29

»Macht ihm das Leben schwer!« befahl Policrates.

Die nackte rothaarige Schönheit schmiegte sich an mich. Ich bäumte mich in den Ketten auf. Mein Haar war noch naß von dem dunklen Wasser des Vorbeckens der Festung. Würgemale einer Fessel schmerzten mir am Hals. Die Kleidung war mir vom Leib geschnitten worden, und ich lag mit Händen und Füßen an Ringen angekettet auf dem Boden vor der Plattform mit dem Thron. Policrates saß lässig darauf. Er hob einen Finger und rief damit ein anderes Mädchen zu mir, eine dunkelhaarige Schönheit, die vorhin mit dem Namen Tais angesprochen worden war.

»Für wen bist du tätig?«

»Für niemanden«, antwortete ich.

Wieder gab der Piratenführer ein Zeichen, und Lita, einst eine freie Frau in Victoria, eilte herbei und kniete neben mir nieder.

»Du bist Jason aus Victoria, nicht wahr?« fragte Policrates.

»Ja«, antwortete ich. Neben dem Stuhl seines Herrschers stand Kliomenes. Er lächelte. Hinter den beiden standen vier oder fünf von Policrates’ Halsabschneidern und verfolgten mit verschränkten Armen die Szene. Rings um den Thron wie auch um die Stufen der Plattform lagerten weitere Mädchen. An einige erinnerte ich mich von der großen Feier hier in der Festung. Die meisten aber waren mir fremd. Männer wie Policrates sind nicht nur reich an Gold, sondern auch an Frauen.

»Du bist in die Verschwörung des Tasdron verwickelt, eine Tavernenwirts in Victoria, der sich mit Glyco aus Port Cos zusammengetan hat«, behauptete Policrates.

»Nein«, sagte ich.

»Um diese Dummköpfe werden wir uns in Kürze kümmern«, fuhr Policrates fort. »Und wir werden an Victoria eine Rache vollziehen, von der die Menschen hundert Jahre lang nicht zu sprechen wagen werden.«

»Es gibt keine Verschwörung«, sagte ich. »Ich allein hatte den Einfall, mit einigen Männern die Festung zu erobern und niederzubrennen.«

»Und was ist mit dem Lichtsignal, das gesetzt werden sollte?« fragte Policrates, »und mit den Schiffen, die draußen auf dem Fluß warten – jetzt allerdings vergeblich?«

Ich schwieg. Offensichtlich wußte Policrates sehr viel.

»Relia, Tela, zu ihm!« befahl der Pirat. Auch diese beiden Mädchen knieten neben mir nieder und begannen mich mit Händen und Lippen zu liebkosen. Ich wand mich in den Ketten, vermochte aber keinen Widerstand zu leisten.

»Glaubst du wirklich, dir mit einer so einfachen List Zutritt zu unserer Festung verschaffen zu können?« ging das Verhör weiter.

»Ja.« Ich keuchte in den Ketten. Den aufreizenden Berührungen der Sklavinnen konnte ich mich nicht entziehen.

»Es war der Plan eines Dummkopfs!« sagte der Pirat.

»Es war ein ausgezeichneter Plan!« widersprach ich. »Woher wußtest du, daß wir nicht Ragnar Voskjards Kundschafterschiffe waren?« Immerhin hatten wir alle Losungen und Gegenlosungen gekannt, während niemand in der Festung die Flotte Ragnar Voskjards kennen konnte, soviel wir wußten.

»Müßte das nicht jedem längst klar sein?« fragte Policrates lächelnd.

»Wir wurden verraten«, stellte ich fest.

»Nötig wäre das nicht gewesen«, meinte Policrates, »aber es war so. Ihr wurdet verraten.«

»Dann wußtest du also, daß ich anrücken würde – mit meinen Freunden?«

»Aber ja«, sagte Policrates. Wie sehr hatte er uns zum Narren gehalten! Donnernd war das mächtige Seetor herabgefallen und hatte unsere erste Galeere zerstört!

»Wer war der Verräter?« wollte ich wissen.

»Vielleicht Tasdron persönlich«, sagte Policrates. »Vielleicht sogar Glyco, der sich als Mitverschwörer ausgab. Vielleicht aber dein guter Freund Callimachus, der insgeheim in unseren Diensten stehen kann. Vielleicht sogar nur eine niedere Sklavin, die von euren Machenschaften erfuhr.«

»Es könnte natürlich auch ein Soldat gewesen sein, vielleicht sogar ein Kämpfer auf unseren Galeeren«, sagte ich.

»Gewiß.«

»Warst du es, Jason aus Victoria, den wir hier in unserer Festung als Kurier Ragnar Voskjards willkommen hießen?« fragte Policrates.

»Natürlich«, sagte ich zornig.

»Lügner!« rief Kliomenes. Diese Worte überraschten mich. Die Piraten mußten doch wissen, daß ich der Mann gewesen war. Der Informant mußte das wissen!

»Ich glaube es nicht, Jason«, fuhr Policrates fort, »obwohl ich zugeben muß, daß du heute abend dieselbe Maske trugst wie der Mann, der sich als Kurier ausgab.«

»Ich war es!« sagte ich kühn. »Kein anderer!«

»Willst du diese törichte Behauptung aufrechterhalten?«

»Erkennt ihr meinen Körperbau nicht, meine Stimme?« gab ich zurück.

»Gewiß, es gibt da eine große Ähnlichkeit«, bemerkte Policrates nachdenklich.

»Warum glaubst du, daß ich es nicht wahr? Hat dein Informant dir nicht klargemacht, daß ich dir den Topas brachte?«

»Der Topas wurde uns durch den Kurier Ragnar Voskjards ausgehändigt«, sagte Policrates.

»Ach?«

»Durch den echten Kurier.«

»Oh.«

»Was hast du mit ihm angestellt?« fragte Policrates.

Ich schwieg.

»Ich hoffe, du hast ihn nicht umgebracht«, fuhr Policrates fort, »denn zweifellos würde sich Ragnar Voskjard über eine solche Nachricht nicht erfreut zeigen.«

»Ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte ich ehrlich verwirrt.

»Auf seinem Rückweg zu Ragnar Voskjard hast du den Kurier irgendwie abgefangen«, erklärte Policrates. »Von ihm oder vielleicht aus Papieren, die du bei ihm fandest, erfuhrst du die Losungsworte für den Zutritt zu unserer Festung.«

»Nein«, widersprach ich. »Du selbst hast sie mir genannt, die Losungen, als ich in der Rolle des Kuriers bei dir war.«

»Das stimmt nicht«, behauptete Policrates.

»Es stimmt doch! Doch!« ächzte ich und wand mich in den Ketten. Warum rief er seine Sklavinnen nicht zurück?

Zwei Piraten aus Policrates’ Gefolge lachten.

»Wir wissen, daß du es nicht warst«, beharrte Policrates.

»Woher willst du das wissen?« fragte ich und war bereit, meine Behauptung notfalls zu beweisen – mit Beschreibungen der Festung, mit einem Bericht über das Fest und unsere Gespräche, viel zu detailliert, als daß ich sie einem Gefangenen im Verhör hätte entreißen können.

»Es gibt da viele Gründe«, sagte Policrates. »Der eine ist, daß du ein Mann von der Erde bist. Kein Mann von dieser elenden, terrorisierten Welt, deren Männer unbedeutend und engstirnig sind, hätte es gewagt, in diese Festung einzudringen.«

»Woher weißt du, daß ich von der Erde stamme?«

»Von Beverly, einer Sklavin in der Burg.«

»Trotzdem war ich es!« behauptete ich.

»Unmöglich!« gab Policrates zurück.

Es verärgerte mich, daß Policrates und Kliomenes und die anderen diese Möglichkeit nicht einmal in Betracht zogen. Bestimmt war nicht jeder Erdenmann so bedeutungslos, trivial, gehorsam, wohlerzogen, entmannt und eitel, wie man nach seiner sozialen Stellung erwarten konnte. Ich bezweifelte nicht, daß irgendwo auf der Erde trotz Zensur, Kontrolle der Medien, restriktiver Bildung und offener politischer Unterdrückung einige Männer doch echte Männer waren.

»Ich habe mit dem Kurier Ragnar Voskjards im großen Saal die Klinge gekreuzt«, meldete sich Kliomenes zu Wort. »Er stellte sich dabei nicht ungeschickt an. Jason aus Victoria dagegen kennt sich mit dem Schwert nicht aus.«

»Folglich kann ich es nicht gewesen sein?«

»Auf keinen Fall«, stellte Kliomenes fest.

»Uns liegen Informationen vor«, sagte Policrates, »daß der echte Kurier Ragnar Voskjards in die Festung kam – unabhängig von dem klaren Beweis, daß er uns den Topas gab, ein Stein, der sich nur im Besitz des echten Kuriers befinden konnte.«

»Informationen?« fragte ich.

»Die uns ferner zu der Überzeugung bringen«, fuhr Policrates fort, »daß der echte Kurier inzwischen gefangengenommen wurde und sich in der Gewalt der Verbündeten von Tasdron und Glyco befindet.«

Plötzlich ging mir auf, was hier gespielt wurde. Wer immer uns verraten hatte, mußte der Kurier Ragnar Voskjards sein oder mit ihm in Verbindung stehen – der Mann, der mir auf den Piers von Victoria den Topas abjagen wollte. Er oder ein mit ihm verbündeter Mann mußte sich mit Policrates in Verbindung gesetzt haben. Aber ja – der echte Kurier wollte bestimmt nicht ruchbar werden lassen, daß er den Topas verloren hatte, daß ein falscher Kurier sich Zugang zur Festung verschafft hatte. Dem echten Kurier ging es darum, solchen Vorwürfen aus dem Weg zu gehen. Zweifellos wollte er nicht an den Rammsporn einer Galeere Ragnar Voskjards gebunden werden. Später konnte er immer behaupten, er habe sich aus Tasdrons Gefangenschaft befreien können.

Plötzlich kam mir eine Idee – ein Gedanke, der mir vielleicht meinerseits zur Flucht verhelfen konnte.

»Nein, ich war es«, wiederholte ich, diesmal aber scheinbar stockend.

Policrates lächelte.

»Behauptest du immer noch lügenhaft, als Kurier Ragnar Voskjards aufgetreten zu sein?« fragte er.

»Ja«, sagte ich. »Ich meine, es ist keine Lüge. Ich war es!« Ich ließ meine Stimme erzittern, als habe man mich ertappt.

»Nimm dich in acht!« sagte Policrates warnend. »Es gibt außer den Liebkosungen von Sklavinnen, dem schmerzhaften Zug von Ketten und dem Stich glühender Eisen und Messer noch andere Folterungen in dieser Festung.«

Die Mädchen lachten.

»Er soll sich winden!« befahl Policrates, und ich knirschte mit den Zähnen.

»Beverly!« rief Policrates in diesem Augenblick mit energischer Stimme. Ich mußte mich beherrschen, so gut es ging, als ich das Mädchen in den Saal eilen sah, das einmal Beverly Henderson gewesen war.

Mit schnellen Schritten lief sie vor das Podium, auf dem Policrates’ Thronsessel stand. Mit gesenktem Kopf kniete sie nieder. Sie trug ein knappes Seidengewand, einen Stahlkragen und ihr Brandzeichen. »Ja. Herr?«

nd

»Steh auf, dreh dich um, Sklavin, u schau dir den Gefangenen an!« befahl Policrates.

Anmutig kam das Mädchen dem Befehl nach und sah mich erstaunt an. Als sie eintrat, hatten die anderen Sklavinnen in ihrer Tätigkeit innegehalten und warteten nur auf die weiteren Befehle Policrates’.

Meine Fäuste ballten sich in den Ketten.

»Kennst du ihn?« fragte Policrates.

»Ja, Herr«, antwortete die Sklavin des Piraten. »Das ist Jason aus Victoria. Ursprünglich kommt er von der Erde – wie ich, deine Sklavin.«

Ich betrachtete Beverly, die da barfuß in einem knappen Seidengewand vor mir stand. Der Sklavenkragen machte sich prächtig an ihrem Hals, und das dunkle Haar lag offen und weich um ihre Schultern. Mir stockte beinahe der Atem beim Anblick ihrer Schönheit. Ich erinnerte mich, wie wir uns vor langer Zeit in einem Restaurant in New York getroffen hatten und sie mir Persönliches anvertraute, Ängste und Träume, von denen sie heimgesucht wurde. Hätte ich sie damals so sehen können, wie ich sie jetzt vor mir hatte, hätte ich ihr Problem sofort erkannt, hätte ich augenblicklich tief in ihrem Inneren die Sklavin ausgemacht, die auf Verwirklichung drängte.

»Dieser Bursche behauptet, hier in unsere Festung gekommen zu sein und den Kurier Ragnar Voskjards gespielt zu haben – womit er uns alle getäuscht haben müßte«, sagte Policrates zu dem Mädchen.

Die Sklavin musterte mich erstaunt, ungläubig. »Das ist absurd, Herr«, sagte sie.

»Du wurdest doch dem Kurier des Ragnar Voskjard für die Nacht überlassen, nicht wahr?«

»Ja, Herr. So lautete dein Befehl. Du ließest mich zu ihm schicken.«

»Hat er dich zur Hingabe gezwungen?«

»Ja, Herr«, antwortete sie mit gesenktem Kopf. »Er forderte meine Hingabe, und zwar oft und zur Gänze, als seine Sklavin.«

»Fandest du die Nacht lehrreich?«

»Ja, Herr. Ich erfuhr, daß ich eine Frau war, eine Sklavin.«

»Und?«

»Und, Herr, daß ich es liebte, Frau und Sklavin zu sein.«

»War dies der Mann, der bei dir lag? Der Mann, der hier angekettet ist?«

»Natürlich nicht, Herr!« rief sie und hob erschrocken den Kopf.

»Bist du sicher?«

»Ja, Herr. Er da ist ein Mann der Erde. Kein Erdenmann könnte mich so besitzen.«

»Bist du sicher?« wiederholte Policrates.

»Ja. Herr. Die Arme, die mich umfangen hielten, gehörten einem Goreaner.«

»Das dachte ich mir«, sagte Policrates lächelnd. »Nun geh zu ihm und hilf den anderen.«

»Aber er ist doch nur ein Erdenmann, Herr!« rief sie.

Policrates warf ihr einen strengen Blick zu.

»Verzeih mir, Herr!« rief sie und eilte herbei. Im nächsten Moment spürte ich auch ihre Lippen und Hände an meinem Körper, die Lippen und Hände des Mädchens, das einmal Beverly Henderson gewesen war.

Ich biß die Zähne zusammen – aber wie konnte ich den Liebkosungen widerstehen?

»Wenn du wirklich der Mann warst, der sich als Kurier Ragnar Voskjards ausgab«, sagte Policrates, »dann beschreib mir die Beschaffenheit und Einrichtung des Raums, in dem er hier als unser Gast die Nacht verbrachte.«

»Das kann ich nicht!« rief ich – meinem Plan gemäß.

Policrates und Kliomenes lachten. Nun konnte keiner mehr glauben, daß ich den Topas in die Festung gebracht hatte. Sollten sie ruhig annehmen – wenigstens für den Augenblick –, daß sie den Stein vom echten Kurier Ragnar Voskjards erhalten hatten!

Ich zerrte in hilfloser Wonne an den Ketten, kam aber nicht frei. Hilflos lag ich vor meinen Feinden, zu deren Vergnügen erregt.

»Bring ihm deine Wonnen, Beverly«, befahl er.

»Ja, Herr.«

Ich sah, wie sie den Kopf senkte, wie das dunkle Haar auf meinen Körper fiel. Der enge Stahl an ihrem Hals blinkte. Dann spürte ich ihre Lippen.

»Oh!« rief ich. »Aii!« Und schrie meine Erniedrigung und Scham, meinen Zorn und meine Wonne hinaus.

Mein Blick ruhte auf Beverly. Ich kannte sie von der Erde. Für mich war sie das schönste und erregendste Mädchen, das ich je kennengelernt hatte. Auf der Erde hatte ich sie nie geküßt. Auf der Erde hatte ich kaum ihre Hand zu berühren gewagt. Hier auf Gor hatte sie mir höchste Freuden bereitet; als falscher Kurier Ragnar Voskjards hatte ich erfahren, daß

n sie eine echte Sklavin war. I diesem Augenblick konnte ich nur bedauern, daß ich sie nicht besaß. »Ich hasse dich«, flüsterte sie.

»Bringt ihn fort und kettet ihn an der Winde fest«, befahl Policrates. »Und wir wollen in seinem Interesse hoffen, daß dem Kurier Ragnar Voskjards nichts geschehen ist.«

Man löste meine Fesseln und schleppte mich aus dem Saal.

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