VIERTER TEIL Der Silberreif

BEI DEN ERZGRÄBERN

Bald kamen die Reisenden an eine Kreuzung, von der drei Wege abzweigten. Auf dem Wegweiser waren drei Schildchen angebracht. Eines trug die Aufschrift „WEG DORTHIN", das andere „WEG HIERHER", das dritte „GBP-WEG". „Das ist der richtige!" rief Ann. „Was bedeutet diese Aufschrift?" fragte Tim.

„Das ist doch leicht zu verstehen: Gelber Backsteinpflasterweg", erklärte das Mädchen. „Genauso habe ich ihn mir vorgestellt. Mir ist, als sehe ich Elli in ihren silbernen Zauberschuhen diesen Weg gehen, gefolgt vom treuen Toto..." „Gut, daß du es sagst", rief Arto aus dem Sack. „Es muß sehr angenehm sein, auf diesem glatten Weg zu laufen, mir sind vom Liegen die Pfoten schon ganz geschwollen."

Tim und Ann stiegen von den Maultieren und ließen den Hund aus dem Sack. Es war angenehm zu gehen auf den gelben Backsteinen, die von der Zeit schon abgewetzt waren. Die Maultiere folgten ihnen, während Arto in den Büschen schnüffelte und die Eichhörnchen anbellte, die von den Zweigen zurückschimpften. Mit einem sonderbaren Gefühl beschritt Ann den märchenhaften Weg, von dem sie geträumt hatte, als sie noch ganz klein war. Auf diesem Weg hatte Elli einst den Scheuch, den Eisernen Holzfäller und den Feigen Löwen kennengelernt... Ann erschauerte bei dem Gedanken, daß hinter den Büschen der schreckliche Menschenfresser lauern könnte, der einst ihre Schwester entführt hatte. Sie beruhigte sich jedoch bald, wußte sie doch, daß der Menschenfresser schon vor zehn Jahren vom Eisernen Holzfäller erschlagen worden war.

Am nächsten Tag, als die Sonne bereits hoch Himmel stand, tauchte in der Ferne das Dorf der Erzgräber auf. Der Weg hatte sich in eine breite Straße verwandelt, zu deren beiden Seiten Weizenfelder rauschten und Gärten blühten. Auf einem Stoppelfeld war ein Bauer mit einem Pflug zu sehen, den ein Sechsfüßer zog. Die Augen des Tieres waren verbunden - wahrscheinlich, weil es sich an das grelle Sonnenlicht noch immer nicht gewöhnt hatte.

Neugierig betrachteten Tim und Ann das seltsame Tier mit dem struppigen weißen Fell, dem großen runden Kopf und dem runden Körper, der sich auf sechs runden Füßen vorwärtsbewegte. Das Tier mußte sehr stark sein, denn es zog mit Leichtigkeit den großen Pflug, der breite Furchen in der schwarzen fetten Erde hinterließ. Der Bauer betrachtete verwundert die Ankömmlinge, die auf hochbeinigen Tieren ritten, wie man sie im Zauberlande nicht kannte.

Am Rande des Dorfes lag eine kleine Fabrik, aus der das Rattern von Maschinen und das Klopfen von Hämmern zu hören war. Die Erzgräber, die sich auf der Erdoberfläche angesiedelt hatten, fuhren fort, das Metall zu bearbeiten, das aus der Höhle kam. Tims und Anns Erscheinen rief im Dorf großes Aufsehen hervor. Aus den schönen hohen Häusern mit den roten Dächern kamen Kinder und Erwachsene gelaufen, die die kleine Schar neugierig umringten. Die Erzgräber hatten lange fahle Gesichter. Sie hoben ihre Augen nur für kurze Zeit zu den Reisenden empor und senkten sie sofort wieder. Ein hagerer alter Mann mit einem langen grauen Bart trat aus der Menge und sagte: „Ich heiße Ruschero und bin der Herrscher im Lande der Erzgräber." „Oh, meine Schwester hat mir viel über Euch erzählt", sagte Ann erfreut. „Ihr wart doch der letzte Hüter der Zeit im unterirdischen Lande, nicht wahr?" Ruschero schmunzelte:

„Ich wußte nicht, daß man sich jenseits der Berge noch meiner erinnert. Das habe ich wohl Elli zu verdanken?" „Wem sonst?" sagte Tim. „Bei uns kennen alle Kinder auf den Farmen die Namen der unterirdischen Könige. Euren natürlich auch", fügte er höflich hinzu.

Ruschero lud Ann und Tim zu sich ein. Die Maultiere wurden in die Sonne gestellt, damit sie sich aufluden, und Arto blieb bei ihnen als Wächter zurück.

Das Haus Ruscheros hatte viele, schön ausgestattete Zimmer, an deren Decken kleine Kugeln hingen, die, wie der Herrscher sagte, nachts das Haus beleuchteten. Der Anstrich der Wände und Möbel war überwiegend von einem grellen Grün, Hellblau und Orange.

Die Erzgräber mochten jetzt nicht mehr die blassen und trüben Farben, die sie in den Jahrhunderten ihres unterirdischen Lebens umgeben hatten.

Zu Ehren der Gäste gab Ruschero ein großes Festessen. Bevor man sich an die Tafel setzte, sagte er zu Ann und Tim:

„Die Reden einiger meiner Stammesgenossen werden euch vielleicht sonderbar vorkommen, aber ich bitte euch inständig, ernst zu bleiben, selbst wenn es euch schwerfallen sollte."'

In dem großen Saal nahmen an langen Tischen mehrere Dutzend Menschen Platz. In dem halbdunklen kühlen Raum fühlten sich die Erzgräber ungezwungen, und Ann bemerkte, daß sie kühne Augen und würdevolle Gesichter hatten.

Der Hausherr setzte das Mädchen zwischen zwei ältere Männer. Der Nachbar links, der beleibt und rothaarig war, stellte sich vor:

„Barbedo!"

Der andere, zur Rechten, ein Mann mit dichten Brauen, dem eine schwarze Haarsträhne in die Stirn fiel, sagte: „Mein Name ist Mentacho!"

Es waren zwei der letzten unterirdischen Könige. Ann hatte beinahe aufgelacht, aber der Bitte Ruscheros eingedenk, unterdrückte sie das Lachen.

Auf den Tischen standen viele Leckerbissen: Torten auf großen Tellern, Zuckergebäck, Kuchen, dampfende Schildkrötensuppe, Schalen mit herrlichem Obst, Pfannkuchen mit Honig und Limonade.

Die Tischnachbarn unterhielten Ann, wie sie nur konnten. Der ehemalige König Mentacho lobte eifrig seinen jetzigen Beruf, das Weben.

„Ich bin so stolz darauf, liebe Ann, daß ich Weber bin wie meine Vorfahren", sagte Mentacho. „Ich glaube, das Weben ist die allerwichtigste Beschäftigung auf der Welt. Stellt Euch einmal vor, es gäbe keine Weber. Dann würden die Menschen in Tierfellen umherlaufen, wie vor tausend Jahren, und ihr Verstand würde gewiß auf den Stand der Tiere herabsinken!"

„Oh, Mentacho", rief einer der Gäste fröhlich. „Du vergißt diejenigen, die Flachs bauen!"

Ein anderer sagte:

„Sag, Freundchen, was würden deine Stoffe nützen, wenn wir Schneider nicht wären?" Die Gäste lachten und scherzten ausgelassen.

Mit besonderer Aufmerksamkeit hörte Ann Barbedo zu. „Ich kann es nicht begreifen", sagte er erregt, „wie unsere Väter und Großväter die Macht der Könige so lange geduldet haben. Hätte ich damals gelebt, ich hätte mich sicher als erster gegen die Tyrannen erhoben!"

Die flammenden Reden Mentachos und Barbedos kamen Tim und Ann lächerlich vor. Jetzt verstanden sie, warum der Hausherr sie gebeten hatte, ernst zu bleiben. Am meisten staunten sie aber darüber, daß die vielen Tischgäste mit ernsten Mienen

den gestürzten Königen zuhörten. Nicht nur, daß niemand schmunzelte, man nickte sogar beifällig und machte ermunternde Zwischenrufe. Diese Menschen, die viele Jahrhunderte lang in ihrem unterirdischen Reich gedarbt hatten, besaßen reine und edle Herzen. Nachdem sie ihre ehemaligen Könige umerzogen und aus Schmarotzern und Gewalttätern in fleißige Handwerker umgewandelt hatten, wollten sie sie mit keinem Wort an die Vergangenheit erinnern, um sie nicht zu erniedrigen. Dieses feinfühlige Volk hatte alles verstanden und alles verziehen. Tim und Ann bewunderten den Edelmut der Erzgräber. Nach dem Essen, als der Hausherr die Gäste verabschiedet hatte, teilte Tim ihm mit, daß Urfin die Smaragdenstadt erneut erobert habe.

„Darüber haben mich die Käuer längst unterrichtet", sagte Ruschero. „Wir haben mit ihnen ein Bündnis über gegenseitigen Beistand geschlossen." „Wie gedenkt ihr, euch der Feinde zu erwehren?" fragte Ann besorgt. „Meine Schwester hat erzählt, die Springer seien ein sehr starkes und kriegerisches Volk." „Wir haben für sie etliche Überraschungen parat", erwiderte schmunzelnd Ruschero, „aber davon darf niemand etwas erfahren."

Tim und Ann waren bereits mehrere Stunden unterwegs, als aus einem Seitenweg eine sonderbare Gestalt hervortrat. Es war ein hölzernes Menschlein, das jedoch anders aussah als die Holzköpfe, die man den Kindern beschrieben hatte. Es hatte lange dürre Arme mit vielen Fingern, hohe Läuferbeine und eine lange spitze Nase, mit der es in einem fort schnupperte.

Ann begriff, daß es ein ehemaliger Polizist war, der nach Urfins Sturz das Amt eines Boten und Briefträgers versah.

„Halt!" rief sie laut und stellte sich dem Männchen in den Weg. Das blieb wie angewurzelt stehen. „Wer bist du?" fragte das Mädchen. „Ich heiße Rellem und bin der Eilbote des Herrschers der Smaragdenstadt, des Dreimalweisen Scheuchs."

„Also ist der Scheuch frei?" fragte Ann erfreut. „Hat er dir eine Botschaft aufgetragen?" „O nein, gnädige Frau, leider! Die Smaragdenstadt ist von Feinden besetzt, und unser Herrscher ist gefangen. Man hat die Einwohner aus ihren Häusern vertrieben, und jetzt irren sie, elend und hungrig, auf den Feldern umher." „Wohin eilst du?" fragte Tim.

„Zum ehrenwerten Prem Kokus, dem Herrscher der Käuer, und zum ehrenwerten Ruschero, dem Herrscher der Erzgräber. Ich soll sie vor der Gefahr warnen, hat mir Frau Kaggi-Karr aufgetragen, die zeitweilige Herrscherin der Smaragdeninsel. Natürlich werden die Käuer und die Erzgräber gegen die kriegerischen Springer nichts ausrichten, aber zumindest werden sie bis zu deren Ankunft ihr Hab und Gut und ihren Lebensmittelvorrat in Sicherheit bringen können."

„Ein guter Einfall von Kaggi-Karr", bemerkte Tim. „Oh, Frau Kaggi-Karr ist der klügste Vogel im Zauberland", sagte Ann. „Ich bin überzeugt, daß sie uns im Kampf mit Urfin Juice beistehen wird. Sag, Rellem, sind die Springer weit von hier?" wandte sie sich an den Boten. „Einen Tagesmarsch entfernt", antwortete das Holzmännchen. „Das ist allerdings nicht nahe, denn ihr müßt bedenken, ich laufe sehr schnell. In unserem Lande gehe ich aus jedem Wettlauf als Sieger hervor."

„Und was gibt es im Lande der Zwinkerer?" fragte Ann. „Hat der böse Urfin auch sie unterworfen?"

„Ja, aber nicht für lange", erwiderte das Männchen. „Kaggi-Karr hat mir von einer Begebenheit erzählt, über die die Vögel sie unterrichtet haben. Ich glaube, Urfin weiß noch nichts davon."

Rellem erzählte folgendes:

Nach dem Abzug der Hauptkräfte Urfins führen die Zwinkerer, ohne zu murren, alle Befehle Bois' aus, des Kommandanten der kleinen Marranengarnison. Aber Lestar, der Freund und oberste Berater des Eisernen Holzfällers, sei ein erfinderischer Kopf. Er hat die Holzkanone hergestellt, die durch einen einzigen Schuß Urfins Armee in die Flucht geschlagen habe. Dieser Lestar habe das Leben und Verhalten' der Marranen aufmerksam beobachtet und bald herausgefunden, daß sie nach dem Einschlafen völlig hilflos seien.

Aus Angst vor nächtlichen Überfällen schlafen die Marranen in Zimmern mit dicken Türen, die mit großen Schlössern und Riegeln versehen sind. Aber was bedeuten schon Schlösser für die tüchtigen Handwerker des Violetten Landes! Einmal seien die Springer mit gefesselten Armen und Beinen aufgewacht. Die Aufständischen hatten sie in einen Keller eingesperrt, wo sie reichlich Zeit hatten, die Torheit zu bereuen, daß sie den Versprechungen des Feuergottes geglaubt hatten. Lestar weiß natürlich, daß er mit diesem leichten Erfolg noch nicht gesiegt hat. Er sei sicher, daß Urfin ein großes Soldatenaufgebot ausschicken werde, und treffe Vorkehrungen. Vor allem habe er die Mobilisierung aller Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren verkündet, was eine Truppe von insgesamt 3000 Mann ergab. Die älteren Jahrgänge haben Schwerter und Dolche, Lanzen-und Pfeilspitzen angefertigt, und jetzt lägen in der großen Halle des Palastes ein Haufen von Waffen und Schilden bereit. Die Zwinkerer, die Din Gior seinerzeit militärisch ausgebildet hat, seien auf Befehl des jetzigen Oberkommandierenden, Lestar, zu Korporalen, Leutnanten und Hauptmännern befördert worden. Sie unterweisen die Jugend in der Handhabung der Waffen. Das Volk sei kämpferisch gestimmt, sagte der Bote, es rufe: „Sieg oder Tod!" Tim und Ann waren über Rellems Bericht sehr erfreut. Jetzt wußten sie, daß die Springer nicht so schrecklich wären, wie sie gedacht hatten, und daß man auch ihnen beikommen könne.

„Hab Dank für die gute Nachricht, Freund Rellem", sagte Tim. „Mach dich auf den Weg und bestelle den Käuern und Erzgräbern, daß sie ihr Hab und Gut und ihren Eßvorrat gut verbergen sollen. Noch besser wäre es, sie gingen in den Wald. Wenn die Eroberer leere Dörfer vorfinden, wird ihr Mut sinken. Prem Kokus hat von uns natürlich gehört. Bestelle ihm einen Gruß und sage ihm, daß Ann und Tim alles tun werden, um dem tückischen Urfin das Handwerk zu legen."' Rellem nahm Haltung an:

„Ich werde alle Eure Befehle genau ausführen, gnädiger Herr!" sagte er. ,Und noch eins: Am GBP-Weg stehen. feindliche Posten, und der Übergang über den Großen Fluß wird von einem Zug Springer bewacht, die nachts nicht schlafen, weil sie einen Likör aus Nuch-Nuch-Nüssen trinken."'

Der hölzerne Bote erklärte den Kindern, was das für Nüsse seien und wie sie wirkten. Nach diesen wertvollen Auskünften wandte sich der Abgesandte Kaggi-Karrs mit einem Ruck um, setzte sich in Trab und war im nächsten Augenblick verschwunden. Schlimme Vorahnungen bemächtigten sich Anns und Tims. Der Weg lag nach wie vor friedlich vor ihnen, aber die Nachricht, daß irgendwo Feinde lauerten, hatte ihre Stimmung verändert. Die Unruhe schärfte alle Sinne der Kinder, die jetzt wachsam in die Ferne blickten.

Nach einem langen Marsch übernachteten sie in einer Hütte, die einzustürzen drohte. Hier hatte einst der Eiserne Holzfäller gewohnt. Auf einem Wandbrett stand noch die verstaubte Kanne mit dem Öl, das er zum Schmieren seiner eisernen Gelenke benutzt hatte.

DER REIF BEGINNT ZU WIRKEN

Am folgenden Tag setzten die Kinder den Weg mit großer Vorsicht fort. Wo er gerade war, hielten sie mit dem Fernrohr Ausschau, und an den Krümmungen schickten sie Arto voraus, der sich geräuschlos durch die Büsche pirschte und die Lage auskundschaftete.

Nach einem dieser Aufklärungsunternehmen kehrte Arto hechelnd und mit gesträubtem Fell zurück.

„Feinde!" meldete er kurz. „Ein volles Dutzend. Sie lagern am Straßenrand!" Es wurde sofort ein Kriegsrat abgehalten, an dem auch die Maultiere teilnahmen, weil Hannibal gesagt hatte: „Da wir die Namen berühmter Feldherren tragen, ist es nur gerecht, daß wir in militärischen Angelegenheiten mitreden", wogegen Tim und Ann nichts einzuwenden hatten.

„Wie sind die Springer bewaffnet?" fragte das Mädchen. „Sie haben Schleudern und schwere Keulen", erwiderte das Hündchen. Cäsar sagte:

„Hannibal und ich können an den Wachen so schnell vorbeisprengen, daß sie nicht dazukommen, die Waffen zu heben. Wollt ihr euch davon überzeugen?"

„Um einen Stein in den Rücken zu bekommen, ja? Danke schön!" sagte Ann.

„Außerdem darf Urfin nicht erfahren, daß wir im Zauberland sind, sonst wird er sich in acht nehmen und wir werden es viel schwerer haben, die Vorhersage des Zauberbuchs in Erfüllung gehen zu lassen."

„Wir könnten einen Bogen um den Feind machen", sagte Tim.

„Das geht nicht, weil der Wald zu dicht ist", entgegnete Arto.

Alle dachten angestrengt nach, dann rief Ann aus: „Ei, wie dumm wir doch sind! Wir haben den Reif völlig vergessen! Er kann uns ja unsichtbar machen!"

Damit die Marranen nichts hörten, zogen die Kinder ihre Schuhe aus und hüllten die Hufe der Maultiere in Blätter, die sie mit Lianen umwanden.

Um den Plan auszuprobieren, nahmen sich die Kinder bei den Händen und führten die Maultiere am Halfter hinter sich. Als sie sich Arto näherten, der den Beobachter spielte, berührte Ann den großen Rubin des Reifs.

„Nichts zu sehen und nichts zu hören!" rief Arto freudig. Hatte der Hund mit seinen scharfen Augen und der feinen Nase nichts gemerkt, so konnte die Vorhut der Springer erst recht nichts sehen oder hören. Die List hatte sich bewährt. Kurze Zeit später hörten Ann und Tim das Getrampel zahlreicher Füße und den Lärm vieler Stimmen. In der Ferne wurde der große Marranentrupp sichtbar, den Urfin gegen die Käuer und Zwinkerer ausgeschickt hatte. Der Weg war hier viel zu schmal, als daß die Kinder den Soldaten hätten ausweichen können. Zum Glück hatten sie etwa 50 Schritt vorher einen Pfad in den Wald abbiegen sehen. Auf diesen zogen sie sich nun zurück, und Ann berührte erneut den Rubin.

Drei Züge von Urfins Armee zogen lachend und schwätzend an der kleinen Schar vorbei, und keiner der Soldaten ahnte, daß sich in der Nähe Feinde verbargen. Am Abend des nächsten Tages erreichten die Kinder den Großen Fluß. Da die Überfahrt, wie sie von Rellem wußten, bewacht war, bogen sie vom Weg ab und ritten am Ufer entlang, bis sie eine Stelle fanden, die sie, ohne absteigen zu müssen, leicht überquerten.

Bis zur Smaragdeninsel waren es jetzt zwei Tagereisen zu Fuß, aber nur ein paar Stunden zu Pferd. In dieser dicht bevölkerten Gegend mußte man gut aufpassen, denn überall trieben sich Springer herum, denen unter die Augen zu kommen nicht ratsam war. Selbst die Einwohner des Smaragdenlandes würden, wenn sie einem Mädchen begegneten, das Elli wie aus dem Gesicht geschnitten war, überall davon erzählen, was Urfin zu Ohren kommen konnte. Deshalb beschlossen die Kinder, den Weg zu Fuß zurückzulegen, um die Zauberkraft des Reifs besser nutzen zu können. Sie überlegten, was sie mit den Maultieren anfangen sollten. Sie in die Sonne zu stellen war gefährlich, denn die Tiere würden sich so sehr aufladen, daß keine Fessel sie würde halten können.

Tim legte Cäsar und Hannibal ins schattige Dickicht, band ihnen auf alle Fälle die Beine zusammen und bedeckte sie mit Zweigen und Laub, damit kein Vorübergehender sie bemerke.

Dann legten die Kinder das Allernotwendigste in ihre Rucksäcke und baten die Tiere, so lange auf sie zu warten, bis sie zurückkehrten, selbst wenn das eine geraume Weile dauern sollte.

Nach dem Abschied von den treuen mechanischen Gefährten kehrten Ann und Tim auf die GBP-Straße zurück und nahmen, unsichtbar für die Umgebung, Kurs auf die Smaragdeninsel.

Hier war alles grün. In grünen Hainen standen Farmerhäuser mit grellgrünen Wänden und blaßgrünen Dächern. Die Einfriedungen der Gärten und Felder waren meergrün und die Wegweiser hatten einen dunkelgrünen Anstrich.

Von ihrer Schwester wußte Ann, daß auch in der Kleidung der Einwohner die grüne Farbe vorherrschte. Aber die wenigen Farmer, denen die Kinder begegneten, hatten nur Fetzen am Leibe, deren Farbe schwer zu erkennen war. Die Marranen hatten ihnen nicht nur Hab und Gut, sondern auch die letzten Kleider geraubt.

OICHOS KAMPFTATEN

Das von Urfin zur Eroberung des Blauen Landes ausgesandte Marranenregiment befehligte Oberst Chart, ein breitschultriger, gedrungener Kerl mit riesigen Fäusten. Die tiefe Furche in seiner Stirn verriet, daß er viele Jahre Sklave gewesen war -wahrscheinlich hatte er es mit dem Wetten zu weit getrieben.

Vor dem Erzgräberdorf stellten sich die Kolonnen auf. Chart schickte Kundschafter aus, die bald mit der Meldung zurückkehrten, daß sie niemandem begegnet seien. Nur habe ihnen eine Anlage, sagten sie, die sie sich nicht zu erklären wußten, den Weg versperrt. Das Regiment rückte gegen das Dorf vor, aber hinter einer Wegkrümmung stieß es auf eine Barrikade, die ihm Einhalt gebot. Die Erzgräber hatten in Erwartung des Feindes die Zeit nicht vertrödelt.

Am Dorfrand erhob sich ein Wall aus Baumstämmen, eisernen Pflügen, umgekippten scharfzähnigen Eggen, massiven Wandschränken und Gartenbänken.

Zu beiden Seiten des Walls klafften tiefe Gräben, aus deren Boden spitze Pfähle ragten.

Während Chart überlegte, was er unternehmen solle, erschien auf der Barrikade ein hagerer Mann mit wallendem weißem Bart. Es war Ruschero.

„Menschen aus fernem Lande, was sucht ihr hier?" fragte er laut.

Da trat Oberst Chart vor und rief

„Im Namen seiner Majestät Königs Urfin I. fordere ich euch auf, die Waffen zu strecken und euch zu ergeben!"

„Welchen Nutzen werden wir davon haben?' fragte Ruschero. „Na, welchen..." In diplomatischen Verhandlungen unerfahren, stockte Chart. „Ihr werdet dem Großen Urfin Steuern entrichten und dafür wird er euer Land vor Feinden schützen..."'

Ruschero lachte schallend:

„Wir leben seit acht Jahren hier, und es ist das erstemal, daß wir Feinde sehen. Diese Feinde seid ihr! Ihr werdet uns doch nicht vor euch selbst schützen wollen, wie?"

Der Oberst sah, daß er im Wortgefecht den kürzeren zog, und wurde wütend. „Halt den Mund!" brüllte er, und, zu den Soldaten gewandt, „schlagt ihn tot, Leute!"

Aber ehe die Soldaten die Waffen erheben konnten, verschwand Ruschero hinter der Barrikade, aus der plötzlich kalte Wasserstrahlen hervorschossen, die die verdutzten Marranen umwarfen und sie bis auf die Haut durchnäßten.

Das war die erste Überraschung der Erzgräber, die aus ihren Gärten Pumpen herbeigeschafft und Fässer mit Wasser bereitgestellt hatten, das jetzt den kriegerischen Eifer der Marranen abkühlte.

Die Soldaten glitten in den Pfützen aus, stolperten übereinander, fielen, erhoben sich wieder und wichen entsetzt zurück. Chart und seine Zugführer hatten Mühe, die Reihen ihrer Männer leidlich wieder in Ordnung zu bringen. Wütend schüttelte der Oberst die Fäuste.

„Das sollt ihr mir büßen!" drohte er den unsichtbaren Verteidigern.

Die heiße Sonne des Zauberlandes trocknete rasch die Kleider der Marranen, und die Truppe ging erneut zum Angriff über.

Der Wasservorrat der Erzgräber war verbraucht, und die dünnen Strahlen, die stellenweise noch hervorsickerten, konnten den Angreifern nichts anhaben. An Baumzweigen, Pfluggriffen und anderen Vorsprüngen kletterten die Marranen die Barrikade hinauf. Doch als sie sie fast erklettert hatten, setzte die zweite Überraschung Ruscheros ein.

Aus dem nahen Dickicht schoß mit gefletschten Zähnen ein riesiger Drache hervor, der sich auf den Feind stürzte. Der uralte Stamm der fliegenden Drachen war zu jener Zeit fast ausgestorben. Nur im feuchten Halbdunkel des unterirdischen Landes hatten sich einige Exemplare erhalten, die von den Erzgräbern noch unter der Regierung der Könige gezähmt und von den königlichen Wachen beim Patrouillendienst benutzt worden waren. Der zahmste und aufgeweckteste unter den Drachen war Oicho, der Elli nach ihrem dritten Besuch im Zauberland heimgeflogen hatte. Diesen Oicho hatten die Erzgräber nun aus der Höhle geholt und in den Kampf geschickt. Auf seinem Rücken saß Mentacho. Mentacho war jetzt zwar Weber, aber als Sproß eines Königsgeschlechts hatte er seinerzeit eine gute militärische Ausbildung erhalten. Als die Erzgräber in höchster Gefahr schwebten, traten seine alten militärischen Erfahrungen wieder zutage.

Das Ungeheuer hätte die Marranen haufenweise vernichten können, doch einen solchen Befehl hatte man ihm nicht gegeben. Der kluge Ruschero wußte, daß allein der ehrgeizige Urfin die Schuld an allem Unheil im Zauberland trug und die Springer lediglich seine betrogenen Opfer waren. Deshalb hatte der Herrscher der Erzgräber dem Drachen und seinem Reiter Befehl erteilt, unter den Scharen der Feinde Panik zu entfachen und sie in die Flucht zu schlagen.

Mentacho führte seinen Auftrag glänzend aus. Er begriff, daß die Angreifer vor allem ihrer Führung beraubt werden mußten. Mit seinem geübten Auge erspähte er im feindlichen Heerhaufen den Obersten, der seine Kolonnen wieder zu ordnen suchte. Auf Mentachos Befehl packte der Drache mit seinen mächtigen Tatzen den Obersten und setzte ihn auf dem Wipfel einer hohen Palme ab. Dasselbe tat er mit den Hauptleuten

und Zugführern. Da die Stämme der Palmen astlos waren, konnten die Unglücklichen nicht hinabklettern. Erst als die Soldaten sich verlaufen hatten, holten die Erzgräber den Obersten und seine Offiziere von den Bäumen herunter.

Oicho fegte über die Straße, auf der die Marranen entsetzt flohen. Wie ein Pfeil schoß er im Sturzflug auf den einen oder anderen Soldaten zu und tat so, als wolle er ihn zerreißen.

Dann traten aus den Büschen brüllende Sechsfüßer hervor, auf deren Rücken Männer saßen. Das war- die dritte und letzte Überraschung Ruscheros.

Die feindliche Truppe hatte eine vernichtende Niederlage erlitten. Hunderte Marranen warfen ihre Waffen fort und verkrochen sich in den Wäldern.

Noch lange Zeit später trieben sich halbnackte Gestalten auf den Straßen des Blauen Landes.herum. Manche klopfen an die Türen der Farmerhäuser und baten mit zitternder Stimme, man möge ihnen etwas zu essen und ein Obdach für die Nacht geben.

Nach der Schlacht schickte Ruschero einen Boten mit der Siegesnachricht zu Prem Kokus. Die Käuer, die ihre Häuser verlassen und im wilden Wald Zuflucht gefunden hatten, kehrten freudig wieder heim.

Versprengte Marranen schleppten sich auf dem GBP-Weg nach Osten in Richtung der Smaragdeninsel. Sie beeilten sich nicht, denn als geschlagene Krieger fürchteten sie, dem grimmigen Urfin unter die Augen zu treten.

URFINS NEUE SORGEN

Als Urfin die Smaragdenstadt zum erstenmal erobert hatte, fanden sich unter ihren Einwohnern Überläufer, die ihm zu dienen bereit waren. Der erste unter ihnen war Ruf Bilan, den Urfin in den Rang des obersten Zeremonienmeisters erhob. Nach Urfins Sturz floh Ruf Bilan in das unterirdische Land, wo er neue Verbrechen beging, für die er zu 10 Jahren Schlaf verurteilt wurde. Die Strafe wurde mit Hilfe des Zauberwassers vollstreckt.

In der Stadt verblieben jedoch Kabr Gwin, der ehemalige Statthalter des Blauen Landes, Enkin Fled, der in Urfins Namen die Zwinkerer regierte, und andere Verräter. Man hatte ihnen das Leben geschenkt und das Eigentum zurückgegeben, ja, der sanftmütige Scheuch duldete sie sogar bei Hofe, was gewiß ein großer Fehler war. Kaum hatte sich Urfin wieder der Smaragdenstadt bemächtigt, da traten die ehemaligen Minister und Räte vor ihn und sagten, sie seien über seine Rückkehr sehr erfreut. Urfin nahm sie alle wieder in seine Dienste und verlieh ihnen hohe Ämter. Der reiche Kaufmann Kabr Gwin wurde zum obersten Zeremonienmeister und Enkin Fled zum Chef der Polizei ernannt.

Als Urfin die Sachen des Scheuchs in Augenschein nahm, fiel ihm der schöne rosa Kasten mit der Mattscheibe auf. Er versuchte ihn zu öffnen, was ihm jedoch mißlang.

Während er sich damit abmühte, trat Kabr Gwin ins Zimmer.

„Dieser Kasten öffnet sich nicht, Majestät", sagte Gwin ehrerbietig. „Niemand weiß, was drinnen liegt, aber es ist ein magisches Ding."'

„Magisch, sagst du?"

Urfins Augen glänzten. „Ist das vielleicht ein neues Wunder, von dem ich nichts wußte, ein Zaubermittel, das mir nützen könnte?" fragte er.

„Ich habe mehrmals beobachtet", sagte Gwin, wie unser früherer Herrscher allerlei Worte murmelte, worauf sich verschiedene bewegliche Gestalten auf der Scheibe zeigten. Bald war es der Eiserne Holzfäller, bald der Tapfere Löwe, manchmal wart auch Ihr darauf..."' ,Ein Zauberspiegel!' ging es Urfin durch den Sinn. Jetzt verstehe ich, woher der

Scheuch wissen konnte, wo ich mich nach meiner Vertreibung aufhielt. Der Spiegel hat es ihm gesagt. Ich muß unbedingt hinter sein Geheimnis kommen!'

„Was für Worte hat der Scheuch gesprochen?" fragte Juice.

„Niemand hat sie gehört. Er flüsterte nur." „Holt den Scheuch!"

Eine Stunde später stand der ehemalige Herrscher der Insel wieder vor Urfin. Der Scheuch sah jämmerlich aus: seine Gesichtszüge waren verwaschen, und die Beine knickten unter dem aufgedunsenen Körper ein. Allein sein Wille war ungebrochen.

„Was wollt Ihr von mir?" fragte er heiser.

„Ich will, daß Ihr mir das Geheimnis des rosa Kastens verratet. Sagt die magischen Worte - und ich lasse Euch frei. Mehr noch: Ich werde auch Euren Freund, den Holzfäller, freilassen. Ich weiß, wie er unter der Gefangenschaft leidet." ,Ich werde ihm die Freiheit geben, aber er soll unter strenger Aufsicht bleiben', dachte Urfin bei sich.

„Und wenn ich mich weigere?"

„Dann lasse ich Euch verbrennen und die Asche in den Wind streuen!"

„Tut es doch, verbrennt mich! Vielleicht wird der Wind, der meine Asche zerweht,

Euch die magischen Worte verraten!"

Weder gütiges Zureden noch Drohungen konnten den Scheuch dazu bringen, das Geheimnis zu verraten.

In den Keller zurückgebracht, teilte er dem Holzfäller die magischen Worte mit, damit das Geheimnis des Zauberkastens nicht verlorengehe, falls der erboste Urfin ihn, den Scheuch, verbrennen sollte.

Urfin wollte aber das Geheimnis des Kastens um jeden Preis erfahren. Das war für ihn sehr wichtig, da der Strahlenglanz des Feuergottes, mit dem er sich umgeben hatte, in den Augen der Marranen allmählich verblaßte. Zwar konnte der große Urfin nach wie vor durch eine Handbewegung Feuer erzeugen, doch mittlerweile hatten die Marranen gesehen, daß auch die Einwohner des Violetten Landes und der Smaragdenstadt dieses Zaubers mächtig waren. Sie brauchten nur ein Holzstäbchen an die geschwärzte Seite eines kleinen Schächtelchens zu reiben, damit das Ende des Stäbchens zu brennen begann. Die Käuer nannten diese geheimnisvollen Stäbchen Streichhölzer. Sind denn die Untertanen des Holzfällers und des Scheuchs auch Feuergötter?' frugen sich die Marranen, unter denen es bereits einige beherzte Männer gab, die mit Streichhölzern gleichfalls Feuer zu erzeugen wußten.

Zwar ahnten die Marranen noch nicht, daß man sie betrogen hatte, aber dieser Gedanke keimte in ihnen bereits. Das konnte Urfin fast jeden Abend von seinem Hauptspion, dem Clown Eot Ling, hören. Es bestand aller Grund, eine Erhebung dieses mutigen Volkes zu befürchten.

Aller dieser Sorgen wäre Urfin enthoben, wüßte er das Geheimnis des rosa Kastens. Dann könnte er jedem seiner Untertanen sagen, was dieser, ganz gleich, zu welcher Stunde oder an welchem Ort, getan habe. Durch diese Allwissenheit würde er die Marranen in ihrem Glauben an seine Gottheit bestärken. Urfin verfiel auf den törichten Gedanken, er könnte das Geheimnis des Kastens ergründen, wenn er viele Worte in verschiedener Reihenfolge spreche. So setzte er sich denn vor den Fernseher und murmelte:

„Hüte-Zelte, Morgenröte-Dämmerung, Pufiki-Mufiki, Zug-Ruck... Kasten, Liebchen, zeig mir ein Bildchen!... Kalamas-palamas, trala-la-lalala... Klötzchen-Klotz, rosarotes Holz, Kasten, Freundchen, zeige mir die Leutchen!..." Der Kasten blieb jedoch stumm und finster.

Urfin wollte nicht begreifen, daß er, selbst wenn er Millionen Jahre diese sinnlosen Worte murmelte, seinem Ziel genau so fern bleiben würde wie ein Wanderer, der es sich in den Kopf gesetzt hätte, auf Schusters Rappen ans Ende der Welt zu gelangen. Als alle Beschwörungen nichts fruchteten, warf Urfin den Kasten zu Boden und begann ihn mit den Füßen zu treten. Der Kasten blieb jedoch unversehrt. In blinder Wut nahm Urfin einen Hammer und schlug ihn mit aller Wucht gegen die Scheibe. Der Hammer aber prallte zurück und traf Urfin in die Stirn. „Man hole den Scheuch!" brüllte er.

Wieder versuchte Urfin, den ehemaligen Herrscher der Smaragdeninsel zu überreden. Er schmeichelte und drohte ihm-doch alles vergeblich.

Tapfer wahrte der Scheuch sein Geheimnis. Selbst das Angebot Urfins, sich mit ihm in der Herrschaft zu teilen, wies er zurück.

Wie einfach und leicht wäre es für Urfin, den Strohmann zu vernichten, aber auf diese Weise würde er das Geheimnis des Kastens niemals erfahren, und so mußte er denn den Scheuch verschonen.

Wieder und wieder stellte er sich vor die Mattscheibe, starrte sie aus seinen entzündeten Augen an und murmelte sinnlose Worte...

DIE BEGEGNUNG MIT KAGGI-KARR

Ann und Tim erreichten unversehrt die Smaragdeninsel. Durch den Zauberreif unsichtbar gemacht, gingen sie Hand in Hand und trugen abwechselnd das Hündchen. Unsichtbar für die Umgebung beobachteten sie aufmerksam alles, was ringsum geschah. Eine verlassene Farm, unweit des Kanals, bot ihnen Unterschlupf. Über die Verwandlung der Smaragdenstadt in eine Insel wunderten sich die Kinder nicht, denn sie waren von den Käuern darüber unterrichtet worden. Im Häuschen nahm Ann den Reif ab - sie konnte ihn ja jederzeit wieder aufsetzen, wenn sich ein Fremder in der Nähe zeigen sollte.

Die Kinder aßen das trockene Brot, das sie noch von den Erzgräbern hatten, und warfen die Krümmel zum Fenster hinaus - für die Vögel. Plötzlich hörten sie Flügel rauschen, und auf dem Fensterbrett zeigte sich eine große Krähe, die sie aus schwarzen Äuglein verschmitzt anblickte.

„Endlich seid ihr da!" rief sie. „Ich erwarte euch schon sehnsüchtig!"' „Ihr seid wohl Kaggi-Karr?" fragte das Mädchen.

Ann wagte es nicht, die Krähe zu duzen, denn diese trug doch den Titel eines Herrschers der Smaragdeninsel, wenn auch nur zeitweilig. Die Krähe nickte.

„Woher wußet Ihr, daß wir im Zauberland sind?" Kaggi-Karr lachte. „Meine liebe Ann! Du hast gar keine Ahnung, was für Kundschafter die Vögel sind! Als ihr am Lagerfeuer saßest und über eure Angelegenheiten spracht, trieb sich in der Nähe ein unscheinbarer Spatz herum. Ihr konntet natürlich nicht ahnen, daß dieser Spatz sich jedes eurer Worte einprägte. Dann flog das Vögelchen zum nächsten Posten und erzählte Wort für Wort, was es gehört hatte. So wurde die Nachricht auf schnellen Flügeln weitergetragen, und ehe der Tag um war, wußte ich als Leiterin der Vogelstaffel - heute bin ich stellvertretend auch zeitweilige Herrscherin der Smaragdeninsel-über alles Bescheid."' Ann und Tim waren starr vor Staunen.

„Hat dir deine Schwester denn nicht erzählt", führ die Krähe fort, „welche Dienste die Vogelstaffel ihr und dem

Riesen von der anderen Seite der Berge im Krieg mit Urfin Juice und seinen Holzköpfen erwiesen hat?"

„Ich kann mich nicht mehr erinnern", murmelte das Mädchen.

„Da habt ihr die menschliche Dankbarkeit!" sagte KaggiKarr vorwurfsvoll.

„Aber lassen wir das. Ich bin sehr froh, daß du, Ann, dein Freund Tim und das

Hündchen Arto endlich da seid. Nur eins kann ich nicht verstehen: Wie habt ihr in

Kansas erfahren, daß wir wieder in Not sind und Hilfe brauchen?"

Bei diesen Worten sprang Kaggi-Karr dem Mädchen auf den Schoß und schmiegte sich

an, als erwarte sie, liebkost zu werden. Ergriffen von dieser Zärtlichkeit, streichelte Ann

das glatte Gefieder des Vogels.

„Das kam zufällig", sagte sie. „Wir hatten keine Ahnung, daß der böse Urfin die Macht wieder an sich gerissen und den Scheuch und den Eisernen Holzfäller erneut gefangenhielt."

Ann erzählte ausführlich von ihrem Wunschtraum, das Zauberland zu besuchen, von den mechanischen Maultieren, die Fred Cunning angefertigt hatte, und davon, wie sie und Tim die schwarzen Steine Gingemas überlistet hatten... Zuletzt führte Ann der Krähe noch den Zauber des Silberreifs vor.

„Bei allen Segeln der Welt, hätte dein Onkel, der Riese von der anderen Seite der Berge, gesagt", rief die Krähe aus, als das niedliche Gesichtchen Anns wieder auftauchte. „Das ist die wunderbarste Geschichte, die ich jemals gehört habe! Vom Silberreif hatten die Vögel mir erzählt, aber eins ist es, zu hören, etwas ganz anderes aber, selbst zu sehen. Mit dem Reif werden wir den tückischen Landräuber bestimmt besiegen und unsere Freunde befreien! In der Nähe des Stadttores steht ein alter Turm, in dessen Keller der Eiserne Holzfäller und der Scheuch eingesperrt sind. Noch weiß ich nicht, wo sich Faramant und Din Gior befinden, aber mit Hilfe des Zauberkastens werden wir auch das herausbekommen."

In wenigen Worten unterrichtete Kaggi-Karr ihre neuen Freunde über den rosa Kasten und seine Eigenschaften. Man beschloß, daß die Krähe auskundschaften solle, wo sich der Fernseher befinde. Zu bedenken war freilich, daß Urfin die Krähe kannte und bei ihrem Anblick Verdacht schöpfen würde.

„Ihr könnt ja unsichtbar hinfliegen", sagte. Ann. Kaggi-Karr plusterte sich auf vor Stolz. Das Mädchen legte ihr den Silberreif auf, der sich sogleich zusammenzog und genau auf den Hals der Krähe paßte. Dann berührte Ann den Rubinstern, worauf der Vogel verschwand. Nur am Flügelschlag war zu erkennen, daß er fortflog. Eine geschlagene Stunde blieb Kaggi-Karr weg, und diese Stunde kam Ann und Tim schrecklich lange vor. Dann kündigte der bekannte Flügelschlag die Rückkehr der Kundschaferin an. Den Reif absetzend, erstattete Kaggi-Karr Bericht. Der Kasten, sagte sie, stehe in einer Wandnische des Thronsaales. Hätten ihre Kräfte ausgereicht, sie hätte ihn mitnehmen und herbringen können, denn der Thronsaal war völlig leer.

An diesem Tag war an einen erneuten Flug in den Palast nicht mehr zu denken, denn die Sonne ging bereits unter. Tim sagte, er wolle am nächsten Morgen selbst hingehen, nur müsse ihm Kaggi-Karr den Weg zeigen.

DIE KÖNIGIN DER FELDMÄUSE

Den Talisman auf dem Kopf und die Krähe auf der Schulter, machte sich Tim am nächsten Morgen auf den Weg. Ann blieb unter dem Schutz Artos zurück. Falls ihnen Gefahr drohen sollte, sagte Tim, sollten sie sich sofort im Keller verstecken. Früher war jeder, der in die Smaragdenstadt kam, verblüfft gewesen von ihrer Pracht: den schönen Häuserfassaden, den Springbrunnen, den wehenden Fahnen, den funkelnden Smaragden und dem wogenden Strom der Menschen in den bunten, schönen Kleidern...

Die Herrschaft Urfins hatte all dem ein Ende gemacht. Die Fahnen waren eingezogen, die Springbrunnen versiegt, die Smaragden waren aus den Fassaden herausgebrochen und in der königlichen Abstellkammer versteckt, die Einwohner aus der Stadt vertrieben worden. In den Straßen konnte man lediglich Marranen mit ihren großen Köpfen sehen. Tim paßte auf, daß es zu keiner unerwünschten Begegnung kam. Er hatte mit der Krähe ausgemacht, daß sie mit dem Schnabel sein rechtes oder linkes Ohr berühre, wenn er nach rechts oder links einschwenken solle. Das war ein guter Einfall, den die krächzende Stimme der Krähe, die beim besten Willen nicht leise sprechen konnte, wäre der Umgebung bestimmt aufgefallen.

Von der Krähe geleitet, erreichte Tim ohne Zwischenfall den Thronsaal, der glücklicherweise leer war. Augenblicklich nahm der Junge den magischen Kasten aus der Nische und wandte sich dem Ausgang zu. In diesem Augenblick wurden Schritte hörbar. Tim blieb wie angewurzelt stehen, da trat Urfin in den Saal. Der Junge erkannte ihn an den grellen Kleidern, den buschigen schwarzen Brauen und dem bösen Blick. Dem Jungen kam der verwegene Gedanke, der Herrschaft des Bösewichts mit einem Schlag ein Ende zu machen.

,Wenn ich ihn erschlage, sind wir alle Sorgen los... Zwar habe ich keine Waffe, aber mit diesem schweren Kasten wird es sich doch auch machen lassen!' ging es ihm durch den Kopf.

Ohne lange zu überlegen, erhob der kräftige Junge den Fernseher und schlug ihn mit aller Wucht auf den Kopf des Königs. Urfin fiel mit einem Aufschrei zu Boden. Sein Schädel war jedoch viel härter, als Tim gedacht hatte, und außerdem hatte der Kasten ihn nicht voll getroffen, sondern nur gestreift.

Auf den Schrei hin stürzten Kabr Gwin, Enkin Fred und Wachen in den Saal.

„Alle Türen und Fenster schließen! Feinde sind in den Palast eingedrungen!" brüllte der

König.

Um die Aufmerksamkeit Urfins und seines Gefolges abzulenken, löste sich Kaggi-Karr von Tims Schulter und flog kreischend durch den Saal. Gwin und die Marranen stürzten ihr nach, und es entstand ein entsetzlicher Tumult.

Unterdessen rannte der unsichtbare Tim durch Fluren und Hallen in der Hoffnung, den Ausgang zu finden. Etwa fünf Minuten narrte die umherflatternde Kaggi-Karr die Häscher und entkam schließlich durch eine offene Fensterklappe. Aufgeregt und zerzaust kehrte sie in das Häuschen zurück, in dem sich Ann und Arto verbargen. „Was ist geschehen? Wo ist Tim? Habt ihr den Kasten gefunden?" rief das Mädchen entsetzt.

Als die Krähe ihr den Vorfall erzählte, schlug es die Hände über den Kopf zusammen: „Oh, der Unglückliche! Er ist verloren!"

„Möglich", sagte Kaggi-Karr trocken. „Ich habe die Leute zwar eine Zeit lang abgelenkt, aber Tim konnte sich verirrt haben und ihnen in die Hände gefallen sein..."' Ann begann bitter zu weinen.

„Heule nicht, da bin ich!" hörte sie plötzlich Tims Stimme.

Da stand er nun im Türrahmen, den rosa Kasten in den Händen. Er war gerade in dem Augenblick aus dem Fenster gesprungen, als der Herrscher es zuschlagen wollte. Das Mädchen freute sich sehr, obwohl es Tim wegen seines Leichtsinns schalt. „Was hast du nur angerichtet!" rief Ann. „Jetzt weiß Urfin, daß Freunde des Scheuchs auf der Insel sind, und er wird bestimmt seine Vorkehrungen treffen." Tim wurde abwechselnd rot und blaß vor Reue. Doch dann entgegnete er: „Nach dem Verschwinden des Kastens hätte Urfin sowieso Verdacht geschöpft." „Ja, aber das hätte noch eine Weile gedauert. Außerdem hätte er ja alles mögliche annehmen können, jetzt aber weiß er, woran er ist."

„Und ob-nach dieser Kopfnuß!" rief die Krähe. Über diese Worte begannen unsere Freunde schallend zu lachen. Sie stellten sich lebhaft das Entsetzen Urfins vor, als ihn der Schlag aus dem Nichts traf. Tim sagte:

„Ich hätte nicht gedacht, daß dieser Schuft einen so harten Schädel hat!"

Diese Worte lösten wieder Heiterkeit aus.

„Jetzt müssen wir aber handeln", sagte Ann besorgt.

„Ich fürchte, Urfin wird den Scheuch in ein anderes Gefängnis bringen lassen, und wir werden den Kasten nicht nutzen können, weil wir die magischen Worte nicht kennen." „Sagt einmal, ist das nicht Raminas Pfeife?" fragte die Krähe, auf die Silberpfeife am Hals des Mädchens weisend. „Ja", antwortete Ann. „Die hat mir meine Schwester geschenkt."

„Warum zauderst du dann?" rief die Krähe ungeduldig. „Ruf doch die Königin der Feldmäuse! Ramina wird uns bestimmt helfen!"

Ann schämte sich, nicht selbst daraufgekommen zu sein. Sie blies dreimal in die Pfeife, worauf ein Scharren hörbar wurde... Tim konnte Arto, dessen Jagdinstinkt plötzlich erwachte, gerade noch am Halsband packen, da stand schon die Mäusekönigin vor ihnen.

„Verzeiht, Eure Majestät, die Unhöflichkeit des Hundes", sagte Ann zu der Königin. „Ich habe Euch gerufen, weil wir dringend Eure Hilfe brauchen." Ramina erkannte sofort, daß es nicht Elli war, die zu ihr sprach. „Guten Tag, meine Liebe", sagte sie. „Ich bin über Eure Ankunft längst unterrichtet, nur geziemte es meiner Würde nicht, ungerufen zu kommen. Ihr seid natürlich Ellis Schwester. Wie heißt Ihr doch?"

Ann nannte ihren Namen und stellte der- Königin auch Tim und Arto vor. In wenigen Worten erklärte sie, was sie von der Königin begehrte. Ramina überlegte. „Der Scheuch ist im Keller eines alten Turms eingesperrt. Ihr wollt die Worte wissen, die den rosa Kasten in Wirkung setzen, nicht wahr? Nun, Ihr sollt sie erfahren!" Die Königin verschwand so plötzlich, daß Arto, der sich losgerissen hatte, mit den Zähnen nur die Luft schnappte. Ramina, eine mächtige Fee, besaß unter anderem die Fähigkeit, sich augenblicklich an jeden beliebigen Ort zu versetzen. Eine Sekunde später befand sie sich schon in dem Keller, in dem der Holzfäller und der Scheuch lagen. Ungestüm begrüßten sie die Königin. Als sie erfuhren, wer sie zu ihnen geschickt hatte, kannte ihre Freude keine Grenzen.

„Ann Smith, die Schwester unserer lieben kleinen Elli, ist von der anderen Seite der Berge mit einem wunderbaren Pferd, das Sonnenstrahlen frißt, zu uns gekommen! Oh-hoho-ho, wie ich mich freue!"

Der Scheuch sang und hüpfte, obwohl seine schwachen Beine ihm kaum gehorchten. Der Holzfäller aber legte die Hand auf die Brust und rief: „Oh, wieviel Liebe und Zärtlichkeit birgt meine Brust! Ich will meine Gefühle unserer neuen Freundin schenken, der Schwester unserer lieben Elli!" Auf Raminas Bitte sprach der Scheuch die magischen Worte. „Werden Eure Majestät sie auch nicht vergessen?" fragte er. „Keine Sorge, ich habe ein gutes Gedächtnis", kicherte die Königin und verschwand. Das geschah keinen Augenblick zu früh, denn hinter der Tür wurden laute Stimmen hörbar. Sie rührten von den Marranen her die gekommen waren, um die Häftlinge in ein anderes Gefängnis zu überführen. Allerdings konnte das Urfin jetzt nichts mehr nützen. Ramina kehrte zu Ann und Tim zurück. Alle Anwesenden, einschließlich der Krähe und des Hündchens, lernten die Zauberworte auswendig, denn man konnte nicht wissen, ob dem einen oder anderen nicht etwas zustoßen werde. Die Königin erkundigte sich nach dem Schicksal ihrer Bekannten im Lande, jenseits der Berge, wobei die meisten Fragen natürlich Elli betrafen.

„Ich habe ihr prophezeit, daß sie in das Zauberland nicht mehr zurückkehren wird, und meine Vorhersage hat sich bewahrheitet", sagte Ramina stolz. „Wir Feen haben die Gabe, die Zukunft vorauszusehen."

Auf die Frage, wie der Kampf Anns und ihrer Freunde gegen Urfin ausgehen werde, blieb Ramina jedoch die Antwort schuldig.

Ann erzählte, daß Elli im College studiere und bald Lehrerin sein würde, was die Königin sehr löblich fand. „Elli ist so zärtlich und lieb zu den Kindern, daß sie bestimmt eine hervorragende Lehrerin sein wird", versicherte Ramina. Dann fragte sie noch, wie es dem einbeinigen Seemann Charlie Black und dem wackeren Fred Cunning gehe. „Prächtige Burschen - sie verdienen es, glücklich zu sein", sagte Ramina.

Als sie erfuhr, daß Fred die wunderbaren Maultiere hergestellt hatte, mit denen Ann und Tim in das Zauberland gekommen waren, begehrte Ramina, sie zu sehen. Ann versprach, ihren Wunsch zu erfüllen.

Man trennte sich sehr freundschaftlich. Die Abschiedsszene wurde allerdings von Arto verdorben, der sich wieder losgerissen hatte und laut bellte.

IM NEUEN GEFÄNGNIS

Nach dem Abgang der Mäusekönigin beschloß Ann den Fernseher auszuprobieren, da sie befürchtete, daß er beim Handgemenge im Palast beschädigt worden sei. Sie stellte den Kasten auf den wackligen Tisch, der im Zimmer stand, und sprach erregt die Zauberworte: „Birelija-turelija, buridakl-furidakl,

Es röte sich der Himmel, es grüne das Gras, Kasten, Kästchen, zeig mir bitte dies und das!"

Die Mattscheibe begann zu flimmern und zeigte einen Weg, auf dem der Holzfäller und der Scheuch, von Wachen umgeben, dahinwankten. „Man bringt sie in ein anderes Gefängnis!" rief. Ann. Auf den Holzfäller gestützt, schleppte sich der Scheuch mühsam dahin. Seine Beine knickten bei jedem Schritt ein, und der Kopf lag ihm fast auf der Brust. Man sah, daß er völlig erschöpft war. Nicht viel besser stand es um den Holzfäller. Selbst im Apparat konnte man seine ungeölten Gelenke knacken hören.

Obwohl Ann den Scheuch zum erstenmal sah, erkannte sie ihn sofort - nicht umsonst hatte die Schwester ihr so oft von ihm erzählt. Ja, ihr schien sogar, als

habe sie viele Male neben ihm gesessen, seine molligen Hände gehalten und ihm den klugen, sägespänegefüllten Kopf gestreichelt...

„Du Armer", flüsterte Ann unter Tränen. „Was haben sie nur aus dir gemacht!"' Man hörte, wie der Holzfäller seinem Gefährten Mut zusprach. Als dies nicht half, nahm der eiserne Mann den Scheuch auf die Arme und trug ihn, wie eine liebevolle Mutter ein krankes Kind.

Wackerer Holzfäller! Dein liebevolles Herz war immer treu, selbst in den schwersten Stunden... Ach, würden die Menschen aus. Fleisch und Blut sich so verhalten wie du, wieviel schöner wäre das Leben auf Erden! Die zeitweilige Herrscherin der Smaragdeninsel, die weniger empfindlich war als die anderen Zuschauer, beobachtete kühl, wohin die Marranen die Häftlinge führten. Von Zeit zu Zeit krächzte sie leise:

„Kreuzung der zwei Eichen... Erdbeerhügelfarm.. . Und jetzt? Ach so, da ist ja die Verliebtenbrücke... Oh, nun weiß ich, wohin man sie führt", rief sie plötzlich freudig: „Auf das Gut von Ol Burn!"

„Worüber freut ihr Euch denn?" fragte Ann mißmutig. „Wie soll ich mich nicht freuen",

erwiderte die Krähe, „wo ich doch jeden Stein und jeden Strauch dort kenne. Wenn man sie jetzt in den Gemüsekeller sperrt... Ganz richtig, da ist er ja schon!"

Kaggi-Karr bog sich vor Lachen.

Auf die stumme Frage ihrer Freunde sagte sie:

„Das Dach dieses Kellers hat ein Loch, durch das ich schon eine Menge Äpfel und Birnen geklaut habe. Ha, ha, ha!"

Anns und Tims Gesichter hellten sich auf. Aus den Worten der Krähe wurde ihnen klar, daß sie von nun an eine Verbindung mit dem Holzfäller und dem Scheuch haben würden. Ihre Freude steigerte sich noch mehr, als der Bildschirm einen Schuppen zeigte, in dem sie Din Gior und Faramant erblickten. Die Kinder erkannten den einen am langen Bart, den anderen an der grünen Brille, die er niemals absetzte. „Hurra!" frohlockte Tim. „Jetzt werden wir sie alle auf einmal befreien!" In der Tat, jetzt war ihre Aufgabe viel leichter. Das Schicksal des langbärtigen Soldaten und des Hüters des Tores hatte ihnen große Sorgen bereitet, um so mehr, als sie nicht wußten, wo sie die beiden suchen sollten. Nun aber hatten sie die Möglichkeit, alle vier mit einem Schlag zu befreien.

Die Kinder baten den Kasten, er möge ihnen auch Urfin Juice zeigen, und im Nu ging ihr Wunsch in Erfüllung. Urfin saß finsteren Angesichts auf seinem Thron. Tim verspürte große Genugtuung, als er eine riesige Beule auf dessen Kopf sah, die der Verband nur schlecht verdeckte. Vor Urfin stand der Polizeichef, der dicke, rotschopfige Enkin Fled.

„Ich fühle", sagte Urfin und rieb sich die Beule, „daß auf der Smaragdeninsel Freunde des Scheuchs, die ich nicht kenne, ihr Unwesen treiben. Vor acht Jahren hätte ich geschworen, daß wir es mit dem Mädchen Elli zu tun haben."'

Um nicht loszuprusten, hielt Ann die Hand vor den Mund.

„Bring die Polizei und alle meine Räte und Anhänger auf die Beine!" fuhr Urfin fort.

„Laß ausrufen, daß ich auf die Köpfe der unbekannten Feinde zehn ... nein, fünf, der größten Smaragde aus meiner Schatzkammer setze!"

Die Krähe bat, auf das Violette Land umzuschalten, denn sie wünschte Lestar zu sehen, den kleinen ruhigen Alten, der, wie Ann aus den Berichten Ellis wußte, ein sehr findiger Ingenieur war.

Der Bildschirm zeigte Lestar auf einem riesigen Erdhaufen, um den sich ein tiefer Graben hinzog, hinter dem steinerne Türmchen mit Schießscharten ragten.

„Sie bauen Befestigungen!" rief Tim. „Rellem hat die Wahrheit gesagt."

,,Habt ihr denn daran gezweifelt?" fragte Kaggi-Karr. „Diese Information hat er doch von mir bekommen!"

Die Krähe hatte vom Scheuch viele unbekannte Wörter übernommen, mit denen sie von Zeit zu Zeit ihre Rede ausschmückte.

Anns Herz begann heftig zu klopfen, als sie hinter dem Erdhaufen den Löwen hervortreten sah. Er sagte zum Ingenieur:

„Freund Lestar, Euer Werk macht gute Fortschritte. Aber seid Ihr sicher, daß Urfin uns nicht überrascht, bevor es fertig ist?"

„Ich habe Vorkehrungen getroffen", erwiderte Lestar. „Die ganze Straße bis zur Smaragdeninsel wird von Vögeln überwacht, denen hölzerne Boten beigegeben sind. Sobald Urfins Armee sich in Marsch setzt, werden wir in wenigen Stunden darüber unterrichtet sein. Vorläufig gibt es keinen Grund zur' Aufregung." „Man sieht, daß er durch die Schule des Feldmarschalls Din Gior gegangen ist", sagte die Krähe voller Hochachtung. „Ich werde Lestar zum zeitweiligen Herrscher des Violetten Landes ernennen. Ich glaube, er ist der geeignete Mann für dieses hohe Amt. Gleich heute will ich den Befehl über die Vogelstaffel weitergeben. Wie ich sehe, ist auch der Löwe eingetroffen. Das lob ich mir. Und jetzt laßt uns mal sehen, wie es bei den Käuern steht. Wie weit mag wohl Oberst Chart gekommen sein?" Wieder hatten die Zuschauer Grund zum Staunen: Der Bildschirm zeigte ein heiteres blaues Dorf. Vor blauen Häusern spielten auf der Straße Kinder in blauen Hemden und blauen Höschen.

Zwei Frauen in blauen Kleidern, die Krüge auf den Köpfen trugen, führten ein Gespräch. Eine von ihnen beendete gerade einen Satz: „... jetzt verstehen Sie, wie ich mich freue, daß wir nicht mehr in dem alten Loch wohnen. Meine kleine Rin hat so schrecklich gehustet..." „Das haben wir den tapferen Erzgräbern zu verdanken", sagte die andere. „Ei, wie sie die frechen, Eroberer verdroschen haben!"

„Ja, es war unser Glück, daß sie die Höhle verlassen und sich in der oberen Welt angesiedelt haben", beendete die erste Frau das Gespräch und ging, den blauen Krug auf ihrem Kopf festhaltend, weiter. Anns und Tims Augen glänzten vor Freude.

„Es sieht aus, als seien die Marranen auch dort besiegt worden. Unfaßbar...", sagte Tim. Ann schaltete den Apparat auf andere Käuerdörfer, und überall konnte man ein Bild friedlicher Arbeit und froher Geschäftigkeit sehen. „Oh, da ist ja die Erzgräberstadt!" rief Ann.

Der Bildschirm zeigte eine Straße mit einem Wall, den Erzgräber auseinandernahmen. Unter ihnen befanden sich gefangene Marranen, die emsig mithalfen. „Hurra! Der Sieg ist unser!" rief Tim ungestüm. Es bestand kein Zweifel mehr, daß Urfins Eroberungspläne sowohl im Osten als auch im Westen gescheitert waren. Die Kinder frohlockten. Nur die Krähe äußerte ihre Unzufriedenheit über die schlecht funktionierende Verbindung auf dieser Linie.

„Ich werde wohl eine Reform durchführen müssen", sagte Kaggi-Karr mit wichtiger Miene. „Man wird ihnen dort einen Verweis erteilen und ' die Führung absetzen müssen."

Ja, die Zeiten hatten sich geändert. Jetzt war es nicht mehr wie vor neun Jahren, als Urfin mit seinen Holzköpfen wie ein Sturm über das Land fegte und sich alles unterwarf.

Die schweren Prüfungen hatten die Völker vieles gelehrt. Die Menschen hatten ihr Schicksal in ihre eigenen Hände genommen und' trotzten dem Eroberer. Auch waren sie jetzt im Kampf gegen den Feind nicht mehr so sehr auf fremde Hilfe angewiesen. Die Aufgabe Anns und ihrer Freunde war nun viel einfacher: Sie mußten vor allen Dingen die Gefangenen befreien und dann Urfin den letzten Schlag versetzen. Es dunkelte, als die Kinder sich vom Fernseher lösten. Zum letztenmal warfen sie noch einen Blick auf den Scheuch und seine Freunde, die in der Gefangenschaft schmachteten. Din Gior und Faramant legten sich schlafen, während der Holzfäller den Scheuch zum Trocknen unter die Strahlen der untergehenden Sonne stellte, die durch das kleine Fenster hereinschien. Ann sagte:

„Kasten, Kästchen, mach jetzt Schluß, wir danken dir für den Genuß!" Der Fernseher erlosch.

„Morgen bei Tagesanbruch", sagte die Krähe, „werde ich zu den Gefangenen fliegen und sie trösten. Ich werde ihnen erzählen, was ich heute gesehen habe." Plötzlich machte sie eine tiefe Verbeugung vor dem Kasten und murmelte: „Verzeih mir dummem Vogel, daß ich so respektlos von dir sprach. Jetzt habe ich mich überzeugt, daß du das größte Wunder in unserem Lande bist!"

DAS SCHLAFWASSER WIRD WIEDER GEBRAUCHT

Am Morgen besuchte Kaggi-Karr die Gefangenen im Schuppen Ol Burns. Eine Flucht war unmöglich, weil der Schuppen dicke Wände und feste Türen hatte, vor denen schlaflose Nuch-Nuch-Trinker Tag und Nacht Wache hielten. Zurückgekehrt erzählte die Kundschafterin, was sie gesehen hatte. Sie beschloß ihren Bericht mit den Worten: „Solange wir die Wachen nicht einschläfern, werden wir unsere Freunde nicht befreien können. Da kann uns nur die Heilige Quelle helfen."'

„Ihr meint die Zauberquelle, mit deren Wasser die unterirdischen Könige eingeschläfert wurden?" fragte Ann. „Genau", erwiderte Kaggi-Karr. „Der Weg ist zwar lang und beschwerlich, aber ich sehe kein anderes Mittel." Das war einleuchtend.

Man beschloß, noch am selben Tag aufzubrechen. KaggiKarr suchte erneut die Gefangenen auf und sagte ihnen, sie sollten sich noch ein paar Tage gedulden. Vor dem Aufbruch wollte Ann noch einmal das Land der unterirdischen Erzgräber sehen, aber der Kasten blieb finster und stumm. Er konnte die Höhle nicht zeigen, weil sie tief unter der Erde lag und keinen Lichtstrahl einließ. Um den schweren Fernseher nicht mitschleppen zu müssen, beschloß man, ihn neben dem Haus zu vergraben. Die Maultiere lagen dort, wo man sie zurückgelassen hatte. Drei Stunden lang hatte sie die Sonne beschienen und derart aufgeladen, daß sie beim Anblick Anns und Tims wie wild zu schnauben und zu wiehern begannen. Ann und Tim, die die Gefangenen möglichst schnell befreien wollten, ließen jede Vorsicht außer acht und ritten in rasendem Galopp. Wie der Wind brausten sie an den Wachtposten vorbei, die kaum die Umrisse der seltsamen Tiere erkennen konnten. Die Disziplin der Wachen hatte stark nachgelassen, woran die versprengten Soldaten aus dem Regiment Charts schuld waren, die schreckliche Geschichten von fliegenden Ungeheuern und sechsfüßigen Tieren erzählten, die immer näher kamen und gewiß bald dasein würden.

Tim war voller Zuversicht. Noch bevor die nicht allzu eifrigen Boten die Smaragdeninsel erreichen und Urfin von der nahenden Gefahr benachrichtigen konnten, würden die Kinder in der Höhle gewesen und mit dem Schlafwasser zurückgekehrt sein. Drei Tage später standen unsere Freunde vor dem Tor des unterirdischen Reichs. Kaggi-Karr sagte, sie wolle lieber draußen warten.

„Ich verspüre keine Lust, mich in dieser Höhle herumzutreiben. Ich habe genug von ihr gesehen, als ich mit dem Scheuch und dem Holzfäller da war", sagte die Krähe mürrisch. „Lieber wärme ich mich derweilen in der Sonne." Ann erschauerte bei dem Gedanken, daß sie bald das wunderbare Land betreten werde, wo ihre Schwester so viele spannende Abenteuer erlebt hatte.

Ewiger Herbst lag über den Fluren und Hügeln des riesigen Reichs, das sich vor den Kindern auftat. Da war alles rot, gelb und braun. Hoch oben rauchten goldgelbe Wolken unter steinernem Gewölbe. Ein majestätisches, aber trauriges Reich... Eiskalt lief es Ann über den Rücken.

„Stell dir nur vor", sagte sie leise zu Tim, „wie viele Geschlechter hier ihr Leben verbracht haben, ohne auch nur einmal das Licht der Sonne zu sehen... Die Armen!" Still und leer lag das Land vor ihnen. Aus weiter Ferne drang der gedämpfte Lärm einer Fabrik, in der Metalle bearbeitet wurden.

Die Maultiere rasten über eine ausgefahrene Straße dahin. Nach und nach begannen sich die Kinder an die Umgebung zu gewöhnen. In der Ferne gewahrten sie die Stadt, in deren Mitte sich der Palast der unterirdischen Könige erhob. Die in allen Farben des Regenbogens gestrichenen Türme waren verblaßt, der Verputz von den Mauern abgebröckelt und viele Ziegel herausgefallen. Die unterirdische Stadt verfiel... Ein Geräusch ließ die Kinder aufblicken. Voller Entsetzen gewahrten sie über ihren Köpfen ein Ungeheuer, das mit ausgebreiteten Flügeln auf sie zukam. Ein Drache!

Ann und Tim schlossen die Augen und bedeckten ihre Gesichter mit den Händen. Ihnen war, als würde der aufgesperrte Rachen des Ungeheuers sie im nächsten Augenblick verschlingen. Da hörten sie eine heisere, aber freundliche Baßstimme, und als sie in die Richtung blickten, aus der sie kam, gewahrten sie einen Mann, der ihnen aus dem Fabriktor entgegenlief. Er fuchtelte mit den Händen und rief „Keine Angst, der Drache tut euch nichts, es ist Oicho!" Ja, das war Oicho, der ganz allein ein Marranenregiment in die Flucht geschlagen hatte. Jetzt kam er aber in freundlicher Absicht. Er hatte nämlich sogleich erkannt, daß die Reiter ein Junge und ein Mädchen waren und daß das Mädchen genau wie Elli aussah, die er einst in ihre Heimat geflogen hatte.

Die Kinder betrachteten neugierig den Drachen, der wie zum Gruß über ihren Köpfen kreiste. Plötzlich wurde der Schritt ihrer Maultiere immer langsamer. Cäsar und Hannibal bewegten sich kaum noch, stolperten einmal über das andere und sanken schließlich seufzend zu Boden.

Die Kinder konnten gerade noch aus den Satteln springen. Verwundert starrten sie die unbeweglichen Tiere an. Cäsar konnte gerade noch sagen: „Alle Energie ver... "

Er konnte den Satz nicht zu Ende sprechen. Die wunderbaren Tiere waren in der dunklen Unterwelt, in die kein Sonnenstrahl drang, völlig hilflos. „Was fangen wir jetzt nur an?" fragte Ann.

Tim zuckte mit den Schultern. In diesem Augenblick trat der Mann, den sie aus dem Fabriktor hatten laufen sehen, auf sie zu. Er war hochgewachsen und hatte ein schönes blasses Gesicht.

„Elgaro, Gehilfe des Herrschers Ruschero", stellte er sich vor. „Ich nehme an, daß Ihr die Schwester Ellis seid, die vor acht Jahren bei uns war."'

„Genau", sagte Ann und nannte ihren und ihres Freundes Namen.

„Es freut mich, Euch und Euren Freund in der Höhle willkommen zu heißen. Sie ist heute zwar nicht mehr so belebt, wie zu der Zeit, als Eure Schwester bei uns weilte. Das kommt daher, daß wir jetzt in der oberen Welt leben und jedes Jahr nur für einen Monat abwechselnd herkommen, um in der Fabrik oder in der Grube zu arbeiten."'

„Ich weiß es, das hat mir Euer Herrscher Ruschero erzählt."'

„Ich sehe, Ihr seid in Verlegenheit", fuhr Elgaro fort. „Ist den Tieren etwas zugestoßen? Kann ich Euch vielleicht helfen?"

Ann begann zu erzählen. Über die Niederlage der Marranen war Elgaro bereits unterrichtet, nur wußte er nicht, daß der Scheuch und der Eiserne Holzfäller gefangen waren.

„Das tut mir schrecklich leid", sagte der Erzgräber. „Ich habe den Scheuch und den Eisernen Holzfäller gesehen, als sie vor acht Jahren hier waren, und sie in bester Erinnerung behalten. Sie traten sehr würdevoll auf, als wären sie die geborenen Herrscher ihrer Völker."'

„Ihr könnt sie aus der Not befreien helfen", sagte Ann, „wenn Ihr uns ein Paar Flaschen Schlafwasser gibt." „Das Schlafwasser wird nur mit schriftlicher Erlaubnis unseres Herrschers Ruschero ausgegeben", sagte Elgaro. „Aber angesichts der besonderen Umstände will ich eine Ausnahme machen. Ich möchte Euch auch sagen, meine lieben Ann und Tim, daß das Wasser seine Eigenschaften nicht lange bewahrt. Ihr müßt die Flaschen gut verkorken und das Wasser so schnell wie möglich seinem Zweck zuführen."'

„Wir werden uns die größte Mühe geben", versicherte Tim.

Auf Elgaros Befehl trug der Drache die Maultiere, eines nach dem anderen, behutsam zum Ausgang der Höhle. Dorthin brachte er auch Tim, damit dieser die Tiere in die Sonne stelle, wo sie sich wieder aufladen konnten. Als der Drache zurückkehrte, band Elgaro ihm eine Sänfe auf den Rücken (es war dieselbe, in der einst Elli und Fred gereist waren) und kommandierte: „Zur Schlafwasserquelle! "'

Ann stockte das Herz, als sich der Drache mit rauschendem Flügelschlag in die Luft erhob.

Nach kurzer Zeit kehrten die Kinder mit zwei Flaschen Schlafwasser in das Häuschen zurück.

Die Reise hatte alles in allem nur eine Woche gedauert.

DIE BEFREIUNG

Nach Anns und Tims Rückkehr flog die Krähe wieder zu Din Gior und Faramant und sagte ihnen, sie sollten sich in der kommenden Nacht nicht schlafen legen und auch das Wasser nicht anrühren, das die Aufseher mitbringen würden.

Dem Scheuch und dem Holzfäller brauchte Kaggi-Karr das nicht zu sagen, denn die beiden hatten niemals das Bedürfnis, zu schlafen, zu essen oder zu trinken.

In der Nacht löste der Scheuch gewöhnlich arithmetische Aufgaben. Er hatte es darin so weit gebracht, daß er im Kopf eine beliebige dreistellige Zahl mit einer anderen multiplizieren konnte. Allerdings waren jetzt seine geistigen Fähigkeiten geschwächt, da man ihm schon lange das Gehirn nicht gewaschen hatte. Der Holzfäller wiederum dichtete jede Nacht rührende Briefe an Elli. Da er aber nicht schreiben konnte, blieben die Briefe unabgesandt.

Tim begann die Befreiung der Gefangenen vorzubereiten. Vor allem mußte das Wasser, das die Wachen tranken, gegen Schlafwasser vertauscht werden. In einer verlassenen Farm fand Tim einen Krug, der genau so aussah wie der, den die Wachen benutzten. Es gelang dem Jungen, sich unbemerkt in die Wachstube zu schleichen und die Krüge zu vertauschen.

Nach einem kräftigen Abendessen pflegten die Marranen immer viel zu trinken. Das taten auch die Wachsoldaten. Ein jeder nahm ein paar tüchtige Züge aus dem Krug, worauf ihnen die Köpfe schwer wurden und sie in einen todesähnlichen Schlaf fielen. „Vor denen haben wir eine Weile Ruhe!" frohlockte Tim, der die Szene durch das kleine Fenster beobachtet hatte. „Jetzt darf ich mich wieder sichtbar machen." Er schob den Riegel an der Außenseite der Gefängnistür zurück und trat in das Gelaß. „Freunde, ihr seid frei, folgt mir!" rief Tim.

Der Holzfäller lief auf ihn zu und schloß ihn in seine eisernen Arme. Wäre das früher geschehen, als der Herrscher der Zwinkerer noch bei voller Kraft war, hätte der Junge diese Umarmung kaum überstanden. Jetzt kam er lediglich mit ein paar Quetschungen und blauen Flecken davon.

Die Befreiten folgten Tim zu dem Häuschen, das glücklicherweise in der Nähe lag. Der Eiserne Holzfäller trug den Scheuch auf der linken Schulter: In der rechten Hand hielt er eine schwere Keule, die er einem schlafenden Aufseher abgenommen hatte. Din Gior machte weit ausholend Schritte und streichelte seinen 'prächtigen Bart, Faramant trippelte keuchend hinter ihm her.

Die Aufseher erwachten schon am frühen Morgen, weil das Zauberwasser, das sie getrunken hatten, bereits drei Tage alt war, weshalb es nicht so lange wirken konnte wie frisches.

Zu ihrem Entsetzen gewahrten die Marranen, daß die Gefangenen geflohen waren. Aus Angst vor der Strafe, die Urfin ihnen für den Fall eines Ausbruchs der Gefangenen angedroht hatte, flohen die Wachsoldaten in ihre Heimat.

Das Merkwürdigste an dieser Geschichte aber war, daß diese Marranen nach ihrer Heimkehr kein Verlangen nach dem Nuch-Nuch-Getränk verspürten, das sie früher nicht entbehren konnten. Das Schlafwasser hatte sie von der Trunksucht geheilt. Sie hatten jetzt weder Schwindelanfälle noch sahen sie Gespenster, waren wieder guter Stimmung und schliefen nachts wie alle anderen Menschen. Die Heilkraft des Schlafwassers sprach sich bald im ganzen Zauberland herum, und leidenschaftliche Nuch-NuchTrinker zogen jetzt in Scharen zur Höhle, um sich von der verderblichen Angewohnheit zu heilen.

Die Maultiere erwarteten, energiegeladen, Tim und die befreiten Gefangenen vor dem Häuschen, in dem Ann, Arto und Kaggi-Karr sich verbargen. Man beschloß, sofort weiterzuziehen. Tim nahm den Scheuch, Ann Faramant in den Sattel. Der langbeinige Din Gior, der ein guter Geher war, blieb hinter den anderen nicht zurück, ebensowenig wie der Eiserne Holzfäller, der, nebenbei gesagt, so schwer war, daß ihn weder ein lebendes noch ein mechanisches Maultier hätte tragen können. Der silberne Reif ruhte wieder auf Anns Köpfchen. Sie konnte ihn jetzt allerdings nicht benutzen, um sich und ihre Gefährten unsichtbar zu machen, denn die Schar war mittlerweile recht groß geworden. Unsere Freunde verließen sich also auf ihren glücklichen Stern und zogen beherzt nach Südost, wo das Land der Zwinkerer lag, in dem sie der Tapfere Löwe und Lestar erwarteten. Dort würden sie es mit Urfin aufnehmen können, falls er sich erdreisten sollte, ihnen ins Gehege zu kommen. Am Morgen hatten die Reisenden bereits ein gutes Stück Weges hinter sich gebracht, und da sie müde waren, beschlossen sie, im Walde Rast zu machen. Erst jetzt hatten der Scheuch und der Eiserne Holzfäller die Möglichkeit, sich ihre Befreierin genauer anzusehen. Dem eisernen Holzfäller begann das Herz in der Brust laut zu pochen, und der Scheuch fühlte, wie seine Kräfe wuchsen. Allerdings konnte das auch davon kommen, daß der Strohmann auf dem warmen Rücken Hannibals gesessen hatte und wieder fast trocken war.

Die beiden Freunde konnten sich an Ann gar nicht satt sehen. Sie versicherten ihr ein über das andere Mal, daß sie Elli wie aus dem Gesicht geschnitten sei. „Ihr erinnert uns lebhaft an die alte glückliche Zeit", sagten sie. Als Ann ihnen einen herzlichen Gruß von ihrer Schwester bestellte und beteuerte, daß Elli sie niemals vergessen habe, war der Holzfäller so gerührt, daß die Tränen in Strömen aus seinen Augen zu fließen begannen. Natürlich rosteten seine Kiefern sofort ein. Zum Glück hatte Tim in seinem Rucksack eine Flasche mit Öl, das er dem eisernen Mann in die Kiefern träufelte. Faramant und Din Gior überschütteten ihre Retterin mit Dank. Wegen der schlechten Gefängniskost waren die beiden sehr abgezehrt, doch sie hielten sich wacker, scherzten und waren guter Laune. Die ganze Gesellschaft brach in ein schallendes Gelächter aus, als Faramant dem Hündchen eine grüne Brille aufsetzte, die er hinten einschnappen ließ. Arto blickte verwundert um sich. Er konnte nicht begreifen, warum plötzlich alles grün war. Dann begann er zu knurren und nach Faramant zu schnappen. Erst als man ihm die Brille wieder abnahm, beruhigte er sich.

„Toto hat die grüne Brille gern getragen", sagte Faramant tadelnd.

Bei der langen Fußwanderung war Din Giors wallender Bart durch und durch verstaubt. Ann klopfe mit einem Ast den Staub aus dem Bart, kämmte ihn sorgfältig und flocht aus ihm drei Zöpfe. Der Feldmarschall ließ sich diese Liebenswürdigkeit gern gefallen. Nach einem bescheidenen Frühstück legte sich die Schar im Schatten der Sträucher nieder.

Während Tim, Din Gior und Faramant schliefen, mußte Ann unzählige Fragen des Holzfällers und des Scheuchs über sich ergehen lassen. Die beiden wollten wissen, wie es Elli gehe, wie sie lerne, ob sie schon erwachsen sei, usw. usf. Dann begannen sie Ann über den guten Riesen von der anderen Seite der Berge und über Fred auszufragen. Erst als sie bemerkten, daß dem Mädchen die Augen zufielen und ihre Zunge sich kaum noch bewegte, hielten sie verschämt inne. Ann fiel sofort in einen tiefen Schlaf. Den ganzen Tag wurden der Holzfäller und der Scheuch nicht müde, die beiden Schwestern zu loben. Allerdings mußte der Scheuch das Gespräch in einer recht unbequemen Lage führen, denn der Eiserne Holzfäller hatte ihn, damit er schneller trockne, mit dem Kopf nach unten an Hannibals Rücken geschnallt. Am Abend fühlten sich unsere Freunde wie neugeboren. Zum Aufbruch war es noch zu früh. Da erinnerte sich Ann, daß sie der Mäusekönigin versprochen hatte, ihr die mechanischen Maultiere zu zeigen. Sie blies in die Pfeife, und in der Lichtung erschien Ramina mit mehreren Hofdamen.

„Guten Tag, Eure Majestät", sagte Ann. „Ich habe Euch gerufen, damit Ihr die Tiere sehen könnt, die uns hergebracht haben. Wir nennen sie Maultiere. Sind sie nicht schön?"

Ramina bewunderte die prächtigen Rappen mit dem glänzenden Fell. „Ihr sagt, sie brauchen kein anderes Futter als Sonnenstrahlen? Das ist freilich ein Wunder!"' 1 „Wir nennen das nicht Wunder, sondern Erfindung", entgegnete Ann. „Echte Wunder gibt es nur in eurem Land. Das sind die Silberschuhe Gingemas, der Zauber kasten Stellas, das magische Buch Willinas, der Silberreif Bastindas ... auch die Zauberpfeife, auf deren Ruf

Ihr an jedem beliebigen Ort erscheint. Das nenne ich Wunder!" Ramina lachte:

„Für uns sind das ganz gewöhnliche Dinge. Übrigens habt Ihr lange nicht alles aufgezählt, was Ihr unsere Wunder nennt. Ja, so hat Hurrikap, der große Zaubermeister, unser Land erschaffen. Er hat unseren Tieren die Gabe der Rede verliehen, hat uns den ewigen Sommer geschenkt und diese Erde durch Berge und Wüste von der übrigen Welt abgeschieden. Dafür gebührt ihm Lob und Preis!" „Lob und Preis!" echote die Schar der Zuhörer.

Die Maultiere begannen zu wiehern und mit den Hufen zu scharren, als wollten sie ihre Reiter zum Aufbruch mahnen.

„Wirklich fabelhafte Tiere, obwohl sie von der anderen Seite der Berge kommen!" sagte Ramina beim Abschied. „Ich wünsche euch -allen eine recht gute Reise, meine Lieben, und merkt euch, falls ihr mich braucht, stehe ich euch jederzeit zur Verfügung." Nach diesen Worten verschwand die Königin mit ihrem Gefolge.

Unsere Reisenden kamen wohlbehalten im Violetten Lande an. Die verstreuten Marranentrupps, denen sie begegneten, wagten nicht, die achtunggebietende Schar anzugreifen. Der Holzfäller und Din Gior, die ihre schweren Keulen schwangen, und die stampfenden und zähneknirschenden Maultiere flößten ihnen Furcht ein. Bei ihrem Anblick machten die Marranen einen weiten Bogen und eilten, so schnell sie konnten, Urfin Meldung zu erstatten. Ein von Urfin ausgeschickter Soldatentrupp unter Hauptmann Klems Kommando konnte die Schar nicht einholen und kehrte unverrichteterdinge zurück.

Schließlich kam der Augenblick des langersehnten Wiedersehens. Der Löwe, der mit fortschreitendem Alter sehr empfindlich geworden war, konnte beim Anblick seiner alten Freunde - des Scheuchs, des Holzfällers, Din Giors und Faramants-vor Rührung kein Wort hervorbringen.

„Ist es möglich, daß ich zehn Jahre geschlafen habe und erst jetzt erwacht bin?" fragte der Löwe. „Elli, Toto, seid ihr es wirklich? Unmöglich!"

Als man ihm alles erklärte, trat er an Ann heran und schmiegte sich an sie wie ein großer gutmütiger Kater. Und als das Mädchen mit seiner Schwanzquaste zu spielen begann, kollerten Tränen des Glücks aus den Augen des alten Löwen.

Die Freude, die die Zwinkerer überkam, als sie ihren Herrscher, von neuen Freunden umringt, wieder vor sich sahen, ist nicht zu beschreiben.

Sie führten einen feurigen Tanz auf, bei dem ihre violetten Kleider wallten und wirbelten, daß es Ann und Tim fast schwindlig wurde. Die drolligen Menschlein schnippten mit den Fingern und riefen voller Stolz, daß alles bei ihnen zum besten stehe und jedes Unbill sie meide, weil sie sich zu Ehren der Fee des rettenden Wassers dreimal täglich wuschen.

Auch gelobten sie, ihren Nachkommen einzuschärfen, diesen heiligen Brauch streng zu befolgen.

Die Zwinkerer waren keineswegs betrübt, als sie erfuhren, daß das Mädchen, das der Eiserne Holzfäller und der Scheuch mitgebracht hatten, nicht die Fee des rettenden Wassers, sondern deren Schwesterchen sei. Sie nannten sie kurzweg die Fee des künftigen Sieges und führten sie zu Fregosa, der Köchin.

Die gute Frau brachte Ann ins Badezimmer, wo sie sie wusch und ihr das violette Kleid anzog, das Elli im Violetten Palast zurückgelassen hatte. Nach Ann nahm Fregosa sich Tim und Arto vor.

Der Scheuch und der Eiserne Holzfäller wurden einer Generalüberholung unterzogen.

Da man es nicht wagte, das kostbare Gehirn des Scheuchs herauszunehmen, hängte man seinen Kopf, ganz wie er war, zum Trocknen auf. Seine Kleider wurden gewaschen, geplättet und mit frischem Stroh ausgestopft und die Stiefel blankgeputzt.

Einen herben Wiesengeruch ausströmend, trat der Scheuch vor Ann. Da seine Gesichtszüge ganz verschwommen waren, ließ sich das Mädchen Pinsel und Farbe bringen und malte ihm Augen, Nase und Mund auf.

Noch ehe sie damit fertig war, begann der Strohmann laut zu singen:

„O-ho-ho-ho, ich bin wieder bei Ann, der lieben Ann, o-ho-ho-ho." Trunken vor Glück, sang und hüpfte er, ohne sich vor den Um stehenden zu genieren, denn die Zwinkerer waren ja nicht seine Untertanen. Den Eisernen Holzfäller nahmen die besten Meister des Landes unter Anleitung Lestars in Arbeit. Sie legten ihn auf einen Werktisch und dokterten einen vollen Tag an ihm herum. Er wurde in seine Bestandteile zerlegt, gelötet, geschmiert, wieder zusammengefügt und auf Hochglanz poliert. Sein Herz, mit frischen Sägespänen gefüllt und zugenäht, war jetzt wieder das gütigste und zärtlichste Herz im ganzen Zauberland. Als der eiserne Mann vor sein Volk trat, glänzte er so stark, daß die Augen der Umstehenden zu tränen begannen. Die Schmiede hatten ihm eine neue Axt gemacht, da die alte bei Urfin geblieben war. Der Holzfäller schwang sie mit solcher Wucht empor, daß es in der Luft pfiff, und rief drohend: „Jetzt wollen wir sehen, wer sich mit mir zu messen wagt!"

DER SCHRECKLICHE BETRUG

Obwohl Urfin die Macht im Zauberlande erobert hatte und sein sehnlichster Traum damit in Erfüllung gegangen war, fühlte er sich ebensowenig glücklich wie zur Zeit seiner ersten Herrschaft. Der ehrgeizige Diktator wollte, daß alle Menschen ihn anbeteten, daß das Volk bei seinem Erscheinen in den Straßen und auf den Plätzen die Hüte in die Luft warf und in Jubelrufe ausbrach.

Das geschah jedoch nicht. Bei den Festgelagen bekam er immer dieselben Loblieder der wenigen Speichellecker zu hören, deren Anführer der Oberste Zeremonienmeister Kabr Gwin und der fette Oberpriester Krag waren. Auf die Straße aber wagte sich Urfin nicht mehr seit dem Tage, da ein von einem Dach fliegender Stein ihn beinahe erschlagen hätte. Urfin hegte den Verdacht, daß dieser Stein aus der Schleuder eines Marranen gekommen war. Und die Macht? Wo blieb die Macht?

Aus dem Blauen Lande, zu dessen Eroberung er das Eliteregiment des Obersten Chart ausgeschickt hatte, trafen versprengte Soldaten ein, ausgezehrte und abgerissene Gestalten, die dem König das Bild einer so schrecklichen Niederlage schilderten, daß er mehrere Nächte kein Auge schließen konnte und bei jedem Geräusch aufsprang und zum Fenster stürzte, um sich zu vergewissern, daß Ruscheros Drachen nicht die Stadt angriffen.

Die geflüchteten Soldaten untergruben mit ihren Schauergeschichten den Kampfgeist des Militärs, und Urfin beeilte sich, sie fortzuschicken, weil sie, wie er sagte, nicht würdig seien, ihm zu dienen.

Nicht viel besser waren die Nachrichten, die aus dem Land der Zwinkerer im Osten kamen. Besorgt wegen des Ausbleibens jeder Meldung von Hauptmann Bois, schickte Urfin einen hölzernen Boten zu ihm. Dieser Bote, Veres, erzählte bei seiner Rückkehr, daß die Zwinkerer kurz nach dem Abzug der Truppe den Hauptmann und dessen Soldaten gefangengenommen und eingesperrt hatten. Übrigens, fügte der Bote hinzu, habe er gesehen, daß man mit den Gefangenen milde umgehe, ihnen drei Mahlzeiten täglich gebe und sie sogar spazierenführe.

Der Scheuch und seine Freunde, fuhr Veres fort, seien aus dem Gefängnis geflohen und im Violetten Land eingetroffen. Dort befänden sich jetzt auch Menschen von der anderen Seite der Berge: ein Mädchen, das die Zwinkerer Fee des künftigen Sieges nannten, und ein Knabe, der jeden Einwohner des Zauberlandes um einen Kopf überrage. Die beiden seien rittlings auf Tieren angekommen, die, wie es heißt, Sonnenstrahlen fressen.

Der Bericht versetzte Urfin in schreckliche Wut. Er gebot Veres, niemandem zu verraten, was er im Lande der Zwinkerer gesehen habe, und setzte ihn sicherheitshalber hinter Schloß und Riegel.

Trübe Gedanken bemächtigten sich des Feuergottes. Nicht nur der Westen und der Osten waren für ihn verloren - auch im Smaragdenland selbst standen die Dinge bei weitem nicht zum besten. Freilich wagten es die Bewohner nicht, gegen ihn aufzubegehren. Von der Insel vertrieben, hatten sie sich auf den paar Farmen, die die Marranen ihnen gelassen hatten, leidlich eingerichtet, und führten jetzt ein jämmerliches Leben. Von ihnen drohte keine Gefahr.

Urfin machte jedoch die Armee Sorge, seine einzige Stütze, die jetzt zu wanken begann. Das wußte er von Eot Ling, dem Kundschafter, der ihm selbstlos ergeben war. Der Holzclown, der Tag und Nacht herumspionierte und sich nichts entgehen ließ, berichtete seinem Herrn und Gebieter folgendes:

In der Armee gäre es. Die unbeständigen Marranen haben den Militärdienst satt. Sie drücken sich vor den Waffenübungen und dem Wachdienst, manche seien desertiert. Einige Soldaten haben Farmerstöchter geheiratet und erklärt, sie verlassen die Armee, um sich friedlicher Arbeit zuzuwenden. Viele Marranen beneideten sie deshalb und wollten ihrem Beispiel folgen.

Urfin war sehr besorgt, daß seine Soldaten der Trunksucht verfielen. Er wollte, daß das Nuch-Nuch-Getränk nur an diejenigen ausgegeben werde, die nachts Wach- oder Kundschafterdienst versahen. Wenn zu viele Soldaten der Trunksucht verfielen, würde es bald keine Nuch-Nuch-Nüsse mehr im Walde geben. Das konnte schreckliche Folgen haben. (Urfin wußte nicht, daß diese üble Angewohnheit durch das Schlafwasser geheilt werden konnte.)

Mit seinem scharfen Verstand begriff er natürlich, was die Ursache der Zersetzung war, die in der Armee um sich griff. Disziplin läßt sich leicht aufrechterhalten, wenn die Soldaten ständig unter der Aufsicht der Vorgesetzten stehen, solange sie von früh bis spät gedrillt werden, haben sie keine Zeit, sich mit schädlichen Gedanken abzugeben. Jetzt aber, da alle ihre Wünsche in Erfüllung gegangen waren, da sie wie Götter in behaglichen Häusern lebten und sich der Schätze der reichen Kaufleute und Handwerker der Smaragdeninsel bemächtigt hatten, verspürten die Marranen keine Lust auf weitere Eroberungen. Wozu sollten sie auch mit Tornistern auf den Rücken und schweren Keulen in den Händen auf staubigen Straßen marschieren? Um die Kampfeslust der Soldaten wieder anzustacheln, mußte man ihnen neue große Ziele zeigen, Ziele, um derentwillen diese leichtgläubigen Menschen alle Annehmlichkeiten aufgeben würden. Dazu dachte sich Urfin erneut einen schlauen Plan aus.

Er ging zum eingesperrten Veres und sagte zu ihm: „Morgen werde ich meine Soldaten versammeln und zu ihnen sprechen. Selbst wenn es dir scheinen sollte, daß das, was ich sage, nicht ganz der Wahrheit entspricht, hast du jedes meiner Worte unter Eid zu bekräftigen. Sonst lasse ich dich im Ofen verbrennen!"

Das eingeschüchterte Holzmännchen versprach, alles zu tun, was von ihm verlangt werde.

Über die ganze Smaragdeninsel und ihre Umgebung verbreitete sich das Gerücht, daß der Große Urfin (Juice nannte sich jetzt nicht mehr Feuergott) seiner Armee eine ungewöhnliche Mitteilung machen werde. Sie gehe alle Soldaten an, und wer nicht erscheine, werde es zu bereuen haben.

Zur festgesetzten Stunde versammelten sich die Marranen auf einer großen Wiese vor der Smaragdeninsel. Urfin begleiteten Meister Petz und der Holzbote Veres. Als er die hohe Tribüne bestieg, drückte sein Gesicht tiefen Gram aus. Er schwieg zunächst, um die Neugier der Anwesenden anzufachen, und begann dann mit dröhnender Stimme: „Weh, weh! Oh, meine heißgeliebten Marranen, ich muß euch etwas Schreckliches mitteilen!" Bei diesen Worten ging ein Schauer durch die Reihen der Zuhörer.. „Wisset, meine Lieben, daß der Führer des Trupps, den ich im Violetten Lande zurückgelassen habe, gefallen ist! Er ist tot, unser tapferer Bois, der Meister im Springen und unübertroffene Faustkämpfer! Friede seiner Asche!"

Die Menge wartete stumm, was folgen werde. Viele fragten sich: Hat uns Urfin vielleicht deshalb versammelt, um uns vom Tod nur eines Springers zu benachrichtigen?' Urfin, ein gewandter Redner, fuhr im gleichen Ton fort:

„Das ist noch nicht alles! Mit Bois ist der ganze Trupp umgekommen, fünfzig Helden, die das eroberte Land in Botmäßigkeit halten sollten! Sie sind bis auf den letzten Mann erschlagen worden von den Zwinkerern, den Verrätern! Man hat sie aus dem Hinterhalt ermordet!"

Diese Nachricht machte einen starken Eindruck. Viele Soldaten, die in Bois' Truppen Verwandte und Freunde hatten, schüttelten die Fäuste und stießen Drohungen aus.

„Aber auch das ist noch nicht alles, meine heißgeliebten Marranen! Die blutrünstigen Zwinkerer haben die Leichen der Ermordeten geschändet und sie den Schweinen zum Fraße vorgeworfen!"

Die Menge raste. Nur einer fand sich, der zu fragen wagte: „Vielleicht sind das nur Gerüchte?"

„Nur Gerüchte? O nein!" entgegnete Urfin und hob Veres zu sich auf die Tribüne empor. „Da ist ein Zeuge, mein Bote Veres - er kommt gerade aus dem Lande der Zwinkerer. Sprich, Veres!" Veres stammelte:

„Was der Große Urfin sagt, ist die reinste Wahrheit!" Etwa zur gleichen Stunde hatte Ann den Zauberfernseher eingeschaltet, um nachzusehen, was Urfin trieb. Das tat sie jeden Tag um die Mittagszeit. Vor dem Bildschirm versammelten sich gewöhnlich Tim, der Scheuch, der Holzfäller und alle anderen Freunde. Was sie jetzt sahen und hörten, ließ sie vor Zorn erbeben.

Die Marranen gebärdeten sich wie die Wilden. Mit einer Handbewegung stellte Urfin die Ruhe wieder her und wandte sich erneut an den Boten:

„Was hast du außerdem noch gehört? Sprich, mein guter Veres, hab keine Angst!" „Ich habe gehört, mein Herr und Gebieter", sagte Veres mit zitternder Stimme, „daß die Zwinkerer das Land der Marranen mit Krieg überziehen wollen, um dort alle Greise, Frauen und Kinder zu töten..."

Veres sprach, wie Urfin ihn gelehrt hatte.

„Wir wollen Rache, Rache!" brüllten die Marranen.

Ihr Gebrüll drang weit über den Platz hinaus und erschütterte die Luft. Die wutverzerrten Gesichter und die geballten Fäuste waren schrecklich anzusehen. Mit einem hinterlistigen Lächeln beobachtete Urfin die Szene.

Voller Zorn blickten der Scheuch und seine Freunde auf den Bildschirm. Ein jeder von ihnen würde, hätte er die Möglichkeit, auf die Tribüne springen, den gemeinen Lügner an der Brust packen und ihn schütteln, bis er die Wahrheit sagte! Die Komödie ging mittlerweile weiter. In einer schwungvollen Ansprache - Urfin konnte sehr beredsam sein - forderte er die Marranen auf, ihre Brüder zu rächen und das Volk der Springer vor dem Untergang zu bewahren. Er rief die Verwandtschaftsgefühle der Marranen an, die, obwohl ein kriegerisches Volk, ihre alten Eltern, ihre Frauen und Kinder sehr liebten.

Die Armee erklärte sich bis auf den letzten Mann bereit, ins Feld zu ziehen. Selbst diejenigen, die erst kürzlich geheiratet hatten, wollten nicht zurückbleiben. Nur mit großer Mühe konnte Urfin eine Kompanie überreden, auf der Insel zu bleiben, um die Macht des Königs hier zu schützen.

„Wir werden uns auf den Überfall des Feindes vorbereiten müssen", bemerkte der Scheuch finster, als der Bildschirm erlosch.

Nach der Gefangenschaft wurde der Scheuch, wie man leicht verstehen wird, erneut zum Herrscher des Smaragdenlandes ausgerufen. Kaggi-Karr trat ihm ihre Vollmachten ab und beglückwünschte ihn zur Wiedereinsetzung in das hohe Amt.

Der Scheuch dankte ihr gerührt für die unschätzbaren Dienste, die sie dem Land in der Zeit seiner Abwesenheit erwiesen hatte.

Seine Stimme bebte, als er die Großtaten der Krähe aufzählte.

„Ich stifte den Orden des Goldenen Zweiges', sagte er, „und als erste soll ihn unsere

liebe und hochverehrte Kaggi-Karr bekommen. Sobald wir Urfin besiegt haben, werden die besten Juweliere des Landes den Orden prägen und ihn mit den schönsten Diamanten besetzen, damit er auf dem Haupt unserer lieben Freundin erstrahle."

Kaggi-Karr war über diese Worte so gerührt, daß zwei Tränen aus ihren schwarzen Äuglein kollerten. „Außerdem", fuhr der Scheuch fort, „verspreche ich im Namen der Bewohner der Smaragdeninsel, daß in Erinnerung an die Verdienste Kaggi-Karrs einer jeden Krähe in unserer Stadt herzlichste Gastfreundschaft zuteil werden soll!"

Dieses Versprechen wird auf der Smaragdeninsel bis auf den heutigen Tag gehalten.

DAS ENDSPIEL

Urfins Armee bewegte sich schnell auf das Violette Land zu. Die Marranen wichen kein einziges Mal vom Wege ab und machten keine Abstecher auf die naheliegenden Farmen, denn sie wollten so schnell wie möglich ihre gefallenen Kameraden rächen und einen Überfall des Feindes auf ihre Heimat vereiteln.

In den Kolonnen wurde weder gesprochen noch gesungen. Die Gesichter der Soldaten waren grimmig. Um die kriegerische Stimmung aufrechtzuerhalten und es zu vermeiden, daß die Marranen die Wahrheit erfuhren, hatte Urfin folgenden Befehl ausgegeben. „Mit dem Feind wird nicht verhandelt! Was euch im Wege steht, wird zerschlagen und zertrümmert! Jeder Feind wird erbarmungslos getötet!"

Eot Ling, der wie eine Ratte unter den von Haß geblendeten Marranen schnüffelte, konnte seinem Herrn jeden Abend hoffnungsvolle Meldungen machen: „Die Soldaten kochen vor Wut. Die werden alles kurz und klein schlagen. Sie drohen, für jeden Gefallenen hundert Feinde umzulegen!"

Urfin rieb sich die Hände. Nach dem Sieg über die Zwinkerer wollte er mit seiner ganzen Streitmacht gen Westen ziehen und sich die Erzgräber und Käuer unterwerfen. Ich werde schon ein Mittel finden, den Drachen und Sechsfüßern beizukommen. Wehe dem, der es wagen sollte, sich mir in den Weg zu stellen!' dachte er. In der Ferne zeigten sich die violetten Türme des Palastes, der vor unvordenklichen Zeiten erbaut worden war und viele Male den Besitzer gewechselt hatte. Als Bastinda sich des Palastes bemächtigte, ließ sie ihn mit einer Mauer umgeben, die ein eisernes Tor hatte, das immer verschlossen war. Den Schlüssel pflegte sie tagsüber in der Tasche zu tragen und nachts unter ihr Kissen zu legen.

Als der Eiserne Holzfäller die Herrschaft im Violetten Lande übernahm, befahl er, vor allem die Mauer zu schleifen und einen Park um den Palast anzupflanzen. Der Mann mit dem liebevollen Herzen brauchte seine Untertanen nicht zu fürchten. Der Außenschmuck des Palastes und der Anstrich wurden unter seiner Herrschaft sorgfältig gepflegt, und als die Marranen dieses schöne und friedliche Bauwerk sahen, mußten sie sich fragen: Wie konnten nur seine Bewohner die schändlichen Missetaten begehen, von denen man uns erzählt hat?

Urfin ließ seinen Soldaten jedoch keine Zeit zum Nachdenken. „Vorwärts, marsch, marsch!" kommandierte er. „Gepäck am Straßenrand ablegen! Ausschwärmen und angreifen!" Einer Lawine gleich, wälzte sich die Armee auf den Palast zu. Doch plötzlich verlangsamte sich ihr Schritt, die Reihen stockten.. Das hatte zwei Ursachen.

Die erste war ein tiefer Graben, dessen Rückseite steinerne Türmchen säumten, aus deren Schießscharten unzählige Pfeile ragten.

Die zweite Ursache war so verwunderlich, daß selbst der mit allen Wassern gewaschene Urfin, der seinerzeit in der Bibliothek der Smaragdenstadt eine Menge kriegsgeschichtlicher Bücher gelesen hatte, seinen Augen nicht traute: Im Lande der Zwinkerer wurde ein Wettspiel ausgetragen.

War das Heer des Holzfällers und des Scheuchs so sehr von der Uneinnehmbarkeit der Befestigungen überzeugt, daß es dem Feind keine Beachtung schenkte, oder brachten es die Spieler nicht über sich, den Wettkampf vorzeitig abzubrechen? Die Springer, die selbst leidenschaftliche Spieler waren, verstanden und schätzten solche Gefühle. In unordentlichen Haufen drängten sie sich vor den Graben und verfolgten, die Knüppel und Lanzen gesenkt, mit ungeheurem Interesse das Spiel, das ihnen völlig unbekannt war.

Der Leser wird sich erinnern, daß Tim O'Kelli, der ein leidenschaftlicher Volleyballspieler war, einen Ball mitgenommen hatte. Wegen der vielen Abenteuer, in die das Schicksal ihn verstrickte, war er aber nicht dazugekommen, den Ball zu benutzen. Erst im Violetten Lande, wo er mit seinen Freunden lange Zeit auf den Überfall der Feinde warten mußte, kam ihm der Ball wieder in den Sinn. Im Kampf, wenn man den Feind vor sich hat und seinen Mann stehen muß, ist es wohl leicht, ein Held zu sein. Viel schwerer ist es, tagaus, tagein dazusitzen und zu warten, wann die Gefahr endlich hereinbricht.

Die Führer der Armee bemerkten, daß die Kampfstimmung der Zwinkerer nachließ, daß die Leute mit jedem Tag träger und träger wurden. Tim dachte nach, wie man sie aufmuntern könnte, und verfiel auf das Volleyballspiel.

Er stellte mehrere Mannschaften auf, erklärte ihnen die Spielregeln und führte etliche Trainings durch (das Netz hatten Zwinkererfrauen geknüpft; es wurde natürlich viel niedriger aufgehängt als in der großen Welt).

Zuerst wurden Ausscheidungsspiele ausgetragen, die großen Zuspruch fanden. Man spielte von früh bis spät und ging erst am Abend auseinander. Die Zahl der Spielbegeisterten wuchs von einem Tag zu dem anderen, und die Lederarbeiter mußten sich tüchtig anstrengen, um die Nachfrage nach neuen Bällen zu befriedigen. Es wurden Mannschaften mit höchst wunderlichen Namen gebildet: „Löwen", „Lieblinge des Schicksals", „Säbelzahntiger", „Wackere Burschen", „Fliegende Affen" und viele andere. Dann begann ein Turnier um die Landesmeisterschaft. Die Angst vor dem Überfall des Feindes war wie weggeblasen. Die Zwinkerer waren jetzt springlebendig, ja sie zwinkerten auch nicht mehr soviel wie früher, denn dazu reichte ihnen einfach nicht die Zeit.

Um den Spielplatz drängten sich unzählige Fans. Tim war jetzt wieder guter Dinge. „Nicht umsonst sagte mein Vater, daß Sport eine famose Sache ist", dachte er vergnügt. „Natürlich versteht er was davon, wo er doch in der Auswahl von Kansas gespielt hat!" Der Wettstreit, dem die Marranen zusahen, war wirklich fesselnd. Es war das Endspiel um die Landesmeisterschaf, das zwischen den „Fliegenden Affen" (Kapitän: Din Gior) und „Anus Unbesiegbaren Freunden" (Kapitän: Tim O'Kelli) ausgetragen wurde. Als die Springer ankamen, stand es gerade 13:13, und jede Mannschaft hoffte auf den Sieg. 14: 13. Die „Affen" in Führung!... 14: 14.

Sekunden später stand es 15: 14 zugunsten der „Unbesiegbaren"! Eine halbe Minute danach folgte der Ausgleich: 15: 15.

Selbst wenn der Himmel einstürzen würde, hätte in diesen spannenden Minuten niemand das Spiel verlassen?

Jede Mannschaft tat das Äußerste. Die Spieler zeigten Wunder an Geschicklichkeit. Sie sprangen hoch in die Luft, drehten sich wie Kreisel und nahmen die unwahrscheinlichsten Bälle.

Die Marranen jauchzten vor Begeisterung: Das war ein Spiel nach ihrer Art. Verzückt stellten sie sich vor, welche Sprünge sie bei einem solchen Spiel vollführen und wie sie den Ball ins gegnerische Feld hineinschmettern würden! Bald hatten sich unter ihnen zwei Parteien gebildet, von denen eine den „Affen", die andere den „Unbesiegbaren" den Daumen drückte. Man begann auch wieder Wetten zu schließen. Die Zuschauer quittierten jeden Schmetterball mit brausendem Beifall. 16: 15 - die „Unbesiegbaren" wieder in Führung. Noch ein Schlag, und sie hatten gewonnen! Aber was war das denn? Fassungslos gewahrten die Marranen eine vertraute Gestalt, die einen Spieler am Netz ablöste. Es war kein anderer als Bois, ihr Bois, der angeblich erschlagene, den Schweinen zum Fraß vorgeworfene Bois! Ging das mit rechten Dingen zu? Ja, es war ihr Bois, der jetzt einen Schmetterball glänzend parierte..

Hatte sie der Große Urfin zum besten gehalten? Oder hatte vielleicht der kleine hölzerne Lump ihn selbst betrogen? Vielleicht war überhaupt alles Lug und Trug?

Jetzt hatte ein Spieler den Ball so ungeschickt zugepaßt, daß die Zuschauer in schallendes Gelächter ausbrachen.

17: 15! Die „Unbesiegbaren" hatten gewonnen, sie waren jetzt Landesmeister. Bois stürzte auf den Graben zu, hinter dem er seine Landsleute erblickt hatte, begrüßte sie herzlich über den Graben hinweg und machte ihnen Zeichen, herunterzukommen. Die Marranen erhoben die Augen zu Urfin. Zuerst waren es fragende, verständnislose Blicke, die sie ihm zuwarfen, dann begannen ihre Augen zornig zu funkeln. Entsetzt schlug Urfin die Hände vor die Augen, dann wandte er sich jählings um und ergriff die Flucht.

Er lief, stolperte und fiel, erhob sich und rannte weiter. Sein Herz hämmerte zum Zerspringen, unausstehliche Angst zerriß seine Brust. Ihm schien, als sause ein Hagel von Steinen ihm nach, als schwingen ergrimmte Rächer ihre schweren Keulen über seinen Kopf...

Indes hatte kein Marrane die Verfolgung des gestürzten Gottes aufgenommen. In seinem Rücken donnerte es:

„Lügner! Gauner! Gemeiner Verleumder! Falscher Gott!" Das war das Ende. Der weise Karfax hatte sich in seiner Vorhersage nicht geirrt. Alle hatten sich von Urfin abgewandt, selbst der sanfte Meister Petz. Eine solche Schmach ist schlimmer als der Tod.

Über den Graben wurden Bretter gelegt, über die die ehemaligen Feinde aufeinander zuliefen. Schon entstanden gemischte Volleyballmannschaften, Bälle flogen in die Luft und Rufe erklangen: „Schlag! ... Aus! ... Zu... "

Hannibal und Cäsar aber scharrten mit den Hufen und schnaubten, ihre Herren zum Aufbruch mahnend.

Bald kam auch die Stunde, da die wunderbaren Maultiere Ann und Tim in sausendem Galopp nach Hause trugen.


Otdych bei Moskau 1967-1969

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