15.

Ernst Mallin schrumpfte zusammen, als wollte er sich verkriechen. Er wollte nicht aussagen. Diesen Augenblick fürchtete er seit Tagen. Jetzt würde er sich auf diesen Stuhl setzen müssen, und sie würden ihm Fragen stellen, und er konnte sie nicht der Wahrheit nach beantworten, und dieser Bildschirm über seinem Kopf…

Als der Gerichtsbeamte ihn an der Schulter berührte, glaubte er zuerst, seine Beine müßten ihm den Dienst versagen. Der Weg zum Zeugenstuhl kam ihm meilenlang vor. Aber irgendwie erreichte er den Stuhl und setzte sich, und dann stülpten sie ihm den Helm über den Kopf und befestigten die Elektroden. Früher hatte man Zeugen einmal einen Eid abgenommen, wonach sie sich verpflichteten, die Wahrheit zu sagen. Das war heute nicht mehr üblich. Es war auch nicht mehr nötig.

Der Bildschirm blieb blau, während er seinen Namen angab und über seinen beruflichen Werdegang berichtete. Einmal flackerte ein rotes Muster über den Schirm, als er eine Veröffentlichung erwähnte — die Arbeit war ausschließlich von einem seiner Studenten gefertigt, und er hatte sie nur unter seinem Namen herausgegeben. Das hatte er vergessen, aber sein Gewissen wußte es sehr wohl.

„Dr. Mallin“, sagte der älteste der drei Richter, der in der Mitte saß, „worin besteht nach Ihrer fachlichen Meinung der Unterschied zwischen intelligentem und nichtintelligentem Denken?“

„In der Fähigkeit, bewußt zu denken“, erklärte er. Der Bildschirm blieb blau.

„Meinen Sie damit, daß nichtintelligente Wesen kein Bewußtsein haben, oder meinen Sie, daß sie nicht denken?“

„Nun, keines von beiden. Jedes Lebewesen mit einem Zentralnervensystem besitzt irgendeine Art von Bewußtsein — das Bewußtsein seiner Existenz und seiner Umgebung. Und jedes Wesen mit einem Gehirn denkt, um den Ausdruck einmal laienhaft zu benutzen.

Was ich meine, ist, daß nur ein intelligenter Verstand denkt und auch weiß, daß er denkt.“

Bis jetzt bestand noch keine Gefahr. Er sprach über Sinnesreize und Reflexe, wobei er bis in das erste präatomare Jahrhundert zurückgriff und Pavlov und Korzybski und Freud erwähnte. Der Bildschirm blieb blau.

„Wichtig ist außerdem, daß ein intelligenter Verstand zu generalisieren vermag, also von speziellen Dingen auf allgemeine Prinzipien schließen kann. Für nicht vernunftbegabte Wesen ist jedes Erlebnis entweder völlig neu oder mit irgendeinem anderen Erlebnis, woran es sich erinnert, identisch. Ein Hase flieht vor einem Hund, weil dieser im Geist des Hasen mit einem anderen Hund identisch ist, der ihn schon einmal gejagt hat. Ein Vogel fühlt sich zu einem Apfel hingezogen, weil für ihn ein Apfel etwas Rotes ist, auf das man pickt. Vernunftbegabte Wesen dagegen sagen: 'Diese roten Gegenstände sind Äpfel; Äpfel als Klasse, und sie sind eßbar und schmecken gut.' Das vernunftbegabte Wesen bildet also eine Klasse unter dem allgemeinen Begriff 'Apfel'. Das wiederum führt zur Bildung abstrakter Ideen — rot, Geschmack usw., die auch ganz losgelöst von bestimmten physikalischen Gegenständen Geltung haben und zu weiteren Abstraktionen führen — 'Frucht' zum Unterschied von 'Apfel', 'Nahrung' im Gegensatz zu 'Frucht'.“

Immer noch blieb der Schirm blau. Die drei Richter warteten, und er fuhr fort:

„Nachdem nun diese abstrakten Ideen gebildet sind, wird es notwendig, sie zu symbolisieren, um sie auch unabhängig von dem eigentlichen Gegenstand behandeln zu können. Das vernunftbegabte Wesen ist ein Wesen, das symbolisiert und Symbole weitergibt; es kann anderen vernunftbegabten Wesen seine Gedanken in symbolischer Form weitergeben.“

„Wie Pa - pii dscheek?“ fragte der Richter rechts von ihm.

Sofort blitzte der Bildschirm rot auf.

„Euer Ehren, ich kann nicht zufällig eingeprägte und mechanisch nachgeplapperte Laute als Sprache bezeichnen. Die Fuzzys haben nur gelernt, diesen Laut mit einem bestimmten Menschen zu assoziieren und benützen ihn als Signal, nicht als Symbol.“

Immer noch war der Bildschirm rot. Der Oberrichter schlug mit dem Hammer auf den Tisch.

„Dr. Mallin! Von allen Menschen auf diesem Planeten sollten wenigstens Sie sich der Unmöglichkeit bewußt sein, unter dem Lügendetektor zu lügen. Andere Menschen wissen nur, daß das nicht geht. Sie kennen sogar die Gründe dafür. Ich werde jetzt Richter Janivers Frage neu formulieren und erwarte diesmal eine wahrheitsgemäße Antwort. Wenn Sie die nicht geben, betrachte ich das als eine Beleidigung des Gerichts. — Als diese Fuzzys schrien: 'Pa — pii dscheek', glauben Sie oder glauben Sie nicht, daß es sich dabei um einen Ausdruck handelt, der in der Meinung der Fuzzys für Mr. Holloway stand?“

Er konnte es nicht sagen. Diese ganze Intelligenz war ein großer Schwindel — das mußte er glauben.

Aber er glaubte es nicht. Er wußte es besser. Er schluckte.

„Ja, Euer Ehren. Der Begriff 'Pa — pii dscheek' ist nach Meinung der Fuzzys ein Symbol, das für Mr. Jack Holloway steht.“

Er blickte auf den Bildschirm. Das Rot war zu Violett geworden, und dann wurde daraus ein dunkles Blau. Er fühlte sich jetzt zum ersten Male seit jenem Nachmittag, an dem Leonard Kellogg ihm von den Fuzzys berichtet hatte, wieder wohl.

„Dann denken Fuzzys also bewußt, Dr. Mallin?“ Das war Pendarvis.

„Oh, ja. Die Tatsache, daß sie Wortsymbole benutzen, bestätigt das, selbst ohne andere Beweise. Und die Encephalographenaufnahmen, die wir machten, halten sehr wohl einen Vergleich mit denen eines zehn- oder zwölfjährigen Kindes von der Erde aus. Das gleiche gilt für ihre Lernkapazität und die Fähigkeit, Rätsel zu lösen. Bei Rätseln überdenken sie das Problem immer zuerst und verrichten dann die rein manuelle Arbeit, und zwar mit der gleichen Anstrengung wie vielleicht für einen Menschen das Händewaschen ist.“

Der Bildschirm strahlte in klarem Blau. Mallin hatte es aufgegeben zu lügen; jetzt drängte alles aus ihm heraus, was er dachte.

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