3.

Gegen elf Uhr nachts erwachte er. Das war die Strafe, wenn man so früh zu Bett ging. Er würde aufstehen, einen Schluck trinken und sich erneut schlafen legen. Er stelzte steifbeinig in die Küche, füllte sein Glas mit Whisky und trug es zum Schreibtisch hinüber. Eine halbe Stunde wollte er noch arbeiten. Er machte ein paar Eintragungen, und da öffnete sich die kleine Tür hinter ihm, und ein Stimmchen sagte: „Quiiik.“

Er drehte sich um.

„Little Fuzzy?“

Das Geräusch wiederholte sich. Es klang ungeduldig. Little Fuzzy hielt die Tür auf, und jetzt kam von draußen eine Antwort. Dann kam ein anderer Fuzzy herein und noch einer; insgesamt waren es vier, und einer davon trug ein Bällchen aus weißem Pelz in den Armen. Sie alle trugen Garnelentöter wie der eine in der Schublade, und sie blieben im Zimmer stehen und starrten verblüfft umher. Dann legte Little Fuzzy seine Waffe weg und rannte auf ihn zu — Jack beugte sich aus seinem Stuhl, fing den Kleinen auf und setzte sich dann neben ihn auf den Boden.

„Deshalb bist du also weggerannt und hast Pappi Jack Sorgen gemacht? Du wolltest deine Familie auch hier haben!“

Die anderen legten ihre hölzernen Garnelentöter neben Little Fuzzys stählerne Waffe und näherten sich zögernd. Er redete auf sie ein. Und schließlich kam einer herüber, befingerte sein Hemd und zupfte schließlich an seinem Schnurrbart. Und dann kletterten alle auf ihm herum, selbst das Weibchen mit dem Baby. Es war so klein, daß es auf seiner Handfläche sitzen konnte, aber im nächsten Augenblick war es ihm auf die Schulter geklettert. Dann saß es auf seinem Kopf.

„Meine Herrschaften, wollt ihr etwas zu essen haben?“ fragte er.

Little Fuzzy quiekte bejahend; das war ein Wort, das er verstand. Er führte sie alle in die Küche und bot ihnen kalten Veldtierbraten, Yunniyams und gekochte Pooldallfrüchte an; während die Fuzzys aus ein paar großen Töpfen aßen, ging er ins Wohnzimmer zurück, um die Dinge zu untersuchen, die sie mitgebracht hatten. Zwei der Garnelentöter waren aus Holz wie der eine, den Little Fuzzy im Schuppen hatte liegen lassen. Der dritte bestand aus Horn und war wunderschön poliert. Der vierte sah aus, als hätte man ihn aus dem Schulterknochen einer Zebralope gemacht. Dann gab es noch eine kleine Axt, die ziemlich steinzeitlich aussah und ein Feuersteingerät von der Form eines Orangenschnitts, das an der scharfen Kante etwa fünf Zoll lang war. Maßstäblich für seine Hand vergrößert, hätte er das einen Schaber genannt. Er überlegte eine Weile, stellte fest, daß die Schneide gezackt war und entschied, daß es sich um eine Säge handeln mußte. Dann gab es noch drei sehr gute Steinmesser und ein paar Gefäße.

Nach wenigen Minuten kam die ganze Fuzzyfamilie freudig quiekend wieder herein. Mama Fuzzy und ihr Baby hatten ein nettes Spiel erfunden. Das Baby kletterte auf seinen Kopf und versuchte dann, seiner Mama auf den Rücken zu springen, was ihm meistens unter freudigem Quieken gelang.

Und da hatte er gedacht, er hätte seinen Little Fuzzy verloren — jetzt hatte er fünf Fuzzys und ein Baby-Fuzzy. Als sie von dem Herumtollen müde waren, richtete er ihnen im Wohnzimmer Bettchen und brachte Little Fuzzys Bettdecke und seine Schätze herein. Ein Little Fuzzy im Schlafzimmer war ganz nett, fünf und ein Baby waren aber des Guten etwas zuviel.

Am nächsten Morgen beteiligte sich die ganze Familie an Little Fuzzys Weckversuchen.

Am Morgen fertigte er für jeden ein „Schwert“ und ein halbes Dutzend weitere für den Fall, daß noch mehr Fuzzys auftauchen sollten. Darüber hinaus fertigte er eine Miniaturaxt mit einem Hartholzgriff, eine Handsäge aus einem abgebrochenen Motorsägeblatt und ein halbes Dutzend kleine Messer, die er aus viertelzölligem Federstahl machte. Den Fuzzys dafür ihre eigenen Utensilien abzuhandeln, machte weniger Mühe, als er erwartet hatte. Sie besaßen einen sehr gut entwickelten Sinn für Eigentum, erkannten aber ein gutes Geschäft sofort, wenn man es ihnen anbot.

Den Nachmittag verbrachte er im Lager mit allerlei Arbeiten, die er seit Monaten aufgeschoben hatte. Anschließend begab er sich in die Küche, um das Abendessen zu bereiten, und da kamen sie plötzlich alle der Reihe nach durch die kleine Tür hereingeschossen und erhoben ein fürchterliches Geschrei. Little Fuzzy und ein weiteres Männchen kamen in die Küche. Little Fuzzy hockte sich auf den Boden, legte eine Hand ans Kinn, Daumen und Zeigefinger ausgestreckt und die andere an die Stirn, wobei er den Zeigefinger ausstreckte. Dann stieß er den rechten Arm steif nach vorne und gab ein bellendes Geräusch von sich. Er mußte seine Pantomime wiederholen, bis Jack verstand.

Es gab einen großen, höchst unangenehmen Fleischfresser, den die Kolonisten der Einfachheit halber „Scheusal“ nannten, der ein einzelnes Horn auf der Stirn und je eines zu beiden Seiten des Unterkiefers besaß. Ein Scheusal war nicht nur für Fuzzys, sondern auch für Menschen ein Grund zur Aufregung. Jack legte das Messer und die Yunniyamfrucht, die er gerade zerteilt hatte, beiseite, wischte sich die Hände ab und ging ins Wohnzimmer, wo er sich durch eine schnelle Zählung davon überzeugte, daß die Familie vollzählig war. Dann trat er an den Gewehrschrank.

Diesmal nahm er nicht die Sechs-Millimeter, sondern die große 12,7er-Doppelexpreß. Er überzeugte sich davon, daß die Waffe geladen war und schob ein paar Reservepatronen in die Tasche. Little Fuzzy folgte ihm ins Freie und deutete auf das Häuschen zur Linken. Der Rest der Familie blieb im Zimmer.

Er trat etwa zwanzig Fuß vor das Haus und sah sich um. Im Norden war kein Scheusal zu sehen, und er wollte gerade nach Osten gehen, als Little Fuzzy an ihm vorbeirannte und nach hinten deutete. Er wirbelte herum, sah wie das Scheusal von hinten auf ihn zustürzte, den Kopf gesenkt und das Mittelhorn angriffslustig erhoben. Er hätte daran denken müssen; ein Scheusal war sehr wohl imstande, den Jäger zum Gejagten zu machen.

Er hob instinktiv die Waffe an die Schulter und drückte ab. Die schwere Büchse brüllte auf und schlug gegen seine Schulter. Die Kugel traf das Scheusal und warf seine halbe Tonne Lebendgewicht nach hinten. Der zweite Schuß traf es unter einem der Ohren, worauf die Bestie ein letztesmal konvulsivisch zusammenzuckte und dann reglos liegenblieb. Er lud mechanisch nach, aber ein dritter Schuß erübrigte sich. Das Scheusal war so tot wie er jetzt gewesen wäre, wenn Little Fuzzy ihn nicht gewarnt hätte.

Er erklärte das auch Little Fuzzy, der inzwischen die leeren Patronen aufgesammelt hatte. Dann rieb er sich die Schulter an der Stelle, wo der Rückstoß ihm einen Schlag versetzt hatte, ging ins Haus und stellte die Waffe wieder in den Schrank. Anschließend begab er sich in den Schuppen, stieg in den Manipulator und trug mittels der Greifer den Kadaver in eine Schlucht etwa eine Meile westlich des Lagers, wo er den Harpyien willkommenen Fraß bieten würde.


Nach dem Abendessen kam ein neuer Alarm. Die ganze Familie spielte vergnügt, als plötzlich direkt über ihnen ein lautes Tuten ertönte. Die Fuzzys erstarrten, blickten zur Decke und rannten zum Gewehrschrank. Das mußte etwas noch viel Gefährlicheres sein als ein Scheusal, und so überraschte es sie ungemein, daß Pappi Jack nur zur Tür ging, sie öffnete und hinaustrat. Schließlich hatte keiner von ihnen bis jetzt die Hupe eines Polizeiluftwagens gehört.

Der Wagen senkte sich vor dem Lager ins Gras, schwankte noch einmal, und dann erstarb das leise Pfeifen des Kontragravgenerators. Zwei Männer in Uniform stiegen aus, und Jack erkannte sie im Mondlicht sofort: Leutnant George Lunt und sein Fahrer, Ahmed Khadra. Er rief ihnen einen Gruß zu.

„Irgend etwas nicht in Ordnung?“ fragte er.

„Nein, wir wollten nur einmal nachsehen, wie's Ihnen geht“, antwortete Lunt. „Wir kommen nicht oft in die Gegend. Haben Sie…“

Aber weiter kam er nicht, denn Little Fuzzy wählte diesen Augenblick für seinen Auftritt. Er marschierte aus dem Haus heraus und begann, an Pappi Jacks Hosenbein zu zupfen. Jack bückte sich, hob ihn auf und setzte ihn sich auf die Schulter. Jetzt sah auch der Rest der Familie zur Tür heraus.

„He! Was zum Teufel sind das für Biester?“ fragte Lunt und blieb unwillkürlich stehen.

„Fuzzys. Sie wollen doch nicht sagen, daß Sie noch nie Fuzzys gesehen haben?“

„Nein, allerdings nicht. Was ist das denn?“

Die beiden Konstabler traten näher, und Jack ging ins Haus. Lunt und Khadra blieben unter der Tür stehen.

„Ich hab's Ihnen doch gesagt. Fuzzys. Einen anderen Namen kenne ich nicht für sie.“

Zwei Fuzzys kamen herüber und betrachteten Leutnant Lunt. Einer von ihnen sagte:

„Quiek?“

„Sie wollen wissen, was Sie sind — die Neugierde beruht also auf Gegenseitigkeit.“

Lunt zögerte einen Augenblick, dann schnallte er seinen Waffengurt ab und hängte ihn an einen Haken hinter der Tür. Seine Dienstmütze stülpte er darüber. Khadra folgte seinem Beispiel prompt. Das bedeutete, daß sie sich im Augenblick als nicht im Dienst befindlich betrachteten und einen Schluck zu trinken annehmen würden, wenn man ihnen einen anbot. Ein Fuzzy zupfte an Ahmed Khadras Hosenbein und verlangte nach seiner Aufmerksamkeit, während Mama Fuzzy das Baby in die Höhe hob, damit Lunt es besser sehen konnte. Khadra hob etwas zögernd den Fuzzy auf, der sich an seinem Bein zu schaffen machte.

„Ich hab' noch nie so etwas gesehen“, sagte er. „Wo kommen die her?“

„Ahmed, Sie wissen überhaupt nichts von diesen Dingern“, meinte Lunt mit leichtem Tadel.

„Die tun mir nichts, Leutnant, Jack haben sie ja auch nichts getan.“

„Trotzdem — bei fremden Lebensformen kann man nicht vorsichtig genug sein“, beharrte Lunt. „Sie wissen doch selbst…“

„Sie sind keine fremde Lebensform; sie sind zarathustrische Säugetiere.“

„Nun… nett sind die kleinen Burschen ja.“ Lunt griff nach seinem Kopf, wo sich Baby inzwischen breitgemacht hatte und gab den Kleinen an Mama zurück. Little Fuzzy hatte sich inzwischen des Kettchens bemächtigt, an dem Lunts Trillerpfeife hing und versuchte festzustellen, was am anderen Ende befestigt war.

„Ich wette, Sie sind um die Gesellschaft froh.“

„Man gewöhnt sich an sie. Machen Sie sich's bequem, ich will ein paar Erfrischungen holen.“

Während er in der Küche damit beschäftigt war, einen Sodasiphon zu füllen und Eis aus dem Kühlschrank zu holen, schrillte im Wohnzimmer eine Polizeipfeife. Er entkorkte gerade eine Flasche Whisky, als Little Fuzzy hereingeschossen kam und wie wild auf der Pfeife trillerte. Der Rest seiner Familie verfolgte ihn und versuchte, ihm das Spielzeug wegzunehmen. Er öffnete eine Dose ExTe drei für die Fuzzys, und während er das tat, schrillte im Nebenzimmer die zweite Pfeife.

„Wir haben in unserer Station eine ganze Schuhschachtel voll mit diesen Dingern“, schrie Lunt ihm über den Lärm hinweg zu. „Wir schreiben die beiden als im Dienst abhanden gekommen ab.“

Nachher, als die drei Männer bei ihren Drinks saßen, erzählte Jack von seinem ersten Zusammentreffen mit Little Fuzzy. Als er in seinem Bericht bis zu dem Holzmeißel und der Tötung der Landgarnele gekommen war, sahen Lunt und Khadra einander überrascht an.

„Das ist es!“ rief Khadra aus. „Ich habe aufgeknackte Garnelenpanzer gefunden, die genauso aussahen, wie Sie es beschreiben. Ich hab' mich immer gefragt, wie das kam. Aber sie hatten doch nicht alle Holzmeißel! Was glauben Sie wohl, verwenden sie normalerweise?“

„Ah!“ Jack zog die Schublade auf und holte seine Schätze heraus. „Da ist das Ding, das Little Fuzzy wegwarf, als er meinen Meißel fand. Der Rest von dem Zeug stammt von den anderen.“

Lunt und Khadra sahen sich die Werkzeuge an. Der Leutnant wollte nicht glauben, daß die Fuzzys so etwas gemacht haben konnten. Die Fuzzys hatten inzwischen ihre ExTe-drei-Mahlzeit beendet und blickten erwartungsvoll auf den Bildschirm. Jack wußte, daß außer Little Fuzzy noch keiner von ihnen das Gerät in Funktion gesehen hatte. Dann sprang Little Fuzzy auf den Stuhl, den Lunt frei gemacht hatte, griff nach der Fernbedienung und schaltete das Gerät ein. Sie blickten auf einen Landstrich im Süden, der vom Mondlicht beschienen war. Die Aufnahme stammte von einer Fernsehkamera auf einem der Stahltürme, wie die Veldtierrancher sie benutzten. Das Bild war nicht besonders interessant, und so drehte Fuzzy am Wählknopf, bis er ein Fußballspiel im Stadion von Mallorys Port fand. Das war etwas Großartiges, und der Kleine sprang erfreut vom Sessel herunter und machte sich mit den anderen vor dem Bildschirm breit.

„Ich hab' schon terranische Affen und freyanische Kholphs gesehen, die Fernseher bedienen konnten“, erklärte Lunt.

„Kolphs sind klug“, nickte Khadra. „Sie verwenden Werkzeuge.“

„Machen sie Werkzeuge? Oder Werkzeuge, um damit Werkzeuge zu machen wie diese Säge?“ fragte Jack. „Nein. Das tut niemand außer Leuten wie uns und den Fuzzys.“

„Aber sie reden nicht, und sie haben kein Feuer“, erklärte Ahmed Khadra, als sei die Sache damit abgetan.

„Ahmed, das sollten Sie eigentlich besser wissen. Diese Regel vom 'Reden und Feuermachen' ist überhaupt nicht wissenschaftlich fundiert.“

„Aber sie wird juristisch als Beweis angesehen“, unterstützte Lunt seinen Untergebenen.

„Das ist eine primitive Faustregel, die man aufgestellt hat, damit die Siedler auf neuen Planeten ungestraft die Eingeborenen ermorden und versklaven konnten, indem sie behaupteten, sie hätten nur mit wilden Tieren zu tun“, wandte Jack ein. „Jedes Wesen, das redet und Feuer macht, ist vernunftbegabt — stimmt. Das ist das Gesetz.

Aber das heißt noch lange nicht, daß ein Wesen, das das nicht tut, nicht auch vernunftbegabt sein kann. Ich habe noch keinen von diesen Kleinen hier ein Feuer machen sehen, und da ich keine Lust habe, einmal heimzukommen und mein Haus ausgebrannt vorzufinden, werde ich es sie auch nicht lehren. Aber ich wette, daß sie irgendeine Methode besitzen, sich untereinander zu verständigen.“

„Hat Ben Rainsford sie schon gesehen?“ wollte Lunt wissen.

„Ben ist irgendwohin verreist. Ich hab' ihn sofort angerufen, als Little Fuzzy hier auftauchte. Er kommt erst Freitag zurück.“

„Ja, stimmt, jetzt erinnere ich mich wieder.“ Lunt sah immer noch die Fuzzys an. „Mich würde interessieren, was er von ihnen hält.“

Wenn Ben sagte, daß sie ungefährlich waren, würde Lunt das akzeptieren. Ben war Fachmann, und Lunt respektierte die Meinung von Fachleuten. Bis dahin war er nicht sicher. Vermutlich würde er gleich morgen früh eine genaue medizinische Untersuchung seiner selbst und Khadras veranlassen, um ganz sicherzugehen, daß sie sich nicht irgendeine Infektion zugezogen hatten.

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