Ernst Mallin schrumpfte zusammen, als wolle er sich verkriechen, als er seinen Namen hörte. Er wollte nicht aussagen. Diesen Augenblick fürchtete er seit Tagen. Jetzt würde er sich auf diesen Stuhl setzen müssen, und sie würden ihm Fragen stellen, und er konnte sie nicht wahrheitsgemäß beantworten, und dieser Globus über seinem Kopf…
Als der Gerichtsbeamte ihn an der Schulter berührte und ansprach, glaubte er zuerst, daß seine Beine ihm den Dienst versagen würden. Die nächsten Meter, die er zu gehen hatte, erschienen ihm wie Kilometer, wobei er von allen Seiten angestarrt wurde. Irgendwie erreichte er aber den Zeugenstuhl, bekam den Helm auf den Kopf, die Elektroden wurden befestigt. Früher einmal hatte man Zeugen einen Eid abgenommen, daß sie die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen hätten, aber das war heutzutage nicht mehr üblich. Es war auch nicht mehr nötig.
Die Kugel über ihm blieb blau, während er seinen Namen angab und über seinen beruflichen Werdegang berichtete. Einmal allerdings flackerte sie rot auf, als er seine Veröffentlichungen erwähnte — das war das Papier eines Studenten, das er unter seinem Namen veröffentlich hatte. Er hatte das bereits vergessen — sein Gewissen aber nicht.
»Dr. Mallin«, sagte der älteste der drei Richter, der in der Mitte saß, »worin besteht nach Ihrer fachlichen Meinung der Unterschied zwischen vernunftbegabtem und nichtintelligentem Denken?«
»In der Fähigkeit, bewußt zu denken«, erklärte er. Der blaue Ball über ihm blieb blau.
»Meinen Sie damit, daß nichtintelligente Wesen kein Bewußtsein haben, oder sind Sie der Meinung, daß sie nicht denken?«
»Nun, keines von beiden. Jedes Lebewesen mit einem Zentralnervensystem besitzt irgendeine Art von Bewußtsein — das Bewußtsein seiner Existenz und seiner Umgebung. Und jedes Wesen mit einem Gehirn denkt, um diesen Ausdruck mal ganz allgemein zu benutzen. Was ich meine, ist, daß nur der vernunftbegabte Verstand denkt und auch weiß, daß er denkt.«
Bisher bewegte er sich noch auf sicherem Boden. Er sprach über Sinnesreize und Reflexe, wobei er bis in das erste prä-atomare Jahrhundert zurückgriff und Pawlow, Korzybski und Freud erwähnte. Die Kugel blieb ruhig.
»Das nicht vernunftbegabte Tier ist sich nur dessen bewußt, was unmittelbar auf es einwirkt, und reagiert automatisch darauf. Es empfängt ein Signal und reagiert in einem vorgegebenen Muster — dies ist etwas, was man messen kann, dieser Reiz ist uninteressant, dort befindet sich ein Sexualobjekt, dieses ist gefährlich und so weiter.
Das vernunftbegabte Gehirn dagegen kann generalisieren. Für das nichtintelligente Tier ist ein Ereignis entweder absolut neu oder völlig vertraut. Ein Hase läuft vor jedem Hund davon, weil für ihn ein Hund mit jedem anderen Hund identisch ist, der ihn schon gejagt hat. Ein Vogel wird auf einen roten Apfel zufliegen, und jeder rote Apfel wird etwas sein, worin er gern pickt. Das vernunftbegabte Wesen wird sagen: ›Diese roten Objekte gehören zur Klasse der Äpfel. Sie sind eßbar und aromatisch‹. Es erschafft also eine Unterklasse des allgemeinen Begriffs wie ›Obst‹ und damit der Begriff ›Nahrung‹, wovon Obst ein Teil ist.«
Immer noch blieb der Schirm blau. Die Richter warteten, und so fuhr er fort:
»Nachdem nun diese abstrakten Gebilde entstanden sind, wird es notwendig, sie zu symbolisieren, um sie auch unabhängig von dem eigentlichen Gegenstand behandeln zu können. Das vernunftbegabte Wesen ist ein Wesen, das symbolisiert und Symbole weitergibt; es kann anderen vernunftbegabten Wesen seine Gedanken in symbolischer Form weitergeben.«
»Wie Pa-pii dschek?« fragte der Richter zur Rechten.
Die Kugel wurde augenblicklich rot.
»Euer Ehren, ich kann nicht zufällig eingeprägte und mechanisch nachgeplapperte Laute als Sprache bezeichnen. Die Fuzzys haben nur gelernt, diesen Laut mit einem bestimmten Menschen zu identifizieren und benützen ihn als Signal, nicht als Symbol.«
Immer noch leuchtete es rot. Der Oberrichter schlug mit dem Hammer auf den Tisch.
»Dr. Mallin! Von allen Menschen auf diesem Planeten sollten wenigstens Sie sich der Unmöglichkeit bewußt sein, unter dem Lügendetektor zu lügen. Andere Menschen wissen nur, daß das nicht geht — Sie kennen auch die Gründe dafür. Ich werde jetzt Richter Janivers Frage neu stellen und erwarte von Ihnen, daß Sie sie wahrheitsgemäß beantworten. Tun Sie es nicht, werte ich das als eine Beleidigung des Gerichts. Als diese Fuzzys also ›Pa-pii dschek!‹ schrien — glauben Sie oder glauben Sie nicht, daß es sich dabei um einen Ausdruck handelte, der in der Meinung der Fuzzys für Mr. Holloway stand?«
Er konnte das nicht sagen. Diese ganze Intelligenz war ein großer Schwindel — das mußte er glauben. Die Fuzzys waren geistlose Tiere.
Aber natürlich glaubte er das nicht — er wußte es sogar besser. Er schluckte.
»Ja, Euer Ehren. Der Begriff ›Pa-pii dschek‹ ist nach Meinung der Fuzzys ein Symbol für Mr. Jack Holloway.«
Die Kugel verfärbte sich langsam von rot zu violett und blieb dann blau. Mallin atmete innerlich auf. Er war hindurch.
»Dann denken Fuzzys also bewußt, Dr. Mallin?« Jetzt stellte Pendarvis eine Frage.
»Oh ja. Die Tatsache, daß sie Wortsymbole benutzen, bestätigt das, selbst ohne andere Beweise. Die Enzephalogramm-Aufnahmen, die wir machten, halten gut einen Vergleich mit denen eines zehn- oder zwölfjährigen Kindes von der Erde aus. Das gleiche gilt für die Lernkapazität und die Fähigkeit, Rätsel zu lösen. Bei Rätseln überdenken sie das Problem immer zuerst und verrichten dann die rein manuelle Arbeit, und zwar mit der gleichen Anstrengung wie vielleicht für einen Menschen das Händewaschen ist.«
Die Kugel strahlte jetzt in klarem Blau. Mallin hatte es aufgegeben, zu lügen; jetzt drängte alles aus ihm heraus, was er wirklich dachte.
Leonhard Kellogg vergrub sein Gesicht in seinen Armen vor sich auf dem Tisch. Trauer und Angst schlugen wie Wellen über ihm zusammen.
Ich bin ein Mörder, ich habe eine Person getötet. Zwar nur eine kleine, possierliche Person mit einem Pelz, aber sie war eine Persönlichkeit. Ich wußte es, als ich das Grab entdeckt hatte, ich wußte es, als ich sie tötete. Man wird mich auch auf diesen Stuhl setzen, und ich muß es vor allen Leuten hier zugeben. Dann wird man mich hinausbringen und mir auf dem Hof mit einer Pistole eine Kugel durch den Kopf schießen…
Und das alles, weil dieses kleine Ding meine Aufmerksamkeit auf sich lenken wollte!