Wer oder was hat das Universum erschaffen? Wer oder was hat die Sterne im All installiert? Wer oder was bedient die »Schalthebel« im Weltenraum und macht sich einen Spaß daraus, Sterne zusammenprallen, Sonnen explodieren und ganze Galaxien inein-anderrasen zu lassen?
Wer oder was hat erstem Leben den »Odem eingehaucht«?
Wer oder was wollte, daß intelligentes Leben entsteht, daß wir so wurden, wie wir sind?
Wenn alles, was ist, von dem einen und einzigen Gott geschaffen wurde, dann mußte dieser Gott gerecht, allmächtig und gut sein, denn alles ist Schöpfung nach seinem Willen.
Warum läßt dieser allmächtige Gott Kriege entstehen, Blut und Tränen fließen?
Warum läßt dieser gerechte Gott Mord an unschuldigen Kindern geschehen?
Wenn dieser weise Gott will, daß ihm alle Menschen »dienen«, wie die Religionen sagen, warum läßt er dann auf einem einzigen Planeten 20000 Religionen und Sekten zu, die sich in seinem Namen in blutigen Auseinandersetzungen bekriegen?
Wie kann im Namen dieses Gottes, der, wie die Religionen sagen, einst Mensch war und darum Menschen in ihrem Glück und in ihrer Not verstehen muß, Kriegsgerät verfeindeter Parteien für den Sieg gesegnet werden? Dürfte der wissende Gott den Segen nicht nur der einen Partei angedeihen lassen, die tatsächlich in seinem Namen, Auftrag und Willen kämpft? Warum dürfen Schurken und Schufte, Halsabschneider und falsche Richter des gleichen Glückes teilhaftig sein wie die guten Kreaturen unter Gottes Sonne? Wie kann ein weiser und gütiger Gott es zulassen, daß die Reichen reicher, die Armen ärmer werden, da doch alle seine Kinder sind? Welchen Sinn hat dieser eine Gott intelligentem Leben überhaupt zugedacht?
Der Molekularbiologe jacques monod, Direktor des Pasteur-Instituts, Paris, und Nobelpreisträger von 1965, erregte und verstörte die gläubige Welt mit seinem Buch »Zufall und Notwendigkeit«, und selbst die atheistische Linke war über Monod's Thesen empört, weil sie in ihnen eine philosophische Überhöhung biologischer Fakten zu einer Ersatzreligion vermutete. monod benennt in seinem Werk die drei Stufen, die alles Leben möglich machten:
1. Die Bildung der hauptsächlichen chemischen Bestandteile von Lebewesen auf der Erde: der Nukleotide und Aminosäuren. (Nukleotide sind Verbindungen von Phosphorsäure, Nukleinbasen und Kohlenhydrat, die besonders in den Zellkernen vorkommen. -Aminosäuren sind organische Säuren, die als Bausteine der Eiweiße Bedeutung haben.)
2. Auf der Basis dieser Stoffe die Bildung der ersten re-plikationsfähigen Makromoleküle (Makromoleküle bestehen aus 1000 und mehr Atomen).
3. Um diese unbegrenzt wiederholbaren Strukturen baut sich der teleonomische Apparat auf, ein System, das sich in sich selbst zusammenhält: es führt zur Urzelle.
monod kennt die jüngsten Forschungen der Molekularbiologie und Genetik: vor Milliarden Jahren traten in der Erdatmosphäre und Erdkruste bestimmte einfache Kohlenstoffverbindungen (wie Methan) auf, später bildeten sich Wasser und Ammoniak; aus diesen einfachen Verbindungen entstanden zahlreiche Substanzen, darunter Nukleotide und Aminosäuren, die schließlich in der präbiotischen Ursuppe den ersten Organismus, die erste Zelle und damit das erste Leben bildeten. Das war also zu einer Zeit, als chemische und physikalische Abläufe noch nicht an die Gegenwart von Lebewesen gebunden waren. (Zurück zu den Sternen, Seiten 41 ff-) Der »kleine Rest« bis zur Entwicklung des Homo sapiens tut sich in der Evolutionstheorie angeblich in einer friedlichen Entwicklung ohne revolutionären Eingriff.
Kern der Monodschen Thesen ist, daß sich das entscheidende Ereignis des Entstehens von Leben nur ein einziges Mal abspielte, monod: »Der Mensch weiß endlich, daß er allein ist in der gleichgültigen Unermeßlichkeit des Universums, aus dem er durch Zufall aufgetaucht ist. Über sein Schicksal und seine Pflicht wurde nirgends entschieden.«
Leben als Lotterietreffer der Natur?! Mögen die Gedanken des atheistischen Professors wissenschaftlich hervorragend fundiert sein, bleibt letztlich doch die entscheidende Frage unbeantwortet: Welche Urkraft stellte die chemischen Substanzen für die Entstehung von Leben bereit? Woher also kamen die Zutaten für die Ur-suppe, in der erstes Leben wie Fettaugen auf der Bouillon herumschwamm?
Natürlich aus der Atmosphäre, antwortet die Wissenschaft. Aber die Antwort reicht mir nicht. Als neugieriges Kind frage ich: woher kam denn die Atmosphäre? — Aus der Hülle der sich abkühlenden Erde, mein Sohn. - Aha, und woher kam die Erde? - Die ist ein Teil der Sonne, mein Sohn. - Und die Sonne? Die ist ein Teil der Milchstraße, mein Sohn. - Woher, bitte, kommt die Milchstraße? Die ist ein Teil all der anderen Milchstraßen im Weltall, mein Sohn. -Und die Milchstraßen, woher kommen die? Darüber gibt es nur Theorien, mein Sohn.
Professor Georges lemaitre, Physiker und Mathematiker in Brüssel, führte eine phänomenale Idee von der Entstehung aller Welten in die mannigfachen Diskussionen ein. Vor Jahrmilliarden war alle Materie des Universums in einem Uratom verdichtet, eine schwere Materienmasse, deren Kohäsion sich zum Kern permanent zusammenpreßte; die ungeheuren Kräfte addierten und multiplizierten sich derart, daß der Materieklumpen explodierte; in viele, viele Milliarden Teile aufgesplittert, sammelten sich die Materiestücke in einer langen Konsolidierungszeit in unendlich vielen Galaxien. — Der russische Physiker george gamow (1904), der über Paris und London an die Universität in Michigan kam, ist in der wissenschaftlichen Welt für seine griffigen Formulierungen bekannt; für die von der wissenschaftlichen Meinung derzeit als wahrscheinlichste Theorie von der Entstehung der Welten und damit allen Lebens akzeptierte Idee vom Ur-Knall führte Gamow den plausiblen Begriff von der Big-Bang-Explosion ins Schrifttum ein. Daß diese Art der Schöpfung mit einem großen Knall vonstatten ging, ist absolut glaubhaft. Big Bang! Die Big-BangTheorie hat gegenüber allen anderen Theorien den Vorzug, daß sie sich mit dem sogenannten Dopplereffekt »beweisen« läßt. Der österreichische Physik-Professor Christian doppler (1803-1853) entdeckte 1842 den bei allen Wellenvorgängen — Licht oder Schall - nach ihm benannten Effekt: »Der Dopplereffekt besteht in einer Änderung der Tonhöhe, wenn sich die Tonquelle oder der Beobachter bewegen. Vergrößert sich ihre gegenseitige Entfernung, wird der Ton tiefer, verringert sie sich, wird er höher. Diese Erscheinung ist zum Beispiel bei der Annäherung oder Entfernung einer pfeifenden Lokomotive zu beobachten. Bei Lichtstrahlen zeigt sich bei einer Bewegung der Lichtquelle gegen den Beobachter eine Verschiebung des Spektrums nach Blau zu, bei einer Bewegung vom Beobachter weg eine Verschiebung nach Rot zu.« Mit dem Dopplereffekt läßt sich die Geschwindigkeit der Bewegung aller Sterne messen, weil nachgewiesen wurde, daß Sterne aller Galaxien gleiche chemische Konsistenzen und vielfach gleiche physikalische Bedingungen wie die Sterne unserer Milchstraße haben.
Auf der Basis dieses gesicherten Wissens entdeckte 1929 der Astrophysiker edwin Powell hubble (1889 — 1953) bei seinen Arbeiten über kosmische Nebel und Sternensysteme am Mount-Wilson-Observatorium, daß mit zunehmender Entfernung von uns die Rotverschiebung der Galaxien zunimmt. Professor hannes alfven, Professor für Plasmaphysik an der Königlichen Technischen Hochschule in Stockholm: »Die Galaxien bewegen sich mit Geschwindigkeiten von uns weg, die proportional sind zu ihren Entfernungen von uns.« - Die Frequenz des Lichtes wird um ein Prozent kleiner, wenn sich die Lichtquelle mit einer Geschwindigkeit von einem Prozent der Lichtgeschwindigkeit (= fast 300000 km/sec) von uns fortbewegt. Man mag sich einen bunten Kinderluftballon vorstellen, der noch nicht aufgeblasen ist. Tupft man in das faltige Gummietwas rote Punkte und bläst dann den Ballon auf, so entfernt sich jeder rote Tupfer vom nächsten und zwar in proportionaler Geschwindigkeit, weil ja jeder Punkt um so schneller und weiter vom anderen wegrückt, je dicker der Ballon wird. Es ist klar, daß sich aus den Geschwindigkeitsdaten, die die Entfernung der Punkte voneinander ergeben sowie aus den Richtungen, in die sie sich bewegen, zurückrechnen läßt, wann alle Punkte in einem Zentrum zusammengelegen haben.
Nach dieser Methode der Rotverschiebung hat man das Alter des Universums errechnet und billigte ihm runde sechs bis zehn Milliarden Erdenjahre zu. Als man sich eben auf diese Rechnung geeinigt hatte, meldete sich Georges abell, Leiter der Astronomischen Abteilung der Universität von Kalifornien, im November 1971 und sagte: »Irrtum, verehrte Herren! Nach 13jähriger Beobachtung von acht weit voneinander entfernten Galaxien kann ich beweisen, daß das Universum doppelt so alt ist wie bisher angenommen!« Big Bang!!
Das Universum ist keine Dame, die man mit einer zu hohen Altersschätzung beleidigen könnte. Mir ist es ziemlich egal, ob sechs, zehn oder zwanzig Milliarden Jahre seit dem Ur-Knall vergangen sind. Das Alter sagt nichts über die Entstehung ersten Lebens aus! Wann immer das Feuerwerk stattgefunden haben mag -vorher muß etwas dagewesen sein. Die Explosion des Uratoms mag die Entstehung der Galaxien mit Abermilliarden Sternen erklären. Naturwissenschaftler aller Sparten, ja, auch Philosophen mögen immer tiefer in die Geheimnisse des Atoms als dem Anfang aller Dinge eindringen. Atheisten mögen immer vehementer die Existenz einer Kraft, die wir behelfsweise »Gott« nennen, negieren. Am Anfang stand eine Schöpfung. Wenn die Materie aller Sterne aus dem Uratom stammt, ist es nur logisch, daß die Sterne in allen Galaxien aus dem gleichen Stoff gemacht sind, also aus den gleichen Elementen bestehen. Entweder läßt sich mit der Rotverschiebung die Big-Bang-Theorie beweisen, dann war alle Materie ursprünglich in einem Klumpen geballt, oder es gab den Ur-Knall nicht, dann läßt sich auch aus der Rotverschiebung samt dem Dopplereffekt nichts herleiten.
Tatsächlich wurden gerade im Laufe der beiden letzten Jahre mehr und mehr Aminosäuren und Komplexe molekularer Verbindungen in der exterristischen Materie nachgewiesen. Die Geologen goesta vollin und david b. ericson von der ColumbiaUniversität, New York, veröffentlichten am 29. Oktober 1971 in nature, daß es bei Laborversuchen gelungen ist, durch Bestrahlung eines Gemischs aus vier Stoffen, wie sie nachweislich im Weltall vorkommen, Aminosäuren als Reaktionsprodukte herzustellen. -Fast gleichzeitig gaben Forscher des Radioastronomischen Observatoriums Green bank, West-Virginia, bekannt, daß in der Gaswolke B2 im Sternbild des Schützen eine Substanz festgestellt wurde, die alle Vorbedingungen für die Entstehung von Leben enthält. Es handelt sich um Cyano-Azethylen, die komplexeste chemische Verbindung, die bisher im interstellaren Raum nachgewiesen werden konnte. — Moleküle von Wasserstoff, Kohlenstoffmonoxyd, Ammoniak, Wasser, Wasserstoffzyanid, Formaldehyd, Ameisensäure, Methylalkohol und eine Reihe von Kohlenwasserstoffen wurden im Weltall wie Aminosäuren in Meteoriten und Mondgestein nachgewiesen, NASA-Wissenschaftler meldeten im Oktober 1971, daß sie in den Murchinson-und-Murray-Meteoriten (nach den Fundorten in Südaustralien benannt) 17 (!) Aminosäuren -darunter solche, die sich als Proteinbausteine in allen irdischen Organismen befinden - nachweisen konnten. Die Universität von Miami entdeckte in Mondgestein, das die Apollo-XI-Besatzung von ihrem Ausflug mitbrachte, zwei freie proteinbildende Aminosäuren, Glyzin und Alanin.
Eigentlich müßte der Mensch, der so ungern allein ist, sehr glücklich über alle wissenschaftlichen Beweise sein, die ihm die Gewißheit geben, daß er auch im Kosmos nicht allein ist, daß im Gegenteil dort vermutlich sehr viele kluge Spielgefährten darauf warten, daß er die hinterlassenen Spuren ihres einstmaligen Besuches aufnimmt. Denn dies ist nach dem gegenwärtigen Status der Erkenntnisse anzunehmen:
- Alle Materie des Universums war am Ursprung in einem Uratom vereinigt
- Chemische Voraussetzungen für Leben sind auf anderen Sternen unserer Galaxis vorhanden
Wo aber ist in diesem von der Wissenschaft errichteten großartigen Denkmodell noch Platz für den »lieben Gott« ?
Die Personifizierung der Kraft, die vor dem Ur-Knall vorhanden gewesen sein muß, in dem Namen gott und die aus diesem Begriff durch die Katecheten unter die Gläubigen gebrachten Vorstellungen von dem gütigen alten Herrn verstellen den Blick.
Die urgewaltige Kraft, die vor dem Beginn allen Werdens bestand, war ein Neutrum, es war vor dem Big Bang existent, es löste die große Zerstörung aus. es ließ daraus alle Welten des Universums entstehen, es, körperlose Urkraft, bestimmender Urbefehl, wurde Materie und: es kannte das Resultat der großen Explosion, es wollte zur erlebten Erfahrung gelangen. In zahlreichen Diskussionen habe ich diese meine Vorstellung an einem sehr vereinfachten Denkmodell zu erläutern versucht. Terrible simplificateur! Man denke sich, schlug ich vor, einen Computer, der mit ioo Milliarden Denkeinheiten (= Bits in der Fachsprache) arbeitet. Dieser hätte, wie es Professor michie von der Universität Edinburgh, der den Prototyp des ersten denkenden Computers entwickelte, formulierte, ein »persönliches Bewußtsein«. Das persönliche Bewußtsein des Computers ist fest an die komplizierte Maschinerie mit ihren Milliarden Schaltstellen fixiert. Würde dieser Computer sich selbst in die Luft sprengen, wäre sein »persönliches Bewußtsein« zerstört — sofern der intelligente Computer nicht vor der Explosion alle Milliarden Bits magnetisiert hätte. Die Explosion findet statt. 100 Milliarden Bits schießen, je nach Größe mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in alle Richtungen. Das anfänglich zentrierte Computer-Bewußtsein existiert nicht mehr, aber der clevere Selbstzerstörer hatte die Zukunft nach der Explosion programmiert: alle magnetischen Bits mit ihren Einzelinformationen werden irgendwann wieder am Zentrum der Explosion eintreffen. Jedes Bit bringt, zurückgekehrt, in das ursprüngliche »persönliche Bewußtsein« der großen Maschinerie einen neuen Faktor mit - die persönliche Erfahrung. - Vom Moment der Explosion bis zum Augenblick der Rückkehr »wußte« kein Bit, daß es winziges Teilchen eines größeren Bewußtseins war und nun auch wieder sein wird. Hätte sich ein einzelnes Bit mit seinem minimen Denkvermögen die Frage stellen können »Was ist Sinn und Zweck meiner rasenden Fahrt?« oder »Wer hat mich erschaffen, woher komme ich?« hätte es keine Antwort gehabt. Trotzdem war es Anfang und Ende eines Aktes, einer Art von »Schöpfung« des Bewußtseins, vermehrt um den Faktor: Erfahrung. Vielleicht kann dieser versimplifizierte Vergleich eine Hilfe sein, das Phänomen es aufzuspüren: wir alle sind Bestandteile dieser Urkraft es. Erst ganz am Ende, an teilhard de chardin's (1881-1955) »Punkt Omega«, werden wir wieder wissen, daß wir in uns selbst Ursache und Ergebnis der Schöpfung vereinen. Daß es, Synonym für den Begriff gott, vor dem Ur-Knall existiert haben muß, scheint mir ein unwiderlegbarer Gedanke zu sein. Der Evangelist Johannes, der in seinen Offenbarungen beweist, daß er Zugang zu alten geheimen Texten hatte, beschrieb die Entstehung allen Seins:
»Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dies war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe geworden und ohne das Wort ist nichts geworden, das geworden ist.«
Das alles wäre logisch, wenn der Begriff gott nicht in zwei Jahrtausenden mit Vorstellungen befrachtet worden wäre, die es erlauben, Kindern und Wilden eine erzählbare Geschichte von der Schöpfung zu vermitteln, die aber verhindern, dem Geheimnis der Schöpfung auf den Grund zu kommen. Hat aber das Phänomen es (Gott) beschlossen, sich in Materie umzuwandeln, dann ist es die Schöpfung und selbst ein Produkt seiner Schöpfung. Wie sagt Professor d. l. pieper von der Stanford Universität? »Panische Angst vor einem Fehler ist der Tod für jeden Fortschritt. Wahrheitsliebe ist sein Schutzbrief!«
Wie die Computer-Bits finden auch wir uns in einer Einheit wieder. Wir sind Teile, winzige Teile des es, die zur unendlichen kosmologischen Gemeinschaft zurückfinden werden. Alle Besinnungen, alle Philosophien quälen sich um Antworten auf die Fragen »Warum?« und »Woher?« — »Wissen«, schreibt der Theologe Professor puc-cetti, »muß nicht unbedingt auf wissenschaftlichem Wege gewonnen werden, und tatsächlich ist keine sogenannte religiöse Wahrheit von Bedeutung je auf diese Weise erworben worden.«
An der Schwelle zum dritten Jahrtausend unserer Zeitrechnung ist die Welt in fünf große rivalisierende Religionen und Tausende fanatischer Sekten zersplittert. Technik wird es mit größter Sicherheit möglich machen, mit fremden Intelligenzen im Kosmos Verbindung aufzunehmen.
Wie stellen wir uns ihnen vor? Als Katholiken? Als Protestanten? Als Alt-Lutheraner?
Als Hussiten? Als Mormonen? Als Mohammedaner? Als Buddhisten? Als Hindus? Als Griechisch-Orthodoxe? Wollen wir uns von einer fremden Intelligenz als geistig minderbemittelt ansehen lassen, weil wir am Samstag keinen Lichtschalter bedienen? (Orthodoxe Juden) Weil wir kein Schweinefleisch essen? (Mohammedaner und Juden) Weil wir magere Kühe und fette Ratten für heilig halten? (Hindus und verwandte Religionen) Oder: weil wir unseren allmächtigen Gott auf grauenhafte Weise ans Kreuz nagelten?
Ich vermute, daß mit dem Schritt ins interstellare dritte Jahrtausend zwangsläufig das Ende der irdischen Vielgötterei kommen wird.
Mit der Annahme, daß wir alle Teile des gewaltigen es sind, muß der eine Gott nicht mehr in unbegreiflicher Weise zugleich gut und böse sein, ist er nicht mehr für Leid und Freud, für Prüfungen und Fügungen verantwortlich. Wir selbst tragen die positiven und negativen Kräfte in uns, weil wir alle aus dem es, das immer war, stammen.
Ich kann dieser Frage nach dem es - oder hochgestochen: der Frage nach Gott — nicht ausweichen, will es auch nicht, weil es meine Überzeugung ist, daß Religionen mit ihren unzähligen Göttern den Fortschritt hemmen. Wie oft waren Religionen und Sekten, jede von ihnen einem Gott verschworen, Anlaß für Kriege, Leid und Greuel! Und sie werden ohne bessere Einsicht Mitursache für das Ende der menschlichen Existenz sein. Der Systemanalytiker jay w. forester vom Massachusetts Institute of Technology hat mit einem exakten mathematischen Modell die gründlichste Studie über die menschlichen Zuwachsraten und deren Folgen geliefert. »The limits of the growth« (Die Grenzen des Wachstums) heißt das Buch, in dem Professor Dennis meadows im Mai 1972 anhand der Foresterschen Berechnungen die Weltöffentlichkeit mit den furchterregenden Zukunftsperspektiven konfrontierte. Täglich, stündlich wächst die Zahl der Menschen. Eine Menschenflut überschwemmt unseren Planeten. Alle Menschen brauchen Nahrung, Kleidung, Unterkunft. Alle verursachen Abfälle und Dreck, vermehren den Stickstoff. Mehr landwirtschaftliche Nutzflächen und mehr Rohstoffe werden benötigt als unser Planet zur Verfügung hat. Wie die Metastasen einer krebsartigen Geschwulst wird die Erdoberfläche von Städten und Siedlungen überwuchert. Rodet man in der letzten Not Dschungel und Urwälder, erstickt die Menschheit sich selbst: sie vernichtet die Sauerstoffquellen. Das Lebenselixier: Wasser reicht nicht mehr, selbst wenn Ozeane und das polare Eisvolumen in die Rechnung eingesetzt werden. Noch vor dem Jahr 2100, mahnen die Wissenschaftler, wird die Erde zugrunde gehen.
Für dieses Problem gibt es nur eine Lösung: den sofortigen und rigorosen Geburtenstopp. Dem widersetzen sich die Gebieter großer und kleiner Religionsgemeinschaften wie in einer weltumspannenden Kartellabsprache. Jede Gemeinschaft zählt ihre Schäflein und mehr Schäf-lein bedeuten mehr Macht, selbst dann noch, wenn diese Macht sich in menschlichem Elend wahrhaftig nicht als gottgewollt darstellen kann. Was hier im Namen Gottes geschehen darf, ist Machtpolitik mit ärmsten Kreaturen, ist ein Verbrechen an der Menschheit. An Gottes Ebenbildern?
Müßte sich der Mensch nicht endlich als wesentlichen Teil des Kosmos begreifen? Von dieser Position aus käme er zu stimmigen Relationen seiner eigenen Bedeutung, er könnte sich seine Welt als Heimat bewahren und zugleich mutiger den Griff nach den Sternen wagen. Die Zukunft wird Weltraumfahrt - Besuche auf dem Mond waren nur ein ganz geringer Anfang — bringen, weil wir Rohstoffe und auch Raum brauchen werden. Weltraumfahrt aber wird mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auch die Begegnung mit dem »Herrn vom andern Stern« bringen.
Diese Begegnung paßt nicht ins Konzept der 20 000 Religionen und Sekten. Das gläubige Schäflein, der Mensch, muß die Krone der Schöpfung bleiben! Wie denn, was denn, wenn ganz ohne den göttlichen Schöpfungsakt auf anderen Planeten intelligente, uns weit überlegene Wesen existieren? Es ist so schwer, von vertrauten und liebgewordenen Märchen Abschied zu nehmen. Auf eine luziferisch geschickte Weise müht »man« sich, diese Zukunftstechnik mit ihrem Ziel zu sabotieren. Vor den Resultaten der diesem Ziel zugewandten Forschungen warnt »man«. Die Infiltration dieser Gesinnung geht so sachte unter die Haut, daß manche kluge Kritiker von Raumfahrtplänen überhaupt nicht mehr bemerken, wer ihnen bei ihren Argumentationen die Feder führt... Was nun? Was tun? Soll man Tempel sprengen, Kirchen schleifen?
Nie und nimmer.
Wo Menschen sich zusammenfinden und den Schöpfer preisen, empfinden sie eine wohltuende stärkende Gemeinsamkeit. Wie vom Ton einer Stimmgabel angerührt, schwingt gemeinsame Ahnung von etwas Großartigem im Raum. Tempel und Kirchen sind Orte der Besinnung, Räume des gemeinsamen Lobes für das Undefinierbare, für es, das wir behelfsweise Gott zu nennen gelernt haben. Diese Versammlungsstätten sind notwendig.
Der Rest aber ist überflüssig.