte Blumenbeete und Sukkulenten. Über eine sonnendurchflutete Veranda gelangte man direkt ins Wohnzimmer – zwar der größte Raum des Hauses, aber nicht riesig. Ein Kamin aus Natursteinen, vor dem ein dunkles, schweres Sofa stand (eins zum Entspannen, nicht zum Repräsentieren), beherrschte den Raum. Die Regale waren voller Bücher, einige wenige über Landwirtschaft und Nahrung. Wir setzten uns an den Holztisch einer kleinen Essküche, in der es noch nach Frühstück roch.

»Mein Vater war ein russischer Einwanderer«, erklärte Bill. »Als Kind habe ich im Lebensmittelladen der Familie in Minneapolis gearbeitet. Das war mein Einstieg in das Thema Nahrung. Wir alle, die ganze Familie hat dort gearbeitet. Mein Leben hätte ich mir niemals träumen lassen.« Womit er meinte: Wie wird aus einem Amerikaner der ersten Generation, einem jüdischen Stadtkind, einer der wichtigsten Viehzüchter der Welt? Eine gute Frage, auf die es eine gute Antwort gibt.

»Der wichtigste Antrieb für jedermann war damals der Vietnamkrieg. Ich beschloss, Ersatzdienst zu leisten, und arbeitete als Lehrer in staatlich ausgewiesenen Armutsgegenden. So wurde ich mit bestimmten Aspekten des Landlebens vertraut und fing an, mich dafür zu begeistern. Ich baute mit meiner ersten Frau einen Hof auf.« (Nimans erste Frau Amy kam bei einem Unfall auf dem Hof ums Leben.) »Wir kauften etwas Land. Etwa elf Morgen. Wir hatten Ziegen, Hühner und Pferde. Wir waren ziemlich arm. Meine Frau unterrichtete auf einer großen Ranch, und man schenkte uns ein paar Kälber, die einige der jungen Kühe ungeplant zur Welt gebracht hatten.« Diese »ungeplanten« Rinder wurden der Grundstock dessen, was heute Niman Ranch heißt. (Der Jahresumsatz des Unternehmens beträgt inzwischen geschätzte 100 Millionen Dollar – und wächst weiter.)

Als ich die zwei besuchte, war es eher Nicolette als Bill, die die kleine Ranch der beiden bewirtschaftete. Er war vor allem damit beschäftigt, das Rindfleisch und Schweinefleisch zu verkaufen, das Hunderte kleiner Familienbetriebe für Ni-man Ranch produzierten. Nicolette, die wie eine Rechtsanwältin von der Ostküste wirkt (und früher auch eine war), kannte jede einzelne Färse und Kuh, jeden Stier und jedes Kalb auf ihrem Hof, wusste um deren Bedürfnisse und vermochte sie zu stillen, sah kein bisschen nach Farmerin aus und schien doch ganz in dem, was sie tat, aufzugehen. Bill, der mit seinem buschigen Schnauzbart und der wettergegerbten Haut wie für die Rolle gecastet war, kümmerte sich inzwischen hauptsächlich ums Marketing.

Sie sehen nicht aus wie ein selbstverständlich passendes Paar. Bill wirkt ungeschliffen und instinktgeleitet. Die Sorte Mann, die nach einem Flugzeugabsturz auf einer einsamen Insel rasch den Respekt aller Überlebenden erwerben und, wenn auch gegen ihren Willen, zum Anführer erklärt werden würde. Nicolette ist ein Stadtmensch, wortreich, aber aufmerksam, voller Energie und Empathie. Bill ist warmherzig, aber stoisch. Er scheint sich beim Zuhören am wohlsten zu fühlen – was auch gut ist, denn Nicolette scheint sich beim Reden wohler zu fühlen.

»Bills und mein erstes Rendezvous«, erklärt sie, »fand unter Vortäuschung falscher Tatsachen statt. Ich dachte, es sei ein Geschäftsessen.«

»Du hattest vor allem Angst, ich könnte herausfinden, dass du Vegetarierin bist.«

»Na ja, nicht direkt Angst, aber ich hatte eben schon seit Jahren mit Viehzüchtern gearbeitet, und ich wusste, dass für die Fleischindustrie alle Vegetarier Terroristen sind. Wenn du in einer ländlichen Gegend dieses Landes bist und Leuten begegnest, die Tiere zum Schlachten halten, und die kriegen mit, du isst kein Fleisch, dann werden die verspannt. Sie haben Angst, dass du sie pauschal verurteilst oder sogar gefährlich bist. Ich hatte keine Angst, dass du es herausfinden könntest, ich wollte dich bloß nicht in die Defensive drängen.«

»Als wir uns zum ersten Mal zum gemeinsamen Essen an den Tisch setzten –«

»Da habe ich eine vegetarische Pasta Primavera bestellt, und Bill fragte gleich: ›Ach, bist du Vegetarierin?‹ Ich habe Ja gesagt. Und dann hat er etwas geantwortet, was mich überrascht hat.«

2.

Ich bin vegetarische Viehzüchterin

Ungefähr sechs Monate nach meinem Umzug auf die Ranch in Bolinas habe ich zu Bill gesagt: »Ich will hier nicht bloß wohnen, ich will wissen, wie so ein Betrieb funktioniert, ich möchte in der Lage sein, den Laden zu schmeißen.« Also beschäftigte ich mich mit der praktisch anfallenden Arbeit. Zu Anfang hatte ich Bedenken, ich würde mich allmählich sehr unwohl dabei fühlen, auf einer Ranch zu leben, aber genau das Gegenteil ist passiert. Je mehr Zeit ich hier verbrachte, in Gesellschaft unserer Tiere, und je mehr ich sah, wie gut sie es hatten, desto klarer wurde mir, das hier ist eine höchst ehrenwerte Angelegenheit.

Ich finde, die Verantwortung des Ranchers endet nicht damit, seine Tiere vor Leid und Quälerei zu bewahren. Ich meine, wir schulden ihnen höchste Lebensqualität. Weil wir ihnen das Leben nehmen, um sie zu essen, haben sie einen Anspruch auf die grundlegenden Genüsse des Lebens, finde ich – so Sachen wie in der Sonne liegen, sich paaren, ihre Jungen großziehen. Ich meine, sie haben es verdient, Freude zu empfinden. Und unsere Tiere kennen Freude! Mein Problem mit den meisten Standards für »humane« Fleischproduktion ist, dass sie sich ausschließlich auf Vermeidung von Leid konzentrieren. Das ist für mich selbstverständlich. Auf keiner Farm sollte unnötiges Leiden der Tiere geduldet werden. Wenn man ein Tier in der Absicht aufzieht, ihm das Leben zu nehmen, dann hat man eine viel größere Verantwortung!

Das ist gar kein neuer Gedanke oder meine eigene, einzigartige Philosophie. In der ganzen Geschichte der Landwirtschaft haben die meisten Farmer sich ernsthaft verpflichtet gefühlt, ihre Tiere gut zu behandeln. Das Problem der heutigen Zeit ist, dass Landwirtschaft durch industrielle Methoden verdrängt wird – oder schon verdrängt worden ist –, die in sogenannten »Instituten für Nutztierwissenschaften« ersonnen wurden. Die individuelle Vertrautheit eines traditionellen Farmers mit jedem Tier auf seinem Hof wurde durch große, unpersönliche Systeme ersetzt: Es ist schlicht unmöglich, jedes Tier in einem industriellen Schweinemastbetrieb oder einer Rindermastanlage zu kennen, wo Tausende oder gar Zehntausende Tiere zusammengepfercht sind. Stattdessen konzentrieren sich die Betreiber auf Abwasserprobleme und Automatisierungsprozesse. Die Tiere selbst werden beinahe nebensächlich. Und diese Verschiebung hat auch zu einer völlig anderen Geisteshaltung, zu ganz anderen Schwerpunkten geführt. Die Verantwortung eines Viehzüchters für seine Tiere wird vergessen oder gar gänzlich geleugnet.

Meiner Ansicht nach sind die Tiere eine Art Arrangement mit den Menschen eingegangen, eine Art Vertrag auf Gegenseitigkeit. Wenn Viehzucht so betrieben wird, wie sie eigentlich sollte, dann kann der Mensch dem Tier ein besseres Leben bieten als das, womit es in freier Wildbahn rechnen könnte, und ziemlich sicher einen besseren Tod. Das ist von großer Bedeutung. Ich habe hier schon einige Male aus Versehen ein Gatter offen stehen lassen. Nicht ein einziges Tier hat auch nur vorübergehend das Gehege verlassen. Sie laufen nicht weg, weil sie hier die Sicherheit der Herde haben, wirklich gute Weidegründe, Wasser, gelegentlich Heu und jede Menge Sicherheit. Und ihre Freunde sind hier. Bis zu einem gewissen Grad haben sie selbst entschieden, hierzubleiben. Natürlich sind sie diesen Vertrag nicht ganz aus freien Stücken eingegangen. Sie haben nicht gewählt, in Gefangenschaft geboren zu werden – aber von uns kann auch niemand seine Geburt selbst bestimmen.

Ich meine, es ist eine gute Sache, Tiere aufzuziehen, um gesunde Nahrung aus ihnen zu gewinnen – und den Tieren ein Leben voller Freude und ohne Leid zu bieten. Sie geben ihr Leben für einen sinnvollen Zweck. Und darauf hoffen wir doch im Grunde alle, glaube ich: ein gutes Leben und einen leichten Tod.

Eine wichtige Rolle spielt auch die Vorstellung, dass der Mensch ein Teil der Natur ist. Ich habe mir immer natürliche Systeme zum Vorbild genommen. Die Natur ist so ökonomisch. Selbst ein Tier, das nicht gejagt wurde, wird schon kurz nach seinem Tod gefressen, entweder von Raubtieren oder Aasfressern. Im Laufe der Jahre haben wir sogar ein paarmal beobachtet, wie einige unserer Rinder an Hirschknochen genagt haben, obwohl wir doch das Rind als reinen Pflanzenfresser kennen. Vor ein paar Jahren hat der US Geological Survey bei einer Studie herausgefunden, dass Hirsche jede Menge Eier aus den Nestern von Bodenbrütern fraßen – die Forscher waren schockiert! Die Natur ist viel flexibler, als wir glauben. Doch auf jeden Fall ist es normal und natürlich, dass Tiere andere Tiere essen, und da wir Menschen Teil der Natur sind, ist es auch ganz normal, dass Menschen Tiere essen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass wir Tiere essen müssen. Ich kann eine individuelle Entscheidung treffen, aus ganz persönlichen Gründen kein Fleisch zu essen. In meinem Fall ist der Grund eine ganz besondere Verbindung, die ich schon immer zu Tieren gespürt habe. Ich glaube, es würde mir sehr schwerfallen, Fleisch zu essen. Ich würde mich einfach sehr unwohl dabei fühlen. Für mich ist Massentierhaltung nicht falsch, weil sie Fleisch produziert, sondern weil sie jedem Tier auch noch das letzte Fünkchen Freude raubt. Anders ausgedrückt: Würde ich etwas stehlen, hätte ich ein schlechtes Gewissen, weil es von Natur aus falsch ist. Fleisch ist nicht von Natur aus falsch. Würde ich welches essen, wäre meine Reaktion wohl bloß eine Art Bedauern.

Früher habe ich gedacht, als Vegetarierin brauche ich mich nicht darum zu kümmern, dass die Art und Weise, wie Nutztiere behandelt werden, verbessert wird. Ich hatte das Gefühl, indem ich kein Fleisch esse, habe ich meinen Beitrag geleistet. Heute kommt mir das unsinnig vor. Die Fleischindustrie geht uns alle an, denn wir leben alle in einer Gesellschaft, in der die Lebensmittelproduktion auf Massentierhaltung und Agrarindustrie beruht. Vegetarierin zu sein entbindet mich nicht meiner Verantwortung dafür, wie in unserem Land Tiere gehalten werden – erst recht nicht zu einer Zeit, wo der Fleischkonsum sowohl national als auch global ansteigt.

Unter meinen Freunden und Bekannten sind eine Menge Veganer, von denen einige mit PETA oder Farm Sanctuary zu tun haben. Viele von denen glauben, die Menschheit würde das Problem Massentierhaltung letztlich dadurch lösen, dass die Leute aufhören, Fleisch zu essen. Da bin ich anderer Ansicht. Jedenfalls werden wir das nicht mehr erleben. Wenn es überhaupt möglich ist, dann wird es noch viele Generationen dauern. Bis dahin müssen wir uns auf andere Weise mit dem ungeheuren Leid befassen, das Tierfabriken verursachen. Wir müssen Alternativen fördern und unterstützen.

Zum Glück gibt es für die Zukunft ein paar Silberstreifen am Horizont. Die Rückkehr zu umsichtigeren landwirtschaftlichen Methoden ist auf dem Vormarsch. Es formiert sich ein gemeinsamer Wille – ein politischer Wille, aber auch ein Verbraucherwille, und damit der Wille des Lebensmittelhandels und der Restaurants. Verschiedene Forderungen fallen zusammen; eine davon ist die nach besserer Behandlung von Tieren. Wir erkennen langsam die Absurdität darin, dass wir lange nach Shampoo suchen, das ohne Tierversuche produziert wird, während wir gleichzeitig (und zwar mehrmals täglich) Fleisch kaufen, das in einem zutiefst grausamen System erzeugt wird.

Auch ökonomische Anforderungen ändern sich: Die Kosten für Treibstoff, für landwirtschaftliche Chemikalien und für Getreide steigen. Die Subventionen für die Landwirtschaft, die seit Jahrzehnten vor allem Großbetrieben, also Tierfabriken zugutekamen, werden zunehmend unhaltbar, vor allem vor dem Hintergrund der Finanzkrise. Eine Neuorientierung findet statt. Und die Welt braucht übrigens längst nicht so viel Tiere zu produzieren, wie wir es derzeit tun. Massentierhaltung ist nicht aus der Notwendigkeit entstanden, mehr Nahrung zu produzieren, um »die hungrigen Massen zu ernähren«, sondern damit die Agrarindustrie größeren Profit daraus schlagen kann. Bei der Massentierhaltung geht es nur um Geld. Und das ist auch der Grund, warum das System scheitert und auf lange Sicht nicht funktionieren kann: Es ist eine Lebensmittelindustrie entstanden, deren Hauptaugenmerk nicht die Ernährung der Menschen ist. Bezweifelt irgendjemand ernsthaft, dass die Konzerne, die den weitaus größten Teil der amerikanischen Nutztierhaltung kontrollieren, vor allem Profitinteressen verfolgen? In den meisten Industriezweigen ist das als Triebfeder ja auch ganz in Ordnung. Aber wenn es sich bei den Rohstoffen um Tiere handelt, bei den Produktionsstätten um das Land selbst, wenn die produzierten Güter verzehrt werden, dann stehen andere Dinge auf dem Spiel, und dann muss auch anders gedacht werden.

Wenn man die Menschen ernähren will, ergibt es zum Beispiel keinen Sinn, Tiere zu züchten, die körperlich nicht mehr in der Lage sind, sich fortzupflanzen; aber wenn man vor allem Geld verdienen will, ist das ganz logisch. Bill und ich haben inzwischen auch ein paar Truthähne auf unserer Ranch, eine ganz alte Rasse – dieselbe Rasse, die vor allem Anfang des 20. Jahrhunderts gezüchtet wurde. So weit mussten wir zurückgehen, um einen Zuchtstock zu finden, denn heutige Truthähne können kaum einen Schritt laufen, ganz zu schweigen von Paarung oder Brutpflege. So was kommt dabei heraus, wenn das System sich nur ganz am Rande für die Ernährung der Menschen und kein bisschen für die Tiere selbst interessiert. Massentierhaltung ist das allerletzte System, das einem einfallen würde, wenn man menschliche Ernährung nachhaltig über einen längeren Zeitraum sichern wollte.

Das Absurdeste ist ja, dass Massentierhaltung zwar keinerlei gesellschaftlichen Nutzen hat, aber trotzdem von der Gesellschaft nicht bloß unterstützt wird, sondern sich sogar ihre Fehler von der Gesellschaft bezahlen lässt. All ihre Abfallentsorgungskosten werden auf die Umwelt und die Gemeinden abgeschoben, in deren Nähe sie produzieren. Die Preise sind künstlich niedrig: Den Anteil, den man an der Supermarktkasse nicht sieht, zahlen wir alle, über Jahre hinweg.

Wir müssen zurück zur extensiven Weidewirtschaft. Das ist keine romantische Idee aus dem Wolkenkuckucksheim – es gibt ein historisches Vorbild dafür. Bis zur Zunahme der Tierfabriken Mitte des

20. Jahrhunderts basierte die amerikanische Viehzucht vor allem auf Gras und war viel weniger von Getreide, Chemie und Technik abhängig. Auf der Weide gehaltene Tiere leben besser, ihre Haltung ist umweltschonender. Auch aus harten wirtschaftlichen Erwägungen heraus wird das Weidesystem immer sinnvoller: Die steigenden Maispreise werden unser Nahrungsverhalten ändern. Man wird Rinder wieder mehr grasen lassen, wie es die Natur vorgesehen hat. Und wenn die Agrarindustrie gezwungen wird, sich selbst des Problems konzentrierter Gülle anzunehmen, anstatt es an die Allgemeinheit weiterzureichen, wird eine auf Weidewirtschaft fußende Tierhaltung ökonomisch noch attraktiver. Da liegt die Zukunft: in überzeugender nachhaltiger, humaner Landwirtschaft.

Sie weiß es besser

Vielen Dank, dass ich diese Niederschrift von Nicolettes Gedanken lesen durfte. Ich arbeite für die Tierschutzorganisation PETA, und sie ist Fleischproduzentin, aber ich betrachte sie dennoch als Mitstreiterin im Kampf gegen Massentierhaltung, und wir sind befreundet. Ich stimme ihr in allen Punkten zu, was die anständige Behandlung von Tieren und die künstlich niedrigen Preise für industriell erzeugtes Fleisch angeht. Und natürlich teile ich ihre Ansicht, dass jeder Mensch, der Fleisch essen will, nur Fleisch von mit Gras gefütterten, auf der Weide gehaltenen Tieren essen sollte – vor allem Rindfleisch. Aber damit steht auch gleich die stets vermiedene Frage im Raum: Warum überhaupt Tiere essen?

Betrachten wir zunächst die Umwelt und die Nahrungskrise: Es gibt aus moralischer Sicht keinen Unterschied zwischen dem Verzehr von Fleisch und der Vernichtung riesiger Lebensmittelmengen, denn die Tiere, die wir essen, können nur einen winzigen Bruchteil ihrer Nahrung in Fleischbrennwert umwandeln – man braucht zwischen sechs und 26 Futterkalorien, um eine Kalorie tierisches Fleisch zu produzieren. Der weitaus größte Teil aller Nahrungsmittel, die in den USA angebaut werden, wird an Tiere verfüttert – mit dieser Nahrung könnten wir auch Menschen ernähren, oder das Land, auf dem sie angebaut wird, könnte in Naturschutzgebiete umgewandelt werden. Überall auf der Welt geschieht das Gleiche, und die Folgen sind verheerend.

Der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen hat es »ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit« genannt, 100 Millionen Tonnen Mais und Getreide zum Treibstoff Ethanol umzuwandeln, während fast eine Milliarde Menschen hungert. Was für ein Verbrechen ist da erst die Nutztierhaltung, die jedes Jahr 756 Millionen Tonnen Mais und Getreide verbraucht, mehr als genug, die 1,4 Milliarden Menschen ausreichend zu ernähren, die in schlimmster Armut leben. Und in diesen 756 Millionen Tonnen sind noch nicht einmal die 220Millionen TonnenSojaenthalten–98Prozent des weltweiten Ertrages –, die ebenfalls in der Tiermast verfüttert werden. Selbst wenn man nur Fleisch von Niman Ranch isst, unterstützt man eine ungeheure Verschwendung und treibt die Lebensmittelpreise für die Ärmsten der Welt in die Höhe. Vor allem diese Ineffizienz – und erst in zweiter Linie die Umweltschäden oder der Tierschutz – hat mich dazu gebracht, kein Fleisch mehr zu essen.

Manche Viehzüchter weisen gern darauf hin, dass in einigen Gebieten der Anbau pflanzlicher Nahrungsmittel unmöglich und Rinderhaltung die gangbare Alternative ist und dass Rindfleisch die Nährstoffversorgung sichern kann, wenn Ernten vernichtet werden. Solche Argumente lassen sich aber nur ernsthaft für Entwicklungsländer anführen. Die wichtigste wissenschaftliche Stimme zu dem Thema ist wohl R.K. Pachauri, der Vorsitzende des Weltklimarats (IPCC), der 2007 für seine Klimaforschung den Friedensnobelpreis erhielt. Er vertritt die Ansicht, dass sich die Einwohner der Industrieländer allein aus Gründen des Umweltschutzes vegetarisch ernähren müssten.

Zu PETA bin ich natürlich des Tierschutzes wegen gekommen, schließlich lernen wir schon in der Schule, dass andere Tiere genau wie wir aus Fleisch, Blut und Knochen bestehen. Ein Schweinehalter in Kanada hat Dutzende Frauen umgebracht und sie an die Fleischerhaken gehängt, wo normalerweise die Schweineleiber hängen. Als vor Gericht herauskam, dass einige der Frauen zu Nahrungsmitteln verarbeitet wurden, gab es in der Öffentlichkeit einen unwillkürlichen Aufschrei der Empörung und des Ekels, denn Menschen hatten das Fleisch in gutem Glauben als Schweinefleisch verzehrt. Den Unterschied zwischen gehacktem Menschen-und Schweinefleisch konnten die Verbraucher nicht erkennen – natürlich nicht. Die anatomischen Unterschiede zwischen Mensch und Schwein (oder auch Rind oder Huhn) sind unbedeutend im Vergleich zu den Übereinstimmungen – ein Kadaver ist ein Kadaver, Fleisch ist Fleisch.

Andere Tiere verfügen über die gleichen fünf Sinne wie wir. Und wir lernen immer mehr darüber, dass sie psychologische und emotionale Bedürfnisse sowie ein Verhalten haben, wie es die Evolution auch bei uns hervorgebracht hat. Wie Menschen empfinden auch andere Tiere Freude und Schmerz, Glück und Unglück. Dass Tiere von vielen gleichen Emotionen bewegt werden wie wir, kann inzwischen als gesichert gelten. Ihre komplexen Gefühle und Verhaltensweisen bloß als »Instinkt« zu beschreiben, ist dumm, da würde mir Nicolette sicher zustimmen. In unserer heutigen Welt ist es leicht, die offensichtlichen moralischen Konsequenzen dieser Übereinstimmungen zu ignorieren – es ist bequem, politisch gewollt und allgemein verbreitet. Außerdem ist es falsch. Aber es reicht nicht zu wissen, was richtig und falsch ist; die andere, wichtigere Seite einer moralischen Erkenntnis ist das Handeln.

Ist Nicolettes Tierliebe echt? Ja, wenn sie ihre Tiere als Individuen betrachtet und ihnen kein Leid zufügen will. Doch für mich ist es nur schwer zu begreifen, wie sie sie trotzdem brandmarken, Kinder ihren Müttern entreißen, ihnen die Kehle aufschlitzen kann. Und zwar aus folgendem Grund: Versuchen Sie mal, ihr Plädoyer für Fleischverzehr auf die Haltung und Schlachtung von Hunden oder Katzen auszuweiten – oder gar auf Menschen. Die wenigsten von uns würden da folgen. Ihre Argumente ähneln auf fatale Weise (und gleichen sogar strukturell) denen von Sklavenhaltern, die dafür warben, Sklaven besser zu behandeln, ohne die Sklaverei ganz abzuschaffen. Man könnte jemanden in die Sklaverei zwingen und ihm trotzdem »ein gutes Leben und einen leichten Tod« bieten, wie Nicolette es in Bezug auf Nutztiere formuliert. Ist das besser, als Sklaven zu misshandeln? Klar. Aber trotzdem will das sicher niemand.

Oder versuchen Sie es mit einem anderen Gedankenexperiment: Würden Sie Tiere ohne Schmerzlinderung kastrieren? Würden Sie sie brandmarken? Würden Sie ihnen die Kehle aufschlitzen? Versuchen Sie bitte, sich diese Praktiken anzuschauen (das Video »Meet Your Meat« ist im Internet leicht zu finden und ein guter Einstieg). Die meisten Menschen würden so etwas nicht tun. Die meisten von uns möchten es nicht einmal sehen. Wie unredlich ist es dann, andere dafür zu bezahlen, solche Dinge zu tun? Bezahlte Tierquälerei, gefolgt von Auftragsmord – und wofür? Für ein Produkt, das niemand braucht: Fleisch.

Es mag »natürlich« sein, Fleisch zu essen, und die meisten Menschen mögen es akzeptabel finden – sie tun es jedenfalls schon seit sehr langer Zeit –, aber das sind keine ethischen Argumente. Tatsächlich sind die gesamte menschliche Zivilisation und jeglicher moralische Fortschritt eine ausdrückliche Überwindung des »Natürlichen«. Dass die meisten Menschen in den Südstaaten die Sklaverei befürwortet haben, sagt nichts darüber, ob es moralisch in Ordnung war oder nicht. Das Gesetz des Dschungels ist kein moralischer Standard, auch wenn es den Fleischessern hilft, ihr Fleisch mit besserem Gewissen zu essen.

Der Literaturnobelpreisträger Isaac Bashevis Singer, der aus dem von den Nazis besetzten Polen fliehen konnte, setzte die Ungleichbehandlung der Spezies mit den »extremsten rassistischen Theorien« gleich. Für Singer war das Eintreten für Tierrechte die reinste Form des Kampfes für soziale Gerechtigkeit, weil Tiere die wehrlosesten unter den Geknechteten dieser Erde seien. Für ihn war die Misshandlung von Tieren der Inbegriff des moralisch falschen Rechts des Stärkeren. Wir opfern ihre grundsätzlichsten und wichtigsten Bedürfnisse der Befriedigung flüchtigster menschlicher Interessen, und das nur, weil wir es können. Natürlich unterscheidet sich das menschliche Tier von allen anderen Tieren. Menschen sind einzigartig, nur eben nicht so, dass deshalb tierisches Leiden bedeutungslos würde. Denken Sie mal nach: Essen Sie Huhn, weil Sie die wissenschaftliche Literatur über Hühner kennen und auf dieser Grundlage beschlossen haben, dass ihr Leiden zu vernachlässigen sei, oder weil Huhn Ihnen schmeckt?

Üblicherweise bedeuten ethisch-moralische Entscheidungen eine Wahl zwischen unvermeidlichen und ernsthaften Interessenkonflikten. In diesem Fall sehen die widerstreitenden Interessen so aus: auf der einen Seite das Verlangen eines Menschen nach Gaumenfreuden, auf der anderen Seite das Bedürfnis eines Tieres, nicht die Kehle aufgeschlitzt zu bekommen. Nicolette erzählt Ihnen, bei ihr bekämen die Tiere »ein gutes Leben und einen leichten Tod«. Aber das Leben, das sie ihren Tieren bietet, ist bei Weitem nicht so angenehm wie das, was die meisten von uns unseren Hunden und Katzen gönnen. (Sicherlich leben und sterben ihre Tiere besser als die von Smithfield, aber gut?) Und selbst wenn, was wäre das für ein Menschenleben, das mit zwölf Jahren zu Ende ist? So alt werden nämlich nach Menschenalter die ältesten Tiere auf Bills und Nicolettes Ranch, wenn sie nicht zur Zucht bestimmt sind.

Nicolette und ich sind einer Meinung, dass unsere Ernährungsentscheidungen einen großen Einfluss auf andere Menschen haben. Wenn man selbst Vegetarier wird, hat man eine vegetarische Einheit in seinem Lebensumfeld geschaffen; überzeugt oder beeinflusst man eine weitere Person vom Vegetarismus, ist diese Einheit bereits doppelt so groß. Und man kann natürlich noch viel mehr Menschen erreichen. Welche Ernährungsweise man auch wählt, die öffentliche Seite des Essens ist entscheidend.

Der Entschluss, überhaupt Fleisch zu essen (selbst wenn es aus weniger tierquälerischer Produktion stammt), wird andere ermuntern, Fleisch aus Massentierhaltung zu essen, auch wenn sie es sonst vielleicht nicht getan hätten. Was sollen wir davon halten, dass führende Köpfe der Kampagne für »anständiges Fleisch« wie meine Freunde Michael Pollan und Eric Schlosser und sogar die Farmer von Niman Ranch regelmäßig Geld ins System der Massentierhaltung stecken, indem sie die Produkte konsumieren? Für mich heißt das, dass die Vorstellung vom »moralisch einwandfreien Fleischkonsum« unhaltbar ist, wenn selbst die prominentesten Verfechter dieser Idee sich nicht immer daran halten. Ich habe zahllose Menschen getroffen, die von Erics und Michaels Argumenten bewegt und überzeugt waren, doch keiner von ihnen isst jetzt nur noch Fleisch von Niman Ranch oder entsprechenden Produzenten. Sie sind entweder Vegetarier geworden oder essen immer noch gelegentlich Tiere aus Massentierhaltung.

Es klingt vor allem deshalb so »nett« und »tolerant«, dass man auch »anständig« Fleisch essen kann, weil die meisten Menschen es gern hören, wenn man ihnen sagt, dass alles, was sie tun und haben wollen, moralisch einwandfrei ist. Eine Vegetarierin wie Nicolette macht sich natürlich sehr beliebt, wenn sie Fleischessern die Möglichkeit bietet, der eigentlichen moralischen Herausforderung des Tierkonsums auszuweichen. Doch die ehemaligen »Extremisten« bei Themen wie Frauenrechte, Bürgerrechte, Kinder-rechte sind heute die gesellschaftlich Konservativen. (Wer würde bei einer Frage wie der Sklaverei für halbherzige Lösungen eintreten?) Wieso ist es beim Thema Tiere essen plötzlich so problematisch, auf das hinzuweisen, was doch wissenschaftlich offenkundig und unabweisbar ist: dass Tiere uns mehr ähneln, als dass sie sich von uns unterscheiden? Sie sind unsere »Vettern«, wie Richard Dawkins es ausdrückt. Selbst der unwiderlegbare Satz »Sie essen eine Leiche« wird als Übertreibung bezeichnet. Nein, es ist schlicht die Wahrheit.

Tatsächlich ist es alles andere als hart oder intolerant, wenn man dagegen ist, Leute dafür zu bezahlen – täglich dafür zu bezahlen –, Tieren Verbrennungen dritten Grades zuzufügen, ihnen die Hoden rauszureißen, ihnen die Kehlen aufzuschlitzen. Beschreiben wir doch die Realität, wie sie ist: Dieses Stück Fleisch stammt von einem Tier, das im besten Fall – und nur sehr wenige kommen so glimpflich davon – verbrannt, verstümmelt und ermordet wurde, damit ein Mensch einige wenige Minuten lang Genuss verspürt. Rechtfertigt dieser Genuss die Mittel?

Er weiß es besser

Ich respektiere die Haltung von Menschen, die aus welchen Gründen auch immer beschließen, kein Fleisch zu essen. Genau das habe ich Nicolette auch bei unserer ersten Verabredung gesagt, als sie mir erzählte, sie sei Vegetarierin: »Toll. Das respektiere ich.«

Den größten Teil meines Erwachsenenlebens habe ich damit verbracht, eine Alternative zur Massentierhaltung zu entwickeln und zu etablieren, am offensichtlichsten bei meiner Arbeit für Niman Ranch. Ich teile aus ganzem Herzen die Einschätzung, dass die modernen, industrialisierten Methoden der Fleischproduktion, die sich erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchgesetzt haben, den grundlegenden Werten widersprechen, die lange Zeit mit Viehzucht und Schlachtung in Verbindung gebracht wurden. In vielen traditionellen Kulturen herrschte ein breiter Konsens, dass Tiere Respekt verdienen und dass man ihnen das Leben nur mit Ehrfurcht nehmen durfte. Diese Einstellung führte dazu, dass die Traditionen im Judentum, im Islam, bei den amerikanischen Ureinwohnern und anderen Kulturen überall auf der Welt besondere Rituale und Praktiken zur Haltung und Schlachtung von Tieren für den menschlichen Verzehr vorschreiben. Unglücklicherweise hat das agroindustrielle System sich von der Ansicht verabschiedet, dass ein Tier das Recht auf ein gutes Leben hat und respektvoll behandelt werden sollte. Darum habe ich so deutlich gegen fast alles Stellung bezogen, was heute in der Massentierhaltung geschieht.

Nachdem das geklärt ist, möchte ich erläutern, warum ich mit gutem Gewissen nach althergebrachten und natürlichen Methoden Tiere zum Verzehr aufziehen kann. Wie ich Ihnen schon vor ein paar Monaten erzählt habe, bin ich in Minneapolis als Kind russisch-jüdischer Einwanderer aufgewachsen, die ein kleines Lebensmittelgeschäft hatten, Niman’s Grocery. So ein Laden, in dem Service ganz großgeschrieben wurde: Man kannte die Kunden mit Namen, Bestellungen wurden oft per Telefon aufgenommen und dann ins Haus geliefert. Als Kind besorgte ich oft die Auslieferung. Außerdem ging ich mit meinem Vater auf den Markt, füllte die Regale nach, packte Einkäufe in Tüten und erledigte eine Menge weiterer kleiner Arbeiten. Meine Mutter, die ebenfalls im Laden mitarbeitete, war eine gute Köchin, die fast alles von Grund auf selbst zubereitete, natürlich mit den Zutaten, die wir auch im Geschäft anboten. Essen wurde immer als etwas einzigartig Wertvolles gesehen, das nicht selbstverständlich war und nicht verschwendet werden durfte. Und es war auch nicht einfach bloß Brennstoff für unseren Körper. Beschaffung, Zubereitung und Verzehr von Speisen waren in unserer Familie mit Zeit, Sorgfalt und Ritualen verbunden.

Mit Mitte zwanzig kam ich nach Bolinas und kaufte Land. Meine verstorbene Frau und ich machten ein großes Stück davon urbar und bauten Gemüse an; wir pflanzten Obstbäume, und wir besorgten uns ein paar Ziegen, Hühner und Schweine. Zum ersten Mal in meinem Leben produzierte ich den größten Teil meiner Nahrung mit meiner eigenen Hände Arbeit. Das war ungeheuer befriedigend.

In dieser Lebensphase lernte ich, was es wirklich bedeutet, Fleisch zu essen. Wir lebten buchstäblich mit unseren Tieren zusammen, ich kannte jedes einzelne persönlich. Es war also gar nicht leicht, sondern eine echte Herausforderung, ihnen das Leben zu nehmen. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft daran, wie ich die ganze Nacht wach lag, nachdem wir unser erstes Schwein geschlachtet hatten. Ich quälte mich mit der Frage, ob ich das Richtige getan hatte. Doch in den folgenden Wochen, als wir, unsere Freunde, unsere Familie, das Fleisch dieses Schweins aßen, wurde mir klar, dass es nicht umsonst, sondern für einen guten Zweck gestorben war – um uns mit wohlschmeckendem, gesundem und höchst nahrhaftem Essen zu versorgen. Ich entschied, dass es für mich moralisch vertretbar war, Tiere zum Verzehr aufzuziehen, solange ich mich immer bemühte, ihnen ein gutes, natürliches Leben und einen möglichst angst-und schmerzfreien Tod zu verschaffen.

Die meisten Menschen müssen sich natürlich nie mit der unangenehmen Tatsache auseinandersetzen, dass tierische Lebensmittel (auch Milchprodukte und Eier) die Tötung von Tieren erfordern. Ihnen fehlt einfach der Bezug zu dieser Realität, weil sie ihr Essen in Supermärkten oder Restaurants kaufen, als Stück präsentiert oder als fertiges Gericht, sodass es nicht schwerfällt, wenige oder gar keine Gedanken an die Tiere zu verschwenden, von denen es stammt. Das ist ein Problem. Das hat es dem Agrobusiness möglich gemacht, die Nutztierhaltung in ein gesundheitsschädliches, unmenschliches System zu verwandeln, ohne dass die Öffentlichkeit aufmerksam geworden wäre. Nur sehr wenige Menschen haben Massentierhaltungsbetriebe von innen gesehen, ob nun für Rinder, Schweine oder Geflügel, und die meisten Verbraucher haben wirklich nicht den geringsten Schimmer, was in diesen Tierfabriken geschieht. Ich bin überzeugt, die meisten wären angewidert, wenn sie es wüssten.

Früher waren amerikanische Bürger der Lebensmittelproduktion sowohl räumlich als auch geistig näher. Diese Verbindung und Vertrautheit sorgte dafür, dass diese Lebensmittel auf eine Weise produziert wurden, die den Werten der Bürger entsprach. Doch die Industrialisierung der Landwirtschaft hat die Verbindung gekappt und diese moderne Ära der Entfremdung eingeleitet. Unsere derzeitige Lebensmittelproduktion, vor allem die Massentierhaltung in engen Käfigen, widerspricht den Grundwerten der meisten Amerikaner, die Nutztierhaltung an sich für ethisch vertretbar halten, aber überzeugt sind, dass jedem Tier ein anständiges Leben und ein humaner Tod zusteht. Das war schon immer fester Bestandteil des amerikanischen Wertesystems. Als Präsident Eisenhower im Jahr 1958 das Gesetz über humane Schlachtmethoden (Humane Methods of Slaughter Act) unterzeichnete, bemerkte er, nach Lektüre der Briefe, die er zu diesem Gesetzesvorhaben erhalten habe, könne man zu dem Schluss kommen, Amerikaner interessierten sich ausschließlich für humane Schlachtmethoden.

Gleichzeitig war und ist die große Mehrheit der Amerikaner wie auch der Bewohner zahlreicher anderer Länder der Ansicht, dass Fleischverzehr ethisch vertretbar ist. Das ist ebenso natürlich wie kulturell bedingt. Kulturell bedingt in der Hinsicht, dass jeder Mensch, der in einem Haushalt aufwächst, wo täglich Fleisch und Milchprodukte konsumiert werden, dieses Schema normalerweise übernimmt. Sklaverei ist da eine unpassende Analogie. Zwar war die Sklaverei in bestimmten historischen Epochen oder geografischen Grenzen weitverbreitet, aber sie war nie eine so allgemeingültige, alltägliche Praxis wie der Verzehr von Fleisch, Fisch, Eiern oder Milchprodukten in menschlichen Gesellschaften überall auf der Welt.

Ich sage, dass Fleischessen natürlich ist, weil eine riesige Anzahl von Tieren in freier Wildbahn das Fleisch anderer Tiere isst. Dazu gehören natürlich auch der Mensch und seine menschenähnlichen Vorfahren, die vor ungefähr anderthalb Millionen Jahren angefangen haben, Fleisch zu essen. In den meisten Weltgegenden und für den weitaus größten Teil der Geschichte von Mensch und Tier war Fleischverzehr nie bloß eine Frage des Genusses, sondern Überlebensgrundlage.

Der Nährstoffreichtum von Fleisch sowie die Allgegenwart des Fleischverzehrs in der Natur sind für mich deutliche Fingerzeige, dass er artgerecht ist. Manchmal wird darauf hingewiesen, man dürfe sich bei moralischen Bewertungen nicht an der Natur orientieren, weil sich in freier Wildbahn auch Verhaltensweisen wie Vergewaltigung und Kindsmord beobachten lassen. Dieses Argument trägt jedoch nicht, denn es zieht Verhaltensanomalien zur Begründung heran. So etwas geschieht bei Tieren unter normalen Umständen nicht. Es wäre eindeutig falsch und dumm, sich an den Abweichungen zu orientieren, um normales und akzeptables Verhalten zu definieren. Die Regeln natürlicher Ökosysteme sind im Hinblick auf Ökonomie, Stabilität und Ordnung von unendlicher Weisheit. Und Fleischverzehr ist (war schon immer) die Regel in der Natur.

Was ist zu dem Argument zu sagen, dass wir Menschen, unabhängig von natürlichen Gesetzmäßigkeiten, kein Fleisch essen sollten, weil Fleischproduktion an sich eine Verschwendung von Ressourcen darstellt? Auch diese Behauptung ist irreführend. Diesbezügliche Zahlenwerte gehen davon aus, dass Nutzvieh industriell gehalten und mit Getreide und Soja gefüttert wird, das mit intensivem Kunstdüngereinsatz angebaut wurde. Solche Daten lassen sich jedoch nicht auf grasfressende Tiere wie Rinder, Ziegen, Schafe oder Hirsche anwenden, die ausschließlich auf Weideland aufgezogen werden.

David Pimentel von der Cornell University war lange Zeit der führende Forscher im Bereich der Energiebilanzen in der Lebensmittelproduktion. Pimentel propagiert keinen Vegetarismus. Er merkt sogar an, dass »alle verfügbaren Daten nahelegen, dass der Mensch ein Allesesser ist«. In seinem wegweisenden Werk Food, Energy, and Society sagt er, dass Nutzvieh »eine wichtige Rolle … bei der Nahrungsversorgung des Menschen« spiele. Das erklärt er folgendermaßen: »Zunächst einmal wandelt Nutzvieh Weidefutter in Randhabitaten effektiv in für den Menschen nutzbare Nahrung um. Zweitens dienen die Viehherden als lebendes Nahrungslager. Drittens können Nutztiere in Jahren mangelnder Niederschläge und schwacher Ernteerträge gegen Getreide eingetauscht werden.«

Außerdem verschließt sich jeder, der behauptet, Nutztierhaltung an sich sei schlecht für die Umwelt, einem ganzheitlichen Blick auf die nationale und weltweite Nahrungsproduktion. Land umzupflügen und Nutzpflanzen anzubauen ist auch an sich umweltschädlich. Grasende Tiere haben bei der Entstehung zahlreicher existierender Ökosysteme über Zehntausende von Jahren eine prägende Rolle gespielt, und grasende Tiere sind der ökologisch sinnvollste Weg, solche Prärien, Gras- und Heidelandschaften zu erhalten.

Wie Wendell Berry in seinen Schriften sehr klug darstellt, sind die landwirtschaftlichen Betriebe, die beides, Viehzucht und Ackerbau, betreiben, die ökologischsten. Solche Betriebe ahmen natürliche Ökosysteme mit ihrem kontinuierlichen und komplexen Zusammenspiel von Flora und Fauna nach. Viele (wahrscheinlich die meisten) Erzeuger von biologischem Obst und Gemüse brauchen den Mist von Nutztieren als Düngemittel.

Die Wahrheit ist, dass jede Art der Lebensmittelproduktion die Umwelt in gewissem Maße verändert. Nachhaltige Landwirtschaft setzt sich zum Ziel, diesen Eingriff zu minimieren. Weidewirtschaft ist – vor allem innerhalb eines breit aufgestellten Agrarbetriebs – die am wenigsten invasive Art der Nahrungsproduktion, weil Luft-und Wasserverschmutzung, Erosion und Einfluss auf die Wildtierwelt minimal bleiben. Außerdem gedeihen Nutztiere auf diese Weise am besten. Ich habe es mir zur Lebensaufgabe gemacht, diese Art Landwirtschaft zu unterstützen, und ich bin stolz darauf.

3.

Wissen wir es besser?

BRUCE FRIEDRICH VON PETA (die Stimme, die auf den vorherigen Seiten zwischen Nicolette und Bill zu hören war) auf der einen, die Nimans auf der anderen Seite stehen für die beiden institutionellen Reaktionen auf unser derzeitiges System der Nutztierproduktion. Die beiden Ansichten repräsentieren zwei unterschiedliche Strategien. Bruce tritt für Tierrechte, Bill und Nicolette treten für Tierschutz ein.

Aus einem bestimmten Blickwinkel scheinen die beiden Ansätze übereinzustimmen: Beiden geht es um eine Verminderung der Gewalt. (Wenn die Tierrechtsvertreter sagen, dass Tiere nicht zu unserer Verwertung bestimmt sind, dann fordern sie praktisch, das Leid zu minimieren, das wir ihnen zufügen.) Von diesem Standpunkt aus scheint der entscheidende Unterschied der beiden Positionen – der uns dazu bringt, sich einer von beiden anzuschließen – die Voraussage darüber zu sein, welche Lebensweise tatsächlich zu einer solchen Verminderung der Gewalt gegen Tiere führen wird.

Die Tierrechtsvertreter, denen ich im Lauf meiner Recherche begegnet bin, beschäftigen sich kaum mit fundierter Kritik an (ganz zu schweigen von aktivem Widerstand gegen) Szenarien, in denen gute Hirten wie Frank, Paul, Bill und Nicolette eine glückliche Nutztiergeneration nach der anderen aufziehen. Diese Vorstellung einer stabilen humanen Landwirtschaft scheint den meisten Tierrechtsaktivisten weniger verwerflich als vielmehr hoffnungslos romantisch. Sie glauben nicht daran. Aus ihrem Blickwinkel entspricht die Tierschutzposition ungefähr dem Vorschlag, man solle alle grundlegenden Kinderrechte abschaffen, ungeheure finanzielle Anreize für Wirtschaftsunter-nehmen bieten, in denen Kinder sich zu Tode schuften, die gesellschaftliche Ächtung der Kinderarbeit wegfallen lassen und dann irgendwie erwarten, dass zahnlose Gesetze für den »Kinderschutz« schon für deren anständige Behandlung sorgen werden. Dieser Vergleich soll nicht etwa Tiere und Kinder auf die gleiche moralische Ebene setzen, sondern zeigen, wie verletzlich und fast unbegrenzt ausbeutbar beide sind, wenn andere nicht für sie eintreten.

Natürlich meinen diejenigen, die »ans Fleisch glauben« und weiter Fleisch verzehren wollen – nur nicht aus Massentierhaltung –,dass die Vegetarismusprediger realitätsfremd sind. Sicher, eine kleine (vielleicht sogar eine größere) Bevölkerungsgruppe mag sich zum Vegetarismus bekehren, aber die Menschen im Allgemeinen wollen Fleisch, haben schon immer Fleisch gewollt, werden es immer wollen, und dabei bleibt es. Vegetarier sind bestenfalls freundlich, aber weltfremd. Schlimmstenfalls sind sie wahnhafte Sentimentalisten.

Zweifellos sind das recht unterschiedliche Schlussfolgerungen aus dem Zustand der Welt, in der wir leben, und hinsichtlich der Lebensmittel, die auf unserem Teller landen sollten, aber wie wichtig ist dieser Unterschied? Sowohl die Vorstellung eines gerechten landwirtschaftlichen Systems, das auf den besten Traditionen des Tierschutzes basiert, als auch die Vorstellung eines vegetarisch ausgerichteten landwirtschaftlichen Systems, das auf der Ethik des Tierrechts basiert, sind Strategien, die Gewalt zu reduzieren (niemals ganz zu eliminieren), die vom menschlichen Leben an sich ausgeht. Da stehen sich nicht einfach Wertesysteme gegenüber, wie es oft dargestellt wird. Es sind unterschiedliche Wege, eine Aufgabe anzupacken, die von beiden Seiten als notwendig erachtet wird. Sie spiegeln zwar unterschiedliche Erkenntnisse über die menschliche Natur wider, doch beide sprechen menschliches Mitgefühl und Verständigkeit an.

Beide Vorgehensweisen erfordern einen beträchtlichen Sinneswandel, und beide erwarten einiges von uns –als Individuen wie als Gesellschaft. Beide brauchen Verfechter, man kann nicht bloß seine Entscheidung treffen und sie für sich behalten. Beide Strategien verlangen von uns, wenn sie ihr Ziel erreichen sollen, mehr als nur eine Änderung der Essgewohnheiten: Wir sollen auch andere auffordern, es uns gleichzutun. Auch wenn sich die Unterschiede zwischen den beiden Positionen nicht leugnen lassen, so sind sie doch viel kleiner als die Gemeinsamkeiten, und angesichts des gemeinsamen Abstands zu allen Verteidigern der Massentierhaltung verblassen sie zur Bedeutungslosigkeit.

Noch lange nach meiner persönlichen Entscheidung, Vegetarier zu werden, war mir nicht klar, in welchem Maße ich andere Entscheidungen aufrichtig respektieren konnte. Sind die anderen Strategien einfach falsch?

4.

Ich bringe einfach das Wort

falsch

nicht heraus

BILL, NICOLETTE UND ICH schlenderten über wogendes Weideland bis zu den Meeresklippen. Unter uns brachen sich die Wellen an Felsformationen, die wie Skulpturen aussahen. Eine grasende Kuh nach der anderen kam ins Blickfeld, schwarz vor einem Meer aus Grün, die Köpfe gesenkt, mit den Kaumuskeln Grasbüschel zermalmend. Man konnte schlechterdings keinen Grund finden, wieso diese Tiere, jedenfalls solange sie grasten, es nicht gut hatten.

»Und wie ist es damit, ein Tier zu essen, das ihr persönlich kennt?«, fragte ich.

BILL: Das ist ja nicht so, als würde man ein Haustier essen. Ich jedenfalls kann da unterscheiden. Vielleicht liegt es zum Teil auch daran, dass unsere Herde groß genug ist, es gibt so einen Punkt, ab dem man seine Tiere nicht mehr als eine Art Haustiere wahrnimmt … Aber ich würde sie weder besser noch schlechter behandeln, wenn ich sie nicht essen würde.

Wirklich nicht? Würde er seinen Hund brandmarken? »Und was ist mit Verstümmelungen wie Brandzeichen?«

BILL: Das hat zum Teil damit zu tun, dass es eben große und teure Tiere sind; und da gibt es dieses Kennzeichnungssystem, das man heutzutage natürlich für archaisch halten kann. Um die Tiere verkaufen zu können, müssen sie tierärztlich untersucht und gebrandmarkt sein. Und es schützt tatsächlich vor Viehdiebstahl. Schützt sozusagen die Investition. Es werden gerade bessere Methoden geprüft – Netzhautscanner, eingepflanzte Mikrochips. Wir markieren sie mit dem heißen Brandeisen; wir haben es auch mal mit Kältebrandzeichen versucht, aber für die Tiere ist beides schmerzhaft. Bis wir ein besseres System haben, sind Brandzeichen notwendig.

NICOLETTE: Die Brandzeichen sind das Einzige hier auf der Ranch, bei dem ich mich unwohl fühle. Wir reden schon seit Jahren darüber … Aber Viehdiebstahl ist ein echtes Problem.

Ich fragte Bernie Rollin, einen international anerkannten Tierschutzexperten von der Colorado State University, was er von Bills Argument hielt, dass Brandzeichen auch heute noch zum Schutz vor Diebstahl nötig seien.

Ich will Ihnen erzählen, wie heute Rinder gestohlen werden: Die kapern einen Laster und schlachten die Tiere auf der Stelle – meinen Sie, da hilft ein Brandzeichen? Das ist eine kulturelle Frage. Ein Ritual. Jede Rancherfamilie hat so ein Brandzeichen, sie wollen die Tradition nicht aufgeben. Sie wissen, wie schmerzhaft es ist, aber sie haben es schon genauso mit ihren Vätern und Großvätern gemacht. Ich kenne einen Viehzüchter, eigentlich ein anständiger Rancher, der hat mir erzählt, dass seine Kinder zwar weder zu Thanksgiving noch an Weihnachten nach Hause kommen, aber zum Brandzeichensetzen.

Niman Ranch arbeitet auf mehreren Ebenen gegen die herrschenden Verhältnisse in der Tierhaltung, und mehr kann man wahrscheinlich nicht verlangen, wenn jemand ein Modell schaffen will, das sofort von vielen nachgeahmt werden kann. Dieses sofort verlangt eben auch Kompromisse. Brandzeichen sind ein solcher Kompromiss – ein Zugeständnis, nicht etwa an Sachzwänge oder praktische Notwendigkeiten oder Geschmacksvorlieben, sondern an eine irrationale, gewalttätige Gewohnheit, einen Brauch.

Die Rindfleischindustrie hebt sich in ethischer Hinsicht immer noch sehr vom Rest der Fleischproduktion ab, darum hätte ich mir gewünscht, die Wahrheit wäre nicht ganz so hässlich. Die vom Animal Welfare Institute abgesegneten Tierschutzrichtlinien, nach denen Niman Ranch arbeitet – noch einmal: das sind so ziemlich die besten überhaupt –, erlauben außerdem Enthornung (Entfernen beziehungsweise Kürzen der Hörner mit Brennstab oder Ätzstift) und Kastration. Auf den ersten Blick weniger problematisch, aber aus Tierschutzsicht schlimmer ist, dass die Rinder von Niman Ranch ihre letzten Monate auf einer Mastparzelle, einem sogenannten Feedlot, verbringen. Diese Feedlots sind zwar nicht so schlimm wie die der Agrarindustrie (weniger Tiere, keine Medikamente, besseres Futter, bessere Pflege, größeres Augenmerk auf das Wohl des einzelnen Tieres), dennoch geben Bill und Nicolette ihren Rindern dort eine Nahrung, die sehr schlecht zu ihrem Verdauungssystem passt, und das über Monate. Sicher, bei Niman Ranch bekommen die Tiere eine verträglichere Getreidemischung als auf industriellen Feedlots. Trotzdem wird das grundlegende »arttypische« Verhalten der Tiere, das Grasfressen, einer Geschmacksvorliebe geopfert.

BILL: Für mich ist heute das Entscheidende, dass ich tatsächlich das Gefühl habe, wir können das Essverhalten der Menschen ändern, und auch die Fütterung dieser Tiere. Das wird eine gemeinsame Anstrengung Gleichgesinnter erfordern. Wenn ich am Ende meines Lebens Bilanz ziehe, dann möchte ich im Rückblick sagen können: »Wir haben ein Vorbild geschaffen, das jedermann nachahmen kann«, auch wenn die Konzerne uns vom Markt drängen, immerhin haben wir diesen Wandel herbeigeführt.

Das war Bills Wahl, und darauf hatte er sein ganzes Leben gesetzt. Galt das auch für Nicolette?

»Wieso isst du kein Fleisch?«, fragte ich sie. »Das frage ich mich schon den ganzen Nachmittag. Du sagst immer, dass grundsätzlich nichts Falsches daran ist, aber für dich ist es offensichtlich falsch. Ich frage jetzt nicht, wie es bei anderen Leuten ist, sondern bei dir.«

NICOLETTE: Ich habe das Gefühl, ich kann mich entscheiden, und ich möchte mir keine Schuld aufladen. Aber das liegt an meiner persönlichen Beziehung zu Tieren. Es würde mir zu schaffen machen. Ich glaube, ich fühle mich einfach unwohl dabei.

»Kannst du erklären, woher dieses Unwohlsein kommt?«

NICOLETTE: Ich glaube, weil ich weiß, dass es nicht nötig ist. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass es wirklich falsch ist. Weißt du, ich bringe einfach das Wort falsch nicht heraus.

BILL: Im Moment des Schlachtens – das ist meine Erfahrung, und ich vermute, auch die der meisten Viehzüchter mit Herz –, da begreift man, was Schicksal und Herrschaft bedeuten. Weil man dieses Tier ums Leben gebracht hat. Eben ist es noch lebendig, und du weißt genau, wenn die Klappe aufgeht und das Tier reingeht, ist es vorbei. Das ist für mich der schwierigste Moment, wenn sie aufgereiht vorm Schlachthof warten. Ich weiß nicht genau, wie ich es erklären soll. Es ist die Verbindung von Leben und Tod. Und da fragt man sich: »Mein Gott, will ich meine Herrschaft tatsächlich ausüben und dieses wundervolle Lebewesen in eine Ware verwandeln, in Nahrung?«

»Und wie gehst du damit um?«

BILL: Tja, man holt einfach tief Luft. Es wird nicht einfacher, je mehr es werden. Das denken die Leute bloß.

Man holt tief Luft? Einen Augenblick klingt das nach einer vernünftigen, nachvollziehbaren Reaktion. Klingt sogar romantisch. Einen Augenblick lang scheint Rancher die ehrlichere Alternative zu sein, um sich den harten Fakten von Leben und Tod, von Herrschaft und Schicksal zu stellen.

Oder ist der tiefe Atemzug in Wirklichkeit bloß ein resignierter Seufzer, ein halbherziges Versprechen, später darüber nachzudenken? Steht er für den unerschrockenen Blick oder für oberflächliches Ausweichen? Und was ist mit dem Ausatmen? Es reicht nicht, das Schlechte der Welt einzuatmen. Nicht darauf zu reagieren ist auch eine Reaktion – wir sind genauso verantwortlich für das, was wir nicht tun. Im Fall des Tiere tötens heißt das: Wer ratlos die Hände in den Schoß legt, schließt die Finger eigentlich ums Schlachtermesser.

5.

Tief Luft holen

SO GUT WIE ALLEN RINDERN steht das gleiche Schicksal bevor: die letzte Fahrt zum Schlachthof. Für Mastrinder kommt das Ende schon, während sie noch heranwachsen. Die frühen Rancher Amerikas hielten ihre Rinder auf der Weide, bis sie vier oder fünf Jahre alt waren, doch heute werden sie mit zwölf bis vierzehn Monaten geschlachtet. Auch wenn wir mit dem Endprodukt dieser letzten Reise bestens vertraut sind (wir haben es bei uns zu Hause, wir haben es im Mund, unsere Kinder haben es im Mund …), bleibt die Reise selbst für die meisten von uns ungefühlt und ungesehen.

Für die Rinder ist sie offenbar eine Abfolge unterschiedlicher Stresserlebnisse: Wissenschaftler haben unterscheidbare hormonelle Stressreaktionen auf das Zusammentreiben, den Transport und das Schlachten selbst festgestellt. Wenn der Schlachthof optimal betrieben wird und funktioniert, kann der anfängliche »Stress« beim Zusammentreiben – jedenfalls lassen die Hormonmengen darauf schließen – größer sein als beim Transport oder bei der Schlachtung.

Starker, akuter Schmerz ist zwar ziemlich einfach zu erkennen, doch was für das jeweilige Tier ein gutes Leben ist, lässt sich erst sagen, wenn man die betreffende Art – oder sogar die betreffende Herde, das individuelle Tier – kennt. Für den heutigen Städter ist vielleicht das Schlachten das Schlimmste, doch wenn man die Dinge aus der Rindperspektive betrachtet, kann man sich leicht vorstellen, dass nach einem Leben in Gesellschaft anderer Rinder die unmittelbare Begegnung mit seltsamen, lauten, aufrecht gehenden Wesen, die Schmerz zufügen, erschreckender sein kann als der kontrollierte Augenblick des Todes selbst.

Als ich durch Bills Herde streifte, wurde mir allmählich klar, warum das so ist. Wenn ich mich in sicherer Entfernung von den grasenden Rindern hielt, schienen sie meine Anwesenheit gar nicht zu bemerken. Von wegen: Rinder verfügen über ein weites Blickfeld, beinahe 360 Grad, und sie beobachten ihre Umgebung aufmerksam. Sie kennen die anderen Tiere um sich herum, sie wählen Anführer, und sie verteidigen ihre Herde. Immer wenn ich einem Rind näher als auf Armeslänge kam, hatte ich offenbar eine unsichtbare Grenze überschritten, und das Tier zuckte rasch zurück. In der Regel haben Rinder als Beutetiere einen ausgeprägten Fluchtinstinkt, und viele der üblichen Treibmethoden – mit dem Lasso einfangen, Geschrei, Schwanz verdrehen, Elektroschocks, Schläge – versetzen sie in Angst und Schrecken.

Irgendwie werden sie schließlich auf Lastwagen oder in Güterwaggons getrieben. Dann liegt eine bis zu 48-stündige Reise vor ihnen, während der sie weder Futter noch Wasser erhalten. Daher verlieren eigentlich alle beim Transport Gewicht, viele zeigen Symptome von Austrocknung. Oft werden sie auch extremer Kälte oder Hitze ausgesetzt. Einige Tiere sterben unter diesen Bedingungen, oder sie treffen so krank beim Schlachthof ein, dass sie nicht mehr zum menschlichen Verzehr geeignet sind.

Ich kam nicht einmal in die Nähe eines industriell betriebenen Großschlachthofs. Es gibt im Grunde nur einen Weg für jemanden von außerhalb der Fleischindustrie, solche Rinderschlachthöfe von innen zu sehen: sich als verdeckter Ermittler hineinzuschmuggeln, und das braucht nicht nur mindestens ein halbes Jahr Vorbereitung, sondern kann auch lebensgefährlich werden. Die Beschreibung des Schlachtens, die ich hier liefere, stammt deshalb aus Augenzeugenberichten oder aus industrieeigenen Berichten. Ich werde versuchen, Schlachthofarbeiter so weit wie möglich mit ihren eigenen Worten von ihrem Arbeitsalltag berichten zu lassen.

In seinem Bestseller The Omnivore’s Dilemma verfolgt Autor Michael Pollan das Leben eines in Massentierhaltung aufwachsenden Rindes, Nr. 534, das er persönlich erworben hatte. Pollan gelingt eine umfassende und genaue Schilderung industrieller Rinderaufzucht, doch er geht nicht so weit, sich ernsthaft mit der Schlachtung zu beschäftigen. Lieber wägt er die ethischen Probleme aus sicherer, abstrakter Entfernung. An diesem Punkt versagt seine oft hellsichtige und aufschlussreiche Unternehmung ganz grundlegend.

»Die Schlachtung«, berichtet Pollan, war »das einzige Ereignis in seinem [Nr. 534] Leben, das ich nicht mit ansehen, über das ich nichts erfahren durfte außer dem voraussichtlichen Termin. Das überraschte mich nicht besonders. Die Fleischindustrie weiß, je mehr die Leute darüber wissen, was im Schlachthof geschieht, desto weniger Fleisch werden sie essen wollen.« Gut gesagt.

Aber, fährt Pollan fort, »das liegt weniger daran, dass das Schlachten notwendigerweise unmenschlich geschieht, sondern dass die meisten von uns lieber nicht daran erinnert werden wollen, was Fleisch eigentlich genau ist und was alles geschehen muss, um es auf unseren Teller zu bringen«. Das kommt mir wie eine Mischung aus Halbwahrheit und Ausflucht vor. Pollan erklärt: »Konventionell produziertes Fleisch zu essen erfordert eine beinahe heldenhafte Anstrengung, nicht wissen oder, in meinem Fall jetzt, vergessen zu wollen.« Diese Heldentat ist aber genau deshalb nötig, weil man eben viel mehr als nur das Sterben der Tiere vergessen muss: nicht nur, dass Tiere getötet werden, sondern wie.

Selbst bei den Autoren, die eigentlich großes Lob verdienen, weil sie die Massentierhaltung in den Fokus öffentlicher Wahrnehmung gerückt haben, findet sich oft eine schale Verleugnung der wahren Schrecken, die wir anrichten. In seiner provokanten und oft brillanten Rezension von Pollans The Omnivore’s Dilemma erklärt B.R. Myers diesen weithin akzeptierten intellektuellen Trend:

Die Technik funktioniert wie folgt: Man vertritt die gegensätzliche Ansicht, bis man sich in eine Ecke manövriert hat. Dann lässt man das Thema einfach fallen und verdrückt sich, wobei man vorgibt, nicht etwa mit der eigenen Vernunft am Ende zu sein, sondern sie überwunden zu haben. Dass man die eigene Überzeugung nicht mit Vernunftgründen in Einklang bringen kann, wird daraufhin als großes Geheimnis verklärt, und die demütige Bereitschaft, mit dem Unbegreifbaren zu leben, erhebt einen über niedere Geister und ihre billigen Gewissheiten.

Das Spiel hat noch eine weitere Regel: Man darf nie, wirklich niemals zugeben, dass man praktisch die ganze Zeit die Wahl hat zwischen Grausamkeit und ökologischer Zerstörung auf der einen Seite und der Entscheidung, keine Tiere mehr zu essen, auf der anderen.

Es ist tatsächlich nicht schwer zu verstehen, wieso die Fleischindustrie nicht einmal enthusiastische Fleischesser in die Nähe ihrer Schlachtanlagen kommen lässt. Selbst in den Schlachthöfen, wo die meisten Rinder einen schnellen Tod sterben, ist kaum ein Tag vorstellbar, an dem nicht zahlreiche Tiere (Dutzende? Hunderte?) ein unfassbar grauenhaftes Ende finden. Dass die Fleischindustrie sich an moralische Standards halten könnte, die den meisten von uns selbstverständlich scheinen (den Tieren ein gutes Leben und einen leichten Tod bieten, möglichst viel verwerten), ist nicht bloß ein schöner Traum, sie wäre dann allerdings nicht in der Lage, die ungeheuren Mengen billigen Fleisches pro Kopf zu liefern, die wir derzeit konsumieren.

In einem typischen Rinderschlachthof werden die Tiere durch einen schmalen Gang in die Schussbox geführt – meist eine große, zylinderförmige Haltevorrichtung, woraus der Kopf hervorschaut. Der »Knocker« hält dem Rind ein großes pneumatisches Bolzenschussgerät zwischen die Augen. Der Stahlbolzen schießt in den Schädel und zieht sich dann ins Schussgerät zurück, das Tier wird normalerweise bewusstlos oder ist tot. Manchmal jedoch ist das Rind nur benommen, es bleibt entweder gleich bei Bewusstsein oder wacht später beim Zerlegen wieder auf.

Wie wirksam das Betäuben ist, hängt vom Modell und der Wartung sowie vom Können des Knockers ab – ein kleines Loch im Luftschlauch oder ein Schuss, bevor sich genügend Druck aufgebaut hat, und der Bolzen wird mit weniger Kraft herausgeschossen, wodurch dem Rind zwar auf groteske Weise der Schädel eingedrückt wird, es jedoch unter Schmerzen bei Bewusstsein bleibt.

Die Wirkung der Betäubung wird oft reduziert, weil manche Schlachthofleiter meinen, ein Tier könne nach dem Bolzenschuss schon »zu tot« sein, das Herz also nicht mehr pumpen, weshalb es dann zu langsam oder nicht ausreichend ausblutet. (Für den Betrieb ist es »wichtig«, dass jedes Tier schnell ausblutet, damit effizient weitergearbeitet werden kann und weil im Fleisch verbliebenes Blut bakterielles Wachstum fördert und die Haltbarkeit verringert.) Daher wählen manche Schlachthöfe absichtlich eine weniger wirksame Betäubungseinstellung. Das hat den Nebeneffekt, dass ein höherer Prozentsatz von Tieren mehrfach geschossen werden muss, bei Bewusstsein bleibt oder beim Verarbeiten wieder aufwacht.

Zähne zusammenbeißen, nicht wegschauen jetzt: Sagen wir, was wir meinen: Tiere bluten aus, werden enthäutet und zerteilt – bei vollem Bewusstsein. Das kommt ständig vor, die Industrie und die Behörden wissen es. Mehrere Schlachthöfe, die wegen Ausbluten oder Enthäuten oder Zerlegen lebender Tiere mit Bußgeldern belegt worden waren, verteidigten ihr Handeln als in der Schlachtindustrie völlig üblich und wollten – im Grunde zu Recht – wissen, wieso man ausgerechnet sie herausgegriffen habe.

Als Temple Grandin im Jahr 1996 eine Überprüfung der gesamten Branche durchführte, ergaben ihre Recherchen, dass es der überwältigenden Mehrheit der Schlachthöfe nicht gelang, Rinder mit einem einzigen Bolzenschuss zu betäuben. Das Agrarministerium, zuständig für die Durchsetzung des Gesetzes über humane Schlachtmethoden, reagierte darauf nicht etwa mit einer Verschärfung der Überwachung, sondern indem es die Übertretungen einfach nicht mehr registrierte und die Einhaltung der humanen Schlachtmethoden von der Liste der Kontrollaufgaben seiner Inspektoren strich. Seit damals hat sich die Situation etwas verbessert, was Grandin vor allem auf Überprüfungen zurückführt, welche die Fast-Food-Branche verlangte (nachdem diese von Tierrechtsgruppen angegriffen worden war), doch sie bleibt weiterhin höchst unerfreulich. Nach Grandins jüngsten Schätzungen – eher optimistisch, weil sie sich auf Ergebnisse angekündigter Überprüfungsbesuche stützen – gelingt es weiterhin in jedem vierten großen Rinderschlachthof nicht, die Tiere mit dem ersten Schuss bewusstlos zu machen. Für kleinere Anlagen gibt es praktisch keine Statistiken, doch die Experten sind sich einig, dass die Tiere dort oft noch deutlich schlechter behandelt werden. Nicht eine ist ohne Makel.

Die Rinder am hinteren Ende des Ganges, der in den Tötungsraum führt, scheinen nicht zu begreifen, was sie erwartet, doch wenn sie den ersten Bolzenschuss überleben, dann wissen sie offenbar sehr genau, dass sie um ihr Leben kämpfen. Ein Arbeiter dazu: »Die Köpfe recken sich hoch, sie schauen sich um, versuchen, sich zu verstecken. Das Ding hat sie schon einmal getroffen, und sie wollen es nicht wieder an sich rankommen lassen.«

Die Kombination aus erhöhtem Schlachttempo – es hat sich in den letzten 100 Jahren um 800 Prozent erhöht – und schlecht ausgebildeten Hilfsarbeitern, die unter grauenhaften Umständen schuften, hat eine hohe Fehlerquote zur Folge. (Schlachthofarbeiter haben die höchste Verletzungsrate aller Berufe – 27 Prozent pro Jahr – und werden miserabel dafür bezahlt, in einer Schicht bis zu 2050 Rinder zu töten.)

Temple Grandin vertritt die Ansicht, dass auch ganz normale Menschen, wenn sie ständig unter menschenunwürdigen Umständen in einem Schlachthof arbeiten müssten, zu Sadisten werden können. Das sei ein ständiges Problem, schreibt sie in ihrem Bericht, auf das sich die Betriebsleitungen einstellen müssten. Manchmal werden Tiere überhaupt nicht betäubt. In einem Betrieb drehten Schlachthofarbeiter (nicht etwa Tierrechtsaktivisten) heimlich ein Video und ließen es der Washington Post zukommen. Darauf sah man Rinder, bei vollem Bewusstsein an der Schlachtbahn aufgehängt, zum Zerlegen fahren, einem Jungochsen wurde ein Elektroschocktreiber ins Maul gerammt. Nach Angaben der Post »unterzeichneten über 20 Mitarbeiter eine eidesstattliche Erklärung des Inhalts, dass die auf dem Videoband gezeigten Verstöße gang und gäbe seien und dass ihre Vorgesetzten davon wüssten«. In einer dieser Erklärungen heißt es: »Ich habe Tausende und Abertausende Rinder lebendig in die Zerlegung gehen sehen … Manchmal hängen sie schon sieben Minuten am Förderband und leben immer noch. Ich habe mal am Enthäuter gestanden, und selbst da waren sie noch am Leben. Da wird die ganze Haut vom Hals abwärts abgezogen.« Wenn den Beschwerden von einfachen Arbeitern überhaupt jemand zuhört, werden sie daraufhin oft gefeuert.

Wenn ich nach Hause kam, hatte ich schlechte Laune … bin direkt nach unten gegangen und habe mich schlafen gelegt. Die Kinder angeschrien und so. Einmal bin ich richtig ausgerastet – [meine Frau] weiß das auch. Da kam eine dreijährige Färse den Schlachtgang entlang, die bekam gerade ein Kalb, direkt dort, es hing halb heraus. Ich wusste, sie würde sterben, also zog ich das Kalb heraus. O Mann, ist mein Chef an die Decke gegangen … Diese Kälber werden »slunks« (»Glitscher«) genannt; ihr Blut wird in der Krebsforschung verwendet. Er wollte das Kalb haben. Normalerweise läuft es so: Wenn die Innereien der Kuh auf den Untersuchungstisch fallen, gehen Arbeiter hin, reißen die Gebärmutter auf und holen das Kalb raus. Ist ganz normal, so eine Kuh vor sich hängen zu haben und das Kalb drinnen treten zu sehen, weil es rauswill … Mein Chef wollte dieses Kalb haben, aber ich habe es zurück ins Gatter geschickt … [ich beschwerte mich] bei den Vorarbeitern, den Inspektoren, dem Leiter der Schlachtabteilung. Sogar dem Leiter der ganzen Rindfleischverarbeitung. Eines Tages haben wir uns in der Kantine lange über den ganzen Mist unterhalten, der so läuft. Manchmal hämmere ich vor Wut gegen die Wand, weil einfach niemand was dagegen unternimmt … Ich habe noch nie einen Tierarzt vom USDA in der Nähe der Schussbox gesehen. Da will niemand hin. Wissen Sie, ich war bei den Marines. Das ganze Blut und so macht mir nichts aus. Aber die unmenschliche Behandlung. Es passiert einfach zu viel.

Innerhalb von höchstens zwölf Sekunden ist das geschossene Rind – bewusstlos, halb betäubt, gar nicht betäubt oder tot – beim »Anhänger«, der ihm eine Kette um einen Hinterlauf schlingt und das Tier an der Schlachtbahn aufhängt. Vom Anhänger wird das Rind, nun an einem Bein baumelnd, automatisch zum »Stecher« weiterbewegt, der die Karotisarterien und die Jugularvene am Hals durchtrennt. Wieder wird das Tier automatisch weitergefahren, wobei es entblutet, das heißt, dass Blut mehrere Minuten lang aus dem Körper rinnt.

Ein Rind hat ungefähr 20 Liter Blut im Körper, das dauert also seine Zeit. Das Unterbrechen der Blutzufuhr zum Kopf führt natürlich zum Tod, jedoch nicht sofort (weshalb die Tiere auch bewusstlos sein sollten). Ist das Rind noch halb bei Bewusstsein oder der Schnitt nicht korrekt ausgeführt, kann das das Entbluten behindern und das bewusste Leiden in die Länge ziehen. »Sie machen die Augen auf und zu, recken den Hals von links nach rechts, blicken total panisch um sich«, erklärte ein Schlachtbahnarbeiter.

Jetzt sollte das Rind nur noch ein »Schlachtkörper« sein, der zum »Kopfschlachter« weitertransportiert wird, der die Haut vom Kopf des Tieres abzieht. Nur ein geringer Prozentsatz der Tiere ist hier noch am Leben, aber es kommt vor. In manchen Betrieben ist das sogar ein regelmäßig auftretendes Problem, sodass es inoffizielle Vorschriften gibt, wie mit diesen Tieren umzugehen ist. Ein anderer Arbeiter, der solche Praktiken kennt, dazu: »Oft merkt der Kopfschlachter, wenn er die Kopfseite aufschneidet, dass das Tier noch am Leben und bei Bewusstsein ist, es tritt dann wie wild aus. Wenn das passiert oder wenn das Rind schon austritt, während es zu ihrem Arbeitsplatz transportiert wird, dann rammen die Arbeiter ihm ein Messer in den Hinterkopf, um das Rückenmark zu durchtrennen.«

Diese Maßnahme macht das Tier zwar unbeweglich, aber nicht gefühllos. Ich kann nicht sagen, bei wie vielen Rindern das so ist, Untersuchungen dazu sind nicht gestattet. Wir wissen nur, dass es eine unvermeidliche Nebenwirkung unseres derzeitigen Schlachtsystems ist, die weiterhin eintreten wird.

Nach dem Enthäuten kommt der Schlachtkörper (oder die Kuh) zu den »Fußschneidern«, die – genau – die Füße abschneiden. »Wenn da noch welche zum Leben erwachen«, sagt ein Schlachtbahnarbeiter, »dann sieht das aus, als ob sie die Wände hochlaufen wollten … wenn sie zu den Fußschneidern kommen, na ja, die wollen natürlich nicht warten, bis irgendwer herkommt und das Rind noch mal schießt. Also schneiden sie mit ihren Zangen einfach die Unterbeine ab. Und wenn sie das tun, dann werden die Rinder richtig wild und treten in alle Richtungen.«

Danach wird das Tier komplett enthäutet, ausgenommen und »gespalten«, also in zwei Hälften zerteilt. Jetzt endlich sieht es aus, wie man sich ein geschlachtetes Rind vorstellt – Rinder-hälften, die gespenstisch reglos in Kühlräumen hängen.

6.

Vorschläge

IN DER GAR NICHT SO FERNEN VERGANGENHEIT der amerikanischen Tierschutzorganisationen standen sich die wenigen, aber gut organisierten, die für Vegetarismus eintraten, und jene Mehrheit, die eine sorgfältige Lebensmittelwahl propagierte, eher unversöhnlich gegenüber. Die Allgegenwart von Massentierhaltung und Industrieschlachtung hat die einstmals breite Kluft zwischen Gruppen wie PETA, die für eine vegane Lebensweise eintritt, und der HSUS, die zwar nett von Veganern redet, aber vor allem an der Verbesserung des Tierschutzes arbeitet, deutlich schmaler werden lassen.

Unter all den Viehzüchtern, die ich im Lauf meiner Recherchen kennengelernt habe, hat Frank Reese eine ganz besondere Stellung. Und das aus zwei Gründen: Zunächst mal ist er der einzige von ihnen, der auf seinem Hof tatsächlich nichts offensichtlich Grausames tut. Er kastriert keine Tiere wie Paul, brandmarkt nicht wie Bill. Wo andere Landwirte sagen: »Das müssen wir tun, um überleben zu können«, oder: »Die Verbraucher verlangen das von uns«, ist Frank große Risiken eingegangen (würde sein Betrieb Bankrott machen, hätte er kein Zuhause mehr). Seine Kunden hat er dazu erzogen, Essgewohnheiten zu ändern (seine Vögel müssen länger gebraten werden, sonst schmecken sie nicht richtig, sie haben auch mehr Aroma, weshalb man sie in Suppen und zahlreichen anderen Gerichten sparsamer einsetzen kann. Er hält auch Rezepte bereit und gelegentlich kocht er sogar für seine Kunden, um sie wieder mit alten Zubereitungsmethoden vertraut zu machen). Seine Arbeit erfordert enorme Empathie und enorme Geduld. Und sie ist nicht nur von moralischem Wert, sondern auch von ökonomischem: Die neue Generation von Allesessern verlangt von ihren Produzenten echten Tierschutz.

Frank ist außerdem einer der ganz wenigen Farmer, die ich kenne, dem es gelungen ist, das Erbgut gefährdeter Geflügelrassen zu bewahren (er ist der erste und einzige Geflügelzüchter in den USA, dem das USDA erlaubt hat, seine Vögel als »alte Nutztierrasse« zu bezeichnen). Diese Arbeit ist unglaublich wichtig, denn das mit Abstand größte Hindernis auf dem Weg zu tolerierbaren Hühner- und Putenmastbetrieben ist die Tatsache, dass alle Geflügelfarmen ihren Nachwuchs von industriellen Brütereien beziehen müssen – andere gibt es im Grunde nicht. Fast alle im Handel erhältlichen Vögel sind unfähig zur Fortpflanzung, und man hat ihnen ernstliche Gesundheitsprobleme ins Erbgut manipuliert (die Hühner, die wir essen, sind genau wie die Puten »Sackgassentiere« – sie sind so konstruiert, dass sie nicht lange genug leben, um sich fortzupflanzen). Weil ein Durchschnittshof keine eigene Kükenzucht betreiben kann, sorgt die konzentrierte Industriekontrolle über das genetische Material dafür, dass kein Farmer, kein Tier aus dem industriellen Agrarsystem ausbrechen kann. Abgesehen von Frank müssen sich eigentlich alle kleineren Geflügelzüchter – sogar die wenigen guten, die sich das Erbgut alter Rassen etwas kosten lassen – die Vögel, die sie jedes Jahr großziehen, mit der Post von Brutfabriken schicken lassen. Man kann sich leicht vorstellen, dass der Kükenversand per Post aus Tierschutzsicht höchst problematisch ist, doch das ist bei den Haltungsbedingungen der Eltern und Großeltern dieser Küken noch viel mehr der Fall. Auf solche Brütereien zurückgreifen zu müssen, wo das Tier-wohl ebenso mit Füßen getreten wird wie in den schlimmsten Mastfabriken, das ist die Achillesferse vieler ansonsten hervorragender Geflügelproduzenten. Darum sind Franks alte Rassen und sein Können als Züchter so wichtig, denn kaum ein anderer ist in der Lage, eine Alternative zur industriellen Geflügelhaltung zu schaffen.

Doch wie so viele Farmer, die lebende Kompendien althergebrachten landwirtschaftlichen Wissens sind, wird auch Frank sein Potenzial sicherlich nicht ohne Hilfe umsetzen können. Rechtschaffenheit, Können und Erbgut allein machen noch keinen erfolgreichen landwirtschaftlichen Betrieb. Als ich ihn kennenlernte, hätte die Nachfrage nach seinen Truthähnen (inzwischen züchtet er auch Hühner) kaum höher sein können – sein Bestand war meist schon sechs Monate vorm Schlachttermin komplett verkauft. Auch wenn seine treusten Kunden eher einfache Leute waren, wurden seine Vögel auch von Spitzenköchen und Feinschmeckern geschätzt, von Dan Barber über Mario Batali bis hin zu Martha Stewart. Dennoch machte Frank Verluste und finanzierte seinen Betrieb mit anderen Jobs.

Frank hat also eine eigene Kükenzucht, braucht aber Zugang zu anderen Dienstleistungen, vor allem zu einem gut geführten Schlachthaus. Dass nicht nur regionale Brütereien, sondern auch Schlachthöfe, Wiegestationen, Kornlager und andere landwirtschaftliche Dienstleistungen verschwinden, ist ein enormer Hemmschuh für eine auf traditionellen Methoden fußende Viehzucht. Es ist nämlich nicht so, dass die Verbraucher die Tiere solcher Landwirte nicht kaufen würden, nur müssen die Landwirte, um produzieren zu können, erst eine zerstörte ländliche Infrastruktur ganz neu aufbauen.

Als ich dieses Buch etwa zur Hälfte geschrieben hatte, rief ich Frank wieder einmal an, um ihm verschiedene Fragen zu Geflügel zu stellen (wie so viele Menschen, die mit Geflügel zu tun haben). Doch seine sanft beruhigende, stets geduldige Alles-wird-gut-Stimme hatte einen panischen Tonfall bekommen. Der einzige Schlachthof, den er gefunden hatte, wo seine Vögel nach für ihn erträglichen (wenn auch längst nicht idealen) Standards geschlachtet wurden, war nach über 100 Jahren Betrieb von einem Konzern der Agrarindustrie aufgekauft und geschlossen worden. Das war nicht einfach eine Frage der Bequemlichkeit, es gab tatsächlich keinen einzigen Schlacht-betrieb mehr in der Region, der seine Vögel vor Thanksgiving verarbeiten konnte. Frank stand vor einem ungeheuren wirtschaftlichen Verlust und der Aussicht, die ihn noch viel mehr ängstigte – nämlich alle seine Vögel in einer nicht vom USDA genehmigten Schlachtanlage zu töten, woraufhin er sie nicht verkaufen könnte und stattdessen buchstäblich vergammeln lassen müsste.

Die Schließung des Schlachthofs war kein ungewöhnlicher Vorfall. Die elementare Infrastruktur, die kleinere Geflügelfarmer unterstützt hat, ist in den USA inzwischen fast vollständig zerstört. In mancher Hinsicht ist das ein normaler Prozess, Konzerne versuchen, Profit zu machen, indem sie sich Zugang zu Ressourcen sichern, der ihren Konkurrenten verwehrt bleibt. Schließlich geht es hier um eine Menge Geld: viele Milliarden Dollar, die entweder unter einer Handvoll Agrarmultis oder unter Hunderttausenden kleinerer Farmer aufgeteilt werden könnten. Doch die Frage, ob Leute wie Frank ökonomisch zermalmt werden oder anfangen, an den 99 Prozent Marktanteil zu knabbern, die momentan der Agrarindustrie gehören, ist keine rein finanzielle. Hier steht die Zukunft eines moralischen Erbes auf dem Spiel, das viele Generationen vor uns mühevoll gestaltet haben. Auf dem Spiel steht alles, was im Namen »des amerikanischen Farmers« und der »Werte des ländlichen Amerika« getan wird – und die Anrufung dieser Ideale ist ungeheuer wirkungsvoll. Milliarden von Dollars an öffentlichen Geldern, mit denen die Landwirtschaft subventioniert wird; eine staatliche Agrarpolitik, die den Zustand unserer Landschaft, unserer Luft, unseres Wassers bestimmt; eine Außenpolitik, die Auswirkungen auf viele globale Problemfelder wie den weltweiten Hunger oder den Klimawandel hat: All das findet in unserer Demokratie im Namen unserer Farmer und der Werte, von denen sie sich leiten lassen, statt. Nur dass sie gar keine Farmer mehr sind, sondern Unternehmen. Und zwar keine traditionellen Unternehmen mit einem Unternehmer an der Spitze (denn auch Unternehmer können ein Gewissen haben), sondern Megakonzerne, die einzig der Profitmaximierung verpflichtet sind. Um den Verkauf zu fördern und ihr Image zu verbessern, fördern sie den Mythos, sie seien Frank Reese, wo sie doch in Wahrheit mit aller Kraft daran arbeiten, den wirklichen Frank Reese und seinesgleichen auszurotten.

Die Alternative ist, dass die kleineren Farmen und ihre Verbündeten – Fürsprecher von Nachhaltigkeit und Tierschutz – dieses Erbe für sich reklamieren. Nur wenige können wirklich Landwirtschaft betreiben, doch wir alle, um Wendell Berrys Formulierung zu verwenden, werden Vertreter-Landwirtschaft betreiben. Doch wen werden wir zu unserem Vertreter ernennen? Im ersten Szenario verleihen wir einer kleinen Gruppe von Männern, die selbst nur beschränkte Kontrolle über den technokratischen Agrobusiness hat, ungeheure moralische und finanzielle Gestaltungsmacht. Im zweiten Szenario würden wir nicht nur echte Farmer zu unseren Vertretern machen, sondern auch Tausende von Experten, deren Leben sich an gesellschaftlichen, nicht an unternehmerischen Werten orientiert – Menschen wie Dr. Aaron Gross, den Gründer von Farm Forward, einer Organisation zur Förderung von nachhaltigem Ackerbau und Viehzucht, die neue Wege zu einer Lebensmittelversorgung aufzuzeigen sucht, die unsere unterschiedlichen Werte wirklich widerspiegelt.

Die Agrarindustrie hat es geschafft, die Menschen ihrer Nahrung zu entfremden, Farmer aus dem Weg zu räumen und auszuschalten und die Landwirtschaft nach unternehmerischen Geboten zu kontrollieren. Doch was, wenn Farmer wie Frank und ihre langjährigen Mitstreiter wie die American Livestock Breeds Conservancy sich mit jüngeren Gruppen wie Farm Forward zusammentäten, die Teil eines Netzwerks engagierter, wählerischer Allesesser und vegetarischer Aktivisten sind – Studenten, Wissenschaftler, Gelehrte; Eltern, Künstler und religiöse Autoritäten; Rechtsanwälte, Köche, Geschäftsleute und Landwirte? Was, wenn Frank, anstatt seine Zeit damit zu vergeuden, einen einigermaßen akzeptablen Schlachthof aufzutreiben, mithilfe solcher neuen Bündnisse immer mehr Energie darauf verwenden könnte, die besten neuen Technologien mit den besten landwirtschaftlichen Traditionen zu verknüpfen, um wieder ein menschlicheres und nachhaltigeres – und demokratischeres – Agrarsystem zu schaffen?

Ich bin Veganer und baue Schlachthöfe

Ich bin jetzt mehr als mein halbes Leben Veganer, und auch wenn zahlreiche andere Aspekte meine Entscheidung seither gestützt haben – vor allem Nachhaltigkeit und Arbeitsbedingungen, aber auch persönliche und gesellschaftliche Gesundheitsfragen –, stehen doch für mich die Tiere im Zentrum. Darum sind Menschen, die mich gut kennen, so überrascht, wenn sie erfahren, dass ich einen Schlachthof entwerfe.

Ich habe in verschiedensten Zusammenhängen für pflanzliche Ernährung gestritten und bin weiterhin der Ansicht, dass man am besten vom Teil des Problems zum Teil der Lösung wird, wenn man so wenig tierische Produkte wie möglich verbraucht – im Idealfall gar keine. Doch meine Prioritäten als Aktivist haben sich verschoben, genau wie mein Selbstverständnis. Früher fand ich, vegan zu leben sei an sich schon ein fortschrittliches, gegenkulturelles Statement. Doch inzwischen ist mir klar, dass die Werte, die mich zu dieser Entscheidung geführt haben, vor allem anderen aus meinem familiären Hintergrund auf einer kleinen Farm stammen.

Wenn man über Massentierhaltung Bescheid weiß und so etwas wie traditionelle Moralvorstellungen zur Tierhaltung geerbt hat, dann kann man kaum anders, als im tiefsten Inneren davon angewidert zu sein, was aus der Nutztierhaltung geworden ist. Und ich rede hier nicht über hochheilige ethische Grundsätze, sondern über die Wertvorstellungen eines Ranchers, der kein Problem mit Kastration oder Brandzeichen hat, der die Kümmerlinge tötet und eines schönen Tages das Tier, das ihn bisher vor allem als Futterversorger kannte, zur Schlachtbank führt und ihm die Kehle durchschneidet. Aber bei alldem war auch Raum für Mitgefühl mit dem Tier, woran man sich vielleicht aus schierer Notwendigkeit nicht so sehr erinnert. Doch die Formel für gute Tierhaltung ist auf den Kopf gestellt worden. Anstatt über die Behandlung der Tiere zu sprechen, zeigen Farmer heute oft eine unwillkürliche Abwehrreaktion, wenn das Thema Tierschutz angeschnitten wird: »Niemand arbeitet in dieser Branche, weil er Tiere hasst.« Was für eine seltsame Äußerung. Sie sagt etwas aus, indem sie es nicht sagt. Der Satz impliziert natürlich, dass viele dieser Leute Viehhalter geworden sind, weil sie Tiere mögen, sie gern versorgen und beschützen wollen. Natürlich ist das ein Widerspruch, aber ich würde gar nicht behaupten, dass nicht auch Wahrheit darin steckt. Gleichzeitig klingt es wie eine Entschuldigung, ohne eine zu sein. Wieso muss eigentlich betont werden, dass sie keine Tiere hassen?

Traurigerweise kann man heute von den in der Tierhaltung beschäftigten Menschen immer weniger erwarten, dass sie traditionelle ländliche Werte hochhalten. Viele der Menschen, die in städtischen Tierschutzorganisationen arbeiten, sind – ob sie es wissen oder nicht – viel bessere Vertreter solcher Wertvorstellungen wie nachbarschaftlicher Respekt, Geradlinigkeit, Verantwortung für das Land und natürlich Achtung vor den Lebewesen, die ihnen anvertraut sind. Da sich die Welt so gründlich verändert hat, führen diese Werte eben nicht mehr zu den gleichen Entscheidungen wie früher.

Ich habe große Erwartungen an nachhaltigere Rinderfarmen mit ausschließlicher Grasfütterung, und auch die verbliebenen Familienbetriebe in der Schweinemast scheinen auf gesunden Füßen zu stehen, doch für die Geflügelindustrie hatte ich im Grunde alle Hoffnung verloren, bis ich Frank Reese und seine unglaubliche Farm kennenlernte. Frank und die Handvoll Farmer, denen er einige seiner Vögel gegeben hat, sind als Einzige in der Lage, vom Erbgut ausgehend eine Alternative zum bestehenden System der Putenfabriken zu entwickeln – und die wird dringend gebraucht.

Als ich mit Frank über die Hindernisse sprach, die sich vor ihm auftaten, wurde seine Verzweiflung angesichts eines halben Dutzends von Problemen deutlich, das sich nicht ohne merklichen Kapitalzufluss lösen lassen würde. Ebenso deutlich war, dass die Nachfrage nach seinem Produkt nicht nur bemerkenswert, sondern geradezu ungeheuer war – der Traum eines jeden Unternehmers. Frank musste regelmäßig Bestellungen für mehr Vögel ablehnen, als er in seinem ganzen Leben aufgezogen hatte, weil ihm einfach die Kapazitäten fehlten, die Nachfrage zu befriedigen. Die von mir gegründete Organisation Farm Forward bot ihm an, einen Geschäftsplan auszuarbeiten. Ein paar Monate später saßen unser Geschäftsführer und ich mit dem ersten potenziellen Investor in Franks Wohnzimmer.

Dann machten wir uns an die diffizile Aufgabe, den beträchtlichen Einfluss der vielen Bewunderer von Franks Arbeit – Journalisten, Akademiker, Feinschmecker, Politiker – zusammenzubringen, ihre Energien zu bündeln, damit möglichst schnell Ergebnisse erzielt werden konnten. Die Expansionspläne wurden konkreter. Frank hatte seinen Truthähnen mehrere alte Hühnerrassen zugesellt. Das erste einer ganzen Reihe dringend notwendiger neuer Gebäude wurde errichtet, und er verhandelte mit einem großen Lebensmittelhändler über einen größeren Lieferkontrakt. Und dann wurde der Schlachthof, mit dem er zusammenarbeitete, aufgekauft und geschlossen.

Ehrlich gesagt hatten wir damit gerechnet. Dennoch bekamen es seine Partner – die Farmer, die viele der von ihm gezüchteten Vögel aufzogen und jetzt die Einnahmen eines ganzen Jahres zu verlieren drohten – mit der Angst. Frank kam zu dem Schluss, dass sich das Problem langfristig nur lösen ließe, wenn er eine Schlachtanlage baute, die ihm selbst gehörte; am besten einen mobilen Schlachthof, der auf jeder einzelnen Farm aufgestellt werden konnte, damit sich der Transportstress vermeiden ließe. Und natürlich hatte er recht.

Wir fingen also an, die ökonomischen und praktischen Voraussetzungen zu erarbeiten. Für mich war das Neuland – intellektuell sowieso, aber auch emotional. Ich hatte gedacht, ich würde mir bei der Arbeit ständig gut zureden müssen, um meinen Widerstand gegen das Töten von Tieren zu überwinden. Doch was mir eher Unbehagen bereitete, war mein mangelndes Unbehagen. Wieso, fragte ich mich andauernd, wird mir überhaupt nicht mulmig dabei?

Mein Großvater mütterlicherseits wollte eigentlich Farmer bleiben. Wie so viele andere wurde er aus dem Geschäft gedrängt, aber meine Mutter wuchs noch auf einem normal funktionierenden Hof auf. Der lag in einer Kleinstadt im Mittleren Westen, in ihrem Highschool-Jahrgang waren 40 Schüler. Eine Zeit lang hielt mein Großvater Schweine. Er kastrierte sie und sperrte sie sogar ein, es ging schon in die Richtung der heutigen Massenhaltung. Trotzdem waren es für ihn noch alles Tiere, und wenn eines krank wurde, kümmerte er sich besonders darum und versorgte es gut. Er zog keinen Taschenrechner aus der Schublade und rechnete aus, ob es billiger wäre, das Schwein einfach verrecken zu lassen. Schon der Gedanke wäre ihm unchristlich, feige, unanständig erschienen.

Dieser kleine Sieg der Barmherzigkeit über die Bilanzen ist als Erklärung, wieso ich heute Veganer bin, ausreichend. Und wieso ich dabei helfe, Schlachthöfe zu bauen. Das ist weder ein Paradox noch Ironie. Der gleiche Impuls, der mich persönlich auf Fleisch, Milchprodukte und Eier verzichten lässt, hat mich auch dazu gebracht, einen Schlachthof zu schaffen, der Frank gehört und der als Vorbild für andere dienen kann. Wenn man sie nicht besiegen kann, soll man sich ihnen anschließen? Nein. Es geht vor allem darum, klar zu definieren, wer sie sind.

7.

Meine Wahl

NACHDEM ICH NUN FAST drei Jahre lang viel über Viehzucht gelernt habe, ist meine Haltung in zweierlei Hinsicht entschlossener geworden. Ich bin überzeugter Vegetarier geworden, während ich vorher unentschlossen zwischen verschiedenen Ernährungsprinzipien schwankte. Inzwischen kann ich mir kaum noch vorstellen, das zu ändern. Ich möchte einfach ganz und gar nichts mit industrieller Tierhaltung zu tun haben, und das kann ich realistischerweise nur so erreichen.

Doch andererseits hat mich die Vision nachhaltiger Landwirtschaft, die Tieren ein gutes Leben (so gut wie für unsere Hunde und Katzen) und einen leichten Tod bietet (so leicht, wie wir ihn unseren leidenden, todkranken Haustieren gönnen), stark berührt. Paul, Bill, Nicolette und vor allem Frank sind nicht bloß gute Menschen, sondern außergewöhnliche Menschen. Ihren Rat sollte ein Präsident suchen, wenn er einen Landwirtschaftsminister ernennen will. Ich wünsche mir, dass unsere gewählten Vertreter Farmen wie ihre bauen, dass unser Wirtschaftssystem sie unterstützt.

Die Fleischindustrie versucht, alle Menschen, die eine solche zweigleisige Position vertreten, als vegetarische Fundamentalisten anzuschwärzen, die bloß ihre radikale Agenda tarnen wollen. Aber Rancher können Vegetarier sein, Veganer können Schlachthäuser bauen, und ich kann als Vegetarier die beste Art der Tierhaltung unterstützen.

Ich bin persönlich überzeugt, dass Franks Geflügelfarm anständig geführt wird, aber wie sicher kann ich mir über den Alltagsbetrieb anderer Höfe sein, die seinem Vorbild nacheifern? Wie sicher sollte ich sein können? Ist die Strategie des wählerischen Allesessers »naiver« als die des Vegetariers?

Wie leicht ist es, sich zu seiner Verantwortung für die Lebewesen zu bekennen, die fast gänzlich von einem abhängen, und sie gleichzeitig nur aufzuziehen, um sie zu töten? Marlene Halverston fasst die eigenartige Situation des Viehzüchters in beredte Worte:

Das ethische Verhältnis eines Farmers zu seinen Nutztieren ist einzigartig. Er muss ein Lebewesen großziehen, dessen Schicksal es dazu bestimmt, entweder zur Fleischgewinnung oder nach lebenslanger Nahrungsproduktion getötet zu werden, ohne sich einerseits emotional zu eng an sie zu binden und ohne andererseits das Bedürfnis des Lebewesens nach einem anständigen Leben auf zynische Weise zu ignorieren. Dem Farmer muss es irgendwie gelingen, ein Nutztier in kommerzieller Absicht aufzuziehen, ohne es bloß als Ware zu betrachten.

Ist es vernünftig, Derartiges von Farmern zu verlangen? Wenn man den wirtschaftlichen Druck unseres Industriezeitalters bedenkt, ist Fleisch nicht notwendigerweise eine Absage an, ein Verhindern von, wenn nicht gar ein unumwundenes Verleugnen von Mitgefühl? Die gegenwärtige Agrarindustrie bietet genug Grund zur Skepsis, doch niemand weiß, wie die Farmen von morgen aussehen werden.

Eins wissen wir aber: Wer heute Fleisch isst, hat normalerweise die Wahl zwischen Tieren, die mit mehr (Hühner, Puten, Fische, Schweine) oder weniger (Rinder) Grausamkeit gehalten werden. Warum meinen so viele von uns, sich zwischen diesen Möglichkeiten entscheiden zu müssen? Was braucht es, damit solche utilitaristischen Berechnungen des geringsten Schreckens abwegig erscheinen? In welchem Augenblick weichen die absurden Alternativen, vor denen wir heute stehen, der Einfachheit einer klar gezogenen Grenzlinie: Das ist nicht akzeptabel?

Wie zerstörerisch muss eine kulinarische Vorliebe werden, bis wir beschließen, etwas anderes zu essen? Wenn es als Entscheidungshilfe nicht ausreicht, dass man zum Leid von Milliarden Tieren beiträgt, die ein elendes Leben führen und (sehr oft) eines grauenhaften Todes sterben, was ist dann nötig? Wenn es nicht ausreicht, den größten Beitrag zur ernsthaftesten Bedrohung des Lebens auf unserem Planeten zu leisten, was dann? Und wenn man versucht ist, diese Gewissensfragen aufzuschieben, jetzt noch nicht zu sagen, wann dann?

Wir haben zugelassen, dass die Tierfabrik die Farm verdrängt, und zwar aus den selben Gründen, aus denen unsere Kulturen Minderheiten zu Bürgern zweiter Klasse erklären und Frauen den Männern unterordnen. Wir behandeln Tiere so, wie wir es tun, weil wir wollen und weil wir können. (Möchte das wirklich noch irgendjemand leugnen?) Der Mythos des Einverständnisses ist vielleicht überhaupt die Geschichte des Fleischessens, und viel hängt davon ab, ob wir diese Geschichte realistisch betrachtet für plausibel halten.

Ist sie nicht. Nicht mehr. Sie würde niemanden zufriedenstellen, der kein besonderes Interesse am Tiereessen hat. Letztlich geht es bei der Massentierhaltung nicht um die Ernährung von Menschen, sondern um Geld. Und wenn es keine einschneidenden gesetzlichen und ökonomischen Veränderungen gibt, kann es gar nicht anders sein. Und ob es nun richtig oder falsch ist, Tiere für den Verzehr zu töten, wir wissen jedenfalls, dass es innerhalb des heute herrschenden Systems unmöglich ist, sie ohne (mindestens) gelegentliche Folter zu töten. Und darum muss sich sogar Frank – der gutmütigste Farmer, den man sich denken kann – bei seinen Tieren entschuldigen, wenn er sie zur Schlachtbank wegschickt. Er hat einen Kompromiss eingehen müssen, anstatt einen fairen Deal zu machen.

Bei Niman Ranch ist vor Kurzem etwas wenig Erfreuliches geschehen: Kurz vor Drucklegung dieses Buches wurde Bill aus dem Unternehmen gedrängt, das seinen Namen trägt. Nach seiner Darstellung zwang ihn sein eigener Vorstand zum Rückzug, weil man schlicht mehr Profit und weniger Moral wollte, als er zugelassen hätte. Es scheint, als würde selbst sein Unternehmen – sicherlich der eindrucksvollste Fleischproduzent der Vereinigten Staaten – sich verkaufen. Ich habe Niman Ranch in diesem Buch beschrieben, weil es der beste Beweis dafür war, dass es für wählerische Allesesser eine wirtschaftlich sinnvolle Strategie gibt. Was soll ich – sollen wir – mit ihrem Sündenfall tun?

Im Augenblick bleibt Niman Ranch die einzige landesweit erhältliche Marke, die nach meiner Einschätzung für deutlich verbesserte Lebensbedingungen der Tiere steht (bei Schweinen noch mehr als bei Rindern). Aber würden Sie diesen Leuten wirklich mit gutem Gewissen Geld geben? Wenn Tierhaltung ein grausamer Witz geworden ist, dann ist dies vielleicht die Pointe: Selbst Bill Niman hat gesagt, er würde von Niman Ranch kein Rindfleisch mehr essen.

Ich habe meine Wahl getroffen, ich will vegetarisch leben. Dennoch habe ich so viel Respekt vor Menschen wie Frank, die sich für eine humanere Tierhaltung einsetzen, dass ich ihre Arbeit unterstütze. Letztlich ist das gar keine so komplizierte Haltung. Und auch keine verdeckte Propaganda für Vegetarismus. Es ist ein Plädoyer für den Vegetarismus, aber gleichzeitig auch ein Plädoyer für eine andere, klügere Tierhaltung und eine angemessenere Art, Fleisch zu essen.

Wenn wir schon nicht die Wahl haben, ohne Gewalt zu leben, dann können wir uns doch zumindest entscheiden, ob wir unser Essen auf Ernteerträge oder auf Schlachtprodukte, auf Landwirtschaft oder auf Krieg stützen wollen. Wir haben das Schlachten, wir haben den Krieg gewählt. Das ist die wahrste Version unserer Geschichte des Essens von Tieren.

Können wir eine neue Geschichte erzählen?

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Wo wird es enden?

1.

Das letzte Thanksgiving meiner Kindheit

MEINE GANZE KINDHEIT HINDURCH feierten wir Thanksgiving bei meinem Onkel und meiner Tante. Mein Onkel, der jüngere Bruder meiner Mutter, war die erste Person auf dieser Seite der Familie, die auf dieser Seite des Atlantiks geboren wurde. Meine Tante kann ihre Abstammung bis zur Mayflower zurückverfolgen. Diese merkwürdige Paarung von Lebensgeschichten trug erheblich dazu bei, dass unsere Thanksgiving-Feste so besonders und denkwürdig und im besten Wortsinn amerikanisch waren.

Wir kamen gegen zwei Uhr an. Die Cousins spielten in einem schmalen, abschüssigen Vorgarten Football, bis sich mein kleiner Bruder verletzte und wir auf den Dachboden gingen, um auf den diversen Spielkonsolen Football zu spielen. Zwei Stockwerke unter uns sabberte Maverick die Ofenglastür voll, mein Vater redete über Politik und Cholesterin, die Detroit Lions gaben in einem unbeachteten Fernseher alles auf dem Spielfeld, und meine von ihrer Familie umgebene Großmutter dachte in der Sprache ihrer toten Verwandten.

Etwa zwei Dutzend zusammengewürfelte Stühle standen um vier zusammengeschobene, leicht unterschiedlich hohe und breite Tische, die mit einheitlichen Tüchern bedeckt waren. Niemand ließ sich dadurch überzeugen, dass diese Anordnung perfekt war, aber sie war es. Meine Tante legte ein Häufchen Puffmaiskörner auf jeden Teller, die wir im Laufe des Essens als Symbole des Dankes auf den Tisch legen sollten. Ständig wurden Gerichte aufgetragen; manche gingen im, manche gegen den Uhrzeigersinn herum, und wieder andere wurden im Zickzack von oben nach unten gereicht: Süßkartoffelauflauf, selbst gebackene Brötchen, grüne Bohnen mit Mandeln, verschiedene Cranberry-Kreationen, Kartoffelpüree mit Butter, der völlig unpassende Kugel meiner Großmutter, Tabletts mit Gewürzgurken und Oliven und marinierten Champignons und ein comicartig großer Truthahn, der in den Ofen geschoben worden war, als man den vom letzten Jahr herausgenommen hatte. Wir redeten und redeten: über die Orioles und Redskins, Veränderungen in der Nachbarschaft, unsere Errungenschaften und den Kummer anderer (unser eigener Kummer war tabu), und in der ganzen Zeit ging meine Großmutter von Enkel zu Enkel und sorgte dafür, dass niemand verhungerte.

Thanksgiving ist der Feiertag, der alle anderen umspannt. Bei allen, angefangen vom Martin-Luther-King-Tag über den Tag des Baumes über Weihnachten bis hin zum Valentinstag, geht es darum, Dankbarkeit zu zeigen. An Thanksgiving sind wir jedoch nicht für etwas Bestimmtes dankbar. Wir feiern nicht die Pilgerväter, sondern was die Pilgerväter gefeiert haben. (Bis Ende des

19. Jahrhunderts traten die Pilgerväter bei dem Feiertag noch nicht einmal besonders in Erscheinung.) Thanksgiving ist ein amerikanischer Feiertag, aber er hat nichts spezifisch Amerikanisches – wir feiern nicht Amerika, sondern amerikanische Ideale. Jeder, der seinen Dank ausdrücken möchte, kann das an diesem Tag tun. Thanksgiving weist über die Verbrechen hinaus, die Amerika ermöglicht haben, und ist mehr als sein kommerzieller Charakter, Kitsch und Hurrapatriotismus, die man diesem Feiertag aufgebürdet hat.

Thanksgiving ist ein Essen, wie wir es uns häufiger wünschen würden. Natürlich können die meisten von uns nicht (und würden es auch nicht wollen) jeden Tag den ganzen Tag kochen, und natürlich wäre es fatal, wenn wir regelmäßig so viel essen würden, und wie viele von uns möchten wirklich jeden Abend von ihrer gesamten Verwandtschaft umgeben sein? (Manchmal ist es anstrengend genug, mit mir allein zu essen.) Aber die Vorstellung, alle Mahlzeiten würden so bewusst begangen, ist schön. Von den etwa 1000 Mahlzeiten, die wir jährlich essen, ist das Thanksgiving-Dinner das mit der größten Sorgfalt vorbereitete. Es ist von der Hoffnung getragen, ein gutes Essen zu sein, dessen Zutaten, die Sorgfalt, die wir auf die Zubereitung und das Anrichten verwenden, sowie dessen Verzehr für unsere besten Eigenschaften stehen. Mehr als bei jeder anderen Mahlzeit geht es darum, was gutes Essen und gutes Denken sind.

Der Truthahn verkörpert, mehr als jedes andere Nahrungsmittel, die Paradoxien des Essens von Tieren: Was wir den lebenden Truthähnen antun, ist genauso schlimm wie alles, was der Mensch den Tieren in der Geschichte der Welt jemals angetan hat. Und dennoch erscheint uns das, was wir mit ihren toten Körpern anstellen, unbedingt gut und richtig. Der Thanksgiving-Truthahn ist das Fleisch rivalisierender Instinkte – des Erinnerns und des Vergessens.

Ich schreibe diese abschließenden Worte wenige Tage vor Thanksgiving. Inzwischen lebe ich in New York und komme nur noch selten – zumindest laut meiner Großmutter – nach

D.C. Keiner von den Jungen ist mehr jung. Einige, die Puffmaiskörner auf den Tisch gelegt haben, sind verschieden. Und es gibt neue Familienmitglieder. (Ich bin jetzt wir.)Als wären die Reisen nach Jerusalem, die ich früher auf Geburtstagsfeiern spielte, eine Vorbereitung auf dieses Ende und den Beginn gewesen. Es wird das erste Jahr sein, in dem wir bei mir feiern, das erste Mal, dass ich das Essen zubereite, und das erste Thanksgiving-Mahl, bei dem mein Sohn alt genug ist, um mit uns zu essen. Wenn dieses Buch auf eine einzige Frage gebracht werden könnte – keine bequeme, suggestive oder arglistige, sondern eine Frage, die das Problem, ob wir Tiere essen oder ob wir keine essen sollen, gänzlich umfasst –, könnte sie so lauten: Muss es an Thanksgiving Truthahn geben?

2.

Was haben Truthähne mit Thanksgiving zu tun?

WAS GEWINNEN WIR, wenn an Thanksgiving ein Truthahn auf dem Tisch steht? Vielleicht schmeckt er gut, aber Geschmack ist nicht der Grund, warum er vor uns steht – über das Jahr gerechnet essen die meisten Menschen sonst nur wenig Truthahn. (Der Thanksgiving Day macht 18 Prozent des jährlichen Truthahnkonsums aus.) Und trotz der Freude, die uns üppige Mahlzeiten bereiten, geht es bei Thanksgiving nicht um das große Fressen – es geht genau um das Gegenteil.

Vielleicht gibt es Truthahn, weil er einfach zum Ritual gehört – so feiern wir eben Thanksgiving. Warum? Weil die Pilgerväter ihn möglicherweise an ihrem ersten Thanksgiving verzehrt haben? Eher unwahrscheinlich. Wir wissen, dass sie weder Mais, Äpfel, Kartoffeln noch Cranberrys hatten, und in den beiden einzigen schriftlichen Zeugnissen über das legendäre Thanksgiving in Plymouth ist nur von Wildbret und Wildgeflügel die Rede. Auch wenn es denkbar ist, dass sie wilden Truthahn aßen, wissen wir, dass der Truthahn erst seit dem

19. Jahrhundert ein Teil des Rituals war. Und Historiker haben inzwischen ein noch früheres Thanksgiving entdeckt als das 1621 in Plymouth gefeierte, das von englischstämmigen amerikanischen Historikern berühmt gemacht wurde. Ein halbes Jahrhundert vor Plymouth haben frühe amerikanische Siedler im heutigen Florida Thanksgiving mit Timucua-Indianern gefeiert – es scheint wissenschaftlich belegt, dass diese Siedler katholisch waren und nicht protestantisch und dass sie Spanisch sprachen und nicht Englisch. Sie aßen Bohnensuppe.

Aber gehen wir einfach davon aus, dass die Pilgerväter Thanksgiving erfanden und Truthahn aßen. Abgesehen von der Tatsache, dass die Pilgerväter vieles machten, was wir heute nicht tun würden (und dass wir vieles tun würden, was sie nicht machten), haben die von uns verzehrten Truthähne mit den vielleicht von den Pilgervätern verzehrten ebenso wenig gemeinsam wie der immer wieder gern bewitzelte Tofurkey (vegetarischer Truthahn). Im Zentrum unserer Thanksgiving-Tische steht ein Tier, das nie frische Luft geatmet oder den Himmel gesehen hat, bis es zur Schlachtbank geführt wurde. Auf unseren Gabeln steckt ein Tier, das unfähig war, sich zu reproduzieren. In unseren Bäuchen liegt ein Tier mit Antibiotika im Bauch. Allein schon die genetische Ausstattung unserer Vögel ist ganz anders als die ihrer Ahnen. Hätten die Pilgerväter in die Zukunft sehen können, was hätten sie wohl über den Truthahn auf unserem Tisch gedacht? Vermutlich hätten sie ihn, und das ist keine Übertreibung, gar nicht als Truthahn erkannt.

Und was wäre, wenn es keinen Truthahn gäbe? Wäre damit die Tradition gebrochen oder verletzt, wenn wir statt eines Vogels nur den Süßkartoffelauflauf, selbst gebackene Brötchen, grüne Bohnen mit Mandeln, Cranberry-Kreationen, Kartoffelpüree mit Butter, Kürbis-und Pekannusspies hätten? Vielleicht könnten wir noch timucuanische Bohnensuppe hinzufügen. Das würde gut passen. Stellen Sie sich Ihre Lieben um den Tisch versammelt vor. Hören Sie die Geräusche, riechen Sie, wie es duftet. Es gibt keinen Truthahn. Wird der Feiertag dadurch ruiniert? Ist Thanksgiving dann immer noch Thanksgiving?

Oder würde Thanksgiving dadurch besser? Wäre die Entscheidung, keinen Truthahn zu essen, nicht ein energischerer Ausdruck unserer Dankbarkeit? Versuchen Sie, sich die Unterhaltung vorzustellen, die stattfinden könnte. Deshalb feiert unsere Familie so. Wäre eine solche Unterhaltung enttäuschend oder anregend? Würden weniger oder mehr Werte vermittelt?

Würde der Appetit auf dieses bestimmte Tier die Freude schmälern? Stellen Sie sich die Thanksgiving-Feste Ihrer Familie nach Ihrem Tod vor, wenn die Frage nicht mehr lautet: »Warum essen wir das nicht?«, sondern das naheliegendere: »Wie konnten sie nur?« Kann der imaginierte Blick auf künftige Generationen uns durch Scham – im kafkaesken Wortsinn – zum Erinnern zwingen?

Die Vertuschungspraktiken, durch die Massentierhaltung überhaupt erst möglich wurde, verlieren ihre Wirksamkeit. In den drei Jahren, die ich mit dem Schreiben dieses Buches verbracht habe, tauchten beispielsweise die ersten Berichte darüber auf, dass die landwirtschaftliche Tierhaltung stärker zur Erderwärmung beiträgt als alles andere. Zum ersten Mal empfahl ein angesehenes Forschungsinstitut (die Pew Commission) die allmähliche völlige Abschaffung der Intensivtierhaltung mit vielen Tieren auf kleiner Fläche. Zum ersten Mal erklärte ein amerikanischer Bundesstaat (Colorado) übliche Methoden der Massentierhaltung (Käfige für hochtragende Tiere und für Kälber) als ungesetzlich, und zwar als Ergebnis von Verhandlungen mit der Industrie und nicht von Kampagnen gegen die Industrie. Zum ersten Mal entschloss sich eine Supermarktkette (Whole Foods) zu einer systematischen und umfassenden Kennzeichnung von tierischen Produkten aus artgerechter Haltung. Und zum ersten Mal äußerte sich eine angesehene überregionale Zeitung (die New York Times)auf derMeinungsseite in einem Essay gegen die gesamte industrielle Viehzucht mit unter anderem folgenden Worten: »Tierhaltung ist zu Tierquälerei geworden«, und »Dung … ist zu toxischem Abfall geworden«.

Als Celia Steele ihre ersten Masthähnchen auf engem Raum großzog, konnte sie nicht ahnen, welche Auswirkungen das haben würde. Als Charles Vantress rote Cornish und New Hampshires kreuzte und damit 1946 das »Chicken of Tomorrow« produzierte, den Urahn der heutigen Masthähnchen beziehungsweise Broiler, war nicht annähernd vorstellbar, wozu er da beitrug.

Wir können uns nicht mit Unwissenheit herausreden, nur mit Gleichgültigkeit. Wer heute lebt, gehört zu den Generationen, die es inzwischen besser wissen. Wir haben die Last und die Gelegenheit, in einer Zeit zu leben, in der die Kritik an der Massentierhaltung ins allgemeine Bewusstsein gedrungen ist. Wir sind diejenigen, die man zu Recht fragen wird: Was habt ihr getan, als ihr die Wahrheit über das Essen von Tieren erfahren habt?

3.

Die Wahrheit über das Essen von Tieren

SEIT 2000 – als Temple Grandin über verbesserte Bedingungen in Schlachthäusern berichtete – gibt es beglaubigte Protokolle über Arbeiter, die Stangen als Baseballschläger benutzten, um kleine Truthähne durch die Luft zu schlagen, die auf Küken trampelten, um sie »platzen« zu sehen, die lahme Schweine mit Metallrohren verprügelten und Rinder bei vollem Bewusstsein zerlegten. Man muss gar nicht auf heimlich gedrehte Videos von Tierrechtsorganisationen zurückgreifen, um solche Gräueltaten zu sehen – weil es sie massenhaft gibt. Ich hätte mehrere Bücher – eine Enzyklopädie der Grausamkeiten – mit Zeugenaussagen von Arbeitern füllen können.

Gail Eisnitz hat in ihrem Buch Slaughterhouse etwas Ähnliches wie eine solche Enzyklopädie geschaffen. Über einen Zeitraum von zehn Jahren hat sie dafür recherchiert und zahlreiche Interviews mit Arbeitern geführt, die zusammen über zwei Millionen Stunden an Schlachthoferfahrung vorweisen können; kein anderes Werk zu diesem Thema ist so aussagekräftig.

Einmal war der Bolzenschussapparat den ganzen Tag kaputt, da haben sie ein Messer genommen und den noch stehenden Rindern den Hals am Kamm aufgeschnitten. Da fallen die Rinder einfach um und zucken. Und sie stechen Rindern ins Hinterteil, damit sie vorwärts gehen. Brechen ihnen die Schwänze. Schlagen sie ganz brutal … Und das Rind muht unablässig mit weit rausgestreckter Zunge.

Es ist nicht leicht, darüber zu reden. Du stehst unter totalem Stress, dem ganzen Druck. Und es klingt richtig gemein, aber ich habe ihnen den Elektro-Treibstab in die Augen gesteckt. Und ihn dort gelassen.

Im Tötungsbereich, wo immer viel Blut fließt, macht einen der Blutgeruch ganz aggressiv. Wirklich. Du kriegst die Einstellung, dass wenn ein Schwein nach dir tritt, du es ihm heimzahlst. Eigentlich tötest du es ja schon, aber das reicht noch nicht. Es muss leiden … Du gehst hart ran, setzt ihm zu, schlägst ihm die Luftröhre kaputt, lässt es in seinem eigenen Blut ertrinken. Spaltest ihm die Nase. Da rennt also ein lebendes Schwein durch die Wanne. Es guckt zu mir hoch, und wenn ich grade den Job als Stecher habe, dann nehme ich das Messer und – krrrk – schneide ihm ein Auge raus, während es einfach dahockt. Und dann schreit das Schwein wie am Spieß. Einmal habe ich mein Messer genommen–e sist ziemlich scharf – und einem Schwein ein Stück von der Nase abgeschnitten, als wär’s eine Scheibe Mortadella. Das Schwein ist ein paar Sekunden lang durchgedreht. Dann hat es bloß noch dagehockt und irgendwie dumm geguckt. Also nehme ich eine Handvoll Salz und reibe es ihm in die Nase. Da ist das Schwein richtig ausgeflippt und hat die Nase wie wild durch die Gegend geschüttelt.

Ich hatte noch ein bisschen Salz auf der Hand – ich trug einen Gummihandschuh –, das drückte ich dem Schwein direkt in den Arsch. Das arme Vieh wusste nicht mehr, ob es scheißen oder blind werden sollte … Ich war nicht der Einzige, der solche Sachen gemacht hat. Ein Schlachter, mit dem ich zusammenarbeite, treibt die Schweine manchmal noch lebend in das Brühbad. Und jeder – die Treiber, die Anhänger, die Saubermacher – schlagen Schweine mit Metallrohren. Jeder weiß das, alles.

Solche Aussagen sind bestürzend repräsentativ in den Interviews von Eisnitz. Die beschriebenen Vorfälle werden von der Industrie zwar nicht gebilligt, aber es ist bekannt, dass sie nicht unüblich sind.

Heimlich durchgeführte Untersuchungen haben durchweg gezeigt, dass Schlachthofarbeiter, die sich unter Bedingungen abrackern, die von Human Rights Watch als »systematische Menschenrechtsverletzungen« bezeichnet werden, ihren Frust oft an den Schlachttieren auslassen oder sich schlicht den Vorarbeitern beugen, die verlangen, dass das Schlachtband keinesfalls und ohne Rücksicht auf Verluste angehalten werden darf. Manche Arbeiter sind im wahrsten Wortsinn eindeutig Sadisten. Mir ist so jemand allerdings nie begegnet. Die mehreren Dutzend Arbeiter, die ich kennengelernt habe, waren gute Menschen, kluge und ehrliche Menschen, die ihr Bestes in einer unmöglichen Situation gaben. Die Verantwortung liegt in der Mentalität der Fleischindustrie, die Tiere und »Humankapital« wie Maschinen behandelt. Ein Arbeiter formulierte es so:

Das Schlimmste, schlimmer noch als die körperliche Gefahr, ist der emotionale Preis. Wenn du eine Weile als Stecher arbeitest, entwickelst du eine Haltung, die dich töten lässt, ohne groß nachzudenken. Es kommt vor, dass du einem Schwein in die Augen guckst, das unten im Tötungsbereich rumläuft, und du denkst, Gott, ist doch wirklich ein ganz hübsches Tier. Manchmal willst du es sogar streicheln. Zu mir sind Schweine gekommen, die im Tötungsbereich waren, und haben sich angekuschelt wie kleine Hündchen. Zwei Minuten später musste ich sie töten–mit einem Rohr totschlagen … Wenn ich oben arbeitete und Schweinen die Därme rausnahm, konnte ich den Tötungsbereich ausblenden und mir vorstellen, ich würde an einem normalen Fließband arbeiten und helfen, die Leute zu ernähren. Das konnte ich unten im Stechbereich nicht. Da habe ich getötet.

Wie verbreitet müssen solche Grausamkeiten eigentlich sein, bis ein vernünftiger Mensch nicht mehr über sie hinwegsehen kann? Wenn Sie wüssten, dass eines von 1000 Schlachttieren so etwas wie oben beschrieben über sich ergehen lassen muss, würden Sie dann weiter Tiere essen? Eines von 100? Eines von zehn? Am Ende von The Omnivore’s Dilemma schreibt Michael Pollan: »Ich muss sagen, dass ein Teil von mir die moralische Klarheit des Vegetariers beneidet … Aber ein Teil von mir bemitleidet ihn auch. Träume von Unschuld sind eben nur Träume; meistens basieren sie auf einem Leugnen der Wirklichkeit, und das kann eine eigene Form der Hybris sein.« Er hat recht, dass emotionale Reaktionen zu einer arroganten Entfremdung führen können. Aber muss man sie wirklich bemitleiden, nur weil sie versuchen, ihren Traum von Unschuld zu leben? Und wer leugnet in diesem Fall die Wirklichkeit?

Als Temple Grandin anfing, das Ausmaß von Tiermissbrauch in Schlachthöfen zu beziffern, berichtete sie, dass sie bei 32 Prozent der von ihr mit angekündigten Inspektionen untersuchten Schlachtanlagen »bewusste grausame Handlungen, die regelmäßig vorkommen«, beobachtet hatte. Diese Statistik ist so schockierend, dass ich sie dreimal lesen musste. Bewusste Handlungen, die regelmäßig vorkommen, beobachtet von einem Kontrolleur – beobachtet während einer angekündigten Inspektion, die dem Betreiber des Schlachthofs Zeit ließ, die schlimmsten Probleme zu beseitigen.

Grandin hat betont, dass sich die Verhältnisse verbessert hätten, da immer mehr Fleischhändler von ihren Lieferanten Schlachtberichte verlangen, aber wie sehr verbessert? Bei der Durchsicht der jüngsten Qualitätskontrollen auf Geflügelschlachtbetrieben, die vom National Chicken Council durchgeführt wurden, stellte Grandin bei 26 Prozent der Schlachtereien so gravierende Tierquälereien fest, dass sie eigentlich hätten durchfallen müssen. (Die Schlachthofindustrie fand die Ergebnisse – wer hätte das gedacht? – völlig zufriedenstellend und segnete alle Betriebe ab, selbst wenn dort lebende Hühner herumgeworfen wurden, Tiere in den Müll geschmissen und lebend gebrüht wurden.) Laut Grandins jüngster Untersuchung von Rinderbetrieben waren in ganzen 25 Prozent der Schlachthöfe so schwere Quälereien zu beobachten, dass sie bei ihrer Kontrolle automatisch durchfielen (»ein Tier bei Bewusstsein an den Haken zu hängen« wird dabei als Musterbeispiel für die Art von Tiermissbrauch angeführt, die automatisch zum Durchfallen führen müsste).

Bei anderen Untersuchungen wurde Grandin Zeugin, wie ein Arbeiter ein Rind bei vollem Bewusstsein zerlegte, wie zum Entbluten am Haken hängende Rinder wieder zu Bewusstsein kamen und wie Arbeiter »Rindern den Elektro-Treibstab in den Anus stießen«. Was passierte dann wohl erst, wenn niemand hinsah? Und was ist mit der überwiegenden Mehrheit der Schlachtbetriebe, die ihre Türen erst gar nicht für Kontrollen öffnen?

Die Farmer haben eine direkte, humane Beziehung zu ihrer Arbeit verloren – man hat sie ihnen genommen. Immer häufiger gehören ihnen die Tiere nicht mehr, sie können nicht über die Haltungsmethoden entscheiden, dürfen nicht nach ihren eigenen Maßgaben vorgehen und haben keine Alternative zum Hochgeschwindigkeitsschlachten der Industrie. Industrielles Schlachten entfremdet die Farmer nicht nur von den Tätigkeiten der Fleischproduktion (aufhängen, zerhacken, zersägen, stechen, zerlegen), sondern auch von den Produkten selbst (widerliche, ungesunde Nahrungsmittel) und wie sie verkauft werden (anonym und billig). Unter den Bedingungen eines Massentierbetriebs oder eines Schlachthofs können menschliche Wesen nicht Mensch sein (geschweige denn menschlich). Eine größere Entfremdung vom Arbeitsplatz als in der industriellen Fleischproduktion gibt es derzeit nicht. Es sei denn, man bedenkt, was die Tiere durchmachen.

4.

Der amerikanische Tisch

MACHEN WIR UNS NICHTS VOR: Den meisten von uns stehen nicht besonders viele Möglichkeiten offen, sich ethisch einwandfrei zu ernähren. In Amerika gibt es nicht genug Hähnchen aus artgerechter Haltung, um die Bevölkerung von Staten Island zu versorgen, und es gibt nicht genug Schweinefleisch aus artgerechter Haltung, um die Stadt New York zu beliefern, geschweige denn das ganze Land. Ethisch unbedenkliches Fleisch ist Mangelware, keine Realität. Jeder ernsthafte Befürworter von ethisch einwandfreiem Fleisch kommt nicht umhin, viel vegetarische Lebensmittel zu essen.

Eine erkleckliche Anzahl von Menschen kauft neben Fleisch aus Massentierhaltung auch Fleisch von Tieren aus artgerechter Viehzucht, wenn es erhältlich ist. Das ist ehrenwert, hilft aber nicht. Wenn unsere moralische Fantasie wirklich nicht weiter reicht, ist es schwer, die Zukunft optimistisch zu sehen. Jedes Vorhaben, das der Massentierhaltung Geld zuführt, wird die Massentierhaltung nicht beenden. Wie wirksam wäre der Busboykott von Montgomery gewesen, wenn die Demonstranten den Bus benutzt hätten, sobald ihnen andere Transportmöglichkeiten zu unbequem erschienen wären? Wie wirksam wäre ein Streik, wenn die Arbeiter zurück an die Arbeit gingen, sobald das Streiken zu schwierig wäre? Wer sich durch dieses Buch aufgefordert fühlt, Fleisch aus artgerechter Haltung und gleichzeitig auch aus Massentierhaltung zu kaufen, hat etwas herausgelesen, was nicht hier steht.

Wenn es uns mit dem Beenden der Massentierhaltung wirklich ernst ist, dann ist das Allermindeste, was wir tun können, den schlimmsten Tierquälern kein Geld mehr zu geben. Einigen wird die Entscheidung, auf Produkte aus Massentierhaltung zu verzichten, leichtfallen. Anderen wird sie schwerfallen. Für die, denen die Entscheidung schwer erscheint (ich hätte mich zu dieser Gruppe gezählt), stellt sich letztlich die Frage, ob der Aufwand sich lohnt. Immerhin wissen wir, dass wir mit dieser Entscheidung dazu beitragen, die Waldzerstörung zu verhindern, die globale Erwärmung einzudämmen, Umweltverschmutzung zu reduzieren, Ölreserven zu sparen, die Bürde für das ländliche Amerika zu mindern, den Missbrauch von Menschenrechten zu verringern, die öffentliche Gesundheit zu verbessern und den schlimmsten systematischen Tiermissbrauch abzuschaffen. Was wir allerdings nicht wissen, könnte genauso wichtig sein. Wie würden wir uns verändern, wenn wir eine solche Entscheidung träfen?

Abgesehen von den direkten wesentlichen Veränderungen, die ein Ausstieg aus der Massentierhaltung in Gang setzen würde, wäre die Entscheidung für eine umsichtige Ernährung an sich schon ein Faktor mit enormem Potenzial. Was für eine Welt würden wir schaffen, wenn wir dreimal am Tag unser Mitgefühl und unseren Verstand aktivierten, sobald wir uns zum Essen an den Tisch setzen, wenn wir die moralische Fantasie und den pragmatischen Willen aufbrächten, unser Essverhalten grundlegend zu ändern? Tolstoi behauptete, dass zwischen Schlachthöfen und Schlachtfeldern eine Verbindung bestehe. Gut, wir führen keine Kriege, weil wir Fleisch essen, und manche Kriege sollten durchaus geführt werden – nebenbei gesagt, Hitler war angeblich Vegetarier. Aber Mitgefühl ist ein Muskel, der mit dem Gebrauch stärker wird, und wenn wir regelmäßig trainieren würden, uns für Freundlichkeit statt Grausamkeit zu entscheiden, würden wir uns verändern.

Es klingt vielleicht naiv zu sagen, dass die Entscheidung, ob man eine Geflügelfrikadelle oder einen vegetarischen Burger bestellt, absolut wichtig ist. Andererseits hätte es sicherlich ebenso utopisch geklungen, wenn uns jemand in den 1950ern gesagt hätte, dass man mit der Platzwahl in einem Restaurant oder Bus beginnen könne, den Rassismus zu beenden. Und ebenso utopisch hätte es geklungen, wenn jemand in den frühen 1970ern, noch vor César Chávez’ Engagement für die Rechte der Landarbeiter, gesagt hätte, dass der Verzicht auf Weintrauben die Landarbeiter aus sklavenähnlichen Verhältnissen befreien könne. Es mag utopisch klingen, aber wenn wir uns die Mühe machen und uns umsehen, können wir nicht leugnen, dass wir mit unseren täglichen Entscheidungen die Welt gestalten. Als die ersten Siedler Amerikas die Boston Teaparty beschlossen, wurden derart starke Kräfte freigesetzt, dass daraus eine Nation entstand. Die Entscheidung, was wir essen (und was wir über Bord werfen), ist die Grundlage für Produktion und Konsum und bestimmt alle weiteren Schritte. Ob wir Pflanzen oder Fleisch wählen, Massentierbetrieb oder bäuerlichen Familienbetrieb, verändert allein noch nicht die Welt, wohl aber, wenn wir uns, unseren Kindern, unserer Umgebung und unserem Land beibringen, dem Gewissen zu folgen und nicht der Bequemlichkeit. Eine der besten Gelegenheiten, unsere Werte zu leben – oder sie zu verraten –, liegt in dem Essen, das wir uns auf den Teller häufen. Und wir leben oder verraten unsere Werte nicht nur als Individuen, sondern als Nationen.

Wir haben wichtigere Vermächtnisse als das Streben nach billigen Produkten. Martin Luther King jr. schrieb leidenschaftlich über die Zeit, »in der man eine Position einnehmen muss, die weder sicher noch politisch, noch opportun ist«. Manchmal muss man einfach eine Entscheidung treffen, weil »das Gewissen einem sagt, dass sie richtig ist«. Diese berühmten Worte von King und die Bemühungen von Chávez’ United Farm Workers sind auch unser Vermächtnis. Vielleicht möchten wir gern sagen, dass solche Bewegungen für soziale Gerechtigkeit nichts mit den Zuständen in der Massentierhaltung zu tun haben. Die Unterdrückung von Menschen ist kein Tiermissbrauch. Kings und Chávez’ Sorge galt dem Leid der Menschheit, nicht dem Leid der Tiere oder der globalen Erwärmung. Schön und gut. Über den impliziten Vergleich, der mit der Nennung der beiden einhergeht, kann man sich natürlich streiten oder sogar ärgern, aber es lohnt sich, zur Kenntnis zu nehmen, dass César Chávez und Kings Frau Coretta Scott King Veganer waren, ebenso wie Kings Sohn Dexter. Wir legen das Erbe von Chávez und King – das Erbe Amerikas – zu eng aus, wenn wir von vornherein ausschließen, dass ihre Worte nicht auch als Stellungnahme gegen das Unterdrückungssystem der Massentierhaltung zu verstehen sind.

5.

Der globale Tisch

WENN SIE DAS NÄCHSTE MAL ETWAS ESSEN, stellen Sie sich vor, dass neun weitere Personen mit Ihnen am Tisch sitzen und dass Sie zusammen alle Menschen auf dem Planeten vertreten. Nach Staaten geordnet sind zwei Ihrer Tischgenossen Chinesen, zwei Inder, und ein fünfter vertritt alle anderen Länder in Nordost-, Süd-und Zentralasien. Ein sechster vertritt die Staaten Südostasiens und Ozeanien. Ein siebter Afrika südlich der Sahara und ein achter den Rest Afrikas und den Nahen Osten. Ein neunter vertritt Europa. Der verbleibende Platz, der die Länder Süd-, Zentral- und Nordamerika repräsentiert, ist für Sie.

Würden die Plätze nach Muttersprachen vergeben, hätten nur die chinesisch Sprechenden einen eigenen Vertreter. Alle Englisch-und Spanischsprachler müssten sich einen Stuhl teilen.

Nach Religion geordnet sind drei Personen Christen, zwei Muslime, und drei gehören dem Buddhismus, traditionellen chinesischen Religionen oder dem Hinduismus an. Wieder zwei andere stammen aus anderen religiösen Gemeinschaften oder sind nicht religiös. (Meine jüdische Gemeinde, die kleiner ist als die Fehlerspanne bei der chinesischen Volkszählung, bekäme nicht mal einen halben Tuches auf einen Stuhl.)

Wäre die Tischordnung gemäß der Ernährung, ist eine Person hungrig, und zwei sind übergewichtig. Mehr als die Hälfte isst überwiegend vegetarische Kost, aber diese Zahl sinkt langsam. Die strengeren Vegetarier und Veganer haben so gerade einen Platz am Tisch. Und immer wenn jemand nach Eiern, Hühnchen oder Schwein greift, stammen sie in über 50 Prozent der Fälle aus einem Mastbetrieb. Wenn sich die gegenwärtige Entwicklung in den nächsten 20 Jahren fortsetzt, wird das auch für Rind und Lamm zutreffen.

Würde sich die Tischordnung nach Bevölkerungszahlen richten, hätten die Vereinigten Staaten nicht die geringste Chance, einen Platz zu ergattern, aber sie bekämen zwischen zwei und drei Plätzen, wenn nach der Menge des Verzehrs gesetzt würde. Kein Volk liebt das Essen so wie wir, und wenn wir ändern, was wir essen, ändert sich auch die Welt.

Ich habe mich weitgehend darauf beschränkt darzulegen, wie unsere Ernährungsentscheidungen die Ökologie unseres Planeten und das Leben der Tiere beeinflussen, aber ich hätte das gesamte Buch auch über öffentliches Gesundheitswesen, Arbeiterrechte, zerfallende ländliche Strukturen oder weltweite Armut schreiben können – allesamt Bereiche, die erheblich durch die Massentierhaltung beeinflusst werden. Natürlich ist die Massentierhaltung nicht die Ursache für alle Probleme in der Welt, auch wenn bemerkenswert viele sich an genau diesem Punkt überschneiden. Und es ist ebenso bemerkenswert und völlig unwahrscheinlich, dass Menschen wie Sie und ich wirklichen Einfluss auf die Massentierhaltung haben. Aber niemand kann den Einfluss der amerikanischen Konsumenten auf die weltweit praktizierten Methoden in der Landwirtschaft leugnen.

Ich merke, dass ich gefährlich nahe daran bin, die kuriose Ansicht zu vertreten, jeder könne etwas bewirken. Die Wirklichkeit ist natürlich komplizierter. Als »einzelner Esser« werden Ihre Entscheidungen die Industrie nicht verändern. Das stimmt, aber Sie essen eben nicht allein, es sei denn, Sie besorgen sich Ihr Essen heimlich und verzehren es in aller Abgeschiedenheit. Wir essen als Söhne und Töchter, als Familien, als Gemeinden, als Generationen, als Staaten und zunehmend auch als ganze Welt. Wir können unser Essen nicht aus diesem Zusammenhang herauslösen, selbst wenn wir es wollten.

Wie Ihnen jeder mehrjährige Vegetarier bestätigen wird, kann der Einfluss auf das, was andere in unserem Umkreis essen, erstaunlich sein. Die National Restaurant Association (ein Interessenverband der Restaurants in Amerika) hat empfohlen, dass jedes Restaurant im Land mindestens ein vegetarisches Hauptgericht anbietet. Warum? Ganz einfach: Ihren eigenen Umfrageergebnissen zufolge haben ein Drittel der Restaurantbetreiber einen Aufwärtsknick bei der Nachfrage nach vegetarischen Gerichten verzeichnet. Eine führende Zeitschrift der Restaurantindustrie, Nation’s Restaurant News, empfiehlt Restaurants, »vegetarische oder vegane Speisen in die Speisekarte auf(zu)nehmen. Vegetarische Gerichte sind nicht nur billiger … sie entschärfen auch die Vetostimmen. Wenn in einer Gruppe ein Veganer ist, wird er in der Regel bestimmen, wo gegessen wird.«

Abermillionen von Werbedollars werden nur darauf verwendet, dass wir in Filmen sehen, wie Menschen Milch trinken oder Fleisch essen, und noch mehr Millionen werden dafür ausgegeben, dass, wenn ich einen Softdrink in der Hand halte, jeder möglichst aus einiger Entfernung erkennt, ob es Cola oder Pepsi ist. Die National Restaurant Association ist dafür nicht verantwortlich, und die internationalen Unternehmen geben keine Millionen für Product-Placement aus, um uns das gute Gefühl zu vermitteln, dass wir Einfluss auf andere haben. Sie erkennen schlicht die Tatsache, dass Essen eine soziale Handlung ist.

Sobald wir unsere Gabeln heben, beziehen wir Position. Wir setzen uns in die eine oder andere Beziehung zu Nutztieren, Farmarbeitern, Nationalökonomien und Weltmärkten. Keine Entscheidung zu treffen – also zu essen »wie alle anderen« –, heißt, die einfachste Entscheidung zu treffen, eine, die zunehmend problematisch ist. In den meisten Zeiten und an den meisten Orten war es fraglos eine gute Idee, über das eigene Essen zu entscheiden, ohne sich zu entscheiden und wie alle anderen zu essen. Heute zu essen wie alle anderen, heißt, ein Tropfen zu sein, der das Fass irgendwann zum Überlaufen bringt. Unser Tropfen ist vielleicht nicht der entscheidende, aber der Akt wird wiederholt – jeden Tag in unserem Leben und vielleicht jeden Tag im Leben unserer Kinder und Kindeskinder …

Die Sitzverteilung und die Portionen am globalen Tisch, von dem wir alle essen, ändern sich. Die zwei Chinesen haben viermal so viel Fleisch auf ihrem Teller wie noch vor mehreren Jahrzehnten – und der Haufen wird noch höher. Unterdessen beäugen die zwei Menschen am Tisch, die kein sauberes Trinkwasser haben, die Chinesen misstrauisch. Tierische Produkte machen heute nur 16 Prozent der chinesischen Nahrung aus, aber die Massentierhaltung ist für über 50 Prozent des chinesischen Wasserverbrauchs verantwortlich – und das zu einer Zeit, wo der Wassermangel in China bereits weltweit Grund zur Sorge gibt. Die verzweifelte Person an unserem Tisch, die sich anstrengen muss, um genügend zu essen zu bekommen, sorgt sich berechtigterweise vielleicht noch mehr darum, ob der weltweite Trend zum Fleischessen im amerikanischen Stil die für ihn oder sie lebensnotwendigen Getreide noch weiter reduziert.

Mehr Fleisch bedeutet größere Nachfrage nach Getreide und mehr Hände, die sich darum streiten. Um das Jahr 2050 herum werden Nutztiere genauso viel Nahrung verzehren wie vier Milliarden Menschen. Die derzeitige Entwicklung legt nahe, dass aus der einen hungernden Person an unserem Tisch leicht zwei werden könnten (jeden Tag kommen 270 000 hungernde Menschen hinzu). Das wird so gut wie sicher passieren, genauso wie die Übergewichtigen noch einen weiteren Platz erhalten. Man kann sich leicht eine Zukunft vorstellen, in der die meisten Plätze am globalen Tisch entweder von übergewichtigen oder unterernährten Menschen besetzt sind.

Doch es muss nicht so sein. Der beste Grund für die Hoffnung auf eine bessere Zukunft ist die Tatsache, dass wir wissen, wie schlimm die Zukunft sein könnte.

Rational gesehen ist die Massentierhaltung in vielerlei Hinsicht ganz offensichtlich falsch. In allen Büchern, die ich gelesen, und allen Gesprächen, die ich geführt habe, konnte ich nichts Überzeugendes finden, was dafür gesprochen hätte. Aber Essen ist nicht rational. Essen ist Kultur, Gewohnheit und Identität. Bei einigen führt diese Irrationalität zu einer Art Resignation. Nahrungsentscheidungen werden mit Modeentscheidungen oder Lebensstilpräferenzen verglichen – sie haben nichts mehr damit zu tun, wie man eigentlich leben sollte. Ich stimme zu, dass das komplexe Thema Nahrung und die beinahe endlosen Folgen, die sich daraus ergeben, die Frage des Essens – und besonders des Essens von Tieren – äußerst bedeutungsschwer machen. Ich habe mit Aktivisten gesprochen, die ständig verblüfft und frustriert waren, weil es keine Übereinstimmung zwischen gesundem Menschenverstand und der Essensentscheidung gibt. Ich kann das nachempfinden, aber ich frage mich doch, ob man nicht gerade bei dieser Irrationalität von Essen ansetzen sollte.

Essen ist nie nur ein schlichtes Abwägen, welche Kost am wenigsten Wasser verbraucht oder am wenigsten Leid verursacht. Darin liegt vielleicht die größte Hoffnung, um uns zu motivieren, uns zu ändern. Einerseits zwingt uns die Massentierhaltung dazu, unser Gewissen zu unterdrücken, um unsere Gelüste zu befriedigen. Aber auf einer anderen Ebene kann unsere Befähigung, die Massentierhaltung abzulehnen, genau das sein, was wir am meisten wollen.

Das Debakel der Massentierhaltung ist nicht nur, wie ich glaube, eine Frage der Unwissenheit – ist nicht, wie Aktivisten oft sagen, ein Problem, das entstanden ist, weil »Menschen die Fakten nicht kennen«. Sicher ist das ein Grund. Ich habe dieses Buch mit ziemlich vielen Fakten bestückt, weil sie ein notwendiger Ausgangspunkt sind. Und ich habe die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Folgen unserer täglichen Essensentscheidung dargestellt, denn auch das ist sehr wichtig. Das soll nicht heißen, dass wir uns nicht in vielerlei Hinsicht von unserer Vernunft leiten lassen sollen, sondern schlicht, dass Mensch sein, menschlich sein, mehr ist als eine Übung des Verstands. Auf die Massentierhaltung zu reagieren erfordert über reines Informiertsein hinaus die Fähigkeit zu sagen: »das geht mich etwas an«, und dabei geht es auch um Gegensätze wie Wunsch und Verstand, Fakt und Mythos und sogar Mensch und Tier.

Das System der Massentierhaltung wird eines Tages an seiner absurden wirtschaftlichen Praxis zugrunde gehen. Es ist absolut unhaltbar. Irgendwann wird die Erde Massentierhaltungsbetriebe abschütteln wie ein Hund Flöhe; die Frage ist nur, ob wir dann auch abgeschüttelt werden.

Über das Essen von Tieren nachzudenken, besonders öffentlich, setzt ungeahnte Kräfte frei. Das Thema ist aufgeladen wie wenig andere. Aus gewisser Sicht ist Fleisch nur ein weiteres Konsumgut und damit genauso wichtig wie der Konsum von Papierservietten oder Geländewagen – nur in größerem Ausmaß. Aber nehmen Sie mal an Thanksgiving andere Servietten – tun Sie es ruhig mit einer großen Geste und einem Vortrag über die Unmoral von dem und dem Serviettenhersteller –, Sie werden damit wohl kaum jemanden hinter dem Ofen hervorlocken. Wenn Sie dagegen ein vegetarisches Thanksgiving zur Diskussion stellen, dann werden Sie problemlos entschiedene Meinungen provozieren – sehr entschiedene Meinungen. Das Thema Tiere essen schlägt Saiten an, die tief in unserer Selbstwahrnehmung nachhallen – unseren Erinnerungen, Wünschen und Werten. Dieser Nachhall ist potenziell kontrovers, potenziell bedrohlich, potenziell anregend, aber immer bedeutungsvoll. Essen ist wichtig, und Tiere sind wichtig, und das Essen von Tieren ist noch wichtiger. Die Frage, ob wir Tiere essen, entspringt letztlich unserem Streben nach einem Ideal, das wir, vielleicht fälschlicherweise, »Mensch sein« nennen.

6.

Das erste Thanksgiving seiner Kindheit

WOFÜR SAGE ICH AN THANKSGIVING EIGENTLICH DANK? Als Kind war das erste Korn, das ich auf den Tisch legte, ein symbolischer Dank für meine Gesundheit und die meiner Familie. Eine seltsame Wahl für ein Kind. Vielleicht erwuchs diese Empfindung aus dem fehlenden Familienstammbaum, oder sie war eine Reaktion auf das Mantra meiner Großmutter: »Du siehst blass aus« – das unwillkürlich wie ein Vorwurf klang, so in etwa: »Du siehst blass aus, iss mal was.« Was auch immer der Grund war, für mich war Gesundheit schon als kleines Kind nichts, worauf ich mich verlassen konnte. (Es lag nicht nur am Geld und am Prestige, dass so viele Kinder und Enkel von Überlebenden Ärzte wurden.) Das nächste Korn stand für mein Glück. Das nächste für meine Angehörigen – meine unmittelbare Familie natürlich, aber auch meine Freunde. Und dafür stünden auch heute meine ersten drei Körner – für Gesundheit, Glück, Familie und Freunde. Aber ich danke nicht mehr nur für meine Gesundheit, mein Glück, meine Familie und Freunde. Vielleicht wird sich das ändern, wenn mein Sohn alt genug ist, um an dem Ritual teilzunehmen. Fürs Erste jedoch danke ich für ihn, durch ihn und in seinem Namen.

Wie können wir an Thanksgiving diese besondere Form von Dankbarkeit zum Ausdruck bringen? Durch welche Rituale und Symbole ließe sich die Wertschätzung von Gesundheit, Glück und Familie ausdrücken?

Wir feiern zusammen, und das ergibt Sinn. Und wir kommen nicht nur zusammen, wir essen. Das war nicht immer so. Die Regierung dachte ursprünglich daran, Thanksgiving als Fastentag zu deklarieren, so wurde er auch über Jahrzehnte hinweg oft gesehen. Laut Benjamin Franklin, der für mich so etwas wie ein Schutzpatron des Feiertags ist, war es »ein Farmer mit gesundem Menschenverstand«, der sagte, ein festliches Essen »sei der Dankbarkeit zuträglicher«. Die Stimme dieses Farmers, der wohl als Double für Franklin selbst diente, steht heute für die Überzeugung eines ganzen Landes.

Das Produzieren und Essen unserer eigenen Nahrung machte uns historisch betrachtet in unterschiedlicher Weise zu Amerikanern. Während andere Kolonien zum Überleben riesige Importe brauchten, waren die ersten amerikanischen Einwanderer dank der Hilfe der amerikanischen Ureinwohner fast gänzlich Selbstversorger und nicht von europäischen Mächten abhängig. Nahrung ist weniger ein Symbol für Freiheit als vielmehr ihre Voraussetzung. Um diese Tatsache zu würdigen, essen wir in Amerika zu Thanksgiving heimische Nahrungsmittel. In vielerlei Hinsicht ist Thanksgiving der Ausgangspunkt für das ausgesprochen amerikanische Ideal ethischen Konsumverhaltens. Das Thanksgiving-Mahl ist der Beginn des amerikanischen Verbraucherbewusstseins.

Aber was ist mit dem Essen, an dem wir uns laben? Sollten wir es wirklich essen?

Von den 45 Millionen Truthähnen, die auf unseren Thanksgiving-Tischen landen, waren fast alle ungesund, unglücklich und – das ist eine radikale Untertreibung – ungeliebt.

Auch wenn es unterschiedliche Ansichten darüber gibt, wo der Truthahn auf dem Thanksgiving-Tisch platziert werden sollte, sind wir uns in diesen drei Punkten zumindest einig.

Die heutigen Truthähne sind natürliche Insektenfresser, denen eine völlig unnatürliche Kost verabreicht wird – aus »Fleisch, Sägemehl, Abfallprodukten aus der Ledergerberei« und anderen Dingen, die, auch wenn umfassend dokumentiert, kaum zu glauben sind. Angesichts ihrer Anfälligkeit für Krankheiten sind Truthähne die vielleicht am wenigsten geeigneten Tiere für das Fabrikmodell. Also gibt man ihnen noch mehr Antibiotika als allen anderen Nutztieren. Was wiederum eine Resistenz gegen Antibiotika fördert. Was wiederum dazu führt, dass diese unverzichtbaren Medikamente weniger wirksam für den Menschen sind. Die Truthähne auf unseren Tischen erschweren also auf direktem Weg die Heilung menschlicher Krankheiten.

Der Verbraucher sollte nicht selbst entscheiden müssen, was grausam und was gut, was umweltschädlich und umweltverträglich ist. Grausame und schädliche Nahrungsprodukte sollten verboten werden. Wir brauchen nicht die Wahlfreiheit, Kinderspielsachen mit Bleifarbe zu kaufen oder Sprays mit Fluorchlorkohlenwasserstoff (FCKW) oder Medikamente mit nicht benannten Nebenwirkungen. Und wir brauchen nicht die Freiheit, Fleisch aus Massentierhaltung zu kaufen.

Trotz unserer Verschleierungstaktiken oder Ignoranz wissen wir genau, dass Massentierhaltung im tiefsten Wortsinn unbarmherzig ist. Und wir wissen auch, dass es eine tiefe Bedeutung hat, welches Leben wir den Lebewesen bereiten, die uns ausgeliefert sind. Unsere Reaktion auf die Massentierhaltung ist letztlich ein Test dafür, wie wir auf die Schwachen, die Unsichtbaren, die Stummen reagieren – sie ist ein Test dafür, wie wir handeln, wenn uns niemand zwingt, auf die eine oder andere Weise zu handeln. Man muss nicht konsequent sein, aber man muss sich mit dem Problem auseinandersetzen.

Historiker erzählen gern eine Geschichte über Abraham Lincoln, der zufolge er auf dem Rückweg von Springfield nach Washington seine gesamte Truppe zum Anhalten zwang, um ein paar in Not geratenen jungen Vögeln zu helfen. Als ihn die anderen dafür tadelten, antwortete er ganz schlicht: »Ich hätte heute Nacht nicht schlafen können, wenn ich diese armen Geschöpfe dort gelassen und ihrer Mutter nicht wieder anvertraut hätte.« Er sprach nicht darüber, was Vögel moralisch bedeuten (obwohl er es gekonnt hätte), und über ihren Wert an sich, über das Ökosystem oder Gott. Er stellte einfach fest, dass ihm beim Anblick der Vögel eine moralische Bürde auferlegt worden war. Er hätte es nicht mit sich vereinbaren können, wenn er einfach weitergegangen wäre. Lincoln war ein ungemein widersprüchlicher Mensch, und er aß natürlich viel häufiger Vögel, als dass er ihnen half. Aber als er mit dem Leiden einer anderen Kreatur konfrontiert war, handelte er.

Ob ich am globalen Tisch sitze, mit meiner Familie esse oder mit meinem Gewissen allein bin, für mich ist Massentierhaltung nicht nur untragbar, sie zu akzeptieren erscheint mir unmenschlich. Würde ich Massentierhaltung akzeptieren – und meine Familie mit den von ihr produzierten Lebensmitteln ernähren, sie mit meinem Geld unterstützen –, dann wäre ich weniger ich selbst, weniger der Enkel meiner Großmutter, weniger der Vater meines Sohnes.

Genau das meinte meine Großmutter, als sie sagte: »Wenn nichts mehr wichtig ist, gibt es nichts zu retten.«

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Dank

Little, Brown war das perfekte Zuhause für dieses Buch und für mich. Ich möchte Michael Pietsch dafür danken, dass er von Anfang an und fortwährend an Tiere essen geglaubt hat; Geoff Shandler für seine Klugheit, Genauigkeit und seinen Humor; Liese Mayer für monatelange fundierte und vielseitige Hilfe; Michelle Aielli, Amanda Tobier und Heather Fain für ihre anscheinend endlose Kreativität, Energie und Offenheit.

Lori Glazer, Bridget Marmion, Debbie Engel und Janet Silver haben mich sehr ermutigt, als Tiere essen noch eine Idee war. Ich weiß nicht, ob ich das Selbstvertrauen gehabt hätte, an etwas zu arbeiten, das so sehr außerhalb meiner Komfortzone liegt, wäre da nicht ihre frühe Unterstützung gewesen.

Es ist nicht möglich, alle die zu nennen, die mir ihr Wissen und ihre Fachkenntnis zuteilwerden ließen, aber besonderen Dank schulde ich Diane und Marlene Halverson, Paul Shapiro, Noam Mohr, Miyun Park, Gowri Koneswaran, Bruce Friedrich, Michael Greger, Bernie Rollin, Daniel Pauly, Bill und Nicolette Niman, Patrick Martins, Ralph Meraz, der League of Independent Workers des San Joaquin Valley und allen Farmarbeitern, die mich gebeten haben, ihre Anonymität zu wahren.

Danielle Krauss, Matthew Mercier, Tori Okner und Johanna Bond haben mich in den letzten drei Jahren bei der Recherche unterstützt und waren unverzichtbare Partner.

Joseph Finnertys juristischer Blick gab mir die nötige Sicherheit, die Ergebnisse meiner Recherchen zu publizieren. Betsy Uhrigs Auge für große und kleine Fehler hat dieses Buch besser und genauer gemacht – alle Schnitzer gehen allein auf mich zurück.

Tom Mannings Kapitelüberschriften verleihen den statistischen Angaben eine Unmittelbarkeit und Schärfe, die Zahlen allein nicht vermitteln könnten. Sein Blick war eine enorme Hilfe.

Ich kann nicht sagen, in wievielerlei Hinsicht Ben Goldsmith von Farm Forward mir geholfen hat; sein Eintreten für eine humane Landwirtschaft hat unbedingten Vorbildcharakter.

Wie immer, war Nicole Aragi eine aufmerksame Freundin, eine aufmerksame Leserin und die denkbar beste Agentin.

Auf meiner Reise in das Land der Massentierhaltung wurde ich von Aaron Gross begleitet. Er war der Chewbacca zu meinem Han Solo, mein Bullwinkle, mein Jiminy Cricket. Mehr als alles aber war er ein guter Gesprächspartner und Berater, und obwohl dieses Buch das Protokoll einer sehr persönlichen Suche ist, hätte ich es nicht ohne ihn schreiben können. Wenn man über tierische Nahrungsmittel schreibt, gilt es nicht nur einen gewaltigen Berg an rein statistischem Material zu bedenken, sondern auch eine komplexe kulturelle und geistige Geschichte. Es gibt viele kluge Menschen, die schon über dieses Thema geschrieben haben – von alten Philosophen bis hin zu zeitgenössischen Wissenschaftlern. Durch Aarons Hilfe konnte ich mehr Stimmen einbeziehen, den Horizont des Buches erweitern und die einzelnen Fragen vertiefen. Er war nichts weniger als mein Partner. Es wird oft gesagt, dass dieses und jenes ohne Soundso nicht möglich gewesen wäre. Aber ohne Aaron hätte ich dieses Buch nicht geschrieben und nicht schreiben können. Er ist ein großer Denker, ein großer Kämpfer für artgerechte und humane Landwirtschaft und ein großer Freund.

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Anmerkungen

(Anmerkungen zur Sachlage in Deutschland finden Sie hier.)

Geschichten erzählen

Seite

11

Amerikaner essen … Berechnet auf der Basis von Daten aus François Couplan und James Duke, The Encyclopedia of Edible Plants of North America (CT: Keats Publishing, 1998); »Edible Medicinal and Useful Plants for a Healthier World«, Plants for a Future, http: / / www. pfaf. org/ leaflets/ edible_ uses. php (Stand 28. Mai 2010).

23

über 99 Prozent aller … Dies sind meine eigenen Berechnungen, die sich auf die aktuellsten erhältlichen Daten stützen. In den USA wird wesentlich mehr Geflügel zur Fleischerzeugung gehalten als jegliche andere Nutztiere, und das gesamte Mastgeflügel lebt praktisch in industriell geführten Großbetrieben. Hier die Prozentzahlen für die jeweiligen Betriebszweige:

Masthühnchen: 99,94 Prozent (nach Viehzählung 2007 und den Vorgaben der EPA, der amerikanischen Umweltschutzbehörde)

Legehühner: 96,57 Prozent (nach Viehzählung 2007 und den Vorgaben der EPA)

Truthähne: 97,43 Prozent (nach Viehzählung 2007 und den Vorgaben der EPA)

Schweine: 95,41 Prozent (nach Viehzählung 2007 und den Vorgaben der EPA)

Mastrinder: 78,2 Prozent (nach NASS-Bericht 2008)

Milchkühe: 60,16 Prozent (nach Viehzählung 2007 und Vorgaben der EPA).

Alles oder nichts oder etwas anderes

29

Moderne Angelschnüre … S. S. 221 f.

32

63 Prozent aller amerikanischen … American Pets Products Manufacturers Association (APPMA), 2007-2008, zitiert in: S. C. Johnson, »Photos: Americans Declare Love for Pets in National Contest«, Thomson Reuters, 15. April 2009, http: / / www. reuters. com/ article/ pressRelease/ idUS127052+ 15Apr- 2009+ PRN20090415 (Stand 5. Juni 2009).

Das Halten von Haustieren … Keith Vivian Thomas, Man and the Natural World: A History of the Modern Sensibility (New York: Pantheon Books, 1983), S. 119.

33

34 Milliarden Dollar für ihre … »Pets in America«, PetsinAmerica.org, 2005, http: / / www. petsinamerica. org/ thefutureofpets. htm (Stand 5. Juni 2009). Anmerkung: Das »Pets in America«-Projekt wird zusammen mit der »Pets in America«-Ausstellung im McKissick-Museum der University of South Carolina präsentiert.

die Verbreitung der Haustierhaltung … Thomas, Man and the Natural World, S. 119.

35

seine Kinder mit … »Mein größter Albtraum wäre es, wenn meine Kinder jemals zu mir kommen und sagen würden: ›Dad, ich bin Vegetarier.‹ Dann würde ich sie auf einen Elektrozaun setzen.« Victoria Kennedy, »Gordon Ramsay's Shocking Recipe for Raising Kids«, Daily Mirror, 25. April, 2007, http: / / www. mirror. co. uk/ celebs/ news/ 2007/ 04/ 25/ gordon- ramsay- s- shocking- recipe- for- raising- kids- 115875- 18958425/ (Stand 28. Mai 2010).

36

essen manchmal ihre Hunde … »Nachforschungen haben ergeben, dass Hundefleisch dort ein geschätztes Nahrungsmittel ist«, zitiert in: »Dog meat, a delicacy in Mizoram«, The Hindu, 20. Dezember 2004, http: / / www. hindu. com/ 2004/ 12/ 20/ stories/ 2004122003042000. htm (Stand 28. Mai 2010).

37

Grabstätten aus dem … »Wandmalereien in einer Grabstätte des Koguryo-Königreichs aus dem 4. Jahrhundert zeigen, wie Hunde zusammen mit Schweinen und Lämmern geschlachtet werden.« Rolf Potts, »Man Bites Dog«, Salon.com, 28. Oktober 1999, http: / / www. salon. com/ wlust/ feature/ 1998/ 10/ 28feature. html (Stand 28. Mai 2010).

das sinokoreanische Zeichen … Ebd.

Die Römer aßen … Calvin W. Schwabe, Unmentionable Cuisine (Charlottesville: University of Virginia Press, 1979), S. 168.

die Dakota-Indianer … Hernán Cortés, Letters from Mexico, (Übers. v. Anthony Pagden, New Haven, CT: Yale University Press, 1986), S. 103, 398.

noch vor gar nicht langer Zeit … S. Fallon und M. G. Enig, »Guts and Grease: The Diet of Native Americans«, Weston A. Price Foundation, 1. Januar 2000, http: / / www. westonaprice. org/ traditional_ diets/ native_ americans. html (Stand 23. Juni 2009).

Der mexikanische Nackthund … Schwabe, Unmentionable Cuisine, S. 168, 176.

Captain Cook aß Hundefleisch … Captain James Cook, Explorations of Captain James Cook in the Pacific: As Told by Selections of His Own Journals, 1768-1779, hg. v. Grenfell Price (Mineola, NY: Dover Publications, 1971), S. 291.

isst man immer noch Hunde … »Philippines Dogs: Factsheets«, Global Action Network, 2005, http: / / www. gan. ca/ campaigns/ philippines+ dogs/ fact- sheets. en. html (Stand 7. Juli 2009); »The Religious History of Eating Dog Meat«, dogmeattrade.com, 2007, http: / / www. dogmeattrade. com/ facts. html (Stand 28. Mai 2010).

in China und Korea als Medizin … Kevin Stafford, The Welfare of Dogs (New York: Springer, 2007), S. 14.

zur Steigerung der Libido … Senan Murray, »Dogs' dinners prove popular in Nigeria«, BBC News, 6. März 2007, http: / / news. bbc. co. uk/ 1/ hi/ world/ africa/ 6419041. stm (Stand 28. Juni 2009).

Die Chinesen haben … Schwabe, Unmentionable Cuisine, S. 168.

in vielen europäischen Ländern … Ebd., S. 173.

Drei bis vier Millionen … Humane Society of the United States, »Pet Overpopulation Estimates«, http: / / www. hsus. org/ pets/ issues_ affecting_ our_ pets/ pet_ overpopulation_ and_ ownership_ statistics/ hsus_ pet_ overpopulation_ estimates. html (Stand 28. Mai 2010).

38

Es werden doppelt so viele Hunde … »Animal Shelter Euthanasia«, American Humane Association, 2009, http: / / www. americanhumane. org/ about- us/ newsroom/ fact- sheets/ animal- shelter- euthanasia. html (Stand 28. Mai 2010).

39

Geschmorter Hund … »Ethnic Recipes: Asian and Pacific Island Recipes: Filipino Recipes: Stewed Dog (Wedding Style)«, Rezeptquelle: http: / / www. recipesource. com/ ethnic/ asia/ filipino/ 00/ rec0001. html (Stand 28. Mai 2010).

41

über 31 000 verschiedenen Arten … Die beeindruckende Webseite Fishbase.org katalogisiert 31 200 Arten mit 276 500 Trivialnamen aus diversen Sprachen. Fishbase, http: / / www. fishbase. org (Stand 28. Mai 2010).

Ich gehöre zu … »Fast alle weiblichen befragten Personen (99 Prozent) berichteten, dass sie häufig mit ihren Haustieren sprechen (gegenüber 95 Prozent der Männer), und eine erstaunliche Zahl von 93 Prozent Frauen glaubt, dass ihre Haustiere mit ihnen kommunizieren (gegenüber 87 Prozent der Männer).« Business Wire, »Man's Best Friend Actually Woman's Best Friend; Survey Reveals That Females Have Stronger Affinity for Their Pets Than Their Partners«, bnet, 30. März 2005, http: / / findarticles. com/ p/ articles/ mi_ m0EIN/ is_ 2005_ March_ 30/ ai_ n13489499/ (Stand 28. Mai 2010).

reagieren auf Geräusche … »Jungfische folgen den Gurgel- und Zischgeräuschen eines Korallenriffs und finden es auf diese Weise. So kann beispielsweise das Geräusch zuschnappender Garnelen (es klingt wie brutzelnder Speck) noch 20 Kilometer weiter aufgefangen werden.« Staff, »Fish Tune Into the Sounds of the Reef«, New Scientist, 16. April 2005, http: / / www. newscientist. com/ article/ mg18624956. 300- fish- tune- into- the- sounds- of- the- reef. html (Stand 28. Mai 2010).

aufgrund ihrer kolossalen Kraft … Richard Ellis, Der lebendige Ozean. Nachrichten aus der Wasserwelt (Übers. v. Olaf Kanter, Hamburg: Mare, 2006), S. 24. Ellis zitiert Robert Morgan, World Sea Fisheries (New York: Pitman, 1955), S. 106.

42

»Wenn es möglich ist …« J. P. George, Longline Fishing (Rom: Food and Agriculture Organization of the United Nations, 1993), S. 79.

Früher mussten die Fischer … Ellis, Der lebendige Ozean, S. 24, 222.

44

über 140 Milliarden Dollar … »Zusätzlich zu den 142 Milliarden Dollar Umsatz erzeugt dieser Industriezweig auch noch eine millionenschwere Wertschöpfung aus Gütern und Dienstleistungen in den angegliederten Sektoren wie Verpackung, Transport, Herstellung und Einzelhandel.« American Meat Institute, »The United States Meat Industry at a Glance: Feeding Our Economy«, meatAMI.com, 2009, http: / / www. meatami. com/ ht/ d/ sp/ i/ 47465/ pid/47465/#feedingoureconomy (Stand 28. Mai 2010).

die fast ein Drittel … Food and Agriculture Organization of the United Nations, Livestock, Environment and Development Initiative, »Livestock's Long Shadow: Environmental Issues and Options«, Rom, 2006, XXI, ftp: / / ftp. fao. org/ docrep/ fao/ 010/ a0701e/ a0701e00. pdf (Stand 28. Mai 2010).

marine Ökosysteme formt … Wie gesund ein Ozean ist, ist schwierig zu messen, aber mit einer aussagekräftigen neuen Statistik, dem MTI (Marine Trophic Index, Meeres-Trophie-Index), können Wissenschaftler nun ganz gute Schnappschüsse vom Zustand des Lebens im Meer machen. Schöne Bilder sind es allerdings nicht. Stellen Sie sich vor, jedem Lebewesen im Meer wird eine bestimmte »Trophiestufe« zwischen 1 und 5 zugeordnet, die kennzeichnet, wo dieses Wesen in der Nahrungskette steht. Die Zahl 1 wird den Pflanzen zugeordnet, die die Basis des Nahrungsnetzes im Meer bilden. Den Tieren, die die Pflanzen fressen, wie die winzigen Planktontierchen, wird die Trophiestufe 2 zugeordnet. Die Lebewesen, die dieses Plankton fressen, stellen Trophiestufe 3 dar, und so weiter. Die Raubtiere ganz an der Spitze wären der Stufe 5 zuzuordnen. Wenn man nun alle Lebewesen im Meer mit ihren Trophiestufen zählt, könnte man eine Durchschnitts-Trophiestufe für das Leben im Meer berechnen - dann hätte man eine Art raschen Überblick über alle Meeresbewohner zusammengenommen. Und genau diese überschlägige Berechnung bietet der MTI. Ein höherer MTI steht für längere, stärker verzweigte Nahrungsketten und für Meere, in denen es nur so vor Lebewesen wimmelt. Wäre der Ozean beispielsweise ausschließlich von Pflanzen besiedelt, so hätte er einen MTI von 1. Gäbe es nur Pflanzen und Plankton, läge der MTI irgendwo zwischen 1 und 2. Wenn die Meere stärker verzweigte Nahrungsnetze mit einer größeren Vielfalt an Lebewesen aufweisen, steigt der MTI entsprechend. Es gibt keinen richtigen oder falschen MTI, aber wenn der MTI ständig fällt, ist das eine schlechte Nachricht: schlecht für die Menschen, die Fisch essen, und schlecht für die Fische selbst. Seit den 1950er-Jahren, seit der Etablierung industrieller Fischereitechniken, fällt der MTI laufend. Daniel Pauly und Jay McLean, In a Perfect Ocean (Washington, DC: Island Press, 2003), S. 45-53.

womöglich über die Zukunft … Der landwirtschaftliche Nutztiersektor ist der größte einzelne Verursacher von Treibhausgasen. Food and Agriculture Organization, »Livestock's Long Shadow«, XXI, 112, 267; Pew Charitable Trusts, Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health, und Pew Commission on Industrial Animal Production, »Putting Meat on the Table: Industrial Farm Animal Production in America«, 2008, http: / / www. ncifap. org/ (Stand 28. Mai 2010).

45

Auf zehn Thunfische … R. A. Myers und B. Worm, »Extinction, Survival, or Recovery of Large Predatory Fishes«, Philosophical Transactions of the Royal Society of London Series B - Biological Sciences, 29. Januar 2005, S. 13-20, http: / / www. pubmedcentral. nih. gov/ articlerender. fcgi? artinstid= 163 (Stand 24. Juni 2009).

Viele Wissenschaftler sagen … Boris Worm u. a., »Impacts of Biodiversity Loss on Ocean Ecosystem Services«, Science, 3. November 2006, http: / / www. sciencemag. org (Stand 28. Mai 2010).

Forscher vom Fisheries Centre … D. Pauly u. a., »Global Trends in World Fisheries: Impacts on Marine Ecosystems and Food Security«, Royal Society, 29. Januar 2005, http: / / www. pubmedcentral. nih. gov/ articlerender. fcgi? artid= 1636108 (Stand 23. Juni 2009).

450 Milliarden Landtiere … Laut Statistik der FAO (einzusehen bei http: / / faostat. fao. org/ site/ 569/ DesktopDefault. aspx? PageID= 569# ancor) sind von den etwa 60 Milliarden Nutztieren, die jährlich gehalten werden, über 50 Milliarden Masthähnchen, die praktisch immer aus Massentierhaltung stammen. Dies liefert eine ungefähre Vorstellung für die Anzahl der Tiere, die weltweit jährlich in Massentierhaltung produziert werden.

99 Prozent aller … S. Anm. zu S. 23.

46

funken Informationen in … Stephen Sloan, Ocean Bankruptcy (Guilford; CT: Lyons Press, 2003), S. 75.

die 1,4 Milliarden Haken … L. Lewison u. a., »Quantifying the effects of fisheries on threatened species: the impact of pelagic longlines on loggerhead and leatherback sea turtles«, Ecology Letters 7, Nr. 3 (2004), S. 225.

46

an denen jeweils … »Diese Nebenleine ist mit Haken versehen, an denen als Köder Tintenfisch, Fisch oder in einigen uns bekannten Fällen auch frisches Delfinfleisch hängt«, zitiert in »What is a Longline?« Sea Shepherd Conservation Society, 2009, http: / / www. seashepherd. org/ sharks/ longlining. html (Stand 28. Mai 2010).

die 1200 Netze … Ellis, Der lebendige Ozean, S. 31.

47

Vermögen eines einzigen Schiffes … J. A. Koslow und T. Koslow, The Silent Deep: The Discovery, Ecology and Conservation of the Deep Sea (Chicago: University of Chicago Press, 2007), S. 131, 198.

Kriegstechnologie … Ebd., S. 199.

seit den 1990er-Jahren … Sloan, Ocean Bankruptcy, S. 75.

48

Scham … Die Überlegungen zu Benjamin, Derrida und Kafka in diesem Abschnitt gehen auf Gespräche mit dem Religionsprofessor und Kritischen Theoretiker Aaron Gross zurück.

Da sprach er … Max Brod, Über Franz Kafka, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1974, S. 70.

50

ein ungleicher Kampf … Jacques Derrida, The Animal That Therefore I Am, hg. v. Marie-Louise Mallet u. übers. v. David Wills (New York: Fordham University Press, 2008), S. 28, 29.

51

Seepferdchen gibt es … Ellis, Der lebendige Ozean, S. 121.

Unser Wunsch … Ebd., S. 120-123.

Mehr als die meisten anderen Tiere … Sämtliche Informationen über Seepferdchen aus »Sea Horse«, Encyclopædia Britannica Online, 2009, http: / / www. britannica. com/ Ebchecked/ topic/ 664988/ seah- horse (Stand 7. Juli 2009); Environmental Justice Foundation Charitable Trust, Squandering the Seas: How Shrimp Trawling Is Threatening Ecological Integrity and Food Security Around the World (London: Environmental Justice Foundation, 2003), S. 18; Richard Dutton, »Bonaire's Famous Seahorse Is the Holy Grail of Any Scuba Diving Trip«, http: / / bonaireunderwater. info/ imgpages/ bonaire_ seahorse. html (Stand 28. Mai 2010).

52

20 der rund … Aufgelistet in Environmental Justice Foundation, Squandering the Seas, S. 18.

Seepferdchen sind eine … »Report for Biennial Period, 2004-2005«, Teil I, Bd. 2, International Commission for the Conservation of Atlantic Tunas, Madrid, 2005, http: / / www. iccat. int/ en/ pubs_ biennial. htm (Stand 28. Mai 2010).

Der Garnelenfang wirkt sich … Environmental Justice Foundation, Squandering the Seas, S. 19.

Worte / Bedeutung

55

Die landwirtschaftliche Nutztierhaltung trägt … S. S. 89.

57

Anthropomorphismus ist ein Risiko … E. Cenami Spada, »Amorphism, mechanomorphism, and anthropomorphism«, in Anthropomorphism, Anecdotes, and Animals, hg. v. R. W. Mitchell u. a. (Albany, NY: SUNY Press, 1997), S. 37-49.

60

Ein durchschnittlicher Garnelenkutter … Environmental Justice Foundation Charitable Trust, Squandering the Seas: How Shrimp Trawling Is Threatening Ecological Integrity and Food Security Around the World (London: Environmental Justice Foundation, 2003), S. 12.

Garnelen machen, auf das Gewicht … Ebd.

in Indonesien gefangenen Garnelen … Ebd.

Zu den anderen 145 Arten … »Report for Biennial Period, 2004-2005«, Teil I, Bd. 2, International Commission for the Conservation of Atlantic Tunas, Madrid, 2005, S. 206, http: / / www. iccat. int/ en/ pubs_ biennial. htm (Stand 28. Mai 2010).

Mantarochen, Teufelsrochen … International Commission for the Conservation of Atlantic Tunas, »Bycatch Species«, März 2007, http: / / www. iccat. int/ en/ bycatchspp. htm (Stand 28. Mai 2010).

61

Biologisch … »The Issues: Organic«, Sustainable Table, http: / / www. sustainabletable. org/ issues/ organic/ (Stand 1. April 2010); »Fact Sheet: Organic Labeling and Marketing Information«, USDA Agricultural Marketing Service, http: / / www. ams. usda. gov/ AMSv1. 0/ getfile? dDocName= STELDEV3004446% 26acct= nopgeninfo (Stand 1. April 2010).

63

Aufgrund der CFEs … Nevada CFE, »Chapter 574 - Cruelty to Animals: Prevention and Punishment«, NRS 574.200, 2007, http: / / leg. state. nv. us/ NRS/ NRS- 574. html# NRS574Sec200 (Stand 28. Mai 2010).

Manche Staaten erlassen … D. J. Wolfson und M. Sullivan, »Foxes in the Henhouse«, in Animal Rights: Current Debates and New Directions, hg. v. C. R. Sunstein und M. Nussbaum (Oxford: Oxford University Press, 2005), S. 213.

64

bei Rindern geht man … von geschätzten … D. Hansen und V. Bridges, »A survey description of down-cows and cows with progressive or non-progressive neurological signs compatible with a TSE from veterinary client herd in 38 states«, Bovine Practitioner 33, Nr. 2 (1999), S. 179-187.

66

»Zugang ins Freie« … »Meat and Poultry Labeling Terms«, USDA, Food Safety and Inspection Service, 24. August 2006, http: / / www. fsis. usda. gov/ FactSheets/ Meat_ % 26_ Poultry_ Labeling_ Terms/ index. asp (Stand 23. März 2010).

Das amerikanische Agrarministerium hat für Legehennen … Federal Register 73, Nr. 198 (10. Oktober 2008), S. 60228-60230, http: / / www. fsis. usda. gov/ OPPDE/ rdad/ FRPubs/ 2008- 0026. htm (Stand 23. März 2010).

Legehennen entschnabelt, unter … Eine erhellende Erläuterung der verschiedenen vom USDA verliehenen Etiketten liefert die HSUS: »Egg Carton Labels: A Brief Guide to Labels and Animal Welfare«, März 2009, http: / / www. humanesociety. org/ issues/ confinement_ farm/ facts/ guide_ egg_ labels. html (Stand 23. März 2010).

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Nach Vorgabe des amerikanischen Agrarministeriums … »Für den Verbraucher bedeutet ›frisch‹, dass ganze Tiere oder Geflügelteile niemals unter -4 Grad gekühlt worden sind.« USDA, Food Safety and Inspection Service, »The Poultry Label Says Fresh«, http: / / www. fsis. usda. gov/ PDF/ Poultry_ Label_ Says_ Fresh. pdf (Stand 23. März 2010).

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Tauben folgen großen … Die Taubenstudie wurde an der Universität Oxford durchgeführt und wird in Jonathan Balcombes Buch Tierisch vergnügt. Ein Verhaltensforscher entdeckt den Spaß im Tierreich (Übers. v. Wolfgang Hensel, Stuttgart: Kosmos 2007), S. 69 f. besprochen.

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Gilbert White schrieb … Lyall Watson, The Whole Hog (Washington, DC: Smithsonian Books, 2004), S. 177.

Wissenschaftler haben eine … Schweine kommunizieren mithilfe von Kiefermahlen, Zähneklacken, Grunzen, Brüllen, Quieken, Knurren und Schnauben. Nach Angaben des höchst renommierten Ethologen Marc Bekoff zeigen Schweine ihre Absicht, mit einem anderen Schwein zu spielen, durch Körpersprache an, nämlich durch »Spielsignale wie hüpfendes Rennen und das Verdrehen des Kopfes«. Marc Bekoff, Das Gefühlsleben der Tiere (Übers. v. Elke Franz, Bernau: Animal Learn Verlag 2008), S. 122; Humane Society of the United States, »More About Pigs«, http: / / www. humanesociety. org/ animals/ pigs/ pigs_ more. html# smart (Stand 23. März 2010).

Schweine kommen, wenn man … Wir wissen auch, dass Muttersauen nach ihren Ferkeln grunzen, wenn es Zeit zum Säugen ist, und dass die Ferkel ihre Mütter mit einem bestimmten Ruf alarmieren, wenn sie von ihr getrennt werden. Peter-Christian Schön u. a., »Common Features and Individual Differences in Nurse Grunting of Domestic Pigs (Sus scrofa ): A Multi-Parametric Analysis«, Behaviour 136, Nr. 1 (Januar 1999), S. 49-66; http: / / www. humanesociety. org/ animals/ pigs/ pigs_ more. html# smart (Stand 23. März 2010).

spielen mit Spielzeugen … Temple Grandin hat gezeigt, dass Schweine nicht nur Spielzeug mögen, sondern auch »eindeutige Spielzeugvorlieben« entwickeln. Temple Grandin, »Environmental Enrichment for Confinement Pigs«, Livestock Conservation Institute, 1988, http: / / www. grandin. com/ references/ LCIhand. html (Stand 23. März 2010). Weitere Beispiele für das Spielen von Schweinen bei Bekoff, Das Gefühlsleben der Tiere, S. 122.

Schweinen in Not … Es ist dokumentiert worden, dass auch Wildschweine nicht mit ihnen verwandten erwachsenen Wildschweinen zu Hilfe eilen, wenn diese Notrufe ausstoßen. Bekoff, Das Gefühlsleben der Tiere, S. 49.

Sie lernten die Spiele … Lisa Duchene, »Are Pigs Smarter Than Dogs?«, Research Penn State, 8. Mai 2006, http: / / www. rps. psu. edu/ probing/ pigs. html (Stand 23. März 2010).

die Riegel öffnen … Ebd.

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lediglich 70 Fachartikel … K. N. Laland u. a., »Learning in Fishes: From three-second memory to culture«, Fish and Fisheries 4, Nr. 3 (2003), S. 199-202.

mehr als 640 … Eine grobe Schätzung, die auf einer Schnellsuche im ISI Web of Knowledge (http: / / isiwebofknowledge. com) und einer Durchsicht von über 350 Abstracts basiert.

Fische bauen komplexe Nester … »Viele Fische bauen Nester zur Aufzucht ihrer Jungen, genau wie Vögel; andere leben permanent in einem festen Bau oder halten sich in bestimmten Verstecken auf. Doch wie kann das gelingen, wenn man zur Futtersuche ständig unterwegs sein muss? Der Braune Bäumchenlippfisch baut sich jeden Abend ein neues Heim aus Bruchsteinen vom Meeresboden. Wenn der Bau fertig ist, legt der Lippfisch sich schlafen und verlässt den Bau am nächsten Morgen wieder.« Culum Brown, »Not Just a Pretty Face«, New Scientist, Nr. 2451 (2004), S. 42.

gehen monogame Beziehungen ein … Beispielsweise bilden »die meisten Grundel-Gattungen monogame Brutpaare«. M. Wall und J. Herler, »Postsettlement movement patterns and homing in a coral-associated fish«, Behavioral Ecology, 23. August 2008, http: / / beheco. oxfordjournals. org/ cgi/ content/ full/ arn118/ DC1 (Stand 23. März 2010).

jagen zusammen mit … Laland u. a., »Learning in Fishes«, S. 199-202. Laland u. a. zitieren M. Milinski u. a., »Tit for Tat: Sticklebacks, Gasterosteus aculeatus, ›trusting‹ a cooperative partner«, Behavioural Ecology 1 (1990), S. 7-11; M. Milinski u. a., »Do sticklebacks cooperate repeatedly in reciprocal pairs?«, Behavioral Ecology and Sociobiology 27 (1990): S. 17-21; L. A. Dugatkin, Cooperation Among Animals (New York: Oxford University Press, 1997).

benutzen Hilfsmittel … »Der oben beschriebene Gebrauch eines Steins als Amboss, um Krustentiere aufzubrechen, ist ein eindeutiger Fall von Materialverwendung. Der eng gefassten Definition von Werkzeuggebrauch - dass ein Tier ein externes Objekt selbst bewegen und einsetzen muss, um ein unmittelbares Ziel zu erreichen (Beck 1980) - wird der Gebrauch jedoch nicht gerecht. Ein besser zu dieser Definition passendes Beispiel ist die Verwendung von Blättern als Tabletts, um bei Gefahr Eier in Sicherheit zu bringen, wie das bei südamerikanischen Buntbarschen nachgewiesen wurde (Timms und Keenleyside 1975; Keenleyside und Prince 1976). Die Panzerwelsart Hoplosternum thoracatum klebt ihre Eier ebenfalls an Blätter und transportiert sie mit diesem ›Kinderwagen‹ ins Schaumnest, wenn die Blätter sich lösen (Armbrust 1958).« R. Bshary u. a., »Fish Cognition: A primate eye's view«, Animal Cognition 5, Nr. 1 (2001), S. 1-13.

Sie erkennen einander … P. K. McGregor, »Signaling in territorial systems - a context for individual identification, ranging and eavesdropping«, Philosophical Transactions of the Royal Society of London Series B - Biological Sciences 340 (1993), S. 237-244; Bshary u. a., »Fish Cognition,« S. 1-13; S. W. Griffiths, »Learned recognition of conspecifics by fishes«, Fish and Fisheries 4 (2003): S. 256-268, zitiert in Laland u. a., »Learning in Fishes,« S. 199-202.

treffen individuelle Entscheidungen … »Fische sind ebenso intelligent wie Ratten. … Dr. Mike Webster von der St Andrews University hat entdeckt, dass Fische in Gefahr ein hohes Maß an Intelligenz aufweisen … Dr. Webster führte eine Reihe von Experimenten durch, um zu zeigen, wie Elritzen mithilfe von Techniken des sozialen Lernens Beutejägern entkommen. Er fand heraus, dass ein einzelner Fisch, durch eine transparente Kunststoffwand vom Schwarm getrennt, ohne äußere Bedrohung seine eigenen Entscheidungen traf. Sobald jedoch ein Raubfisch ins gemeinsame Becken gesetzt wurde, richtete sich der einzelne Fisch bei allen Handlungen nach dem Verhalten der anderen Tiere. Der Biologe meinte dazu: ›Diese Experimente liefern klare Beweise dafür, dass Elritzen sich immer stärker auf soziales Lernen als Entscheidungsgrundlage verlassen, je größer die wahrgenommene Bedrohung durch einen Beutejäger wird.‹« Sarah Knapton, »Scientist finds fish are as clever as mammals«, telegraph.co.uk, 29. August 2008, http: / / www. telegraph. co. uk/ science/ science- news/ 3350592/ Scientist- finds- fish- are- as- clever- as- mammals. html (Stand 23. März 2010).

kennen Sozialprestige … Laland u. a., »Learning in Fishes«, S. 199-202. Laland u. a. zitieren McGregor, »Signaling in territorial systems«, S. 237-244 ; Bshary u. a., »Fish Cognition«, S. 1-13; Griffiths, »Learned recognition of conspecifics by fishes«, S. 256-268.

»machiavellistische Strategien …« Laland u. a., »Learning in Fishes«, S. 199-202. Laland u. a. zitieren Bshary u. a., »Fish Cognition«, S. 113; R. Bshary und M. Wurth, »Cleaner fish Labroides dimidiatus manipulate client reef fish by providing tactile stimulation«, Proceedings of the Royal Society of London Series B - Biological Sciences 268 (2001), S. 1495-1501.

bedeutendes Langzeitgedächtnis … »Im Jahr 2001 veröffentlichte ich einen Artikel in Animal Cognition (Bd. 4, S. 109), in dem ich das Langzeitgedächtnis des australischen, in Süßwasser lebenden Regenbogenfisches erörterte. Die Fische wurden darauf trainiert, ein Loch in einem Netz zu lokalisieren, das sich im Aquarium auf sie zubewegte. Nach etwa elf Monaten wurden sie erneut getestet, und die Fähigkeit, durchs Netz zu schlüpfen, war ungemindert, obwohl sie die Vorrichtung in der Zwischenzeit nicht zu Gesicht bekommen hatten. Nicht schlecht für einen Fisch, der in freier Wildbahn nur zwei bis drei Jahre alt wird.« Brown, »Not Just a Pretty Face«, S. 42.

sind versiert darin, Wissen … Laland u. a., »Learning in Fishes«, S. 199-202.

Sie haben sogar … Ebd.

74

Lateralisation von Vogelhirnen … Lesley J. Rogers, Minds of Their Own (Boulder: Westview Press, 1997), S. 124-129; Balcombe, Tierisch vergnügt, S. 41, 43-44.

Inzwischen ist sich die Wissenschaft … Rogers, Minds of Their Own, S. 124-129.

sei erwiesen, so Rogers … Lesley J. Rogers, The Development of Brain and Behavior in the Chicken (Oxford: CABI, 1996), S. 217. Eine aktuelle Untersuchung stützt diese Ansicht. Der renommierte Ethologe Peter Marler hat vor Kurzem die existierende Forschungsliteratur zur sozialen Kognition bei nicht menschlichen Primaten und Vögeln ausgewertet; seine Ergebnisse bestärkten Rogers' Beobachtung und veranlassten ihn zu der These, die Forschungsliteratur zeige mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede zwischen den Verstandesfunktionen von Vögeln und Primaten auf. Balcombe, Tierisch vergnügt, S. 69.

dass sie über ein komplexes … Rogers, Minds of Their Own, S. 74.

Wie Fische können auch Hühner … In einigen Studien lernten verletzte Vögel, mit Schmerzmitteln versetztes Futter zu erkennen (und bevorzugten es fortan). In anderen Studien lernten Hühner, blau gefärbtes Futter zu meiden, dem Übelkeit erregende Chemikalien beigemischt waren. Selbst als die Chemikalien nicht mehr im Futter waren, brachten Mutterhennen ihren Küken immer noch bei, das blaue Futter zu meiden. Da weder die Schmerzlinderung noch die Übelkeit sofort eintraten, war eine beeindruckende analytische Leistung vonnöten, um das Futter als Ursache auszumachen. Bekoff, Das Gefühlsleben der Tiere, S. 70.

Außerdem betrügen sie … Hähne rufen, wenn sie Futter gefunden haben, einer von ihnen umworbenen Henne ein Futtersignal zu. Meistens kommt die Henne sofort angelaufen. Manche Hähne stoßen jedoch gelegentlich den Futterruf aus, wenn gar kein Futter vorhanden ist, worauf die Henne dennoch angelaufen kommt (wenn sie so weit entfernt war, dass sie den angeblichen Fundort nicht sehen konnte). Rogers, Minds of Their Own, S. 38; Balcombe, Tierisch vergnügt, S. 67 f.

können Bedürfnisbefriedigung aufschieben … Als Hühner beispielsweise mit einer kleinen Futtermenge belohnt wurden, wenn sie auf einen Hebel pickten, jedoch mit einer größeren Menge, wenn sie 22 Sekunden warteten, lernten sie in 90 Prozent der Fälle zu warten. (Die übrigen 10 Prozent waren anscheinend eher ungeduldig oder wollten einfach lieber gleich eine kleine Belohnung.) Balcombe, Tierisch vergnügt, S. 256.

dass Vogelhirne Informationen … Ebd., S. 69.

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0,043 Quadratmeter Bodenraum … Die United Egg Producers empfehlen, dass man Legehennen mindestens 0,043 Quadratmeter Bodenraum pro Henne zugesteht. Berichten der HSUS zufolge gilt dies als das übliche Minimum. »United Egg Producers Animal Husbandry Guidelines for U. S. Egg Laying Flocks«, United Egg Producers Certified (Alpharetta, GA: United Egg Producers, 2008), http: / / www. uepcertified. com/ program/ guidelines/ (Stand 28. Mai 2010); »Cage-Free Egg Production vs. Battery-Cage Egg Production«, Humane Society of the United States, 2009, http: / / www. hsus. org/ farm/ camp/ nbe/ compare. html (Stand 23. Juni 2009).

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