9. Kapitel

Alles, sogar die Natur selbst, schien sich gegen Herrn Goljadkin verschworen zu haben; aber er stand noch auf seinen Füßen und war noch nicht besiegt; er fühlte, daß er nicht besiegt war. Er war bereit, weiter zu kämpfen. Als er nach der ersten Betäubung wieder zur Besinnung kam, rieb er sich mit einem solchen Gefühl der Energie die Hände, daß man schon bei seinem bloßen Anblick zu dem Schlusse kommen konnte, er werde nicht nachgeben. Übrigens war die Gefahr ihm nahe auf den Leib gerückt und offensichtlich geworden; auch dies fühlte Herr Goljadkin; aber wie sollte er ihr begegnen, dieser Gefahr? Das war die Frage. Für einen Augenblick schoß Herrn Goljadkin sogar folgender Gedanke durch den Kopf: »Wie wär's, wenn ich die ganze Sache laufen ließe und einfach verzichtete? Was wäre dabei? Na, gar nichts. Ich werde still für mich leben, als ob ich es gar nicht wäre,« dachte Herr Goljadkin; »ich werde alles fahren lassen; ich bin es nicht, Punktum. Er wird ebenfalls still für sich leben und vielleicht auch verzichten; er wird scherwenzeln, der Halunke, wird scherwenzeln und sich hin und her drehen; aber er wird doch verzichten. So muß es gemacht werden! Ich werde durch Demut siegen. Und wo ist denn eine Gefahr? Nun, was für eine Gefahr besteht denn? Ich möchte wohl, daß mir jemand nachwiese, wo bei dieser Angelegenheit eine Gefahr steckt. Das Ganze ist eine Lumperei, eine ganz gewöhnliche Geschichte!...« Hier stockte Herr Goljadkin in seinen Überlegungen; die Worte erstarben ihm auf der Zunge; er schalt sich sogar für diesen Gedanken aus und klagte sich niedriger Gesinnung und arger Feigheit wegen dieses Gedankens an; aber seine Sache kam trotzdem nicht vom Fleck. Er fühlte, daß es im gegenwärtigen Augenblicke für ihn dringend notwendig war, sich zu irgend etwas zu entschließen; er hatte sogar die Empfindung, daß er demjenigen viel geben würde, der ihm sagte, wozu er sich eigentlich entschließen müsse. Na, aber wie sollte er das erraten? Übrigens hatte er auch keine Zeit, sich mit Raten abzugeben. Auf jeden Fall nahm er, um keine Zeit zu verlieren, eine Droschke und fuhr schnell nach Hause. »Nun? Wie fühlst du dich jetzt?« dachte er bei sich; »wie ist dir jetzt zumute, Jakow Petrowitsch? Was wirst du machen? Was wirst du jetzt anfangen, du Schuft, du Halunke? Da hast du dich nun in die ärgste Lage gebracht, und jetzt weinst du, jetzt winselst du!« So verhöhnte Herr Goljadkin sich selbst, während er auf dem Sitze der rüttelnden und stoßenden Equipage seines Rosselenkers auf- und niederhüpfte. Sich zu verhöhnen und in dieser Weise seine Wunden aufzureißen war in diesem Augenblicke für Herrn Goljadkin eine Art von hohem Genusse, ja beinah eine Wonne. »Na, wenn jetzt«, dachte er, »irgendein Zauberer käme oder es sich auf amtlichem Wege so gestaltete, daß man mir sagte: ›Goljadkin, gib einen Finger von deiner rechten Hand her, dann sollst du quitt sein; es soll dann keinen andern Goljadkin geben, und du wirst glücklich sein; nur den Finger wirst du nicht mehr haben,‹ – dann würdest du den Finger hingeben; du würdest ihn unbedingt hingeben, würdest ihn hingeben, ohne die Stirn zu runzeln. Hol der Teufel diese ganze Geschichte!« rief der verzweifelte Titularrat schließlich. »Wozu ist denn das alles passiert? Daß das alles auch passieren mußte, gerade das, ausgerechnet das, als ob nicht irgend etwas anderes hätte passieren können! Und alles war vorher gut; alle waren zufrieden und glücklich; aber nein, es mußte dies passieren! Übrigens ist mit Worten dabei nicht zu helfen. Da muß gehandelt werden!«

So hatte Herr Goljadkin, als er seine Wohnung betrat, sich schon beinah zu irgend etwas entschlossen; ohne zu zaudern griff er nach seiner Pfeife, und aus Leibeskräften daran saugend und Rauchwolken nach rechts und links ausstoßend, begann er in großer Aufregung in seinem Zimmer hin und her zu laufen. Unterdessen fing Petruschka an, den Tisch zu decken. Endlich war Herr Goljadkin mit seinem Entschlusse ins reine gekommen; er warf plötzlich die Pfeife hin, zog sich den Mantel an, sagte, er werde nicht zu Hause zu Mittag essen, und lief aus der Wohnung. Auf der Treppe holte ihn Petruschka ganz atemlos ein, der den von ihm vergessenen Hut in der Hand hielt. Herr Goljadkin nahm den Hut hin und wollte sich so obenhin mit ein paar Worten vor Petruschka entschuldigen, damit dieser nicht auf irgendwelche besonderen Gedanken käme (er wollte sagen, es sei etwas Derartiges vorgefallen, daß es einem leicht passieren könne, den Hut zu vergessen usw.); aber da Petruschka ihn nicht einmal ansehen mochte, sondern sogleich wieder wegging, so setzte auch Herr Goljadkin ohne weitere Auseinandersetzungen seinen Hut auf und lief die Treppe hinunter. Er sagte sich, vielleicht werde alles sich gut gestalten und die Sache sich irgendwie zurechtschieben, und obwohl er die erfrorenen Stellen an seinen Fersen unangenehm fühlte, trat er auf die Straße hinaus, nahm sich eine Droschke und fuhr schnell zu Andrei Filippowitsch. »Wäre es übrigens nicht besser, es bis morgen zu lassen?« dachte Herr Goljadkin, während er nach dem Klingelzuge an Andrei Filippowitschs Entreetür griff. »Was habe ich ihm denn auch eigentlich Besonderes zu sagen? Etwas Besonderes liegt hier überhaupt nicht vor. Die Sache ist ja so jämmerlich, wirklich jämmerlich, ekelhaft, d. h. beinah ekelhaft... so wie dies alles, dieser ganze Vorfall...« Plötzlich zog Herr Goljadkin an dem Klingelzuge; die Klingel ertönte; von innen wurden Schritte vernehmbar... Nun verwünschte Herr Goljadkin sich geradezu wegen seiner Übereilung und Dreistigkeit. Die Unannehmlichkeiten, die er vor kurzem gehabt, aber über den amtlichen Dingen beinahe vergessen hatte, und sein Rencontre mit Andrei Filippowitsch kamen ihm jetzt sofort wieder ins Gedächtnis. Aber zum Davonlaufen war es bereits zu spät: die Tür wurde geöffnet. Zu Herrn Goljadkins Glücke wurde ihm geantwortet, daß Andrei Filippowitsch nicht vom Dienst nach Hause gekommen sei und nicht zu Hause zu Mittag gegessen habe. »Ich weiß, wo er zu Mittag gegessen hat; er pflegt bei der Ismailowski-Brücke zu Mittag zu essen,« dachte unser Held und freute sich gewaltig. Auf die Frage des Dieners, wen er seinem Herrn als dagewesen melden solle, erwiderte er: »Schon gut; ich werde später noch einmal wiederkommen, mein Freund!« und lief sogar mit einer gewissen Munterkeit die Treppe hinab. Als er auf die Straße hinaustrat, entschied er sich dafür, den Wagen zu entlassen und den Kutscher abzulehnen. Als der Kutscher um ein Trinkgeld bat, mit der Begründung: »Ich habe lange warten müssen, mein Herr, und habe meinen Traber für Euer Gnaden nicht geschont,« da gab er ihm auch fünf Kopeken Trinkgeld, und sogar recht gern; er selbst ging zu Fuß.

»Die Sache ist allerdings von der Art,« dachte Herr Goljadkin, »daß man sie nicht so weitergehen lassen darf; indessen, wenn man es überlegt, so recht überlegt, warum soll man sich denn eigentlich deswegen Mühe machen? Na ja, ich will nur sagen, warum soll ich mir deswegen Mühe machen? Warum soll ich mich plagen, mich quälen, mich peinigen, mir das Leben verderben? Erstens ist die Sache einmal geschehen und läßt sich nicht ungeschehen machen... nein, ungeschehen läßt sie sich nicht machen! Erwägen wir sie einmal so: da erscheint ein Mensch... es erscheint ein Mensch mit ausreichender Empfehlung; es heißt darin, er sei ein brauchbarer Beamter, habe sich gut geführt; er ist nur arm und hat allerlei Unannehmlichkeiten auszustehen gehabt, so Klatschgeschichten und Zänkereien; na, Armut ist ja keine Schande. Also was geht mich die Sache an? In der Tat, was ist das für dummes Zeug? Na, da trifft es sich nun, daß dieser Mensch so gestaltet ist, von der Natur selbst so gestaltet ist, daß er einem andern Menschen so ähnlich sieht wie ein Ei dem andern, daß er die vollkommene Kopie eines andern Menschen ist; soll er nun deswegen bei der Behörde keine Aufnahme finden? Wenn das Schicksal, wenn einzig und allein das Schicksal, wenn einzig und allein der blinde Zufall daran schuld ist, soll man ihn dann mißachten wie einen alten Lappen und ihm nicht gestatten, ein Amt zu verwalten... wo bleibt da bei solchem Verfahren die Gerechtigkeit? Er ist ein armer, verstörter, verängstigter Mensch; das Herz tut einem weh bei seinem Anblick; das Mitleid gebietet, daß man sich seiner annimmt! Ja! Das muß man sagen, das wäre eine nette Obrigkeit, wenn sie darüber so dächte wie ich herzloser Mensch! Nein, was habe ich für einen Kopf! Manchmal haben zehn Dummheiten zugleich darin Platz! Nein, nein! Sie haben gut getan, und es gebührt ihnen Dank dafür, daß sie sich des armen Teufels angenommen haben... Na ja, allerdings, zum Beispiel, daß wir so ähnlich sind, daß wir eine solche zwillingshafte Ähnlichkeit haben, das ist eine tolle Geschichte! Aber, was ist dabei? Einfach gar nichts! Die Beamten können sich alle daran gewöhnen; und ein Fremder, der in unser Bureau kommt, wird gewiß in einem solchen Umstände nichts Unziemliches und Anstößiges finden. Es ist sogar gewissermaßen etwas Rührendes dabei; er wird sich sagen: ›Was liegt da für ein schöner Gedanke zugrunde? Die göttliche Vorsehung hat zwei ganz ähnliche Menschen geschaffen, und die edeldenkende Behörde hat sich, da sie sah, was die göttliche Vorsehung getan hat, der beiden Zwillinge angenommen.‹ Das ist gewiß,« fuhr Herr Goljadkin fort, indem er tief Atem holte und die Stimme ein wenig senkte, »das ist gewiß, das beste wäre es, wenn all das nicht existierte, wenn nichts Rührendes da wäre und auch keine Zwillinge... Hole der Teufel diese ganze Geschichte! Und wozu war das denn nötig? Was war denn für eine besondere, keinen Aufschub vertragende Notwendigkeit vorhanden? Herr du mein Gott! Was hat uns da der Teufel für eine Grütze gekocht! Und dabei hat dieser Mensch so einen Charakter, so ein spaßhaftes, unangenehmes Wesen, ein solcher Schuft ist er, eine solche Wetterfahne, ein Liebediener und Schmarotzer, so ein echter Goljadkin! Am Ende wird er sich gar noch schlecht führen und meinen Familiennamen beflecken, der Schurke! Da heißt es nun jetzt auf ihn aufpassen, ihn beaufsichtigen! Ach, ist das eine Heimsuchung! Übrigens wieso denn? Es ist ja doch gar nicht nötig! Na, wenn er ein Schuft ist, dann mag er in Gottes Namen ein Schuft sein; aber dafür ist der andere ein ehrenwerter Mensch. Na, wenn er nun ein Schuft sein wird, ich aber ehrenwert, dann werden sie sagen: ›Dieser Goljadkin hier ist ein Schuft; um den muß man sich nicht kümmern und darf ihn nicht mit dem andern verwechseln; der andere aber ist ehrenwert, tugendhaft, sanft, gutmütig, durchaus zuverlässig im Dienst und eines Avancements würdig. So ist das!‹ Na, gut... aber wie, hm... Aber wie werden sie, hm... und sie werden uns doch verwechseln! Es sieht ihm ganz ähnlich, daß er es darauf anlegt! Ach du mein Herrgott!... Und er gibt sich für einen andern Menschen aus, gibt sich für einen andern Menschen aus, dieser Schuft; als ob der andere ein alter Lappen wäre, gibt er sich für ihn aus und bedenkt nicht, daß ein Mensch kein alter Lappen ist. Ach du mein Herrgott! Ist das ein Unglück!...«

Unter solchen Überlegungen und Wehklagen lief Herr Goljadkin dahin, ohne auf den Weg zu achten, und beinah ohne selbst zu wissen, wohin. Erst auf dem Newski-Prospekte kam er zu sich, und zwar nur infolge des zufälligen Umstandes, daß er mit einem Passanten so geschickt und kräftig zusammenstieß, daß beiden die Funken aus den Augen sprühten. Herr Goljadkin murmelte, ohne den Kopf in die Höhe zu heben, eine Entschuldigung, und erst als der andere, der etwas nicht sehr Schmeichelhaftes zurückgemurmelt hatte, sich bereits in beträchtlicher Entfernung befand, richtete er den Kopf auf und sah sich um, wo er denn sei. Als er dabei bemerkte, daß er sich gerade vor dem Restaurant befand, in dem er sich zur Vorbereitung auf das Diner bei Olsufi Iwanowitsch erholt hatte, fühlte unser Held auf einmal ein Kneifen und Zwicken im Magen und erinnerte sich, daß er noch nicht zu Mittag gegessen hatte und nirgends zum Diner eingeladen war; ohne daher seine kostbare Zeit zu verlieren, lief er die Treppe zum Restaurant hinauf, um in aller Geschwindigkeit einen Bissen zu genießen und möglichst bald wieder fortzugehen. Und obgleich in dem Restaurant alles ein bißchen teuer war, so ließ sich Herr Goljadkin doch durch diesen unbedeutenden Umstand diesmal nicht zurückschrecken; er hatte keine Zeit, sich mit so unwichtigen Dingen aufzuhalten. In einem hellerleuchteten Zimmer stand eine ziemlich dichte Schar von Gästen um das Büfett herum, auf welchem eine Menge all solcher Speisen stand, wie sie von gutsituierten Leuten als Vorgericht genossen werden. Der Büfettkellner hatte alle Hände voll zu tun mit Einschenken, Hinreichen, Geldnehmen und -herausgeben. Herr Goljadkin wartete ein Weilchen, bis er herankonnte, und streckte dann bescheiden seine Hand nach einer kleinen Fischpastete aus. Darauf ging er in eine Ecke, wendete den Anwesenden den Rücken zu, aß mit gutem Appetite, kehrte dann wieder zu dem Büfettkellner zurück, stellte das Tellerchen auf den Tisch, zog, da er den Preis kannte, ein Zehnkopekenstück heraus und legte es auf den Schenktisch, wobei er den Blick des Kellners auffing, um ihn zu bedeuten: »Hier liegt das Geld; eine Pastete.«

»Sie haben einen Rubel zehn Kopeken zu zahlen,« sagte der Kellner mürrisch.

Herr Goljadkin war höchst erstaunt.

»Meinen Sie mich?... Ich... ich habe ja wohl nur eine Pastete genommen.«

»Sie haben elf genommen,« erwiderte der Kellner im Tone sicherer Überzeugung.

»Sie irren sich wohl... meines Erachtens irren Sie sich... Ich habe ja wohl wirklich nur eine Pastete genommen.«

»Ich habe gezählt; Sie haben elf Stück genommen. Da Sie sie genommen haben, müssen Sie sie auch bezahlen; umsonst wird bei uns nichts verabfolgt.«

Herr Goljadkin war wie betäubt. »Was widerfährt mir da für eine Zauberei?« dachte er. Unterdessen wartete der Kellner auf Herrn Goljadkins Entschluß; man umdrängte neugierig Herrn Goljadkin; dieser griff schon in die Tasche, um einen Rubel herauszuholen und unverzüglich zu bezahlen und nur ja keine Sünde auf sein Gewissen zu laden. »Na, wenn es elf Stück gewesen sind, meinetwegen!« dachte er und wurde rot wie ein Krebs. »Na, was ist denn dabei, daß jemand elf Pasteten gegessen hat? Der Mensch ist eben hungrig gewesen, und da hat er elf Pasteten gegessen; möge es ihm wohl bekommen; zu wundern ist dabei nichts und auch nichts zu lachen...« Auf einmal war es Herrn Goljadkin, als ob er einen Stich bekäme; er blickte auf und verstand mit einem Male das Rätsel, begriff die ganze Zauberei; mit einem Male waren alle Zweifel gelöst... In der nach dem anstoßenden Zimmer führenden Tür, fast gerade hinter dem Rücken des Büfettkellners und mit dem Gesichte nach Herrn Goljadkin zu, in dieser Tür, die unser Held übrigens bis dahin für einen Spiegel gehalten hatte, stand ein Mensch – stand er, stand Herr Goljadkin selbst – nicht der alte Herr Goljadkin, nicht der Held unserer Erzählung, sondern der andere Herr Goljadkin, der neue Herr Goljadkin. Dieser andere Herr Goljadkin befand sich anscheinend in ganz vorzüglicher Stimmung. Er lächelte Herrn Goljadkin den ersten an, nickte ihm mit dem Kopfe zu, blinzelte mit den Augen, trippelte ein bißchen mit den Füßen und nahm eine Haltung an, als ob er, sobald es nötig wäre, Reißaus nehmen wolle, in das anstoßende Zimmer und dann vielleicht durch den hinteren Ausgang und so weiter, wobei dann alle Verfolgung vergeblich sein mußte. In der Hand hatte er das letzte Stück der zehnten Fischpastete, das er vor den Augen des Herrn Goljadkin, vor Vergnügen schmatzend, in seinen Mund schob. »Er hat sich für mich ausgegeben, der Schurke,« dachte Herr Goljadkin und fuhr vor Empörung auf wie eine Feuerflamme. »Er hat sich vor der Öffentlichkeit nicht gescheut! Ob man ihn wohl sieht? Wie es scheint, bemerkt ihn niemand...« Herr Goljadkin warf einen Rubel hin, als hätte er sich an ihm die Finger verbrannt, und ohne des Büfettkellners vielsagendes, dreistes Lächeln, ein Lächeln des Triumphes und ruhigen Machtbewußtseins, zu beachten, arbeitete er sich durch die Menge hindurch und stürmte hinaus, ohne sich umzusehen. »Gott sei Dank, daß er mich nicht noch viel ärger kompromittiert hat!« dachte der ältere Herr Goljadkin. »Dank dem Verfahren des Gauners und dank dem Geschick ist alles noch gut abgelaufen. Nur der Kellner war ein bißchen grob. Aber das durfte er; er war ja in seinem Rechte! Er hatte einen Rubel zehn zu bekommen; also war er in seinem Rechte. Er sagte: ›Umsonst wird bei uns nichts verabfolgt.‹ Er hätte nur etwas höflicher sein sollen, der Schlingel!...«

All dies sagte sich Herr Goljadkin, während er die Treppe hinunterstieg und auf die Stufen vor der Haustüre trat. Auf der letzten Stufe indes blieb er wie angenagelt stehen und errötete auf einmal so stark, daß ihm in einem Anfalle von gekränktem Ehrgefühl sogar die Tränen in die Augen traten. Nachdem er etwa eine halbe Minute wie ein Pfahl dort gestanden hatte, stampfte er auf einmal entschlossen mit dem Fuße auf, sprang mit einem Satze auf die Straße hinunter und rannte, ohne sich umzusehen, atemlos, ohne Müdigkeit zu verspüren, zu sich nach Hause nach der Schestilawotschnaja-Straße. Zu Hause ließ er sich nicht einmal Zeit, seinen Uniformrock auszuziehen (ganz gegen seine Gewohnheit, es sich zu Hause bequem zu machen), ja er nahm nicht einmal zur Vorbereitung die Pfeife zur Hand, sondern setzte sich sofort aufs Sofa, zog sich das Tintenfaß heran, ergriff eine Feder, suchte sich einen Bogen Briefpapier heraus und machte sich daran, mit einer Hand, die vor innerer Aufregung zitterte, das nachstehende Schreiben aufs Papier zu werfen:


»Mein geehrter Herr,

Jakow Petrowitsch!

»Ich würde nicht die Feder ergreifen, wenn mich nicht meine Lage und Sie selbst, mein Herr, dazu zwängen. Glauben Sie mir, daß nur die Notwendigkeit mich dazu gebracht hat, mit Ihnen in derartige Erörterungen einzutreten, und daher bitte ich Sie vor allen Dingen, dieses mein Verfahren nicht als wohlüberlegte Absicht, Sie, mein Herr, zu beleidigen, sondern vielmehr als die notwendige Folge der jetzt zwischen uns bestehenden Beziehungen aufzufassen.«

»Es scheint, so ist es gut, anständig und höflich, wiewohl nicht ohne Kraft und Festigkeit?... Ich möchte meinen, er hat keinen Anlaß, sich dadurch beleidigt zu fühlen. Zudem bin ich in meinem Rechte,« dachte Herr Goljadkin, indem er das Geschriebene durchlas.

»Ihr unerwartetes, seltsames Erscheinen, mein Herr, in jener stürmischen Nacht, nachdem meine Feinde, deren Namen ich aus Verachtung gegen sie verschweige, sich so roh und unanständig gegen mich benommen hatten, war der Keim aller der Mißverständnisse, die gegenwärtig zwischen uns bestehen. Ihr hartnäckiges Verlangen, mein Herr, Ihren Willen durchzusetzen und gewaltsam in den Kreis meines Daseins und aller meiner Lebensverhältnisse einzudringen, überschreitet alle Grenzen, die schon durch die Höflichkeit und die einfachste gesellschaftliche Rücksichtnahme gezogen sind. Ich glaube, ich brauche hier nicht daran zu erinnern, mein Herr, wie Sie mir mein Aktenstück und meinen eigenen ehrlichen Namen entwendet haben, um von der vorgesetzten Behörde ein Lob einzuernten, das Sie nicht verdienten. Ich brauche hier auch nicht daran zu erinnern, daß Sie absichtlich in beleidigender Form es ablehnten, sich auf die bei diesem Falle nötig gewordenen Auseinandersetzungen einzulassen. Um schließlich alles zu sagen, erwähne ich auch Ihr letztes seltsames, ja, man kann sagen, unbegreifliches Verhalten mir gegenüber im Kaffeehause nicht. Weit entfernt, mich darüber zu beklagen, daß ich einen Rubel unnütz ausgegeben habe, kann ich doch nicht umhin, meine ganze Entrüstung zum Ausdruck zu bringen bei der Erinnerung an Ihr offenkundiges Attentat auf meine Ehre, mein Herr, und noch dazu in Gegenwart mehrerer Personen, die mir zwar unbekannt sind, aber viel gute Lebensart besitzen...«

»Gehe ich auch nicht zu weit?« überlegte Herr Goljadkin. »Wird das auch nicht zu stark sein? Ist das auch nicht zu beleidigend, diese Hindeutung auf die gute Lebensart zum Beispiel?... Na, es schadet nichts! Man muß ihm Charakterfestigkeit zeigen. Übrigens kann man ihm zur Besänftigung ein bißchen schmeicheln und ihm zum Schluß etwas Honig um den Mund streichen. Nun, wir wollen sehen!«

»Aber ich würde Sie, mein Herr, mit meinem Briefe nicht belästigen, wenn ich nicht fest überzeugt wäre, daß der Edelmut Ihrer Herzensempfindungen und Ihr offener, gerader Charakter Ihnen selbst die Mittel zeigen werden, alle begangenen Versehen wieder gutzumachen und alles in den früheren Stand zurückzuversetzen.

»Ich bin der festen Hoffnung und Überzeugung, daß Sie meinem Briefe nicht eine für Sie beleidigende Deutung geben werden, und gleichzeitig, daß Sie sich nicht weigern werden, über diesen Fall eine eingehende briefliche Erklärung abzugeben. Mein Diener hat Auftrag, diese zurückzubringen.

»In dieser Erwartung, mein Herr, habe ich die Ehre, zu sein

Ihr ergebenster Diener

J. Goljadkin.«


»Na, so ist alles schön! Die Sache ist besorgt; es ist also schon zu brieflichen Auseinandersetzungen gekommen. Aber wer ist daran schuld? Er ist selbst daran schuld; er selbst versetzt einen Mitmenschen in die Notwendigkeit, briefliche Erklärungen zu verlangen. Und ich bin in meinem Rechte...«

Nachdem Herr Goljadkin den Brief zum letzten Male durchgelesen hatte, faltete er ihn zusammen, siegelte ihn zu und rief Petruschka. Petruschka erschien, nach seiner Gewohnheit mit verschlafenen Augen und sehr ärgerlicher Miene.

»Nimm diesen Brief hier, mein Lieber... verstehst du?«

Petruschka schwieg.

»Nimm ihn und trage ihn nach der Kanzlei; da suche den dejourierenden Beamten, den Gouvernementssekretär Wachramejew. Wachramejew hat heute Dejour. Verstehst du auch?«

»Ja.«

» ›Ja‹! Kannst du nicht sagen: ›Jawohl, Herr‹? Frage nach dem Sekretär Wachramejew und sage ihm: ›So und so, mein Herr läßt sich Ihnen empfehlen und bittet Sie ganz ergebenst, in dem Adressenverzeichnis unserer Behörde nachzusehen, wo der Titularrat Goljadkin wohnt.‹ «

Petruschka schwieg, und es kam Herrn Goljadkin so vor, als ob er lächelte.

»Na, also erkundige dich bei ihm nach der Adresse und bringe in Erfahrung, wo der neueingetretene Beamte Goljadkin wohnt!«

»Sehr wohl.«

»Frage nach der Adresse und bestelle dann diesen Brief an die Adresse; verstehst du?«

»Ja.«

»Wenn du da bist... nämlich da, wo du den Brief hinträgst, dann wird der Herr, dem du diesen Brief abgibst, also Herr Goljadkin... Was lachst du denn, du Tölpel?«

»Worüber sollte ich lachen? Was geht's mich an? Ich kümmere mich um nichts. Unsereiner hat nichts zu lachen...«

»Na also, wenn der Herr dich fragen sollte, wie es deinem Herrn geht, wie er sich befindet, und so weiter... na, irgend so etwas wird er dich wohl fragen, – dann schweige du und antworte: ›Meinem Herrn geht es ganz gut, und er läßt Sie um eine eigenhändige Antwort bitten.‹ Verstehst du?«

»Jawohl, Herr!«

»Na also, sage: ›Meinem Herrn geht es ganz gut, und er ist gesund, und er wird gleich einer Einladung Folge leisten; aber Sie läßt er um eine briefliche Antwort bitten.‹ Verstehst du?«

»Ja.«

»Na, dann geh!«

»Nein, was hat man mit diesem Dummkopf für Mühe! Er lacht sich was; weiter kann er nichts. Worüber lacht er denn? Was habe ich mit ihm schon für Ärger erlebt! Übrigens wird es sich vielleicht noch gut gestalten... Dieser Schurke wird sich jetzt gewiß ein paar Stunden lang herumtreiben und irgendwohin verschwinden... Man kann ihn nirgends hinschicken. Ist das ein Elend!... Dieses Elend ist doch gar zu arg geworden!«

So von dem Gefühle seines Unglücks ganz erfüllt, entschloß sich unser Held, sich in Erwartung der Rückkehr Petruschkas zwei Stunden lang passiv zu verhalten. Etwa eine Stunde lang ging er im Zimmer auf und ab und rauchte; dann warf er die Pfeife beiseite und setzte sich mit einem Buche hin; dann legte er sich auf das Sofa; dann griff er wieder zur Pfeife; dann fing er wieder an im Zimmer hin und her zu laufen. Er wollte nachdenken; aber über irgend etwas nachzudenken war er schlechterdings außerstande. Schließlich stieg die Pein dieses seines passiven Zustandes bis zum äußersten Grade, und Herr Goljadkin entschloß sich, lieber etwas Bestimmtes zu tun. »Petruschka wird erst nach einer Stunde zurückkommen,« dachte er; »ich kann den Schlüssel dem Hausknecht geben und selbst unterdessen, hm, hm... ich will die Sache untersuchen, will meinerseits die Sache untersuchen.« Ohne Zeit zu verlieren, ergriff Herr Goljadkin, der es eilig hatte, die Sache zu untersuchen, seinen Hut, verließ das Zimmer, schloß die Wohnung zu, ging zum Hausknecht heran, händigte ihm den Schlüssel nebst einem Zehnkopekenstück ein (Herr Goljadkin war außerordentlich freigebig geworden) und machte sich auf den Weg dahin, wohin er sich zu begeben vorhatte. Herr Goljadkin ging zu Fuß, zuerst nach der Ismailowski-Brücke. Dieser Weg dauerte ungefähr eine halbe Stunde. Als er zum Ziele seiner Wanderung gelangt war, ging er geradezu auf den Hof des ihm wohlbekannten Hauses und sah zu den Fenstern der Wohnung des Staatsrates Berendejew hinauf. Außer drei Fenstern, die mit roten Vorhängen verhängt waren, waren alle übrigen dunkel. »Olsufi Iwanowitsch hat heute gewiß keine Gäste,« dachte Herr Goljadkin; »sie sitzen gewiß jetzt alle allein zu Hause.« Nachdem er einige Zeit auf dem Hofe gestanden hatte, war unser Held schon im Begriffe, sich zu etwas zu entschließen. Aber es war seinem Entschlusse anscheinend nicht beschieden, zustande zu kommen. Herr Goljadkin wurde anderen Sinnes, machte eine resignierende Handbewegung und ging wieder zurück auf die Straße. »Nein, ich hätte nicht hierher gehen sollen. Was kann ich denn hier tun?... Ich will jetzt lieber... hm... und die Sache in eigener Person untersuchen.« Nachdem Herr Goljadkin diesen Entschluß gefaßt hatte, machte er sich auf den Weg nach seinem Bureau. Der Weg war nicht nah, und überdies war ein furchtbarer Schmutz, und feuchter Schnee fiel in ganz dicken Flocken. Aber für unsern Helden schien es jetzt keine Hindernisse zu geben. Er wurde allerdings ganz durchnäßt und gehörig schmutzig; aber er sagte sich: »Das geht nun alles in einem hin; dafür werde ich meinen Zweck erreicht haben.« Und wirklich näherte sich Herr Goljadkin schon seinem Ziele. Die dunkle Masse des riesigen staatlichen Gebäudes hob sich schon in der Ferne vor ihm ab. »Halt!« dachte er, »wohin gehe ich denn, und was will ich hier tun? Allerdings werde ich in Erfahrung bringen, wo er wohnt; aber unterdessen ist Petruschka gewiß schon zurückgekommen und hat mir eine Antwort gebracht. Ich verliere nur unnütz meine kostbare Zeit; ich habe so schon viel Zeit verloren. Na, es tut nichts; das läßt sich alles noch wieder gutmachen. Aber soll ich wirklich nicht zu Wachramejew herangehen? Na, ich will es nicht tun. Ich kann es ja auch später noch tun... Ach! Ich hätte überhaupt nicht auszugehen brauchen. Aber das liegt nun einmal in meinem Charakter! Das ist so ein Drang bei mir: ob es nun nötig ist oder nicht, immer strebe ich danach, schnell vorzugehen... Hm!... Was mag die Uhr sein? Es ist gewiß schon neun. Petruschka kommt vielleicht zurück und findet mich dann nicht zu Hause. Ich habe eine arge Dummheit damit begangen, daß ich ausgegangen bin... Ach wahrhaftig, das ist eine schwere Aufgabe!«

Nachdem er sich auf diese Art aufrichtig gestanden hatte, daß er eine arge Dummheit begangen habe, lief unser Held wieder zurück nach seiner Wohnung in der Schestilawotschnaja-Straße. Er langte dort müde und matt an. Schon von dem Hausknechte erfuhr er, daß von Petruschka noch nichts zu sehen gewesen sei. »Na ja! Das habe ich mir doch gedacht!« sagte sich unser Held; »und dabei ist es schon neun Uhr. Nein, was ist er für ein Taugenichts! Immer muß er sich irgendwo betrinken! Herr du mein Gott! Ist das ein Unglückstag für mich!« Unter solchen Gedanken und Wehklagen schloß Herr Goljadkin seine Wohnung auf, machte Licht, zog sich ganz aus, zündete sich eine Pfeife an, legte sich erschöpft, müde, wie zerschlagen und hungrig auf das Sofa und wartete auf Petruschka. Die Kerze brannte trübe; der Lichtschein zitterte an den Wänden... Herr Goljadkin schaute und schaute, dachte und dachte und versank endlich in einen totenähnlichen Schlaf.

Als er erwachte, war es schon spät. Die Kerze war fast ganz heruntergebrannt, qualmte und war nahe daran, zu erlöschen. Herr Goljadkin sprang auf, schüttelte sich und erinnerte sich an alles, was vorgegangen war, schlechthin an alles. Hinter der Scheidewand war Petruschkas kräftiges Schnarchen zu vernehmen. Herr Goljadkin stürzte zum Fenster: nirgend war Licht zu sehen. Er öffnete die Luftklappe: es war still; die Stadt war wie ausgestorben; sie schlief. Also mußte es etwa zwei oder drei Uhr sein; und so war es auch: die Uhr hinter der Scheidewand holte mit Anstrengung aus und schlug zwei. Herr Goljadkin lief hinter die Scheidewand.

Nach langen Bemühungen gelang es ihm durch Püffe und Stöße, Petruschka einigermaßen munter zu bekommen und ihn dahin zu bringen, daß er sich im Bette aufrichtete. In diesem Augenblicke erlosch die Kerze vollständig. Es dauerte etwa zehn Minuten, bis Herr Goljadkin eine andere Kerze gefunden und angezündet hatte. Unterdessen hatte es Petruschka fertig gebracht, von neuem einzuschlafen. »So ein Schurke, so ein Taugenichts!« rief Herr Goljadkin, während er ihm von neuem Püffe versetzte. »Wirst du wohl aufstehen? Wirst du wohl aufwachen?« Nach einer halbstündigen Anstrengung glückte es Herrn Goljadkin aber doch, seinen Diener vollständig in Bewegung zu bringen und ihn hinter seiner Scheidewand hervorzuziehen. Erst hier erkannte unser Held, daß Petruschka, was man nennt, sternhagelvoll war und sich kaum auf den Beinen hielt.

»Du Faulpelz!« schrie Herr Goljadkin; »du Nichtswürdiger! Du hast mir ja den schwersten Schaden zugefügt! Herr Gott, wo hast du nur den Brief gelassen? Ach, du mein Schöpfer, wie soll der Brief nun... Und warum habe ich ihn überhaupt geschrieben? Brauchte ich ihn denn zu schreiben? Ich habe mich von meinem übermäßigen Ehrgefühl hinreißen lassen, ich Dummkopf! Dahin hat mich meine Empfindlichkeit gebracht! Das hast du nun von deinem Ehrgefühl, du Schuft; das hast du von deinem Ehrgefühl!... Na, du da! Wo hast du den Brief gelassen, du Halunke? An wen hast du ihn abgegeben?...«

»An niemanden habe ich einen Brief abgegeben; ich habe überhaupt keinen Brief gehabt... so ist die Sache!«

Herr Goljadkin rang vor Verzweiflung die Hände.

»Hör mal, Petruschka; hör mal zu; hör mal, was ich dir sagen will...«

»Na ja, ich höre.«

»Wo bist du hingegangen? Antworte!...«

»Wo ich hingegangen bin? Zu guten Leuten bin ich hingegangen! Weiter geht mich nichts an!«

»Ach du mein Herrgott! Wo bist du zuerst hingegangen? Bist du in der Kanzlei gewesen?... Hör mal, Petruschka: du bist wohl betrunken?«

»Ich betrunken? Da will ich doch gleich auf dem Fleck krepieren, da will ich...«

»Nein, nein, das macht ja nichts, daß du betrunken bist... Ich habe nur gefragt; es ist ganz gut, daß du betrunken bist; ich schelte ja nicht, Petruschka, ich schelte ja nicht... Du hast es vielleicht für einen Augenblick vergessen und wirst dich an alles wieder erinnern. Nun also, besinne dich mal: bist du bei dem Sekretär Wachramejew gewesen? Bist du da gewesen oder nicht?«

»Ich bin nicht bei ihm gewesen; so einen Sekretär gab es gar nicht. Da will ich gleich auf dem Fleck...«

»Nein, nein, Petruschka! Nein, Petruschka, ich schelte ja nicht; du siehst ja, daß ich nicht schelte... Na, was ist denn dabei? Draußen ist es kalt und naß; da trinkt der Mensch ein Schlückchen; das schadet ja nichts. Ich bin darüber nicht böse. Ich habe heute selbst ein bißchen getrunken, lieber Freund... Nun sage mal, besinne dich mal, lieber Freund: bist du bei dem Sekretär Wachramejew gewesen?«

»Na, wenn es so steht, dann will ich wahrheitsgemäß sagen: ich bin da gewesen. Da will ich gleich auf dem Fleck...«

»Na, das ist ja schön, Petruschka, das ist ja schön, daß du da gewesen bist. Du siehst, ich bin nicht ärgerlich... Nun, nun,« fuhr unser Held fort, der seinen Diener noch weiter zu begütigen suchte, ihm auf die Schulter klopfte und ihm zulächelte, »nun, also du hast ein bißchen getrunken, du Racker... hast für zehn Kopeken ein bißchen getrunken? Ja, ja, du Spitzbube! Na, das schadet nichts; na, du siehst, daß ich nicht böse darüber bin... ich bin nicht böse darüber, lieber Freund, ich bin nicht böse darüber...«

»Nein, ich bin kein Spitzbube, da können Sie sagen, was Sie wollen... Ich bin nur zu guten Leuten herangegangen; aber ich bin kein Spitzbube und bin nie ein Spitzbube gewesen...«

»Aber nein, nein, Petruschka! So höre doch, Petruschka! Ich schimpfe dich ja nicht, wenn ich dich einen Spitzbuben nenne. Ich sage das ja, um dir eine Freude zu machen; ich sage das in gutem Sinne. Damit schmeichelt man ja manchem Menschen, Petruschka, wenn man zu ihm sagt, er sei ein solcher Schlaukopf, ein so geriebener Bursche, daß er sich von niemandem betrügen und hinters Licht führen lasse. So etwas hört mancher gern... Nun, nun, es macht nichts! Nun, sage mir jetzt nur ohne Umschweife, Petruschka, offenherzig, wie einem Freunde... na, bist du bei dem Sekretär Wachramejew gewesen, und hat er dir die Adresse gegeben?«

»Ja, er hat mir auch die Adresse gegeben, auch die Adresse hat er mir gegeben. Er ist ein netter, freundlicher Beamter! ›Dein Herr‹, sagte er, ›ist ein guter Mensch, ein sehr guter Mensch; bestelle deinem Herrn nur eine Empfehlung von mir und meinen Dank und sage ihm, daß ich ihn sehr gern habe; ich schätze deinen Herrn sehr hoch! Weil dein Herr‹, sagte er, ›ein guter Mensch ist, Petruschka; und du, Petruschka‹, sagte er, ›bist auch ein guter Mensch.‹ Und da will ich gleich...«

»Ach du mein Herrgott! Aber die Adresse, die Adresse! O du unzuverlässiges Subjekt!« Die letzten Worte sagte Herr Goljadkin fast flüsternd.

»Die Adresse... er hat mir auch die Adresse gegeben.«

»Er hat sie dir gegeben? Na, wo wohnt er denn, dieser Goljadkin, dieser Titularrat Goljadkin?«

»Er sagte: ›Goljadkin findest du in der Schestilawotschnaja-Straße. Wenn du hinkommst,‹ sagte er, ›in die Schestilawotschnaja-Straße, dann rechts, die Treppe hinauf, im vierten Stock. Da wirst du Goljadkin finden,‹ sagte er.«

»Du Schurke!« schrie unser Held, der endlich die Geduld verlor. »Du Kanaille! Das bin ich ja! Da redest du ja von mir! Aber es gibt noch einen andern Goljadkin; ich rede von dem andern, du Schurke!«

»Na, meinetwegen! Was kümmert es mich! Meinetwegen!...«

»Aber der Brief, der Brief...«

»Was für ein Brief? Es ist gar kein Brief dagewesen; ich habe keinen Brief gesehen.«

»Wo hast du ihn denn gelassen, du Schlingel?«

»Ich habe ihn abgegeben; ich habe den Brief abgegeben. ›Bestelle eine Empfehlung,‹ sagte er, ›und ich ließe danken; dein Herr ist ein guter Mensch. Bestelle deinem Herrn eine Empfehlung!‹ sagte er.«

»Aber wer hat das denn gesagt? Hat das Goljadkin gesagt?«

Petruschka schwieg ein Weilchen, sah seinem Herrn gerade in die Augen und grinste über das ganze Gesicht.

»Hör mal, du Racker,« begann Herr Goljadkin keuchend und vor Wut ganz außer sich, »was hast du mir da angetan! Nun sag mir nur, was du mir da angetan hast! Du hast mich zugrunde gerichtet, du Bösewicht! Völlig zugrunde gerichtet hast du mich, du unzuverlässiger Patron!«

»Na meinetwegen! Was kümmert es mich!« sagte Petruschka in entschiedenem Tone und zog sich hinter die Scheidewand zurück.

»Komm her, komm her, du Nichtswürdiger!«

»Ich komme jetzt nicht zu Ihnen; fällt mir nicht ein. Was kümmert es mich! Ich gehe zu guten Leuten... Gute Leute leben ehrenhaft; gute Leute leben ohne Falschheit und sind niemals doppelt...« Herrn Goljadkin wurden Arme und Beine starr und kalt wie Eis, und der Atem stockte ihm...

»Ja,« fuhr Petruschka fort, »die sind niemals doppelt; die versündigen sich nicht gegen Gott und gegen ehrenhafte Leute...«

»Du Taugenichts, du Trunkenbold! Schlaf dich jetzt aus, du Halunke! Aber morgen werde ich dir deinen Standpunkt klarmachen!« sagte Herr Goljadkin mit kaum vernehmbarer Stimme. Was Petruschka anlangt, so murmelte er noch etwas; darauf war zu hören, wie er sich auf sein Bett legte, so daß das Bett krachte, wie er langgezogen gähnte, sich ausstreckte und endlich schnarchend in den sogenannten Schlaf der Unschuld versank. Herr Goljadkin war nicht tot, nicht lebendig. Petruschkas Benehmen, seine sehr sonderbaren, obwohl nur entfernten Anspielungen, über die man sich somit nicht zu ärgern brauchte, um so weniger, da sie aus dem Munde eines Betrunkenen kamen, und endlich die gesamte üble Wendung, die die Sache genommen hatte: all dies hatte Herrn Goljadkin im tiefsten Grunde erschüttert. »Und da mußte ich auf den Einfall kommen, ihm mitten in der Nacht Vorwürfe zu machen!« sagte unser Held, der infolge einer krankhaften Empfindung am ganzen Leibe zitterte. »Und da plagte mich der Teufel, mich mit einem Betrunkenen abzugeben! Was für vernünftige Antworten kann man wohl von einem Betrunkenen erwarten! Da ist doch jedes Wort eine Lüge. Worauf spielte er übrigens an, der Halunke? Herr du mein Gott! Und wozu habe ich alle diese Briefe geschrieben, ich Mörder, ich Selbstmörder! Ich kann doch nie schweigen! Nein, ich mußte mich verplappern! Nun hast du's! Du gehst zugrunde; du bist wie ein alter Lappen; aber dabei willst du noch von Ehrgefühl reden und sagst: Meine Ehre leidet; ich muß meine Ehre retten! O ich Selbstmörder!«

So sprach Herr Goljadkin, während er auf seinem Sofa, saß und sich vor Angst nicht zu rühren wagte. Auf einmal blieben seine Augen auf einem Gegenstande haften, der im höchsten Grade seine Aufmerksamkeit erregte. Fürchtend, der Gegenstand, der seine Aufmerksamkeit erregte, könne eine Illusion, eine Täuschung seiner Einbildungskraft sein, streckte er die Hand nach ihm aus, hoffnungsvoll, schüchtern und in unbeschreiblicher Neugier... Nein, es war keine Täuschung! Es war keine Illusion! Ein Brief war es, ein richtiger Brief, zweifellos ein Brief und an ihn adressiert. Herr Goljadkin nahm den Brief vom Tische. Das Herz in der Brust pochte ihm heftig. »Gewiß hat ihn dieser Schurke gebracht, da hingelegt und dann vergessen; gewiß ist es alles so zugegangen; gewiß wird es genau so zugegangen sein...«

Der Brief war von dem Sekretär Wachramejew, einem jüngeren Kollegen und ehemaligen Freunde des Herrn Goljadkin. »Übrigens habe ich mir das alles vorhergedacht,« sagte sich unser Held, »und alles, was jetzt in dem Briefe stehen wird, habe ich mir ebenfalls vorhergedacht...« Der Brief lautete folgendermaßen:


»Geehrter Herr,

Jakow Petrowitsch!

»Ihr Diener ist betrunken, und es ist nichts Gescheites von ihm zu erwarten; aus diesem Grunde ziehe ich es vor, Ihnen brieflich zu antworten. Ich beeile mich. Ihnen mitzuteilen, daß ich den mir von Ihnen erteilten Auftrag, bestehend in der Weitergabe eines Briefes an eine Ihnen bekannte Person, mit aller Zuverlässigkeit und Genauigkeit ausführen werde. Diese Ihnen sehr bekannte Person, die mir jetzt einen früheren Freund ersetzt, und deren Namen ich hier verschweige (weil ich den Ruf eines ganz unschuldigen Menschen nicht grundlos beflecken möchte), wohnt mit mir zusammen in Karolina Iwanownas Wohnung, in demselben Zimmer, in welchem früher, zu der Zeit als Sie noch bei uns wohnten, ein aus Tambow zugereister Infanterieoffizier logierte. Übrigens können Sie diese Person überall im Verkehr mit ehrenhaften, offenherzigen Leuten finden, was man von manchen anderen nicht sagen kann. Meine Beziehungen zu Ihnen beabsichtige ich mit dem heutigen Tage abzubrechen; wir können unseren bisherigen freundschaftlichen Ton und unser einmütiges kollegialisches Verhältnis nicht beibehalten, und daher bitte ich Sie, geehrter Herr, unverzüglich nach Empfang dieses meines freimütigen Briefes mir die zwei Rubel zuzustellen, die Sie mir noch für ein Rasiermesser ausländischen Fabrikates schulden, das ich Ihnen, wenn Sie sich erinnern, vor sieben Monaten verkaufte, noch zu der Zeit, als Sie mit mir bei Karolina Iwanowna wohnten, die ich von ganzem Herzen hochschätze. Ich verfahre so deshalb, weil Sie nach der Angabe verständiger Leute alles Ehrgefühl und allen guten Ruf verloren haben und für die Moralität unschuldiger, noch nicht infizierter Leute gefährlich geworden sind; denn gewisse Personen leben nicht nach den Geboten der Wahrhaftigkeit, und dazu sind ihre Reden trügerisch und ihre wohlwollende Miene verdächtig. Leute, welche bereit sind, Karolina Iwanownas Verteidigung zu übernehmen, eines Mädchens, das sich immer wohlgesittet benommen hat und zweitens durchaus ehrenwert ist und ferner, wenn sie auch die Jugend bereits hinter sich hat, doch dafür aus einer guten ausländischen Familie stammt, solche Leute kann man immer und überall finden, und mehrere Personen haben mich gebeten, dies in diesem meinem Briefe beiläufig in ihrem Namen zu erklären. In jedem Falle werden Sie seinerzeit alles erfahren, wenn Sie es nicht jetzt schon erfahren haben, trotzdem Sie sich nach der Angabe anständiger Leute an allen Enden der Residenz in schlechten Ruf gebracht haben, geehrter Herr, und folglich schon an vielen Stellen Mitteilungen, Ihre Person betreffend, hätten erhalten können. Zum Schlüsse meines Briefes erkläre ich Ihnen, geehrter Herr, daß die Ihnen bekannte Person, deren Namen ich hier aus gewissen wohlanständigen Gründen nicht erwähne, die volle Hochachtung wohlgesinnter Leute genießt, zudem ein heiteres, angenehmes Wesen hat, wie im Dienste so auch im Verkehr mit allen vernünftig denkenden Leuten reüssiert, ihrem Worte und der Freundschaft treu bleibt und nicht hinter dem Rücken diejenigen beleidigt, mit denen sie öffentlich in freundschaftlichen Beziehungen steht.

»In jedem Falle verbleibe ich

Ihr gehorsamer Diener

N. Wachramejew.«

»P.S. Jagen Sie Ihren Diener fort: er ist ein Trunkenbold und macht Ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach viel Mühe und Umstände; nehmen Sie doch an seiner Statt Jewstasi, der früher bei uns diente und augenblicklich ohne Stelle ist. Ihr jetziger Diener ist nicht nur ein Trunkenbold, sondern außerdem auch ein Dieb; denn er hat noch in der vorigen Woche ein Pfund Stückenzucker an Karolina Iwanowna für sehr billigen Preis verkauft, was er meines Erachtens nur tun konnte, wenn er Sie im kleinen und zu verschiedenen Zeitpunkten listig bestohlen hat. Ich schreibe Ihnen dies, weil ich Ihnen Gutes wünsche, obgleich gewisse Personen weiter nichts verstehen als alle Leute zu beleidigen und zu betrügen, namentlich einen jeden, der ehrenhaft ist und einen guten Charakter besitzt, und überdies über andere Leute hinter deren Rücken Verleumdungen verbreiten und die Handlungsweise derselben in ungünstigem Lichte darstellen, einzig und allein aus Neid, und weil sie für sich selbst solche ehrenhaften Beziehungen nicht in Anspruch nehmen können.

W.«


Nachdem unser Held Wachramejews Brief durchgelesen hatte, verharrte er noch lange in regungsloser Haltung auf seinem Sofa. Eine Art von neuem Lichte drang durch den ganzen trüben, rätselhaften Nebel, der ihn schon seit zwei Tagen umgab. Unser Held begann zum Teil zu verstehen... Er wollte sich vom Sofa erheben und ein paarmal im Zimmer auf und ab gehen, um sich zu erholen, seine in Verwirrung geratenen Gedanken einigermaßen zu sammeln, sie auf einen bestimmten Gegenstand zu richten und dann, wenn er ein wenig in Ordnung gekommen wäre, seine Lage reiflich zu überlegen. Aber kaum machte er einen Versuch aufzustehen, als er sofort matt und kraftlos auf seinen bisherigen Platz zurücksank. »Ja gewiß, ich habe mir das alles vorhergedacht; aber in welcher Manier schreibt er nur, und was ist der gerade Sinn dieser Worte? Den Sinn verstehe ich allerdings; aber wohin wird dies alles führen? Wenn er geradeheraus sagte: ,So und so; das und das verlange ich; dann würde ich seine Forderung erfüllen. Aber auf diese Art nimmt die Sache eine recht unangenehme Wendung! Ach, wenn es nur recht bald Tag würde und ich mich recht bald ans Werk machen könnte! Jetzt weiß ich, was ich zu tun habe. Ich werde sagen: ,So und so; auf Erörterungen bin ich bereit einzugehen; meine Ehre werde ich nicht verkaufen' usw. Übrigens wie hat er, diese gewisse Person, dieser unangenehme Mensch, es angefangen, sich hier einzumischen? Und wozu hat er sich eigentlich hier eingemischt? Ach, wenn es doch recht schnell Tag würde! Bis dahin bringen sie mich in üblen Ruf, intrigieren gegen mich und arbeiten auf meinen Schaden hin! Die Hauptsache ist: ich darf keine Zeit verlieren, sondern muß z. B. jetzt wenigstens einen Brief schreiben, in dem ich diese und jene Punkte mit Stillschweigen übergehe und mich mit diesen und jenen einverstanden erkläre. Und morgen, sowie es hell wird, muß ich ihn absenden, und ich selbst muß so früh wie möglich... hm... und ihnen von der andern Seite entgegenarbeiten und diesen allerliebsten Leuten zuvorkommen... Sie bringen mich in schlechten Ruf; das steht fest!«

Herr Goljadkin legte sich einen Bogen Papier zurecht, ergriff die Feder und schrieb folgenden Brief als Antwort auf den Brief des Gouvernementssekretärs Wachramejew:


»Geehrter Herr,

Nestor Ignatjewitsch!

»Mit Erstaunen und betrübtem Herzen habe ich Ihren für mich so beleidigenden Brief gelesen; denn ich erkenne deutlich, daß Sie mich meinen, wenn Sie von einigen unwürdigen Personen reden und von manchen, die eine wohlwollende Gesinnung erheucheln. Mit aufrichtigem Schmerze sehe ich, wie schnell, wie erfolgreich und wie tief die Verleumdung Wurzel geschlagen hat, zum Schaden meiner Wohlfahrt, meiner Ehre und meines guten Namens. Und besonders kränkend und verletzend ist es für mich, daß sogar ehrenhafte Leute, Leute mit einer wahrhaft anständigen Denkweise und, was die Hauptsache ist, mit geradem, offenem Charakter, sich von der Partei der wohlanständigen Leute lossagen und mit den besten Eigenschaften ihres Herzens sich jener verderblichen Fäulnis hingeben, die leider in unserer argen, sittenlosen Zeit so stark wuchert und sich so heimtückisch ausbreitet. Zum Schlusse erkläre ich, daß ich es für meine heilige Pflicht erachte, meine von Ihnen bezeichnete Schuld, nämlich zwei Rubel, Ihnen in ihrem vollen Betrage zurückzuerstatten.

»Was Ihre Andeutungen in betreff einer gewissen Person weiblichen Geschlechtes und in betreff der Absichten, Spekulationen und mannigfaltigen Pläne dieser Person anbelangt, geehrter Herr, so sage ich Ihnen, daß ich all diese Andeutungen nur unvollkommen und mangelhaft verstanden habe. Gestatten Sie mir, geehrter Herr, meine anständige Denkweise und meinen ehrlichen Namen unbefleckt zu erhalten. In jedem Falle bin ich bereit, auf persönliche Erörterungen einzugehen, da ich das mündliche Verfahren dem brieflichen als zuverlässiger vorziehe, und überdies bin ich zu einer friedlichen, selbstverständlich gegenseitigen Einigung bereit. Zu diesem Ende ersuche ich Sie, geehrter Herr, dieser Person von meiner Bereitwilligkeit zu einer persönlichen Verständigung Mitteilung zu machen und sie außerdem um Bestimmung von Zeit und Ort für eine Zusammenkunft zu bitten. Es war mir schmerzlich, geehrter Herr, Ihre Anspielungen darauf zu lesen, daß ich Sie gekränkt, unsere ursprüngliche Freundschaft verraten und mich in schlechtem Sinne über Sie ausgesprochen hätte. Ich schreibe all dies einem Mißverständnisse zu, abscheulicher Verleumdung, dem Neide und Übelwollen derjenigen, die ich mit Recht meine erbittertsten Feinde nennen kann. Aber sie wissen wahrscheinlich nicht, daß die Unschuld schon durch ihre Unschuld stark ist, daß die Schamlosigkeit, die Frechheit und die empörende Familiarität mancher Personen früher oder später sich das Brandmal allgemeiner Verachtung zuziehen werden, und daß diese Personen an der Nichtswürdigkeit und Verderbtheit ihres eigenen Herzens zugrunde gehen müssen. Zum Schlusse bitte ich Sie noch, geehrter Herr, diesen Personen mitzuteilen, daß ihre seltsame Anmaßung und ihr unedles, phantastisches Verlangen, andere aus den Stellungen zu verdrängen, die diese andern durch ihr Dasein in dieser Welt einnehmen, und sich deren Platz anzueignen, nur geeignet sind, Erstaunen, Verachtung und Bedauern zu erwecken und sie selbst ins Irrenhaus zu bringen, und daß überdies solche Machenschaften durch die Gesetze streng verboten sind, was meiner Meinung nach durchaus gerecht ist; denn ein jeder muß mit seinem eigenen Platze zufrieden sein. Alles hat seine Grenzen, und wenn dies ein Scherz ist, so ist es ein unziemlicher Scherz, ja ich will noch mehr sagen: ein ganz unmoralischer Scherz; denn ich erlaube mir, Ihnen zu versichern, geehrter Herr, daß meine oben dargelegten Anschauungen über den eigenen Platz eines jeden rein moralisch sind.

»In jedem Falle habe ich die Ehre, zu verbleiben

Ihr gehorsamster Diener

J. Goljadkin.«


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