Vierter Teil. Hazel-rah

39. Die Brücken


Bootsmann, tanze, Bootsmann, singe,

Bootsmann, tu fast alles,

Tanze, Bootsmann, tanze.

Tanze die ganze Nacht bis zum hellen Tageslicht,

Geh mit den Mädchen morgens nach Hause.

He, ho, Bootsmann, rudere,

Segelst flußabwärts auf Ohio zu.

Amerikanisches Volkslied


Auf beinahe jedem anderen Fluß hätte Blackberrys Plan nicht funktioniert. Der Stechkahn hätte das Ufer nicht verlassen, und wenn, wäre er auf Grund gelaufen oder durch Unkraut oder ein anderes Hindernis gestoppt worden. Aber hier, auf dem Test, gab es keine Zweige unter Wasser und keine Sandbänke oder Unkrautbetten über der Wasseroberfläche. Zwischen den Ufern floß die Strömung regelmäßig und unverändert im Tempo eines Spaziergängers dahin. Das Boot glitt sanft flußabwärts, ohne die Geschwindigkeit zu ändern, die es wenige Meter nach Ablegen vom Ufer gewonnen hatte.

Die meisten Kaninchen hatten kaum eine Vorstellung von dem, was da geschah. Die Efrafa-Weibchen hatten noch nie einen Fluß gesehen, und es wäre bestimmt hoffnungslos gewesen, wenn Pipkin oder Hawkbit versucht hätten, ihnen zu erklären, daß sie auf einem Boot waren. Sie - und beinahe alle anderen - hatten einfach Hazel vertraut und getan, was ihnen befohlen worden war. Aber alle - Rammler wie Weibchen - merkten, daß Woundwort und seine Anhänger verschwunden waren. Müde von allem, was sie durchgemacht hatten, hockten die durchnäßten Kaninchen stumm herum, unfähig eines anderen Gefühls als dumpfer Erleichterung, jedoch ohne die Kraft, sich zu fragen, was als nächstes passieren würde.

Daß sie überhaupt Erleichterung empfanden - dumpf oder nicht -, war unter den Umständen bemerkenswert und bewies, wie wenig sie ihre Lage begriffen und welche Furcht Woundwort ihnen einflößen konnte; denn ihre Rettung vor ihm erschien ihnen als einziger Glücksfall. Der Regen fiel nach wie vor. Schon so naß, daß sie es gar nicht mehr spürten, zitterten sie trotzdem vor Kälte und litten unter dem Gewicht ihres durchnäßten Fells. Das Boot hielt über einen Zentimeter Regenwasser. Das kleine gerippte Bodenbrett schwamm schon. Einige Kaninchen waren in der ersten Verwirrung, als sie in das Boot sprangen, im Wasser gelandet, aber jetzt hatten sich alle daraus befreit - die meisten entweder zum Bug oder zum Heck hin, obgleich Thethuthinnang und Speedwell auf der schmalen Ruderbank mittschiffs hockten. Zu ihrem körperlichen Unbehagen kam hinzu, daß sie sich ausgesetzt und hilflos fühlten. Schließlich gab es keine Möglichkeit, den Kahn zu lenken, und sie wußten nicht, wohin sie trieben. Aber dies waren Schwierigkeiten, die niemand außer Hazel, Fiver und Blackberry begriffen.

Bigwig war neben Hazel zusammengebrochen und lag erschöpft auf der Seite. Der fiebrige Mut, der ihn von Efrafa zum Fluß getrieben hatte, war verschwunden, und seine verwundete Schulter schmerzte jetzt heftig. Trotz des Regens und des klopfenden Pulses in seinem Vorderlauf hätte er schlafen können, wo er war, auf den Planken ausgestreckt. Er öffnete die Augen und blickte zu Hazel auf.

»Ich könnte es nicht noch einmal machen, Hazel«, sagte er.

»Das brauchst du auch nicht«, erwiderte Hazel.

»Es war eine riskante Sache, weißt du«, sagte Bigwig. »Eine Chance eins zu tausend.«

»Unsere Kindeskinder werden eine gute Geschichte hören«, antwortete Hazel, ein Kaninchen-Sprichwort zitierend. »Wie hast du dir diese Wunde zugezogen? Sie sieht scheußlich aus.«

»Ich kämpfte mit einem Mitglied der Ratspolizei«, sagte Bigwig.

»Mit wem?« Der Ausdruck »Owslafa« war Hazel unbekannt.

»Ein dreckiges kleines Biest wie Hufsa«, sagte Bigwig.

»Hast du ihn besiegt?«

»O ja - sonst wäre ich nicht hier. Ich denke, er hat aufgehört zu rennen. Übrigens, Hazel, nun haben wir die Weibchen. Wie geht es jetzt weiter?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Hazel. »Wir brauchen eines dieser schlauen Kaninchen, um uns das zu sagen. Und Kehaar - wo ist er hin? Er soll doch über dieses Ding hier, auf dem wir sitzen, Bescheid wissen.«

Dandelion, der neben Hazel hockte, stand bei der Erwähnung der »schlauen Kaninchen« auf, überquerte den wasserbedeckten Boden und kehrte mit Blackberry und Fiver zurück.

»Wir fragen uns alle, was wir als nächstes tun sollen«, sagte Hazel.

»Nun«, meinte Blackberry, »ich nehme an, daß wir bald an die Böschung treiben, und dann können wir hinausschlüpfen und Schutz suchen. Aber es schadet nichts, wenn wir uns recht weit von Bigwigs Freunden entfernen.«

»Doch«, sagte Hazel. »Wir sind hier jedermann sichtbar eingesperrt und können nicht wegrennen. Wenn ein Mensch uns sieht, sind wir in Schwierigkeiten.«

»Menschen mögen den Regen nicht«, sagte Blackberry. »Ich auch nicht, nebenbei bemerkt, aber er gibt uns im Augenblick eine gewisse Sicherheit.«

In diesem Augenblick sprang Hyzenthlay, die hinter ihm saß, auf und blickte hoch.

»Entschuldigt, Sir, daß ich Euch unterbreche«, sagte sie, als spräche sie zu einem Offizier in Efrafa, »aber der Vogel -der weiße Vogel -, er kommt auf uns zu.«

Kehaar flog flußaufwärts im Regen auf sie zu und ließ sich an der Schmalseite des Kahns nieder. Die ihm am nächsten sitzenden Weibchen fuhren nervös zurück.

»Miiister Hazel«, sagte er, »Brücke kommen. Du Brücke sehen?« - Keinem der Kaninchen war bewußt geworden, daß sie neben dem Pfad trieben, den sie einige Zeit zuvor heraufgekommen waren, ehe der Sturm losbrach. Sie befanden sich gegenüber der Pflanzenhecke auf der Böschung, und der ganze Fluß wirkte anders. Aber jetzt sahen sie, nicht weit voraus, die Brücke, die sie überquert hatten, als sie zum erstenmal vor vier Abenden zum Test kamen. Sie erkannten sie sofort, denn sie sah von hier genauso aus wie von der Böschung.

»Vielleicht ihr gehen unter durch, vielleicht nicht«, sagte Kehaar. »Aber ihr bleiben sitzen, iist Ärger.«

Die Brücke spannte sich zwischen zwei niedrigen Stützpfeilern von einer Böschung zur anderen. Sie war nicht gewölbt. Die aus Eisenträgern gebildete Unterseite war vollkommen gerade und verlief in einem Abstand von etwa zwanzig Zentimetern parallel zur Wasseroberfläche.

Gerade noch zur rechten Zeit begriff Hazel, was Kehaar meinte. Wenn das Boot die Brücke passierte, ohne hängenzubleiben, würde das nur um eine Klauenbreite der Fall sein. Jedes Geschöpf, das die Seitenhöhe überragte, würde heruntergestoßen und vielleicht in den Fluß gestürzt werden. Er huschte durch das warme Bilgenwasser zum anderen Ende und drängte sich zwischen den nassen, wimmelnden Kaninchen durch.

»Runter auf den Boden! Runter auf den Boden!« rief er. »Silver, Hawkbit - alle. Kümmert euch nicht ums Wasser. Du und du - wie heißt du? Oh, Blackavar, nicht wahr -, schafft alle auf den Boden. Schnell.«

Wie Bigwig stellte er fest, daß die Efrafa-Kaninchen ihm sofort gehorchten. Er sah Kehaar von seiner Sitzstange hochfliegen und über dem Holzgeländer verschwinden. Die Betonpfeiler ragten an jeder Böschung ein Stück vor, so daß der verengte Fluß unter der Brücke etwas schneller dahinfloß. Der Kahn war mit der Breitseite angetrieben, jetzt aber schwang ein Ende vor, so daß Hazel über die Richtung im Ungewissen war und nicht mehr zur Brücke, sondern zur Böschung blickte. Als er zögerte, schien die Brücke als dunkle Masse auf ihn zuzukommen, wie Schnee von einem Zweig gleitet. Er drückte sich in den Kielraum. Es gab ein Gekreisch, und ein Kaninchen purzelte auf ihn. Dann zitterte ein schwerer Schlag durch die Länge des Bootes, und seine sanfte Bewegung wurde aufgehalten. Es folgte ein hohles Kratzgeräusch. Dann wurde es dunkel, und ein Dach tauchte sehr dicht über ihm auf. Einen Augenblick hatte Hazel den vagen Eindruck, daß er sich unter der Erde befände. Dann verschwand das Dach wieder, das Boot glitt weiter, und er hörte Kehaar rufen. Sie waren unter der Brücke durch und trieben nach wie vor flußabwärts.

Das Kaninchen, das auf ihn gepurzelt war, war Acorn. Er war von der Brücke gestoßen worden, und der Schlag hatte ihn weggewischt. Jedoch schien er, obgleich er betäubt war und blaue Flecken hatte, einer Verletzung entgangen zu sein.

»Ich war nicht schnell genug, Hazel-rah«, sagte er. »Ich sollte ein Weilchen nach Efrafa gehen.«

»Das wäre nutzlos«, sagte Hazel. »Aber ich fürchte, da drüben am anderen Ende hat jemand nicht soviel Glück gehabt.«

Eines der Weibchen hatte vor dem Bilgenwasser zurückgescheut, und der stromaufwärts gerichtete Träger unter der Brücke hatte es am Rücken erwischt. Es war klar, daß es verletzt war, wie schwer, konnte Hazel jedoch nicht sagen. Er sah Hyzenthlay neben ihr, und es schien ihm, daß es wahrscheinlich am besten wäre, sie allein zu lassen, da er doch nicht helfen konnte. Er blickte sich unter seinen verschmutzten, zitternden Kameraden um und sah dann Kehaar an, der sauber und munter auf dem Heck saß.

»Wir sollten auf die Böschung zurück, Kehaar«, sagte er. »Wie können wir das machen? Kaninchen sind für so etwas nicht geschaffen, weißt du?«

»Du Boot nicht stoppen. Aber da ein anderer Brücke. Er wird stoppen.«

Es blieb ihnen nichts übrig, als zu warten. Sie trieben weiter und kamen an eine zweite Biegung, wo der Fluß nach Westen verlief. Die Strömung verringerte sich nicht, und das Boot kam sich drehend fast in der Mitte des Flusses um die Biegung. Die Kaninchen waren durch das, was Acorn und dem Weibchen passiert war, erschreckt worden und blieben elend halb im Kielraum, halb draußen hocken.

Hazel kroch zu dem höheren Bug zurück und blickte voraus.

Der Fluß verbreiterte sich, und die Strömung ließ nach. Er merkte, daß sie allmählich weniger rasch vorantrieben. Die näherliegende Böschung war hoch, und die Bäume standen dicht beieinander, aber am anderen Ufer war der Boden eben und offen. Er war mit Gras bewachsen und erstreckte sich glatt wie die gemähte Rennstrecke auf Watership Down. Hazel hoffte, daß sie irgendwie aus der Strömung herauskommen und jene Seite erreichen könnten, aber das Boot bewegte sich ruhig weiter durch die Mitte des breiten Beckens. Das offene Ufer glitt vorüber, und jetzt türmten sich Bäume auf beiden Seiten. Flußab war das Becken durch die zweite Brücke, von der Kehaar gesprochen hatte, begrenzt.

Sie war alt, aus nachgedunkelten Backsteinen erbaut und von Efeu, Baldrian und malvenfarbigem Leinkraut überzogen. Ein Stück von beiden Ufern entfernt sah man vier niedrige Bögen - kaum mehr als überwölbte Abzugskanäle, und der Fluß reichte bis zu dreißig Zentimeter an ihren Scheitelpunkt heran. Durch sie hindurch konnte man einen Ausschnitt von Tageslicht auf der flußabwärts gerichteten Seite erkennen. Die Pfeiler sprangen nicht vor, aber vor jedem hatte sich ein Haufen Treibgut angesammelt, von dem Unkraut und Stöcke sich dauernd lösten, um unter der Brücke fortgeschwemmt zu werden.

Es war klar, daß das Boot gegen die Brücke treiben und dort festgehalten werden würde. Als es sich näherte, fiel Hazel ins Bilgenwasser zurück. Aber diesmal wäre das nicht nötig gewesen. Mit seiner Breitseite stieß das Boot sanft gegen zwei der Pfeiler und saß mitten in der Mündung eines der zentralen Abzugskanäle fest und konnte nicht weiter.

Sie hatten weniger als eine halbe Meile in gut fünfzehn Minuten zurückgelegt.

Hazel stützte seine Vorderpfoten auf die niedrige Seite und blickte behutsam darüber flußaufwärts. Unmittelbar unter ihm, wo die Strömung auf das Balkenwerk stieß, kräuselte sich das Wasser. Es war zu weit, um ans Ufer zu springen, und beide Böschungen waren steil. Er drehte sich um und blickte hinauf. Das Mauerwerk war glatt, mit einer vorspringenden Kante auf halber Höhe zwischen ihm und der Brüstung. Da konnte man nicht hinauf klettern.

»Was sollen wir tun, Blackberry?« fragte er und ging zu dem am Bug befestigten Bolzen, an dem das zerfetzte Überbleibsel der Fangleine hing, hinüber. »Du hast uns auf dieses Ding gebracht. Wie kommen wir nun wieder herunter?«

»Ich weiß es nicht, Hazel-rah«, erwiderte Blackberry. »An so einen Ausgang habe ich bei all meinen Überlegungen nie gedacht. Es sieht so aus, als ob wir schwimmen müßten.«

»Schwimmen?« sagte Silver. »Das kann ich mir nicht vorstellen, Hazel-rah. Ich weiß, die Entfernung ist nicht allzugroß, aber schau dir diese Böschungen an. Die Strömung würde uns mit sich reißen, ehe wir herauskommen könnten -und das bedeutet, in eines dieser Löcher unter der Brücke.«

Hazel versuchte, durch den Bogen zu gucken. Es war sehr wenig zu sehen. Der dunkle Tunnel war nicht lang -vielleicht kaum länger als das Boot selbst. Das Wasser sah ruhig aus. Es schien keine Hindernisse zu geben, und für den Kopf eines schwimmenden Tieres war zwischen der Wasseroberfläche und dem Scheitelpunkt des Bogens genug Platz. Aber der Ausschnitt war so schmal, daß man unmöglich genau erkennen konnte, was auf der anderen Seite der Brücke lag. Das Licht nahm ab. Wasser, grüne Blätter, bewegte Spiegelung von Blättern, das Spritzen der Regentropfen und irgendein merkwürdiges Ding, das offenbar im Wasser stand und aus senkrechten grauen Linien gemacht schien - das war alles, was man erkennen konnte. Der Regen hallte trostlos im Abzugskanal wider. Das harte, schallende Geräusch aus dem Gewölbe, so ganz anders als in einem Erdtunnel, war beunruhigend. Hazel kehrte zu Blackberry und Silver zurück.

»Wir sind in einer bösen Klemme«, sagte er. »Wir können nicht hier bleiben, aber ich sehe keinen Ausweg.«

Kehaar erschien auf der Brüstung über ihnen, schüttelte den Regen aus seinen Flügeln und ließ sich in den Kahn hinunterfallen. »Iiist Schluß mit Boot«, sagte er. »Nicht mehr warten.«

»Aber wie kommen wir zu Böschung, Kehaar?« fragte Hazel.

Die Möwe war überrascht. »Hund schwimmen, Ratte schwimmen. Du nicht schwimmen?«

»Natürlich können wir schwimmen, solange es nicht allzuweit ist. Aber die Böschungen sind uns zu steil, Kehaar. Wir könnten nicht verhindern, daß die Strömung uns durch einen dieser Tunnel reißt, und außerdem wissen wir nicht, was dahinter ist.«

»Iiist gut - du fein herauskommen.«

Hazel war in Verlegenheit. Was genau hatte er darunter zu verstehen? Kehaar war kein Kaninchen. Wie immer das Große Wasser aussah, es mußte schlimmer als dies sein, und Kehaar war daran gewöhnt. Auf jeden Fall sagte er nie viel, und was er tatsächlich sagte, war immer auf das Einfachste beschränkt, da er nicht die Hasensprache beherrschte. Er tat ihnen einen Gefallen, weil sie ihm das Leben gerettet hatten, aber, wie Hazel wußte, konnte er nicht umhin, sie als furchtsame, hilflose Zu-Hause-Bleiber zu verachten, die nicht fliegen konnten. Er war oft ungeduldig. Meinte er, daß er sich den Fluß angesehen und ihn mit den Augen eines Kaninchens betrachtet hatte? Daß unmittelbar hinter der Brücke träges Wasser war, mit niedriger, abfallender Böschung, wo sie leicht herauskommen konnten? Das schien mehr, als man erhoffen konnte. Oder meinte er einfach, daß sie sich lieber beeilen und es darauf ankommen lassen sollten, zu tun, was er ohne Schwierigkeit tun konnte? Dies schien wahrscheinlicher. Angenommen, einer von ihnen spränge tatsächlich aus dem Boot und triebe mit der Strömung fort -welchen Schluß könnten die anderen daraus ziehen, wenn er nicht zurückkäme?

Der arme Hazel blickte um sich. Silver leckte Bigwigs verletzte Schulter. Blackberry zappelte unruhig auf der Ruderbank herum, mit angespannten Nerven, nur zu klar all das empfindend, was Hazel selbst fühlte. Während er noch zögerte, gab Kehaar ein Kreischen von sich.

»Yark! Verdammte Kaninchen taugen nichts! Was ich tue, ich euch zeigen.«

Er stürzte unbeholfen vom höhergelegenen Bug. Zwischen dem Boot und der dunklen Mündung des Abzugskanals gab es keine Lücke. Tief im Wasser sitzend wie eine Stockente, trieb er in den Tunnel und verschwand. Hazel blickte ihm nach, konnte aber zuerst nichts sehen. Dann machte er Kehaars Umrisse aus, die sich schwarz gegen das Licht am anderen Ende abhoben. Er trieb ins Tageslicht hinaus, drehte sich seitlich und entschwand der begrenzten Sicht.

»Was beweist das?« fragte Blackberry mit klappernden Zähnen. »Er kann direkt vom Wasser aufgeflogen sein oder seine großen Schwimmfüße hinuntergestreckt haben. Er ist es nicht, der völlig durchnäßt, zitternd vor Kälte und mit einem nassen Fell doppelt so schwer ist.«

Kehaar erschien wieder auf der Brüstung oben.

»Ihr gehen jetzt«, sagte er kurz angebunden.

Der unglückliche Hazel zögerte immer noch. Sein Lauf begann wieder zu schmerzen. Der Anblick von Bigwig -ausgerechnet Bigwig -, am Ende seiner Kräfte, halb bewußtlos, der bei dieser Verzweiflungstat nicht mithalten konnte, senkte seinen Mut noch mehr. Er wußte, daß es ihm nicht gegeben war, ins Wasser zu springen. Die entsetzliche Lage überstieg seine Kraft. Er stolperte auf die schlüpfrigen Planken, und als er sich aufsetzte, fand er Fiver neben sich.

»Ich werde springen, Hazel«, sagte Fiver ruhig. »Ich glaube, es wird das beste sein.«

Er legte die Vorderpfoten auf den Rand des Bugs. Im selben Augenblick gefroren alle Kaninchen zur Bewegungslosigkeit. Eines der Weibchen stampfte auf den mit Pfützen bedeckten Boden des Bootes. Von oben kamen die Geräusche sich nähernder Schritte und Männerstimmen und der Geruch eines brennenden weißen Stengels.

Kehaar flog fort. Kein Kaninchen bewegte sich. Die Schritte klangen näher, die Stimmen lauter. Sie waren auf der Brücke, nicht mehr als die Höhe einer Hecke von ihnen entfernt. Jedes Kaninchen wurde von dem Instinkt gepackt, zu flüchten, unter die Erde zu gehen. Hazel sah, daß Hyzenthlay ihn anstarrte, und erwiderte ihren Blick, mit aller Kraft wünschend, daß sie still bliebe. Die Stimmen, der Schweißgeruch von Männern, von Leder, von weißen Stengeln, der Schmerz in seinem Bein, der feuchte, glucksende Tunnel an seinem Ohr - er hatte alles schon einmal durchgemacht. Wieso konnten die Männer ihn nicht sehen? Sie mußten ihn sehen. Er lag zu ihren Füßen. Er war verletzt. Sie kamen, um ihn aufzulesen.

Dann verschwanden Geräusch und Gerüche in der Ferne, das dumpfe Tappen der Schritte nahm ab. Die Männer hatten die Brücke überquert, ohne über die Brüstung zu sehen. Sie waren fort.

Hazel kam zu sich. »Das entscheidet die Sache«, sagte er. »Alle müssen schwimmen. Komm, Bluebell, du sagtest, du seist ein Wasserkaninchen. Folge mir.« Er sprang auf die Ruderbank und lief auf ihr zur anderen Seite hinüber.

Aber es war Pipkin, den er neben sich fand.

»Schnell, Hazel-rah«, sagte Pipkin, zuckend und zitternd. »Ich komme auch. Nur schnell.«

Hazel schloß die Augen und ließ sich über die Seite ins Wasser fallen.

Wie im Enborne trat ein augenblicklicher Kälteschock ein. Aber stärker als das fühlte er auf der Stelle den Sog der Strömung. Er wurde wie von der Gewalt eines kräftigen und doch ruhigen und stillen Windes fortgezogen. Er trieb hilflos einen stickigen kalten Gang hinunter, und seine Füße fanden keinen Halt. Angstvoll paddelte und strampelte er, streckte den Kopf hoch und holte Atem, kratzte mit seinen Klauen an rauhen Backsteinen unter Wasser und wurde weitergezogen. Dann ließ die Strömung nach, der Kanal verschwand, aus Dunkelheit wurde Licht, und es waren wieder Blätter und der Himmel über ihm. Immer noch zappelnd, wurde er durch etwas Hartes zum Stillstand gebracht und zurückgestoßen, schlug wieder auf und berührte dann einen Augenblick weichen Boden. Er wühlte sich vor und merkte, daß er sich durch leichten Schlamm schleppte. Er befand sich auf einer klebrigen Böschung. Mehrere Augenblicke lag er keuchend da, wischte sich dann das Gesicht und schlug die Augen auf. Das erste, was er sah, war der mit Schlamm bepflasterte Pipkin, der einen Meter weiter auf die Böschung kroch.

In gehobener Stimmung und voll Vertrauen - all seine Schrecken waren vergessen - kroch Hazel zu Pipkin hinüber, und zusammen schlüpften sie ins Unterholz. Er sagte nichts, und Pipkin schien das auch nicht von ihm zu erwarten. Im Schutz eines Haufens purpurnen Pfennigkrauts blickten sie zum Fluß zurück.

Das Wasser floß von der Brücke ab in ein zweites Becken. Ringsherum waren beide Böschungen mit Bäumen und Unterholz dicht bewachsen. Und in dieser Art Sumpf konnte man schwer sagen, wo das Wasser endete und die Waldung begann. Pflanzengruppen wuchsen inner- und außerhalb der schlammigen Untiefen. Der Boden war mit feinem Schlick und Schlamm bedeckt, der zur Hälfte aus Wasser bestand, und da hinein hatten zwei Kaninchen, als sie sich ans Ufer schleppten, Furchen gegraben. Diagonal durch das Becken, vom Mauerwerk der Brücke nahe der gegenüberliegenden Böschung bis zu einem Punkt etwas unterhalb auf ihrer Seite, verlief ein Gitter aus dünnen, senkrechten Eisenstäben. Während der Erntezeit blieb das Flußunkraut, das in verfilzten Matten von den Fischgründen darüber angetrieben wurde, an diesem Gitter hängen und wurde von Männern in Wasserstiefeln aus dem Becken geharkt, aufgehäuft und als Dünger verwendet. Die linke Böschung war ein einziger großer Abfallhaufen von Unkraut, das zwischen den Bäumen faulte. Es war ein grüner, stinkender Ort, feucht und umfriedet.

»Guter alter Kehaar!« sagte Hazel, mit Befriedigung die absterbende Einsamkeit betrachtend. »Ich hätte ihm vertrauen sollen.«

Während er sprach, kam ein drittes Kaninchen unter der Brücke hervorgeschwommen. Sein Anblick, wie es in der Strömung gleich einer Fliege im Spinnennetz strampelte, erfüllte sie beide mit Angst. Einen anderen in Gefahr sehen kann beinahe so schlimm sein, wie sie zu teilen. Das Kaninchen stieß gegen das Gitter, trieb ein Stück an ihm entlang, geriet auf Grund und kroch aus dem schlammigen Wasser. Es war Blackavar. Er lag auf der Seite und schien Hazel und Pipkin nicht zu bemerken, als sie an ihn herantraten. Nach einer Weile begann er jedoch zu husten, erbrach etwas Wasser und setzte sich auf.

»Alles in Ordnung?« fragte Hazel.

»Mehr oder weniger«, sagte Blackavar. »Ist das für heute Abend alles, Sir? Ich bin sehr müde.«

»Ja, du kannst hier ausruhen«, sagte Hazel. »Aber warum hast du den Sprung aus eigenem Antrieb riskiert? Wir hätten schließlich untergegangen sein können.«

»Ich dachte, Ihr gabt einen Befehl«, erwiderte Blackavar.

»Ach so«, sagte Hazel. »Nun, auf jeden Fall wirst du uns für einen ziemlich schlampigen Haufen halten, fürchte ich. War, als du hineinsprangst, noch jemand da, der den Eindruck machte, als würde er kommen?«

»Ich glaube, sie sind alle ein bißchen nervös«, antwortete Blackavar. »Man kann es ihnen nicht verübeln.«

»Nein, aber leider kann alles mögliche passieren«, sagte Hazel aufgeregt. »Sie können alle tharn werden, wenn sie da sitzenbleiben. Die Männer kommen vielleicht zurück. Wenn wir ihnen nur sagen könnten, daß alles in Ordnung ist -«

»Ich glaube, das können wir, Sir«, sagte Blackavar. »Wenn ich mich nicht irre, brauchen wir nur die Böschung dort hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunterzuschlüpfen. Soll ich gehen?«

Hazel war aus der Fassung gebracht. Er hatte angenommen, dies wäre ein in Ungnade gefallener Gefangener aus Efrafa -offenbar nicht einmal ein Mitglied der Owsla -, und er hatte soeben gesagt, daß er sich erschöpft fühle. Er wußte, was er seinem Ruf schuldig war.

»Wir werden beide gehen«, sagte er. »Hlao-roo, kannst du hier bleiben und Ausschau halten? Wenn sie Glück haben, werden sie zu dir durchkommen. Hilf ihnen, wenn du kannst.«

Hazel und Blackavar glitten durch das tropfende Unterholz. Der Graspfad, der die Brücke überquerte, verlief über ihnen auf einer steilen Böschung. Sie kletterten die Böschung hinauf und lugten vorsichtig aus dem hohen Gras am Rande. Der Pfad war leer, und sie hörten und rochen nichts. Sie überquerten ihn und erreichten das Brückenende an der flußaufwärts gelegenen Seite. Hier fiel die Böschung beinahe senkrecht zum etwa zwei Meter tiefer gelegenen Fluß ab. Blackavar kletterte ohne Zögern hinunter, aber Hazel folgte langsamer. Genau oberhalb der Brücke, zwischen ihr und einem Dornenbusch flußaufwärts, ragte ein Rasenvorsprung über das Wasser. Draußen im Fluß, ein paar Meter entfernt, lag das Boot an den mit Unkraut bedeckten Pfeilern.

»Silver!« sagte Hazel. »Fiver! Kommt, bringt sie ins Wasser. Unter der Brücke ist es in Ordnung. Zuerst die Weibchen, wenn ihr könnt. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Die Männer können zurückkommen.«

Es war nicht leicht, die apathischen, verwirrten Weibchen aufzurütteln und ihnen verständlich zu machen, was sie tun mußten. Silver ging von einem zum anderen. Dandelion lief, sobald er Hazel auf der Böschung sah, sofort zum Bug und sprang ins Wasser.

Speedwell folgte ihm, als aber Fiver ebenfalls springen wollte, hielt Silver ihn zurück.

»Wenn alle unsere Rammler das Boot verlassen, Hazel«, sagte er, »bleiben die Weibchen allein zurück, und ich glaube nicht, daß sie zurechtkommen.«

»Sie werden Thlayli gehorchen, Sir«, sagte Blackavar, ehe Hazel antworten konnte. »Ich glaube, er kriegt sie auf die Beine.«

Bigwig lag immer noch im Bilgenwasser, an der Stelle, die er eingenommen hatte, als sie zur ersten Brücke kamen. Er schien zu schlafen, doch als Silver ihn beschnüffelte, hob er den Kopf und blickte sich betäubt um.

»Oh, hallo, Silver«, sagte er. »Ich fürchte, meine Schulter wird mir noch viel Ärger machen. Mir ist auch sehr kalt. Wo ist Hazel?«

Silver erklärte es ihm. Bigwig stand schwerfällig auf, und sie sahen, daß er noch blutete. Er hinkte zur Ruderbank und kletterte hinauf.

»Hyzenthlay«, sagte er, »deine Freundinnen können nicht noch nasser werden, wir sollten sie also jetzt gleich hineinspringen lassen. Nacheinander, meinst du nicht? Dann vermeiden wir, daß sie sich gegenseitig kratzen oder sonstwie weh tun, während sie schwimmen.«

Entgegen Blackavars Annahme verging eine lange Zeit, bis alle das Boot verlassen hatten. Insgesamt waren es zehn Weibchen, und obgleich zwei Bigwigs geduldigem Drängen nachgaben, waren mehrere so erschöpft, daß sie kauerten, wo sie waren, oder stumpf ins Wasser blickten, bis andere dazu gebracht wurden zu springen. Von Zeit zu Zeit bat Bigwig einen der Rammler, als erster voranzugehen, und auf diese Weise kletterten Acorn, Hawkbit und Bluebell über Bord. Dem verletzten Weibchen Thrayonlose ging es gar nicht gut, und Blackberry und Thethuthinnang schwammen zusammen mit ihr hindurch, einer vor und einer hinter ihr.

Als die Dunkelheit hereinbrach, hörte es auf zu regnen. Hazel und Blackberry gingen zur Böschung des Beckens vor der Brücke zurück. Der Himmel klärte sich, und der Druck ließ nach, als das Gewitter nach Osten abzog. Aber es war fu Inle, ehe Bigwig selbst mit Silver und Fiver unter der Brücke durchkam. Er mußte sich sehr anstrengen, sich über Wasser zu halten, und als er das Gitter erreichte, rollte er im Wasser herum, mit dem Bauch nach oben, wie ein sterbender Fisch. Er trieb an eine seichte Stelle und zog sich mit Silvers Hilfe heraus. Hazel und einige andere warteten auf ihn, aber er schnitt ihnen in einem Anflug seiner alten tyrannischen Art das Wort ab.

»Los, los, geht mir aus dem Weg«, sagte er. »Ich werde jetzt schlafen, Hazel, und Frith helfe dir, wenn du es mir verwehrst.«

»So gehen wir miteinander um, siehst du«, sagte Hazel zu dem ungläubig starrenden Blackavar. »Du wirst dich nach einer Weile daran gewöhnen. Und jetzt wollen wir uns einen trockenen Platz suchen, falls wir noch einen finden, und dann können wir vielleicht auch schlafen.«

Jeder trockene Fleck im Unterholz schien mit erschöpften, schlafenden Kaninchen bedeckt zu sein. Nachdem sie eine Weile gesucht hatten, fanden sie einen gefallenen Baumstamm, von dessen Unterseite sich die Rinde abgeschält hatte. Sie krochen unter die Zweige und Blätter, machten es sich in der sanften Mulde bequem - die bald etwas von ihrer Körperwärme annahm - und schliefen sofort ein.

40. Der Rückweg


Dame Hickory, Dame Hickory,

Da ist ein Wolf an deiner Tür,

Seine Zähne grinsen weiß,

Und seine Zunge wackelt sich wund!

»Nein«, sagte die Dame Hickory, »du bist eine falsche Elfe!«

Aber es war tatsächlich ein Wolf, und ausgehungert war er auch.

Walter de la Mare Dame Hickory


Am nächsten Morgen vernahm Hazel als erstes, daß Thrayonlose in der Nacht gestorben war. Thethuthinnang war untröstlich, denn sie hatte Thrayonlose als eines der kräftigsten und vernünftigsten Weibchen im Kennzeichen ausgewählt und sie überredet, mit ihnen zu fliehen. Nachdem sie zusammen durch die Brücke gekommen waren, hatte sie ihr ans Ufer geholfen und war neben ihr im Unterholz eingeschlafen, in der Hoffnung, daß sie sich bis zum nächsten Tag wieder erholt haben würde. Aber als sie aufwachte, war Thrayonlose nicht mehr da. Sie suchte nach ihr und fand sie in einem Haufen Riedgras flußabwärts. Offenbar hatte das arme Geschöpf gefühlt, daß es sterben würde, und hatte sich nach Art der Tiere davongestohlen. Die Nachricht deprimierte Hazel. Er wußte, daß sie Glück gehabt hatten, so viele Weibchen aus Efrafa herauszuholen und Woundwort zu entkommen, ohne sich zum Kampf stellen zu müssen. Der Plan war gut gewesen, aber der Sturm und die furchterregende Tüchtigkeit der Efrafas hatten ihn beinahe zunichte gemacht. Trotz des Mutes von Bigwig und Silver wäre er ohne Kehaar gescheitert. Jetzt würde Kehaar sie verlassen. Bigwig war verwundet, und mit seinem eigenen Bein stand es auch nicht zum besten. Da sie sich um die Weibchen kümmern mußten, wären sie nicht imstande, im Freien so schnell oder so leicht vorwärts zu kommen, wie auf dem Weg von Watership herunter. Er wäre gerne ein paar Tage geblieben, wo sie waren, damit Bigwig seine Kräfte wiedererlangte und die Weibchen festen Boden unter den Füßen bekämen und sich an ein Leben außerhalb eines Geheges gewöhnten. Aber der Ort, das merkte er, war hoffnungslos unwirtlich. Obgleich er gute Deckung bot, war er für Kaninchen zu naß. Außerdem lag er offenbar dicht an einer Straße, die belebter war, als sie es je gekannt hatten. Bald nach Tagesanbruch hörten und rochen sie vorbeifahrende hrududil, kaum weiter als eine Feldbreite von ihnen entfernt. Es herrschte ständig Unruhe, und besonders die Weibchen waren verschreckt und ängstlich. Der Tod Thrayonloses machte alles noch schlimmer. Geplagt von dem Lärm und der Erschütterung konnten die Weibchen nicht fressen und wanderten immer wieder flußabwärts, um sich die Leiche anzusehen und über die seltsame und gefährliche Umgebung miteinander zu flüstern.

Er fragte Blackberry um Rat, der darauf hinwies, daß es wahrscheinlich nicht lange dauern würde, bis Männer das Boot fänden, und dann würden sich höchstwahrscheinlich mehrere von ihnen einige Zeit ganz in der Nähe aufhalten. Dies bewog Hazel, lieber sofort aufzubrechen und zu versuchen, irgendwohin zu gelangen, wo sie sich leichter ausruhen könnten. Er konnte hören und riechen, daß der Sumpf sich weit flußab erstreckte. Da die Straße nach Süden lag, schien der einzige Weg der nach Norden zu sein, über die Brücke, was auf jeden Fall der Heimweg war.

Er nahm Bigwig mit und kletterte die Böschung zum Graspfad hinauf. Das erste, was sie sahen, war Kehaar, der Schnecken aus einem Schierlingshaufen nahe bei der Brücke aufpickte. Sie traten wortlos zu ihm und knabberten das kurze Gras daneben.

Nach einem Weilchen sagte Kehaar: »Jetzt du kriegen Mütter, Miister Hazel. Alles fein gehen, he?«

»Ja. Wir hätten es nie ohne dich geschafft, Kehaar. Wie ich höre, kamst du gestern Abend gerade noch zur rechten Zeit, um Bigwig zu retten.«

»Das böse Kaninchen, der große Bursche, er mit mir kämpfen. Sehr schlau auch.«

»Ja. Aber wenigstens hat er einmal einen Schock bekommen.«

»Ya, ya. Miister Hazel, bald Männer kommen. Was du jetzt tun?«

»Wir kehren in unser Gehege zurück, Kehaar, wenn wir können.«

»Iiis Schluß jetzt für mich. Ich gehen zu Großes Wasser.«

»Werden wir dich Wiedersehen, Kehaar?«

»Du gehen zu Hügel zurück? Bleiben da?«

»Ja, das beabsichtigen wir. Es wird ein schweres Vorwärtskommen sein mit so vielen Kaninchen, und wir werden Efrafa-Patrouillen ausweichen müssen, schätze ich.«

»Ihr kommen hin. Später iiis Winter, viel kalt, viel Sturm auf Großes Wasser. Viel Vögel kommen herein. Dann ich komme zurück, sehen euch, wo ihr lebt.«

»Vergiß es nur nicht, Kehaar«, sagte Bigwig. »Wir werden nach dir Ausschau halten. Komm plötzlich herunter wie gestern Abend.«

»Ya, ya, erschrecken alle Mütter und kleine Kaninchen, alle kleinen Bigwigs rennen fort.«

Kehaar wölbte seine Flügel und erhob sich in die Luft. Er flog über die Brüstung der Brücke und flußaufwärts. Dann drehte er eine Schleife nach links, kam über dem Graspfad zurück und segelte direkt hinunter, strich knapp über die Köpfe der Kaninchen. Er stieß einen heiseren Schrei aus und flog nach Süden fort. Sie blickten ihm nach, als er über den Bäumen verschwand.

»O flieg davon, großer Vogel so weiß«, sagte Bigwig. »Weißt du, er hat mir das Gefühl gegeben, auch fliegen zu können. Dieses Große Wasser! Ich wünschte, ich könnte es sehen.«

Als sie weiter in die Richtung blickten, in die Kehaar geflogen war, bemerkte Hazel zum ersten Mal ein Cottage am anderen Ende des Pfades, wo das Gras schräg hinauf zur Straße wuchs. Ein Mann, der sich Mühe gab, sich ruhig zu verhalten, lehnte über der Hecke und beobachtete sie gespannt. Hazel stampfte und riß in das Unterholz des Sumpfes aus, Bigwig ihm unmittelbar auf den Fersen.

»Weißt du, woran er denkt?« sagte Bigwig. »Er denkt an das Gemüse in seinem Garten.«

»Ich weiß«, erwiderte Hazel. »Und wir werden diese Bande nicht fernhalten können, wenn sie erst einmal darauf kommen. Je schneller wir uns davonmachen, desto besser.«

Kurz danach brachen die Kaninchen durch das Gehölz nach Norden auf. Bigwig merkte bald, daß er einer langen Wanderung nicht gewachsen war. Seine Wunde schmerzte, und der Schultermuskel hielt starke Belastung nicht aus. Hazel war noch lahm, und die Weibchen, obgleich sie willig und gehorsam waren, zeigten, daß sie wenig vom hlessil-Leben kannten. Es war eine anstrengende Zeit.

In den folgenden Tagen - Tage mit klarem Himmel und schönem Wetter - erwies Blackavar sich immer mehr als verdienstvolles Kaninchen, bis Hazel sich schließlich ebenso auf ihn verließ wie auf seine »alten Hasen«. Es steckte viel mehr in ihm, als man hätte vermuten können. Als Bigwig sich entschlossen hatte, nicht ohne Blackavar aus Efrafa herauszugehen, war er ausschließlich von Mitleid für ein elendes, hilfloses Opfer von Woundworts Unbarmherzigkeit bewegt gewesen. Es stellte sich jedoch heraus, daß Blackavar, wenn er nicht durch Demütigung und schlechte Behandlung unterdrückt war, eine Klasse besser als der gewöhnliche Durchschnitt war. Seine Lebensgeschichte war ungewöhnlich. Seine Mutter war nicht in Efrafa geboren worden. Sie war eines der Kaninchen gewesen, die gefangengenommen wurden, als Woundwort das Gehege in Nutley Copse angriff. Sie hatte sich mit einem Efrafa-Hauptmann gepaart und hatte, nachdem er auf einer Weiten Patrouille getötet worden war, kein anderes Männchen gehabt. Blackavar, voller Stolz auf seinen Vater, war mit dem Vorsatz aufgewachsen, Offizier in der Owsla zu werden. Aber zusammen damit - und paradoxerweise - hatte er von seiner Mutter einen gewissen Groll auf Efrafa geerbt und ein Gefühl, daß sie nicht mehr von ihm haben sollten, als er ihnen freiwillig gab. Hauptmann Mallow, in dessen Kennzeichen - der »Rechte Vorderlauf« -er auf Probe geschickt worden war, hatte seinen Mut und seine Ausdauer gepriesen, es aber nicht versäumt, die stolze Distanz seines Wesens zu erwähnen. Als die »Rechte Flanke« einen jungen Offizier zur Unterstützung Hauptmann Chervils brauchte, war es Avens und nicht Blackavar, der vom Rat ausgewählt wurde. Blackavar, der wußte, was er wert war, war überzeugt, daß das Blut seiner Mutter den Rat gegen ihn eingenommen hatte. Während er sich nach wie vor gekränkt fühlte, war er Hyzenthlay begegnet und machte sich zum geheimen Freund und Ratgeber der unzufriedenen Weibchen im »Rechten Vorderlauf«. Er hatte sie gedrängt, die Erlaubnis des Rates einzuholen, Efrafa zu verlassen. Wenn es ihnen gelungen wäre, hätten sie gebeten, ihn mitnehmen zu dürfen. Als dann die Abordnung beim Rat scheiterte, wandte Blackavar seine Gedanken einer Flucht zu. Zuerst hatte er beabsichtigt, die Weibchen mitzunehmen, aber seine bis zum äußersten gespannten Nerven hatten - ähnlich wie Bigwigs aufgrund der Gefahren und Unsicherheiten der Verschwörung - nachgegeben, und schließlich hatte er einfach einen Anlauf für sich allein genommen, bei dem er von Campion geschnappt wurde. Unter der vom Rat verhängten Strafe war sein lebhafter Geist verkümmert, und er war der apathische arme Teufel geworden, dessen Anblick Bigwig so sehr schockiert hatte. Und doch waren bei der geflüsterten Botschaft im hraka-Graben seine Lebensgeister wieder aufgeflackert, was andere nicht fertiggebracht hätten, und er war bereit gewesen, dem Glück zu vertrauen und einen zweiten Versuch zu wagen. Jetzt, in Freiheit unter diesen unbekümmerten Fremden, sah er sich als ausgebildeten Efrafa, der seine Tüchtigkeit einsetzte, um ihnen in ihrer Not zu helfen. Obgleich er alles tat, was man ihm sagte, zögerte er nicht, auch Vorschläge zu machen, besonders wenn es ums Auskundschaften und Aufspüren von Gefahren ging. Hazel, der bereit war, jeden Rat anzunehmen, von dem er glaubte, er sei gut, hörte sich das meiste, was er sagte, an und war's zufrieden, es Bigwig zu überlassen - für den Blackavar natürlich einen riesigen Respekt empfand -, dafür zu sorgen, daß er in seinem warmherzigen, ziemlich freimütigen Eifer nicht zu weit ging. Nach zwei, drei Tagen langsamen, vorsichtigen Laufens mit vielen Unterbrechungen fanden sie sich an einem Spätnachmittag wieder in Sichtweite von Caesars Gürtel, aber weiter westlich als damals, dicht bei einem kleinen Wäldchen auf einer Anhöhe. Alle waren müde, und als sie gefressen hatten - »Abend-silflay jeden Tag, ganz wie du's versprochen hast«, sagte Hyzenthlay zu Bigwig -, schlugen Bluebell und Speedwell vor, es könnte der Mühe wert sein, einige Kratzer in der leichten Erde unter den Bäumen zu graben und dort ein bis zwei Tage zu leben. Hazel war durchaus willens, aber bei Fiver war Überredung nötig.

»Ich weiß, wir können Ruhe gebrauchen, aber irgendwie bin ich nicht so ganz dafür, Hazel-rah«, sagte er. »Ich glaube, ich muß darüber nachdenken, weshalb.«

»Nicht meinetwegen«, antwortete Hazel. »Aber ich bezweifle, daß du die anderen diesmal umstimmen kannst. Ein oder zwei dieser Weibchen sind fertig für Mutter<, wie Kehaar sagen würde, und das ist der Grund, warum Bluebell und die übrigen bereit sind, es auf sich zu nehmen, Kratzer zu graben. Sicherlich ist unter diesem Aspekt nichts dagegen einzuwenden, nicht wahr? Du weißt, wie es heißt ->Kaninchen unter Grund ist sicher und gesund.<«

»Nun, du magst recht haben«, sagte Fiver. »Diese Vilthuril ist ein schönes Weibchen. Ich würde sie gerne besser kennenlernen. Schließlich ist es für Kaninchen nicht natürlich, Tag für Tag unterwegs zu sein.« Etwas später, als Blackavar mit Dandelion von einer Patrouille zurückkehrte, die sie aus eigenem Antrieb unternommen hatten, brachte er stärkere Einwände gegen die Idee vor.

»Das ist kein Ort, um anzuhalten, Hazel-rah«, sagte er. »Keine Weite Patrouille würde hier biwakieren. Es ist Fuchsgebiet. Wir sollten weiterzukommen versuchen, ehe es dunkel wird.«

Bigwigs Schulter hatte ihn während des Nachmittags sehr geschmerzt, und er fühlte sich schwach und war verdrießlich. Es schien ihm, daß Blackavar auf anderer Leute Kosten schlau war. Wenn er seinen Willen durchsetzte, würden sie weitergehen müssen, müde, wie sie waren, bis sie irgendwo hinkamen, wo es nach den Maßstäben von Efrafa geeignet war. Da wären sie dann nicht mehr und nicht weniger sicher als hier im Wäldchen, aber Blackavar würde als der Kluge dastehen, der sie vor einem Fuchs gerettet hatte, der nur in seiner Phantasie existierte. Sein Efrafa-Kundschafter-Akt wurde langsam langweilig. Es war Zeit, daß jemand dies einen glatten Bluff nannte.

»Wahrscheinlich gibt es überall in den Downs Füchse«, sagte Bigwig scharf. »Warum sollte dies eher Fuchsgebiet als irgendwo anders sein?«

Von Takt hielt Blackavar ebensowenig wie Bigwig, und jetzt gab er die schlimmstmögliche Erwiderung.

»Ich kann dir nicht genau sagen, warum«, meinte er. »Ich habe einen bestimmten Eindruck, aber es ist schwer zu erklären, worauf er sich gründet.«

»Oh, ein Eindruck, he?« höhnte Bigwig. »Hast du hraka gesehen? Hast du einen Geruch aufgenommen? Oder war es einfach eine Botschaft von kleinen grünen Mäusen, die unter einem Pilz sangen?«

Blackavar war beleidigt. Bigwig war der letzte, mit dem er sich streiten wollte.

»Du hältst mich also für einen Dummkopf«, antwortete er, und sein Efrafa-Akzent erschien ausgeprägter. »Nein, es gab weder hraka noch Geruch, aber ich glaube trotzdem, daß dies ein Ort ist, wohin ein Fuchs kommt. Auf diesen Patrouillen, die wir unternahmen, weißt du, haben wir -«

»Hast du etwas gesehen oder gerochen?« fragte Bigwig Dandelion.

»Äh - nun, ich bin nicht ganz sicher«, sagte Dandelion.

»Ich meine, Blackavar scheint eine ganze Menge von Patrouillen zu verstehen, und er fragte mich, ob ich nicht spürte -«

»Nun, wir können die ganze Nacht so weitermachen«, sagte Bigwig. »Blackavar, weißt du, daß wir im Frühsommer, ehe wir die Wohltat deiner Erfahrung genossen, tagelang durch alle möglichen Landschaften kamen - Wiesen, Heidekraut, Downs - und nie ein Kaninchen verloren haben?«

»Es ist nur wegen der Kratzer, das ist alles«, sagte Blackavar entschuldigend. »Neue Kratzer könnten bemerkt werden; und Graben ist über eine überraschend große Entfernung zu hören, weißt du?«

»Laß ihn in Ruhe«, sagte Hazel, ehe Bigwig wieder sprechen konnte. »Du hast ihn nicht aus Efrafa herausgeholt, um ihn zu piesacken. Hör zu, Blackavar, ich schätze, ich werde dies entscheiden müssen. Ich glaube, daß du recht hast und daß es ein gewisses Risiko gibt. Aber wir gehen die ganze Zeit ein Risiko ein, bis wir in unserem Gehege zurück sind, und alle sind so müde, daß ich es für richtig halte, ein oder zwei Tage haltzumachen. Wir werden uns nachher um so besser fühlen.«

Bald nach Sonnenuntergang waren genügend Kratzer fertig, und am nächsten Tag, nach einer Nacht unter der Erde, fühlten sich tatsächlich alle Kaninchen weitaus besser. Wie Hazel vorhergesehen hatte, paarten sich einige, und es gab ein paar Raufereien, aber niemand wurde verletzt. Gegen Abend herrschte eine Art Ferienstimmung. Hazels Lauf hatte sich gekräftigt, und Bigwig fühlte sich besser in Form als zu jeder anderen Zeit, seit er nach Efrafa aufgebrochen war. Die Weibchen, die noch vor zwei Tagen beunruhigt und knochendürr gewesen waren, bekamen allmählich wieder ein glattes Fell.

Am zweiten Morgen begannen sie erst einige Zeit nach Morgengrauen mit silflay. Ein leichter Wind wehte direkt in die nördliche Böschung des Wäldchens hinein, wo sie die Kratzer gegraben hatten, und als Bluebell herankam, schwor er, Kaninchen mit dem Wind riechen zu können.

»Es ist der alte Holly, der seine Kinndrüsen für uns drückt, Hazel-rah«, sagte er. »Das Niesen eines Kaninchens in der Morgenbrise bringt heimwehkranke Herzen zum Glühen -«

»Sitzt mit dem Hinterteil in einem Zichorienbüschel und sehnt sich nach einem hübschen molligen Weibchen«, erwiderte Hazel.

»Das wäre ja noch schöner, Hazel-rah«, sagte Bluebell. »Er hat schon zwei Weibchen da oben.«

»Bloß Stallhasen«, erwiderte Hazel. »Ich gebe zu, daß sie ziemlich zäh und inzwischen wohl auch schnell sind, aber trotzdem werden sie nie ganz wie unsereiner sein. Clover zum Beispiel - sie würde sich für silflay nie weit vom Loch entfernen, weil sie wüßte, daß sie nicht so schnell rennen könnte wie wir. Aber diese Efrafa-Weibchen, seht ihr - die sind ihr ganzes Leben von Wachtposten beaufsichtigt worden. Nun, da es keine mehr gibt, wandern sie glücklich herum. Schaut euch die beiden unter der Böschung da an. Sie fühlen sich - o großer Frith!«

Während er sprach, sprang eine gelbbraune hundeähnliche Gestalt aus den überhängenden Nußbüschen so geräuschlos wie das Licht hinter einer Wolke hervor. Sie landete zwischen den beiden Weibchen, packte eines im Nacken und zog es wie der Blitz die Böschung hinauf. Der Wind drehte sich, und der Gestank kam über das Gras. Stampfend und mit zuckenden Schwänzen sausten alle Kaninchen auf dem Abhang in Deckung.

Hazel und Bluebell fanden sich neben Blackavar hockend. Das Efrafa-Kaninchen war nüchtern und ungerührt.

»Armes kleines Vieh«, sagte er. »Siehst du, seine Instinkte sind durch das Leben im Kennzeichen geschwächt. Stell dir vor, unter Büschen auf der Windseite eines Gehölzes zu fressen! Lassen wir's, Hazel-rah, solche Dinge kommen vor. Aber ich will dir was sagen. Wenn nicht zwei hombil da sind, was sehr großes Pech wäre, haben wir mindestens bis ni-Frith Zeit, um fortzukommen. Dieser homba wird einige Zeit lang nicht mehr jagen. Ich schlage vor, wir brechen auf, sobald wir können.«

Mit einem Wort der Zustimmung lief Hazel hinaus, um die Kaninchen zusammenzurufen. Sie machten einen auseinandergezogenen, aber schnellen Marsch nach Nordosten am Rande eines reifenden Weizenfeldes entlang. Niemand sprach von dem Weibchen. Sie hatten mehr als dreiviertel Meilen zurückgelegt, ehe Bigwig und Hazel haltmachten, um auszuruhen und sich zu vergewissern, daß niemand zurückgeblieben war. Als Blackavar mit Hyzenthlay herankam, sagte Bigwig:

»Du sagtest voraus, was passieren würde, nicht wahr? Ich war es, der nicht hören wollte.«

»Sagte voraus?« erwiderte Blackavar. »Ich verstehe nicht.«

»Daß wahrscheinlich ein Fuchs kommen würde.«

»Ich fürchte, ich erinnere mich nicht. Aber ich glaube nicht, daß einer von uns es hätte wissen können. Übrigens, was ist schon ein Weibchen mehr oder weniger?«

Bigwig sah ihn erstaunt an, aber Blackavar, dem anscheinend nichts daran lag, zu betonen, was er gesagt hatte, oder der die Unterhaltung abbrechen wollte, fing einfach an, Gras zu knabbern. Bigwig ging verdutzt weiter und fraß nun selbst in einiger Entfernung mit Hyzenthlay und Hazel.

»Was hat er eigentlich?« fragte er nach einer kleinen Weile. »Ihr wart alle dabei, als er uns vor zwei Abenden warnte, daß es hier Füchse geben könnte. Ich habe ihn schlecht behandelt.«

»Wenn in Efrafa«, sagte Hyzenthlay, »ein Kaninchen einen Rat gab, und der Rat wurde nicht befolgt, vergaß es ihn sofort und alle anderen auch. Blackavar akzeptierte, was Hazel entschied; und ob es sich später als richtig oder falsch herausstellte, war gleichgültig. Er hatte nie einen Rat gegeben.«

»Nur zu wahr«, sagte Bigwig. »Efrafa! Von einem Hund geführte Ameisen! Aber wir sind jetzt nicht in Efrafa. Hat er wirklich vergessen, daß er uns warnte?«

»Wahrscheinlich hat er es wirklich vergessen. Aber ob es nun so oder anders ist, du würdest ihn nie dazu bringen, zuzugeben, daß er dich warnte oder zuhörte, als du ihm sagtest, er habe recht gehabt. Er könnte das ebensowenig tun, wie hraka unter der Erde machen.«

»Aber du bist auch eine Efrafa. Denkst du genauso?«

»Ich bin ein Weibchen«, sagte Hyzenthlay.

Am frühen Nachmittag näherten sie sich dem Gürtel, und Bigwig war der erste, der die Stelle erkannte, wo Dandelion die Geschichte vom Schwarzen Kaninchen von Inle erzählt hatte.

»Es war derselbe Fuchs, weißt du«, sagte er zu Hazel. »Das ist beinahe sicher. Ich hätte mir darüber klar sein sollen, wie wahrscheinlich es war, daß -«

»Hör mal zu«, sagte Hazel, »du weißt sehr gut, was wir dir verdanken. Die Weibchen glauben alle, El-ahrairah habe dich geschickt, um sie aus Efrafa herauszuholen. Sie glauben, niemand anders hätte es gekonnt. Was heute morgen passierte, war ebenso meine Schuld wie deine. Aber ich habe nie angenommen, daß wir heimkehren würden, ohne einige Kaninchen einzubüßen. Tatsächlich haben wir zwei verloren, und das ist besser, als ich erwartet habe. Wir können noch heute Abend in der Honigwabe sein, wenn wir uns beeilen. Vergessen wir den homba jetzt, Bigwig - es läßt sich nicht mehr ändern -, und versuchen wir - hallo, wer ist das?«

Sie kamen zu einem Dickicht von Wacholder und Heckenrosen, das mit Nesseln und Spuren von Zaunrüben durchsetzt war, an denen die Beeren zu reifen und rot zu werden begannen. Als sie anhielten, um Eingang ins Unterholz zu finden, erschienen vier große Kaninchen im hohen Gras und schauten auf sie herunter. Eines der Weibchen, das ein wenig hinter ihnen den Hang heraufkam, stampfte und machte kehrt, um davonzulaufen. Sie hörten, wie Blackavar sie scharf zurückhielt.

»Nun, warum beantwortest du nicht seine Frage, Thlayli?« sagte eines der Kaninchen. »Wer bin ich?«

Pause. Dann sprach Hazel.

»Ich kann sehen, daß es Efrafas sind, weil sie gekennzeichnet sind«, sagte er. »Ist das Woundwort?«

»Nein«, sagte Blackavar neben ihm. »Das ist Hauptmann Campion.«

»Ach so«, sagte Hazel. »Nun, ich habe von dir gehört, Campion. Ich weiß nicht, ob du uns Schaden zufügen willst, aber es ist wohl besser, wenn du uns in Ruhe läßt. Soweit es uns betrifft, sind unsere Beziehungen mit Efrafa beendet.«

»Das ist deine Ansicht«, erwiderte Campion, »aber du wirst merken, daß es nicht so ist. Dieses Weibchen hinter dir muß mit uns kommen, und alle anderen, die bei euch sind, ebenfalls.«

Während er sprach, erschienen Silver und Acorn weiter unten am Hang, hinter ihnen Thethuthinnang. Nach einem Blick auf die Efrafas sagte Silver schnell etwas zu Thethuthinnang, die durch die große Klette zurückschlüpfte. Dann trat er neben Hazel.

»Ich habe nach dem weißen Vogel geschickt, Hazel«, sagte er ruhig.

Der Bluff verfehlte seine Wirkung nicht. Sie sahen Campion nervös nach oben blicken, und ein anderer aus der Patrouille warf einen schutzsuchenden Blick zu den Büschen hinüber.

»Du redest dummes Zeug«, sagte Hazel zu Campion. »Wir sind sehr zahlreich, und wenn du nicht mehr Kaninchen hast, als ich sehen kann, sind wir euch überlegen.«

Campion zögerte. In Wahrheit hatte er zum ersten Mal in seinem Leben unbesonnen gehandelt. Er hatte Hazel und Bigwig mit Blackavar und einem Weibchen hinter ihnen kommen sehen. In seinem Eifer, dem Rat etwas wirklich Lohnendes bei seiner Rückkehr vorweisen zu können, hatte er voreilig geschlossen, daß sie allein waren. Die Efrafas hielten sich im Freien ziemlich dicht beieinander, und es war ihm nicht der Gedanke gekommen, daß andere Kaninchen vielleicht weiter auseinandergezogen liefen. Er hatte eine großartige Gelegenheit gesehen, den verhaßten Thlayli und Blackavar zusammen mit ihrem einzigen Gefährten - der lahm zu sein schien - angreifen, vielleicht töten und das Weibchen zum Rat zurückbringen zu können. Das hätte er bestimmt geschafft; und er hatte beschlossen, sich ihnen entgegenzustellen, statt ihnen einen Hinterhalt zu legen, in der Hoffnung, daß die Rammler ohne Kampf kapitulieren würden. Jetzt aber, als immer mehr Kaninchen einzeln und zu zweit auftauchten, merkte er, daß er einen Fehler gemacht hatte.

»Ich habe noch viele Kaninchen bei mir«, sagte er. »Die Weibchen müssen hierbleiben. Die anderen können gehen. Sonst werden wir euch töten.«

»Na schön«, sagte Hazel. »Bring deine ganze Patrouille ins Freie, und wir werden tun, was du sagst.«

Inzwischen kam eine beträchtliche Anzahl Kaninchen den Hang herauf. Campion und seine Patrouille sahen sie schweigend an, bewegten sich aber nicht von der Stelle.

»Ihr bleibt am besten, wo ihr seid«, sagte Hazel schließlich. »Wenn ihr versucht, euch mit uns anzulegen, wird es böse für euch ausgehen. Silver und Blackberry, nehmt die Weibchen und lauft weiter. Wir anderen kommen dann nach.«

»Hazel-rah«, flüsterte Blackavar, »die Patrouille muß getötet werden - alle. Sie dürfen sich nicht beim General zurückmelden.«

Der Gedanke war Hazel auch schon gekommen. Aber als er an den fürchterlichen Kampf und die vier in Stücke gerissenen Efrafas dachte - denn das würde es bedeuten -, konnte er es nicht über sich bringen. Wie Bigwig empfand er eine widerwillige Sympathie für Campion. Außerdem würde dies allerhand erfordern. Höchstwahrscheinlich würden einige seiner eigenen Kaninchen getötet, bestimmt aber verwundet werden. Sie würden die Honigwabe an jenem Abend nicht mehr erreichen und eine frische Blutspur hinterlassen, wohin auch immer sie gehen würden. Abgesehen von seiner Abneigung gegen diesen Gedanken, hatte die Sache Nachteile, die verhängnisvoll sein konnten.

»Nein, wir lassen sie in Ruhe«, erwiderte er bestimmt.

Blackavar war still, und sie beobachteten Campion, als das letzte Weibchen in den Büschen verschwand.

»Jetzt«, sagte Hazel, »nimm deine Patrouille und geh denselben Weg, den du uns kommen sahst, zurück. Sprich nicht - geh los.«

Campion und die Patrouille machten sich hügelab auf den Weg, und Hazel, der erleichtert war, daß er sie so einfach losgeworden war, eilte mit den anderen Silver nach.

Sowie sie den Gürtel durchquert hatten, kamen sie ausgezeichnet vorwärts. Nach einer Ruhepause von eineinhalb Tagen waren die Weibchen in guter Form. Die Aussicht auf ein Ende der Wanderung noch an diesem Abend und der Gedanke, daß sie dem Fuchs und der Patrouille entkommen waren, verstärkte ihren Eifer und machte sie leicht ansprechbar. Der einzige Grund für eine Verzögerung war Blackavar, der unruhig schien und dauernd in der Nachhut herumlungerte. Schließlich ließ Hazel ihn am Spätnachmittag holen und befahl ihm, geradewegs auf dem Pfad, dem sie folgten, vorauszulaufen und nach dem langen Streifen eines Buchenabhanges in der Senkung auf der Morgenseite Ausschau zu halten. Blackavar war nicht lange fortgewesen, als er schon wieder angerannt kam.

»Hazel-rah, ich bin ganz nahe bei dem Wald gewesen, von dem du gesprochen hast«, sagte er, »und da spielen zwei Kaninchen im Gras davor.«

»Ich werde selbst nachsehen«, sagte Hazel. »Dandelion, kommst du auch mit?«

Als sie rechts vom Pfad hügelabwärts rannten, erkannte Hazel den Buchenhang beinahe nicht wieder. Er bemerkte ein oder zwei gelbe Blätter und einen leisen Anflug von Bronze hier und da in den grünen Zweigen. Dann erblickte er Buckthorn und Strawberry, die über das Gras auf sie zurannten.

»Hazel-rah!« rief Buckthorn. »Dandelion! Was ist los? Wo sind die anderen? Habt ihr Weibchen gekriegt? Sind alle gesund und munter?«

»Sie werden gleich hier sein«, sagte Hazel. »Ja, wir haben eine Menge Weibchen, und alle, die wir mit hatten, sind wieder zurückgekommen. Das ist Blackavar aus Efrafa.«

»Schön für ihn«, sagte Strawberry. »O Hazel-rah, wir haben jeden Abend, seit du fort bist, am Ende des Waldes Wache gehalten. Holly und Boxwood sind gesund - sie sind wieder im Gehege. Und was glaubst du? Clover bekommt einen Wurf. Das ist schön, nicht wahr?«

»Großartig«, sagte Hazel. »Sie wird die erste sein. Mein Gott, was wir erlebt haben, kann ich euch sagen. Und ich werde es auch - was für eine Geschichte! -, aber sie muß noch ein bißchen warten. Kommt jetzt, wir holen die anderen herein.«

Bis Sonnenuntergang hatte der ganze Trupp - zwanzig Kaninchen insgesamt - den Buchenabhang erklommen und das Gehege erreicht. Sie fraßen im Tau und in den langen Schatten, denn das Zwielicht fiel schon auf die untenliegenden Felder. Dann strömten sie in die Honigwabe hinab, um Hazel und Bigwig die Geschichte ihrer Abenteuer erzählen zu hören, sie, die sie so begierig darauf waren und so lange darauf gewartet hatten.

Als das letzte Kaninchen unter der Erde verschwunden war, schwenkte die Weite Patrouille, die ihnen von Caesars Gürtel mit unübertrefflicher Gewandtheit und Disziplin gefolgt war, im Halbkreis gen Osten und wandte sich dann nach Efrafa. Campion hatte Erfahrung im Ausfindigmachen eines Unterschlupfs zur Nacht. Er beabsichtigte, bis zur Frühdämmerung zu ruhen und dann die drei Meilen bis zum Abend des folgenden Tages zurückzulegen.

41. Die Geschichte von Rowsby Woof und dem Zauberischen Wogdog


Sei der keinem gnädig, die so verwegene Übeltäter sind. Des Abends heulen sie wiederum wie die Hunde und laufen in der Stadt umher. Aber du, Herr, wirst ihrer lachen und aller Heiden spotten.

Der 59. Psalm


Jetzt kamen die Hundstage - Tag für Tag heißer, stiller Sommer, wo das Licht über Stunden hinaus das einzige zu sein schien, was sich bewegte; der Himmel - Sonne, Wolken und Brise - wachte über den schläfrigen Hängen. An den Zweigen wurden die Buchenblätter dunkler, und frisches Gras wuchs, wo das alte heruntergeknabbert worden war. Das Gehege blühte und gedieh endlich, und Hazel konnte in der Sonne braten und ihren Segen entgegennehmen. Über und unter der Erde fielen die Kaninchen in einen natürlichen ruhigen, ungestörten Rhythmus des Fressens, Grabens und Schlafens. Mehrere neue Läufe und Baue wurden angelegt. Den Weibchen, die noch nie in ihrem Leben gegraben hatten, gefiel die Arbeit. Beide, Hyzenthlay und Thethuthinnang, sagten Hazel, daß sie keine Ahnung gehabt hätten, wieviel Kummer und Unglück in Efrafa einfach darauf zurückzuführen gewesen wäre, daß sie nicht hatten graben dürfen. Selbst Clover und Haystack fanden, daß sie sehr gut zurechtkamen, und prahlten damit, daß sie den ersten Wurf des Geheges in Bauen, die sie selbst gegraben hatten, zur Welt bringen würden. Blackavar und Holly wurden dicke Freunde. Sie diskutierten viel über ihre verschiedenen Ansichten vom Auskundschaften und Spurenlesen und unternahmen einige Patrouillen zusammen, mehr zu ihrer eigenen Befriedigung, als weil es wirklich nötig war. Eines frühen Morgens überredeten sie Silver, mitzukommen, und wanderten über eine Meile zu der Umgebung von Kingsclere. Sie kehrten zurück und berichteten, wieviel Unfug sie angestellt und wie sie in einem Cottage-Garten geschwelgt hätten. Blackavars Gehör hatte seit der Verstümmelung seiner Ohren nachgelassen, aber Holly fand, daß sein Wahrnehmungsvermögen und seine Fähigkeit, aus allem Ungewöhnlichen Schlüsse zu ziehen, beinahe unheimlich waren und daß er nach Belieben unsichtbar zu werden schien.

Sechzehn Rammler und zehn Weibchen waren eine ziemlich glückliche Zusammensetzung für ein Gehege. Es gab hier und da kleinliches Gezänk, aber nichts Ernstliches. Wie Bluebell sagte, konnte jedes Kaninchen, das unzufrieden war, jederzeit nach Efrafa zurück, und allein der Gedanke an das, was sie durchgemacht hatten, nahm allem die Schärfe, was vielleicht einen wirklichen Streit verursacht haben würde. Die Zufriedenheit der Weibchen dehnte sich auf alle aus, bis Hazel eines Abends bemerkte, daß er sich als Oberkaninchen wie ein falscher Fuffziger vorkäme, denn es gäbe keine Probleme und kaum einen Streit zu schlichten.

»Hast du schon einmal über den Winter nachgedacht?« fragte Holly.

Es war etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang. Vier bis fünf Rammler fraßen mit Clover, Hyzenthlay und Vilthuril an der sonnigen Westseite des Abhanges. Es war immer noch heiß, und der Hügel war so still, daß sie hören konnten, wie die Pferde das Gras auf der Koppel von Cannon Heath Farm, mehr als eine halbe Meile entfernt, rupften. Das war bestimmt nicht die Zeit, an den Winter zu denken.

»Es wird hier oben wahrscheinlich kälter sein, als wir alle es gewohnt waren«, sagte Hazel. »Aber der Boden ist so leicht und die Wurzeln lockern ihn so sehr, daß wir viel tiefer graben können, ehe das kalte Wetter einsetzt. Wir sollten möglichst unter die Frostgrenze kommen. Und was den Wind betrifft, können wir einige Löcher verstopfen und warm schlafen. Mit Gras steht es schlecht im Winter, ich weiß, aber jeder, der eine Abwechslung haben will, kann immer mit Holly hinausgehen und sein Glück beim Stibitzen von irgendwelchem Grünzeug oder von Wurzeln versuchen. Aber es ist eine Jahreszeit, wo man sich vor den elil in acht nehmen muß. Was mich betrifft, so werde ich ganz glücklich sein, unter der Erde zu schlafen, Bob-Stones zu spielen und von Zeit zu Zeit ein paar Geschichten zu hören.«

»Wie war's jetzt mit einer Geschichte?« meinte Bluebell. »Los, Dandelion. >Wie ich beinahe das Boot verfehlte.< Wie wär's damit?«

»Oh, du meinst >Der bestürzte Woundwort<«, sagte Dandelion. »Das ist Bigwigs Geschichte - ich würde es nicht wagen, sie zu erzählen. Aber es ist eine Abwechslung, an einem Abend wie diesem an den Winter zu denken. Das erinnert mich an eine Geschichte, die ich zwar gehört, aber selbst zu erzählen nie versucht habe. Einige von euch kennen sie vielleicht, andere nicht. Es ist die Geschichte von Rowsby Woof und dem Zauberischen Wogdog.«

»Los, los«, sagte Fiver, »und trag dick auf.«

»Es gab einmal ein großes Kaninchen«, sagte Dandelion. »Und es gab ein kleines Kaninchen. Und schließlich gab es El-ahrairah; und der hatte den Frost in seinem schönen neuen Backenbart. Die Erde des Geheges war überall so hart, daß man sich die Pfoten daran schneiden konnte, und die Rotkehlchen antworteten einander über die kahlen, stillen Büsche hinweg: >Das ist mein Teil hier, geh und hungere in deinem eigenen.<

Eines Abends, als Frith riesig und rot an einem blassen Himmel unterging, hinkten El-ahrairah und Rabscuttle zitternd durch das gefrorene Gras, pickten hier ein bißchen und dort ein bißchen, um sich für eine lange Nacht unter der Erde zu versorgen. Das Gras war so spröde und geschmacklos wie Heu, und obgleich sie hungrig waren, konnten sie das elende Zeug nur mit Mühe hinunterwürgen. Schließlich schlug Rabscuttle vor, daß sie das einmal wagen und über die Felder zum Rand des Dorfes schlüpfen sollten, wo sich ein großer Gemüsegarten befand.

Dieser ungewöhnliche Garten war größer als jeder andere in der Umgebung. Der Mann, der darin arbeitete, wohnte in einem Haus am anderen Ende, und er pflegte große Mengen Gemüse auszugraben oder zu schneiden, auf einen hrududu zu laden und sie fortzufahren. Er hatte überall im Garten Draht gespannt, um die Kaninchen abzuhalten. Trotzdem konnte El-ahrairah gewöhnlich einen Weg hinein finden, wenn er wollte, aber es war gefährlich, weil der Mann ein Gewehr hatte und oft Eichelhäher und Tauben schoß und sie aufhängte.

>Nicht nur das Gewehr ist ein Risiko<, sagte El-ahrairah abwägend. >Wir müßten auch die Augen offenhalten nach diesem verdammten Rowsby Woof.<

Nun, Rowsby Woof war der Hund des Mannes, und er war das unangenehmste, bösartigste, abscheulichste Vieh, das je die Hand eines Mannes geleckt hat. Er war ein großes wolliges, überall um die Augen behaartes Tier, das der Mann sich hielt, um den Gemüsegarten, besonders bei Nacht, zu hüten. Rowsby Woof fraß natürlich selbst kein Gemüse, und jeder hätte meinen können, daß er willens wäre, ein paar hungrigen Tieren gelegentlich ein Salatblatt oder eine Mohrrübe zu überlassen und keine Fragen zu stellen. Aber nichts dergleichen, Rowsby Woof lief vom Abend bis zur Frühdämmerung des folgenden Tages frei herum, und nicht zufrieden damit, Männer und Jungen vom Garten fernzuhalten, ging er auf alle Tiere los, die er da fand -Ratten, Kaninchen, Hasen, Mäuse, sogar Maulwürfe -, und tötete sie, wenn er konnte. Sobald er etwas witterte, was nach Eindringling roch, bellte er und machte Radau, obgleich es sehr oft dieser alberne Lärm war, der ein Kaninchen warnte und es ihm ermöglichte, noch rechtzeitig zu entkommen. Rowsby Woof wurde für einen so ungeheuren Rattenfänger gehalten, und sein Herr hatte so oft mit dieser seiner Fertigkeit geprahlt und so sehr mit ihm geprotzt, daß er empörend eingebildet geworden war. Er hielt sich für den besten Rattenfänger der Welt. Er fraß eine Menge rohes Fleisch (außer abends, weil man ihn nachts hungrig ließ, um ihn rege zu halten), und dies erleichterte es ziemlich, sein Kommen zu wittern. Aber trotzdem machte er den Garten zu einem gefährlichen Ort.

>Nun, wagen wir es einmal mit Rowsby Woof<, sagte Rabscuttle. >Ich schätze, du und ich sollten imstande sein, ihm, wenn nötig, zu entwischen.<

El-ahrairah und Rabscuttle liefen über die Felder an den Rand des Gartens. Als sie dahin kamen, sahen sie als erstes den Mann selbst, mit einem weißen brennenden Stengel im Mund, der Reihe um Reihe gefrorene Kohlköpfe erntete. Rowsby Woof war bei ihm, schwanzwedelnd und auf lächerliche Art herumspringend. Nach einer Weile lud der Mann soviel Kohl, wie er konnte, in ein Ding mit Rädern und schob es zum Haus. Er kam mehrmals zurück, und als er alle Kohlköpfe zur Haustür gebracht hatte, trug er sie hinein. >Weshalb tut er das?< fragte Rabscuttle.

>Ich nehme an, er will den Frost heute nacht aus ihnen herauskriegen<, erwiderte El-ahrairah, >ehe er sie in dem hrududu morgen fortbringt.<

>Sie werden viel besser schmecken, wenn der Frost aus ihnen heraus ist, nicht wahr?< sagte Rabscuttle. >Ich wünschte, wir kämen an sie heran, solange sie noch da drinnen sind. Trotzdem, schadet nichts. Jetzt haben wir eine Chance. Sehen wir zu, was wir an diesem Ende des Gartens tun können, während er da unten beschäftigt ist.<

Aber kaum hatten sie den Garten überquert und befanden sich zwischen den Kohlköpfen, da hatte Rowsby Woof sie gewittert und kam bellend und schnaubend an, und sie hatten Glück, noch rechtzeitig hinauszukommen.

>Dreckige kleine Biester<, rief Rowsby Woof. >Wau - wau! Wie könnt ihr es wagen, eure Mäuler hier hereinzustecken? Rrrraus! Rrrraus!<

>Gemeines Scheusal!< sagte El-ahrairah, als sie ins Gehege zurückeilten und für ihren Verdruß nichts vorzuweisen hatten. >Er hat mich wirklich geärgert. Ich weiß noch nicht, wie ich es anstelle, aber bei Frith und Inle, ehe dieser Frost taut, werden wir seinen Kohl im Haus drinnen fressen und ihn obendrein als Dummkopf hinstellen.<

>Das ist aber übertrieben, Meister<, sagte Rabscuttle. >Es wäre schade, sein Leben für einen Kohlkopf wegzuwerfen, nach allem, was wir zusammen erlebt haben.<

>Nun, ich werde auf meine Chance warten<, sagte El-ahrairah. >Ich werde auf meine Chance warten, das ist alles.< Am darauffolgenden Nachmittag beschnüffelte Rabscuttle die obere Böschung neben dem Feldweg, als ein hrududu vorbeifuhr. Er hatte Türen hinten, und diese Türen waren irgendwie aufgegangen und schwangen hin und her, als der hrududu vorbeifuhr. Da waren Dinge in Beutel gepackt, die denen ähnelten, welche Männer manchmal auf den Feldern liegenlassen; und als der hrududu an Rabscuttle vorbeifuhr, fiel einer dieser Beutel auf den Weg. Als der hrududu fort war, glitt Rabscuttle, der hoffte, daß der Beutel etwas zum Fressen enthielt, auf den Feldweg, um das Ding zu beschnüffeln. Aber er wurde enttäuscht: Alles, was er fand, war eine Art Fleisch. Später erzählte er El-ahrairah von seiner Enttäuschung.

>Fleisch?< sagte El-ahrairah. >Ist es noch da?<

>Woher soll ich das wissen?< sagte Rabscuttle. >Ekliges Zeug.<

>Komm mit<, sagte El-ahrairah. >Schnell.<

Als sie auf den Feldweg kamen, war das Fleisch noch da. El-ahrairah zog den Beutel in den Graben, und sie vergruben ihn.

>Aber was soll uns das nützen, Meister?< fragte Rabscuttle. >Ich weiß es noch nicht<, sagte El-ahrairah. >Aber zu irgend etwas wird es sicherlich gut sein, wenn es die Ratten nicht kriegen. Aber komm jetzt nach Hause. Es wird dunkel.< Als sie nach Hause liefen, stießen sie auf eine alte schwarze Reifendecke, die von einem hrududu weggeworfen worden war und im Graben lag. Wenn ihr diese Dinge je gesehen habt, werdet ihr wissen, daß sie so etwas wie ein riesiger Schwamm sind - weich und sehr stark, aber wulstig und auch nachgiebig. Sie riechen unangenehm und sind nicht zum Fressen geeignet.

>Komm<, sagte El-ahrairah sofort. >Wir müssen einen ordentlichen Bissen davon abkauen. Ich brauche ihn.<

Rabscuttle fragte sich, ob sein Meister verrückt werde, aber er tat, wie geheißen. Das Zeug war ziemlich verwittert, und binnen kurzem konnten sie einen Klumpen von der Größe eines Kaninchenkopfes abnagen. Es schmeckte furchtbar, aber El-ahrairah trug es vorsichtig ins Gehege zurück. Er verbrachte eine Menge Zeit in der Nacht damit, daran zu knabbern, und nach dem Morgen-silflay am nächsten Tag machte er weiter. Etwa um ni-Frith weckte er Rabscuttle, nahm ihn mit nach draußen und legte den Klumpen vor ihn hin.

>Wie sieht das aus?< fragte er. >Stoß dich nicht an dem Geruch. Wie sieht es aus?<

Rabscuttle betrachtete es. >Es sieht eigentlich wie die schwarze Nase eines Hundes aus, Meister<, antwortete er, >außer daß es trocken ist.<

>Großartig<, sagte El-ahrairah und ging schlafen.

Es war immer noch frostig - sehr klar und kalt - in jener Halbmondnacht, aber gegen fu Inle, als alle Kaninchen sich unter der Erde wärmten, befahl El-ahrairah Rabscuttle, mit ihm zu kommen. El-ahrairah trug die schwarze Nase selbst und stieß sie tief in jedes scheußliche Ding, das er unterwegs finden konnte. Er fand ein -«

»Laß gut sein«, sagte Hazel. »Mach weiter mit der Geschichte.«

»Schließlich«, fuhr Dandelion fort, »entfernte sich Rabscuttle möglichst weit von ihm, aber El-ahrairah hielt den Atem an und trug die Nase irgendwie weiter, bis sie zu der Stelle kamen, wo sie das Fleisch vergraben hatten.

>Grab es aus<, sagte El-ahrairah. >Mach schon.<

Sie gruben es aus, und das Papier ging ab. Das Fleisch bestand aus kleinen Stücken, die in einer Art Schweif wie ein Zaunrübenbüschel aneinanderhingen, und der arme Rabscuttle wurde angewiesen, es bis zum Gemüsegarten zu schleppen. Es war eine schwere Arbeit, und er war froh, als er es fallen lassen konnte.

>Jetzt<, sagte El-ahrairah, >gehen wir nach vorn.<

Als sie nach vorn kamen, sahen sie, daß der Mann ausgegangen war. Erstens war das Haus völlig dunkel, aber außerdem konnten sie riechen, daß er vor einer Weile durch das Tor gegangen war. Die Vorderseite des Hauses zierte ein Blumengarten, und der war von der Rückseite und dem Gemüsegarten durch einen hohen, dichten Bretterzaun getrennt, der in einer mächtigen Gruppe von Lorbeerbüschen endete. Direkt an der anderen Seite des Zaunes befand sich die Hintertür, die in die Küche führte.

El-ahrairah und Rabscuttle schlichen leise durch den Vordergarten und guckten durch einen Spalt im Zaun. Rowsby Woof saß auf einem Kiesweg, hellwach und in der Kälte zitternd. Er war so nahe, daß sie seine Augen im Mondlicht blinken sehen konnten. Die Küchentür war geschlossen, aber ganz in der Nähe, an der Wand, war ein Loch oberhalb des Abflußrohrs, wo ein Ziegelstein ausgelassen worden war. Der Küchenboden bestand aus Ziegelsteinen, und der Mann pflegte ihn mit einem borstigen Besen zu scheuern und das Wasser durch das Loch hinauszufegen. Das Loch war mit einem alten Tuch verstopft, um die Kälte abzuhalten.

Nach einer Weile sagte El-ahrairah mit leiser Stimme:

»Rowsby Woof! O Rowsby Woof!<

Rowsby Woof setzte sich auf und blickte sich zornig um.

>Wer ist da?< fragte er. >Wer bist du?<

>O Rowsby Woof!< sagte El-ahrairah, der sich auf der anderen Seite des Zaunes duckte. >Glücklicher, gesegneter Rowsby Woof! Deine Belohnung ist da! Ich bringe dir die beste Nachricht der Welt!<

>Wer ist da?< sagte Rowsby Woof. >Keine Tricks, bitte!<

>Tricks, Rowsby Woof?< sagte El-ahrairah. >Ah, ich verstehe, du kennst mich nicht. Aber wie solltest du auch? Hör zu, treuer, tüchtiger Hund. Ich bin der Zauberische Wogdog, Bote des großen Hundegeistes aus dem Osten, der Königin Dripslobber. Weit, weit im Osten liegt ihr Palast. O Rowsby Woof, wenn du nur ihren mächtigen Staat, die Wunder ihres Königreiches sehen könntest! Das Aas, das weit und breit auf den Sandbänken liegt! Der Dung, Rowsby Woof! Die offenen Kloaken! Oh, wie du vor Freude springen und alles beschnüffeln würdest!<

Rowsby Woof stand auf und blickte sich schweigend um. Er wußte nicht, was er von der Stimme halten sollte, aber er war mißtrauisch.

>Dein Ruf als Rattenfänger ist der Königin zu Ohren gekommen<, sagte El-ahrairah. >Wir kennen dich - und ehren dich - als den größten Rattenfänger auf Erden. Aus diesem Grunde bin ich hier. Aber armes, verwirrtes Geschöpf! Ich sehe, du bist verblüfft - und mit Recht. Komm her, Rowsby Woof! Komm nahe an den Zaun und lerne mich besser kennen!<

Rowsby Woof trat an den Zaun heran, und El-ahrairah stieß die Gumminase zwischen die Stäbe und bewegte sie hin und her. Rowsby Woof stand schnüffelnd dicht davor.

>Edler Rattenfänger<, flüsterte El-ahrairah, >ich bin's wirklich, der Zauberische Wogdog, der gesandt wurde, um dich zu ehren.<

>Oh, Zauberischer Wogdog!< rief Rowsby Woof, sabbernd und auf dem Kies hin und her tänzelnd. >Ah, was für ein feiner Geschmack! Was für eine herrliche Qualität! Kann das wirklich verweste Katze sein, was ich da rieche? Mit einem delikaten Ruch von fauligem Kamel! Ah, der prächtige Osten!<«

»Was in aller Welt ist ein >Kamel

»Ich weiß es nicht«, erwiderte Dandelion. »Aber so hieß es in der Geschichte, als ich sie hörte. Ich nehme an, irgendein Geschöpf.

>Glücklicher, glücklicher Hund!< sagte El-ahrairah. >Ich muß dir sagen, daß Königin Dripslobber höchstpersönlich den gnädigen Wunsch geäußert hat, daß du ihre Bekanntschaft machen sollst. Aber noch nicht, Rowsby Woof, noch nicht. Zuerst mußt du für würdig befunden werden. Ich bin geschickt worden, dich sowohl zu prüfen, als dir einen Beweis zu bringen. Hör zu, Rowsby Woof. Am anderen Ende des Gartens liegt ein langes Seil mit Fleisch. Jawohl, echtes Fleisch, Rowsby Woof; denn obgleich wir Zauberhunde sind, bringen wir edlen, tapferen Tieren wie dir echte Geschenke. Geh jetzt - such und friß das Fleisch. Vertrau mir; denn ich werde das Haus bewachen, bis du zurückkommst. Auf diese Weise werden wir dein Vertrauen erproben.<

Rowsby Woof war schrecklich hungrig, und die Kälte lag ihm im Magen, aber trotzdem zögerte er. Er wußte, daß sein Herr von ihm erwartete, daß er das Haus bewachte.

>Na schön<, sagte El-ahrairah, >macht nichts. Ich werde fortgehen. Im nächsten Dorf ist ein Hund -<

>Nein, nein<, rief Rowsby Woof. >Nein, Zauberischer Wogdog, geh nicht! Ich vertraue dir! Ich gehe sofort! Bewache das Haus und laß mich nicht im Stich!<

>Keine Angst, edler Hund<, sagte El-ahrairah. >Vertraue nur dem Wort der großen Königin.<

Rowsby Woof sprang im Mondlicht davon, und El-ahrairah blickte ihm nach, bis er außer Sicht war.

>Sollen wir jetzt ins Haus gehen, Meister?< fragte Rabscuttle. >Dann müssen wir uns aber beeilen.<

>Nicht doch<, sagte El-ahrairah. >Wie kannst du etwas so Unehrliches vorschlagen? Schäme dich, Rabscuttle! Wir werden das Haus bewachen.<

Sie warteten still, und nach einer Weile kam Rowsby Woof zurück, sich die Lippen leckend und grinsend. Er schnüffelte sich an den Zaun heran.

>Ich merke, rechtschaffener Freund<, sagte El-ahrairah, >daß du das Fleisch so schnell gefunden hast, als wäre es eine Ratte. Das Haus ist unversehrt und alles in Ordnung. Jetzt hör zu. Ich werde zur Königin zurückgehen und von allem, was hier geschehen ist, berichten. Es war ihre gnädige Absicht, selbst nach dir zu schicken und dich zu ehren, wenn du dich heute Abend würdig erwiesest, indem du ihrem Boten vertrautest. Morgen Abend wird sie auf dem Weg zum WolfFest des Nordens hier durchkommen, und sie beabsichtigt, ihre Reise zu unterbrechen, damit du vor ihr erscheinen kannst. Sei bereit, Rowsby Woof.<

>O Zauberischer Wogdog! < rief Rowsby Woof. >Welche Freude wird es sein, vor der Königin zu kriechen und mich zu erniedrigen! Wie demütig werde ich auf dem Boden rollen! Wie gänzlich werde ich mich zu ihrem Sklaven machen! Wie unterwürfig werde ich sein! Ich werde mich als wahrer Hund erweisen! <

>Das bezweifle ich nicht<, sagte El-ahrairah. >Und jetzt lebe wohl. Sei geduldig und erwarte meine Rückkehr!<

Er zog die Gumminase zurück, und sie krochen ganz leise fort.

Die folgende Nacht war noch kälter. Selbst El-ahrairah mußte sich zusammennehmen, ehe er sich über die Felder aufmachte. Sie hatten die Gumminase außerhalb des Gartens versteckt, und sie brauchten einige Zeit, um sie für Rowsby Woof zu präparieren. Als sie sicher waren, daß der Mann ausgegangen war, liefen sie vorsichtig in den Vordergarten und zum Zaun. Rowsby Woof trottete vor der Hintertür auf und ab, sein Atem dampfte in der eisigen Luft.

Als El-ahrairah sprach, legte er den Kopf zwischen seine Vorderpfoten und winselte vor Freude.

>Die Königin kommt, Rowsby Woof<, sagte El-ahrairah hinter der Nase, >mit ihren edlen Begleitern, den Elfen Postwiddle und Sniffbottom. Und dies ist ihr Wunsch - du kennst die Straßenkreuzung im Dorf, nicht wahr?<

>Ja, ja!< winselte Rowsby Woof. >Ja. Ja! O laß mich zeigen, wie sehr ich mich erniedrigen kann, lieber Zauberischer Wogdog. Ich will -<

>Sehr gut<, sagte El-ahrairah. Jetzt, o glücklicher Hund, geh zur Kreuzung und warte auf die Königin. Sie kommt auf den Flügeln der Nacht. Sie kommt von weit her, aber warte nur geduldig. Warte nur. Verfehle sie nicht, und große Gnade wird über dich kommen.<

>Sie verfehlen? Nein, nein!< rief Rowsby Woof. >Ich werde warten wie ein Wurm auf der Straße. Ihr Bettler bin ich, Zauberischer Wogdog! Ihr Bettler, ihr Narr, ihr -<

>Ganz recht, ausgezeichnet^ sagte El-ahrairah. >Aber beeile dich jetzt.<

Sobald Rowsby Woof verschwunden war, schlüpften El-ahrairah und Rabscuttle schnell durch die Lorbeersträucher, um das Ende des Zaunes herum und zur Hintertür. El-ahrairah zog das Tuch mit den Zähnen aus dem Loch über dem Abzugsrohr und ging in die Küche voran.

Die Küche war so warm wie diese Böschung hier, und in einer Ecke lag ein großer Haufen Gemüse für den hrududu am Morgen bereit - Kohlköpfe, Rosenkohl und Pastinaken. Sie waren aufgetaut, und der köstliche Geruch war überwältigend. El-ahrairah und Rabscuttle begannen sofort, das gefrorene Gras und die Baumrinde der vergangenen Tage wieder wettzumachen.

>Guter treuer Bursche<, sagte El-ahrairah mit vollem Maul. >Wie dankbar er der Königin sein wird, daß sie ihn warten läßt. Er wird ihr das volle Ausmaß seiner Loyalität zeigen können, nicht wahr? Nimm noch eine Pastinake, Rabscuttle.< Inzwischen wartete unten an der Kreuzung Rowsby Woof begierig in der Kälte und lauschte auf das Kommen der Königin. Nach einer langen Zeit hörte er Schritte. Es waren nicht die Schritte eines Hundes, sondern die eines Mannes. Als sie sich näherten, merkte er, daß es die Schritte seines eigenen Herrn waren. Er war zu dumm, fortzurennen oder sich zu verstecken, sondern blieb, wo er war, bis sein Herr -der nach Hause ging - zur Kreuzung heraufkam.

>Nanu, Rowsby Woof<, sagte sein Herr. >Was tust du denn hier? <

Rowsby Woof sah blöd aus und schnüffelte herum. Sein Herr stand vor einem Rätsel. Dann kam ihm ein Gedanke.

>Ha, alter Junge<, sagte er, >du wolltest mich wohl abholen, was? Feiner Kerl! Komm, wir wollen zusammen nach Hause gehen.<

Rowsby Woof versuchte zu entwischen, aber sein Herr packte ihn am Kragen, band ihn an ein Stück Schnur, das er in der Tasche hatte, und führte ihn nach Hause.

Ihr Kommen überrumpelte El-ahrairah. Tatsächlich war er so sehr damit beschäftigt, Kohl in sich hineinzustopfen, daß er nichts hörte, bis es an der Türklinke rüttelte. Er und Rabscuttle hatten gerade noch Zeit, hinter einen Haufen Körbe zu schlüpfen, ehe der Mann, Rowsby Woof führend, hereinkam. Rowsby Woof war still und niedergeschlagen und spürte nicht einmal den Kaninchengeruch, der ohnehin mit dem Geruch des Feuers und der Speisekammer vermischt war. Er legte sich auf die Matte, während sich der Mann mit einem Getränk versorgte.

El-ahrairah wartete auf eine Chance, durch das Loch in der Wand zu entwischen. Aber der Mann, der dasaß, trank und seinen weißen Stengel paffte, blickte sich plötzlich um und stand auf. Er hatte gemerkt, daß es durch das offene Loch zog. Zum Entsetzen der Kaninchen nahm er einen Sack und stopfte das Loch ganz fest zu. Dann trank er aus, schürte das Feuer und ging schlafen; Rowsby Woof schloß er in der Küche ein. Offenbar hielt er es für zu kalt, um ihn in die Nacht hinauszujagen.

Zuerst winselte Rowsby Woof und kratzte an der Tür, aber nach einer Weile kam er zu der Matte vor dem Feuer zurück und legte sich hin. El-ahrairah bewegte sich ganz leise an der Wand entlang, bis er sich hinter einem großen Metallbehälter in der Ecke unter dem Ausgußbecken befand. Da lagen auch Säcke und alte Zeitungen, und er war ziemlich sicher, daß es Rowsby Woof nicht möglich war, dahinterzugucken. Sobald Rabscuttle bei ihm war, sprach er.

>O Rowsby Woof!< flüsterte El-ahrairah.

Rowsby Woof war wie der Blitz auf.

>Zauberischer Wogdog!< rief er. >Bist du das?<

>In der Tat< sagte El-ahrairah. >Es tut mir leid, daß du enttäuscht wurdest, Rowsby Woof. Du hast die Königin nicht getroffen.<

>Leider nicht<, sagte Rowsby Woof und erzählte, was sich an der Kreuzung zugetragen hatte.

>Schadet nichts<, sagte El-ahrairah. >Verzage nicht, Rowsby Woof. Es bestanden gute Gründe, weshalb die Königin nicht kommen konnte. Sie erhielt Nachricht von einer Gefahr - ah, einer großen Gefahr, Rowsby Woof! - und entging ihr gerade noch rechtzeitig. Ich selbst bin hier unter Einsatz meines Lebens, um dich zu warnen. Du hast wirklich Glück, daß ich dein Freund bin; denn sonst wäre dein guter Herr von der tödlichen Pest heimgesucht worden.<

>Pest?< rief Rowsby Woof. >Oh, wieso, guter Zauberer?<

>Es gibt viele Elfen und Geister in den Tierkönigreichen des Ostens<, sagte El-ahrairah. >Einige sind Freunde, und dann gibt es wieder solche - möge das Unglück sie niederschmettern -, die unsere Todfeinde sind. Der schlimmste von allen, Rowsby Woof, ist der große RattenGeist, der Riese von Sumatra, der Fluch Hamelins. Er wagt nicht, offen mit unserer edlen Königin zu kämpfen, sondern arbeitet heimlich mit Gift und Krankheit. Bald nachdem du gegangen warst, erfuhr ich, daß er seine verhaßten Rattenkobolde durch die Wolken geschickt hat, die Krankheit bei sich tragen. Ich warnte die Königin, aber ich blieb trotzdem hier, Rowsby Woof, um auch dich zu warnen. Wenn die Krankheit ausbricht - und die Kobolde sind ganz nahe -, wird sie nicht dir Schaden zufügen, sondern sie wird deinen Herrn töten - und mich auch, fürchte ich. Du kannst ihn retten, nur du allein. Ich vermag es nicht.<

>O Entsetzen! < rief Rowsby Woof. >Es gilt, keine Zeit zu verlieren! Was muß ich tun, Zauberischer Wogdog?<

>Die Krankheit wirkt durch Zauber<, sagte El-ahrairah. >Wenn aber ein wirklicher Hund aus Fleisch und Blut viermal rund ums Haus laufen und so laut bellen würde, wie er könnte, dann würde der Zauber gebrochen, und die Krankheit hätte keine Macht. Aber ach! Ich vergaß! Du bist ja eingeschlossen, Rowsby Woof. Was soll man tun? Ich fürchte, alles ist verloren!<

>Nein, nein!< sagte Rowsby Woof. >Ich werde dich retten, Zauberischer Wogdog, und meinen lieben Herrn auch. Überlaß das nur mir!<

Rowsby Woof begann zu bellen. Er bellte, um Tote aufzuerwecken. Die Fenster klirrten. Die Kohlen fielen durch den Rost. Der Lärm war entsetzlich. Sie konnten den Mann oben rufen und fluchen hören. Rowsby Woof bellte immer noch. Der Mann kam heruntergestampft. Er riß das Fenster auf und horchte nach Dieben, aber er konnte nichts hören, einerseits, weil nichts zu hören war, und andererseits wegen des unaufhörlichen Bellens. Schließlich nahm er sein Gewehr, riß die Tür auf und ging vorsichtig hinaus, um zu sehen, was los war. Hinaus schoß Rowsby Woof, bellte wie wahnsinnig und fegte um das Haus. Der Mann folgte ihm im Laufschritt und ließ die Tür weit offen.

>Schnell!< sagte El-ahrairah. >Schneller als Wogdog vom Bogen des Tartaren! Los!<

El-ahrairah und Rabscuttle sausten in den Garten und verschwanden durch die Lorbeerbüsche. Im Feld dahinter machten sie einen Augenblick Pause. Von hinten kamen die Kläff- und Bellgeräusche, vermischt mit Schreien und zornigen Rufen: >Komm her, verdammt noch mal!<

>Edler Junge<, sagte El-ahrairah. >Er hat seinen Herrn gerettet, Rabscuttle. Er hat uns alle gerettet. Gehen wir nach Hause, um in unserem Bau zu schlafen.<

Sein Leben lang vergaß Rowsby Woof die Nacht nicht, in der er auf die große Königin gewartet hatte. Gewiß, es war eine Enttäuschung, aber das war nur eine Kleinigkeit, dachte er, verglichen mit der Erinnerung an seine eigene noble Haltung und wie er beide, seinen Herrn und den guten Zauberischen Wogdog, vor dem bösen Ratten-Geist gerettet hatte.«

42. Nachricht bei Sonnenuntergang


Du wirst bestimmt beweisen, daß der Akt ungerecht und den Göttern verhaßt ist?

Ja, in der Tat, Sokrates; zumindest, wenn sie mir zuhören wollen.

Plato Euthyphro


Als er zum Ende seiner Geschichte kam, erinnerte Dandelion sich daran, daß er Acorn als Wachtposten ablösen sollte. Der Posten war ein Stückchen entfernt, nahe der östlichen Ecke des Waldes, und Hazel, der sehen wollte, wie Boxwood und Speedwell mit einem Loch vorankamen, das sie gruben, lief mit Dandelion am Fuß der Böschung entlang. Er wollte gerade in das neue Loch hinuntergehen, als er bemerkte, daß ein kleines Geschöpf im Gras herumtrappelte. Es war die Maus, die er vor dem Turmfalken gerettet hatte. Erfreut, sie noch gesund und munter zu sehen, ging Hazel zurück, um ein paar Worte mit ihr zu reden. Die Maus erkannte ihn und setzte sich auf, wusch sich das Gesicht mit den Vorderpfoten und plapperte darauflos.

»Es ist gute Tage, heiße Tage. Gefällt dir? Menge zu essen, sich warm halten nicht schwer. Unten am Boden von Hügel ist Ernte. Ich geh nach Korn, aber ist langer Weg. Ich glaube, du fortgegangen, ist nicht lang, du zurückkommen, ja?«

»Ja«, sagte Hazel, »viele von uns gingen fort, aber wir fanden, was wir suchten, und jetzt sind wir für immer zurückgekommen.«

»Ist gut. Ist viele Kaninchen jetzt hier, halten Gras kurz.«

»Was für einen Unterschied macht es für sie, wenn das Gras kurz ist?« sagte Bigwig, der mit Blackavar in der Nähe herumstreunte und knabberte. »Sie frißt es ohnehin nicht.«

»Ist gut vorwärtszukommen, weißt du?« sagte die Maus in einem vertrauten Ton, so daß Bigwig ärgerlich die Ohren schüttelte. »Ist schnelles Laufen - aber keine Samen aus kurzem Gras. Jetzt ein Gehege hier, und jetzt heute kommen neue Kaninchen, bald ist ein anderes Gehege mehr. Neue Kaninchen sein auch eure Freunde?«

»Ja, ja, alles Freunde«, sagte Bigwig, sich abwendend. »Ich wollte dir noch etwas über die neugeborenen Kaninchen sagen, Hazel, wenn sie soweit sind, daß sie nach oben kommen.«

Hazel blieb jedoch, wo er war, und sah gespannt die Maus an.

»Warte einen Augenblick«, sagte er. »Was sagtest du da von einem anderen Gehege? Wo wird ein anderes Gehege sein?«

Die Maus war überrascht. »Du nicht wissen? Nicht deine Freunde?«

»Ich wußte es nicht, bis du es mir sagtest. Was meintest du mit neuen Kaninchen und einem anderen Gehege bald?«

Sein Ton war drängend und neugierig. Die Maus wurde nervös und fing nach Art ihrer Gattung an zu sagen, was die Kaninchen, wie sie glaubte, gerne hören wollten.

»Vielleicht ist kein Gehege. Ist viel gute Kaninchen hier, ist alle meine Freunde. Ist keine Kaninchen mehr. Brauchen keine Kaninchen.«

»Aber was für andere Kaninchen?« beharrte Hazel.

»Nein, Sir, nein, Sir, keine anderen Kaninchen, nicht gehen bald nach Kaninchen, alle hier sein meine Freunde, retten mir mein Leben, wie kann ich dann, was ich soll?« zwitscherte die Maus.

Hazel überlegte kurz, was das heißen sollte, aber es war ihm zu hoch.

»Ach, komm schon, Hazel«, sagte Bigwig. »Laß das arme kleine Vieh in Ruhe. Ich möchte mit dir reden.«

Hazel beachtete ihn nicht. Er trat ganz nahe an die Maus heran, neigte den Kopf und sprach ruhig und fest.

»Du hast oft gesagt, du seist unser Freund«, sagte er.

»Wenn du's bist, sag mir - und hab keine Angst -, was du von kommenden anderen Kaninchen weißt.«

Die Maus sah verwirrt aus. Dann sagte sie: »Ich nicht andere Kaninchen sehen, Sir, aber mein Bruder sagen, eine Goldammer sagen, neue Kaninchen, viele, viele Kaninchen kommen über Talmulde auf Morgenseite. Vielleicht ist eine Menge Unsinn. Ich dir falsch sagen, du Maus nicht mehr mögen, kein Freund mehr.«

»Nein, es ist gut«, sagte Hazel. »Hab keine Angst. Bloß sag's mir noch mal. Wo hat der Vogel gesagt, daß diese neuen Kaninchen seien?«

»Er sagen, kommen jetzt auf Morgenseite. Ich nicht gesehen.«

»Guter Junge«, sagte Hazel. »Du hast uns sehr geholfen.« Er wandte sich wieder zu den anderen. »Was hältst du davon, Bigwig?« fragte er.

»Nicht viel«, antwortete Bigwig. »Gras-Gerüchte. Diese kleinen Geschöpfe sagen irgendwas und ändern es fünfmal am Tage. Frag sie wieder gegen fu Inle - und sie wird dir etwas ganz anderes sagen.«

»Wenn du recht hast, dann habe ich unrecht, und wir können es alle vergessen«, sagte Hazel. »Aber ich werde dieser Sache auf den Grund kommen. Jemand muß der Angelegenheit nachgehen. Ich würde es selbst tun, aber mein Lauf ist noch zu schwach.«

»Nun, auf jeden Fall nicht mehr heute Abend«, sagte Bigwig. »Wir können -«

»Jemand muß der Sache nachgehen«, wiederholte Hazel fest. »Ein guter Späher sollte es sein. Blackavar, geh und hol mir Holly, ja?«

»Zufällig bin ich hier«, sagte Holly, der oben über die Böschung gekommen war, während Hazel sprach. »Was macht dir Sorgen, Hazel-rah?«

»Es gibt ein Gerücht über Fremde auf den Hügeln, auf der Morgenseite, und ich möchte mehr darüber wissen. Kannst du mit Blackavar da hinüberrennen - sagen wir, zum Ende der Talmulde - und herausfinden, was da los ist?«

»Ja, natürlich, Hazel-rah«, sagte Holly. »Wenn wirklich andere Kaninchen da sein sollten, dann bringen wir sie am besten mit zurück, nicht wahr? Wir könnten noch ein paar gebrauchen.«

»Es kommt darauf an, wer sie sind«, sagte Hazel. »Das möchte ich ja gerade herausfinden. Geh sofort, Holly, bitte. Irgendwie macht es mir Sorgen, daß ich's nicht weiß.«

Kaum waren Holly und Blackavar aufgebrochen, als Speedwell über der Erde erschien. Er bot einen aufgeregten, triumphierenden Anblick, der sofort die Aufmerksamkeit aller erregte. Er hockte sich vor Hazel hin und sah sich schweigend um, seiner Wirkung sicher.

»Hast du das Loch fertig?« fragte Hazel.

»Lassen wir das Loch«, antwortete Speedwell. »Ich bin nicht nach oben gekommen, um das zu sagen. Clover hat ihren Wurf bekommen. Alles gute, gesunde Junge. Drei Rammler und drei Weibchen, sagte sie.«

»Na, dann hinauf mit dir in die Buche und singe«, sagte Hazel. »Sieh zu, daß es alle erfahren! Aber sag ihnen, sie sollen sich nicht da unten zusammendrängen und sie stören.«

»Ich glaube nicht, daß einer das täte«, sagte Bigwig. »Wer würde wieder ein Junges sein wollen oder aber eines sehen wollen - blind und taub und ohne Fell?«

»Einige der Weibchen werden sie vielleicht sehen wollen«, sagte Hazel. »Sie sind aufgeregt, weißt du? Aber wir wollen nicht, daß Clover gestört wird und sie auffrißt oder so etwas Furchtbares.«

»Es sieht so aus, als ob wir endlich wieder ein natürliches Leben führen werden, nicht wahr?« sagte Bigwig, als sie äsend über die Böschung wanderten. »Was war das für ein Sommer! Was für - was für ein verzweifelter Streich! Ich träumte dauernd, ich sei wieder in Efrafa, weißt du, aber das wird wohl vergehen. Eines brachte ich allerdings von da zurück, und das ist das Wissen um den Vorteil, ein Gehege verborgen zu halten. Wenn wir uns vergrößern, Hazel, sollten wir darauf achten. Wir werden es natürlich besser als Efrafa machen. Wenn wir die richtige Größe erreicht haben, können Kaninchen ermutigt werden zu gehen.«

»Nun, geh du nur nicht«, sagte Hazel, »oder ich werde Kehaar bitten müssen, dich im Genick zu packen und zurückzubringen. Ich verlasse mich auf dich, uns eine wirklich gute Owsla auf die Beine zu stellen.«

»Das ist ganz sicher etwas, worauf man sich freuen kann«, sagte Bigwig. »Nimm eine Bande junger Burschen zu der Farm hinüber und jage die Katzen aus der Scheune, um Appetit zu kriegen. Nun, den werden sie bekommen. He, dieses Gras ist trocken wie Pferdehaar auf Stacheldraht, stimmt's? Wie wär's mit einem Lauf hügelab zu den Feldern -nur du und ich und Fiver? Das Korn ist gemäht worden, und da sollte es eigentlich eine Nachlese geben. Sie werden bestimmt bald das Feld abbrennen, aber sie haben's noch nicht getan.«

»Nein, wir müssen noch etwas warten«, meinte Hazel. »Ich möchte hören, was Holly und Blackavar zu sagen haben, wenn sie zurückkommen.«

»Darauf brauchst du nicht mehr lange zu warten«, erwiderte Bigwig. »Da kommen sie schon, wenn ich mich nicht irre. Direkt den offenen Pfad herunter! Geben sich keine Mühe, sich zu verstecken, nicht wahr? In welchem Tempo die kommen!«

»Da stimmt etwas nicht«, sagte Hazel, auf die sich nähernden Kaninchen starrend.

Holly und Blackavar erreichten den langen Schatten des Waldes in höchster Geschwindigkeit, als ob sie verfolgt würden. Die Zuschauer erwarteten, daß sie langsamer würden, als sie zur Böschung kamen, aber sie rannten direkt weiter und schienen tatsächlich unter den Boden rennen zu wollen. Im letzten Augenblick hielt Holly an, sah sich um und stampfte zweimal. Blackavar verschwand im nächsten Loch. Beim Stampfen rannten alle Kaninchen über der Erde in Deckung.

»He, Augenblick mal«, sagte Hazel, sich an Pipkin und Hawkbit vorbeidrängend, die über das Gras kamen. »Holly, was bedeutet der Alarm? Sag uns was, statt alles in Stücke zu stampfen. Was ist passiert?«

»Laß die Löcher zufüllen!« keuchte Holly. »Schick alle unter die Erde! Es ist kein Augenblick zu verlieren.« Er rollte die Augen, daß das Weiße zu sehen war, und schnaufte Schaum über das Kinn.

»Sind es Männer oder was? Man kann nichts sehen, hören oder riechen. Komm schon, erzähl uns was und hör auf zu quatschen, sei ein guter Junge.«

»Es muß aber schnell gehen«, sagte Holly. »Diese

Talmulde - ist voller Kaninchen aus Efrafa.«

»Aus Efrafa? Flüchtlinge, meinst du?«

»Nein«, sagte Holly, »keine Flüchtlinge. Campion ist da. Wir liefen direkt in ihn hinein und in drei oder vier weitere, die Blackavar erkannte. Ich glaube, Woundwort ist selbst auch da. Sie sind unsertwegen gekommen - worauf du dich verlassen kannst.«

»Bist du sicher, daß es mehr als eine Patrouille ist?«

»Ganz sicher«, antwortete Holly. »Wir konnten sie riechen, und wir hörten sie auch - unter uns in der Talmulde. Wir fragten uns, was so viele Kaninchen da verloren hätten, und liefen hinunter, um nachzusehen, als wir plötzlich Campion Auge in Auge gegenüberstanden. Wir sahen ihn an, und er sah uns an, und dann wurde mir klar, was es zu bedeuten hatte, und wir machten kehrt und rannten. Er folgte uns nicht -wahrscheinlich, weil er keine Befehle hatte. Aber wie lange werden sie brauchen, um hierherzukommen?«

Blackavar kehrte von unten zurück und brachte Silver und Blackberry mit.

»Wir sollten sofort aufbrechen, Sir«, sagte er. »Wir könnten eine gute Strecke zurücklegen, ehe sie kommen.«

Hazel sah sich um. »Jeder, der gehen will, mag es tun«, sagte er. »Ich werde nicht gehen. Wir haben dieses Gehege selbst angelegt, und nur Frith weiß, was wir deswegen durchgemacht haben. Ich werde es jetzt nicht verlassen.«

»Ich auch nicht«, sagte Bigwig. »Wenn ich reif für das Schwarze Kaninchen bin, dann werden ein oder zwei aus Efrafa mitkommen.«

Kurzes Schweigen.

»Holly hat recht damit, die Löcher zuzustopfen. Wir füllen sie gut und gründlich. Dann müssen sie uns ausgraben.

Das Gehege ist tief. Es liegt unter einer Böschung mit Baumwurzeln, die sich durch und über den Gipfel ziehen. Wie lange können alle diese Kaninchen auf dem Hügel bleiben, ohne elil anzuziehen? Sie werden es aufgeben müssen.«

»Du kennst diese Efrafas nicht«, sagte Blackavar. »Meine Mutter erzählte mir, was in Nutley Copse geschah. Es wäre besser, wenn wir jetzt gingen.«

»Nun, dann geh«, antwortete Hazel. »Ich halte dich nicht. Aber ich werde dieses Gehege nicht verlassen. Es ist mein Heim.« Er sah Hyzenthlay an, die trächtig war und in der Mündung des nächsten Loches saß und der Unterhaltung zuhörte. »Wie weit, glaubst du, würde sie kommen? Und Clover - lassen wir sie hier oder was?«

»Nein, wir müssen bleiben«, sagte Strawberry. »Ich glaube, El-ahrairah wird uns vor diesem Woundwort erretten, und wenn er es nicht tut, gehe ich nicht nach Efrafa zurück, das kann ich euch sagen.«

»Füllt die Löcher«, befahl Hazel.

Als die Sonne unterging, machten sich die Kaninchen in den Läufen ans Kratzen und Scharren. Die Wände waren bei dem heißen Wetter hart geworden. Der Anfang war nicht einfach, und als die Erde zu fallen begann, war sie leicht und pulverig und trug wenig dazu bei, die Löcher zu verschließen. Es war Blackberry, der auf die Idee kam, vom Inneren der Honigwabe nach außen zu arbeiten, indem sie die Decken der Läufe herunterkratzten, wo sie in die Versammlungshalle führten, und die Löcher zu blockieren, indem sie die Untergrundswände in sie hineinbrachen. Ein Lauf, der zum Wald hinausführte, wurde zum Kommen und Gehen offengelassen. Es war derjenige, in dem Kehaar Schutz zu suchen pflegte, und der Wandelgang war noch voll Guano. Als Hazel daran vorbeiging, kam ihm der Gedanke, daß Woundwort nicht wußte, daß Kehaar sie verlassen hatte. Er grub soviel wie möglich von dem Schmutz aus und verstreute ihn. Als dann die Arbeit unter der Erde wieder weiterging, hockte er sich auf die Böschung und beobachtete den dunkel werdenden Horizont.

Seine Gedanken waren sehr trübe, ja verzweifelt. Obgleich er vor den anderen resolut gesprochen hatte, wußte er nur zu gut, wie wenig Hoffnung bestand, das Gehege vor den Efrafas zu retten. Die wußten, was sie taten. Zweifellos hatten sie ihre Methoden, in ein geschlossenes Gehege einzudringen. Die Chance, daß elil sie vertreiben würden, war äußerst gering. Die meisten der Tausend jagten Kaninchen, um sie zu fressen. Ein Wiesel oder ein Fuchs nahmen ein Kaninchen und nicht mehr, bis sie bereit waren, wieder zu jagen. Aber die Efrafas waren an den Tod gewöhnt. Wenn General Woundwort nicht getötet wurde, würden sie dableiben, bis die Sache erledigt war. Nichts könnte sie aufhalten - nur eine unerwartete Katastrophe.

Aber wie war's, wenn er selbst ginge und mit Woundwort redete? Gäbe es da nicht möglicherweise eine Chance, daß er Vernunft annähme? Was immer in Nutley Copse geschehen war, die Efrafas konnten nicht bis zum Ende gegen Kaninchen wie Bigwig, Holly und Silver kämpfen, ohne Verluste zu erleiden - wahrscheinlich recht zahlreiche Verluste. Woundwort mußte das wissen. Vielleicht war es selbst jetzt noch nicht zu spät, ihn zu überreden, einem neuen Plan zuzustimmen - einem Plan, der für das eine wie für das andere Gehege von Nutzen sein würde.

»Vielleicht ist es auch schon zu spät«, dachte Hazel grimmig. »Aber es ist eine Chance, und so muß das Oberkaninchen sie wohl oder übel wahrnehmen. Und da man diesem bösartigen Tier nicht trauen kann, schätze ich, das Oberkaninchen muß allein gehen.«

Er kehrte zur Honigwabe zurück und fand Bigwig.

»Ich werde mit General Woundwort sprechen, wenn ich ihn erwischen kann«, sagte er. »Du bist Oberkaninchen, bis ich zurück bin. Nimm sie fest ran.«

»Aber Hazel«, sagte Bigwig, »warte einen Augenblick. Es ist nicht sicher -«

»Ich werde nicht lange weg sein«, sagte Hazel. »Ich werde ihn bloß fragen, was er vorhat.«

Einen Augenblick später war er die Böschung hinunter und hinkte den Pfad hinauf, machte von Zeit zu Zeit eine Pause, um aufzusitzen und sich nach einer Efrafa-Patrouille umzublicken.

43. Die Große Patrouille


Was ist die Welt, o Soldaten?

Ich.

Ich, der unaufhörliche Schnee,

Dieser nördliche Himmel;

Soldaten, diese Einsamkeit,

Durch welche wir gehen,

Bin ich.

Walter de la Mare Napoleon


Als das Boot im Regen den Fluß hinuntertrieb, schwamm ein Teil von General Woundworts Autorität mit davon. Er hätte nicht mehr in Verlegenheit gewesen sein können, wenn Hazel und seine Kameraden über die Bäume davongeflogen wären. Bis zu diesem Augenblick hatte er sich als starker, furchtbarer Gegner gezeigt. Seine Offiziere waren durch Kehaars unerwarteten Angriff demoralisiert worden. Er nicht. Im Gegenteil, er hatte die Verfolgung trotz Kehaar fortgesetzt und tatsächlich einen Plan ausgearbeitet, um den Flüchtigen den Rückweg abzuschneiden. Schlau und findig in der Not, war es ihm beinahe gelungen, die Möwe zu verletzen, als er aus der dichten Deckung neben der Bohlenbrücke auf sie lossprang. Dann, nachdem er seine Beute an einer Stelle in die Enge getrieben hatte, wo Kehaar nicht viel tun konnte, um ihnen zu helfen, hatten sie plötzlich bewiesen, daß ihre Schlauheit größer war als seine, und ihn in Verwirrung auf der Böschung zurückgelassen. Er hatte zufällig gehört, wie einer seiner Offiziere einem anderen gegenüber das Wort tharn ausgesprochen hatte, als sie durch den Regen nach Efrafa zurückkehrten. Thlayli, Blackavar und die Weibchen des »Linken Hinterlaufs« waren verschwunden. Er hatte versucht, sie aufzuhalten, und es war ihm sichtbar mißlungen.

In jener Nacht blieb Woundwort lange wach und überlegte sich, was zu tun wäre. Am nächsten Tag berief er eine Ratssitzung ein. Er machte geltend, daß es keinen Zweck habe, eine Expedition den Fluß hinunterzuführen, um nach Thlayli zu suchen, außer sie wären stark genug, ihn zu besiegen, wenn sie ihn fänden. Das würde bedeuten, mehrere Offiziere und eine Anzahl Owsla mitnehmen zu müssen. Während sie weg wären, könnte es zu Hause Schwierigkeiten, zum Beispiel einen erneuten Ausbruch, geben. Es wäre wahrscheinlich, daß sie Thlayli überhaupt nicht fänden; denn es gab keine Spur, und sie wußten nicht, wo sie ihn suchen sollten. Wenn sie ihn nicht fanden, würden sie bei ihrer Rückkehr noch dümmer dastehen.

»Und wir stehen schon dumm genug da«, sagte Woundwort. »Seid euch darüber im klaren. Vervain wird euch berichten, was man in den Kennzeichen erzählt - daß Campion von dem weißen Vogel in den Graben gejagt wurde und daß Thlayli den Blitz vom Himmel herunterrief und Frith weiß was nicht alles.«

»Das beste«, sagte der alte Snowdrop, »wird sein, so wenig wie möglich darüber zu sprechen. Laßt Gras darüber wachsen. Sie haben ein kurzes Gedächtnis.«

»Eines allerdings gibt es, was überlegenswert wäre«, sagte Woundwort. »Wir wissen jetzt, daß es einen Ort gab, an dem wir tatsächlich Thlayli und seine Bande aufstöberten, nur war sich damals niemand darüber klar. Das war, als Mallow mit seiner Patrouille hinter ihnen her war, kurz bevor er von dem Fuchs getötet wurde. Irgend etwas sagt mir, daß sie dort, wo sie einmal waren, früher oder später wieder sein werden.«

»Aber wir können kaum mit genügend Kaninchen da draußen bleiben, um sie zu bekämpfen, Sir«, sagte Groundsel, »und es würde bedeuten, daß man sich eingraben und eine Weile dort leben müßte.«

»Ich bin auch deiner Meinung«, erwiderte Woundwort. »Eine Patrouille wird dort dauernd auf Abruf postiert werden. Sie werden Kratzer graben und dort leben. Sie werden alle zwei Tage abgelöst. Wenn Thlayli kommt, muß man ihn beobachten und heimlich verfolgen. Wenn wir wissen, wohin er die Weibchen geführt hat, dann werden wir mit ihm abrechnen können. Und ich sage euch dies«, schloß er, sich mit seinen großen blassen Augen in der Runde umblickend, »wenn wir wirklich herausfinden, wo er ist, bin ich bereit, alles auf mich zu nehmen. Ich sagte Thlayli, daß ich ihn persönlich töten würde. Er mag es vergessen haben, ich jedoch nicht.«

Woundwort führte die erste Patrouille selber an, nahm Groundsel mit, damit er ihm zeigte, wo Mallow die nach Süden führende Spur der Fremden aufgenommen hatte. Sie gruben Kratzer unter dem Gestrüpp am Rande von Caesars Gürtel und warteten. Nach zwei Tagen war ihre Hoffnung gesunken. Vervain löste Woundwort ab und wurde zwei Tage später von Campion abgelöst. Inzwischen gab es Hauptleute in der Owsla, die einander zuflüsterten, der General sei wie besessen. Es müsse ein Weg gefunden werden, ihn dazu zu bringen, seinen Plan aufzugeben, ehe er zu weit ging. Auf der Ratssitzung am nächsten Abend wurde vorgeschlagen, die Patrouille nach zwei Tagen einzustellen. Woundwort sagte ihnen zähnefletschend, sie sollten abwarten. Es begann ein Wortgefecht, hinter dem er mehr Opposition spürte, als ihm je zuvor begegnet war. Inmitten dieses Streites kamen - mit einem dramatischen Effekt, der vom General selbst zeitlich nicht günstiger hätte festgelegt worden sein - Campion und seine Patrouille völlig erschöpft herein und meldeten, daß sie Thlayli und seine Kaninchen genau da getroffen hatten, wo Woundwort sie vermutet hatte. Sie waren ihnen unbemerkt zu ihrem Gehege gefolgt, das, obgleich ziemlich weit weg, nicht zu entfernt für einen Angriff war, besonders, da man keine Zeit mehr zu verlieren brauchte, um es zu suchen. Es schien nicht sehr groß zu sein und könnte wahrscheinlich überrumpelt werden.

Die Nachricht erstickte jede Opposition und brachte den Rat und die Owsla wieder unter Woundworts unbestrittene Kontrolle. Mehrere Offiziere waren dafür, sofort aufzubrechen, aber Woundwort, der nun seiner Anhänger und seines Feindes sicher war, nahm sich Zeit. Nachdem er von Campion erfahren hatte, daß er tatsächlich Thlayli, Blackavar und den übrigen Auge in Auge gegenübergestanden hatte, beschloß er, noch eine Weile zu warten, für den Fall, daß sie jetzt besonders wachsam sein sollten. Überdies brauchte er Zeit, um den Weg nach Watership auszukundschaften und die Expedition zu organisieren. Seine Vorstellung war, die Strecke möglichst in einem Tag zu bewältigen. Dies würde jedem etwaigen Gerücht über ihre Annäherung zuvorkommen. Um sich zu überzeugen, daß sie dies tun könnten und trotzdem noch in der Lage sein würden zu kämpfen, wenn sie ankämen, nahm er Campion und zwei andere mit und legte selbst die dreieinhalb Meilen zum Hügelland östlich von Watership zurück. Hier erkundete er sofort den besten Weg, sich dem Buchenhang zu nähern, ohne gesehen oder gerochen zu werden. Der Wind kam wie in Efrafa vorwiegend von Westen. Sie würden abends ankommen und sich dann in der Talmulde südlich von Cannon Heath Down versammeln und ausruhen. Nach Anbruch der Dämmerung, wenn Thlayli und seine Kaninchen unter die Erde gegangen waren, würden sie die Kammlinie entlanglaufen und das Gehege angreifen. Wenn sie Glück hätten, würde es keine Warnung geben. Sie würden in dem eroberten Gehege für die Nacht sicher sein, und am folgenden Tag würden er selbst und Vervain nach Efrafa zurückkehren. Der Rest unter Campion konnte einen Tag Rast halten und dann mit den Weibchen und irgendwelchen anderen möglichen Gefangenen den Rückweg antreten. Die ganze Sache konnte in drei Tagen beendet sein.

Es wäre das beste, nicht zu viele Kaninchen mitzunehmen. Jeder, der nicht kräftig genug war, die Entfernung zurückzulegen und dann zu kämpfen, wäre bloß ein Hemmnis. Schließlich würde sich das Tempo als ausschlaggebend erweisen. Je langsamer die Wanderung, desto gefährlicher wäre es, und Nachzügler würden elil anziehen und den Rest entmutigen. Außerdem müßte, wie Woundwort sehr genau wußte, seine Führerschaft unbestritten sein. Jedes Kaninchen würde fühlen müssen, daß es dem General nahe war; und wenn es sich außerdem als einer ausgewählten Gruppe zugehörig empfand, um so besser.

Die Kaninchen, die mitgehen sollten, wurden höchst sorgfältig ausgewählt. Tatsächlich waren es sechs- oder siebenundzwanzig, zur Hälfte Owsla und der Rest vielversprechende Junge, die von ihren KennzeichenOffizieren empfohlen wurden. Woundwort hielt viel vom Wettkampf und ließ wissen, daß es eine Menge Chancen gäbe, Belohnungen zu gewinnen. Campion und Chervil waren damit beschäftigt, Leistungspatrouillen hinauszunehmen, und Raufereien und Übungskämpfe wurden beim Morgen-silflay organisiert. Die Mitglieder der Expedition waren von Wachtposten-Pflichten entbunden, und es wurde ihnen gestattet zu silflay, wann immer sie wünschten.

Eines klaren Augustmorgens brachen sie vor Sonnenaufgang auf, gingen gruppenweise stracks nach Norden an den Böschungen und Hecken entlang. Ehe sie den Gürtel erreicht hatten, wurde Groundsels Gruppe von einem Paar Wiesel angegriffen, einer alt und der andere ein Jährling. Woundwort, der das Quieken hinter sich hörte, legte die Entfernung in wenigen Augenblicken zurück und griff das alte Wiesel mit scharfen Zähnen und heftigen Tritten seiner mit spitzen Klauen versehenen Hinterpfoten an. Nachdem einer seiner Vorderläufe bis zur Schulter aufgerissen war, drehte sich das Wiesel um und machte sich davon, während das Junge ihm folgte.

»Du müßtest dich um diese Dinge selbst kümmern«, sagte Woundwort zu Groundsel. »Wiesel sind nicht gefährlich. Weiter.«

Kurz nach ni-Frith ging Woundwort zurück, um Nachzügler aufzulesen. Er fand drei, einen davon durch ein Stück Glas verletzt. Er stillte das Blut, brachte die drei zu ihren Gruppen zurück und ließ dann halten, um auszuruhen und zu fressen; er selbst hielt durchgehend Wache. Es war sehr heiß, und einige Kaninchen zeigten Anzeichen von Erschöpfung. Woundwort bildete aus ihnen eine separate Gruppe und übernahm selbst den Befehl.

Gegen den frühen Abend - etwa um dieselbe Zeit, als Dandelion die Geschichte von Rowsby Woof begann — hatten die Efrafas einen eingezäunten Schweinepferch östlich von Cannon Heath Farm umgangen und schlüpften in die Talmulde südlich von Cannon Heath Down. Viele waren müde, und trotz ihres ungeheuren Respektes für Woundwort blieb ein gewisses Gefühl, daß sie einen langen Weg von zu Hause gekommen waren. Es wurde ihnen befohlen, in Deckung zu gehen, zu fressen, zu ruhen und auf den Sonnenuntergang zu warten.

Der Ort war mit Ausnahme von ein paar Goldammern und ein paar in der Sonne herumtrappelnden Mäusen verlassen. Einige Kaninchen legten sich in dem hohen Gras schlafen. Der Hang lag schon im Schatten, als Campion mit der Nachricht heruntergerannt kam, daß er im oberen Teil der Talmulde Blackavar und Holly von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden habe.

Woundwort war ärgerlich. »Wie kamen die hier herüber, frage ich mich«, sagte er. »Hättest du sie nicht töten können? Jetzt können wir sie nicht mehr überraschen.«

»Entschuldigt, Sir«, sagte Campion. »Ich war nicht wachsam genug, und ich fürchte, sie waren ein bißchen zu schnell für mich. Ich habe sie nicht verfolgt, weil ich nicht sicher war, ob Ihr es wolltet.«

»Nun, es macht vielleicht keinen großen Unterschied«, sagte Woundwort. »Ich kann mir nicht vorstellen, was sie tun könnten. Aber sie werden versuchen, irgend etwas zu tun, jetzt, da sie wissen, daß wir hier sind.«

Als er zwischen den Kaninchen herumging, sie prüfend ansah und sie ermutigte, überdachte Woundwort die Lage. Eines war klar - es bestand nicht länger die Chance, Thlayli und die anderen zu überraschen. Aber vielleicht hatten sie schon derartige Angst, daß sie überhaupt nicht kämpfen wollten? Die Rammler gaben vielleicht die Weibchen auf, um ihr eigenes Leben zu retten. Oder sie waren vielleicht schon auf der Flucht. In diesem Fall mußten sie sofort verfolgt und gepackt werden; denn die waren frisch, und seine eigenen Kaninchen waren müde und konnten sie nicht weit verfolgen. Er mußte das schnell herausfinden. Er wandte sich an ein junges Kaninchen vom Hals-Kennzeichen, das in der Nähe fraß.

»Du heißt Thistle, nicht wahr?« fragte er.

»Ja, Sir«, antwortete das Kaninchen.

»Du bist genau der Bursche, den ich brauche«, sagte Woundwort. »Geh und suche Hauptmann Campion und sag ihm, er soll mich sofort da oben bei jenem Wacholder treffen - siehst du, wo ich meine? Du kommst am besten auch dorthin. Beeil dich, wir haben keine Zeit zu verlieren.«

Sobald Campion und Thistle sich zu ihm gesellt hatten, führte Woundwort sie zum Kamm hinauf. Er wollte sehen, was sich am Buchenhang drüben tat. Wenn der Feind sich schon auf der Flucht befand, konnte Thistle mit einer Botschaft an Groundsel und Vervain zurückgeschickt werden, alle sofort heraufzubringen. Wenn nicht, würde er sehen, was Drohungen ausrichteten.

Sie erreichten den Pfad oberhalb der Talmulde und machten sich mit einiger Vorsicht auf den Weg, da die untergehende Sonne sie blendete. Der leichte Westwind trug einen frischen Geruch nach Kaninchen mit sich.

»Wenn sie wirklich fliehen, sind sie nicht weit gekommen«, sagte Woundwort. »Aber ich glaube nicht, daß sie fliehen, ich glaube, sie sind schon im Gehege.«

In diesem Augenblick kam ein Kaninchen aus dem Gras und setzte sich mitten im Pfad auf. Es blieb eine Weile sitzen und kam dann auf sie zu. Es hinkte und hatte ein gespanntes, resolutes Aussehen.

»Du bist General Woundwort, nicht wahr?« sagte das Kaninchen. »Ich bin gekommen, um mit dir zu reden.«

»Hat Thlayli dich geschickt?« fragte Woundwort.

»Ich bin ein Freund von Thlayli«, erwiderte das Kaninchen. »Ich bin gekommen, zu fragen, warum du hier bist und was du willst.«

»Warst du auf der Flußböschung im Regen?« fragte Woundwort.

»Ja, da war ich.«

»Was unvollendet geblieben ist, wird jetzt vollendet werden«, sagte Woundwort. »Wir werden euch vernichten.«

»Das wird nicht so leicht sein«, erwiderte der andere. »Du wirst weniger Kaninchen mit nach Hause nehmen, als du hergebracht hast. Wir beide sollten lieber handelseinig werden.«

»Sehr gut«, sagte Woundwort. »Hier sind meine Bedingungen: Ihr werdet alle Weibchen zurückgeben, die aus Efrafa davongelaufen sind, und ihr werdet die Deserteure Thlayli und Blackavar an meine Owsla ausliefern.«

»Nein, damit können wir uns nicht einverstanden erklären. Ich bin gekommen, etwas ganz anderes und für uns beide viel Besseres vorzuschlagen. Ein Kaninchen hat zwei Ohren, ein Kaninchen hat zwei Augen und zwei Nüstern. So sollten unsere beiden Gehege sein. Sie sollten sich zusammentun -nicht kämpfen. Wir sollten andere Gehege zwischen uns anlegen - zunächst eines zwischen hier und Efrafa, mit Kaninchen von beiden Seiten. Du würdest dadurch nichts verlieren, du würdest gewinnen. Wir würden beide gewinnen. Eine Menge von deinen Kaninchen sind jetzt unglücklich, und du kannst sie nur mit größter Schwierigkeit kontrollieren, aber bei diesem Plan würdest du bald einen Unterschied feststellen. Kaninchen haben ohnehin genug Feinde. Sie sollten sie untereinander nicht noch vermehren. Eine Vereinigung zwischen freien, unabhängigen Gehegen - was hältst du davon?«

In diesem Augenblick, während die Sonne über Watership Down unterging, wurde General Woundwort die Gelegenheit geboten, zu zeigen, ob er wirklich der Führer von Weitblick und Genialität war, für den er sich hielt, oder ob er nicht mehr als ein Tyrann war mit dem Mut und der Schlauheit eines Piraten. Einen Pulsschlag lang blitzte die Idee des lahmen Kaninchens vor ihm auf. Er begriff sie und erkannte, was sie bedeutete. Beim nächsten Pulsschlag schob er sie beiseite. Die Sonne tauchte in die Wolkenbank, und jetzt konnte er den Pfad genau sehen, der den Kamm entlang zum Buchenhang und zum Blutvergießen führte, auf das er sich mit so viel Energie und Sorgfalt vorbereitet hatte.

»Ich habe keine Zeit, hier zu sitzen und Unsinn zu reden«, sagte Woundwort. »Du hast eine schlechte Position, um mit uns zu verhandeln. Es gibt nichts mehr zu sagen. Thistle, geh zurück und sag Hauptmann Vervain, ich will sofort alle hier oben haben.«

»Und dieses Kaninchen, Sir«, fragte Campion. »Soll ich es töten?«

»Nein«, erwiderte Woundwort. »Da sie ihn geschickt haben, unsere Bedingungen zu erfahren, soll er sie lieber mitnehmen. - Geh und sage Thlayli, wenn die Weibchen nicht mit ihm und Blackavar außerhalb eures Geheges warten, wenn ich dort eintreffe, reiße ich jedem Rammler bis ni-Frith morgen die Kehle heraus.«

Das lahme Kaninchen schien etwas erwidern zu wollen, aber Woundwort hatte sich schon abgewandt und erklärte Campion, was er vorhatte. Keiner von ihnen nahm sich die Mühe, das lahme Kaninchen denselben Weg, den es gekommen war, davonhinken zu sehen.

44. Eine Botschaft von El-ahrairah


Die erzwungene Passivität ihrer Verteidigung, das endlose Warten wurde unerträglich. Tag und Nacht hörten sie über sich den gedämpften Schlag der Spitzhacken und träumten vom Zusammenbruch der Höhle und jeder gräßlichen Möglichkeit. Sie waren der »Burg-Mentalität« in ihrer extremsten Form ausgesetzt.

Robin Fedden Crusader Castles


»Sie haben aufgehört zu graben, Hazel-rah«, sagte Speedwell. »Soweit ich es beurteilen kann, ist niemand im Loch.« In der dumpfen Dunkelheit der Honigwabe drängte sich Hazel an drei oder vier seiner Kaninchen, die zwischen den Baumwurzeln kauerten, vorbei und erreichte den erhöhten Sims, wo Speedwell lag und auf die Geräusche von oben lauschte. Die Efrafas hatten den Hang im frühen Zwielicht erreicht und sofort mit der Suche auf den Böschungen und unter den Bäumen begonnen, um herauszufinden, wie groß das Gehege war und wo seine Löcher lagen. Sie waren überrascht gewesen, so viele Löcher auf einem so kleinen Gelände zu finden; denn nur wenige von ihnen hatten jemals die Gelegenheit gehabt, ein anderes Gehege als Efrafa kennenzulernen, wo sehr wenige Löcher den Bedürfnissen vieler Kaninchen dienen mußten. Zuerst hatten sie angenommen, daß eine große Zahl von Kaninchen unten sein mußte. Die Stille und Leere des offenen Buchenwaldes machten sie mißtrauisch, und die meisten blieben aus Angst vor einem Hinterhalt draußen. Woundwort mußte sie beruhigen. Ihre Feinde, erklärte er, waren Dummköpfe, die mehr Läufe gruben, als ein richtig organisiertes Gehege brauchte. Sie würden bald ihren Fehler entdecken; denn jeder einzelne würde geöffnet werden, bis der Ort nicht mehr verteidigt werden konnte. Was den Mist des weißen Vogels anlangte, der im Wald verstreut war, so war er offensichtlich alt. Es gab kein Anzeichen dafür, daß der Vogel irgendwo in der Nähe war. Nichtsdestoweniger blickten sich viele aus dem Mannschaftsstand dauernd vorsichtig um. Bei dem plötzlichen Ruf eines Kiebitzes sprangen eines oder zwei davon und mußten von ihren Offizieren zurückgeholt werden. Die Geschichte von dem Vogel, der für Thlayli im Sturm gekämpft hatte, hatte durch wiederholtes Erzählen in den Bauen von Efrafa nichts an Wirkung eingebüßt.

Woundwort befahl Campion, Wachtposten aufzustellen und eine Patrouille rundherum zu postieren, während Vervain und Groundsel sich die blockierten Löcher vornahmen. Groundsel machte sich an den Böschungen an die Arbeit, während Vervain in den Wald ging, wo die Mündungen der Löcher zwischen den Baumwurzeln lagen. Er stieß sofort auf den offenen Lauf. Er horchte, aber alles war ruhig. Vervain (der es eher gewohnt war, mit Gefangenen umzugehen als mit Feinden) befahl zweien seiner Kaninchen hinunterzugehen. Die Entdeckung des stillen, offenen Laufes machte ihm Hoffnung, das Gehege durch einen plötzlichen Ansturm ins Zentrum einnehmen zu können. Die unglücklichen Kaninchen gehorchten dem Befehl und wurden an einem Punkt, wo der Lauf sich öffnete, von Silver und Buckthorn empfangen. Sie wurden geknufft und durchgeprügelt und kamen gerade noch mit dem Leben davon. Ihr Anblick ermutigte Vervains Gruppe nicht gerade, die ungern in der Dunkelheit vor Mondaufgang grub und wenig Fortschritte machte.

Groundsel, in der Meinung, er müsse ein Beispiel geben, grub sich in den losen, gefallenen Sand eines der Böschungsläufe. Er pflügte durch die weiche Erde wie eine Fliege auf Sommerbutter und hielt seinen Kopf frei, als er sich plötzlich Auge in Auge Blackavar gegenübersah, der seine Vorderzähne in seine Kehle grub. Groundsel, der sein Gewicht nicht einsetzen konnte, schrie und schlug aus, so gut er konnte. Blackavar klammerte sich an ihn, und Groundsel -ein schweres Kaninchen wie alle Efrafa-Offiziere - schleppte ihn ein kurzes Stück vorwärts, ehe er den Griff abschütteln konnte. Blackavar spuckte ein Maulvoll Fell aus und sprang sich frei, mit den Vorderpfoten zuschlagend. Aber Groundsel war schon fort. Er hatte Glück gehabt, nicht ernstlicher verwundet worden zu sein.

Es wurde Woundwort klar, daß es außerordentlich schwierig, wenn nicht unmöglich sein würde, das Gehege in einem Angriff durch die verteidigten Läufe zu nehmen. Eine gute Erfolgschance wäre, wenn mehrere Läufe geöffnet und dann zur selben Zeit angegangen werden könnten, aber er bezweifelte, daß seine Kaninchen das versuchen würden, nach allem, was sie gesehen hatten. Er merkte, daß er vorher nicht genug darüber nachgedacht hatte, was zu tun wäre, wenn der Überraschungseffekt wegfiele und er einen Zugang erzwingen mußte. Darüber mußte er sich am besten gleich Gedanken machen. Als der Mond aufstieg, ließ er Campion holen und besprach es mit ihm.

Campion schlug vor, das Gehege einfach auszuhungern. Das Wetter war warm und trocken, und sie konnten leicht zwei oder drei Tage dableiben. Woundwort wies das ungeduldig zurück. Er war keineswegs selbst davon überzeugt, daß das Tageslicht den weißen Vogel nicht auf sie herunterbringen würde. Sie müßten bis zur Frühdämmerung unter der Erde sein. Aber abgesehen von seiner geheimen Besorgnis, spürte er, daß sein Ruf von einem im Kampf errungenen Sieg abhing. Er hatte seine Owsla mitgebracht, um diese Kaninchen anzugreifen, sie zusammenzuschlagen und zu besiegen. Eine Belagerung wäre ein erbärmlicher Abstieg. Außerdem wollte er so bald wie möglich nach Efrafa zurück. Wie die meisten Kriegsherren war er nie ganz sicher, was hinter seinem Rücken vorging.

»Wenn ich mich recht erinnere«, sagte er, »gab es, nachdem der Hauptteil des Geheges in Nutley Copse genommen und der Kampf so gut wie vorüber war, noch ein paar Kaninchen, die sich in einen kleineren Bau einschlossen, wo man schwer an sie herankommen konnte. Ich gab den Befehl, sie zu erledigen, und kehrte dann mit den Gefangenen nach Efrafa zurück. Wie wurden sie erledigt, und wer tat es, weißt du das?«

»Hauptmann Mallow«, sagte Campion. »Er ist natürlich tot, aber ich nehme an, es ist jemand hier, der damals mit dabei war. Ich werde mich darum kümmern.«

Er kehrte mit einem starken, sturen Owsla-Posten namens Ragwort zurück, der nur mit Mühe begriff, was der General wissen wollte. Schließlich jedoch sagte er, der Hauptmann habe ihnen damals, vor mehr als einem Jahr, befohlen, ein Loch senkrecht in den Boden zu graben. Schließlich hatte die Erde unter ihnen nachgegeben, und sie waren zwischen einige Kaninchen gestürzt, die sie bekämpft und besiegt hatten.

»Nun, das dürfte wohl auch der einzige Weg sein, wie wir es schaffen können«, sagte Woundwort zu Campion. »Und wenn wir alle im Schichtdienst darauf ansetzen, sollten wir uns vor Sonnenaufgang durchgegraben haben. Stell sofort deine Wachen wieder auf - nicht mehr als zwei oder drei -, und dann fangen wir gleich an.«

Bald danach vernahmen Hazel und seine Kaninchen unten in der Honigwabe die ersten Kratzgeräusche von oben. Sie merkten bald, daß an zwei Stellen gegraben wurde. Eine war am nördlichen Ende der Honigwabe, oberhalb der Stelle, wo die Baumwurzeln eine Art Kreuzgang bildeten. Hier war das Dach, das über und über von feinen Wurzeln gitterförmig durchzogen war, sehr stark. Die andere schien mehr oder weniger über dem Zentrum der Honigwabe, aber eher näher dem südlichen Ende zu liegen, wo die Halle in gewissen Abständen durch Erdsäulen in Ausbuchtungen und Läufe unterteilt war. Hinter diesen Läufen lagen mehrere Baue. Einer, ausgefüttert mit Haar, das sie von ihrem eigenen Bauch gezupft hatte, enthielt Clover und den von Erde eingefaßten Haufen Gras und Blätter, in dem ihr neugeborener Wurf schlief.

»Na, wir scheinen eine ganze Menge Schwierigkeiten zu machen«, sagte Hazel. »Um so besser. Es wird ihre Klauen abstumpfen, und ich nehme an, daß sie völlig erschöpft sein werden, ehe sie fertig sind. Was hältst du davon, Blackberry?«

»Ich fürchte, es sieht schlecht aus, Hazel-rah«, erwiderte Blackberry. »Es ist wahr, sie sind am oberen Ende in Schwierigkeiten. Da ist noch ein Haufen Erde über uns, und die Wurzeln werden sie eine lange Zeit aufhalten. Aber an diesem Ende wird es leichter für sie sein. Sie werden sicher ziemlich bald durchkommen. Dann wird das Dach einstürzen; und ich wüßte nicht, was wir tun könnten, um sie aufzuhalten.«

Hazel merkte, wie er zitterte, während er sprach. Als die Geräusche des Grabens weitergingen, spürte er, wie sich Angst im Bau ausbreitete. »Sie werden uns nach Efrafa zurückbringen«, flüsterte Vilthuril Thethuthinnang zu. »Die Gehege-Polizei -«

»Sei still«, sagte Hyzenthlay. »Die Rammler reden nicht davon, warum dann wir? Mir ist es lieber, hier zu sein, so, wie's ist, als Efrafa nie verlassen zu haben.«

Es war zwar tapfer gesagt, aber Hazel war nicht der einzige, der ihre Gedanken lesen konnte. Bigwig erinnerte sich an die Nacht, als er sie beruhigt hatte, indem er ihr von den hohen Downs und der Gewißheit ihres Entrinnens erzählt hatte. In der Dunkelheit rieb er seine Nase an Hazels Schulter und drückte ihn an eine Seite des breiten Baus.

»Hör zu, Hazel«, sagte er, »wir sind noch nicht erledigt. Noch lange, nicht. Wenn das Dach nachgibt, kommen sie an diesem Ende der Honigwabe herunter. Aber wir können alle in die Schlafbaue dahinter bringen und die dahin führenden Läufe blockieren. Dann sind sie nicht besser dran.«

»Nun ja, wenn wir das tun, wird es etwas länger dauern«, sagte Hazel. »Aber sie werden bald auch in die Schlafbaue durchbrechen können, wenn sie erst einmal hier drin sind.«

»Wenn sie's tun, werden sie mich da vorfinden«, sagte Bigwig, »und außer mir noch ein paar andere. Ich würde mich nicht wundern, wenn sie sich entschieden, heimzugehen.«

Mit etwas wie Neid merkte Hazel, daß Bigwig sich tatsächlich auf ein Treffen mit den angreifenden Efrafas freute. Er wußte, daß er kämpfen konnte, und er war entschlossen, es zu beweisen. Er dachte an nichts anderes. Die Hoffnungslosigkeit ihrer Situation nahm in seinen Gedanken keinen wichtigen Platz ein. Selbst das Geräusch des Grabens, das immer deutlicher wurde, ließ ihn nur nach der besten Methode trachten, sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen. Aber was gab es schließlich auch sonst zu tun? Wenigstens würden Bigwigs Vorbereitungen die anderen beschäftigen und vielleicht dazu beitragen, die geheime Angst, die das ganze Gehege erfüllte, zu vertreiben.

»Du hast ganz recht, Bigwig«, sagte er. »Bereiten wir einen kleinen Empfang vor. Willst du Silver und den anderen sagen, was du vorhast, und sie anfangen lassen?«

Als Bigwig seinen Plan Silver und Holly erklärte, schickte Hazel Speedwell ans Nordende der Honigwabe, um auf das Graben zu horchen und laufend zu melden, was er über dessen Fortschritt feststellen könnte. Soweit er sehen konnte, würde es wenig Unterschied machen, ob das Dach dort oder im Mittelpunkt zusammenstürzte, aber zumindest sollte er versuchen, den anderen zu zeigen, daß er seine fünf Sinne beisammen hatte.

»Wir können diese Wände nicht herunterreißen, um den Lauf dazwischen zu versperren, Bigwig«, sagte Holly. »Sie stützen das Dach an diesem Ende, weißt du?«

»Ich weiß«, antwortete Bigwig. »Wir werden in die Wände der Schlafbaue dahinter graben. Sie müssen sowieso größer werden, wenn wir alle zusammen da hineingehen sollen. Dann füllen wir mit der losen Erde die Lücken zwischen den Säulen und stopfen das Ganze zu.«

Seit er aus Efrafa herausgekommen war, stand Bigwigs Ansehen sehr hoch im Kurs. Da sie ihn voller Zuversicht sahen, verdrängten die anderen ihre Furcht, so gut sie konnten, und taten, was er ihnen sagte, vergrößerten die Baue hinter dem Südende der Honigwabe und häuften die weiche Erde in den Eingangsläufen auf, bis das, was eine Kolonnade gewesen war, eine solide Wand wurde. Während einer Arbeitspause meldete Speedwell, daß das Graben über dem Nordende aufgehört hatte. Hazel ging und kauerte sich neben ihn und horchte ebenfalls eine Zeitlang. Es war nichts zu hören. Er ging zurück, wo Buckthorn saß und den Fuß des einzigen offenen Laufes - Kehaars Lauf, wie er genannt wurde - bewachte.

»Weißt du, was los ist?« sagte er. »Sie haben gemerkt, daß sie sich da oben zwischen den Buchenwurzeln befinden, also haben sie's aufgegeben. Sie werden jetzt um so intensiver am anderen Ende arbeiten.«

»Wahrscheinlich, Hazel-rah«, erwiderte Buckthorn. Nach einer Weile sagte er: »Erinnerst du dich an die Ratten in der Scheune? Der Sache sind wir gut entronnen, nicht wahr? Aber ich fürchte, aus dem hier werden wir nicht herauskommen. Es ist schade, nach allem, was wir durchgemacht haben.«

»Wir werden herauskommen«, sagte Hazel mit aller Überzeugung, die er aufbringen konnte. Aber er wußte, daß er, wenn er bliebe, die Verstellung nicht aufrechterhalten konnte. Buckthorn - der anständigste, offenste Bursche, den es gab -, wo würde er um ni-Frith morgen sein? Und er selbst - wohin hatte er sie geführt mit all seinen klugen Plänen? Waren sie über das Gemeindeland, zwischen den funkelnden Drähten, durch das Gewitter, die Abzugskanäle auf dem großen Fluß gekommen, um unter den Klauen General Woundworts zu sterben? Sie verdienten den Tod nicht; es war kein gerechtes Ende des klugen Pfades, den sie eingeschlagen hatten. Aber was konnte Woundwort aufhalten? Was konnte sie jetzt retten? Nichts, er wußte es, es sei denn, ein riesiger Schlag würde von außen auf die Efrafas fallen - und da sah er eine Chance. Er wandte sich von Buckthorn ab.

Kratz, kratz, kratz kam das Geräusch vom Graben darüber. Hazel überquerte den Boden im Dunkeln und fand sich neben einem anderen Kaninchen, das still diesseits der neu aufgehäuften Wand kauerte. Er hielt an, beschnüffelte es. Es war Fiver.

»Arbeitest du nicht?« fragte er matt.

»Nein«, erwiderte Fiver. »Ich horche.«

»Auf das Graben, meinst du?«

»Nein, nein, nicht das Graben. Ich versuche, etwas zu hören - etwas, das die anderen nicht hören können. Bloß, daß ich es auch nicht hören kann. Aber es ist nahe. Dunkel. Laubwehe dunkel. Ich gehe fort, Hazel, gehe fort.« Seine Stimme wurde schleppend und schläfrig. »Ich falle. Aber es ist kalt. Kalt.«

Die Luft in dem dunklen Bau war stickig. Hazel beugte sich über Fiver, stieß den schlaffen Körper mit der Nase.

»Kalt«, murmelte Fiver. »Wie - wie. Wie - wie kalt!«

Es herrschte lange Stille.

»Fiver?« sagte Hazel. »Fiver? Kannst du mich hören?«

Plötzlich brach ein furchtbarer Laut aus Fiver; ein Laut, bei dem jedes Kaninchen in schrecklicher Angst zusammenzuckte; ein Laut, den kein Kaninchen je ausgestoßen hatte, den kein Kaninchen die Macht hatte hervorzubringen. Er war tief und gänzlich unnatürlich. Die an der Seite der Wand arbeitenden Kaninchen kauerten sich entsetzt hin. Eines der Weibchen winselte.

»Dreckige kleine Biester«, jaulte Fiver. »Wie - wie könnt ihr es wagen? Raus - raus! Raus - raus!«

Bigwig brach durch den Erdhaufen, zuckend und keuchend.

»In Friths Namen, bringt ihn zum Schweigen!« schnaufte er. »Sie werden alle verrückt werden!«

Schaudernd zerrte Hazel an Fivers Seite.

»Wach auf! Fiver, wach auf!«

Aber Fiver lag in tiefer Trance.

In Hazels Gedanken bogen sich grüne Zweige im Wind. Auf und ab schwankten sie, auf und ab. Da war etwas -etwas, das er zwischen ihnen erhaschen konnte. Was war es?

Wasser fühlte er - und Angst. Dann sah er plötzlich einen Augenblick klar eine kleine, auf der Böschung eines Baches bei Sonnenaufgang kauernde Gruppe Kaninchen, die einem kläffenden Geräusch in dem Wald darüber und dem Gezänk eines Eichelhähers lauschten.

»Wenn ich du wäre, würde ich nicht bis ni-Frith warten. Ich würde jetzt gehen. Ich glaube sogar, du wirst es müssen. Da läuft ein großer Hund frei im Wald herum. Da läuft ein großer Hund frei im Wald herum.«

Der Wind blies, die Bäume schüttelten ihre Myriaden Blätter. Der Bach war verschwunden. Er befand sich in der Honigwabe, Bigwig über den bewegungslosen Körper Fivers hinweg im Dunkel anblickend. Das Kratzen von oben klang lauter und näher.

»Bigwig«, sagte Hazel, »tu sofort, was ich sage, sei ein guter Junge. Wir haben kaum Zeit. Geh und hole Dandelion und Blackberry und bring sie zu mir an den Fuß von Kehaars Lauf, schnell.«

Am Fuß des Laufes saß Buckthorn immer noch an derselben Stelle. Er hatte sich bei Fivers Schrei nicht bewegt, aber sein Atem ging kurz, und sein Puls raste. Er und die anderen drei Kaninchen sammelten sich wortlos um Hazel.

»Ich habe einen Plan«, sagte Hazel. »Wenn er funktioniert, wird er Woundwort ein für allemal erledigen. Aber ich habe keine Zeit, ihn zu erklären. Jeder Augenblick zählt jetzt. Dandelion und Blackberry, ihr kommt mit mir. Ihr müßt direkt nach oben aus diesem Lauf heraus und durch die Bäume zum Hügelland laufen. Dann nach Norden, über den Rand und zu den Feldern hinunter. Haltet unter keinen Umständen an. Ihr werdet schneller laufen als ich. Wartet auf mich bei dem Eisenbaum unten.«

»Aber Hazel -«, sagte Blackberry.

»Sobald wir gegangen sind«, sagte Hazel, sich an Bigwig wendend, »mußt du diesen Lauf blockieren und jeden hinter die Wand, die du gemacht hast, bringen. Wenn sie einbrechen, haltet sie auf, solange ihr könnt. Gebt ihnen auf keinen Fall nach. El-ahrairah hat mir gezeigt, was ich tun muß.«

»Aber wohin gehst du, Hazel?« fragte Bigwig.

»Zur Farm«, sagte Hazel, »um noch ein Seil durchzunagen. Jetzt, ihr zwei, folgt mir den Lauf hinauf - und vergeßt nicht, ihr haltet nicht an, um nichts in der Welt, bis ihr den Hügel hinunter seid. Wenn Kaninchen draußen sind, kämpft nicht -rennt.«

Ohne noch ein Wort zu sagen, jagte er den Tunnel hinauf und in den Wald hinaus, Blackberry und Dandelion hinter ihm.

45. Noch einmal Nuthanger Farm


»Mord!« rufen und des Krieges Hund' entfesseln.

Shakespeare Julius Caesar


In diesem Augenblick stand General Woundwort draußen im offenen Gras unter der Böschung Thistle und Ragwort in dem scheckigen, gelblichen Mondlicht der frühen Morgenstunden gegenüber.

»Ihr wurdet nicht an der Mündung dieses Laufes postiert, um zu horchen«, sagte er, »sondern um jeden Ausbruch zu verhindern. Ihr hattet kein Recht, euren Posten zu verlassen. Geht sofort zurück.«

»Ich gebe Euch mein Wort, Sir«, sagte Thistle verdrossen, »da unten ist ein Tier, das kein Kaninchen ist. Wir haben es beide gehört.«

»Und habt ihr's gerochen?« fragte Woundwort.

»Nein, Sir. Auch keine Spuren oder Mist gesehen. Aber wir hörten beide ein Tier, und es war kein Kaninchen.«

Mehrere der anderen hatten mit Graben aufgehört, standen in der Nähe und horchten. Sie begannen zu murmeln.

»Sie hatten ein homba, das Hauptmann Mallow tötete. Mein Bruder war dabei. Er hat es gesehen.«

»Sie hatten einen großen Vogel, der sich in einen Lichtstrahl verwandelte.«

»Und noch ein anderes Tier, das sie den Fluß hinunter fortnahm.«

»Warum können wir nicht nach Hause gehen?«

»Schluß!« sagte Woundwort. Er trat an die Gruppe heran.

»Wer hat das gesagt? Du, nicht wahr? Na schön, dann geh nach Hause. Los, beeil dich! Ich warte. Da ist der Weg - dort drüben.«

Das Kaninchen bewegte sich nicht. Woundwort sah sich langsam um.

»Gut«, sagte er. »Wer noch nach Hause gehen will, nichts wie los! Es ist ein hübscher langer Weg, und ihr werdet keine Offiziere haben, weil die alle graben müssen - und ich auch. Hauptmann Vervain, Hauptmann Groundsel, wollt ihr mit mir kommen? Du, Thistle, gehst hinaus und holst Hauptmann Campion. Und du, Ragwort, gehst zur Mündung dieses Laufes zurück, den du niemals hättest verlassen dürfen.«

Sehr bald wurde das Graben wiederaufgenommen. Das Loch war tief - tiefer, als es Woundwort erwartet hatte, und trotzdem gab es noch kein Anzeichen eines bevorstehenden Einsturzes. Aber alle Kaninchen konnten fühlen, daß nicht weit unter ihnen ein Hohlraum war.

»Haltet euch ran«, sagte Woundwort. »Es wird nicht mehr lange dauern.«

Als Campion zurückkam, meldete er, er habe drei Kaninchen über den Hügel nach Norden fortrennen sehen. Eines schien das lahme Kaninchen zu sein. Er wollte ihnen schon nachsetzen, war aber in Befolgung des Befehls, den Thistle überbrachte, zurückgekehrt.

»Es spielt keine Rolle«, sagte Woundwort. »Laß sie laufen. Es werden dann drei weniger sein, wenn wir eindringen. -Was denn?« fuhr er Ragwort an, als der neben ihm auftauchte. »Was ist denn jetzt schon wieder?«

»Der offene Lauf, Sir«, sagte Ragwort. »Er ist eingebrochen und von unten zugestopft worden.«

»Dann kannst du etwas Nützliches tun«, sagte Woundwort. »Hol diese Wurzel heraus. Nein, die da, du Dummkopf.«

Das Graben ging weiter, als die ersten Lichtstrahlen im Osten durchbrachen.

Das große Feld am Fuß der Böschung war abgeerntet worden, aber das Stroh war noch nicht verbrannt und lag in langen, fahlen Reihen auf den dunkleren Stoppeln, bedeckte die steifen Halme und das Ernteunkraut - Knöterich und Pimpinelle, Ehrenpreis und wilde Stiefmütterchen - farblos und still im schwachen Mondlicht wie ein Zelt. Zwischen den Reihen von Stroh lagen die Stoppeln so offen wie das Hügelland.

»Nun«, sagte Hazel, als sie aus dem Gürtel von Weißdom und Hartriegel herauskamen, wo der Mast für die Hochspannungsleitungen stand, »habt ihr beide wirklich begriffen, was wir vorhaben?«

»Es ist ein bißchen viel verlangt, nicht wahr, Hazel-rah?« antwortete Dandelion. »Aber wir müssen es versuchen, das ist klar. Es gibt nichts anderes, was das Gehege noch retten könnte.«

»Also los«, sagte Hazel. »Das Vorwärtskommen ist jedenfalls leicht, und es ist nur halb so weit, nachdem das Feld jetzt gemäht ist. Kümmert euch nicht um Deckung -lauft einfach ins Freie. Haltet euch aber an mich. Ich werde so schnell laufen, wie ich kann.«

Sie überquerten das Feld ziemlich leicht, Dandelion lief voran. Der einzige Warnruf kam, als sie vier Rebhühner aufschreckten, die über die Hecke nach Westen davonschwirrten und mit ausgebreiteten Flügeln in das Feld dahinter hinuntersegelten. Bald erreichten sie die Straße, und Hazel hielt unter dem Weißdorn auf der nahen Böschung an.

»Nun, Blackberry«, sagte er, »hier verlassen wir dich. Lege dich dicht auf den Boden und bewege dich nicht. Wenn die Zeit kommt, brich nicht zu früh auf. Du hast den besten Kopf von uns allen. Gebrauch ihn - und behalt ihn auch. Wenn du zurückkommst, geh unter die Erde in Kehaars Lauf und bleib da, bis es wieder sicher ist. Ist alles klar?«

»Ja, Hazel-rah«, erwiderte Blackberry. »Aber soweit ich sehen kann, muß ich vermutlich von hier bis zum Eisenbaum ohne Unterbrechung laufen. Es gibt keine Deckung.«

»Ich weiß«, sagte Hazel. »Es läßt sich nicht ändern. Wenn es zum Schlimmsten kommt, wirst du zur Hecke abbiegen und dauernd hinein und herausflitzen müssen. Tu, was du willst. Wir haben keine Zeit, uns aufzuhalten und es auszuarbeiten. Vergewissere dich nur, daß du zum Gehege zurückkommst. Alles hängt von dir ab.«

Blackberry grub sich in das Moos und den Efeu am Fuß des Dornbusches ein. Die beiden anderen überquerten die Straße und liefen hangaufwärts auf die Scheunen neben dem Feldweg zu.

»Gute Wurzeln haben sie da«, sagte Hazel, als sie an ihnen vorbeikamen und die Hecke erreichten. »Schade, daß wir jetzt keine Zeit haben. Wenn alles hinter uns liegt, werden wir einen netten, ruhigen Überfall auf diesen Ort machen.«

»Hoffentlich, Hazel-rah«, sagte Dandelion. »Gehst du direkt zum Feldweg hinauf? Wie ist's mit Katzen?«

»Es ist der schnellste Weg«, sagte Hazel. »Nur darauf kommt es jetzt an.«

Inzwischen war es hell geworden, und mehrere Lerchen waren schon oben. Als sie sich dem großen Ring von Ulmen näherten, hörten sie noch einmal das schnelle Seufzen und Rascheln über sich, und ein gelbes Blatt kam an den Rand des Grabens heruntergewirbelt. Sie erreichten den Gipfel des Hanges und sahen vor sich die Scheunen und den Farmhof. Die Vögel fingen überall an zu singen, und die Saatkrähen riefen hoch in den Ulmen, aber nichts - nicht einmal ein Sperling - bewegte sich auf der Erde. Direkt vor ihnen, auf der anderen Seite des Farmhofes, dicht beim Haus, stand die Hundehütte. Der Hund war nicht zu sehen, aber der an den Bolzen auf dem flachen Dach gebundene Strick hing über den Rand und verschwand hinter der Schwelle.

»Wir kommen rechtzeitig«, sagte Hazel. »Das Vieh schläft noch. Also, Dandelion, du darfst keinen Fehler machen. Du legst dich dort, gegenüber der Hütte, ins Gras. Wenn der Strick durchgenagt ist, wirst du ihn fallen sehen. Wenn den Hund nicht krank oder taub ist, wird er inzwischen gewarnt sein - wahrscheinlich schon vorher, aber das ist meine Sache. Es liegt an dir, ihn auf dich aufmerksam zu machen und dich von ihm den ganzen Weg zur Straße hinunter jagen zu lassen. Du bist sehr schnell. Paß auf, daß er dich nicht verliert. Benutze die Hecken, wenn du willst, aber vergiß nicht: Er wird den Strick nachziehen. Führ ihn Blackberry zu. Darauf allein kommt es an.«

»Wenn wir uns je Wiedersehen, Hazel-rah«, sagte Dandelion, als er Deckung im Grasrand nahm, »sollten wir Material für die beste Geschichte der Welt haben.«

»Und du wirst derjenige sein, der sie erzählt«, sagte Hazel.

Er lief in einem Halbkreis zur Morgenseite fort und erreichte die Wand des Farmhauses. Dann hopste er vorsichtig an der Wand entlang, in das schmale Blumenbeet hinein und wieder heraus. In seinem Kopf war ein Durcheinander von Gerüchen - blühender Phlox, Asche, Kuhdung, Hund, Katze, Hennen, abgestandenes Wasser. Er gelangte hinter die Hütte, die nach Kreosot und fauligem Stroh stank. Ein halb benutzter Ballen Stroh lehnte daran -zweifellos saubere Lagerstreu, die in dem trockenen Wetter nicht wieder überdeckt worden war. Hier hatte er wenigstens ein bißchen Glück, denn er hatte erwartet, nur unter Schwierigkeiten aufs Dach zu gelangen. Er krabbelte das Stroh hinauf. Über einem Teil des verfilzten Daches lag ein zerrissenes Stück einer alten Decke, das naß von Tau war. Hazel setzte sich auf, schnüffelte und legte die Vorderpfoten darauf. Es rutschte nicht. Er zog sich hinauf.

Wieviel Lärm hatte er gemacht? Wie stark war sein Geruch über Teer-, Stroh- und Farmhofgerüchen zu spüren? Er verharrte, bereit zu springen und in Erwartung einer Bewegung unter ihm. Kein Ton. In einem schrecklichen Hundegestank, der ihm Furcht einjagte und alle Nerven »Lauf! Lauf!« rufen ließ, kroch er nach vorn, wo der Bolzen in das Dach geschraubt war. Seine Klauen kratzten leicht, und er hielt wieder an. Immer noch keine Bewegung. Er kauerte sich hin und begann an dem dicken Strick zu knabbern und zu nagen.

Es war leichter, als er gedacht hatte, sehr viel leichter als beim Strick auf dem Boot, obgleich er fast genauso dick war. Das Bootstau war vollgesogen gewesen mit Regen, nachgiebig, schlüpfrig und faserig. Dieses, wenn auch von außen naß von Tau, war innen trocken und leicht. In sehr kurzer Zeit war der innere Strang sichtbar. Seine meißelartigen Vorderzähne bissen stetig, und er spürte die trockenen Fasern reißen. Der Strick war schon so gut wie halb durch.

In diesem Augenblick fühlte er den schweren Körper des Hundes sich unten bewegen. Er streckte sich, schüttelte sich und gähnte. Der Strick bewegte sich ein bißchen, und das Stroh raschelte. Der faulige Geruch kam stark, wie in einer Wolke, herauf.

»Es spielt keine Rolle, ob er mich jetzt hört«, dachte Hazel. »Wenn ich nur den Strick schnell durchgebissen habe, spielt es keine Rolle. Der Hund wird zu Dandelion laufen, wenn ich nur sichergehen kann, daß der Strick reißt, wenn er ihn spannt.«

Er zerrte wieder an dem Strick und setzte sich, kurz Atem holend, zurück, blickte über den Pfad dorthin, wo Dandelion wartete. Dann erstarrte er und machte große Augen. Ein kleines Stück hinter Dandelion kauerte die weißbrüstige Katze mit aufgerissenen Augen und peitschendem Schwanz im Gras. Sie hatte beide entdeckt, ihn und Dandelion. Während er hinsah, kroch sie etwas näher. Dandelion lag still, beobachtete angestrengt den vorderen Teil der Hundehütte, wie ihm befohlen worden war. Die Katze straffte sich, um zu springen.

Ehe er wußte, was er tat, stampfte Hazel auf das hohle Dach. Zweimal stampfte er, um dann hinunterzuspringen und zu flüchten. Dandelion reagierte sofort und schoß aus dem Gras heraus auf den offenen Kies. Im selben Augenblick sprang die Katze und landete genau dort, wo er gelegen hatte. Der Hund bellte zweimal rasch und scharf und raste aus der Hütte hinaus. Er erblickte Dandelion sofort und rannte los. Der Strick spannte sich, hielt einen Augenblick und riß dann an der Stelle auseinander, wo Hazel ihn bis auf einen Faden durchgenagt hatte. Die Hütte ruckte nach vorn, kippte vor und zurück und schlug mit einem Stoß auf dem Boden auf. Hazel, der schon das Gleichgewicht verloren hatte, umkrallte die Decke, glitt aus und fiel über den Rand. Er landete schwer auf seinem schwachen Bein und lag kickend da. Der Hund war fort.

Hazel hörte auf auszuschlagen und lag still. Er spürte einen zuckenden Schmerz in seiner Keule, aber er wußte, daß er sich bewegen konnte. Er erinnerte sich an den erhöhten Boden der Scheune hinter dem Farmhof. Er konnte die kurze Entfernung hinüberhinken, unter den Boden schlüpfen und dann zum Graben laufen. Er erhob sich auf seine Vorderläufe.

In diesem Augenblick wurde er zur Seite gestoßen und zu Boden gedrückt. Er fühlte einen leichten, aber scharfen, stechenden Schmerz unter seinem Fell im Rücken. Er schlug mit den Hinterläufen aus, traf aber nichts. Er drehte den Kopf. Die Katze war auf ihm, halb über seinen Körper geduckt. Ihr Schnurrbart streifte sein Ohr. Ihre großen grünen Augen, die Pupillen senkrecht zusammengezogen, schwarze Schlitze im Sonnenschein, starrten in die seinen.

»Kannst du rennen?« zischte die Katze. »Ich glaube nicht.«

46. Bigwig setzt sich zur Wehr


Schweres Draufschlagen, das, Gentlemen. Wollen mal sehen, wer am längsten draufschlägt.

Der Herzog von Wellington (bei Waterloo)


Groundsel rappelte sich den steilen Hang des Schachtes hinauf und gesellte sich zu Woundwort in der Grube oben.

»Wir brauchen nicht weiterzugraben, Sir«, sagte er. »Der Boden wird einfallen, wenn jemand jetzt da hinuntergeht.«

»Kannst du ausmachen, was unten ist?« fragte Woundwort. »Ist es ein Lauf oder ein Bau, in den wir eindringen?«

»Ich bin ziemlich sicher, daß es ein Bau ist, Sir«, antwortete Groundsel. »Tatsächlich kommt es mir so vor, als ob es sich um einen ungewöhnlich großen Raum da unten handelt.«

»Wie viele Kaninchen sind deiner Meinung nach drin?«

»Ich konnte überhaupt keine hören. Aber vielleicht verhalten sie sich ruhig und warten darauf, uns anzugreifen, wenn wir einbrechen.«

»Bis jetzt haben sie sich nicht sehr angriffslustig gezeigt«, sagte Woundwort. »Ein armseliger Haufen, würde ich sagen -verstecken sich unter der Erde, und einige von ihnen laufen nachts fort. Ich glaube nicht, daß wir viel Schwierigkeiten haben werden.«

»Es sei denn, Sir -«, sagte Groundsel.

Woundwort sah ihn an und wartete.

»Es sei denn - das Tier greift uns an«, sagte Groundsel. »Was immer es sein mag. Es sieht Ragwort nicht ähnlich, sich etwas einzubilden. Er ist ziemlich stur. Ich versuche nur, vorauszudenken«, fügte er hinzu, als Woundwort immer noch nichts sagte.

»Nun«, sagte Woundwort endlich, »wenn es ein Tier gibt, wird es feststellen, daß auch ich ein Tier bin.« Er kam auf die Böschung hinauf, wo Campion und Vervain mit einer Anzahl anderer Kaninchen warteten.

»Die schwerste Arbeit haben wir jetzt hinter uns«, sagte er. »Wir werden unsere Weibchen heimnehmen können, sobald wir da unten Schluß gemacht haben. Wir werden so vorgehen: Ich werde den Boden des Loches einbrechen und direkt in den Bau hinuntergehen. Ich möchte, daß mir nur drei andere folgen, sonst gibt es ein völliges Durcheinander, und wir werden uns gegenseitig bekämpfen. Vervain, du kommst hinter mir her und bringst noch zwei mit. Sollte es Schwierigkeiten geben, werden wir schon damit fertig werden. Groundsel, du folgst uns. Aber du bleibst im Schacht, verstanden? Spring nicht hinunter, ehe ich's dir befehle. Wenn wir wissen, wo wir sind und was wir tun, kannst du noch ein paar mehr hereinbringen.«

Es gab kein Kaninchen in der Owsla, das nicht Vertrauen zu Woundwort hatte. Als sie hörten, daß er sich darauf vorbereitete, zuerst in die Tiefen des feindlichen Geheges zu gehen, so ruhig, als suchte er Löwenzahn da unten, hob sich die Stimmung seiner Offiziere. Es schien ihnen sehr wahrscheinlich, daß sich das Gehege ohne jeden Kampf ergeben würde. Als der General den endgültigen Angriff auf Nutley Copse angeführt hatte, hatte er drei Kaninchen unter der Erde getötet, und keines hatte mehr gewagt, ihm entgegenzutreten, obgleich es tags zuvor einige harte Kämpfe in den äußeren Läufen gegeben hatte.

»Nun gut«, sagte Woundwort. »Ich will, daß niemand umherstreift. Campion, sorge dafür. Sobald wir einen der blockierten Läufe von innen aufkriegen, kannst du den Ort besetzen. Halte sie hier zusammen, bis ich dir Nachricht gebe, und dann schick sie schnell herein.«

»Viel Glück, Sir«, sagte Campion.

Woundwort sprang in die Grube, legte die Ohren an und ging den Schacht hinunter. Er hatte schon beschlossen, daß er nicht anhalten würde, um zu horchen. Es hatte keinen Zweck, da er beabsichtigte, sofort hineinzubrechen, ohne Rücksicht darauf, ob etwas zu hören war oder nicht. Es war wichtiger, nicht den Anschein zu erwecken, daß er zögerte oder Vervain dazu veranlaßte; und der Feind, wenn er da war, sollte die kürzestmögliche Zeit haben, ihn kommen zu hören. Unten würde entweder ein Lauf oder ein Bau sein. Entweder würde er sofort kämpfen müssen, oder es gäbe zuerst eine Chance für ihn, sich umzusehen und zu erkennen, wo er war. Es spielte keine Rolle. Worauf es ankam, war, Kaninchen zu finden und sie zu töten.

Er gelangte zum Boden des Schachtes. Wie Groundsel gesagt hatte, war er offenkundig dünn - spröde wie Eis auf einer Pfütze - und bestand aus Kalk, Kiesel und leichter Erde. Woundwort fuhr mit den Vorderklauen darüber. Er war ein wenig feucht, hielt einen Augenblick und fiel dann zerbröckelnd ein. Und Woundwort mit ihm.

Er fiel etwa um die Länge seines eigenen Körpers - tief genug, um ihm zu sagen, daß er in einem Bau war. Als er landete, stieß er mit den Hinterläufen aus und sprang dann vor, teils, um Vervain, der ihm folgte, auszuweichen, und teils, um die Wand zu erreichen und kehrtzumachen, ehe er von hinten angegriffen werden konnte. Er fand sich vor einem Haufen weicher Erde - offenbar das Ende eines aus dem Bau hinausführenden, zugeschütteten Laufes - und drehte sich um. Einen Augenblick später war Vervain neben ihm. Das dritte Kaninchen, wer immer es sein mochte, schien Schwierigkeiten zu haben. Sie konnten es beide in der herabgefallenen Erde scharren hören.

»Hier drüben«, sagte Woundwort scharf.

Das Kaninchen, ein kräftiger, schwerer Veteran namens Thunder, gelangte stolpernd zu ihnen.

»Was ist los?« fragte Woundwort.

»Nichts, Sir«, antwortete Thunder, »da liegt bloß ein totes Kaninchen auf dem Boden, und das hat mich einen Augenblick überrascht.«

»Ein totes Kaninchen?« fragte Woundwort. »Bist du sicher, daß es tot ist? Wo ist es?«

»Da drüben, Sir, neben dem Schacht.«

Woundwort durchquerte schnell den Bau. Auf der anderen Seite des Gerölls, das vom Schacht hereingefallen war, lag der schlaffe Körper eines Rammlers. Er beschnupperte ihn und drückte ihn dann mit der Nase.

»Der ist noch nicht lange tot«, sagte er. »Er ist schon beinahe kalt, aber noch nicht steif. Was hältst du davon, Vervain? Kaninchen sterben nicht unter der Erde.«

»Es ist ein sehr kleiner Rammler, Sir«, antwortete Vervain. »Vielleicht hatte er keine Lust zu kämpfen, und die anderen töteten ihn, als er es sagte.«

»Nein, das kann nicht sein. Es ist kein Kratzer an ihm. Nun, laß ihn liegen. Wir müssen weiter, und ein Kaninchen von dieser Größe macht, ob tot oder lebendig, sowieso keinen Unterschied.«

Er begann, sich schnuppernd an der Wand entlangzubewegen. Er passierte die Mündungen zweier blockierter Läufe, gelangte an eine Öffnung zwischen dicken Baumwurzeln und hielt an. Der Ort war augenscheinlich sehr groß - größer als der Ratsbau in Efrafa. Da sie nicht angegriffen wurden, konnte er den Raum zu seinem Vorteil ausnutzen, indem er sofort noch mehr Kaninchen hereinholte. Er lief schnell zum Fuß des Schachtes zurück. Wenn er sich auf seine Hinterläufe stellte, konnte er die Vorderpfoten auf den unebenen Rand des Loches stützen.

»Groundsel?« sagte er.

»Ja, Sir?« antwortete Groundsel von oben.

»Komm und bring noch vier andere mit. Springt an dieser Seite hierunter« - er rückte etwas weg -, »da ist ein totes Kaninchen auf dem Boden - eines der ihren.«

Er erwartete immer noch, jeden Augenblick angegriffen zu werden, aber es blieb alles still. Er horchte weiter, schnupperte die stickige Luft, während die fünf Kaninchen sich nacheinander in den Bau fallen ließen. Dann nahm er Groundsel zu den beiden blockierten Läufen an der Ostwand hinüber. »Reiß sie so schnell, wie du kannst, auf«, sagte er, »und schick zwei Kaninchen los, um herauszufinden, was jenseits der Baumwurzeln liegt. Wenn sie angegriffen werden, hast du dich ihnen sofort anzuschließen.«

»Mit Verlaub, Sir, es ist etwas Seltsames um die Wand am anderen Ende«, sagte Vervain, als Groundsel seine Kaninchen an die Arbeit schickte. »Das meiste ist harte Erde, in der nie gegraben wurde. Aber an ein oder zwei Stellen sind Partien von viel weicherer Füllung. Ich würde sagen, daß durch die Wand führende Läufe erst kürzlich aufgefüllt worden sind -wahrscheinlich gestern Abend.«

Woundwort und Vervain gingen an der Südwand der Honigwabe entlang, sorgfältig kratzend und horchend.

»Ich glaube, du hast recht«, sagte Woundwort. »Hast du irgendeine Bewegung von der anderen Seite gehört?«

»Ja, Sir, ungefähr hier«, sagte Vervain.

»Wir werden die Wand an dieser Stelle einreißen«, sagte Woundwort.

»Setze zwei Kaninchen dafür an. Wenn ich recht habe und Thlayli auf der anderen Seite ist, werden sie bald Ärger kriegen. Aber das wollen wir ja - ihn zwingen, sie anzugreifen.«

Als Thunder und Thistle zu graben begannen, kauerte Woundwort sich still hinter sie und wartete.

Noch ehe er das Dach der Honigwabe einfallen hörte, wußte Bigwig, daß es nur eine Frage der Zeit sein konnte, ehe die Efrafas die weichen Stellen in der Südwand entdecken und sich an die Arbeit machen würden, durch eine durchzubrechen. Das würde nicht lange dauern. Dann würde er kämpfen müssen - wahrscheinlich mit Woundwort selbst, und wenn Woundwort sich mit ihm anlegte und sein Gewicht einsetzte, würde er kaum eine Chance haben. Irgendwie mußte er es fertigbringen, ihn am Anfang zu verwunden, ehe er darauf gefaßt war. Aber wie? Er legte Holly das Problem vor.

»Das Dumme ist, daß dieses Gehege nicht zu Verteidigungszwecken gegraben wurde«, sagte Holly. »Dazu war bei uns zu Hause der Tote Lauf da, wie mir der Threarah einmal erzählte. Er wurde angelegt, damit wir, wenn es jemals nötig wäre, unter einem Feind hindurch nach oben gelangen könnten, wo er uns nicht erwartete.«

»Das ist es!« rief Bigwig. »So muß ich's machen! Schau, ich werde mich in den Boden des Laufes hinter dieser blockierten Öffnung graben. Dann bedeckst du mich mit Erde. Man wird's nicht merken - an diesem Ort herrscht sowieso ein vollständiges Durcheinander. Ich weiß, es ist ein Risiko, aber es wird besser sein, als einfach zu versuchen, einem Kaninchen wie Woundwort gegenüberzutreten.«

»Aber wenn sie irgendwo anders durch die Wand brechen?« wandte Holly ein.

»Du mußt versuchen, sie hier dazu zu bringen«, erwiderte Bigwig. »Wenn du sie auf der anderen Seite hörst, mach Lärm, kratze ein bißchen oder so etwas - genau über mir. Komm, hilf mir graben. Und, Silver, hol alle aus der Honigwabe heraus und schließe diese Wand vollständig.«

»Bigwig«, sagte Pipkin, »ich kann Fiver nicht wecken. Er liegt immer noch da draußen mitten auf dem Boden. Was sollen wir tun?«

»Ich fürchte, wir können jetzt nichts tun«, erwiderte Bigwig. »Es ist jammerschade, aber wir werden ihn zurücklassen müssen.«

»O Bigwig«, rief Pipkin, »laß mich da draußen bei ihm bleiben! Ihr werdet mich überhaupt nicht vermissen, und ich kann weiter versuchen -«

»Hlao-roo«, sagte Holly so freundlich, wie er konnte, »wenn wir niemanden außer Fiver verlieren, ehe diese Sache vorüber ist, dann wird Frith auf unserer Seite kämpfen. Nein, tut mir leid, alter Junge, kein Wort mehr. Wir brauchen dich, wir brauchen jeden. Silver, sorge dafür, daß er mit den anderen zurückgeht.«

Als Woundwort sich durch das Dach der Honigwabe fallen ließ, lag Bigwig schon unter einer dünnen Erdschicht auf der anderen Seite der südlichen Wand, nicht weit von Clovers Bau.

Thunder grub seine Zähne in eine schwache Wurzel und zog sie heraus. Sofort fiel Erde herunter, und eine Lücke öffnete sich, wo er gegraben hatte. Die Wand reichte nicht mehr bis zum Dach. Es war nur ein breiter Haufen weicher Erde, der den Lauf halb füllte. Woundwort, der immer noch still wartete, konnte eine beträchtliche Anzahl Kaninchen am anderen Ende riechen und hören. Er hoffte, daß sie jetzt in den offenen Bau kommen und ihn angreifen würden. Aber sie rührten sich nicht.

Wenn es ums Kämpfen ging, war Woundwort nicht in der Lage, überlegt zu handeln. Menschen und größere Tiere, zum Beispiel Wölfe, haben gewöhnlich eine Vorstellung von ihrer eigenen Zahl und von der des Feindes, und dies wirkt sich auf ihre Kampfbereitschaft und auf ihre Taktik aus. Woundwort hatte nie so zu denken brauchen. Was er aus seiner ganzen Kampferfahrung gelernt hatte, war, daß es beinahe immer welche gibt, die kämpfen wollen, und andere, die nicht wollen, aber fühlen, daß sie's nicht vermeiden können. Mehr als einmal hatte er allein gekämpft und seinen Willen Massen von anderen Kaninchen aufgezwungen. Er tyrannisierte ein großes Gehege mit einer Handvoll ergebener Offiziere. Es kam ihm gar nicht in den Sinn - und wenn es ihm in den Sinn gekommen wäre, hätte er es nicht für ausschlaggebend gehalten -, daß die meisten seiner Kaninchen noch draußen waren, daß die, die bei ihm waren, weniger waren als die auf der anderen Seite der Wand und daß sie, bis Groundsel die Läufe geöffnet hatte, nicht hinauskommen konnten, selbst wenn sie wollten. Solche Dinge zählen nicht unter Kampfkaninchen. Wildheit und Angriffslust sind alles. Woundwort wußte, daß die hinter der Wand ihn fürchteten und daß er schon aus diesem Grunde im Vorteil war.

»Groundsel«, sagte er, »sobald du diese Läufe aufbekommen hast, sage Campion, er soll alle hier herunterschicken. Der Rest von euch folgt mir. Wir werden das erledigt haben, bis die anderen zu uns hereinkommen.«

Woundwort wartete nur, bis Groundsel die beiden Kaninchen zurückbrachte, die ausgeschickt worden waren, unter den Baumwurzeln am nördlichen Ende des Baus zu suchen. Dann kletterte er, Vervain hinter sich, den zusammengefallenen Erdhaufen hinauf und stieß in den engen Lauf vor. Er konnte das Rascheln und Zusammendrängen von Kaninchen, von Rammlern und Weibchen, im Dunkel vor ihm hören und riechen. Direkt vor ihm waren zwei Rammler, aber sie zogen sich zurück, als er sich den Weg durch den lockeren Boden bahnte. Er stürzte vor und fühlte, wie sich der Boden unter ihm plötzlich hob. Im nächsten Augenblick sprang ein Kaninchen aus der Erde zu seinen Füßen auf und grub seine Zähne in das Gelenk seines linken Vorderlaufs. Woundwort hatte fast jeden Kampf in seinem Leben durch den Einsatz seines Körpergewichts gewonnen. Andere Kaninchen konnten ihm nicht standhalten, und wenn sie einmal unten waren, kamen sie selten wieder hoch. Er versuchte jetzt zu stoßen, aber seine Hinterläufe konnten in dem Haufen lockerer, nachgebender Erde keinen Halt finden. Er bäumte sich auf, und dabei merkte er, daß der Feind unter ihm in einer ausgehobenen Grube von der Größe seines eigenen Körpers kauerte. Er schlug aus und fühlte, wie sich seine Klauen tief in Rücken und Keule gruben. Dann stieß sich das andere Kaninchen, das immer noch seine Zähne in Woundworts Schulter hatte, mit seinen auf den Boden des Grabens gestützten Hinterläufen ab. Woundwort, dessen Vorderläufe sich vom Boden hoben, wurde rücklings auf den Erdhaufen geworfen. Er schlug aus, aber der Feind hatte sich schon von ihm gelöst und befand sich außerhalb seiner Reichweite.

Woundwort stand auf. Er konnte das Blut an der Innenseite seines linken Vorderlaufes rinnen fühlen. Der Muskel war verwundet. Er konnte sein volles Gewicht nicht mehr darauf stützen. Aber auch seine eigenen Klauen waren blutig, und dieses Blut war nicht sein eigenes.

»Alles in Ordnung, Sir?« fragte Vervain hinter ihm.

»Natürlich, du Dummkopf«, sagte Woundwort. »Folge mir dicht auf.«

Das andere Kaninchen vor ihm sprach: »Ihr sagtet mir einst, ich solle Euch beeindrucken, General. Hoffentlich ist es mir gelungen.«

»Ich sagte dir einst, daß ich dich persönlich töten würde«, erwiderte Woundwort. »Jetzt ist kein weißer Vogel hier, Thlayli.« Er ging das zweite Mal vor.

Bigwigs Hohn war wohlüberlegt. Er hoffte, daß Woundwort sich auf ihn stürzen und ihm eine Chance geben würde, ihn wieder zu beißen. Aber als er, an den Boden gedrückt, wartete, merkte er, daß Woundwort zu klug war, sich anlocken zu lassen. Beim Abschätzen einer neuen Lage immer schnell, ging er langsam vorwärts und hielt sich dicht am Boden. Er beabsichtigte, seine Klauen zu gebrauchen. Ängstlich auf Woundworts Näherkommen horchend, konnte Bigwig die ungleichmäßige Bewegung seiner Vorderpfoten hören, die beinahe in Schlagnähe waren. Instinktiv zog er sich zurück, und dabei fiel ihm das Geräusch auf. Der linke Vorderlauf schleppt nach. Er kann ihn nicht richtig gebrauchen. Er entblößte die rechte Flanke und schlug auf seiner linken Seite aus.

Seine Klauen fanden Woundworts Lauf und rissen ihn seitlich auf; aber ehe er sich zurückziehen konnte, kam Woundworts volles Gewicht auf ihn herunter, und im nächsten Augenblick hatten dessen Zähne sein rechtes Ohr gepackt. Bigwig quietschte, preßte sich an den Boden und schüttelte wie wild den Kopf. Woundwort, der die Angst und Hilflosigkeit seines Feindes fühlte, ließ das Ohr los und hob sich über ihn, bereit zuzubeißen und ihn am Nacken aufzureißen. Einen Augenblick stand er über dem hilflosen Bigwig, mit den Schultern den Lauf ausfüllend. Dann gab sein verwundeter Vorderlauf nach, und er torkelte seitwärts gegen die Wand. Bigwig knuffte ihn zweimal ins Gesicht und fühlte, daß der dritte Hieb durch seinen Schnurrbart ging, als er zurücksprang. Das Geräusch seines schweren Atems kam deutlich von der Spitze des Erdhaufens. Bigwig, dem das Blut von Rücken und Ohr lief, wich nicht und wartete. Plötzlich merkte er, daß er die dunkle kauernde Gestalt General Woundworts in undeutlichen Umrissen erkennen konnte. Die ersten Spuren des Tageslichtes glommen durch das eingebrochene Dach der dahinterliegenden Honigwabe.

47. Der aufgehobene Himmel


Der alte Bulle stürzte sich mit gesenktem Kopf auf mich. Aber ich zuckte nicht zurück ... Ich ging auf ihn los. Und er zuckte zurück.

Flora Thompson Lark Rise


Als Hazel stampfte, sprang Dandelion instinktiv vom Grasrand. Wenn ein Loch dagewesen wäre, wäre er darauf zugesprungen. In Sekundenschnelle blickte er links und rechts über den Kies. Dann raste der Hund auf ihn zu, und er drehte sich um und sprang auf die erhöhte Scheune zu. Aber ehe er sie erreichte, wurde ihm klar, daß er nicht unter dem Boden Schutz suchen dürfte. Wenn er das tat, würde der Hund bremsen, und sehr wahrscheinlich würde ihn jemand zurückrufen. Er mußte aus dem Farmhof hinaus und zur Straße hinunter. Er änderte die Richtung und raste den Feldweg hinauf zu den Ulmen.

Er hatte nicht erwartet, daß der Hund ihm so dicht auf den Fersen sein würde. Er konnte seinen Atem hören und wie der lockere Kies unter seinen Pfoten aufspritzte.

»Er ist zu schnell für mich!« dachte er. »Er wird mich kriegen!« Im nächsten Augenblick würde er über ihm sein, ihn am Rücken schnappen und sein Leben aus ihm herausreißen. Er wußte, daß Hasen, wenn sie eingeholt werden, ausweichen, indem sie schneller und geschickter Haken schlagen als der sie verfolgende Hund und auf ihrer Spur zurücklaufen. »Ich werde zurücklaufen müssen«, dachte er verzweifelt. »Aber wenn ich's tue, wird er mich den Feldweg rauf- und runterjagen, und der Mann wird ihn heranrufen, oder ich werde ihn abschütteln müssen, indem ich durch die Hecke laufe - dann wird der ganze Plan mißlingen.«

Er jagte über den Kamm und hinunter auf den Viehstall zu. Als Hazel ihm gesagt hatte, was er tun sollte, hatte er gemeint, daß seine Aufgabe darin bestehen würde, den Hund anzulocken und ihn dazu zu bringen, ihm zu folgen. Jetzt aber rannte er einfach um sein Leben, und das in einem Tempo, an das er früher nie herangekommen war und das er nicht beibehalten konnte, das wußte er.

Tatsächlich legte Dandelion die dreihundert Meter zum Viehstall in sehr viel weniger als einer halben Minute zurück. Aber als er das Stroh am Eingang erreichte, schien es ihm, als wäre er eine Ewigkeit gerannt. Hazel und den Farmhof hatte es vor langer, langer Zeit gegeben. Er hatte nie in seinem Leben etwas anderes getan, als in entsetzlicher Furcht diesen Feldweg hinunterzurennen, den Atem des Hundes an seinen Keulen fühlend. Im Tor lief ihm eine große Ratte über den Weg, und der Hund bremste deswegen einen Augenblick. Dandelion erreichte den nächsten Schuppen und sprang Hals über Kopf zwischen zwei Strohballen am Fuß eines Haufens. Es war eng dort, und er konnte sich nur mit Mühe umdrehen. Der Hund war im Nu da draußen, kratzte begierig, winselte und warf loses Stroh hoch, als er unten an den Ballen schnüffelte.

»Bleib still sitzen«, sagte eine junge Ratte aus dem Stroh dicht neben ihm. »Er wird in einer Minute fort sein. Sie sind nicht wie Katzen, weißt du?«

»Das ist es ja gerade«, sagte Dandelion keuchend und das Weiße seiner Augen rollend. »Er darf mich nicht verlieren -und Zeit ist alles.«

»Was?« fragte die Ratte verblüfft. »Was sagst du da?«

Ohne zu antworten, schlüpfte Dandelion zu einem anderen Spalt, sammelte sich einen Augenblick und verließ dann die Deckung, rannte über den Hof zum gegenüberliegenden Schuppen. Er war vorn offen, und er lief direkt zu der Bretterverschalung an der Rückseite durch. Unter dem morschen Ende eines Brettes war eine Lücke, durch die er ins Feld dahinter kroch.

Der Hund folgte, zwängte seinen Kopf in die Lücke und drängte sich, vor Erregung bellend, durch. Allmählich hob sich das Brett wie eine Falltür, bis er sich durchzwängen konnte.

Nachdem er jetzt einen besseren Start hatte, hielt sich Dandelion im Freien und lief über das Feld zur Hecke neben der Straße. Er wußte, daß er im Tempo nachließ, aber auch der Hund schien langsamer zu werden. Er wählte einen dichten Teil in der Hecke, schlüpfte durch und überquerte die Straße. Blackberry huschte von der anderen Böschung auf ihn zu. Dandelion ließ sich erschöpft in den Graben fallen. Der Hund war keine sieben Meter auf der anderen Seite der Hecke entfernt. Er konnte keine genügend große Lücke finden.

»Er ist schneller, als ich annahm«, keuchte Dandelion, »aber ich habe ihm die Schärfe genommen. Mehr kann ich nicht tun. Ich muß mich ausruhen. Ich bin erledigt.« Es war offensichtlich, daß Blackberry sich fürchtete.

»Frith helfe mir!« flüsterte er. »Ich werde es nie schaffen.«

»Los, schnell«, sagte Dandelion, »bevor er das Interesse verliert. Ich werde dich einholen und helfen, wenn ich kann.«

Blackberry hopste absichtlich auf die Straße und setzte sich auf. Der Hund sah ihn, jaulte und stieß sein Gewicht gegen die Hecke. Blackberry rannte langsam die Straße entlang auf zwei Tore zu, die weiter unten einander gegenüberlagen. Der Hund blieb auf gleicher Höhe mit ihm. Sobald er sicher war, daß er das Tor auf seiner Seite gesehen hatte und darauf losgehen würde, machte Blackberry kehrt und kletterte auf die Böschung. Draußen in den Stoppeln wartete er auf das Nahen des Hundes.

Es dauerte lange, bis er erschien, und als er sich endlich zwischen dem Torpfosten und der Böschung einen Weg ins Feld bahnte, schenkte er ihm keinerlei Aufmerksamkeit. Er witterte am Fuß der Böschung entlang, scheuchte ein Rebhuhn auf, sprang ihm nach und begann dann, in einem Haufen Ampfer herumzuscharren. Eine Zeitlang hatte Blackberry zu große Angst, sich zu bewegen. Dann hopste er in Verzweiflung langsam auf ihn zu, tat so, als habe er seine Anwesenheit nicht bemerkt. Der Hund sprang ihm nach, schien aber fast sofort das Interesse zu verlieren und fing wieder an, am Boden herumzuschnüffeln. Schließlich als Blackberry nicht mehr wußte, was er tun sollte, brach der Hund aus eigenem Antrieb über das Feld auf, trottete neben einer der Reihen gedroschenen Strohs entlang, den zerrissenen Strick nachziehend und bei jedem Quietscher oder Rascheln hin und her springend. Blackberry, der hinter einer Parallelreihe Schutz suchte, hielt sich auf seiner Höhe. Auf diese Art legten sie die Entfernung zur Hochspannungsleitung, auf halbem Weg zum Fuß des Hügellandes, zurück. Da holte ihn Dandelion ein.

»Es ist nicht schnell genug, Blackberry! Wir müssen uns beeilen. Bigwig kann schon tot sein.«

»Ich weiß, aber wenigstens nimmt er den richtigen Weg. Anfänglich konnte ich ihn nicht dazu bringen, sich überhaupt zu bewegen. Können wir nicht -«

»Er muß mit Tempo zum Hügelland heraufkommen, oder es wird keine Überraschung sein. Komm, wir locken ihn gemeinsam an. Aber wir müssen uns zuerst vor ihn setzen.«

Sie rannten schnell durch die Stoppeln, bis sie in die Nähe der Bäume kamen. Dann drehten sie um und kreuzten die Richtung des Hundes in voller Sicht. Diesmal nahm er die Verfolgung sofort auf, und die beiden Kaninchen erreichten das Unterholz am Fuß des jähen Abhangs, knapp zehn Meter vor ihm. Als sie zu klettern begannen, hörten sie den Hund krachend durch den spröden Holunder brechen. Er bellte einmal, und dann waren sie auf dem offenen Hang draußen, und der Hund rannte stumm hinter ihnen her.

Das Blut rann Bigwig über Nacken und Vorderlauf hinunter. Er ließ Woundwort, der auf dem Erdhaufen kauerte, nicht aus den Augen und erwartete jeden Moment, daß er vorspränge. Er konnte die Bewegung eines Kaninchens hinter sich hören, aber der Lauf war so eng, daß er sich nicht hätte umdrehen können, selbst wenn es gefahrlos gewesen wäre.

»Alle in Ordnung?« fragte er.

»Alle in Ordnung«, erwiderte Holly. »Komm, Bigwig, laß mich deinen Posten einnehmen. Du mußt dich ausruhen.«

»Kann nicht«, schnaufte Bigwig. »Du könntest hier nicht an mir vorbei - kein Platz -, und wenn ich zurückgehe, kommt das Scheusal hinterher - und dann hättet ihr ihn ungehindert in den Bauen. Überlaß das mir. Ich weiß, was ich tue.«

Bigwig war der Gedanke gekommen, daß in dem engen Lauf selbst sein toter Körper ein beträchtliches Hindernis sein würde. Die Efrafas würden ihn entweder herausholen oder drum herum graben müssen, und das würde eine weitere Verzögerung bedeuten. In dem Bau hinter ihm konnte er Bluebell hören, der offenbar den Weibchen eine Geschichte erzählte. »Gute Idee«, dachte er. »Hält sie bei Laune. Das ist mehr, als ich tun könnte, wenn ich dort sitzen müßte.«

»Und dann sagte El-ahrairah zu dem Fuchs: >Du magst nach Fuchs riechen, und du magst ein Fuchs sein, aber ich kann dir deine Zukunft aus dem Wasser lesen.<«

Plötzlich sprach Woundwort.

»Thlayli«, sagte er, »weshalb willst du dein Leben wegwerfen? Ich kann, wenn ich will, ein frisches Kaninchen nach dem anderen in diesen Lauf schicken. Du bist zu gut, um getötet zu werden. Komm nach Efrafa zurück. Ich verspreche dir, daß ich dir das Kommando über jedes Kennzeichen, das du dir aussuchst, geben werde. Du hast mein Wort.«

»Silflay hraka, u embleer rah«, erwiderte Bigwig.

»>Aha<, sagte der Fuchs, >meine Zukunft lesen, ha? Und was siehst du im Wasser, mein Freund? Fette Kaninchen, die durchs Gras laufen, ja, ja?<«

»Na schön«, sagte Woundwort. »Aber vergiß nicht, Thlayli, du kannst jederzeit diesen Unsinn beenden.«

»>Nein<, erwiderte El-ahrairah, >ich sehe keine fetten Kaninchen im Wasser, sondern schnelle Hunde auf der Fährte und meinen Feind um sein Leben rennen.<«

Bigwig war sich klar, daß Woundwort ebenfalls wußte, daß sein Körper, tot oder lebendig, ein großes Hindernis wäre. Er will, daß ich herauskomme, dachte er. Aber es wird Inle sein, nicht Efrafa, wo ich von hier aus hingehe.

Plötzlich sprang Woundwort in einem einzigen Satz vor und prallte voll auf Bigwig wie ein von einem Baum fallender Ast. Er machte keinen Versuch, seine Klauen zu gebrauchen. Sein großes Gewicht drängte, Brust an Brust, gegen Bigwig. Mit seitwärts gewandten Köpfen bissen und schnappten sie nach ihren Schultern. Bigwig fühlte, wie er langsam rückwärts rutschte. Er konnte dem ungeheuren Druck nicht widerstehen. Seine Hinterläufe furchten mit ausgestreckten Klauen den Lauf, als er an Boden verlor. In wenigen Augenblicken würde er leibhaftig in den Bau dahinter geschoben werden. Seine letzte Kraft in das Bestreben legend, zu bleiben, wo er war, löste er seine Zähne aus Woundworts Schulter und senkte den Kopf wie ein Zugpferd, das eine schwere Ladung zieht. Trotzdem, er rutschte noch immer. Dann, zunächst ganz allmählich, begann der schreckliche Druck nachzulassen. Seine Klauen fanden im Boden Halt. Woundwort, dessen Zähne in Bigwigs Nacken gegraben waren, schnupfte und würgte. Was Bigwig nicht wußte - seine früheren Schläge hatten Woundwort die Nase aufgerissen. Seine Nüstern waren voll von seinem eigenen Blut, und da er die Zähne in Bigwigs Fell verbissen hatte, konnte er nicht Atem holen. Noch ein Weilchen, und er ließ los. Bigwig, der vollkommen erschöpft war, blieb liegen, wo er war. Nach einigen Augenblicken versuchte er aufzustehen, aber ein Ohnmachtsanfall und eine Empfindung, als drehe er sich in einem Graben voller Blätter unaufhörlich um, überkam ihn. Er schloß die Augen. Es herrschte Stille, und dann hörte er ganz deutlich Fiver in dem hohen Gras sprechen. »Du bist dem Tod näher als ich. Du bist dem Tod näher als ich.«

»Der Draht!« schrie Bigwig. Er schnellte hoch und schlug die Augen auf. Der Lauf war leer. General Woundwort war fort.

Woundwort kletterte in die Honigwabe, die jetzt durch das vom Schacht einfallende Licht schwach erhellt war. Er hatte sich nie so müde gefühlt. Er sah, wie Vervain und Thunder ihn unsicher anblickten. Er setzte sich auf seine Keulen und versuchte, sich mit den Vorderpfoten das Gesicht zu säubern.

»Thlayli wird keine Schwierigkeiten mehr machen«, sagte er. »Du solltest hineingehen und ihn erledigen, Vervain, da er nicht herauskommen wird.«

»Ich soll mit ihm kämpfen, Sir?« fragte Vervain.

»Nun, übernimm ihn ein paar Minuten«, antwortete Woundwort. »Ich will, daß sie anfangen, diese Wand an einer oder zwei anderen Stellen niederzureißen. Dann werde ich zurückgehen.«

Vervain wußte, daß das Unmögliche geschehen war. Den General hatte es am schlimmsten erwischt. Was er sagte, bedeutete: »Gebt mir Deckung. Laßt's die anderen nicht wissen.«

»Was in Friths Namen geschieht jetzt?« dachte Vervain. »Die Wahrheit ist, daß Thlayli die ganze Zeit am besten abgeschnitten hat, seit er ihm erstmals in Efrafa begegnet war. Und je früher wir wieder zurück sind, desto besser.«

Er traf auf Woundworts starren, blassen Blick, zögerte einen Augenblick und kletterte dann auf den Erdhaufen. Woundwort hinkte zu den beiden Läufen hinüber, auf halbem Weg die östliche Wand hinunter, die zu öffnen er Groundsel befohlen hatte. Beide Eingänge waren jetzt frei, und die Grabenden waren in den Tunnels nicht zu sehen. Als er näher kam, ging Groundsel rückwärts den entlegenen Tunnel hinunter und begann, seine Klauen an einer vorstehenden Wurzel zu säubern.

»Wie kommst du vorwärts?« fragte Woundwort.

»Dieser Lauf ist offen, Sir«, sagte Groundsel, »aber der andere wird ein bißchen länger dauern, fürchte ich. Er ist fest verstopft.«

»Einer genügt«, sagte Woundwort, »solange sie durch ihn hinunterkommen können. Wir können sie hereinholen und damit anfangen, diese Endwand niederzureißen.«

Er war im Begriff, selbst den Lauf hinaufzugehen, als er Vervain neben sich sah. Einen Augenblick glaubte er, daß er sagen würde, er habe Thlayli getötet. Aber ein zweiter Blick verriet ihm etwas anderes.

»Ich - äh - habe etwas Kies im Auge, Sir«, sagte Vervain. »Ich hole ihn nur heraus, und dann werde ich noch einen Versuch mit ihm machen.«

Wortlos ging Woundwort zum anderen Ende der Honigwabe zurück, und Vervain folgte.

»Du Feigling«, sagte Woundwort ihm ins Ohr. »Wenn meine Autorität zum Teufel geht, wo wird dann deine in einem halben Tag sein? Bist du nicht der bestgehaßte Offizier in Efrafa? Dieses Kaninchen muß getötet werden.«

Wieder kletterte er auf den Erdhaufen. Dann blieb er abrupt stehen. Vervain und Thistle, die die Köpfe hoben, um an ihm vorbeizugucken, sahen, warum. Thlayli war den Lauf heraufgekommen und kauerte direkt unter ihnen. Blut hatte das dichte Fellbüschel auf seinem Kopf verfilzt, und ein Ohr, das halb abgetrennt war, hing ihm neben dem Gesicht herunter. Sein Atem ging langsam und mühsam.

»Ihr werdet es viel schwerer finden, mich von hier zurückzudrängen, General«, sagte er.

Mit einer Art müder, dumpfer Überraschung merkte Woundwort, daß er sich fürchtete. Er wollte Thlayli nicht noch einmal angreifen. Er wußte mit wankender Sicherheit, daß er dem nicht gewachsen war. Und wer war es? dachte er. Wer könnte es tun? Nein, sie würden auf einem anderen Weg eindringen müssen, und jeder würde wissen, warum.

»Thlayli«, sagte er, »wir haben einen Lauf hier draußen freigelegt. Ich kann genügend Kaninchen hereinbringen, um diese Wand an vier Stellen herunterzureißen. Warum kommst du nicht heraus?«

Thlaylis Erwiderung kam leise und keuchend, aber vollkommen klar. »Mein Oberkaninchen hat mir gesagt, ich soll diesen Lauf verteidigen, und bis es etwas anderes sagt, bleibe ich hier.«

»Sein Oberkaninchen?« wiederholte Vervain erstaunt.

Weder Woundwort noch einer seiner Offiziere hatten daran gezweifelt, daß Thlayli das Oberkaninchen seines Geheges war. Doch was er sagte, klang absolut überzeugend. Er sagte die Wahrheit. Und wenn er nicht das Oberkaninchen war, dann mußte es irgendwo ganz in der Nähe noch ein anderes, stärkeres Kaninchen geben. Ein stärkeres Kaninchen als Thlayli. Wo war es? Was tat es in diesem Augenblick?

Woundwort merkte, daß Thistle nicht mehr hinter ihm war.

»Wohin ist dieser junge Bursche gegangen?« fragte er Vervain.

»Er scheint sich davongestohlen zu haben, Sir«, antwortete Vervain.

»Du hättest ihn aufhalten sollen«, sagte Woundwort. »Hol ihn zurück.«

Aber es war Groundsel, der kurz darauf zu ihm zurückkehrte.

»Tut mir leid, Sir«, sagte er, »Thistle ist den geöffneten Lauf hinauf gegangen. Ich glaubte, Ihr hättet ihn geschickt, sonst hätte ich ihn gefragt, was er vorhabe. Ein oder zwei meiner Kaninchen scheinen mitgegangen zu sein - ich weiß nicht, weshalb.«

»Ich werde ihnen schon erzählen, weshalb«, sagte Woundwort. »Kommt mit.«

Er wußte jetzt, was sie zu tun hatten. Jedes Kaninchen, das er mitgebracht hatte, mußte nach unten geschickt werden, um zu graben, und jede verstopfte Lücke in der Wand mußte geöffnet werden. Und was Thlayli betraf, so würden sie ihn einfach lassen, wo er war, und je weniger darüber gesprochen wurde, desto besser. Es durfte keine Kämpfe mehr in engen Läufen geben, und wenn das schreckliche Oberkaninchen schließlich erschiene, würde es von allen Seiten ins Freie gezerrt werden.

Er wandte sich um und wollte den Bau erneut durchqueren, blieb aber, wo er war, und bekam große Augen. Im schwachen Licht unter dem unregelmäßigen Loch im Dach stand ein Kaninchen - kein Efrafa, ein dem General unbekanntes Kaninchen. Es war sehr klein und blickte sich gespannt um -mit aufgerissenen Augen wie ein Junges, das zum erstenmal über der Erde ist -, als ob es nicht ganz sicher wäre, wo es sich befand. Während Woundwort hinschaute, hob es eine zitternde Vorderpfote und fuhr mit ihr tastend über sein Gesicht. Einen Augenblick flackerte im General ein Gefühl aus alten Tagen auf - der Geruch von nassen Kohlblättern in einem Cottage-Garten, der Eindruck eines sorgenfreien, freundlichen Ortes, lange vergessen und verloren.

»Wer zum Teufel ist das?« fragte General Woundwort.

»Es - es muß das Kaninchen sein, das dort gelegen hat, Sir«, antwortete Groundsel. »Das Kaninchen, das wir für tot hielten.«

»Oh, ist es das?« sagte Woundwort. »Nun, das ist so ungefähr dein Kaliber, nicht wahr, Vervain? Das ist eines, mit dem du fertig werden dürftest. Beeil dich«, höhnte er, als Vervain zögerte, da er nicht sicher war, ob der General es ernst meinte, »und komm wieder heraus, sobald du es erledigt hast.«

Vervain ging langsam ein Stück vorwärts. Selbst er empfand wenig Befriedigung bei der Aussicht, ein tharn Kaninchen, das halb so groß war wie er, auf einen höhnischen Befehl hin zu töten. Das kleine Kaninchen machte keinerlei Bewegung, weder um sich zurückzuziehen, noch um sich zu verteidigen, sondern starrte ihn nur aus großen Augen an, die, wenn auch sorgenvoll, bestimmt nicht die eines geschlagenen Feindes oder eines Opfers waren. Vor seinem Blick blieb Vervain unsicher stehen, und einige Augenblicke standen sich die beiden in dem trüben Licht gegenüber. Dann sagte das fremde Kaninchen sehr ruhig und ohne eine Spur von Furcht: »Es tut mir von ganzem Herzen um euch leid. Aber ihr könnt uns keinen Vorwurf machen, denn ihr seid in der Absicht gekommen, uns zu töten.«

»Einen Vorwurf machen?« antwortete Vervain. »Weswegen?«

»Daß ihr sterben müßt. Glaube mir, es tut mir leid.«

Vervain hatte früher jede Menge Gefangene getroffen, die ihn vor ihrem Tod verflucht oder bedroht hatten - nicht selten mit übernatürlicher Rache, so ähnlich, wie Bigwig im Sturm Woundwort verflucht hatte. Wenn solche Dinge eine Wirkung auf ihn ausgeübt hätten, wäre er nicht Chef der Owslafa gewesen. Tatsächlich hatte Vervain für fast jede Äußerung, die ein Kaninchen in dieser schrecklichen Lage machte, ohne lange zu überlegen, sofort eine oder zwei aus einem ganzen Vorrat von höhnischen Erwiderungen bereit. Jetzt, als er wie gebannt in die Augen dieses unerklärlichen Feindes starrte -des einzigen, dem er in dieser langen Nacht auf der Suche nach Blutvergießen gegenübergestanden hatte -, überkam ihn Entsetzen, und er empfand Furcht vor seinen Worten, die sanft und unerbittlich wie Schneegestöber über schutzlosem Land waren. Die schattigen Winkel des fremden Baus schienen voller Flüstern und bösartiger Geister, und er erkannte die vor Monaten in den Gräben von Efrafa vergessenen Stimmen von Kaninchen, die er in den Tod befördert hatte.

»Laß mich in Ruhe!« rief Vervain. »Laß mich gehen! Laß mich gehen!«

Stolpernd und umhertappend fand er seinen Weg zu dem geöffneten Lauf und zog sich empor. Oben stieß er auf Woundwort. Der hörte einem von Groundsels Leuten zu, der zitterte und das Weiße seiner Augen zeigte.

»O Sir«, sagte der Junge, »sie sprechen von einem großen Oberkaninchen, größer als ein Hase; und sie hörten ein seltsames Tier -«

»Sei still!« sagte Woundwort. »Folge mir! Los!«

Er gelangte auf die Böschung, blinzelte in die Sonne. Die im Gras verstreuten Kaninchen starrten ihn entsetzt an, einige fragten sich, ob das wirklich der General war. Seine Nase und ein Augenlid hatten tiefe Wunden, und sein ganzes Gesicht war mit Blut bedeckt. Als er von der Böschung herunterhinkte, schleppte sein linker Vorderlauf nach, und er taumelte zur Seite. Er krabbelte ins freie Gras und sah sich um.

»Nun«, sagte Woundwort, »das ist das letzte, was wir zu tun haben, und es wird nicht lange dauern. Unten ist eine Art Wand.« Er hielt inne, fühlte, wie um ihn herum sich Widerstreben und Furcht breitmachten. Er sah Ragwort an, der wegblickte. Zwei andere Kaninchen schlichen sich durch das Gras davon. Er rief sie zurück.

»Was denkt ihr euch eigentlich dabei?« fragte er.

»Nichts, Sir«, erwiderte der eine. »Wir glaubten nur, daß-«

Plötzlich sauste Hauptmann Campion um die Ecke des Abhanges. Vom offenen Hügelland drang ein einziger, hoher Schrei herüber. Im selben Augenblick sprangen zwei fremde Kaninchen nebeneinander über die Böschung in den Wald und verschwanden in einem der Tunnel.

»Lauft!« rief Campion stampfend. »Lauft um euer Leben!«

Er raste zwischen ihnen hindurch und verschwand über das Hügelland. Da sie nicht wußten, was er meinte und wohin sie laufen sollten, wandten sie sich hierhin und dorthin. Fünf stürzten in den geöffneten Lauf hinunter und einige weitere in den Wald. Aber kaum daß sie begonnen hatten, sich zu zerstreuen, sprang ein großer schwarzer Hund in ihre Mitte, schnappte, biß und jagte sie hin und her wie ein Fuchs in einem Hühnerauslauf.

Woundwort allein hielt stand. Als der Rest nach allen Richtungen floh, blieb er, wo er war, zornig und knurrend, mit blutigen Zähnen und blutigen Klauen. Der Hund, der ihm plötzlich in den rauhen Grasbüscheln gegenüberstand, prallte einen Augenblick verblüfft und verwirrt zurück. Dann sprang er vor, und während sie davonliefen, konnte die Owsla den wütenden, kreischenden Ruf ihres Generals hören: »Kommt zurück, ihr Dummköpfe! Hunde sind nicht gefährlich! Kommt zurück und kämpft!«

48. Dea ex machina


Und da ich noch grün und sorgenfrei war, berühmt in den Scheunen um den glücklichen Hof, und sang, da die Farm mein Heim war, in der Sonne, die nur einmal jung ist...

Dylan Thomas Fern Hill


Als Lucy aufwachte, war es im Zimmer schon hell. Die Vorhänge waren nicht vorgezogen, und die Scheibe des Fensterflügels reflektierte einen schwachen Sonnenschein, den sie verlieren und wiederfinden konnte, indem sie ihren Kopf auf dem Kissen bewegte. Eine Ringeltaube rief in den Ulmen. Aber sie wußte, daß ein anderes Geräusch sie aufgeweckt hatte - ein scharfes Geräusch, Teil eines Traumes, der, als sie aufwachte, abgeflossen war wie Wasser aus einem Waschbecken. Vielleicht hatte der Hund gebellt. Aber jetzt war alles ruhig, und sie sah nur das Aufblitzen der Sonne von der Fensterscheibe und hörte den Ruf der Ringeltaube, so wie man bei den ersten Strichen eines Malpinsels auf einem großen Bogen Papier noch nicht sicher ist, wie das Bild werden wird. Der Morgen war schön. Ob es schon Pilze gab? Lohnte es sich, jetzt aufzustehen und zur Wiese hinunterzugehen, um nachzusehen? Es war noch zu trocken und zu heiß - kein gutes Pilz-Wetter. Die Pilze waren wie die Brombeeren - beide brauchten einen Tropfen Regen, ehe sie etwas taugten. Bald würde es morgens feucht sein, und die großen Spinnen würden sich in den Hecken niederlassen - die mit einem weißen Kreuz auf dem Rücken. Jane Pocock war hinten aus dem Schulbus herausgerannt, als sie eine in einer Streichholzschachtel mitgebracht hatte, um sie Miss Tallant zu zeigen.

Spinne, Spinne auf dem Bus,

Die fade Jane, die macht' ein Getu,

Die Spinne kriegt' den Elf-Uhr-plus.

Jetzt konnte sie das sich spiegelnde Licht nicht mehr mit den Augen einfangen. Die Sonne war weitergewandert. Was würde es heute geben? Donnerstag - Markttag in Newbury. Dad würde hinfahren. Der Doktor würde zu Mum kommen. Der Doktor hatte komische Gläser, die auf seiner Nase zwickten und auf jeder Seite einen Fleck hinterließen. Wenn er nicht in Eile war, unterhielt er sich mit ihr. Der Doktor war ein bißchen merkwürdig, wenn man ihn nicht kannte, aber sonst war er nett.

Plötzlich hörte sie wieder ein scharfes Geräusch. Es zerriß den stillen frühen Morgen, so als würde etwas auf den Boden gegossen - ein Kreischen, etwas Erschrockenes, etwas Verzweifeltes. Lucy sprang aus dem Bett und lief ans Fenster. Was immer es war, es kam von draußen. Sie lehnte sich weit hinaus, so daß ihre Füße nicht mehr den Boden berührten und der Sims gegen ihren Magen drückte. Tab war da unten, gleich bei der Hundehütte. Sie hatte was: Es mußte eine Ratte sein, die so quietschte.

»Tab!« rief Lucy scharf. »Tab! Was hast du da?«

Beim Klang ihrer Stimme sah die Katze einen Augenblick auf und blickte sofort wieder auf ihre Beute. Aber es war keine Ratte; es war ein Kaninchen, das neben der Hundehütte auf der Seite lag. Es sah richtig schlimm aus. Schlug um sich und alles. Dann quiekte es wieder.

Lucy rannte im Nachthemd die Treppe hinunter und öffnete die Tür. Auf dem Kies mußte sie humpeln, deshalb wechselte sie auf das Blumenbeet über. Als sie die Hundehütte erreichte, sah die Katze auf und fauchte sie an, hielt mit einer Pfote den Nacken des Kaninchens heruntergedrückt.

»Verschwinde, Tab!« sagte Lucy. »Grausames Ding! Laß es in Ruhe!«

Sie knuffte die Katze, die sie zu kratzen versuchte. Sie hob wieder die Hand, und Tab knurrte, rannte ein paar Meter und blieb stehen, blickte schmollend und wütend zurück. Lucy hob das Kaninchen hoch. Es strampelte einen Augenblick und erstarrte dann in ihrem festen Griff.

»Halt still!« sagte Lucy. »Ich tu dir nichts!«

Sie ging, das Kaninchen im Arm, zum Haus zurück.

»Was hast du angestellt, eh?« sagte ihr Vater, dessen Stiefel über die Fliesen kratzten. »Schau deine Füße an! Hab' ich dir nicht gesagt - was hast du da?«

»'n Kaninchen«, sagte Lucy abwehrend.

»Im Nachthemd, wirst dir noch den Tod holen! Was willst du denn mit ihm?«

»Werd' es behalten.«

»Das tust du nicht!«

»Ach, Dad, es ist so niedlich.«

»Das wird dir nicht für fünf Pfennig was nützen. Du steckst es in den Verschlag, und es wird nur verenden. Du kannst wilde Kaninchen nicht halten. Und wenn es rauskommt, wird es allen möglichen Schaden anrichten.«

»Aber es geht ihm schlecht, Dad. Die Katze hat es angefallen.«

»Die Katze hat getan, was ihr Geschäft ist. Hätt'st sie es lieber zu Ende tun lassen sollen.«

»Ich möcht' es dem Doktor zeigen.«

»Der Doktor hat Wichtigeres zu tun, als sich mit 'nem alten Kaninchen abzugeben. Gib's her.«

Lucy begann zu weinen. Sie hatte nicht umsonst ihr ganzes Leben auf einer Farm verbracht, und sie wußte sehr gut, daß alles, was ihr Vater gesagt hatte, richtig war. Aber sie war aufgebracht bei dem Gedanken, das Kaninchen kaltblütig zu töten. Gewiß, sie wußte nicht recht, was sie mit ihm auf die Dauer anfangen sollte. Sie wollte es dem Doktor zeigen. Sie wußte, daß der Doktor sie für ein richtiges Farmmädchen hielt - ein Landmädchen. Wenn sie ihm Dinge zeigte, die sie gefunden hatte - ein Stieglitzei, einen in einem Marmeladenglas aufgeregt flatternden Distelfalter oder einen Schwamm, der wie eine Orangenschale aussah -, nahm er sie ernst und sprach mit ihr wie mit einer Erwachsenen. Seinen Rat über ein verletztes Kaninchen einzuholen und mit ihm darüber zu sprechen würde sehr erwachsen wirken. Inzwischen würde ihr Vater nachgeben oder auch nicht.

»Ich möchte es nur dem Doktor zeigen, Dad. Es soll ihm kein Leid geschehen. Bloß, es ist nett, mit dem Doktor zu sprechen.«

Obgleich er es nie sagte, war ihr Vater stolz darauf, wie gut sich Lucy mit dem Doktor verstand. Sie war ein richtig kluges Mädchen - würde wahrscheinlich auf die höhere Schule gehen und all das, sagte man. Der Doktor hatte ihm schon ein- oder zweimal gesagt, daß sie wirklich vernünftig mit den Dingen umging, die sie auflas und ihm zeigte. Trotzdem, verdammte Kaninchen. Na ja, würde nichts schaden, solange sie nicht eins frei hier herumlaufen ließe.

»Warum tust du nicht was Vernünftiges«, sagte er, »anstatt hier rumzustehen und zu tun, als ob du nicht ganz bei Trost wärst? Zieh dich an, und dann kannst du es in den alten Käfig stecken, der im Schuppen steht. Den du für die Wellensittiche hattest.«

Lucy hörte auf zu weinen und ging nach oben, immer noch das Kaninchen im Arm. Sie schloß es in eine Schublade, zog sich an und ging hinaus, um den Käfig zu holen. Auf dem Rückweg las sie etwas Stroh hinter der Hundehütte auf. Ihr Vater kam ihr entgegen.

»Hast du Bob gesehen?«

»Nein«, sagte Lucy. »Wo ist er hin?«

»Hat seinen Strick zerrissen, und fort ist er. Ich wußte zwar, daß der alte Strick nicht mehr viel taugte, aber ich dachte nicht, daß er ihn kaputtkriegen würde. Auf jeden Fall fahre ich heute vormittag nach Newbury. Wenn er wieder auftaucht, dann bind ihn richtig an.«

»Ich schau' nach ihm aus, Dad«, sagte Lucy. »Jetzt bring' ich Mum ein bißchen Frühstück.«

»Na, bist 'n gutes Mädchen. Ich schätze, sie wird bis morgen wieder in Ordnung sein.«

Doktor Adams kam bald nach zehn. Lucy, die später, als sie sollte, ihr Bett machte und ihr Zimmer in Ordnung brachte, hörte seinen Wagen unter den Ulmen am Ende des Feldweges anhalten und ging hinaus, um ihn zu begrüßen, fragte sich dabei, weshalb er nicht wie gewöhnlich vor dem Haus vorgefahren war. Er war ausgestiegen, stand da, die Hände im Rücken, und blickte den Feldweg hinunter, aber er sah sie und rief sie in seiner gewohnten kurz angebundenen Art.

»Äh - Lucy.«

Sie rannte zu ihm hin. Er nahm seinen Kneifer ab und steckte ihn in die Westentasche.

»Ist das euer Hund?«

Der Neufundländer, der ziemlich müde aussah, kam den Feldweg herauf und zog den Strick hinter sich her, den Lucy ergriff.

»Er ist ausgerissen, Doktor. Ich hab' mir Sorgen gemacht.«

Der Neufundländer schnüffelte an Doktor Adams' Schuhen.

»Etwas hat mit ihm gekämpft, glaube ich«, sagte Doktor Adams. Seine Nase ist ganz schön aufgekratzt, und das da an seinem Bein sieht wie ein Biß aus.«

»Was mag es gewesen sein, Doktor?«

»Tja, es kann eine große Ratte gewesen sein oder vielleicht ein Wiesel. Etwas, dem er nachjagte und das sich wehrte.«

»Ich hab' heute morgen ein Kaninchen gekriegt, Doktor, 'n wildes. Es lebt. Ich nahm es der Katze weg. Aber ich glaube, es ist verletzt. Möchten Sie es sehen?«

»Nun, ich gehe lieber erst zu Mrs. Cane, glaube ich.« (Nicht >zu deiner Mutter<, dachte Lucy.) »Und wenn ich dann noch Zeit habe, werd' ich mir den Burschen ansehen.«

Zwanzig Minuten später hielt Lucy das Kaninchen so ruhig, wie sie konnte, während Doktor Adams es hier und da sanft mit zwei Fingern drückte.

»Nun, es ist nichts von Bedeutung, soweit ich sehen kann«, sagte er schließlich. »Nichts gebrochen. Aber irgend etwas ist mit diesem Hinterlauf, doch das ist schon vor einiger Zeit passiert, und es ist mehr oder weniger verheilt - soweit es je heilen wird. Die Katze hat es hier gekratzt, siehst du, aber das ist nicht erheblich. Ich denke, es wird in Kürze wieder in Ordnung sein.«

»Aber es hat keinen Zweck, es zu behalten, Doktor, nicht wahr? Im Verschlag, mein' ich.«

»O nein, es könnte in einer Kiste nicht leben. Wenn es nicht herauskäme, würde es bald sterben. Nein, ich würde den armen Kerl laufenlassen - wenn du ihn nicht essen willst.«

Lucy lachte. »Aber Dad wird böse sein, wenn ich es irgendwo in der Nähe freilasse. Er sagt immer, wo ein Kaninchen ist, sind bald hundertundeins.«

»Nun, ich will dir was sagen«, meinte Doktor Adams und zog seine flache Taschenuhr heraus. Er hielt sie in Armeslänge von sich und blickte darauf, denn er war weitsichtig. »Ich muß ein paar Kilometer die Straße hinauf, um eine alte Dame in Cole Henley zu besuchen. Wenn du im Wagen mitkommen willst, kannst du es zwischen den Hügeln freilassen, und ich bringe dich noch vor dem Essen zurück.«

Lucy hüpfte. »Ich will bloß Mum fragen.«

Auf dem Kamm zwischen Hare Warren Down und Watership Down hielt Doktor Adams an.

»Ich glaube, hier ist es so gut wie anderswo«, sagte er. »Da kann es nicht viel Schaden anrichten, wenn man sich's überlegt.«

Sie gingen ein Stückchen ostwärts von der Straße fort, und Lucy setzte das Kaninchen ab. Es saß etwa eine halbe Minute verblüfft da und sprang dann plötzlich über das Gras davon.

»Ja, irgend etwas stimmt nicht mit seinem Lauf, siehst du«, sagte Doktor Adams und deutete hin. »Aber es könnte noch jahrelang ausgezeichnet leben, was das anlangt. Ein echtes Kaninchen, in einem Dornenstrauch geboren.«

49. Hazel kehrt heim


Nun, wir sind beide glückliche Teufel gewesen Und haben's nicht nötig, ein Gelübde oder einen Eid Zu leisten, um unsere wunderbare Freundschaft zu besiegeln. Durch festeren Stoff Eng genug gebunden.

Robert Graves Two Fusiliers


Obgleich bei Woundwort zum Schluß erste Anzeichen von Verrücktheit erkennbar gewesen waren, erwies sich das, was er tat, dennoch als nicht ganz sinnlos. Es gab keinen Zweifel daran, daß, wenn er es nicht getan hätte, an jenem Morgen auf Watership Down mehr Kaninchen getötet worden wären. So schnell und still war der Hund hinter Dandelion und Blackberry den Hügel heraufgekommen, daß einer von Campions Wachtposten, der nach einer langen Nacht unter einem Grasbüschel döste, in dem Augenblick, als er sich umdrehte und fortzuspringen versuchte, heruntergerissen und getötet wurde. Später - nachdem er Woundwort liegengelassen hatte - trieb sich der Hund einige Zeit auf der Böschung und im offenen Gras herum, bellte und stürzte auf jeden Busch und jeden Haufen Unkraut zu. Aber inzwischen hatten die Efrafas Zeit gehabt, sich zu zerstreuen und zu verstecken, so gut es möglich war. Außerdem zeigte der Hund, der unerwartet gekratzt und gebissen worden war, ein gewisses Widerstreben, sich auf einen Kampf einzulassen. Doch zum Schluß gelang es ihm, das Kaninchen zu stellen und zu töten, das tags zuvor durch Glas verletzt worden war, und damit verzog er sich wieder auf dem Weg, den er gekommen war, und verschwand über den Rand der Böschung.

Von einem erneuten Angriff der Efrafas auf das Gehege konnte jetzt keine Rede mehr sein. Keiner dachte an etwas anderes als daran, sein Leben zu retten. Ihr Führer war verschwunden. Der Hund war von den Kaninchen, die sie hatten töten wollen, auf sie gehetzt worden - da waren sie ganz sicher. Es stand im Einklang mit dem geheimnisvollen Fuchs und dem weißen Vogel. In der Tat hatte Ragwort, das phantasieloseste Kaninchen, das lebte, es unter der Erde vernommen. Campion, der mit Vervain und vier oder fünf anderen in einem Nesselhaufen kauerte, traf auf nichts als zitternde Zustimmung, als er sagte, er sei sicher, daß sie sofort diesen gefährlichen Ort verlassen sollten, wo sie schon viel zu lange geblieben waren.

Ohne Campion wäre wahrscheinlich nicht ein einziges Kaninchen nach Efrafa zurückgekehrt. Doch konnte auch seine Kunst als Patrouillenführer nicht einmal die Hälfte derjenigen, die nach Watership gekommen waren, heimführen. Drei oder vier waren geflüchtet und hatten sich zu weit verlaufen, als daß man sie wiederfinden konnte, und was aus ihnen geworden war, erfuhr man nie. Es waren wahrscheinlich vierzehn oder fünfzehn Kaninchen - nicht mehr -, die mit Campion etwas vor ni-Frith aufbrachen, um die lange Wanderung anzutreten, die sie erst tags zuvor in entgegengesetzter Richtung unternommen hatten. Sie waren nicht fähig, die Entfernung bis zum Dunkelwerden zurückzulegen, und es dauerte nicht lange, da hatten sie gegen Schlimmeres als ihre eigene Erschöpfung und ihre niedergedrückte Stimmung anzukämpfen. Schlechte Nachrichten verbreiten sich schnell. Den Gürtel hinunter und darüber hinaus verbreitete sich das Gerücht, daß der furchtbare General Woundwort und seine Owsla auf Watership Down in Stücke gehauen worden waren und was von ihnen übrigblieb, sich in schlechter Verfassung südwärts schleppte, kaum in der Lage, wachsam zu bleiben. Die Tausend begannen heranzurücken - Wiesel, ein Fuchs, selbst ein Kater von einer nahe gelegenen Farm. Bei jedem Halt fehlte wieder ein Kaninchen, und keiner konnte sich erinnern, gesehen zu haben, was ihm zugestoßen war. Eines davon war Vervain. Es war von Anfang an klar, daß ihm nichts mehr blieb, und tatsächlich hatte er wenig Veranlassung, ohne den General nach Efrafa zurückzukehren.

Während all dieser Furcht und Mühsal blieb Campion standfest und wachsam, hielt die Überlebenden zusammen, dachte voraus und ermutigte die Erschöpften, weiterzulaufen. Am Nachmittag des folgenden Tages, während das Kennzeichen »Rechter Vorderlauf« bei silflay war, kam er mit einer Handvoll von sechs oder sieben Kaninchen durch die Postenlinie gehinkt. Er selbst war einem Zusammenbruch nahe und kaum imstande, dem Rat Bericht über die Katastrophe zu erstatten.

Nur Groundsel, Thistle und drei andere hatten die Geistesgegenwart gehabt, den geöffneten Lauf hinunterzuspringen, als der Hund kam. Zurück in der Honigwabe, ergaben sich Groundsel und seine Mitgeflohenen sofort Fiver, der immer noch von seiner langen Trance benebelt und kaum soweit zur Besinnung gekommen war, zu begreifen, was vor sich ging. Schließlich, als die fünf Efrafas immer noch in dem Bau kauerten und auf die Geräusche des oben jagenden Hundes lauschten, erholte sich Fiver, ging zur Mündung des Laufes, wo Bigwig halb bewußtlos lag, und es gelang ihm, Holly und Silver begreiflich zu machen, daß die Belagerung beendet war. Es fehlte nicht an Helfern, die verstopften Löcher in der Südwand wieder aufzureißen. Zufällig war Bluebell der erste, der in die Honigwabe durchbrach, und noch viele Tage später ahmte er Hauptmann Fiver an der Spitze einer Menge von Efrafa-Gefangenen nach - »wie eine Blaumeise, die einen Haufen sich mausernder Dohlen zusammentreibt«, wie er sich ausdrückte.

Niemand jedoch hatte Lust, ihnen zu dieser Zeit viel Aufmerksamkeit zu schenken; denn alle Gedanken des Geheges waren bei Hazel und Bigwig. Bigwig schien sterben zu müssen. Er blutete aus einem halben Dutzend Wunden, lag mit geschlossenen Augen in dem Lauf, den er verteidigt hatte, und gab keine Antwort, als Hyzenthlay ihm sagte, die Efrafas wären besiegt und das Gehege gerettet. Nach einiger Zeit gruben sie vorsichtig, um den Lauf zu verbreitern, und als der Tag sich dahinschleppte, blieben die Weibchen abwechselnd neben ihm, leckten ihm die Wunden und horchten auf sein leises unregelmäßiges Atmen.

Zuvor hatten Blackberry und Dandelion sich aus Kehaars Lauf durchgegraben - er war nicht sehr fest verstopft gewesen - und erzählten ihre Geschichte. Dandelion konnte nicht sagen, was mit Hazel geschehen war, nachdem der Hund sich losgerissen hatte, und bis zum frühen Nachmittag befürchtete jeder das Schlimmste. Schließlich bestand Pipkin in großer Unruhe und Sorge darauf, nach Nuthanger aufzubrechen. Fiver sagte sofort, er würde mit ihm gehen, und zusammen verließen sie den Wald und brachen nach Norden über die Hügel auf. Sie waren erst eine kurze Strecke gelaufen, als Fiver, der sich auf einem Ameisenhügel aufrichtete, um sich umzublicken, ein Kaninchen über die Anhöhe im Westen kommen sah. Sie liefen beide näher heran und erkannten Hazel. Fiver lief ihm entgegen, während Pipkin in die Honigwabe zurückraste, um die Nachricht zu überbringen.

Sobald er erfahren hatte, was alles geschehen war -einschließlich dessen, was Groundsel zu sagen hatte -, bat Hazel Holly, sich in Begleitung von zwei bis drei Kaninchen zu vergewissern, ob die Efrafas wirklich fort waren. Dann ging er selbst in den Lauf, wo Bigwig lag. Hyzenthlay blickte auf, als er kam.

»Vor einer kleinen Weile war er wach, Hazel-rah«, sagte sie. »Er fragte, wo du seist, und dann sagte er, sein Ohr täte ihm sehr weh.«

Hazel rieb seine Nase an dem verfilzten Fellschopf. Das Blut war hart geworden und zu spitzen Stacheln geronnen, die in seine Nase piekten.

»Du hast es geschafft, Bigwig«, sagte er. »Sie sind alle fort.«

Mehrere Augenblicke lang bewegte sich Bigwig nicht. Dann schlug er die Augen auf und hob den Kopf, blies die Backen auf und schnupperte an den beiden Kaninchen neben ihm. Er sagte nichts, so daß Hazel sich fragte, ob er verstanden habe. Schließlich flüsterte er: »Iiis Schluß mit Miiister Woundwort, ya?«

»Ya«, erwiderte Hazel. »Ich bin gekommen, dir beim silflay zu helfen. Es wird dir guttun, und wir können dich draußen viel besser säubern. Komm, es ist ein reizender Nachmittag, überall Sonne und Blätter.«

Bigwig stand auf und torkelte in die verwüstete Honigwabe. Dort sank er nieder, ruhte, stand wieder auf und erreichte den Fuß von Kehaars Lauf.

»Ich glaubte, er habe mich getötet«, sagte er. »Für mich gibt's keinen Kampf mehr - ich habe genug. Und du - dein Plan hat funktioniert, Hazel-rah, nicht wahr? Gut gemacht. Erkläre ihn mir. Und wie kamst du von der Farm zurück?«

»Ein Mann brachte mich in einem hrududu«, sagte Ha-zel, »fast die ganze Strecke.«

»Und den Rest flogst du wohl, nehme ich an«, sagte Bigwig, »mit einem weißen Stengel im Maul? Komm schon, Hazel-rah, erzähle vernünftig. Was ist, Hyzenthlay?«

»Oh!« sagte Hyzenthlay mit großen Augen. »Oh!«

»Was ist denn?«

»Es stimmt!«

»Was stimmt?«

»Er ist tatsächlich in einem hrududu nach Hause gefahren. Und ich sah ihn kommen - in jener Nacht in Efrafa, als ich bei dir in deinem Bau war. Erinnerst du dich?«

»Ich erinnere mich«, sagte Bigwig. »Ich erinnere mich auch, was ich sagte. Ich sagte, du solltest es lieber Fiver erzählen. Das ist eine gute Idee - gehen wir zu ihm. Und wenn er dir Glauben schenkt, Hazel-rah, dann will ich's auch.«

50. Und zuletzt


Indem ich ferner versichere, überzeugt zu sein, daß die unberechtigte Einmischung des Generals, weit entfernt, ihrem Glück zu schaden, ihnen vielmehr ziemlich dienlich war, indem sie ihre Kenntnis voneinander vertiefte und ihrer Verbindung zusätzlich Stärke gab, überlasse ich es anderen, die Frage zu klären ...

Jane Austen Northanger Abbey


Es war ein schöner, klarer Oktoberabend, etwa sechs Wochen später. Obgleich die Blätter noch an den Buchen hingen und der Sonnenschein wärmte, breitete sich ein Gefühl wachsender Leere im weiten Raum des Hügellandes aus. Die Blumen wurden spärlicher. Hier und da zeigte sich eine gelbe Blutwurz im Gras, eine späte Glockenblume oder ein paar Spuren von purpurfarbenen Blüten auf einer braunen, sich kräuselnden Gruppe von Heilkräutern. Aber die meisten Pflanzen, die noch zu sehen waren, trugen Samen. Am Waldrand entlang zeigte sich eine Wand wilder Klematis wie eine Rauchwolke; all ihre süß duftenden Blumen schienen in einen Alt-Männerbart verwandelt. Die Lieder der Insekten wurden seltener und setzten zeitweilig aus. Große Flächen des hohen Grases, einst der strotzende Dschungel des Sommers, waren fast verlassen, nur ein eiliger Käfer oder eine apathische Spinne waren hier und da noch von den Myriaden im August übrig. Ein paar Stechmücken tanzten noch in der hellen Luft, aber die Mauersegler, die auf sie herabgestoßen waren, waren verschwunden, und anstelle ihrer kreischenden Schreie am Himmel klang das Zwitschern eines Rotkehlchens von einem Spindelbaum herunter. Die Felder unter dem Hügel waren alle kahl. Eines war schon gepflügt worden, und die glatten Ränder der Furchen fingen das Licht mit einem stumpfen Glitzern ein, das man vom Kamm oben deutlich erkennen konnte. Auch der Himmel war leer und von einer durchsichtigen Klarheit wie Wasser. Im Juli schien das stille Blau, dick wie Creme, dicht über den grünen Bäumen zu sein, aber jetzt war das Blau hoch und dünn. Die Sonne schlüpfte früher in den Westen, und wenn sie einmal da war, kündigte sie einen Hauch von Frost an, ging langsam und groß und schlaftrunken, hochrot wie die Hagebutten, die das weiße Heidekraut bedeckten, unter. Als der Wind von Süden auffrischte, rieben sich die roten und gelben Buchenblätter mit einem spröden Geräusch aneinander, das mißtönender klang als das unaufhörliche Rascheln früherer Tage. Es war die Zeit des stillen Abgangs, des Aussonderns alles dessen, was dem Winter nicht standhalten konnte.

Viele Menschen sagen, sie genießen den Winter, aber was sie wirklich genießen, ist, gegen ihn gefeit zu sein. Für sie gibt es im Winter kein Nahrungsmittel-Problem. Sie haben ein Kaminfeuer und warme Kleider. Der Winter kann ihnen nichts anhaben und erhöht daher ihr Bewußtsein von Klugheit und Sicherheit. Für Vögel und Tiere wie für arme Menschen ist der Winter etwas anderes. Kaninchen leiden Not wie die meisten Tiere. Gewiß, sie haben mehr Glück als andere, denn irgendwelche Nahrung ist fast immer zu haben. Aber bei Schnee müssen sie oft tagelang hintereinander unter der Erde bleiben und können nur Kügelchen kauen. Sie sind im Winter anfälliger für Krankheiten, und die Kälte setzt ihre Lebenskraft herab. Nichtsdestoweniger können Baue gemütlich und warm sein, besonders wenn sie voll sind. Der Winter ist eine aktivere Paarungszeit als der Spätsommer und der Herbst, und die Zeit der größten Fruchtbarkeit der Weibchen fängt ungefähr im Februar an. Es gibt schöne Tage, an denen silflay noch genußreich ist. Für die Unternehmungslustigen haben Überfälle auf Gärten ihren Reiz. Und unter der Erde kann man Geschichten erzählen und spielen - Bob Stones und ähnliches. Für die Kaninchen bleibt der Winter, was er für die Menschen im Mittelalter war -hart, aber für Einfallsreiche erträglich und nicht ganz ohne Vorteile.

Auf der Westseite des Buchenhanges saßen Hazel und Fiver mit Holly, Silver und Groundsel in der Abendsonne. Den Efrafa-Überlebenden war erlaubt worden, sich dem Gehege anzuschließen, und nach einem zweifelhaften Anfang, als sie mit Abneigung und Mißtrauen betrachtet wurden, gewöhnten sie sich ziemlich gut ein, hauptsächlich, weil Hazel entschlossen war, sie aufzunehmen.

Seit der Belagerungsnacht hatte Fiver viel Zeit allein verbracht, und selbst in der Honigwabe oder beim Morgen-und Abend-silflay war er oft schweigsam und in Gedanken verloren. Niemand hatte etwas dagegen - »Er schaut direkt durch einen durch auf so eine nette, freundliche Art«, wie Bluebell sich ausdrückte -, denn jeder erkannte auf seine Weise, daß Fiver mehr denn je, ob er wollte oder nicht, vom Strom jener geheimnisvollen Welt beherrscht war, von der er einst zu Hazel in den späten Junitagen, die sie zusammen am Fuß des Hügellandes verbracht hatten, gesprochen hatte. Es war Bigwig, der - als Fiver sich zur Geschichten-Zeit nicht in der Honigwabe einfand - gesagt hatte, daß Fiver jemand war, der teurer als er selbst für den nächtlichen Sieg über die Efrafas bezahlt habe. Und doch war Fiver seinem Weibchen Vilthuril zärtlich zugetan, während sie gelernt hatte, ihn beinahe ebensogut wie Hazel zu verstehen.

Nahe beim Buchenhang spielte Hyzenthlays Wurf von vier jungen Kaninchen im Gras. Sie waren zum ersten Mal vor etwa sieben Tagen zum Grasen hinaufgebracht worden. Wäre Hyzenthlay zum zweiten Mal trächtig gewesen, hätte sie sie inzwischen verlassen, und sie hätten sich um sich selbst kümmern müssen. So jedoch graste sie ganz in der Nähe, beobachtete ihr Spiel und kam hin und wieder heran, um den Kräftigsten zu knuffen und ihn davon abzuhalten, die anderen zu tyrannisieren.

»Ein guter Haufen, weißt du«, sagte Holly. »Ich hoffe, wir kriegen noch mehr von der Sorte.«

»Bis zum Ende des Winters können wir nicht mehr mit sehr vielen rechnen«, sagte Hazel, »obgleich es schon noch ein paar geben wird.«

»Mir scheint, wir können mit allem rechnen«, sagte Holly. »Drei Würfe im Herbst geboren - hast du je von so etwas gehört? Frith hatte nicht vorgesehen, daß Kaninchen sich im Hochsommer paaren.«

»Was Clover betrifft, wer weiß?« sagte Hazel. »Sie ist ein Stallhase; es kann für sie ganz natürlich sein, sich zu jeder Zeit fortzupflanzen, ich weiß es nicht. Aber ich bin sicher, daß Hyzenthlay und Vilthuril ihre Würfe im Hochsommer empfingen, weil sie in Efrafa kein normales Leben geführt hatten. Trotzdem sind sie die beiden einzigen, die bis jetzt tatsächlich Würfe gehabt haben.«

»Frith hatte auch nie vorgesehen, daß wir im Hochsommer kämpfen, wenn's darauf ankommt«, sagte Silver. »Alles, was passiert ist, ist unnatürlich - das Kämpfen, die Fortpflanzung -, und alles nur wegen Woundwort. Wenn der nicht unnatürlich war, wer dann?«

»Bigwig hatte recht, als er sagte, daß er überhaupt nicht wie ein Kaninchen war«, meinte Holly. »Er war ein Kampftier - wild wie eine Ratte oder ein Hund. Er kämpfte, weil er sich beim Kampf wirklich sicherer fühlte als auf der Flucht. Gewiß war er tapfer, aber auf unnatürliche Weise, und deswegen wurde er am Ende schließlich vernichtet. Er versuchte, etwas zu tun, was Frith nie mit irgendeinem Kaninchen im Sinn hatte. Ich glaube, er hätte wie die elil gejagt, wenn er gekonnt hätte.«

»Er ist nicht tot, wißt ihr«, unterbrach Groundsel.

Die anderen schwiegen.

»Er hat nicht aufgehört zu laufen«, sagte Groundsel leidenschaftlich. »Habt ihr seine Leiche gesehen? Nein. Hat irgend jemand sie gesehen? Nein. Nichts konnte ihn umbringen. Er machte die Kaninchen größer, als sie je gewesen waren - tapferer, geschickter, schlauer. Ich weiß, daß wir dafür bezahlt haben. Einige gaben ihr Leben. Es lohnte sich, zu wissen, daß wir Efrafas waren. Zum ersten Mal rannten die Kaninchen nicht davon. Die elil fürchteten uns. Und das war Woundwort zu verdanken - ihm und niemandem sonst. Wir waren nicht gut genug für den General. Verlaßt euch darauf, er wird ein neues Gehege irgendwo anders aufbauen. Aber kein Efrafa-Offizier wird ihn je vergessen.«

»Nun, jetzt werde ich dir mal was sagen«, begann Silver. Aber Hazel fiel ihm ins Wort.

»Du darfst nicht sagen, ihr wäret nicht gut genug für ihn gewesen«, meinte er. »Ihr tatet alles für ihn, was Kaninchen tun konnten, und noch viel mehr. Und was wir alles von euch gelernt haben! Was die Efrafas betrifft, so habe ich gehört, daß es ihnen unter Campion gut geht, selbst wenn einiges nicht mehr so ist wie früher. Und hör zu - im nächsten Frühjahr, wenn ich mich nicht irre, werden wir hier zu viele Kaninchen haben, um uns wohl zu fühlen. Ich werde einige der Jungen ermutigen, ein neues Gehege zwischen hier und Efrafa anzulegen, und ich glaube, ihr werdet Campion bereit finden, einige seiner Kaninchen zu schicken, um sich ihnen anzuschließen. Du wärst genau der Richtige, so einen Plan in die Wirklichkeit umzusetzen.«

»Wird es nicht schwierig sein, sich darüber zu verständigen?«

»Nicht, wenn Kehaar kommt«, sagte Hazel, als sie unbeschwert zu den Löchern der Nordostecke des Hanges zurückhopsten. »Er wird dieser Tage auftauchen, wenn der Sturm sich dem Großen Wasser, von dem er immer sprach, nähert. Er kann Campion eine Botschaft so schnell bringen, wie du zum Eisenbaum und zurück rennen würdest.«

»Bei Frith in den Blättern, ich kenne jemand, der froh sein wird, ihn zu sehen!« sagte Silver. »Jemand, der gar nicht weit weg ist.«

Sie hatten das östliche Ende der Bäume erreicht, und hier, weit draußen im Freien, wo es noch sonnig war, hockte eine kleine Gruppe von drei jungen Kaninchen - größer als die von Hyzenthlay - im hohen Gras und hörte einem ungeschlachten, schlaffohrigen und von der Nase bis zu den Keulen mit Narben bedeckten Veteranen zu - keinem anderen als Bigwig, Hauptmann einer sehr zwanglosen Owsla. Dies waren die Rammler von Clovers Wurf, und sie sahen vielversprechend aus.

»O nein, nein, nein, nein«, sagte Bigwig. »Bei meinen Flügeln und meinem Schnabel, so geht das nicht! Du - wie heißt du? - Scabious -, schau her, ich bin eine Katze, und ich sehe dich in meinem Garten unten den Salat wegkauen. Nun, was tue ich? Komme ich mitten über den Pfad und wedele mit dem Schwanz? Nun, tu ich das?«

»Bitte, Sir, ich habe noch nie eine Katze gesehen«, sagte das junge Kaninchen.

»Nein, hast du nicht«, gab der tapfere Hauptmann zu. »Nun, eine Katze ist ein schreckliches Ding mit einem langen Schwanz. Sie ist mit Fell bedeckt und hat einen sich sträubenden Schnurrbart, und wenn sie kämpft, gibt sie wilde, gehässige Geräusche von sich. Sie ist schlau, verstehst du?«

»O ja, Sir«, antwortete das junge Kaninchen. Nach einer Pause fragte es höflich: »Äh - habt Ihr Euren Schwanz verloren?«

»Wollt Ihr uns von dem Kampf im Sturm erzählen, Sir?« fragte eines der anderen Kaninchen. »Und von dem Wassertunnel?«

»Ja, später«, sagte der unbarmherzige Trainer. »Jetzt schaut her, ja? Ich schlafe in der Sonne, ja? Und ihr wollt an mir vorbei, ja? Also -«

»Sie veräppeln ihn, weißt du«, sagte Silver, »aber sie würden alles für ihn tun.« Holly und Groundsel waren unter die Erde gegangen, und Silver und Hazel gingen wieder in die Sonne hinaus.

»Ich glaube, das würden wir alle«, erwiderte Hazel. »Wenn er an jenem Tag nicht gewesen wäre, wäre der Hund zu spät gekommen. Woundwort und sein Haufen wären nicht mehr oben gewesen. Sie wären unten gewesen und hätten ihren Plan vollendet.«

»Er schlug Woundwort, weißt du«, sagte Silver. »Er hatte ihn geschlagen, ehe der Hund kam. Das wollte ich soeben sagen, aber es ist gut, daß ich's nicht sagte, nehme ich an.«

»Ich frage mich, wie sie mit diesem Winterbau am Hügel unten vorankommen«, sagte Hazel. »Wir werden ihn brauchen, wenn schlechtes Wetter kommt. Dieses Loch im Dach der Honigwabe ist zu gar nichts nütze. Natürlich wird es sich eines Tages von selbst schließen, nehme ich an, aber inzwischen ist es verdammt lästig.«

»Hier kommen jedenfalls die Bau-Gräber«, sagte Silver.

Pipkin und Bluebell kamen zusammen mit drei oder vier Weibchen über den Kamm.

»O Hazel-rah«, sagte Bluebell, »der Bau ist schön, du wirst es sehn, ist frei von Käfer, Wurm und Schneck'. Und dann im Schnee ich runtergeh' -«

»Wie dankbar wir dir dann sein werden«, sagte Hazel. »Ich mein's im Ernst. Die Löcher sind gut verborgen, nicht?«

»Ganz wie in Efrafa, glaube ich«, sagte Bluebell. »Ich habe eins mit heraufgebracht, um dir's zu zeigen. Du kannst es nicht sehen, nicht wahr? Na also. Übrigens, schau dir den alten Bigwig mit diesen Jungen da drüben an. Wenn er jetzt nach Efrafa zurückginge, könnten sie nicht entscheiden, in welches Kennzeichen sie ihn einordnen sollten, was? Er paßt in alle.«

»Kommst du mit uns herüber zur Abendseite, Hazel-rah?« fragte Pipkin. »Wir sind absichtlich früh heraufgekommen, um noch ein bißchen Sonnenschein zu genießen, ehe es dunkel wird.«

»Na schön«, antwortete Hazel gutmütig. »Wir sind zwar eben erst von dort gekommen, Silver und ich, aber ich habe nichts dagegen, noch ein bißchen hinüberzuschlüpfen.«

»Gehen wir doch zu der kleinen Mulde, in der wir damals Kehaar fanden«, sagte Silver. »Sie wird nicht in Windrichtung liegen. Erinnerst du dich, wie er uns verwünschte und versuchte, mit dem Schnabel nach uns zu hacken?«

»Und die Würmer, die wir heranschafften?« sagte Bluebell. »Vergiß sie nicht.«

Als sie sich der Mulde näherten, konnten sie hören, daß sie nicht leer war. Augenscheinlich hatten einige andere denselben Gedanken gehabt.

»Wollen sehen, wie nahe wir herangehen können, ehe sie uns entdecken«, sagte Silver. »Echter Campion-Stil -kommt.«

Sie näherten sich sehr leise gegen den Wind von Norden. Sie guckten über den Rand und sahen Vilthuril und ihren Wurf in der Sonne liegen. Die Mutter erzählte den jungen Kaninchen eine Geschichte.

»Nachdem sie den Fluß durchschwommen hatten«, sagte Vilthuril, »führte El-ahrairah sein Volk im Dunkeln weiter, durch einen wilden, einsamen Ort. Einige hatten Angst, aber er kannte den Weg, und am Morgen brachte er sie sicher zu einigen sehr schönen grünen Wiesen mit gutem köstlichem Gras. Und hier entdeckten sie ein Gehege; ein Gehege, das behext war. Alle Kaninchen in diesem Gehege waren in der Gewalt eines bösen Zaubers. Sie trugen glänzende Kragen um ihren Hals und sangen wie die Vögel, und einige von ihnen konnten fliegen. Aber obgleich sie so schön aussahen, waren ihre Herzen dunkel und tharn. Also sagte das Volk El-ahrairahs: >Seht, das sind die wundervollen Kaninchen von Fürst Regenbogen. Sie sind selbst wie Fürsten. Wir wollen bei ihnen leben und auch Fürsten werden.<«

Vilthuril blickte auf und sah die Neuankömmlinge. Sie hielt einen Augenblick inne und fuhr dann fort:

»Aber Frith erschien Rabscuttle im Traum und warnte ihn, daß das Gehege behext wäre. Und er grub in den Boden, um herauszubekommen, wo der Zauber begraben war. Tief grub er, und schwer war die Suche, aber endlich fand er diesen bösen Zauber und zog ihn heraus. Alle flohen vor ihm, aber er verwandelte sich in eine große Ratte und stürzte sich auf El-ahrairah. Dann kämpfte El-ahrairah mit dieser Ratte, der Kampf wogte hin und her, und schließlich zwang er sie unter seine Klauen, und sie verwandelte sich in einen großen weißen Vogel, der zu ihm sprach und ihn segnete.«

»Mir kommt diese Geschichte bekannt vor«, flüsterte Hazel, »aber ich kann mich nicht erinnern, wo ich sie gehört habe.« Bluebell setzte sich und kratzte sich mit dem Hinterlauf am Hals. Die kleinen Kaninchen drehten sich bei der Störung um und waren im Nu aus der Mulde herausgepurzelt, »Hazel-rah! Hazel-rah!« quietschend und von allen Seiten auf ihn springend.

»He, Augenblick«, sagte Hazel und knuffte sie weg. »Ich bin nicht hierhergekommen, um in einen Kampf mit Rowdies verwickelt zu werden! Laßt uns den Rest der Geschichte hören.«

»Aber da kommt ein Mann auf einem Pferd, Hazel-rah«, sagte eines der jungen Kaninchen. »Sollten wir nicht in den Wald laufen?«

»Woher weißt du das?« fragte Hazel. »Ich höre nichts.«

»Ich auch nicht«, sagte Silver, mit aufgestellten Ohren horchend.

Das kleine Kaninchen sah verlegen aus.

»Ich weiß nicht, wieso, Hazel-rah«, antwortete es, »aber ich bin sicher, daß ich mich nicht irre.«

Sie warteten eine Weile, während die rote Sonne tiefer sank. Schließlich, als Vilthuril gerade die Geschichte weitererzählen wollte, hörten sie Huftritte auf dem Rasen, und der Reiter erschien vom Westen und ritt in leichtem Trab den Pfad nach Cannon Heath Down entlang.

»Der tut uns nichts«, sagte Silver. »Da brauchen wir nicht zu flüchten, er wird einfach vorbereiten. Aber du bist ein komischer Kauz, Jung-Threar, daß du ihn so weit entfernt ausmachen kannst.«

»Er macht immer solche Sachen«, sagte Vilthuril. »Neulich erzählte er mir, wie ein Fluß aussieht, und sagte, er habe ihn im Traum gesehen. Fivers Blut, wißt ihr? Was war da schon anderes zu erwarten?«

»Fivers Blut?« sagte Hazel. »Nun, solange wir etwas von dem haben, würde ich sagen, daß es uns gut geht. Aber es wird kühl hier, nicht wahr? Kommt, gehen wir hinunter und hören wir uns den Rest der Geschichte in einem guten, warmen Bau an. Schaut, da ist Fiver auf der Böschung drüben. Wer ist als erster bei ihm?«

Ein paar Minuten später war kein Kaninchen mehr auf dem Hügel zu sehen. Die Sonne sank unter Ladle Hill, und die Herbststerne begannen im sich verdunkelnden Osten zu leuchten - Perseus und die Pleiaden, Cassiopeia, blasse Fische und das große Quadrat vom Pegasus. Der Wind frischte auf, und bald füllten Myriaden trockener Buchenblätter die Gräben und Mulden und wehten in Windstößen über die dunklen Meilen offenen Grases. Unten aber wurde die Geschichte weitererzählt.

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