ZWEITES BUCH

1 Bericht von Philip Blake

Sehr geehrter Monsieur Poirot,

ich erfülle hiermit mein Versprechen und sende Ihnen beiliegend einen Bericht über die Ereignisse bei Amyas Crales Tod. Ich betone nochmals, daß mich nach so vielen Jahren mein Gedächtnis trügen kann, aber ich habe mich bemüht, alles nach bestem Wissen und Gewissen niederzuschreiben. Mit besten Grüßen

Ihr

Philip Blake.

Aufzeichnungen über die Ereignisse, die zu Amyas Crales Ermordung führten.

Meine Freundschaft mit dem Verstorbenen geht auf unsere Kindheit zurück. Wir waren Gutsnachbarn, und unsere Eltern waren befreundet. Amyas war zwei Jahre älter als ich. Als Kinder spielten wir in den Ferien zusammen, wir gingen aber nicht in dieselbe Schule.

Auf Grund meiner langen Freundschaft mit ihm fühle ich mich besonders geeignet, mich über seinen Charakter und seine Lebensanschauung auszulassen. Vorausschicken möchte ich, daß für jeden Menschen, der Amyas Crale gut kannte, die Behauptung, er habe Selbstmord begangen, einfach lächerlich ist. Crale hätte sich nie das Leben genommen, dazu liebte er es zu sehr. Die Behauptung des Verteidigers, daß er, von Gewissensbissen gepeinigt, sich vergiftet habe, ist einfach unsinnig, denn Crale machte sich aus nichts ein Gewissen. Er und seine Frau standen sehr schlecht miteinander, und ich glaube nicht, daß es ihm Skrupel bereitet hätte, eine für ihn unglückliche Ehe aufzugeben. Er war bereit, seine Frau und das Kind finanziell sicherzustellen, und ich bin überzeugt, er hätte das sehr großzügig getan. Er war ein großzügiger Mensch, er war warmherzig und liebenswert. Er war nicht nur ein großer Künstler, er war auch ein Mann, der von seinen Freunden geliebt wurde; und soviel ich weiß, hatte er keine Feinde. Auch Caroline Crale kannte ich seit vielen Jahren, und zwar bereits vor ihrer Heirat, da sie oft nach Alderbury zu Besuch kam. Sie war etwas hysterisch und neigte zu Wutausbrüchen. Sie galt als eine reizvolle Erscheinung, aber es war bestimmt schwer, mit ihr zu leben.

Aus ihrer Liebe zu Amyas machte sie von Anfang an kein Hehl, ich glaube aber nicht, daß Amyas sie ernsthaft liebte. Da sie jedoch oft zusammenkamen und sie, wie ich schon sagte, reizvoll war, verlobten sie sich schließlich. Amyas' Freunde waren nicht sehr begeistert von dieser Ehe; sie fanden, Caroline passe nicht zu ihm.

So bestand in den ersten Jahren eine gewisse Spannung zwischen Crales Frau und seinen Freunden, aber Amyas dachte als treuer Freund nicht daran, wegen seiner Frau seine Freunde aufzugeben. Nach einigen Jahren war jedoch unsere Beziehung wieder ebenso herzlich wie zuvor, und ich war ein häufiger Gast in Alderbury. Ich möchte noch hinzufügen, daß ich der Taufpate des Kindes bin, was beweist, daß Amyas mich weiterhin für seinen besten Freund hielt, und dies ermächtigt mich, für einen Menschen zu sprechen, der selbst dazu nicht mehr in der Lage ist.

Nun zu den Ereignissen: Aus meinem alten Tagebuch ersehe ich, daß ich fünf Tage vor dem Mord in Alderbury eintraf, das heißt also am 13. September. Ich bemerkte sofort eine gewisse Spannung. Miss Elsa Greer, die von Amyas gemalt wurde, weilte ebenfalls im Haus.

Ich sah Miss Greer zum erstenmal, hatte aber schon viel über sie gehört. Einen Monat zuvor hatte Amyas mir von ihr vorgeschwärmt. Er habe ein herzliches Mädchen kennengelernt, erzählte er, und er sprach so enthusiastisch von ihr, daß ich im Scherz zu ihm sagte: «Nimm dich in acht, alter Knabe, daß du nicht wieder den Kopf verlierst.» Aber er erwiderte, er wolle das Mädchen nur malen, er habe kein persönliches Interesse an ihr.

Ich glaubte es ihm nicht, vielmehr war ich der Ansicht, daß er bisher noch nie so verliebt gewesen war. Auch von anderer Seite hörte ich das gleiche, und man fragte sich, was seine Frau wohl dazu sage. Viele meinten, sie sei ja an Kummer gewöhnt, während andere die Ansicht vertraten, sie sei die verkörperte Eifersucht und habe deswegen mit Crale einen Krach nach dem andern.

Ich erwähne dies alles nur, um einen Begriff von der im Hause herrschenden Atmosphäre zu geben.

Ich fand das Mädchen außerordentlich hübsch, und ich muß gestehen, daß Carolines Eifersucht mir ein gewisses boshaftes Vergnügen bereitete.

Amyas war weniger unbekümmert als sonst. Er sagte zwar nichts, aber ich, der ihn so gut kannte, merkte an gewissen Zeichen, an Wutausbrüchen, Grübeleien und so weiter, wie sehr es ihn diesmal gepackt hatte. Obwohl er stets launenhaft war, wenn er arbeitete, konnte man seine ständigen Stimmungswechsel diesmal nicht nur auf seine Malerei zurückführen. Als ich kam, begrüßte er mich mit den Worten: «Gott sei Dank, daß du gekommen bist, Phil. Mit vier Frauen in einem Haus zusammen leben zu müssen ist eine Hölle. Die bringen mich noch ins Irrenhaus.»

Wie ich schon sagte, war Caroline offensichtlich eifersüchtig. In höflicher, verschleierter Form sagte sie Elsa die unangenehmsten Dinge, während Elsa ganz offen unverschämt zu ihr war. Elsa fühlte sich obenauf und, durch keinerlei gute Kinderstube belastet, kannte sie wenig Zurückhaltung. Um dieser ungemütlichen Atmosphäre zu entgehen, gab sich Amyas, wenn er nicht malte, die meiste Zeit mit Angela ab; obwohl er sie gern mochte, neckte und stritt er sich ständig mit ihr. Die Folge davon war, daß sogar diese beiden mehrere Male ernsthaft aneinandergerieten. Dis vierte weibliche Wesen im Haus war die Gouvernante. «Eine böse Hexe», sagte Amyas von ihr. «Sie haßt mich wie Gift. Sie sitzt mit verkniffenen Lippen da und mißbilligt alles, was ich tue.» Dann fügte er hinzu: «Zum Teufel mit all den Weibern! Wenn ein Mann Ruhe haben will, darf er sich nicht mit Weibern einlassen.»

«Du hättest nicht heiraten dürfen», entgegnete ich, «du bist nicht der Mann dazu.»

Er erwiderte, daß es jetzt zu spät sei, darüber zu sprechen, aber zweifellos würde Caroline froh sein, wenn sie ihn los würde. Das war das erste Anzeichen, daß etwas Ungewöhnliches in der Luft lag.

«Was ist eigentlich los», fragte ich, «ist die Geschichte mit der schönen Elsa wirklich ernst?»

Stöhnend antwortete er: «Sie ist doch entzückend, nicht wahr? Manchmal wünsche ich, ich hätte sie nie gesehen.»

«Du mußt dich zusammennehmen, alter Knabe», ermahnte ich ihn. «Du darfst dich nicht wieder an eine Frau binden.» Lachend erwiderte er: «Du hast gut reden. Ich kann nun einmal Frauen nicht in Ruhe lassen, und wenn ich es könnte, würden sie mich nicht in Ruhe lassen.» Achselzuckend fuhr er fort: «Es hat keinen Zweck, darüber zu reden, es wird schon alles wieder gut werden. Aber du mußt doch zugeben, daß das Bild gut ist.»

Obwohl ich von Malerei nur wenig verstehe, konnte selbst ich erkennen, daß das Bild, das er von Elsa malte, ein Meisterwerk war.

Bei der Arbeit war Amyas ein völlig anderer Mensch, er knurrte und stöhnte und schimpfte zwar und warf zuweilen wütend den Pinsel fort, aber in Wirklichkeit fühlte er sich unendlich glücklich. Erst wenn er zu den Mahlzeiten nach Hause kam, bedrückte ihn die dort herrschende feindselige Atmosphäre. Ganz schlimm wurde es am 17. September. Die Stimmung beim Mittagessen war peinlich gewesen. Elsa hatte sich unmöglich aufgeführt; man kann ihr Benehmen nur als unverschämt bezeichnen. Sie ignorierte Caroline völlig, sprach nur mit Amyas, als wäre sie allein mit ihm im Zimmer. Caroline hatte ungezwungen und vergnügt mit uns anderen gesprochen und überhörte geschickt alle beleidigenden Äußerungen Elsas. Der Ausbruch kam, als wir im Wohnzimmer Kaffee tranken. Ich sprach über eine Holzplastik, die dort stand, und Caroline bemerkte: «Die hat ein junger norwegischer Bildhauer gemacht. Amyas und ich schätzen ihn sehr und werden ihn vielleicht im nächsten Sommer besuchen.» Diese kühle, ihre und ihres Gatten Zusammengehörigkeit betonende Äußerung war zuviel für Elsa, sie konnte keine Herausforderung hinnehmen. Nach einigen Sekunden sagte sie klar, betont: «Das hier wäre eigentlich ein schönes Zimmer, wenn man es richtig einrichtete; jetzt ist es viel zu vollgestopft. Wenn ich erst hier wohne, werde ich den ganzen Trödelkram rauswerfen und nur ein paar gute Möbelstücke drin lassen.» Zu mir gewandt fragte sie: «Finden Sie das nicht auch besser?»

Ehe ich antworten konnte, fragte Caroline mit sanfter Stimme, die aber einen drohenden Unterton hatte: «Haben Sie die Absicht, das Haus zu kaufen, Elsa?»

«Das werde ich nicht nötig haben», antwortete Elsa.

«Was wollen Sie damit sagen?» Nun klang Carolines Stimme nicht mehr sanft.

Lachend erwiderte Elsa: «Wir brauchen uns doch nichts vorzumachen. Sie wissen doch ebenso gut wie ich, was ich meine, Caroline.»

«Ich habe keine Ahnung.»

«Treiben Sie doch keine Vogel-Strauß-Politik», erwiderte Elsa. «Sie wissen doch Bescheid; Amyas und ich lieben uns, und das Haus gehört ja nicht Ihnen, sondern ihm. Und wenn wir verheiratet sind, werde ich hier wohnen.»

«Ich glaube, Sie sind verrückt.»

«O nein, meine Liebe, und Sie wissen es sehr gut. Es wäre doch viel einfacher, offen miteinander zu sein. Sie wissen ganz genau, daß Amyas und ich uns lieben. Und wenn Sie anständig wären, würden Sie ihn freigeben.»

«Ich glaube nicht ein Wort von dem, was Sie sagen.» Aber ihre Stimme klang nicht so überzeugt.

In dem Augenblick kam Amyas herein, und Elsa sagte lachend: «Wenn Sie mir nicht glauben, fragen Sie doch ihn.»

«Amyas, Elsa sagt, du werdest sie heiraten. Stimmt das?» Der arme Amyas. Er tat mir so leid. Es ist das Peinlichste für einen Mann, wenn ihm eine Szene aufgezwungen wird. Er wurde blutrot, begann zu stammeln und sagte dann wütend zu Elsa, sie hätte ihren Mund halten sollen. «Es ist also wahr?» fragte Caroline.

Er antwortete nicht, sondern stand einfach da und griff sich mit dem Zeigefinger zwischen Kragen und Hals. Das hatte er schon als Kind getan, wenn er verlegen war. Schließlich sagte er bemüht würdevoll, was ihm aber nicht ganz gelang: «Darüber möchte ich jetzt nicht sprechen.»

«Wir werden jetzt darüber sprechen», sagte Caroline. Elsa mischte sich ein und erklärte: «Es ist nur anständig, es Caroline zu sagen.»

Caroline fragte wieder, ganz ruhig: «Ist es wahr, Amyas?» Er blickte beschämt drein, wie es Männer tun, wenn Frauen sie in die Enge treiben. «Antworte, bitte. Ich muß es wissen!»

Er warf den Kopf zurück, wie ein Stier in der Arena, und stieß hervor: «Es stimmt, aber ich will jetzt nicht darüber sprechen!»

Dann drehte er sich auf dem Absatz um und verließ das Zimmer. Ich ging ihm nach, ich wollte mit den Frauen nicht allein bleiben. Amyas stand fluchend auf der Terrasse - ich habe noch nie einen Menschen so herzhaft fluchen hören wie ihn. «Warum konnte sie nicht das Maul halten? Jetzt haben wir den Salat. Aber ich werde das Bild fertigmachen, Phil, es ist mein bestes Bild, das beste, das ich je in meinem Leben gemacht habe. Und ich lasse es mir nicht durch zwei alberne Weiber verderben.» Dann beruhigte er sich ein bißchen und sagte, Frauen begriffen nie, worauf es wirklich ankäme. Lächelnd erwiderte ich: «Das hast du dir selbst eingebrockt, alter Knabe.»

«Das weiß ich», stöhnte er. «Aber du mußt zugeben, Phil, daß man um Elsas willen den Kopf verlieren kann. Selbst Caroline sollte das verstehen.»

Ich fragte ihn dann, was geschehen würde, wenn Caroline nicht in die Scheidung einwilligte.

Wie geistesabwesend antwortete er: «Caroline ist nicht rachsüchtig. Doch das verstehst du nicht, mein Lieber.»

«Und das Kind?» fragte ich weiter.

Er nahm mich am Arm. «Mein Lieber, du meinst es gut, aber krächze nicht wie ein alter Rabe. Ich werde mit meinen Angelegenheiten schon fertig, es wird schon alles gut werden, das wirst du sehen.»

Das war typisch für Amyas, er war ein unverbesserlicher Optimist. Er fügte noch, schon wieder fröhlich, hinzu: «Zum Teufel mit dem ganzen Pack!»

Ich weiß nicht, ob er noch weitersprechen wollte, aber Caroline kam gerade auf die Terrasse. Sie hatte einen Hut auf, einen sehr hübschen dunkelbraunen Sporthut, der ihr ausgezeichnet stand. Gelassen sagte sie: «Zieh die schmutzige Jacke aus, Amyas. Wir gehen doch zu Meredith zum Tee. Hast du es vergessen?»

Er blickte sie erstaunt an und stotterte: «Ja... natürlich.. ja ja, wir gehen.»

«Also dann zieh dich doch noch um, damit du nicht wie ein Vagabund aussiehst.»

Ohne weiter auf ihn zu achten, trat sie zu einem Dahlienbeet und pflückte einige verwelkte Blumen. Amyas drehte sich langsam um und ging ins Haus. Völlig unbefangen plauderte sie mit mir über das Wetter und schlug vor, ich solle doch an einem dieser schönen Tage mit Amyas und Angela angeln gehen. Sie war erstaunlich, das muß ich zugeben, aber es war charakteristisch für sie. Sie hatte einen enormen Willen und konnte sich ausgezeichnet beherrschen. Ich weiß nicht, ob sie schon in dem Moment den Entschluß gefaßt hatte, ihn umzubringen, aber es würde mich nicht überraschen. Sie war fähig, ihre Pläne sorgfältig und kalt zu schmieden. Sie war eine gefährliche Frau, und ich hätte mir sagen müssen, daß sie diese Herausforderung nicht ruhig hinnehmen würde. Aber dumm, wie ich war, glaubte ich, sie würde sich in das Unvermeidliche schicken oder hoffen, daß Amyas, wenn sie sich benähme wie immer, bei ihr bleiben würde.

Dann traten die andern herzu. Elsa sah herausfordernd und triumphierend aus. Caroline kümmerte sich nicht um sie. Angela rettete die Situation, indem sie sich mit Miss Williams stritt und erklärte, sie denke nicht daran, einen anderen Rock anzuziehen, dieser sei für den lieben alten Meredith gut genug. Schließlich brachen wir auf. Caroline ging mit Angela, ich mit Amyas, und Elsa kam lächelnd hinterher.

Mir gefiel sie an sich nicht, sie war mir zu auffallend, aber ich muß zugeben, daß sie an dem Nachmittag unwahrscheinlich schön aussah - wie alle Frauen, wenn sie das bekommen haben, was sie wollen.

Ich kann mich nicht mehr klar an die Ereignisse des Nachmittags erinnern. Ich glaube, daß uns Meredith zuerst im Garten herumführte und daß ich mit Angela ausführlich über die Abrichtung von Terriers für die Rattenjagd sprach. Sie verzehrte unglaubliche Mengen von Äpfeln und versuchte, auch mich dazu zu bewegen.

Dann tranken wir unter der großen Zeder Tee. Meredith sah verstört aus, ich vermute, daß Caroline oder Amyas ihm etwas erzählt hatten. Caroline hatte Meredith immer fest an der Kandare gehalten, er war der ergebene, platonische Freund, der nie zu weit gehen würde. Frauen wie sie verstehen das sehr gut. Nach dem Tee nahm mich Meredith beiseite und sagte: «Amyas darf das nicht tun!»

«Aber er wird es tun, verlaß dich drauf.»

«Er kann doch nicht Frau und Kind im Stich lassen und mit dem Mädchen losziehen. Und er ist doch viel zu alt für sie, sie ist doch höchstens achtzehn.»

Ich erwiderte, daß Miss Greer volle zwanzig Jahre alt sei. «Also jedenfalls ist sie noch blutjung, und sie weiß nicht, was sie tut.»

«Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen, sie weiß ganz genau, was sie will, und es macht ihr Spaß.» Merkwürdigerweise erinnere ich mich nur noch flüchtig an unseren Besuch von Merediths Stinkbude. Es machte ihm von jeher Freude, den Leuten sein Steckenpferd vorzuführen, aber mich hat es immer gelangweilt. Ich glaube, ich war mit den andern drinnen, als er seinen Vortrag über die Wirkung des Koniins hielt, weiß es aber nicht mehr genau. Natürlich habe ich auch nicht gesehen, wie Caroline das Gift nahm, sie war ja eine geschickte, gerissene Frau. Nachher las uns Meredith aus Plato eine Beschreibung von Sokrates' Tod vor. Auch sehr langweilig. Klassiker haben mich immer gelangweilt. Ich erinnere mich, daß später, nach dem Abendessen, Amyas und Angela einen Riesenkrach miteinander hatten, was uns andern angenehm war, da es die gespannte Stimmung etwas lockerte. Bevor Angela zu Bett ging, beschimpfte sie Amyas fürchterlich und schrie, sie würde ihm erstens alles heimzahlen, zweitens wünschte sie, er wäre tot, und drittens hoffte sie, er würde an der Lepra sterben, was ihm nur recht geschähe; viertens, sie wünschte, es würde ihm wie im Märchen eine Bratwurst an der Nase baumeln, die er nie wieder loswürde. Wir lachten alle über die komische Mischung ihrer frommen Wünsche.

Caroline ging bald danach zu Bett, und Miss Williams zog sich ebenfalls zurück. Amyas und Elsa gingen in den Garten. Da ich merkte, daß ich überflüssig war, machte ich allein einen kleinen Spaziergang. Es war eine herrliche Nacht. Am nächsten Morgen kam ich spät zum Frühstück herunter. Niemand war im Eßzimmer. Später ging ich in den Garten und rauchte eine Zigarette, sah aber auch da niemand. Als ich in die Halle zurückging, hörte ich, daß sich Amyas und Caroline in der Bibliothek laut zankten. Ich hörte Caroline sagen: «Du mit deinen Weibern! Am liebsten möchte ich dich umbringen. Eines Tages werde ich es auch tun.»

«Red doch nicht solchen Unsinn, Caroline!» entgegnete er. Sie sagte: «Ich meine es ernst, Amyas.» Da ich nicht mehr von dieser Unterhaltung hören wollte, ging ich durch die andere Tür auf die Terrasse, wo Elsa auf einem Liegestuhl unter dem offenstehenden Bibliotheksfenster saß. Mir war sofort klar, daß sie alles gehört haben mußte. Als sie mich sah, stand sie auf, kühl bis ans Herz hinan, kam zu mir, nahm lächelnd meinen Arm und sagte: «Ist dies nicht ein zauberhafter Morgen?»

Ein kaltschnäuziges Mädchen! Sie interessierte sich nur für das, was sie haben wollte, aber sie war offen und ehrlich. Wir standen etwa fünf Minuten auf der Terrasse und plauderten, als die Bibliothekstür zugeschmettert wurde und Amyas mit hochrotem Kopf herauskam. Ohne Umschweife packte er Elsa an der Schulter und sagte: «Komm zur Sitzung. Ich will das Bild fertigmachen.»

«Gut. Ich hole mir nur meinen Pullover.»

Ich war neugierig, ob Amyas mir etwas sagen würde, aber er stieß nur hervor: «Diese Weiber!»

Dann warteten wir schweigend, bis Elsa zurückkam. Die beiden gingen hinunter zur Schanze, und ich begab mich in die Halle, wo Caroline stand. Ich glaube, daß sie mich nicht einmal bemerkte; sie murmelte etwas vor sich hin, wovon ich nur verstehen konnte: «Er ist so grausam...»

Dann ging sie, als habe sie eine Eingebung, an mir vorbei die Treppe hinauf, ohne mich zu beachten. Ich glaube - ich kann es nicht mit Bestimmtheit behaupten - daß sie damals den endgültigen Entschluß zu ihrer Tat faßte und das Gift holte. In diesem Augenblick läutete das Telefon, und ich nahm den Hörer ab. Mein Bruder Meredith war am Apparat und erzählte mir höchst aufgeregt, daß die Flasche mit dem Koniin halb leer sei.

Ich ging ihm entgegen, und zwar auf dem Pfad, der unten an der Schanze entlang zur Anlegestelle in der Bucht führt. Ich hörte, wie sich Elsa und Amyas unterhielten, während er malte. Es klang vergnügt und sorglos. Dann sah ich Meredith kommen. Er sah wachsbleich aus und sagte aufgeregt: «Du hast einen besseren Kopf als ich, Philip. Was soll ich nur tun? Es ist ein gefährliches Gift.»

«Bist du auch ganz sicher?» fragte ich. Meredith war immer etwas durcheinander und daher nahm ich seinen Bericht nicht so ernst, wie ich es hätte tun müssen. Er sei ganz sicher, erwiderte er, die Flasche sei gestern noch voll gewesen.

«Und du hast keine Ahnung, wer es genommen haben könnte?» fragte ich.

Er verneinte und fragte mich nach meiner Meinung; ob es einer von den Dienstboten gewesen sein könnte? Das schien mir möglich, aber nicht wahrscheinlich. Er erklärte, er halte die Tür immer sorgfältig verschlossen, das Fenster sei aber einen Spalt breit offen gewesen und vielleicht wäre jemand auf diesem Wege eingedrungen.

«Ein Einbrecher?» fragte ich skeptisch und fügte hinzu, daß wahrscheinlich, wenn seine Erzählung überhaupt stimme, Caroline das Gift genommen habe, um Elsa zu vergiften, oder Elsa, um Caroline aus dem Weg zu räumen und sich auf diese Weise den Pfad der Liebe zu ebnen.

Meredith jammerte und sagte, das sei doch absurd, und was er denn tun solle.

Blöde, wie ich war, antwortete ich: «Wir müssen uns das sorgfältig überlegen. Entweder mußt du deinen Verlust verkünden, wenn alle dabei sind, oder, noch besser, dir Caroline vorknöpfen und es ihr auf den Kopf zusagen. Wenn sie dich überzeugt, daß sie es nicht genommen hat, mußt du als nächste Elsa befragen.» Er erwiderte: «So ein junges Mädchen, das ist doch unmöglich.» Ich sagte, ich würde ihr alles zutrauen. Als wir unterhalb der Schanze vorbeikamen, hörten wir Carolines Stimme. Ich glaubte, es sei wieder ein Krach wegen Elsa im Gang, aber Amyas und sie sprachen gerade über Angela. Caroline sagte: «Es ist sehr schwer für das Mädchen.» Aber Amyas schien nichts davon hören zu wollen; seine Erwiderung klang ärgerlich. Als wir zur Tür kamen, wurde diese gerade geöffnet und Caroline kam heraus. Bei unserem Anblick schrak sie leicht zusammen und sagte dann: «Guten Morgen, Meredith. Wir haben gerade darüber gesprochen, ob Angela wirklich ins Internat soll. Ich weiß nicht, ob es richtig für sie ist.» Amyas rief: «Mach doch nicht solch ein Theater wegen ihr. Es ist das beste für sie, und wir sind sie los.»

In dem Moment kam Elsa vom Haus her den Pfad herunter, sie hielt einen roten Jumper in der Hand. Amyas knurrte: «Mach schon, ich möchte nicht noch mehr Zeit vertrödeln.» Er trat zu seiner Staffelei, und ich bemerkte, daß er etwas schwankte. Ich überlegte, ob er wohl zuviel getrunken habe, was nach all den Szenen kein Wunder gewesen wäre.

Er knurrte: «Das Bier hier ist lauwarm. Warum kann man kein Eis haben?»

«Ich schicke dir Bier aus dem Eisschrank», sagte Caroline. Sie kam dann mit uns hinauf, und während wir auf der Terrasse Platz nahmen, ging sie ins Haus. Nach etwa fünf Minuten brachte uns Angela zwei Flaschen Bier und Gläser, was wir sehr begrüßten, da es heiß war. Dann kam Caroline mit einer Flasche Bier in der Hand und sagte, sie würde es Amyas bringen. Meredith bot ihr an, es hinunterzubringen, aber sie lehnte ab. Dumm wie ich war, glaubte ich, daß sie nur aus Eifersucht selber hingehen wollte, daß sie es nicht ertragen könne, die beiden allein zu wissen, und aus demselben Grunde auch zuvor bei Amyas gewesen war - unter dem Vorwand, mit ihm über Angelas Abreise ins Internat sprechen zu müssen. Meredith und ich wollten eben unser Gespräch fortsetzen, als Angela kam und mich bat, mit ihr schwimmen zu gehen. Da es unmöglich schien, jetzt mit Meredith allein zu sprechen, sagte ich ihm nur: «Nach dem Mittagessen», und er nickte. Nachdem ich mit Angela über die Bucht und zurück geschwommen war, legten wir uns auf die Felsen in die Sonne. Ich dachte nochmals über alles nach und beschloß, mir nach dem Essen Caroline vorzuknöpfen, da Meredith dazu bestimmt zu schwach war. Ich war ziemlich sicher, daß sie das Gift genommen hatte und nicht Elsa, da diese zu so etwas viel zu vorsichtig war. Zudem hielt ich es noch immer für möglich, daß sich Meredith geirrt hatte.

Als ich nach der Uhr sah, war es schon ziemlich spät, und wir mußten uns beeilen, um rechtzeitig zum Essen zu kommen. Es waren alle schon bei Tisch, außer Amyas, der seine Arbeit nicht hatte unterbrechen wollen. Er kam öfter aus diesem Grund nicht zum Essen, und ich begrüßte es heute besonders. Den Kaffee tranken wir auf der Terrasse. Caroline zeigte keine Spur von Erregung; soviel ich mich erinnere, war sie völlig ruhig und blickte traurig drein.

Es ist etwas Teuflisches, kalten Blutes einen Menschen zu vergiften. Wenn sie einen Revolver genommen und ihn erschossen hätte, hätte man es verstehen können. Aber diese kalte, vorbedachte, rachsüchtige Tat... und dabei so ruhig und gefaßt zu bleiben... Sie stand auf und erklärte ganz natürlich, sie wolle Amyas Kaffee bringen. Und dabei wußte sie - sie muß es gewußt haben - daß sie ihn tot vorfinden würde. Miss Williams begleitete sie, ich weiß nicht mehr, ob auf Carolines Wunsch hin. Meredith folgte ihnen nach einer Weile. Ich wollte ihm gerade nachgehen, als er zurückgelaufen kam; sein Gesicht war leichenblaß, und er keuchte: «Ein Arzt... schnell... Amyas...» Ich sprang auf: «Ist er krank... stirbt er?»

«Ich glaube, er ist tot...»

Wir hatten gar nicht an Elsa gedacht, die plötzlich wie eine Besessene schrie: «Tot? Tot...» Dann rannte sie davon. Meredith keuchte: «Lauf ihr nach, ich werde den Arzt anrufen. Gib acht auf sie, man kann nicht wissen, was sie tut.» Ich ging ihr nach, und es war gut, denn sie hätte Caroline beinahe umgebracht. Ich habe noch nie einen solchen Wut- und Haßausbruch, einen solch nackten Schmerz erlebt. Der letzte Rest von Benehmen und Erziehung fiel von ihr ab; man erkannte deutlich, daß ihr Vater und ihre sämtlichen Vorfahren Fabrikarbeiter gewesen waren. Ihres Liebhabers beraubt, war sie nur noch Weib. Sie hätte Caroline am liebsten das Gesicht zerkratzt, sie an den Haaren zur Brüstung geschleift und hinuntergeworfen. Sie glaubte, Caroline habe ihn erdolcht; sie wußte natürlich noch nicht Bescheid.

Ich hielt sie fest, und dann griff Miss Williams ein. Sie benahm sich fabelhaft, das muß ich sagen. In wenigen Sekunden hatte sie Elsa zur Vernunft gebracht. Sie herrschte sie an und erklärte ihr, dieses Getue sei unerträglich. Sie war ein Unmensch, diese Miss Williams, aber sie hatte Erfolg. Elsa wurde ruhig, sie keuchte und zitterte nur noch.

Und Caroline stand ganz ruhig da, wie betäubt. Aber sie war nicht betäubt, ihre Augen verrieten sie. Sie war auf der Hut und beobachtete alles. Ich vermute, daß sie es nun doch mit der Angst zu tun bekommen hatte...

Ich trat zu ihr und sagte leise, so daß die andern es nicht hören konnten: «Du verdammte Mörderin, du hast meinen besten Freund umgebracht!»

Sie prallte zurück und stieß hervor: «Nein... nein... er... er hat es selbst getan...»

Ich blickte sie durchdringend an und sagte: «Das kannst du der Polizei erzählen.» Sie tat es, und die Polizei glaubte ihr nicht.

2 Bericht von Meredith Blake

Sehr geehrter Monsieur Poirot,

wie ich Ihnen versprach, sende ich Ihnen beiliegend einen Bericht über die tragischen Ereignisse, die sich vor sechzehn Jahren abgespielt haben. Ich habe nochmals eingehend über unsere kürzliche Unterhaltung nachgedacht und bin nach reiflicher Überlegung zur Überzeugung gelangt, daß Caroline Crale ihren Mann nicht vergiftet hat. Ich habe es nie glauben wollen, aber das Fehlen jeder anderen Erklärung und ihr eigenes Verhalten verleiteten mich dazu, die Meinung anderer Leute zu teilen und mich ebenfalls dahingehend zu äußern, daß außer ihr kein anderer Täter in Frage käme.

Ich schließe mich jetzt der These des Verteidigers an, daß Amyas Crale Selbstmord verübt hat, obwohl es, wenn man ihn gut kannte, höchst unwahrscheinlich, ja phantastisch anmutet. Ausschlaggebend für mich ist, daß Caroline selbst es glaubte. Sie kannte ja Amyas besser als wir alle, und wenn sie einen Selbstmord für möglich hielt, so muß es Selbstmord gewesen sein, trotz der Skepsis seiner Freunde.

Ich nehme an, daß selbst Amyas Crale so etwas wie ein Gewissen besaß, sich daher Vorwürfe machte, ja verzweifelt war über seine Exzesse, zu denen ihn sein ungestümes Temperament verleitet hatte; dies waren aber Dinge, über die nur seine Frau Bescheid wissen konnte. In jedem Menschen schlummern geheime Regungen, die irgendwann einmal zur Überraschung auch seiner besten Freunde ans Tageslicht kommen. Man entdeckt, daß ein hochgeachteter, scheinbar sittenstrenger Mann ein wüstes Doppelleben führt; ein habgieriger, nur auf Gelderwerb bedachter Mensch entpuppt sich auf einmal als großer Kunstliebhaber; harte, erbarmungslose Menschen vollbringen unvermutet gütige Taten; großmütige, joviale Männer erweisen sich plötzlich als geizig, als erbarmungslos. So kann es sein, daß sich in Amyas Crale, der stets seinen Egoismus betonte, insgeheim das Gewissen regte. Es ist zwar unwahrscheinlich, aber ich glaube jetzt, daß es so gewesen sein muß. Und ich erinnere daran, daß Caroline hartnäckig bei ihrer Behauptung blieb. Das ist für mich ein Beweis!

Nun möchte ich unter dem Gesichtspunkt meiner neuen Überzeugung die Tatsachen erörtern.

Ich glaube, ich beginne am besten mit der Wiedergabe einer Unterredung, die ich einige Wochen vor der Tragödie mit Caroline hatte. Damals war Elsa Greer zum erstenmal in Alderbury. Caroline war sich, wie ich Ihnen ja schon sagte, meiner tiefen Zuneigung und Freundschaft bewußt, und so war ich der Mensch, dem sie sich am leichtesten anvertraute. Sie hatte damals seit einiger Zeit keinen sehr glücklichen Eindruck gemacht, dennoch war ich überrascht, als sie mich eines Tages plötzlich fragte, ob sich meiner Ansicht nach Amyas ernsthaft für das Mädchen, das er mitgebracht hatte, interessiere. «Es interessiert ihn, sie zu malen», antwortete ich, «du kennst ja Amyas.»

Sie schüttelte den Kopf: «Nein, er ist in sie verliebt.»

«Vielleicht ein bißchen.»

«Sehr, glaube ich.»

«Ich gebe zu, daß sie sehr hübsch ist, und wir beide wissen, wie empfänglich Amyas dafür ist. Aber du solltest ihn gut genug kennen, um zu wissen, daß er im Grunde nur an dir hängt. Ab und zu hat er eine Liebelei, aber das dauert ja nie lange. Du bist für ihn die einzige Frau, die wirklich zählt, und obwohl er sich schlecht benimmt, ändert das nichts an seinen Gefühlen für dich.»

«Bisher habe ich das auch immer geglaubt», erwiderte sie.

«Glaube mir, Caroline, es ist auch jetzt noch so.»

«Nein, diesmal habe ich Angst. Dieses Mädchen ist so erschreckend aufrichtig. Sie ist so jung, so intensiv. Ich habe das Gefühl, daß es diesmal ernst ist.»

«Aber gerade die Tatsache, daß sie so jung und, wie du sagst, so aufrichtig ist, wird sie schützen. Im allgemeinen sind Frauen für Amyas Freiwild, aber bei diesem Mädchen wird es etwas anderes sein.»

«Davor habe ich ja eben Angst: daß es anders sein wird. Ich bin jetzt vierunddreißig, Meredith, und wir sind schon zehn Jahre verheiratet. Was das Aussehen anbelangt, kann ich mit diesem jungen Ding nicht konkurrieren.»

«Aber du weißt doch, Caroline», widersprach ich, «du weißt doch, daß Amyas dich wirklich liebt.»

«Weiß man bei Männern je, woran man ist?» Sie lachte traurig. «Ich bin ein primitiver Mensch; am liebsten würde ich mit der Axt auf dieses Mädchen losgehen.»

Ich entgegnete, daß das Mädchen wahrscheinlich gar nicht wisse, was es tue. Sie bewundere Amyas sehr, aus einer Art Heldenverehrung, und wahrscheinlich sei ihr überhaupt nicht bewußt, daß sich Amyas in sie verliebt habe. Caroline erwiderte nur: «Ach, du guter Meredith!» und begann über etwas anderes zu sprechen. Ich hoffte, daß sie sich keine Sorgen mehr mache.

Kurz danach ging Elsa nach London zurück, und auch Amyas verreiste für einige Wochen. Ich hatte die Angelegenheit vergessen, aber später hörte ich, daß Elsa nach Alderbury zurückgekommen sei, weil Amyas das Bild fertigmalen wolle. Diese Nachricht betrübte mich, doch als ich Caroline das nächste Mal sah, war sie nicht sehr mitteilsam gestimmt; sie schien gelassen wie immer, in keiner Weise beunruhigt, und so nahm ich an, daß alles in Ordnung sei.

Um so bestürzter war ich daher, als ich erfuhr, wie sich die Verhältnisse zugespitzt hatten. Ich habe Ihnen meine Unterhaltung mit Crale und Elsa bereits geschildert. An dem Nachmittag ergab sich keine Gelegenheit, mit Caroline zu sprechen; wir konnten, wie ich Ihnen sagte, nur ein paar Worte über den bewußten Gegenstand wechseln. Ich sehe noch heute ihr Gesicht vor mir, die weit aufgerissenen dunklen Augen, und höre sie sagen: «Alles ist zu Ende...»

Ich kann Ihnen die entsetzliche Trostlosigkeit, die aus diesen Worten klang, gar nicht beschreiben. Da Amyas sie verlassen wollte, war für sie alles zu Ende. Und darum nahm sie das Koniin, davon bin ich überzeugt. Es war der Ausweg für sie, den ich ihr durch meinen blöden Vortrag gewiesen hatte. Und die Stelle aus Phaidon, die ich vorlas, vermittelt ein lockendes Bild des Todes.

Ich glaube jetzt, daß sie das Koniin genommen hat, um ihrem Leben ein Ende zu bereiten, wenn Amyas sie verließe. Vielleicht hat er gesehen, wie sie es nahm, oder hat es später bei ihr entdeckt. Diese Entdeckung hatte eine fürchterliche Wirkung auf ihn. Er war darüber entsetzt, wie weit sein Verhalten sie getrieben hatte. Doch trotz seiner Gewissensbisse konnte er sich nicht dazu entschließen, Elsa aufzugeben. Ich verstehe das. Wer sich einmal in sie verliebt hatte, konnte nicht mehr von ihr loskommen. Er konnte sich das Leben ohne Elsa nicht vorstellen, aber er war sich auch klar darüber, daß Caroline ohne ihn nicht leben konnte, und so fand er, der einzige Ausweg für ihn sei, das Gift zu nehmen.

Und die Art, wie er es tat, war charakteristisch für ihn. Die Malerei war für ihn das höchste im Leben, und so beschloß er, mit dem Pinsel in der Hand zu sterben, vor sich das Gesicht des Mädchens, das er so leidenschaftlich liebte. Er mag geglaubt haben, daß es auch für sie das beste wäre, wenn er stürbe...

Ich gebe zu, daß diese Theorie einige Unwahrscheinlichkeiten enthält. Warum, zum Beispiel, waren nur Carolines Fingerabdrücke auf dem leeren Koniinfläschchen? Ich kann mir nur denken, daß, nachdem Amyas es benutzt hatte, seine Abdrücke durch die Strümpfe, in die das Fläschchen eingewickelt war, verwischt worden waren und daß Caroline es nach seinem Tod in die Hand nahm, um nachzusehen, ob jemand es berührt habe. Das wäre doch möglich und plausibel? Und was die Fingerabdrücke auf der Bierflasche anbetrifft, so hatte ja der Verteidiger erklärt, daß sich die Finger eines Menschen unter der Einwirkung des Giftes verzerren und daher die Flasche völlig unnatürlich packen.

Es bleibt noch Carolines Verhalten während der Verhandlung zu erklären. Ich glaube, nun den Grund dafür erkannt zu haben; sie hielt sich für seinen Tod verantwortlich, denn sie hatte das Gift aus meinem Laboratorium genommen und hatte durch ihre Absicht, es selbst zu benutzen, ihren Mann dazu getrieben, sich das Leben zu nehmen. Sie redete sich also ein, des Mordes schuldig zu sein, wenn auch nicht der Art von Mord, deren sie angeklagt war.

Ich halte all das für möglich. Und wenn es so war, wird es Ihnen leichtfallen, die kleine Carla davon zu überzeugen. Sie kann dann ihren jungen Mann heiraten und sich mit dem Bewußtsein trösten, daß die einzige Schuld ihrer Mutter darin bestand, daß sie sich das Leben hatte nehmen wollen. Doch all das wollten Sie ja gar nicht von mir wissen, sondern Sie wollten einen Bericht über die Ereignisse haben, soweit ich mich an sie noch erinnere. Ich habe Ihnen bereits ausführlich die Geschehnisse am Tage vor Amyas' Tod geschildert. Kommen wir jetzt zu dem Tag selbst. Ich hatte sehr schlecht geschlafen; der Gedanke an die beunruhigenden Verhältnisse bei meinen Freunden verfolgte mich. Schließlich fiel ich gegen sechs Uhr morgens in einen tiefen Schlaf und wachte erst gegen halb zehn wie gerädert auf. Kurz danach hörte ich ein Geräusch im Laboratorium. Wahrscheinlich rührte es von einer Katze her, die durch das spaltbreit offenstehende Fenster eingedrungen war. Sowie ich mich angezogen hatte, ging ich hinunter ins Laboratorium. Ich bemerkte sofort, daß die Koniinflasche außerhalb der Reihe stand, und dann stellte ich zu meinem Erstaunen fest, daß die am Tag zuvor noch volle Flasche fast leer war.

Ich war entsetzt und verwirrt. Leider muß ich gestehen, daß meine Gedanken langsam arbeiten. Erst war ich bestürzt, dann besorgt, dann ausgesprochen beunruhigt. Ich fragte die Dienstboten, aber alle behaupteten, keinen Schritt ins Laboratorium getan zu haben, und nach einiger Überlegung rief ich meinen Bruder an. Philip begriff sogleich, was meine Entdeckung bedeutete, und er forderte mich auf, sofort zu ihm zu kommen. Als ich das Haus verließ, begegnete mir Miss Williams, die auf der Suche nach Angela war. Ich konnte ihr versichern, daß ich Angela nicht gesehen habe, und daß sie nicht im Haus gewesen sei.

Ich ging hinunter zur Bucht und ruderte hinüber. Mein Bruder erwartete mich bereits am Ufer, und wir schlugen den Pfad ein, der unterhalb der Schanze verläuft. Sie kennen ja den Weg und wissen, daß man Gespräche, die auf der Schanze geführt werden, hören kann. Wir hörten, daß Caroline und Amyas wieder eine Auseinandersetzung hatten, aber ich achtete weiter nicht darauf. Jedenfalls vernahm ich von Caroline keine Drohung. Es drehte sich um Angela, und ich nehme an, daß Caroline versuchte, Amyas' Entschluß, sie ins Internat zu schicken, rückgängig zu machen. Amyas war jedoch unerbittlich und schrie wütend, es sei alles beschlossen, er würde sogar für sie packen.

Als wir zur Schanze kamen, begegnete uns Caroline. Sie machte einen etwas verwirrten Eindruck, aber es fiel mir nicht weiter auf. Sie lächelte wie abwesend und erklärte, sie hätten über Angela gesprochen. In dem Augenblick kam Elsa den Pfad herunter, und da Amyas uns offensichtlich loswerden wollte, gingen wir weiter. Philip machte sich später schwere Vorwürfe, weil wir nicht sofort etwas unternommen hatten, aber ich sehe das anders an. Wir hatten kein Recht zu der Annahme, daß ein Mord beabsichtigt würde. (Und ich glaube auch, daß er nicht beabsichtigt war.) Natürlich mußten wir etwas unternehmen, aber ich finde es auch jetzt noch richtig, daß wir die Angelegenheit erst eingehend besprachen. Außerdem war ich noch nicht ganz sicher, ob ich mich nicht vielleicht doch geirrt hatte. War die Flasche wirklich voll gewesen? Ich bin nicht so wie mein Bruder Philip, der alles hundertprozentig sicher weiß. Das Gedächtnis spielt einem zuweilen Streiche - wie oft könnte man schwören, daß man eine Sache an einen bestimmten Platz gelegt hat, und findet dann später heraus, daß sie ganz woanders liegt. Je mehr ich über den Zustand der Flasche am vorhergehenden Tag nachdachte, um so unsicherer wurde ich. Philip ärgerte sich sehr darüber. Wir konnten aber unsere Unterhaltung nicht fortsetzen und einigten uns stillschweigend, sie bis nach dem Mittagessen zu verschieben.

Später brachten uns Angela und Caroline Bier. Ich warnte Angela und sagte ihr, daß sich Miss Williams auf dem Kriegspfad befände, und sie entgegnete, sie sei schwimmen gegangen, und sie sähe nicht ein, warum sie ihren scheußlichen alten Rock flicken solle, da sie doch lauter neue Sachen für die Schule bekäme.

Da ich jetzt doch nicht mit Philip allein sprechen konnte, wollte ich mir die Angelegenheit nochmals in Ruhe überlegen und ging den Pfad, der zur Schanze führt, hinunter. Direkt oberhalb der Schanze befindet sich ein Plateau - ich habe es Ihnen gezeigt - dort setzte ich mich hin, rauchte und grübelte und betrachtete Elsa, die Amyas für sein Bild saß.

Ich sehe sie noch immer vor mir in ihrem gelben Hemd, den dunkelblauen Hosen und dem roten Pullover, den sie um die Schultern geschlungen hatte. Sie war so lebendig, so gesund, so strahlend und zukunftsfreudig. Das hört sich an, als hätte ich gelauscht, aber das war nicht der Fall. Sie konnten mich ja sehen und wußten, daß ich in der Nähe war. Elsa winkte mir zu und rief, Amyas sei ein Unmensch, sie dürfe sich keinen Moment ausruhen. Sie sei ganz steif, und alle Glieder schmerzten sie.

Amyas knurrte, daß sie bestimmt nicht so steif sei wie er, ihm täten alle Glieder weh; es sei wohl Rheumatismus. Spöttisch entgegnete Elsa: «Du bist ein armer alter Mann!» Worauf er erwiderte, sie müsse sich eben mit einem jämmerlichen Invaliden begnügen.

Die leichtfertige Unterhaltung der beiden über ihre Zukunft, die einem anderen Menschen so viel Leid verursachen würde, schockierte mich, und doch konnte ich es Elsa nicht übelnehmen. Sie war so jung, so zuversichtlich, so verliebt. Und sie wußte gar nicht, was sie tat, sie wußte noch nicht, was Leid bedeutet. Sie nahm einfach mit der naiven Zuversicht eines Kindes an, daß es Caroline bald wieder gut gehen würde, daß sie . Sie sah nichts außer sich und Amyas. Sie hatte mir ja gesagt, daß meine Ansichten altmodisch seien; sie kannte keine Zweifel, keine Gewissensbisse und auch kein Mitleid. Aber kann man von strahlender Jugend Mitleid erwarten? Das ist eine Gefühlsregung, die alten, weisen Menschen vorbehalten bleibt. Sie sprachen nicht sehr viel; kein Maler liebt es, bei der Arbeit viel zu reden. Vielleicht alle zehn Minuten sagte Elsa etwas, und Amyas knurrte eine Antwort. Das war das letztemal, daß ich Elsa so strahlend und so zufrieden sah - auf dem Höhepunkt ihres Glückes.

Dann läutete es zum Mittagessen, und ich ging hinunter zur Schanze. Elsa kam gerade zur Tür heraus. Das Licht blendete mich so, daß ich kaum richtig sehen konnte. Amyas lag auf der Bank, Arme und Beine von sich gestreckt, und starrte das Bild an. Ich hatte ihn schon oft in dieser Stellung gesehen und konnte daher nicht ahnen, daß das Gift bereits zu wirken begonnen hatte.

Elsa sagte, er komme nicht zum Essen, was ich insgeheim für sehr richtig hielt. Als ich ihm auf Wiedersehen sagte, blickte er auf und sah mich merkwürdig an; mir kam sein Blick beinahe bösartig vor. Da er, wenn ihm die Arbeit nicht gut von der Hand ging, oft wütend dreinblickte, fiel es mir jedoch nicht weiter auf. Weder Elsa noch ich bemerkten etwas Ungewöhnliches an ihm.

Plaudernd gingen wir zusammen zum Haus. Wenn sie gewußt hätte, das arme Kind, daß sie ihn nie wieder lebendig sehen würde... Gott sei Dank, wußte sie es nicht und konnte sich noch für eine kleine Weile in ihrem Glück wiegen. Caroline merkte man beim Mittagessen nichts an, höchstens daß sie vielleicht etwas besorgt aussah. Und das ist doch ein Beweis dafür, daß sie nichts damit zu tun hatte? So schauspielern konnte sie nicht.

Nach dem Essen ging sie mit der Gouvernante nach unten und fand ihn. Als ich ihnen nach einer Weile nachging, kam mir Miss Williams entgegengeeilt und sagte, ich solle sofort den Arzt anrufen. Dann lief sie zurück zu Caroline. Das arme Kind -ich meine Elsa! Ihr unbeherrschter Kummer war wirklich der eines Kindes. Sie wollte es nicht glauben, daß das Leben ihr so etwas antun konnte. Caroline war völlig ruhig, jawohl, völlig ruhig. Sie konnte sich natürlich besser beherrschen als Elsa. Sie schien keine Gewissensbisse zu empfinden; sie sagte nur, er müsse es selbst getan haben. Und wir wollten ihr das nicht glauben; Elsa schrie ihr sogar ins Gesicht, daß sie es getan hätte. Natürlich war sich Caroline unterdessen darüber klar geworden, daß man sie verdächtigen würde. Und das ist die Erklärung für ihr Verhalten. Philip war fest davon überzeugt, daß sie es getan hatte. Das Ganze wurde zu einem Alpdruck. Die Polizei kam, nahm eine Hausdurchsuchung vor und verhörte uns alle; dann wimmelte es von Reportern, die wie Schmeißfliegen um das Haus schwirrten, alles fotografierten und jedes Familienmitglied interviewen wollten.

Nach all diesen Jahren hat der Fall Crale noch immer nicht aufgehört, ein Alpdruck für mich zu sein. Ich bete zu Gott, daß wir, wenn Sie erst einmal die kleine Carla überzeugt haben, alles vergessen können und nie wieder daran erinnert werden. Amyas muß Selbstmord begangen haben, so unwahrscheinlich es auch aussehen mag.

3 Bericht von Lady Dittisham

Nachstehend gebe ich einen Bericht über meine Bekanntschaft mit Amyas Crale und seinen tragischen Tod. Ich lernte ihn bei einem Atelierfest kennen. Ich erinnere mich, daß er am Fenster stand und mir sofort auffiel, als ich das Atelier betrat. Auf meine Frage, wer er sei, antwortete man mir: «Crale, der Maler.» Ich ließ ihn mir vorstellen, und wir sprachen vielleicht zehn Minuten miteinander. Ich kann nur sagen, daß mir, nachdem ich ihn gesehen hatte, die andern Gäste uninteressant und fade vorkamen.

Ich sah mir gleich am nächsten Tag alle Bilder von ihm an, die ich ausfindig machen konnte. Er hatte gerade eine Ausstellung in der Bond Street, eines seiner Bilder hing in Manchester, eins in Leeds und eines in einer Galerie in London. Ich sah sie alle. Als ich ihn wiedertraf, sagte ich : «Ich habe mir Ihre Bilder angesehen und finde sie wunderbar.»

Amüsiert erwiderte er: «Ich kann mir nicht denken, daß Sie etwas von Malerei verstehen.»

«Vielleicht nicht, aber die Bilder sind trotzdem wunderbar.»

«Sie sind ein kleines Dummerchen», sagte er grinsend. «Das bin ich nicht, und ich möchte von Ihnen gemalt werden.»

«Wenn Sie eine Ahnung von Kunst hätten, wüßten Sie, daß ich keine hübschen Frauen porträtiere.»

«Es muß kein Porträt sein, und ich bin nicht hübsch.» Nun blickte er mich an, als sähe er mich zum erstenmal, und dann sagte er: «Vielleicht haben Sie recht.»

«Werden Sie mich also malen?»

Er betrachtete mich einige Sekunden lang, den Kopf zur Seite geneigt, und sagte schließlich: «Sie sind ein merkwürdiges Kind.»

«Ich bin reich», sagte ich, «und ich kann mir ein großes Honorar leisten.»

«Warum sind Sie eigentlich so wild darauf, von mir gemalt zu werden?»

«Weil ich es will!»

«Ist das ein Grund?»

«Ja, ich bekomme immer das, was ich will.»

«Sie armes Kind, wie jung Sie noch sind!»

«Werden Sie mich malen?»

Er nahm mich bei den Schultern, drehte mich zum Licht und betrachtete mich genau, dann trat er ein paar Schritte zurück, während ich ganz still stehenblieb.

«Ich wollte schon immer einmal ein Bild malen.. ein Schwarm grellfarbiger australischer Papageien umflattern die St.-Pauls-Kathedrale. Wenn ich Sie male mit einer hübschen friedlichen Landschaft als Hintergrund, werde ich vielleicht genau die gleiche Wirkung erzielen.»

«Also Sie werden mich malen?»

«Sie sind das entzückendste, tollste, schillerndste exotische Ding, das ich je gesehen habe. Ich werde Sie malen.»

«Also abgemacht?»

«Aber ich warne Sie, mein Kind. Wenn ich Sie male, werde ich Sie wahrscheinlich verführen.»

«Ich hoffe es...» erwiderte ich.

Ich sagte das ganz ruhig und bestimmt. Er atmete hörbar, und ein merkwürdiger Ausdruck trat in seine Augen. So plötzlich kam das alles.

Zwei Tage später trafen wir uns wieder. Er sagte mir, ich müsse mit ihm nach Devonshire gehen, dort gebe es eine Stelle mit dem richtigen Hintergrund für mich, und fügte hinzu: «Ich bin verheiratet, und ich liebe meine Frau.»

Ich entgegnete, daß sie, wenn er sie liebe, sehr nett sein müsse. Er sagte, sie sei besonders nett. «Sie ist entzückend, und ich bete sie an. Merken Sie sich das, mein Kind, schreiben Sie es sich hinter die Ohren!»

Eine Woche später begann er mich zu malen. Caroline Crale empfing mich sehr liebenswürdig. Sie konnte mich nicht besonders leiden; warum sollte sie auch? Amyas war sehr vorsichtig und zurückhaltend. Er sagte nie ein Wort zu mir, das nicht auch seine Frau hätte hören dürfen, und ich war ebenfalls höflich und zurückhaltend. Aber wir wußten beide Bescheid. Nach zehn Tagen sagte er mir, ich müsse nach London zurückkehren, und ich erwiderte: «Das Bild ist doch noch nicht fertig.»

«Ich habe es noch kaum angefangen. Aber ich kann Sie nicht malen, Elsa.»

«Warum?»

«Das wissen Sie ganz genau, und deshalb müssen Sie fortgehen. Ich kann nicht mehr ans Malen denken, ich kann überhaupt nur noch an Sie denken.»

Wir waren auf der Schanze. Es war ein heißer Tag, die Sonne brannte, die Bienen summten, die Vögel zwitscherten. Alles schien glücklich und friedlich zu sein, aber mir war nicht danach zumute. Ich war bedrückt. Es war, als würfen die kommenden Ereignisse ihre Schatten voraus. Ich wußte, daß es nicht angenehm sein würde, wenn ich nach London zurückginge, sagte aber: «Gut, wenn Sie wollen, gehe ich.»

«Sie sind ein braves Kind.»

Ich ging fort, und ich schrieb ihm nicht.

Zehn Tage hielt er es aus, dann kam er. Er sah schrecklich aus, abgemagert, elend; es versetzte mir einen Schlag. «Ich habe dich gewarnt, Elsa. Sage nicht, daß ich dich nicht gewarnt hätte.»

«Ich habe auf dich gewartet; ich wußte, daß du kommen würdest.»

Stöhnend erwiderte er: «Es gibt Dinge, die über unsere Kraft gehen. Ich kann nicht mehr essen, nicht mehr schlafen, ich finde keine Ruhe ohne dich.»

Ich sagte, daß ich das wüßte und daß es mir ebenso ginge, daß es mir vom ersten Augenblick an so ergangen wäre. Es sei Schicksal, und man könne nicht dagegen ankämpfen. Er fragte: «Du hast nicht sehr dagegen angekämpft, nicht wahr, Elsa?»

Ich antwortete, ich hätte überhaupt nicht dagegen gekämpft. Dann sagte er, ich sei zu jung, und ich erwiderte, das mache nichts. Ich kann sagen, daß wir die nächsten Wochen sehr glücklich waren. Doch Glück ist nicht das richtige Wort dafür; es war etwas Tieferes, etwas Erschreckendes. Wir waren füreinander geschaffen, wir hatten einander gefunden. Wir wußten beide, daß wir immer zusammenbleiben würden.

Doch etwas anderes geschah; das unvollendete Bild begann Amyas zu verfolgen. «Verdammt nochmal, vorher habe ich dich nicht malen können, du bist mir direkt im Weg gestanden. Aber jetzt will ich dich malen, Elsa - ich muß dich so malen, daß es mein bestes Bild wird! Es juckt mich, ich will meine Pinsel packen, will dich auf der alten Mauer sitzen sehen, im Hintergrund das übliche blaue Meer, die dekorativen englischen Bäume, und du, du sitzt da wie der verkörperte, triumphierende Mißklang. So muß ich dich malen! Aber bevor das Bild fertig ist, will ich keinen Krach haben. Wenn es fertig ist, werde ich Caroline die Wahrheit sagen, und wir werden alles in Ordnung bringen.»

«Wird dir Caroline Schwierigkeiten wegen der Scheidung machen?» fragte ich.

Er antwortete, er glaube es nicht, aber man könne ja bei Weibern nie wissen. Ich sagte, es würde mir leid tun, wenn sie sich aufregen würde, aber schließlich passierten eben solche Dinge.

«Das ist sehr nett und vernünftig von dir, das zu sagen, Elsa. Aber Caroline ist nicht vernünftig, sie war es nie und wird es in diesem Falle bestimmt nicht sein. Sie liebt mich nämlich.» Ich verstehe das, sagte ich, aber wenn sie ihn liebe, müsse doch für sie sein Glück zuerst kommen, und jedenfalls würde sie doch nicht versuchen, ihn zu halten, wenn er frei sein wolle. Er erwiderte: «Solche Probleme kann man nicht nach Schablonen der modernen Literatur lösen. Das Leben ist nicht zahm, es ist wild!»

«Aber wir sind doch zivilisierte Menschen heutzutage!» Lachend erwiderte er: «Zivilisierte Menschen! Caroline würde wahrscheinlich am liebsten mit dem Beil auf dich losgehen. Sie bringt so etwas fertig. Bist du dir nicht klar darüber, Elsa, daß sie leiden wird... leiden! Und weißt du, was Leiden bedeutet?»

«Dann sag es ihr nicht.»

«Ich muß es ihr sagen. Du mußt mir richtig gehören, Elsa, vor aller Welt, ganz offen.»

«Aber wenn sie sich nicht scheiden läßt?»

«Davor habe ich keine Angst.»

«Wovor denn sonst?»

Langsam antwortete er: «Ich weiß nicht...» Er wußte es, er kannte Caroline. Ich kannte sie nicht. Wenn ich nur die leiseste Ahnung gehabt hätte...

Wir fuhren also gemeinsam zurück nach Alderbury. Diesmal war alles schwieriger. Caroline war mißtrauisch geworden. Mir gefiel der Zustand gar nicht. Ich habe von jeher Heimlichtuerei und Lügen gehaßt. Ich fand, man müsse es ihr sagen, aber Amyas wollte nichts davon wissen.

Das Komische ist, daß es ihm im Grunde genommen egal war. Obwohl er Caroline sehr gern hatte und ihr nicht weh tun wollte, war ihm Ehrlichkeit oder Unehrlichkeit völlig gleich. Er malte wie besessen, und alles andere kümmerte ihn nicht. Ich hatte ihn bisher noch nie richtig arbeiten gesehen, und mir wurde zum erstenmal klar, was für ein Genie er war. Seine Kunst riß ihn so mit, daß für ihn die üblichen Anstandsbegriffe gar nicht existierten. Aber für mich war es etwas anderes; ich war in einer scheußlichen Lage. Caroline war böse auf mich, und mit Recht. Man konnte die Situation nur klären, indem man ihr offen und ehrlich die Wahrheit sagte.

Doch Amyas wiederholte nur, er solle nicht belästigt werden, bevor das Bild fertig sei. Ich meinte, es würde wahrscheinlich gar keine Szene geben; dazu habe doch Caroline zu viel Stolz und Würde. «Ich will ehrlich sein», sagte ich. «Wir müssen ehrlich sein.»

«Zur Hölle mit deiner Ehrlichkeit. Ich male ein Bild, verdammt nochmal.»

Ich konnte seinen Standpunkt verstehen, er aber nicht meinen. Und schließlich hielt ich es nicht mehr aus. Caroline hatte von einer Reise gesprochen, die sie gemeinsam mit Amyas im Herbst machen wollte, und plötzlich fand ich es abscheulich, daß wir sie in dem Glauben ließen. Vielleicht war ich auch wütend, weil Caroline in einer so gerissenen Weise unfreundlich zu mir war, daß ich nichts dagegen tun konnte. Und so platzte ich mit der Wahrheit heraus. Ich glaube noch heute, daß ich an sich richtig handelte, obwohl ich natürlich nicht die leiseste Ahnung hatte, was ich damit anrichtete.

Der Krach kam gleich danach. Amyas war wütend auf mich, aber er mußte Caroline gegenüber zugeben, daß ich die Wahrheit gesagt hatte. Carolines Verhalten verstand ich nicht. Wir alle gingen am Nachmittag gemeinsam zu Meredith Blake zum Tee, und sie spielte fabelhaft Theater, plauderte und lachte. Dumm wie ich war, glaubte ich, sie habe es geschluckt. Mir war es peinlich, daß ich nicht abreisen konnte, aber Amyas wäre in die Luft gegangen, wenn ich es getan hätte. Ich glaubte, Caroline würde gehen; das hätte für uns alles leichter gemacht. Ich hatte nicht gesehen, daß sie das Koniin nahm. Da ich ehrlich sein will, halte ich es für möglich, daß sie es in der Absicht nahm, Selbstmord zu begehen. Aber im Grunde genommen glaube ich es nicht. Ich glaube, sie war so eifersüchtig und so besitzgierig, daß sie auf nichts verzichten wollte, was sie als ihr Eigentum ansah. Und Amyas war ihr Eigentum. Ich glaube, sie war von Anfang an entschlossen, ihn eher zu töten, als ihn einer anderen Frau zu überlassen. Ich glaube, sie faßte an diesem Nachmittag den Entschluß, ihn umzubringen, und Merediths Vortrag über das Koniin verschaffte ihr die Möglichkeit, ihre Absicht auszuführen. Sie war erbittert, rachsüchtig. Amyas wußte schon immer, daß sie gefährlich war. Ich nicht. Am nächsten Morgen hatte sie die endgültige Auseinandersetzung mit Amyas. Ich saß auf der Terrasse und hörte fast alles.

Er war großartig, geduldig und ruhig. Er bat sie, vernünftig zu sein, und er sagte ihr, er habe sie und das Kind immer noch lieb und würde sie immer gern haben. Er würde alles tun, um sie sicherzustellen. Dann wurde er energisch und sagte: «Aber merke dir das, ich werde Elsa heiraten; nichts kann mich davon abhalten. Wir beide haben uns von jeher gegenseitige Freiheit versprochen. Und so etwas geschieht nun einmal.» Sie erwiderte: «Mach, was du willst; ich habe dich gewarnt.»

«Was meinst du damit, Caroline?» fragte Amyas. «Du gehörst mir, und ich lasse dich nicht gehen. Ehe ich dich dem Mädchen lasse, bringe ich dich um.»

In diesem Augenblick kam Philip Blake. Ich stand auf und ging ihm entgegen; ich wollte nicht, daß er die Unterredung hörte. Schließlich kam Amyas heraus und sagte, er müsse weitermalen. So gingen wir zusammen zur Schanze hinunter. Er war ziemlich schweigsam und sagte nur, daß Caroline unangenehm geworden wäre, aber er wolle nicht darüber sprechen, er müsse sich jetzt auf seine Arbeit konzentrieren, in einem Tag sei das Bild fertig. «Es ist das beste, was ich je gemalt habe, Elsa, auch wenn dafür mit Blut und Tränen gezahlt werden muß!» Etwas später ging ich ins Haus, um mir einen Pullover zu holen, denn es wehte ein kühler Wind. Als ich zur Schanze zurückkam, war Caroline dort; ich nehme an, daß sie einen letzten Versöhnungsversuch machen wollte. Philip und Meredith Blake waren ebenfalls dort. Amyas sagte, er habe Durst und möchte etwas trinken, aber das Bier im Schuppen sei ihm nicht kalt genug.

Caroline versprach, sie würde ihm welches schicken, und das sagte sie in einem ganz natürlichen, fast freundlichen Ton. Was für eine Schauspielerin sie war! Sie mußte da doch schon gewußt haben, was sie tun wollte.

Etwa zehn Minuten später brachte sie selbst eine Flasche, goß ihm ein Glas ein und stellte es neben ihn hin. Keiner von uns sah ihr zu, denn Amyas war in seine Arbeit vertieft, und ich mußte ihm sitzen.

Amyas leerte dann auf seine übliche Art das Glas in einem Zug. Er schnitt eine Grimasse und sagte, es schmecke widerlich, aber wenigstens sei es kalt. Und selbst da hatte ich noch keinen Verdacht geschöpft, ich lachte nur. Nachdem er das Glas ausgetrunken hatte, ging Caroline fort.

Ungefähr vierzig Minuten später klagte Amyas über Schmerzen und Steifheit in den Gliedern; es müsse Rheumatismus sein, erklärte er. Er liebte es nicht, über sein Befinden zu sprechen, und leichthin fügte er hinzu: «Das ist das Alter, du kriegst einen jammernden alten Mann, Elsa.» Ich ging auf seinen Ton ein, sah jedoch, daß er sich immer schwerer bewegte und ein paarmal das Gesicht schmerzlich verzog, aber ich konnte mir nicht denken, daß es etwas anderes als Rheumatismus sei. Nach einer Weile zog er die Bank an die Staffelei, damit er sich hinlegen konnte; dann richtete er sich nur noch ab und zu auf, um einen Pinselstrich zu machen. Das hatte er auch früher schon häufig getan, daß er einfach dasaß und abwechselnd mich und die Leinwand anstarrte; manchmal tat er das eine halbe Stunde lang. So fand ich nichts Außergewöhnliches dabei. Als es zum Mittagessen läutete, sagte er, er komme nicht zum Haus; er wolle hierbleiben, und man brauche ihm auch nichts zu schicken. Auch das war nichts Ungewöhnliches, und außerdem brauchte er so nicht mit Caroline am Tisch zu sitzen. Er sprach etwas merkwürdig; es war eigentlich mehr ein Grunzen zu nennen; aber auch das pflegte er öfters zu tun, wenn er mit seiner Arbeit nicht zufrieden war. Selbst als Meredith kam, um mich zu holen, knurrte er lediglich, als Meredith ihn etwas fragte.

Meredith und ich gingen also zusammen zum Haus und ließen ihn zurück. Wir ließen ihn dort... ließen ihn allein sterben. Ich hatte noch nicht viel von Krankheit gesehen; ich verstand nichts davon, und so glaubte ich, Amyas hätte nur eine seiner Künstlerlaunen. Wenn ich etwas geahnt hätte, hätte man ihn vielleicht noch retten können.. Mein Gott, warum habe ich nichts getan? Aber es hat ja keinen Zweck, jetzt noch darüber zu grübeln. Ich war blind, blind und blöde. Weiter ist nicht viel zu berichten.

Caroline und die Gouvernante gingen nach dem Essen zur Schanze hinunter; Meredith folgte ihnen, kam aber nach kurzer Zeit zurückgelaufen mit der Nachricht, Amyas sei tot. Ich wußte sofort Bescheid - ich war sicher, daß Caroline es getan hatte. Ich dachte nicht an Gift, ich glaubte, sie habe ihn, als sie eben hinuntergegangen war, erschossen oder erdolcht. Ich wollte sie umbringen.. Wie konnte sie das tun, wie konnte sie? Er war so lebendig, so erfüllt von Leben und Kraft. Und all das mußte sie vernichten, nur damit ich ihn nicht haben sollte! Gräßliches Weib!

Gräßliches, ekelhaftes, grausames, rachsüchtiges Weib! Ich hasse sie ! Ich hasse sie immer noch! Sie haben sie nicht einmal gehängt! Sie hätten sie hängen müssen! Selbst hängen wäre noch zu gut für sie gewesen! Ich hasse sie! Ich hasse sie! Ich hasse sie !

4 Bericht von Cecilia Williams

Sehr geehrter Monsieur Poirot,

beiliegend sende ich Ihnen einen Bericht über die Ereignisse, die sich im September 19.. abgespielt haben und deren Zeuge ich war.

Ich habe nichts beschönigt und nichts verschwiegen, Sie können den Bericht Carla Crale zeigen. Es wird sie schmerzen, aber ich war stets für die Wahrheit. Beschönigungen sind nur schädlich; man muß den Mut haben, der Wirklichkeit ins Antlitz zu schauen. Am meisten schaden uns jene Menschen, die uns vor der Wirklichkeit schützen wollen.

Mit verbindlichen Grüßen

Ihre Cecilia Williams.


Ich heiße Cecilia Williams. Ich wurde im Jahre 19.. von Mrs. Crale als Gouvernante für ihre Halbschwester Angela Warren engagiert. Ich war damals achtundvierzig Jahre alt. Ich trat meinen Dienst in Alderbury an, einem wunderschönen Besitz im Süden von Devonshire, der seit Generationen der Familie Crale gehörte. Ich wußte, daß Mr. Crale ein sehr bekannter Maler war, habe ihn persönlich aber erst in Alderbury kennengelernt.

Der Haushalt bestand aus Mr. und Mrs. Crale, ihrer kleinen Tochter Carla, Angela Warren, dreizehn Jahre alt, und drei Dienstboten, die schon seit Jahren in der Familie waren. Ich stellte sofort fest, daß mein Zögling einen interessanten und vielversprechenden Charakter hatte. Sie war sehr begabt, und es war eine Freude, sie zu unterrichten. Sie war zwar wild und ungebärdig, aber diese Fehler sind meist die Folge eines aufgeweckten Wesens, und aufgeweckte Zöglinge waren mir stets lieber. Übermäßige Lebhaftigkeit kann sich, wenn man sie in die richtigen Bahnen lenkt, gut auswirken. Alles in allem fand ich Angela leicht erziehbar. Sie wurde zwar ziemlich verwöhnt, hauptsächlich von Mrs. Crale, die viel zu nachsichtig mit ihr war. Mr. Crales Verhalten ihr gegenüber fand ich nicht sehr klug: an einem Tag war er unvernünftig nachsichtig und am nächsten übertrieben streng. Er war ein launenhafter Mensch, was man bei einem Künstler oft durch sein Talent zu entschuldigen pflegt; aber ich habe nie eingesehen, warum künstlerisches Talent eine Entschuldigung für Unbeherrschtheit sein soll. Außerdem gefiel mir Mr. Crales Malerei nicht. Die Zeichnung kam mir falsch vor, und die Farben fand ich zu grell, aber natürlich wurde ich nie aufgefordert, meine Meinung zu äußern.

Ich empfand bald eine tiefe Sympathie für Mrs. Crale, und ich bewunderte ihren Charakter und ihre Haltung angesichts ihrer schwierigen Lage. Mr. Crale war ein treuloser Ehemann, und ich glaube, daß das eine ständige Quelle großen Leides für sie war. Eine Frau mit einem stärkeren Charakter hätte ihn verlassen, doch Mrs. Crale schien das nie in Erwägung zu ziehen. Sie ertrug seine Untreue und verzieh sie ihm, aber sie war nicht sanft, sie machte ihm heftige Vorwürfe. Bei der Verhandlung wurde behauptet, die beiden hätten wie Hund und Katze miteinander gelebt. Das finde ich übertrieben, Mrs. Crale besaß viel zu viel Würde, als daß man diesen Ausdruck auf sie hätte anwenden können, aber sie hatten heftige Auseinandersetzungen, was unter diesen Umständen nur verständlich war. Ich war etwas über zwei Jahre bei Mrs. Crale, als Miss Elsa Greer im Sommer 19.. auf der Bildfläche erschien; Mrs. Crale kannte sie noch nicht; sie war mit Mr. Crale befreundet, und es hieß, sie sei gekommen, weil er sie malen wolle. Es war von Anfang an offensichtlich, daß Mr. Crale in dieses Mädchen verliebt war und daß das Mädchen ihn keineswegs entmutigte. Sie benahm sich meiner Meinung nach schandbar; sie war unverschämt zu Mrs. Crale und flirtete ganz ungeniert mit Mr. Crale.

Natürlich äußerte sich Mrs. Crale mir gegenüber nicht, aber ich konnte sehen, daß sie litt, und ich tat alles, was in meiner Macht stand, um sie abzulenken und ihre schwere Last zu erleichtern. Miss Greer saß jeden Tag Modell, aber ich stellte fest, daß die Arbeit nicht vom Fleck kam. Offensichtlich hatten die beiden anderes zu tun!

Mein Zögling bemerkte Gott sei Dank nur wenig von dem, was sich abspielte. In gewisser Beziehung war Angela noch jung für ihr Alter; obwohl geistig sehr entwickelt, war sie in keiner Weise frühreif. Sie versuchte weder verbotene Bücher zu lesen, noch zeigte sie eine besondere Neugier, wie so viele Mädchen ihres Alters. Sie fand an der Freundschaft zwischen Mr. Crale und Miss Greer nichts Ungehöriges, konnte aber Miss Greer nicht leiden, denn sie hielt sie für dumm. Womit sie recht hatte. Miss Greer hatte, so nehme ich wenigstens an, eine gute Schulbildung genossen, las aber nie ein Buch und hatte keinerlei literarische Kenntnisse; man konnte sich über kein intellektuelles Thema mit ihr unterhalten. Sie ging voll und ganz in der Pflege ihres Äußeren auf und interessierte sich überhaupt nur für Kleider und Männer.

Ich glaube, daß Angela nicht einmal bemerkte, daß ihre Schwester unglücklich war. Sie kümmerte sich damals nicht viel um andere Menschen; den Hauptteil ihrer Zeit verbrachte sie mit allem möglichen Unfug, kletterte auf Bäume und unternahm wilde Radtouren. Auch las sie leidenschaftlich gern und bewies schon damals einen guten literarischen Geschmack. Mrs. Crale war auch ängstlich besorgt, ihr Unglück vor Angela zu verbergen; sie täuschte in Gegenwart des Mädchens stets gute Laune vor.

Miss Greer ging dann nach einiger Zeit zurück nach London, worüber wir uns alle sehr freuten. Die Dienstboten konnten sie ebensowenig leiden wie ich; sie gehörte zu den Menschen, die viel Arbeit verursachen und vergessen, sich dafür zu bedanken.

Kurz danach verreiste auch Mr. Crale. Ich wußte natürlich, daß er dem Mädchen nachgefahren war, und Mrs. Crale tat mir sehr leid; sie war so empfindsam. Ich war äußerst erbittert über Mr. Crale. Wenn ein Mann eine so reizende, intelligente Frau hat, so darf er sie nicht auf diese Weise behandeln; doch hofften sowohl sie wie ich, daß die Affäre bald zu Ende sein würde.

Wir sprachen natürlich nicht darüber, aber sie wußte über meine Ansicht Bescheid.

Leider tauchte das Paar nach einigen Wochen wieder auf, und die Sitzungen sollten von neuem aufgenommen werden. Mr. Crale arbeitete nun wie ein Besessener. Ihn schien jetzt weniger das Mädchen als das Bild zu interessieren; dennoch bemerkte ich, daß diese Affäre ernster war als die bisherigen. Das Mädchen hatte ihn in ihrer Macht und wußte, was sie wollte; er war wie Wachs in ihren Händen. Am Tag vor seinem Tod, also am 17. September, hatte sich die Lage zugespitzt. Bereits in den letzten Tagen war Miss Greers Unverschämtheit unerträglich geworden; sie fühlte sich sicher, und sie zeigte es auch. Mrs. Crale verhielt sich wie eine wahre Dame. Sie war von einer eisigen Höflichkeit, gib aber der andern klar zu verstehen, was sie von ihr dachte. Als wir an diesem Tag, dem 17. September, nach dem Mittagessen im Wohnzimmer saßen, machte Miss Greer die erstaunliche Bemerkung, daß sie die Einrichtung des Zimmers ändern wolle, sowie sie nach Alderbury ziehen würde. Natürlich konnte Mrs. Crale das nicht hinnehmen. Sie stellte Miss Greer zur Rede, die daraufhin die Unverschämtheit besaß, vor uns allen zu behaupten, sie würde Mr. Crale heiraten.. einen verheirateten Mann, und sie sagte das zu seiner Frau! Ich war außer mir über Mr. Crale. Wie konnte er es zulassen, daß dieses Mädchen seine Frau in ihrem Wohnzimmer beschimpfte? Wenn er mit Miss Greer durchbrennen wollte, hätte er es tun sollen, sie aber nicht in sein Haus bringen und ihre Unverschämtheit unterstützen dürfen.

Trotz ihrer nur zu verständlichen Gefühle verlor Mrs. Crale ihre Würde nicht. Ihr Mann kam gerade ins Zimmer, und sie verlangte von ihm sofort eine Erklärung. Er ärgerte sich verständlicherweise über Miss Greer, weil sie diese Situation heraufbeschworen hatte; außerdem erschien er dadurch in einem schlechten Licht, und so etwas lieben Männer nicht, es verletzt ihre Eitelkeit. Dieser riesengroße Mann stand da wie ein ungezogener Schuljunge. Er mußte zugeben, daß es wahr sei, daß er es ihr aber noch nicht habe mitteilen wollen. Sie warf ihm nur einen verächtlichen Blick zu und verließ hocherhobenen Hauptes das Zimmer. Sie war eine schöne Frau, viel schöner als jenes schillernde Mädchen, und ihr Gang war der einer Königin.

Ich wünschte von ganzem Herzen, daß Amyas Crale für seine Grausamkeit bestraft würde, und versuchte zum erstenmal, Mrs. Crale gegenüber etwas von meinen Gefühlen zu äußern. Sie ließ es jedoch nicht zu und sagte: «Wir müssen tun, als sei nichts geschehen. Das ist das beste. Wir gehen heute nachmittag alle zu Meredith Blake zum Tee.»

«Ich finde Sie wunderbar, Mrs. Crale», sagte ich. Sie erwiderte nur: «Sie wissen ja nicht...» Sie küßte mich und fügte hinzu: «Sie sind ein großer Trost für mich.» Dann ging sie in ihr Zimmer, und ich glaube, sie weinte. Ich sah sie erst wieder, als alle aufbrachen. Mr. Crale schien sich unbehaglich zu fühlen, versuchte es aber durch auffallendes Benehmen zu bemänteln. Mr. Philip Blake bemühte sich, unbefangen zu scheinen, und Miss Greer sah aus wie eine Katze, die süßen Rahm genascht hat - sie schnurrte gewissermaßen; Gegen sechs Uhr kam die Gesellschaft wieder zurück. Ich hatte an diesem Abend keine Gelegenheit mehr, mit Mrs. Crale allein zu sprechen. Beim Essen war sie ruhig und ging früh zu Bett. Nach dem Essen stritt sich Angela wieder einmal mit Mr. Crale, und zwar machte sie ihm die heftigsten Vorwürfe, weil sie ins Internat gehen sollte. Es hatte natürlich keinen Zweck, aber zweifellos spürte sie die Spannung in der Luft und reagierte auf ihre Art darauf. Ich fürchte, ich war zu sehr mit meinen Gedanken beschäftigt, um sie in ihre Schranken zu weisen, wie es meine Pflicht gewesen wäre. Der Streit endete damit, daß sie mit einem Briefbeschwerer nach Mr. Crale warf und aus dem Zimmer stürzte. Ich ging ihr nach und wies sie scharf zurecht, aber sie war noch so aufgeregt, daß ich es für das beste hielt, sie allein zu lassen.

Ich überlegte, ob ich zu Mrs. Crale gehen sollte, beschloß aber, sie nicht zu stören. Nachträglich wäre ich froh gewesen, wenn ich meine Bedenken überwunden und sie zum Sprechen gezwungen hätte; vielleicht hätte das alles geändert, denn sie hatte außer mir ja keinen Menschen, dem sie sich anvertrauen konnte. Ich bin sehr für Selbstbeherrschung, muß aber betrübt zugeben, daß man sie zuweilen übertreiben kann. Ein natürliches Ventil für zu starke Gefühle ist empfehlenswert. Am nächsten Tag war schönes Wetter. Noch vor dem Frühstück ging ich in Angelas Zimmer, aber sie war schon auf und davon, Ich nahm einen zerrissenen Rock, den sie auf den Boden geworfen hatte, mit mir; sie sollte ihn nach dem Frühstück nähen. Sie hatte sich aber bereits in der Küche Brot und Marmelade geben lassen und war verschwunden. Nachdem ich gefrühstückt hatte, machte ich mich auf die Suche nach ihr. Aus diesem Grunde konnte ich mich an dem Morgen nicht mehr um Mrs. Crale kümmern, wie ich es wohl hätte tun sollen. Doch ich hielt es für meine Pflicht, Angela zu suchen; sie war sehr unordentlich mit ihren Kleidern, und das durfte ich ihr nicht durchgehen lassen. Ich ging hinunter an den Strand, sah sie aber weder im Wasser noch auf den Felsen und dachte, sie wäre vielleicht zu Mr. Meredith Blake gegangen, an dem sie sehr hing. Daher ruderte ich über die Bucht und suchte sie im Garten und im Haus von Mr. Blake, doch vergebens. So kehrte ich schließlich nach Alderbury zurück, wo ich Mrs. Crale und die beiden Herren Blake auf der Terrasse vorfand. Da es sehr heiß war, bot Mrs. Crale den Herren Bier an. Neben der Terrasse war ein kleines Treibhaus, das nicht mehr für seinen ursprünglichen Zweck benutzt wurde, sondern in eine Art Bar verwandelt worden war, und dort, in einem kleinen Eisschrank, lagerten stets einige Flaschen Bier. Ich ging mit Mrs. Crale in das Treibhaus, um Bier zu holen, und fand Angela, wie sie gerade eine Flasche Bier aus dem Eisschrank nahm. Mrs. Crale, die vor mir eingetreten war, sagte: «Ich will Amyas eine Flasche Bier hinunterbringen.» Es ist für mich jetzt schwer zu entscheiden, ob ich Verdacht hätte schöpfen sollen. Ihre Stimme war völlig normal, und ich interessierte mich in dem Moment mehr für Angela, die beim Eisschrank stand und zu meiner Genugtuung schuldbewußt aussah. Ich wies sie scharf zurecht, was sie erstaunlicherweise geduldig über sich ergehen ließ. Als ich sie fragte, wo sie gewesen sei, und sie mir antwortete, sie sei schwimmen gegangen, sagte ich: «Ich habe dich aber am Strand nicht gesehen.» Sie lachte nur. Dann fragte ich, wo sie ihren Pullover habe, und sie antwortete, sie müsse ihn am Strand liegengelassen haben. Ich erwähne diese Einzelheiten nur, um zu erklären, warum ich es zuließ, daß Mrs. Crale das Bier selbst zur Schanze brachte. Über den Rest des Morgens weiß ich nur noch wenig. Ohne weitere Widerrede nähte Angela ihren Rock, und ich besserte, soviel ich weiß, Wäsche aus. Mr. Crale kam nicht zum Essen; ich war froh, daß er wenigstens soviel Anstand besaß.

Als Mrs. Crale nach dem Essen sagte, sie ginge hinunter zur Schanze, begleitete ich sie, da ich Angelas Pullover am Strand suchen wollte. Nachdem ich schon ein paar Schritte weitergegangen war, hörte ich einen Schrei, und gleich darauf rief mich Mrs. Crale zurück. Wie ich Ihnen schon bei Ihrem Besuch sagte, schickte sie mich, den Arzt anzurufen. Auf halbem Weg traf ich Mr. Meredith Blake und ging sofort zu Mrs. Crale zurück. So war meine Aussage bei der Voruntersuchung und vor Gericht.

Was ich nun niederschreibe, habe ich bisher noch keinem Menschen gesagt. Da ich danach nicht gefragt wurde, brauchte ich nicht die Unwahrheit zu sagen. Ich habe mich jedoch schuldig gemacht, weil ich etwas verschwieg, aber ich bereue es nicht und würde es sogar wieder tun.

Wie ich schon sagte, begegnete ich auf dem Weg zum Haus Mr. Meredith Blake und eilte dann zur Schanze zurück. Da ich Leinenschuhe trug, hörte man meine Schritte nicht. Die Tür zur Schanze stand auf, und ich sah, daß Mrs. Crale die Bierflasche auf dem Tisch mit ihrem Taschentuch abwischte. Dann nahm sie die Hand ihres toten Gatten und preßte seine Finger auf die Bierflasche. Die ganze Zeit lauschte sie ängstlich, ob jemand käme. Und die Furcht auf ihrem Gesicht sagte mir die Wahrheit.

Daher weiß ich ganz bestimmt, daß Caroline Crale ihren Gatten vergiftet hat. Ich kann ihr keinen Vorwurf daraus machen. Sein schandbares Verhalten konnte einen Menschen um den Verstand bringen, und somit hatte er sein Schicksal selbst heraufbeschworen.

Wie schon gesagt, habe ich keinem Menschen, auch nicht Mrs. Crale, etwas von meiner Beobachtung angedeutet, aber ein Mensch hat meiner Ansicht nach das Recht, es zu wissen. Caroline Crales Tochter darf ihr Leben nicht auf einer Lüge aufbauen. So sehr die Wahrheit sie auch schmerzen mag -Wahrheit ist das höchste Gut.

Sagen Sie ihr bitte von mir, daß niemand ihre Mutter verurteilen darf. Ihr, der liebenden Frau, war zuviel zugemutet worden. Ihre Tochter muß das verstehen und ihr verzeihen.

5 Bericht von Angela Warren

Sehr geehrter Monsieur Poirot,

Ihrem Wunsche entsprechend, habe ich meine Erinnerungen an die schrecklichen Ereignisse, die nun über sechzehn Jahre zurückliegen, niedergeschrieben. Doch erst beim Schreiben wurde mir bewußt, an wie wenig ich mich noch erinnere. Ich erinnere mich verschwommen an Sommertage, an einzelne, unzusammenhängende Ereignisse, aber ich könnte nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, in welchem Jahre sie geschahen. Amyas' Tod kam wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ich war nicht darauf vorbereitet gewesen, und ich scheine nichts von all dem gemerkt zu haben, was dazu führte.

Für mich waren Caroline und Amyas die wichtigsten Personen in meinem Leben, doch ich machte mir weder über sie, noch über das, was sie taten, fühlten und dachten, irgendwelche Gedanken. Auch Elsa Greers Besuch beeindruckte mich nicht besonders. Ich fand sie dumm und nicht einmal gutaussehend. Ich hielt sie für ein reiches, aber lästiges Mädchen, das von Amyas gemalt wurde.

Zum erstenmal fiel mir etwas auf, als ich eines Tages nach dem Mittagessen von der Terrasse aus hörte, wie Elsa sagte, sie werde Amyas heiraten. Es kam mir einfach lächerlich vor und ich erinnere mich noch, daß ich im Garten von Handcross Manor zu Amyas sagte: «Wie kann Elsa behaupten, sie würde dich heiraten, Amyas? Das geht doch nicht. Ein Mann kann doch nicht zwei Frauen haben, das wäre ja Bigamie, und dafür kommt man ins Gefängnis.»

Wütend fuhr mich Amyas an: «Wieso hast du denn das gehört?»

Ich sagte, daß ich es durch das Bibliotheksfenster gehört hätte. Noch wütender versetzte er, es sei höchste Zeit, daß ich ins Internat käme und nicht mehr lauschen könnte. Ich weiß heute noch, wie empört ich war, denn ich fand diese Unterstellung äußerst ungerecht.

Wütend erwiderte ich, daß ich nicht gelauscht hätte, und fragte ihn, wieso Elsa so etwas Blödes sagen könnte. Amyas antwortete, es sei nur ein Scherz gewesen. Das hätte mir genügen sollen, aber ich war nicht ganz befriedigt und sagte auf dem Rückweg zu Elsa: «Ich habe Amyas gefragt, wieso Sie behaupten konnten, Sie würden ihn heiraten, und er hat gesagt, es sei nur ein Scherz von Ihnen gewesen.»

Ich hatte erwartet, daß sie das ärgern würde, doch sie lächelte nur. Ihr Lächeln gefiel mir aber nicht. Ich ging dann ins Schlafzimmer zu Caroline, die sich gerade zum Essen umzog, und fragte sie unumwunden, ob es denn möglich sei, daß Amyas Elsa heirate.

An Carolines Antwort erinnere ich mich, als wäre es heute; sie muß mit großem Nachdruck gesprochen haben. «Amyas kann Elsa erst nach meinem Tod heiraten», sagte sie. Das beruhigte mich vollkommen. Ich war jedoch auf Amyas noch immer wütend wegen seiner Bemerkung am Nachmittag und stritt mich während des Abendessens ständig mit ihm, und nach dem Essen kam es zu einem richtigen Krach. Schließlich stürzte ich aus dem Zimmer und ging schluchzend zu Bett. An den Nachmittag bei Meredith Blake erinnere ich mich nur sehr dunkel, ich weiß nur noch, daß er aus Phaidon eine Beschreibung des Todes von Sokrates vorlas.

Ebensowenig erinnere ich mich an das, was am nächsten Morgen geschah, obwohl ich immer wieder darüber nachgedacht habe. Ich glaube, daß ich schwimmen ging und später gezwungen wurde, etwas zu nähen.

Doch all das ist sehr nebelhaft und undeutlich - bis zu dem Augenblick, da Meredith keuchend auf der Terrasse erschien. Er sah grau und merkwürdig aus. Ich erinnere mich, daß Elsa ihre Kaffeetasse fallen ließ, die zerbrach, und daß sie aufsprang und davonrannte. Sie sah schreckenerregend aus. Ich sagte dauernd zu mir: «Amyas ist tot!», aber ich konnte es nicht wirklich glauben. Dann kam Dr. Faussett, und Miss Williams kümmerte sich um Caroline. Ich ging verloren umher und stand allen im Weg; mir war elend zumute. Zur Schanze hinunter durfte ich nicht. Dann kam die Polizei, alles mögliche wurde notiert, und schließlich wurde Amyas' Leiche auf einer Bahre mit einem Leintuch zugedeckt ins Haus gebracht. Später holte mich Miss Williams in Carolines Zimmer. Caroline lag totenblaß auf dem Sofa. Sie küßte mich und sagte, sie wünsche, daß ich so schnell wie möglich fortginge, alles sei entsetzlich, aber ich solle nicht darüber nachdenken. Ich solle zu Lady Tressillian gehen. Ich umarmte Caroline und sagte, ich wolle nicht fortgehen, ich wolle bei ihr bleiben. Sie erwiderte, es sei aber besser für mich, fortzugehen, es würde ihr viel Sorge ersparen. Nun griff Miss Williams ein und sagte: «Du nützt deiner Schwester am meisten, Angela, wenn du ohne Widerrede ihren Wunsch erfüllst.»

So erklärte ich mich einverstanden, und Caroline sagte: «Du bist lieb, Angela.» Dann umarmte sie mich noch einmal. Als ich in die Halle hinunterkam, stellte ein Polizeiinspektor einige Fragen an mich. Er war sehr nett, wollte wissen, wann ich Amyas zuletzt gesehen hatte, und stellte noch viele andere Fragen, die mir damals überflüssig vorkamen, deren Wichtigkeit ich aber heute natürlich einsehe. Er fand, daß ich ihm nichts Neues mitteilen konnte, und sagte zu Miss Williams, daß er gegen meine Abreise nichts einzuwenden habe. Ich ging also fort, und Lady Tressillian nahm mich sehr liebevoll auf. Natürlich erfuhr ich bald die Wahrheit. Caroline wurde sofort verhaftet. Ich war so entsetzt darüber, daß ich sehr krank wurde.

Später hörte ich, daß sich Caroline meinetwegen große Sorgen mache, und auf ihr dringendes Verlangen hin wurde ich noch vor der Verhandlung ins Ausland geschickt. Das habe ich Ihnen ja schon mündlich mitgeteilt.

Wie Sie sehen, sind meine Erinnerungen sehr dürftig. Seit unserem Gespräch habe ich mir alles wieder und wieder durch den Kopf gehen lassen, und ich kann nur wiederholen, daß Caroline es nicht getan hat.

Davon bin ich fest überzeugt und werde es immer sein, aber ich kann keinen andern Beweis als meine genaue Kenntnis ihres Charakters anführen.

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