Der Herr liebt die, die reinen Herzens sind.
Was man auch über Victor Semjonowitsch Jankowski bisher gehört und gelesen hat — es schien so, als gehöre er zu den Auserwählten. Er war ein gutaussehender, sportlicher Mann, durch seinen Beruf als Geologe kam er viel in der Welt herum, er konnte also spannend von Gegenden erzählen, die andere nur auf der Landkarte kannten. Er lachte gern, war großzügig in der Beurteilung seiner Mitmenschen und zeigte einen ausgeprägten Sinn für Kunst aller Art. Er verstand etwas von Malerei, Architektur, Skulptur, Theater und Musik, las Romane, konnte über moderne Philosophien diskutieren und war auch nicht in Verlegenheit zu bringen, wenn man mit Parapsychologie anfing. Also rundherum ein Teufelskerl.
Dazu kam, daß er mit einem weichen, warmen Bariton ausgestattet war, gern Arien sang, sich dabei selbst auf der Laute begleitete oder — wenn es möglich war — auf dem Klavier. Mit Antonina Pawlowna sang er sogar Duette, etwa: >Reich mir die Hand, mein Leben…< oder >Ein Mädchen oder Weibchen wünscht Papageno sich.< Das klang vorzüglich, der fette Zwetkow saß dann selig lächelnd im Sessel und erfreute sich am Charme seiner Frau, nannte Victor Semjonowitsch einen edlen Freund und einen Gewinn für Nowo Korsaki.
Da sollte einer noch sagen, der Genosse Jankowski sei kein Glückskind!
Babajew sah mit größter Spannung dem Augenblick entgegen, an dem Jankowski die Vergrößerungen seiner Fotos abholte. Und tatsächlich erschien Victor Semjonowitsch wie vereinbart am Vormittag des übernächsten Tages, betrat den Laden, grüßte wie immer mit einer impertinenten Freundlichkeit und fragte unverfroren:»Haben Sie die Fotos fertig, Nikita Romanowitsch?«
«Pünktlich, wie zugesagt. «Babajew griff unter die Theke, holte das Kuvert mit den Vergrößerungen 18x18 hervor und legte sie auf den Tisch. Jankowski öffnete unbefangen das Kuvert, zog die Bilder heraus und betrachtete sie einzeln mit sichtbarer Wonne, hielt sie sogar in die Sonne und nickte mehrmals. Babajew rollte vor Erregung den Speichel im Mund hin und her.
«Sind Sie zufrieden, Genosse?«
«Durchaus. Nikita Romanowitsch, Sie sind ein Könner Ihres Fachs. Sie haben alles aus den Aufnahmen herausgeholt, was herauszuholen war.«
«Das war nicht schwierig bei diesen Perspektiven.«
«Trotzdem. Man sieht an den Vergrößerungen, daß Sie mit Liebe dabei waren.«
Babajew bemühte sich, ein plötzliches Rotwerden zu unterdrücken, und hielt deshalb die Luft an, was natürlich falsch war. Er tauchte deshalb an der Theke unter, suchte in einem Stapel von Prospekten, fand eine Reklame für neue Objektive und hatte sich unterdessen so beruhigt, daß er den Prospekt an Jankowski weitergeben konnte.»Man tut, was man kann«, sagte er dabei heiser.
«Und Sie können viel. «Jankowski schob die Bilder wieder in das Kuvert und strahlte Babajew an.»Was mir an Ihnen so gefällt, Nikita Romanowitsch, ist Ihre Freude an der Arbeit, Ihr Verständnis, Ihre Diskretion.«
«Dafür ist man Fotograf«, antwortete der arme Babajew verlegen.»Unsere Arbeit basiert auf gegenseitigem Vertrauen.«»Das wollte ich damit sagen. «Jankowski klemmte das Kuvert unter seinen Arm.»Diese Vergrößerungen sind Meisterwerke. Ich werde Ihnen in den nächsten Tagen noch mehrere Filme bringen.«
«Noch… mehr.?«stotterte Babajew am Rande des Umfallens.
«Ja, insgesamt sieben.«
«Sieben? Welche Freude! Äh… ähnlich im Motiv?«
«Gemischt. Auch viel Natur ist dabei.«
«Viel… Natur.?«
«Ich liebe Schönheit in jeder Form«, sagte Jankowski mit glänzenden Augen.»Gibt es zum Beispiel Herrlicheres als von der Sonne überhauchte, schwellende Matten?«
Babajew nickte entrückt.»Schwellende Matten.«, wiederholte er wie ein Somnambuler.
«Eine sich öffnende Knospe. - Aber wem sage ich das? Als Fotograf ist Ihr Auge ja auch geschult für solche Köstlichkeiten, nicht wahr, Nikita Romanowitsch?«
Babajew nickte stumm und war heilfroh, als Jankowski endlich das Geschäft verließ, draußen in einen kleinen Geländewagen stieg und fortbrauste in die Wälder zu seiner Forschungsarbeit. Er rannte nach hinten zum Telefon und rief den Parteisekretär Kasutin an, dem Dunja Sergejewna gerade eine verspannte Schulter massierte. Auch das gehörte zu ihrer Sekretärinnentätigkeit. Sie verstand sich gut aufs Massieren, knetete Kasutin wie eine gelernte Masseuse durch und nahm zwischendurch auch noch Telefonate auf.
«Es ist Genosse Babajew«, sagte sie und blickte Kasutin an.»Mein Gott, ist der aufgeregt!«
Kasutin nahm den Hörer und hustete hinein, weil Dunja ihre zarten Hände wieder in seinen Rückenmuskel hieb.»Ich ahne Schlechtes, Nikita Romanowitsch«, sagte Kasutin.
«Er war eben da, hat die Fotos abgeholt und ist weggefahren in die Wälder. Vor meinen Augen hat er sie ausgepackt und betrachtet. Völlig schamlos. Geradezu verzückt. Ich hatte schon die Befürchtung, er würde die Bilder auffressen.«
«Das ist es!«sagte Kasutin feierlich.»Wir haben es ja analysiert:
Er ist pervers. Auf eine gefährliche Art. Bei ihm schwappt die Perversion über und gefährdet die Umwelt. Was hat er noch gesagt?«
«Er bringt neue Filme. Sieben Stück.«
«Nein!«Kasutin war zusammengezuckt.»So eine Frechheit.«
«Mit schwellenden Matten.«
«Mäßige dich, Babajew.«
«Jankowski hat das gesagt. Ich glaube, Pjotr Dementijewitsch, es wird einen Skandal geben, der uns alle wie eine Lawine unter sich begräbt.«
«Warten wir ab, was Akif Victorowitsch erreicht. Bleib ganz ruhig, Nikita Romanowitsch, ganz beherrscht. Wir müssen einen klaren Kopf behalten. Vergessen wir nicht die Diagnose von Doktor Lallikow. >Der Genosse Jankowski ist ein armer Mann<, sagte er. >Lei-det an einer Form des Priapismus.< Ich weiß zwar nicht, was das ist, aber es muß ein schreckliches Leiden sein, so wie es Doktor Lallikow mit dumpfer Stimme ausgesprochen hat. Wir sollten alle unsere Fantasie aufbieten, um Victor Semjonowitsch zu helfen.«
Eine Stunde später besuchte Kasutin den dicken Zwetkow, um eine kleine Zeitbombe gegen Jankowski zu legen. Zwetkow saß in seinem Haus auf der Veranda, rauchte eine grusinische Zigarre, las den >Neuen Morgen< und war mit sich zufrieden. Seine hübsche Frau Antonina Pawlowna lag in einem Liegestuhl unten im Garten, trug einen knappen Bikini, wie ihn in Nowo Korsaki nur noch die schöne Witwe Sitkina besaß, und hatte das linke Bein hoch in die Luft gestreckt. In dieser nicht gerade bequemen, aber attraktiven Haltung lackierte sie sich die Zehennägel. Kasutin warf einen langen Blick auf dieses schöne Bild, das eigentlich verderbte westliche Lebensart ausdrückte, und setzte sich dann neben Zwetkow in einen weichen Korbsessel.
«Gut, daß Sie kommen, Pjotr Dementijewitsch«, sagte Zwetkow und hielt Kasutin die Zigarrenkiste hin.»Man belästigt mich.«
«Moment. «Kasutin biß die Spitze einer Zigarre ab, spuckte sie aus, entzündete die Zigarre und rauchte sie genußvoll an. Mit geschlossenen Lidern ließ er den Geschmack über seine Zunge fließen. So ist das, dachte er dabei. Um so zu leben, muß man den Staat bescheißen. Ein ehrlicher Parteisekretär kann sich nie eine Grusinische No. 1< leisten. Zertreten sollte man die Schmarotzer — aber wo stände unsere Wirtschaft jetzt, wenn wir sie nicht hätten?» Wer würde wagen, Sie, Genosse Zwetkow, zu belästigen?«
«Ein Anonymer. Ein Telefonbandit. Ein fernmündlicher Wegelagerer. Gestern spät am Abend.«
«Konnte nicht ein anderer gemeint sein?«
«Bin ich ein Idiot?«
Kasutin blies den Zigarrenrauch in kleinen Wölkchen über die Lippen.»Was sagte er denn?«
«Ich soll mich der interessanten Mühe unterziehen, meine Frau Antonina Pawlowna zu beäugen.«
Kasutin verschluckte sich am Rauch, hustete heftig, rang mit hervorquellenden Augen nach Luft und klammerte sich an der Tischkante fest. Erst nach ziemlich langer Erholungszeit war es ihm möglich, mit kratzender Stimme zu sagen:»Das ist allerdings ein starkes Stück.«
«Und um die Enthaarungscreme soll ich mich kümmern.«
Kasutin dankte seinem sonst immer geleugneten Gott, daß er in einem Sessel mit Seitenstützen saß. Er hatte das Gefühl, wegzurutschen. die Anziehungskraft der Erde mußte sich plötzlich verzehnfacht haben.
«Was soll. soll man davon halten?«stotterte er.»Welch absurder Gedanke! Was haben Sie, Rassul Alexejewitsch, mit Enthaarungscreme zu tun? Haha, wenn es nicht so blödsinnig wäre — man sollte darüber lachen. «Kasutin starrte plötzlich den fetten Zwetkow wie die Schlange das Kaninchen an.»Sie haben doch noch nie Enthaarungscreme gesehen, nicht wahr?«
«Wieso nicht?«Zwetkow lutschte böse an seiner Zigarre. Das späte Telefongespräch erregte ihn noch immer über Gebühr.»Lebe ich in einer Höhle? Natürlich kenne ich diese kosmetische Spezialität.«
«Dem Namen nach. Von der Reklame. Wir alle kennen sie, na klar!«Kasutin holte tief Luft.»Aber in der Hand gehabt?«»Auch das«, sagte Zwetkow wie angewidert.
Kasutin flimmerte es vor den Augen.»Oha!«stotterte er, spitzte die Lippen und stieß einen unbeherrschten Pfiff aus. Sein Blick ging in Richtung Antonina Pawlowna. Sie lag im Garten da wie auf dem Gemälde eines großen alten Meisters. Kasutin dachte sich den Bikini weg und bekam einen rauhen Hals.
«Warum pfeifen Sie so dämlich, Pjotr Dementijewitsch?«fragte Zwetkow grob.»Sagen Sie mir lieber, was Sie unternehmen wollen. Wie schützen Sie ehrbare Bürger vor anonymen Telefonaten? Ich bin beleidigt worden. Meine Frau Antonina Pawlowna ebenfalls. Sie hätten das hören müssen, diese süffisante Stimme am Telefon.«
«Was halten Sie von Jankowski?«fragte Kasutin wie ein Flüchtender, der den Verfolgern einen ablenkenden Brocken hinwirft.
«Ein wahrer Freund. Warum?«
«Ein guter Fotograf.«
«Ein Künstler auf jedem Gebiet.«
«Dem ist beizupflichten. «Kasutin bemühte sich, wieder sein Gleichgewicht zu finden.»Was fotografiert er denn so?«
«Alles. Besonders meine Frau.«
«Ah!«Kasutin schluckte verlegen.»Interessant.«
«Interessant ist es. «Zwetkow strich sich verlegen über den gewaltigen Bauch.»Ist meine Frau nicht auch eine seltene Schönheit? Und fotogen? Victor Semjonowitsch hat Aufnahmen gemacht, die Gemälden gleichen. Er hat ein Auge für Beleuchtungen.«
«Das hat er wahrhaftig. Der große Künstler zeigt sich im Weglassen, und Jankowski läßt manches wegfallen. Kopf, Haut und Haare.«
Zwetkow blickte Kasutin verwundert an, wedelte sich dann mit seiner dicken Hand Luft aus der Richtung Kasutins zu und schüttelte den Kopf.»Kein Alkoholgeruch! Verzeihen Sie, Pjotr De-mentijewitsch, aber einen Moment dachte ich, Sie seien durch ein Wodkafaß gekrochen. Sie reden ungewöhnlich verworren.«
«Sie kennen alle Fotos, die Jankowski von Antonina Pawlowna gemacht hat?«fragte Kasutin durchaus nicht beleidigt.
«Das weiß ich nicht. Die schlechten wird er mir nicht zeigen.«
«Und die besten?«Kasutin erhob sich, um seinen Aufbruch in die Wege zu leiten. Die Zeitbombe war gelegt, nun tickte ihre Uhr in der Seele des dicken Zwetkow.
«Die besten kleben in einem Album«, brummte Rassul Alexeje-witsch.»Warum sind Sie eigentlich zu mir gekommen, Genosse Ka-sutin?«
«Ich wollte Ihnen sagen, daß wir vom Bezirk das Geld für einen Kindergarten bekommen.«
«Das ist nett, daß Sie mir diese Neuigkeit sofort überbringen«, antwortete Zwetkow mit größter Freundlichkeit.»Meine Pläne liegen schon seit Monaten in Magnitogorssk und sind genehmigt. In einer Woche beginne ich mit den Ausschachtungen. Das Projekt ist voll finanziert.«
Ein Blitz zerschmettere diesen Dickwanst, dachte Kasutin. Natürlich wußte der Kerl schon wieder vorher alles und hatte bereits seinen Profit in der Tasche, als wir noch ahnungslos waren. Was wären wir ohne Planwirtschaft?
«Wenn wir Sie nicht hätten, Genosse Zwetkow«, sagte Kasutin säuerlich.
«Auch die künstlerische Ausgestaltung ist genehmigt. «Zwetkow rieb sich die Hände.»An der Längswand der großen Halle wird ein Riesenfoto von Jankowski aufgezogen.«
Kasutin stützte sich mit beiden Händen auf die Sessellehne. Seine Backenmuskeln malmten, aber er brachte keinen Laut hervor.
«Ein wundervolles Foto«, fuhr Zwetkow fort.»Ein Motiv aus der Heimat der Kinder. Eine Allegorie: Hügelland und Niederung.«
Kasutin nickte schwer. Er verließ Zwetkows Haus, setzte sich in seinem Dienstwagen hinter das Lenkrad und legte den Kopf nach hinten auf die Rückenlehne. So blieb er eine Weile sitzen, wie jemand, dem man im Auto die Kehle durchgeschnitten hatte.
Wie ist Nowo Korsaki noch zu retten, dachte er. O Himmel, welch völlige Überrollung! Und keiner hätte es gemerkt, wenn uns nicht die unanständigen Fotos vor die Augen geraten wären. Eine spätere Generation wird einmal Babajew und Kasutin als Befreier verehren.
Es muß etwas getan werden! Der Jankowski-Virus hat ja schon die halbe Stadt verseucht!
Moses ging zum Berg, um seinem Volk neue Gesetze zu beschaffen. Väterchen Akif fuhr mit einem Moped zu einer steinigen Schlucht im Wald, um dem Geologen Jankowski ins Gewissen zu reden.
Es ist bibelkundig, daß Moses, als er vom Berg zurückkam, sein Volk um das Goldene Kalb tanzen sah. Der Pope Mamedow erstarrte in heiligem Zorn, als er Jankowski nicht allein in der Schlucht vorfand. Rimma Ifanowna, die rote Schönheit mit dem reduzierten Gehirn, war bei ihm.
«Es ist so«, sagte Akif mit seiner dröhnenden Stimme, die in der Schlucht sogar widerhallte,»daß ich nicht stören wollte. Ich hatte in Erinnerung, daß Sie allein Ihre Studien treiben, mein Sohn.«
Er sah sich um und entdeckte, daß Jankowski sich sogar eine Holzhütte gebaut hatte, ein primitives Gebilde allerdings, das aus einem Dach mit Seitenpfählen bestand. Es handelte sich also mehr um einen Schutz gegen plötzliches Unwetter als um eine Unterkunft. Immerhin stand ein Klappbett unter dem Dach, und eine Kiste diente als Tisch. Von einem Bett aber geht immer eine moralische Prüfung aus, wenn es so allein steht und besonders hübschen Mädchen ins Auge fallen muß.
«Kommen Sie herunter, Väterchen!«rief Jankowski und zeigte auf eine Leiter, die an der Steilwand lehnte.»Wenn Sie aber schwindlig sind, komme ich hinauf zu Ihnen!«
«Der ständige Umgang mit dem Himmel macht mich schwindelfrei«, erwiderte Akif würdevoll.»Ich komme zu dir, mein Sohn, und wenn du in der Höllenspalte wohnst! Ich muß zu dir — da gibt es keine Hindernisse.«
Er kletterte die Leiter hinab, strich, unten angekommen, seinen Bart zurecht und blickte tadelnd auf Rimma Ifanowna. Zwar war sie ordentlich gekleidet und hinterließ in keiner Weise den Eindruck von überraschter Verwerflichkeit, aber die Frage blieb offen, was eine
Der Pope Mamedow erstarrte in heiligem Zorn, als er Jankowski nicht allein in der Schlucht
vorfand.
Korbflechterin in der steinigen Grube eines Geologen zu suchen hatte. Eine berufliche Interessengemeinschaft war auf jeden Fall zu verneinen.
«Muß sie dabei sein?«fragte er streng und zeigte auf Rimma wie auf eine neugierige Ziege.»Ist sie bei deiner Arbeit sehr vonnöten? Das zu beurteilen, obliegt nicht mir, mein Sohn.«
«Rimma Ifanowna gab mir einen Hinweis«, sagte Jankowski.
«Soso.«
«Sie zeigte mir einige bisher unbeachtete Stellen.«
«Aha. «Akifs Bart sträubte sich. Der Pope war versucht, Rimma niederknien und ihre Reue laut aussprechen zu lassen, aber in Anbetracht der anderen wichtigen Klärungen verzichtete er auf strengere Gewissenserforschungen.»Das gute Mädchen!«
«Ich bin sehr zufrieden mit ihr.«
Akif Victorowitsch bezwang sich, diese Ungeheuerlichkeit ruhig zu schlucken. Es war schon eine enorme Leistung von Selbstbezwingung damit verbunden, Rimma mit umflorten Augen anzusehen und sich vorzustellen, wie dieses herrliche Geschöpf sich im Wald, in einer Steinschlucht, auf einem Klappbett unter einem Holzdach frohgemut vergaß. In Mamedows Händen zuckte es. Der heilige Zorn drängte ihn geradezu, mit Jankowski eine Schlägerei anzufangen. Er griff sich an die Brust, fühlte unter dem Priesterkleid den länglichen, harten Gegenstand und war zufrieden. In der Notwehr ist eine Pistole immer der beste Freund. Die Zeit der Märtyrer ist vorbei… oder besser gesagt: Man soll Seligsprechungen solcher Art tunlichst aus dem Wege gehen.
Akif wartete, bis Rimma Ifanowna die Leiter hinaufgeklettert war, wobei sie viel Bein und Schenkel zeigte, dann hörte man das Knattern eines schweren Motorrades. Jankowski ging unter das Dach zu dem Klappbett.
«Nun sind wir allein«, sagte er.
«Ja, nun sind wir allein. «Der Pope kam auch unters Dach, zögerte, mied das Lasterlager und setzte sich auf die Kiste.»Eine große Stunde.«
Victor Semjonowitsch sah AkifVictorowitsch fragend an. Dieser faltete die Hände.
«Wir sollten offen miteinander sprechen«, begann er in gütigem Ton.»Mein Sohn, wir haben beide die gleichen Namen… das sollte uns verpflichten und einander näherbringen. Jegliche Lüge sollte von uns abfallen, die Reinheit einer Taube sollte unserem Gemüt eigen sein, die Brüderlichkeit sollte unsere Herzen öffnen. «Er beugte sich vor und starrte Jankowski wie ein Gewürgter an.»Was hast du mit Stella Gawrilowna getan, mein Sohn?«
«Sie versorgt mich mit frischen Blumen«, antwortete Jankowski freimütig.
«Und sonst?«
«Ab und zu mit Töpfen.«
«Und darüber hinaus?«
«Sie ißt so gerne Blinis mit Essigpilzen. Da habe ich sie zum Essen eingeladen. Ich habe eine besondere Art, Blinis zu backen.«
«Nicht nur das!«unterbrach Väterchen Akif gereizt.»Was war mit der japanischen Kirsche?«
«Damit? Stella Gawrilowna besorgte sie mir. Hat sich das schon herumgesprochen?«
«Und wie es sich herumgesprochen hat!«erklärte Mamedow mit Betonung.
«Ein Prachtexemplar. «Jankowskis Miene strahlte.»Wenn man sie richtig pflegt, entwickelt sie eine Blüte.«
Väterchen Akif tastete nach seiner Pistole unter dem Kittel und seufzte verzweifelt. Er wußte, welch ein Prachtexemplar Stella Gawrilowna war, dazu benötigte man nicht die Erkenntnis eines Jankowski. Aber es war interessant zu erfahren, welcher besonderen Pflege es bedurfte, sie noch mehr aufblühen zu lassen. In Mamedows Inneren spannte sich alles, als er fragte:»Gehört Fotografieren dazu?«
«Selbstverständlich habe ich sie auch fotografiert«, erwiderte Jankowski ahnungslos.»So etwas muß man im Bild festhalten! Ich fotografiere alles, was mit Schönheit zusammenhängt. Wir sind ja eine Gemeinschaft der Blinden, wir sehen gar nicht mehr, wieviel Herr-lichkeit es um uns herum gibt. Die kleinsten Dinge, und mögen sie noch so nackt sein, verbergen in ihrer Form einen Rhythmus.«
Mamedow zuckte schmerzhaft zusammen. In seinem Kopf brodelte es. Welche Schamlosigkeit! Welche Infamie!
«Ich will ein Buch über die Schönheit herausbringen«, fuhr Jankowski fort.»Über die unbemerkte Schönheit um uns herum. Die Vollendung der Nichtigkeiten. Haben Sie schon mal einen einfachen Pflasterstein genau betrachtet, Väterchen? Oder einen Pflaumenkern? Dieses Wunder der Natur? Oder ein Stück Birkenrinde? Oder einen Käfer, der ein Blättchen zersägt? Das sind Wunder, an denen wir achtlos vorbeigehen.«
«An Stella Gawrilowna geht niemand achtlos vorbei«, sagte Akif rauh.»Sie kommt auch in dein Buch, mein Sohn?«
«Vielleicht. Die Auswahl der Fotos nehme ich erst im Winter vor. Vorläufig suche und fotografiere ich noch.«
«Aha. Es geht also so weiter?«
«Es soll ein besonderes Buch werden, Väterchen.«
«Das wird es bestimmt.«
Akif Victorowitsch kämmte mit beiden Händen seinen Bart.»Hast du keine Angst, daß dir bei der Ausübung deines Berufes etwas zustößt?«
«Damit muß man immer rechnen.«
«Du gehst gefahrvolle Wege, mein Sohn.«
«Im Augenblick nicht. Rimma Ifanowna hat mich auf etwas hingewiesen, das sie von ihrem Vater weiß und das in keiner Karte verzeichnet steht: Hier in der Gegend muß es ein kleines Bergwerk gegeben haben. Ein winziges nur, betrieben von ein paar Abenteurern, bis der letzte wegstarb. Sie schürften nach Edelsteinen. Diamanten! Rimma weiß die genaue Stelle nicht, aber diese muß hier in den engen Schluchten zu finden sein. Ich habe genug zu tun.«
Akif hatte wenig Interesse an Steinfunden, er hörte nur heraus, daß Jankowski entgegen aller Vermutungen nicht so bald abreiste.
«Du bleibst also noch länger hier?«fragte er.
«Nowo Korsaki ist ein idealer Ort. Geologisch interessant. und ich habe daneben auch noch Zeit genug, mein Fotobuch herauszubringen. Später will ich einen Erlebnisbericht schreiben.«
«Auch das noch! Du bist ein fleißiger Mensch!«Väterchen Ma-medow atmete heftig.»Alle Erlebnisse?«
«Ja. Man wird staunen.«
«Das ist zu erwarten. Victor Semjonowitsch, ich werde für dich beten müssen. Du wandelst auf gefährlichem Pfad. Warum beschränkst du dich nicht darauf, Diamanten zu suchen?«
Jankowski betrachtete den Popen mit Ehrfurcht und in stillem Staunen. Ihm war völlig unklar, was Akif mit seinem Gerede ausdrücken wollte. Noch weniger verstand er, daß sein Beruf so gefährlich sein sollte. Zugegeben, es konnte vorkommen, daß ein alter Stollen einstürzte und man verschüttet wurde, aber dagegen traf man Vorkehrungen, indem man die Gänge erst einsturzsicher abstützte, ehe man in die Tiefe vordrang. Immerhin war es rührend, daß der Pope sich um sein Wohlergehen solche Sorgen machte und ihn extra in der Schlucht aufsuchte. Vom Fotografieren schien Väterchen Akif allerdings gar nichts zu halten, obgleich Jankowski ihm einige sehr gute Bilder der Kirche geschenkt hatte, die auch bei ihm an den Wänden hingen, zusammen mit den Aufnahmen von Babajew. Der Plan mit dem Fotobuch begeisterte ihn offensichtlich dennoch nicht.
«Vielleicht werde ich später nur noch Bücher herausbringen«, sagte Jankowski ahnungslos.»In der künstlerischen Fotografie liegt eine große Zukunft.«
Akif Victorowitsch brachte es nicht übers Herz, Jankowski jetzt und hier niederzuschießen und dann ein großes Geschrei anzustimmen, eine Bande von Wilderern habe den guten Mann ermordet. Ja, wäre es zum Streit gekommen, hätte man im rasenden Zorn gehandelt, wäre das Blut in den Adern zum Wildbach geworden; hätte Jankowski z. B. Einzelheiten seiner Exzesse mit Stella Gawrilowna preisgegeben, dann hätte Mamedow seine Pistole gezogen und ohne Reue abgedrückt. Aber nichts dergleichen war ja geschehen. Jankowski war ein freundlicher Junge, erzählte von seinen Plänen, erklärte unbefangen, daß es hier Diamanten geben könne, kündigte seinen Er-lebnisbericht an. Väterchen Akif sah sich außerstande, bei soviel Freundlichkeit zu töten. Der Bursche war von einer solch teuflischen Brüderlichkeit, daß Akifs Hand davon gelähmt wurde.
Der Pope erhob sich, schlug das Kreuz über dem Kopf Jankowskis und ging zur Leiter zurück.
«Es war eine lehrreiche Stunde«, sagte er dabei.»Man kann nie genug Erkenntnisse sammeln. Wann, sagtest du, willst du dein Fotobuch über die Schönheit zusammenstellen?«
«Im Winter. Wenn Grabungen unmöglich werden.«
«Bis dahin wirst du sicherlich vieles fotografiert haben?«
«Ich rechne mit einer Auswahl aus ungefähr zweitausend Fotos.«
Väterchen Mamedow blieb die Luft weg. Wie oft wird er Stella Gawrilowna dann noch vor der Linse haben, dachte er mit stok-kendem Puls. Wieviel Qual wird noch über uns kommen? Ist das zu ertragen?
Es wird sich doch nicht vermeiden lassen, ihn bei einer günstigen Gelegenheit unschädlich zu machen. Das könnte möglich sein, wenn er das alte, vergessene Bergwerk gefunden hat.
So schnell es ihm sein Moped erlaubte, fuhr Mamedow nach Nowo Korsaki zurück und fiel bei Dr. Lallikow ein. Der Arzt hatte gerade die Nachricht bekommen, daß dem dicken Zwetkow ein anonymer Anrufer von einer Enthaarungscreme erzählt hatte, und daß Ras-sul Alexejewitsch daraufhin außer Rand und Band geraten war. Er hatte Kasutin angeblafft und war nun bei Apotheker Dudorow vorstellig geworden, um ihn anzuschreien, das Apothekergeheimnis sei bei ihm wohl einem löcherreichen Käse gleichzusetzen. Dudorow war dem Weinen nahe gewesen und hatte gerade Dr. Lallikow angerufen.
«Er schreibt ein Buch!«schrie nun auch Väterchen Akif in höchster Erregung und ließ sich auf einen der Stühle fallen.»Einen Erlebnisbericht über Nowo Korsaki! Und er bringt ein Fotobuch heraus! Unbemerkte Schönheit! Dafür will er weiter fotografieren! Zweitausend Bilder!«
«Ich sage es ja«, konstatierte Dr. Lallikow.»Ein Hyper-Sexualismus! Dieser Mensch wird nur vom Genital regiert!«
«Es muß etwas geschehen«, stöhnte Mamedow.»Wir können da nicht ruhig oder nur mit wissenschaftlichem Interesse zusehen. Die Verseuchung darf nicht wachsen. Wir dürfen uns nicht damit begnügen, die armen Opfer zu verbannen; wir müssen das Übel an der Wurzel ausrotten.«
«An der Wurzel! Sie sprechen es aus, AkifVictorowitsch!«Dr. Lal-likow holte Wodka und zwei Gläser und setzte sich dem Popen gegenüber.»Berichten Sie von Ihrem Gespräch mit diesem Super-Faun. Wie trafen Sie ihn an?«
«Rimma Ifanowna war bei ihm.«
«Was?«Lallikow zuckte hoch.»Die rote Göttin?«
«Sie hat ihm etwas gezeigt.«
«Spannen Sie mich nicht auf die Folter!«sagte Lallikow hitzig und goß Wodka ein.»Berichten Sie alles der Reihe nach! Legen Sie Wert auf Detailschilderungen, Väterchen.«
Am Abend empfing Zwetkow mit umwölkter Stirn seinen Gast. Jankowski war zum Essen eingeladen, präsentierte der Dame des Hauses, der schönen Antonina Pawlowna, einen bunten Blumenstrauß, den Stella Gawrilowna ausgesucht und gebunden hatte (was Akif Mamedow eine Viertelstunde später wußte, allerdings nur: Jankowski war bei Stella!), und brachte Klavierauszüge von drei Opern mit. Antonina und Jankowski wollten an diesem Abend wieder einige Duette singen und die Möglichkeit besprechen, ob man nicht zur Feier der Oktoberrevolution im Parteihaus von Nowo Korsaki ein Konzert geben könne. Der bereits befragte Lehrer der 3. Klasse, ein Genosse Pluntikow, hatte begeistert zugesagt, die Zwetkowa und Jankowski auf dem Klavier zu begleiten. Hatte man genug Zeit zum Üben, konnte sogar das Komsomolzen-Orchester die Begleitung übernehmen. Dann klang es wirklich wie im Opernhaus.
Zwetkow begrüßte Jankowski wie immer mit innigen Wangenküssen, auch Antonina Pawlowna bekam von Jankowski ihre Schmätzchen mit, aber dann, bei der Suppe, einer Orkoschka mit Hühnerschnitzeln, wurde es ernst. Zwetkow sagte muffig:
«Einen Rat, bitte, mein liebster Victor Semjonowitsch: Was kann man gegen Indiskretionen tun?«
Jankowski, wie immer völlig außerhalb des Geschehens und deshalb mit einer Aura aus Naivität umgeben, antwortete:»Man muß den Übeltäter zur Rede stellen.«
«Das habe ich. Er leugnet.«
«Ein Feigling.«
«Ein verfilzter Hofhund.«
«Haben Sie Beweise?«
«Nein.«
Jankowski wurde etwas unruhig.»Das ist schlecht, Rassul Alexe-jewitsch. Ohne Beweise keine Möglichkeit des Vorgehens.«
«Es kann nur vom Übeltäter selbst kommen. «Zwetkow atmete pfeifend. Das war ganz normal — Herz, Lunge, Luftröhre, Hals, alles war verfettet.»Es ist eine medizinische Indiskretion.«
«Doktor Lallikow? Unmöglich! Er würde nie.«
«Dudorow«, sagte Zwetkow wie aus dem Grab.
«Unser Apotheker?«Jankowski sah zu Antonina Pawlowna hinüber. Sie nickte und hatte verhangene Augen vor Kummer.»Akbar Nikolajewitsch ist ein untadeliger Mann.«
«Das dachte ich auch. Ein anonymer Anrufer in der Nacht aber säte erste Zweifel, und dann erschien auch noch Kasutin und machte Andeutungen. Ich bin in einem Zustand, den kann ich Ihnen gar nicht beschreiben. Ich fühle mich von allen angestarrt. Sie haben noch nichts gehört, teurer Freund?«
«Absolut nichts. Dabei kenne ich viele Bürger.«
«Es ist furchtbar. «Zwetkow wischte sich mit der Serviette über das feiste Gesicht, wartete, bis nach der Suppe die Pastetchen mit Hasenfleisch aufgetragen wurden, und stocherte verdrossen in dem herrlichen Essen herum.»Victor Semjonowitsch, Sie als unser bester Freund sollen es wissen, Ihnen vertraue ich es an, als einzigem außer meiner Frau, bei Ihnen wird es im Herzen vergraben sein: Ich beziehe eine Enthaarungscreme.«
Zwetkow wartete auf eine Reaktion, starrte Jankowski forschend an, aber Jankowski zerteilte seine Hasenpastete und aß genießerisch eine Gabel voll. Erst dann sagte er leichthin:»Mit solchen chemischen Mitteln sollte man vorsichtig sein. Die können der Epidermis schaden.«
«Ist das alles?«antwortete Zwetkow, über den Tisch stierend.
«Das ist genug, wenn überall Pickel entstehen.«
«Ich meine, ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben? Es verwundert Sie nicht?«
«Nein. Warum?«
«Rasieren ist normal. Aber Creme?«
«Sie werden Ihre Gründe haben, Rassul Alexejewitsch.«
«Die habe ich. Seit vier Jahren leide ich unter einem abnormen Haarwuchs unter den Achseln. Dr. Lallikow hatte dafür viele lateinische Erklärungen, aber darauf pfeife ich. Ich weiß nur: Wenn ich mich nicht enthaare, kann ich mir zweimal pro Jahr Zöpfe unter den Achseln flechten. Ich war schon bei allen Spezialisten. Was sagen sie? Eine hormonelle Störung. Aber was habe ich davon, wenn ich weiß, wie das heißt? Die Haare wachsen und sind nicht zu bändigen. Selbst mit der Creme ist das immer nur eine gewonnene Schlacht, kein gewonnener Krieg. Auf der Packung steht: >Vernichtet in die Tiefe bis zu den Haarwurzeln.«- Welche falschen Töne! Bei mir jedenfalls. Bei mir lachen die Haarwurzeln über die Creme. Sie geben zwar jeweils die Wolle her, lassen sie jedoch wieder nachwachsen.«
Zwetkow lehnte sich zurück. Seine Erschütterung war deutlich, und sie war ihm nachfühlbar. Wer hat schon gerne Zöpfe in den Achselhöhlen?» Stellen Sie sich meine Situation vor«, fuhr er kurzatmig fort.»Mein bester Victor Semjonowitsch. Ich leide unter dem teuflischen Haarwuchs, und da ruft ein Anonymer an und schleudert mir mein Geheimnis ins Gesicht. Und Kasutin grinst mich an wie ein Faun. Urteilen Sie, mein Freund: Bin ich nicht entehrt?«
«Jetzt sieht die Sache schon anders aus«, sagte Jankowski und setzte vorsichtig hinzu:»Aber man sollte einen klaren Kopf behalten.«
«Der Anrufer hat auch noch etwas anderes gesagt, Rassulenka«, warf Antonina Pawlowna ein.»Vergiß es nicht.«
«O nein!«Zwetkow ballte die Fäuste.»Der Kerl sagte dann auch noch: >Unterziehen Sie sich der interessanten Pflicht, und beäugen Sie Ihre Frau.< Das nahm mir glatt den Atem. Das war der Beweis, daß er genau über mein Leiden Bescheid weiß. Er forderte mich zum Vergleich heraus. Sehen Sie nur Antoninas langes, schönes Haar… und dieser Schuft vergleicht es mit meinem Leid.«
«Die Schlechtigkeit der Menschen ist erschreckend«, sagte Antonina Pawlowna.»Ich hätte nie gedacht, daß in unserer kleinen, schönen Stadt solche bösen Elemente leben. Victor Semjonowitsch, nun wissen Sie alles… wie sollen wir uns verhalten?«
Jankowski aß seine Pastete zu Ende, trank einen Schluck Krimwein und tupfte sich die Krümel aus den Mundwinkeln.»Mein Rat wäre: ignorieren; Stolz zeigen, Erhabenheit gegenüber einer verfallenden Welt. Sie sind Zwetkow, Rassul, Alexejewitsch! Sie sind unangreifbar! Der Anonyme wollte Sie ja aufregen — tun Sie ihm nicht den Gefallen. Gehen Sie in die Offensive: Loben Sie öffentlich, in der Apotheke Dudorows, die Enthaarungscreme.«
«Ha! Das ist ein Gedanke! Victor Semjonowitsch, Sie sind ein Freund, nicht mit Gold aufzuwiegen. Ich möchte Sie küssen wie einen Bruder. «Zwetkow breitete die Arme aus. In solchen Augenblicken faltete ein Uneingeweihter still die Hände und wartete darauf, daß Zwetkow einem Schlaganfall erlag.»Ja, so mache ich es. Was hätte ich zu verlieren? Bin ich ein anderer Mensch mit oder ohne Haare? Ich werde es ihnen zeigen. Jankowski, Brüderchen, Sie haben mir mein Selbstvertrauen wiedergegeben.«
Um seine Wandlung zu beweisen, wälzte er sich zum Telefon und rief den Apotheker Dudorow an. Der arme Akbar Nikolajewitsch erschrak bis ins Mark, als er schon wieder Zwetkows Stimme vernahm, und lehnte sich mit schwachen Knien an die Wand.
«Wissen Sie, was eine hormonelle Störung ist?«schrie Zwetkow.
Dudorow verdrehte die Augen und verfluchte den schwatzhaften
«Ich möchte Sie küssen wie einen Bruder!«Zwetkow breitete die Arme aus.
Kasutin. Mit vorsichtiger Stimme antwortete er:»Genosse Zwetkow, wir sollten darüber in aller Ruhe reden.«
«Ich habe eine! Mir wachsen wallende Haare dort, wo ich sie nicht gebrauchen kann. Können Sie sich das vorstellen?«
«Ja«, krächzte der Apotheker Dudorow, nur irrte er sich gedanklich in der Richtung.
«Und ich bekämpfe den Wald mit Creme.«
«Warum sagen Sie mir das, Genosse?«stammelte Dudorow.
«Damit Sie das Mittel weiterempfehlen können, Akbar Nikola-jewitsch«, antwortete aufgeräumt Zwetkow.»Es könnte ja jemand zu Ihnen kommen, der auch Mühe mit solchem Haarwuchs hat. Nennen Sie mich als Referenz, ich habe nichts dagegen.«
Er warf den Hörer auf die Gabel, drehte sich zu Jankowski und Antonina Pawlowna um und blähte sich auf.»Wie war das?«fragte er.»War das richtig? Hat das hingehauen?«
«Du warst fantastisch!«rief Antonina und klatschte in die Hände.»Grandios! Man muß dich bewundern!«
«Und jetzt das Dessert!«verlangte Zwetkow.»Vanille-Eis mit kandierten Preiselbeeren! Und ein Mokka-Likörchen! Ha — fühle ich mich befreit!«
Eine Stunde später sangen Jankowski und Antonina Pawlowna ihre Duette. Jankowski begleitete sie beide selbst am Klavier.
Es klang sehr gut, die Liebesszenen spielten sie mit aller gebotenen Diskretion — es war wirklich nur die Kunst, die sie zusammenführte.
Zwetkow hing in einem tiefen Sessel, hatte die Augen geschlossen und schlief. Satt, zufrieden, erlöst.
Kasutin hingegen wurde bestraft. Da er die Liste der Verdächtigen besaß, wurde er von Dr. Lallikow aus dem Bett aufgescheucht.
«Streichen Sie sofort Antonina Pawlowna!«bellte der Arzt.»Sie hat dort nichts zu suchen! Ihre Ehre steht außer jedem Zweifel! Ich verbürge mich als Arzt dafür!«
«Sie haben sie heute untersucht, Genosse?«Kasutin kratzte sich das Kopfhaar.
«Ich weiß es!«schrie Lallikow.»Mein Erinnerungsvermögen hatte nur nachgelassen!«
Verwirrt ließ Kasutin den Telefonhörer fallen.