»Ein neutraler Kurier unter Diplomatenflagge hat vor ein paar Minuten diese Nachricht für Sie überbracht«, sagte Asam und gab ihm einen Brief.
Nathan Brazil schob sich aus einem Klappstuhl hoch, griff nach dem Bogen und faltete ihn auseinander.
»Sie haben nicht viel Zeit vergeudet, wie?« sagte er mürrisch, bevor er den Brief las.
›Kapitän Brazil,
wie Sie inzwischen gewiß erfahren konnten, haben wir Mavra Tschang gefangen und sie an einen sicheren Ort gebracht. Sie ist unversehrt und gesund; die verwendete Droge ist ein leichtes Lähmungsgift für Tiere ohne nachhaltige Wirkung. Sie ist verständlicherweise völlig durcheinander, und ihre Bezeichnungen für uns überfordern manchmal beinahe den Übersetzerkristall, aber sonst geht es ihr sehr gut. Wir haben keinen Streit mit ihr und wollen ihr nichts Böses antun. Unsere Truppen sind derzeit im Vormarsch gegen Sie; wohlwollende Augen beobachten Sie unaufhörlich, um uns zu alarmieren, sollten Sie einen Fluchtversuch unternehmen. Alle nahe gelegenen Avenuen sind blockiert. Sie haben keine Aussicht, Sieger zu bleiben. Wenn Sie jetzt kapitulieren, indem Sie einfach durch das nächstgelegene Zone-Tor gehen, wird das Ganze ein Ende haben, ohne noch irgend jemand das Leben zu kosten, inklusive Sie selbst. Wenn Sie es vorziehen sollten, diese Mitteilung zu mißachten, die meine einzige bleiben wird, muß die Frau auf höchst unangenehme und langgezogene Weise sterben, bevor es zur großen Schlacht kommt. Und bitte keine primitiven Täuschungsversuche durch ein weiteres Double. Ich versichere Ihnen, wir werden jeden, den Sie schicken, äußerst streng prüfen, und es würde für alle Beteiligten äußerst unerfreuliche Folgen haben, sollte eines Ihrer Ebenbilder sich in etwas anderes verwandeln und verschwinden. Ich habe so viel von Ihnen gehört, daß ich mich sehr darauf freue, Sie hier bald begrüßen zu dürfen. Wir haben viel miteinander zu besprechen. Ich verbleibe mit außerordentlicher Hochachtung
Brazil knüllte das Papier zusammen und warf es ins Feuer.
»Höflicher Mann, nicht?« meinte er mit schiefem Lächeln.
»Eine giftige Spinne oder eine hungrige Schlange«, sagte Asam schnaubend.
»Ich glaube aber, daß wir ihn bisher unterschätzt haben«, stellte Brazil fest, während er zusah, wie der Brief verbrannte. »Ich dachte eigentlich immer, Serge Ortega würde das große Problem sein, aber dieser Kerl ist Ortega ohne… ohne…«
»Gewissen?« sagte Asam.
»Ehrgefühl«, ergänzte Brazil. »Gewissen ist etwas, wovon Serge sehr wenig besitzt, aber auf seine Art ist er ein ehrenhafter Mann. Er tut, was er nach seinen eigenen Maßstäben als das richtige für jedermann betrachtet — ob es richtig ist oder nicht, ob es heilt oder tötet. Nach allem, was ich von Gunit Sangh weiß, könnte er derzeit der gefährlichste Mann sein, den es gibt. Ich bin unter meiner eigenen Art früher oft auf seine Sorte gestoßen.«
Asam sah Brazil ins Gesicht.
»Werden Sie sein Angebot annehmen?«
Brazil lächelte ohne Humor.
»Es ist immer der mühelose Ausweg, den sie einem anbieten«, meinte er nachdenklich. »Tun Sie, was ich will, und der Fall ist erledigt — bis auf… Der Vorbehalt ist immer dabei, wissen Sie. Nein, ich werde mich ihm oder Ortega oder sonst irgend jemandem nicht ausliefern. Aber keine Sorge, gleichgültig, was er behauptet, er wird sie nicht umbringen. Er sagt sich, daß das der einzige Hebel ist, den er gegen mich hat, wenn ich in den Schacht gelange — und das stimmt natürlich. Das mag aber der Punkt sein, wo er seinen Fehler begeht. Sobald ich im Schacht bin und zu dem kleinen Computerchen komme, das diesen kleinen Planeten betreibt, kann er mir und ihr und jedem anderen nichts mehr tun, aber ich kann ihm sehr viel antun. Ich bringe eine ganze Liste von Leuten zusammen, mit denen ich gerne abrechnen würde, Asam. Ich glaube, zum erstenmal lege ich Wert darauf, in den Schacht zu kommen.«
»Glauben Sie, daß Sie das können?« fragte der Zentaur ernsthaft. »Ich meine, er hält in seinem Brief doch mit nichts hinter dem Berg.«
»Es ist möglich«, erwiderte er. »Mehr als nur möglich. Wir lassen sie natürlich weiterhin raten, solange Zigeuner hier ist. Er kann es sich nicht ersparen, mit seiner großen Armee herzukommen, um mich aufzuhalten, und Zigeuner ist heute bei Yua unten, nicht nur, um sie in die Pläne einzuweihen, sondern auch, um gesehen zu werden — als ich. Das wird sie so verwirren, daß Khutir gegen sie vorrücken muß. Und ich habe noch den einen oder anderen Trumpf im Ärmel. Ja, ich glaube, ich kann hineinkommen. Ich mache mich heute abend auch auf den Weg, sobald Zigeuner wieder da ist.«
Asam schwieg kurze Zeit, dann sagte er trocken:»Heute abend« und ging zu seinem Zelt zurück, um nachzudenken.
Es gab Stabsbesprechungen, Chefbesprechungen, Tagesbefehle, Anordnungen, fast den ganzen Nachmittag hindurch, was Asam in seinem Gefühlsdilemma ein wenig nützlich war. Was nicht wirklich an dich herankann, tut dir nicht weh.
Immerhin lauerte das Unheil in einem Winkel seines Gehirns, ein dumpfer Schmerz, der nicht weichen wollte. Er hatte schon oft geglaubt, verliebt zu sein, aber jetzt wußte er, daß das alles bedeutungslos gewesen war — körperliche Anziehung oder Gefühle, die mit Liebe zu verwechseln waren, weil er das Eigentliche noch nicht erlebt und geglaubt hatte, das müsse es sein. Aber er liebte Mavra Tschang. Er wußte es, bis ins Innerste seines Wesens hinein, wußte, daß sie ihm mehr bedeutete als sein eigenes Leben, sogar als seine persönliche Ehre, die er für das Höchste gehalten hatte. Er verabscheute dieses Gefühl; aus irgendeinem Grund war er in seinen eigenen Augen kleiner geworden, weil er sich als das Opfer solcher Empfindungen entpuppt hatte, Gefühle, die er bei anderen beobachtet und nur mit Verachtung gestraft hatte.
Das schlimmste, das entwürdigendste von allem war, daß Gunit Sangh diese Verwundbarkeit erkannt, sein schleimiges Vorderbein genau auf diese Schwäche in Asams Seele gestellt und mit solchem Genuß Druck ausgeübt hatte.
Kurze, ganz kurze Zeit hatte er die Hoffnung gehegt, Brazil werde ihm die Last abnehmen, diesem Wahnsinn ein Ende machen und die Sache bereinigen. Aber nein, dieser Ausweg war verstellt. Brazil würde heute nacht versuchen, den Schacht der Seelen zu erreichen, der selbst auf dem Luftweg zwei oder drei Tagesreisen entfernt war, und was würde mit Mavra geschehen? Brazil war seiner Sache bei Sangh zu sicher; er, Asam, kannte das Ungeheuer besser. Mavra würde langsam und rituell geschlachtet und verschlungen werden, daran gab es keinen Zweifel. Sie selbst würde lieber das auf sich nehmen, als Geisel zu bleiben, fürchtete er. Sie würde ihm zeigen, daß sie im Hinblick auf Brazil keine Geisel war.
Noch ein anderes Gefühl bedrängte ihn, und zwar eines, das sein bewußtes Denken nicht in den Vordergrund treten ließ. Von Anfang an hatte er sich dagegen aufgelehnt, daß Mavra zusammen mit Brazil den Schacht betrat. Im Augenblick hatte er das Gefühl, daß sie ihn liebte, wenigstens auf irgendeine Art. Brazil behauptete aber, sie giere nach Liebe nach dem Vater, den sie nie gehabt, und er sei mindestens das und vielleicht noch viel mehr für sie. Wenn man sie in Ruhe ließ, dann würden sie beide, das wußte er tief im Innersten, den Rest ihres Lebens gemeinsam auf der Sechseck-Welt verbringen; ein schönes, erfülltes Leben. Aber mit Brazil im Schacht blieb die schreckliche, nagende Furcht, daß sie nicht als Dillianerin herauskommen würde — falls sie überhaupt herauskam.
Er dachte an Brazil und an die Sache, für die so viele Wesen aus so vielen Hexagons kämpften. Warum kämpften sie überhaupt? Dumme, irregeleitete Neuzugänge, von denen sogar Mavra zugab, daß sie Produkte eines Kults waren, der an ein falsches Ende für dies alles glaubte; Dillianer, zunächst rachgierig, die ihre Wünsche inzwischen befriedigt hatten und weitermarschieren mußten, und solche wie die Hakazit, denen die Sache nichts bedeutete, die aber kämpften, weil ihnen das Genuß brachte; ein Antrieb, enthalten in ihren erschreckenden Riesengenen.
Und Brazil selbst — ein feiner Gott! Ein gelangweilter, zynischer kleiner Mann, den in Wahrheit nichts und niemand interessierte, und der selbst zugab, daß er weder die Arbeitsprinzipien des Schachts verstand noch etwas anderes tun wollte, als das Universum seinen jetzigen unsinnigen Weg fortsetzen zu lassen oder es nach demselben Muster noch einmal neu zu erschaffen. Er war einfach ein Mensch wie so viele andere, nur machte ihn dieses kleine Wissen zur Zielscheibe solch irregeleiteter Anbetung. Lediglich ein alberner, kleiner Mann, dessen einziges besonderes Merkmal war, daß er viel zu lange gelebt hatte…
Noch tiefer verborgen in Asams Unbewußtem, wo niemand es je zu erkennen vermochte, lauerte das Gefühl, Brazil könnte auf irgendeine Weise sein Rivale sein, könnte Mavra das anbieten, was sie nicht zurückzuweisen vermochte.
Er faßte seinen Entschluß aus, wie er meinte, vernünftigen realistischen Gründen. Er entschloß sich, dann suchte er in der Apotheke nach dem, was er brauchte, erkundigte sich verstohlen nach Mengen und Verträglichkeiten für Glathraeliten und bereitete Mittel und Methoden zur Flucht vor. Wie Mavras Entführer brauchte er fliegende Unterstützung, die leicht zu beschaffen war. Auf diesem Territorium hatte er einen beachtlichen Ruf; er war der Befehlshaber der Truppen, und niemand stellte etwas in Frage, das er unternahm. Vor allem die Jorgasnovarier waren durch Marquoz und die Hakazit zur Mitwirkung bewogen worden, und bei ihnen handelte es sich nicht um Zugänge. Sie waren fremde Wesen, diese fliegenden, fühlerbewehrten Gummibonbons, in einem solchen Maße, daß es ihnen unmöglich gewesen wäre, Brazil aus einer nackten Gruppe von Glathraeliten herauszupicken. Einer erschien ihnen genau wie der andere, und das erwies sich als Vorteil.
Gegen Abend war alles vorbereitet, und wie der Zufall es fügte, hatte Brazil sich in ein kleines Zelt zurückgezogen, um in der Erwartung, die ganze Nacht wach sein zu müssen, ein wenig zu schlafen. Es würde so leicht sein, daß man nur staunen konnte. Asam hoffte nur, daß Sangh das Zeitproblem erkannte und nichts überstürzte.
Er betrat Brazils Zelt und ließ die Klappe hinter sich herunterfallen. Der kleine Mann lag da, mit dem Gesicht nach oben, den Mund geöffnet. Er schnarchte ein wenig. So mühelos, so verwundbar… Und trotzdem zögerte Asam, Liebe und Ehre standen im Widerstreit, Haß und Antlitz von Gunit Sangh schienen ihn zu verhöhnen.
Seine Hände zitterten, als er nach der kleinen Flasche griff und die Spritze mit zwei ccm der klaren Flüssigkeit füllte. Niemand sonst war in der Nähe; in einer Stunde würde es ganz dunkel sein, und seine eigenen Truppen würden eingreifen, unterstützt von passenden Wachwechseln, Nachtmanövern und umgestellten Essenszeiten, für die er untertags gesorgt hatte. Es würde gehen. Lautlos näherte er sich dem Schlafenden, die Spritze in der erhobenen Hand.
»O närrischer Mann!« dröhnte eine Stimme hinter ihm.
Er fuhr herum, die Spritze in der Hand, Brazil schnaubte und fuhr aus dem Schlaf hoch, erstarrte aber, als er die dramatische Situation erfaßte.
Sie waren zu dritt — riesige, zottigweiße Geschöpfe, hier in dieser Atmosphäre ganz fehl am Platze. Asam wußte auf der Stelle, was sie waren; er hatte sich fast sein ganzes Leben lang gewünscht, ihnen zu begegnen.
»Was denn?« fragte Brazil. Er setzte sich auf und rieb seine Augen. »Was soll das, Asam? Und wer oder was seid ihr drei?«
»Er kennt uns«, sagte der riesenhafte Sprecher.
»Ihr — ihr seid Gedemondaner«, krächzte Asam, vor Schrecken und Scham beinahe sprachlos.
Brazil blickte mit ernster Miene auf die verräterische Spritze in Asams Hand.
»Sie wollten mich also verkaufen«, sagte er traurig. »Der große Colonel Asam.«
»Sangh… kam zu mir. Hier. Mitten im Lager. Er kann durch Gestein schwimmen, man ist nirgends vor ihm sicher«, sagte der Dillianer dumpf, wie von einem Traum befangen.
»Er wollte sie lebendig essen, Brazil. Bei lebendigem Leib!«
»Und so einem Ungeheuer wollten Sie vertrauen, daß er sie sicher und gesund herausgibt«, erwiderte der kleine Mann und schüttelte traurig den Kopf. »Ich weiß nicht, ob wir jemals etwas lernen. Asam, vor sehr langer Zeit bat uns auf der Welt meiner eigenen Art ein Mann wie Gunit Sangh um Vertrauen. Wir schenkten es ihm, und er verschlang ganze Nationen, eine nach der anderen, dann richtete er Millionen hin und folterte sie. Es kostete noch einmal Millionen Menschenleben, um ihn endlich zu besiegen — und trotzdem gingen Leute her und taten dasselbe wieder bei anderen Ungeheuern dieser Art. Gerade jemand wie Sie sollte wissen, daß Sangh sein Wort niemals halten würde. Wir haben heute schon darüber gesprochen. Ehre ist ein Fremdwort für ihn — und Sie scheinen in der Lage zu sein, den Sinn dehnbar zu nehmen. Aus Eifersucht wären Sie bereit gewesen, all jene zu verraten, die für ihre Sache gekämpft haben und gestorben sind.«
»Eifersucht? Nein, Brazil! Liebe, ja, aber nicht Eifersucht!« fuhr der Colonel auf.
»So wenig kennen Sie sich also«, meinte Brazil seufzend. »Gut, Asam. Es ist nun einmal geschehen.«
Asam nickte.
»Es ist geschehen. Ich werde Ihnen natürlich nicht länger zur Last fallen. Sie ist jetzt praktisch tot, und ich will sie nicht überleben.«
»O närrischer Mann, sie lebt«, sagte der Gedemondaner.
»Aber wie lange noch?«
»Sie ist durch brutale chirurgische Eingriffe völlig gelähmt worden«, erklärte das zottige Wesen. »Sie wäre, mit Ausnahme von Dahir-Zauberei, für immer ein hilfloser Krüppel gewesen. Sie hätten einen lebenden Leichnam bekommen.«
Colonel Asam ließ die Spritze fallen und begann zum erstenmal in seinem Leben zu weinen. Die Gedemondaner standen ausdruckslos dabei, und Brazil blieb ruhig sitzen und wartete, bis Asam sich ausgeweint hatte. Nach einigen Minuten ließ Asam stumm den Kopf hängen und erwartete das Urteil über sich.
»Mir fällt auf, daß Sie sagen, sie wäre ein hilfloser Krüppel gewesen«, sagte Brazil zu den Gedemondanern, »nicht, daß sie einer ist.«
Der andere nickte.
»Zwei Brüder und eine Schwester sahen den Überfall und gingen mit«, erklärte er. »Die Wesen, die sie trugen, wunderten sich darüber, daß sie so schwer war, aber sie sahen uns nicht.« Er schien insgeheim darüber zu lächeln. »Als es ging, setzten sie sich mit ihr in Verbindung — aber zu spät, um ihr zu helfen. Außerhalb von Gedemondas sind unsere Kräfte ein wenig eingeschränkt; wir können die Ereignisse nicht beeinflussen und sie auch nicht so klar erkennen, und so groß wir auch sind, wir wären ihren Truppen nicht gewachsen gewesen, vor allem nicht in Dahir. Die Zauberei dort ist wirkungsvoll, und wir kommen nicht dagegen an.«
Er nickte.
»Verstehe. Aber ihr habt trotzdem etwas getan, nicht?«
»Sie versuchten das einzige, was unter diesen Umständen möglich war«, fuhr der Gedemondaner fort. »Es gibt ein Verfahren, das mangels eines besseren Ausdrucks Übertragung genannt wird. Wir kannten es, obwohl es nach unserem Wissen das erstemal war, daß Gedemondaner es ernsthaft versucht haben. Es geht darum, das Wesen einer Person, die Seele, den Intellekt, wie man es auch nennen mag, herauszuholen und in den Körper eines Tieres zu überführen.«
»Ja! Sicher! Das kenne ich!« rief Brazil. »Die Murnies haben das einmal mit mir gemacht, als mein Körper zerstört wurde!«
»So ist es«, bestätigte der Sprecher. »Die Bewohner von Murithel sind die einzigen im Süden, die das praktizieren, und selbst dann nur bei sehr seltenen Gelegenheiten. Trotz ihrer seltsamen und gewalttätigen Lebensweise und ihres ungewöhnlichen Aberglaubens sind einige ihrer Weisesten auf viele derselben Kräfte und Geheimnisse gestoßen wie wir. Uns gelang das in der Tat durch Berichte über ihr Tun.«
Brazil sah zu Asam hinüber.
»Sehen Sie, Colonel? Sie lebt, es fehlt ihr nichts, und sie ist aus den Händen der Feinde befreit. Alles, was sie haben, ist eine leere Hülle.«
Asam zwang sich ein schwaches Lächeln ab.
»Ich bin froh«, flüsterte er.
»Sie haben sie noch nicht verloren, Colonel. Jetzt steckt sie in einem Tierkörper, aber im Inneren des Schachtes kann sie sein, was sie werden will. Es ist ihre Wahl, Colonel. Es ist immer ihre Wahl gewesen. Das kann ich beschwören.«
»Möchtet ihr sie sehen?« fragte der Gedemondaner. »Wir haben sie nicht in die Nähe des Hauptlagers gebracht, weil ein großes Tier in der Nähe einer Armee mit vielen Fleischfressern eine zu große Verlockung wäre, aber wir können euch zu ihr bringen.«
»Nein«, sagte Asam. »Jedenfalls nicht jetzt. Nicht nach… alledem. Wenn sie es will, wenn sie zurückkehrt, dann kann ich ihr vielleicht wieder gegenübertreten. Was mich angeht, so werde ich diese Armee in die Schlacht führen und mit ihr siegen. Ich werde am Leben bleiben, bis ich Gunit Sangh selbst töten kann, egal um welchen Preis.« Er sah zuerst die Gedemondaner, dann Brazil an. »Darf ich gehen?«
Brazil nickte.
»Gehen Sie in Ihr Zelt zurück, Colonel. Sie haben nicht mehr darüber zu bestimmen.«
Asam entfernte sich hastig, seine Gefühle waren zu sehr in Verwirrung, als daß er sich mit ihnen hätte befassen können, seine innere Scham war schier unerträglich.
Brazil setzte sich auf sein Feldbett, lehnte sich zurück und sah die Gedemondaner an.
»Was für ein Tier habt ihr genommen?« fragte er.
»Wir hatten sehr wenig Zeit«, erklärte der Gedemondaner bedauernd. »Wir standen in einer Scheune in einem fremden Hex voll Zauberei, umgeben von Feinden. Abgesehen vom zeitlichen Problem hatten wir nur eine begrenzte Anzahl von Tieren, unter denen wir wählen konnten — und dann mußten wir sie noch hinausschaffen, vorbei an den feindlichen Truppen, ohne aufzufallen.«
»Das ist mir alles klar«, sagte Brazil ungeduldig. »Mich steckte man in einen Hirschen, verdammt.«
»Wir hatten zwei Möglichkeiten«, fuhr der Gedemondaner fort. »Da waren erstens die gehörnten Reittiere der Dahir — aber dabei ergab sich ein Problem. Sie laufen nicht frei herum und werden als Reit- und Zugtiere verwendet. Ein wildes wäre bemerkt und rasch eingefangen worden, weil es einen Wert darstellt. Also blieb das andere Wesen, eines, das auf die Weide getrieben wird und frei herumlaufen darf, bis es gebraucht wird. In eurer Sprache würdet ihr es eine Art Kuh nennen.«