Mitte März legte Arnold die Prüfungen mit Erfolg ab. Es war ihm nur ein Spiel. Er entschied sich für das juristische und philosophische Fach. An einem stürmischen Frühlingstag entrichtete er an der Universität die festgesetzten Gebühren und begleitete dann Wolmut vom Ring bis weit hinaus in die Vorstadt.
»Sie haben keine bestimmte Idee von der Richtung, die Sie in den nächsten Jahren nehmen wollen?« fragte Wolmut zum wiederholten Mal. »Vergessen Sie nicht, daß Sie viel älter sind, als die Burschen, die mit Ihnen äußerlich jetzt auf demselben Punkt stehen.«
»Ich mache kein Programm«, erwiderte Arnold lebhaft. »Damit geht jede Unbefangenheit verloren. Ich will zugreifen und alles packen, was zu mir kommt. Später kann ich dann mein Gebiet begrenzen.«
»Sehr gut; und wollen Sie jetzt gleich zu arbeiten anfangen?«
»Das weiß ich nicht.«
»Sie scheinen ein wenig zerstreut, oder vielleicht auch zu sehr in einen gewissen Gedanken verbohrt«, bemerkte Wolmut freundschaftlich.
Sie gingen an einem Garten vorbei. Die Kronen der Bäume bogen sich im Wind. Der Sturm entführte Arnold den Hut, wirbelte ihn über den Zaun, und Arnold mußte am Tor des Gartens läuten und ziemlich lange barhaupt stehen, ehe er wieder in den Besitz seiner Kopfbedeckung gelangte. Als er durch die stillen Gartenwege wieder gegen die Straße schritt, hatte er die Empfindung einer schönen, jedoch dunklen Erinnerung. Plötzlich stand es in ihm fest, daß er nach Podolin gehn werde.
Zu Hause angekommen, zog er den ländlichen Holzkoffer aus dem Winkel, aber es zeigte sich, daß dieses ehrwürdige Stück zu klein und zu häßlich war. Er ging daher von neuem aus und kaufte einen großen Lederkoffer und eine Handtasche. Er packte bis zum Nachmittag, und erst als er fertig war, bemerkte er mit Verwunderung, daß er sich wie zu einer langen Abwesenheit gerüstet habe.
Nachdem er die Stunde der Reise festgesetzt hatte, wollte er bei Borromeos Abschied nehmen. Man sagte ihm, der Doktor sei im Salon. Er durchschritt die Reihe der Zimmer und als er einen roten Türvorhang beiseite schob, sah er unvermutet Frau Anna und den Leutnant Valescott vor sich. Die Beiden saßen an einem schmalen Teetisch einander gegenüber und drehten das Gesicht gespannt mit einem Ausdruck verdrießlicher Abwehr nach ihm zurück. Arnold entschuldigte sich, trat vollends in das Gemach und sagte, weshalb er käme. Da sein Benehmen unbefangen war, wurde Anna Borromeo freundlich. Valescott schien geärgert. Er erhob sich alsbald, reichte Frau Anna die Hand, verbeugte sich vor Arnold mit widerwilliger Höflichkeit und verschwand. Nach einer langen Pause sagte Anna Borromeo: »Valescott ist eine warme, tiefe, ehrenhafte Natur.« Mit beiden Händen und gespreizten Fingern schob sie die kupferfarbene Haarkrone zurecht, lächelte Arnold mütterlich zu, stemmte dann beide zur Faust geballten Hände tief in ihren Schoß, und starrte auf den Boden. »Was tust du jetzt in Podolin?« fragte sie, aus ihrem Brüten aufschreckend. »Es ist noch kalt draußen. Hast du aufgehört zu arbeiten und machst dir Ferien? Ich möchte auch einmal wissen, wie es ist, Ferien zu haben.«
Unangenehm berührt von ihrem Ton wie von dem, was sie sagte, entgegnete Arnold, die Ferientage einer vornehmen Dame begännen wahrscheinlich erst im Himmel.
Anna Borromeos Lippen verzogen sich hochmütig. Sie beugte sich vor, legte eine Hand auf die Arnolds, und ihre Augen sahen smaragdgrün aus, als sie erwiderte: »Kannst du mit meinem Herzen fühlen? Nein. Es gibt nur einen einzigen Augenblick, auf den ich mich täglich freue, nämlich der, wenn ich nachts das Licht auslösche.«
Arnold zuckte die Achseln und sagte, er müsse eilen. Als er gehen wollte, kam Borromeo. Anna erzählte ihm von Arnolds Vorhaben. Er stutzte und schüttelte den Kopf, dann fragte er Arnold, wann er reisen wolle. Jetzt, in einer Stunde. »Dann werde ich dich zum Bahnhof begleiten, wenn es dir recht ist.«
»Gewiß.«
Arnold übergab sein Gepäck einem Wagen, während er selbst mit dem Oheim zu Fuß ging. »Wie lange willst du bleiben?« fragte Borromeo. »Und warum fährst du eigentlich? Zieht es dich hin oder hast du einen bestimmten Zweck? Es ist eine schlechte Jahreszeit.«
Das leise, sammetartige Wesen dieses Mannes ließ alle Anzeichen äußeren Mitlebens vermissen. Doch lag in seinem Gehaben ein so scheues, scheinbar ganz bewußtloses Anschmiegen an die Person Arnolds, daß dieser ganz verwundert darüber war. Bis kurz vor der Abfahrt des Zuges blieb Borromeo ziemlich schweigsam; in den letzten Minuten wurde er auf einmal gesprächig und gab Ratschläge und Meinungen in betreff der Bewirtschaftung in Podolin. Der Zug setzte sich in Bewegung und Borromeo wartete, bis die Bahnhofshalle leer war.
Das stürmische Wetter war unverändert geblieben, als Arnold im dämmernden Morgen von der Station nach Podolin fuhr. Der Wagen ächzte im Straßenkot und auf dem Schottergestein; die Felder lagen wüst und der Nebel verhüllte die Wälder. Ursula war nicht wenig verblüfft über die Ankunft des jungen Herrn. Der böhmische Verwalter, der seit dem Sommer angestellt war, stand mit entblößtem Kopf am Gartentor. Sein rotes Gesicht war zum Ausdruck sklavischer Ehrerbietung erstarrt. Ursula wollte Rechnungen vorlegen und die brieflichen Berichte des Verwalters ergänzen, aber Arnold bedeutete ihr, daß er vorläufig damit nichts zu tun haben wolle. »Sie sind größer und schöner geworden«, meinte Ursula und bewunderte seine Kleidung, seinen veränderten Gang, — nichts entging ihrer harmlosen Beobachtung. Ihr Benehmen aber verwandelte sich nach der ersten Stunde. Am Anfang suchte sie den alten Ton spielerisch-polternder Befehlshaberei wieder anzunehmen, aber sie merkte bald, daß er darauf nicht einging. Mit diesem Augenblick sah sie einen fernen, kalten Herrn in Arnold und fand sich fremd. Sie umgab ihn mit einer Wolke von Respekt, welche alle lebendige Erinnerung mürrisch verhüllte.
Nur kurze Zeit ruhte Arnold von der Fahrt. Aus wohlbekannter Tasse nahm er das Frühstück ein; alles mutete ihn neuartig und klein an. Die Stube war eng, kahl und düster. Die Fenster waren winzig wie Schießscharten, Möbel und Geräte von unbequemer Dürftigkeit. Arnold lächelte in sich hinein wie ein alter Mann, der an seine Jugend denkt. Als er durch den Vorgarten schritt, um hinüber nach Podolin zu gehen, dachte er darüber nach, wie er es nehmen würde, wenn er hierzubleiben gezwungen wäre. Er schüttelte eine solche Vorstellung eilig von sich ab.
Dennoch zitterte beim Gehen über die Wiesen ein Hauch jener gewaltigen Bewegung nach, die ihn einst von dieser Ebene fortgetrieben, wie das Lüftchen, das sich von einem entfernten Orkan in stillere Regionen verirrt hat. Er freute sich des weiten Himmels, dessen Wolken einem dünnen Blau zu weichen begannen, er blieb träumend am Ufer des schwärzlichen Flusses stehen und ergötzte sich am Kreischen der Krähen. Gibt es angenehmere Töne, dachte er beim Weiterwandern, als das leise Glucksen des Wassers in den Wiesen?
Die neugierigen Blicke der Podoliner erregten seine Heiterkeit. Er war überrascht, jedes Häuschen noch auf seinem Fleck zu finden, blickte lächelnd von Torweg zu Torweg und schritt über den Platz hinauf gegen den Kirchhof. Der Fleischer Uravar stand unter der Tür seines Ladens, als ob er sich all die Zeit hindurch nicht von dort gerührt hätte. Die Kreuzspinne lag noch immer auf der Lauer. Arnold blieb stehen und nickte freundlich; es war ihm, als hätte er stets freundliche Beziehungen zu dem Mann unterhalten. Uravar glotzte und machte ein ehrerbietiges Kompliment.
Still lag der Kirchhof; die Holzkreuze waren von Wind und Wetter schief, verdorrt und zerbrochen. Von hier aus war der weiteste Ausblick über die Ebene, die erst in großer Ferne bergige Formen annahm und sich glatt wie eine ungeheure Bucht hindehnte. Das Grab der Frau Ansorge lag auf einem Vorsprung des festungsartig erhobenen und begrenzten Raums. Ein einfacher Stein schmückte den Hügel. Arnold lehnte sich mit dem Rücken an die niedere Mauer-Einfassung und suchte die Gestalt der Toten erstehen zu lassen. Aber es mischte sich zu viel Erlebtes hinein; buntes Schweifen ergriff den Sinn und trübe nur, kaum den Rand des Grabes überschreitend, wurde ein edler Umriß sichtbar. Arnold hatte das nicht erwartet; er hatte nicht geglaubt, daß er sich so allein hier finden würde. Als er sich gegen den Ausgang wandte, gewahrte er, ganz in einem Winkel zwischen Kirche und Mauer gedrückt, einen regenverwaschenen, kleinen Grabstein, in dem die verblaßte Photographie eines schönen, stolzblickenden Mannes eingelassen und durch ein Stück Glas verdeckt war. Auf der Fläche des Steins stand: Fumagalli, Zirkusreiter aus Mailand. Mal fa chi tanta fè obblia.
Arnold schmunzelte. Wie mochte Herr Fumagalli nach Podolin geraten sein? Nie früher hatte er den alten Stein mit dem süßlich-hübschen Bildnis bemerkt. Mühsam entzifferte er den Sinn der italienischen Worte: schlecht für den, der so viel Treue vergißt. Eine wunderliche Traurigkeit ergriff ihn; Treue, dies schien wirklich das Wesentliche allen Lebens und den Zusammenhalt alles Guten zu bedeuten, und als ob er sich gegen einen Selbstvorwurf schützen wolle, rief er mit seiner inneren Stimme den Namen Verenas. Auf dem Rückweg begleitete ihn ihr verschöntes Bild und als er zu Hause war, empfand er Sehnsucht nach ihr und fragte sich tausendmal, warum sie gegangen. Es erschien ihm zweifellos, daß er sie in der Stadt wieder sehen würde, und die Einsamkeit, in die er sich versetzt hatte, kam ihm wie eine freiwillige Selbstprüfung vor.
Im Hof wartete ein junges Bauernweib. Sogleich eilte sie auf Arnold zu und ihren Lippen entquoll eine unverständliche Flut von Worten. Erst allmählich vermochte Arnold herauszubringen, worum es sich handle. Die junge Person war das Weib des Häuslers Kubu, der früher Eisenbahnbediensteter gewesen war und seit fünf Jahren die Wirtschaft seines Vaters übernommen hatte. Wegen eines Steuerrückstandes von achtundsechzig Gulden waren ihm ein paar junger Ochsen gepfändet worden und heute hatte er die Mitteilung erhalten, daß die beiden Tiere versteigert werden müßten, falls er die Steuer nicht bar bezahle. Um dieses Geld bettelte das Weib und schwor bei der Mutter Gottes, daß sie es zur Ernte richtig zurückzahlen wolle.
Arnold, allzusehr mit seinem innern Zustand beschäftigt, zwar weich gestimmt, doch nur für sich selbst, wies das Weib ab, dessen lärmendes Getue ihm nicht angenehm war. Sie stand noch eine Weile mit finsterem, zur Erde gekehrtem Gesicht und Arnold ging ins Haus.
Als er am nächsten Morgen seinen Spaziergang nach Podolin machte, um Briefe auf die Post zu tragen, sah er vor einem der ersten Bauernhöfe eine Menge Leute stehen, deren Mienen leidenschaftliche Aufregung verrieten. Hinter dem Zaun des Hofes standen sechs Gendarmen. Arnold wollte einen der Bauern befragen, aber ein dicker Mann mit goldener Brille trat auf ihn zu, fragte kurzatmig, ob er Herr Ansorge sei und ob das Weib des Kubu gestern bei ihm gewesen sei, um Geld zu borgen. Er selbst sei der Bahn-Expeditor und habe früher den Kubu unter sich gehabt, der ein ordentlicher Mensch wäre. »Ist dies das Anwesen des Kubu?« fragte Arnold dagegen.
Der Expeditor erzählte, daß um zwölf Uhr der Steuer-Exekutor aus Sobielska beim Kubu in Begleitung zweier Gendarmen erschienen war. Kubu sperrte den Stall zu und sagte der Kommission, daß er die Ochsen nicht übergeben werde. Er habe acht Jahre lang die Steuern ordnungsgemäß bezahlt, gegenwärtig sei er aber infolge der Mißernte des vorigen Jahres nicht imstande zu zahlen. Er bot Haus und Hof als Pfand an und fügte hinzu: ohne das Vieh bin ich ein toter Mann. Die Frau versprach, sie werde das Geld von ihrem Paten ausleihen und beide baten mit erhobenen Händen um Fristung. Es war jedoch vergeblich. Der Exekutor entschied: entweder bezahlen oder die Ochsen her! Kubu schrie: ich gebe sie nicht her; lieber geh ich gleich zugrunde, als daß ich später mit meiner Familie zugrund gehe. Das ganze Dorf war zusammengelaufen und nahm eine drohende Haltung ein. Man schickte nach Sobielska um weitere Gendarmen und wartete, bis diese kamen. Sie wendeten sich gegen Kubu, um ihn zu fesseln. Es gelang nicht. Ein Gendarm zog nun den Säbel. Die Frau warf sich ihm entgegen und flehte: nicht auf den Kopf! Sie fing den Schlag auf, der dem Kubu zugedacht war und wurde an der Hand so verletzt, daß ein Finger nur noch an der Haut hing. Dann stellten sich alle Gendarmen zwei Meter von Kubu entfernt auf und riefen ihm zu: sie würden schießen, wenn er sich nicht ergebe. Als Kubu seine Frau bluten sah, sprang er in den Stall, ergriff eine Heugabel und schrie: die Ochsen können nur über meine Leiche geführt werden. Die Frau entriß ihm die Heugabel, stellte sich vor ihn und deckte ihn gegen die auf ihn stürmenden Gendarmen. Endlich gelang es den Männern, die Frau von dem Häusler wegzuziehen und ihn zu fesseln. Der Exekutor band die gepfändeten Ochsen los und ließ sie mit vier Gendarmen forttreiben.
Während Arnold alles das vernahm, wurde er so bleich, daß der Expeditor fragte, ob er sich krank fühle. Arnold zog seine Brieftasche aus dem Rock, zählte siebzig Gulden ab, überreichte sie dem Expeditor und sagte: »Geben Sie das dem Steuerbeamten; ich zahle es für den Häusler. Zwei Gulden bekomm ich zurück.« Der gutherzige Expeditor schien sehr erfreut und drückte Arnold bewegt die Hand. Auch unter den Podolinern verbreitete sich die Kunde von der Freigebigkeit des jungen Gutsherrn. Mehrere drängten sich an ihn und riefen ihm anerkennende Worte zu. Arnold mußte an einen andern Tag zurückdenken; damals hatte er ihnen sein ganzes Wesen opfern wollen, und sie hatten Steine nach ihm geschleudert; heute jauchzten sie ihm für verspätete siebzig Gulden zu. Er fing an, diese begriff- und urteilslose Rotte bitter zu hassen. Aber er betrog sich mit diesem Gefühl. Sein träger gewordenes Herz empfand Schmerzen der Scham, die es dem Verstand nicht mitteilte und nicht mitteilen konnte.
Auf dem einsamen Weg, der zum Wald hinüberführte, blieb Arnold stehen und murmelte mit einem Ausdruck des Erstaunens und der unheimlichen Erleuchtung: »sollte es möglich sein?« Er stellte sich vor einen Baum und blickte starr auf die Rinde. Denn plötzlich begann er den wahren Grund von Verenas Flucht zu ahnen. Er wanderte noch ein paar Schritte bis an den Waldrand und setzte sich auf einen gefällten Baumstamm. Ja, er begriff. Nicht länger erschien ihm als ein Mißverständnis, was so deutlich das Gesicht eines Schicksals zeigte. Aber allmählich suchte er doch, sich zu verteidigen. Das Tiefere, Ernsteste, das ihm einen Augenblick furchtbar zugeleuchtet, machte verschwommenen Hoffnungen Platz und die Waldeinsamkeit rührte ihn, weil ihn sein Kummer rührte. Kein Laut unterbrach die Stille. Weiß, breit, sanft ansteigend, krümmte sich die Landstraße hügelwärts hinan und bohrte sich wie aus eigener Kraft durch das Dickicht der Stämme und des niederen Buschwerks. Arnold empfand ein Verlangen nach Trost, Ruhe und Gedankenlosigkeit.
Am folgenden Tag regnete es, auch den zweiten Tag. Arnold stellte sich zu Ursula in die Küche und sagte gähnend: »Was soll man anfangen bei solchem Wetter!«
»Erzählen Sie mir doch. Wie gefällt Ihnen das Leben in der Stadt?« fragte die Alte.
»Ja, das ist etwas für sich, Ursula. Davon wird man nie fertig. Es ist ein Höllenkreisel. Da heißt es Augen auf. Jeder Tag bringt was Neues. Hier weiß man nie ob es Morgen, Mittag oder Abend ist. Aber dort, zwischen Suppe und Mehlspeise wird die Welt anders, und wer stillsitzen möchte, der muß tanzen und springen.«
»Aber wenn es regnet, wird’s dort auch naß. Das ist kein Unterschied«, sagte Ursula.
Arnold machte ein listiges Gesicht. »Wenn es regnet oder schneit«, sagte er, »merkt man es gar nicht in der Stadt, denn alle Straßen und Plätze haben Glasdächer und Öfen. Es ist immer warm und trocken.«
Ursula erwiderte verdrießlich und unsicher: »Einem alten Weib kann man erzählen, daß der Leineweber die Kartoffeln macht.«
Arnold trat unter die Haustür. Ein verzweifeltes Wetter, dachte er und würzte diese einförmige Betrachtung mit einem humoristischen Seufzer. Er entschloß sich, trotz des Regens nach Podolin zu gehen. Als er bis auf den Hauptplatz gekommen war, mußte er in einem Flur Schutz suchen, denn ein wahrer Wolkenbruch machte das Weitergehn unmöglich. Eine krumme Gestalt, mit schwarzem Lederpack auf dem Rücken, flüchtete gleichfalls herein, stützte das Paket auf den Mauerabsatz und wischte das nasse Gesicht und den triefenden Bart ab. Arnold erkannte Elasser. Der Jude streckte ihm die Hand entgegen, und sein Gesicht strahlte vor Vergnügen, als er ihn erkannt hatte. »Ei gnädiger Herr!« sagte er. »Gleich hab ich mir gedenkt, es ist doch ein bekanntes Gesicht. Sind Sie wieder hier jetzt? Un wo waren Sie die Zeit über?«
»Ja, ich bin hier«, antwortete Arnold lau und verlegen. »Wie geht es Ihnen?«
»No, es laßt sich leben. Man muß sich eben dazuhalten. Mit der Peitsche muß man’s treiben.« Er lachte.
Arnold schwieg und blickte gespannt in den dicken Regen. Er hätte gern den geschützten Platz verlassen, denn ihn störte der muffige Geruch, der von dem Juden ausging wie von fauler Erde. Eine Frage lag Arnold auf der Zunge, aber es war ihm nicht möglich zu fragen. Ihm war, als stehe ein Gläubiger vor ihm, der es aus Zartgefühl unterließ, ihn zu mahnen, und er sagte sich: ich werde ihn bald bezahlen, früher als er denkt.
Endlich verdünnte sich das Strömen des Wassers. Arnold nickte dem Hausierer zu und kehrte eilig nach Hause zurück.
Der folgende Tag war ein strahlender Frühlingstag. Der Himmel hatte die Erde noch einer gründlichen Waschung unterzogen, bevor er ihr das Frühlingskleid über die noch frierenden Schultern zog. Arnolds Laune besserte sich; seine Wanderlust erwachte, und er schritt viele Stunden lang auf bekannten und neuen Wegen. Wenn er irgendwo rastete oder in einem Dorf bei Milch und Käse seinen Hunger stillte, zog er ein Buch aus der Tasche, denn er konnte nicht lange Zeit hindurch müßig sitzen oder liegen. Manchmal bemächtigte sich Ungeduld seiner Sinne. Die Einsamkeit der Felder wurde ihm dann drückend und nichtssagend. Lästig erschienen ihm die Bilder der Landschaft, die sanften, schattenvollen Täler, die sich nicht tiefer senkten, als ein Teller unter seinen Rand, die schmutzigen Bauernhöfe, das dürftige Gras der Wiesen, der unbequeme Ostwind, die neugierigen Kinder in den Dörfern. Unruhe flammte in ihm auf.
Am Palmsonntag kehrte er durch Podolin nach Hause zurück. Noch hatte er nicht den Hauptplatz erreicht, als jemand mit tiefer Stimme seinen Namen rief. Er drehte sich um und sah Alexander Hanka auf sich zukommen.
»Ich habe erst gestern gehört, daß Sie hier sind, und zwar durch den Briefträger«, sagte Hanka und drückte Arnolds Hand mit Herzlichkeit und Freude. Er schien größer, denn seine Gestalt war noch hagerer geworden, sein Gesicht länger und farbloser; die schwarzen Augen hatten einen Ausdruck vollkommenen Ernstes.
Arnolds Freude, Hanka wiederzusehen, war nicht ganz frei von Befangenheit. »Wo kommen Sie her?« fragte er. »Wo waren Sie solange?«
»Ich war in Rom, Sizilien und Tunis«, berichtete Hanka, »und jetzt bin ich hier, weil meine Schwester erkrankt ist.«
»So? Was fehlt ihr denn?«
Hanka zuckte die Achseln. »Die Nerven, das Blut.«
»Bleiben Sie lange hier?« fragte er. »Ist es Ihnen nicht langweilig?«
Arnold schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich langweile mich nie«, antwortete er.
»Das ist ein großes Wort«, meinte Hanka und nickte nachdenklich. »Was mich betrifft, ich langweile mich in hervorragendem Maße.«
Die breite Behäbigkeit, mit der Hanka das O aus den Eingeweiden heraufbrummte, machte Arnold lachen. »Jetzt darf man doch nicht mehr klagen«, sagte er. »Schauen Sie sich doch um: Frühling!«
»Seit drei Monaten habe ich Frühling und bin den blühenden Mandeln von Syrakus bis Florenz nachgereist. Auch das bekommt man satt.« Mit verschwiegener und ehrlicher Bewunderung blickte Hanka Arnold an. Hier sah er quellend und in Blüte, was in ihm selber eine Wüste war. Hier vermutete er naiven Überschwang der Kräfte und die Fruchtbarkeit eines unbefangenen Geistes. Während seines langen Alleinseins hatte sich das Bild Arnolds in seinem Innern erhoben, und ihm hatte er sich im Stillen zugewandt als der Verkörperung alles dessen, was seiner Natur niemals auch nur aus der Ferne hatte winken dürfen. Ihm jetzt gegenüberstehend, sah er in sich selbst eine Gefahr für Arnold und er beschloß, ihn zu meiden.
»Wollen wir nicht abends öfter zusammenkommen?« fragte Arnold. »Die Abende sind sehr lang.« Er zuckte zusammen, da er gerade dieses nicht hatte sagen wollen; auch Hanka wurde ein wenig stutzig. Indessen es war geschehen. Errötend wandte er sich an Hanka und sagte, mit freundlichem Tadel auf dessen Zigarette blickend: »Nie sieht man Sie ohne das Zeug. Weshalb rauchen Sie? Vergiften Ihr Blut. Das gefällt mir nicht. Verzeihen Sie.«
Hanka lächelte gelassen. »Ich komme vielleicht morgen zu Ihnen«, sagte er stehen bleibend und sich verabschiedend.
Die Gesunden glauben, dem Kranken sei das Bett angenehm, dachte Hanka, als er allein war und sich dem Zaun des Vorgärtchens näherte. Er öffnete die Gattertüre und sah neben dem Weg einen sterbenden Vogel liegen. Betroffen bückte er sich und hob ihn auf. Das kleine Herz schlug langsam unter dem erkaltenden Federkleid, die Flügel waren schlaff ausgebreitet, die gelben Beinchen waren starr. Hanka schaffte Stroh herbei und legte das kranke Wesen in die Küche dicht neben den Ofen. Der gelbe, mit der Erde beschmutzte Schnabel wetzte sich mechanisch am Eisenfuß des Herdes, dann kam der Tod. Die kleinen schwarzen Perl-Augen, soeben noch von der unbegreiflichen Bewegung erfüllt, welche Leben heißt, glänzten nun mineralisch leer.
Hanka ging an das Lager der Schwester. Abgezehrt und hilflos wie sie lag, erinnerte sie ihn an den Vogel, den er im Garten aufgelesen. Er unterhielt sich mit ihr, erzählte Reisegeschichten und machte sie lachen. Agnes wußte das Notwendigste über ihres Bruder schnell vergangene Ehe. Es waren darüber nicht drei Sätze gewechselt worden, und Agnes war nicht so überrascht, als Hanka wohl glauben mochte. Sie sah ihn verändert, in einer Weise, die kaum mit Worten zu bezeichnen war. Dies ist Beates Werk, glaubte sie kurzsichtig und gefühlvoll. Hanka war es im Grunde gleichgültig, wofür man ihn nahm. Der Sturm kann darüber erhaben sein, daß ihn taube Ohren für das Summen einer Fliege halten.
»Jahrelang war kein solch wunderbarer Tag«, sagte Agnes, sich aufstützend. In dem milden, mattblauen Himmel sah sie die knospenden Zweige der Bäume schwimmen. Als Hanka fragte, ob er ihr vorlesen solle, nickte sie beglückt. Ihr Lieblingsschriftsteller war Jean Paul; sie hatte nie etwas anderes gelesen. Früher hatte Hanka die ihm altmodisch erscheinende Neigung verspottet, denn er vermochte unter dem faltenvollen Gewand dieser Sprache keinen Leib zu finden. Jetzt aber hatte er eine bessere Ansicht darüber gewonnen.
Er entnahm der Bändereihe ein Buch, das die Kranke bezeichnet hatte, setzte sich hin und las mit sehr lauter Stimme, damit Agnes ihn gut hören könne. Bald kam er zu einer Stelle, die sein vorauseilendes Auge überblickt hatte. Er schwieg und las für sich: Sobald wir anfangen zu leben, drückt das Schicksal aus der Ewigkeit den Pfeil des Todes ab. Er fliegt so lange, als wir atmen und wenn er ankommt, hören wir auf. O stürben wir doch auch so alt und lebenssatt wie dieser Greis, sagen dann diejenigen, deren Pfeile noch fliegen.
Mit erschrecktem Stirnrunzeln ließ Hanka das Buch sinken. Er entschuldigte sich bei Agnes, stand auf und ging in den Garten. Ihn quälte die Einsamkeit. Er sehnte sich nach dem Anblick vieler Menschen, nach ihrem Geschwätz und nach Spiel. Der weite Himmel drückte auf ihn nieder. Mit gesenktem Kopf beobachtete er jetzt, wie viele Tausende von schwarzen Ameisen über einen Regenwurm hergefallen waren, ihn zerbissen und in geteilten Haufen die roten Stücke fortzerrten. Voll Ekel wandte er sich ab. Er nahm Mantel und Hut, um Arnold aufzusuchen und fand ihn im Garten auf und ab gehend, wie er selbst vorhin getan. Sie setzten sich auf eine Bank und plauderten. Der Garten und besonders seine parkartige Fortsetzung sahen verwildert aus; geknickte dürre Zweige lagen umher und ein Teppich feuchter, brauner Blätter leuchtete in der Sonne. Die Spatzen lärmten und auf den Feldern schritt schon der pflügende Bauer.
Das Beisammensein der beiden Männer trug den Ausdruck gegenseitiger, natürlicher Achtung. Arnold sprach von der Landwirtschaft und erwähnte, daß er sich die Zeit her um nichts gekümmert habe; er finde nicht die Ruhe, es treibe ihn zu großen Geschäften, die ein Wagnis und Einsetzen verlangten, denn wenn man nur dasitze und sein inneres Kräftevermögen in sich selber verzehre, käme man bald zur Schwäche. Darum sei es ihm zweifellos, daß das Leben auf dem Lande für junge Menschen, wenn nicht gefährlich, doch sehr einschränkend sei. Arnold redete mit einer ganz kleinen Überspannung des Temperaments; dies entging Hanka nicht nur, sondern er hatte auch seine Freude daran. Er trat aus sich heraus, und das Weben seiner Gedanken wurde weniger beklommen. Arnold meinte, daß ein solches Wagen und Opfern, wie er es auffasse, mit Geldgeschäften nichts zu tun habe. Hanka stimmte ihm bei, denn obwohl er gegenwärtig sein ganzes Vermögen in Börsen-Unternehmungen stehen habe, empfinde er keine Tätigkeit, sondern fühle sich faul und gleichmütig. Es entstand ein kurzes Schweigen, bis Arnold ohne Übergang die Geschichte mit dem Häusler Kubu berichtete. Hanka sagte: »Solange es nur gute Menschen gibt, die mit den Unglücklichen fühlen, ist nichts gewonnen für die Welt. Mit den Glücklichen zu fühlen, dazu müßte man die Menschen erziehen.«
Sie verabredeten für den nächsten Morgen einen Ausflug, aber da Hanka zu träg war, um zu gehen, wollte er im Ort eine Kutsche auftreiben. Zur bestimmten Stunde kam das Gefährt zur Stelle, mit zwei dicken Gäulen bespannt. Langsam ging es über die Heerstraße; der Tag war noch schöner als der gestrige. Nach einer Stunde nahm sie der Wald auf. Frisch geschälte Baumstämme lagen quer über dem Graben und glänzten in der Sonne wie Goldbarren. Die Straße war schmal. Hinter ihnen fuhr im scharfen Trab ein Bauernwagen heran. Vier verwegen aussehende Burschen hockten auf den Leitern; einer schwang die Peitsche, deren Knallen den ganzen Wald mit Getöse erfüllte, die andern, mit schiefsitzenden Kappen, schrien drohend und lachend drauflos. Das Fuhrwerk kam näher, auch die Kutsche rollte schneller. Die Kerle warfen die Arme und brüllten; ihre beiden Pferde hatten Schaum am Maul, als nähmen sie an der Erregung teil. Arnold riß dem Kutscher die Zügel aus der Hand; lachend trieb er die dicken Gäule vorwärts, und sie jagten nun auch ihrerseits wild dahin. Die Bauern blieben scharf hinterher; Hanka blickte den nachstürmenden Pferden in die rötlich lohenden Augen. Seine Gleichmütigkeit schwand unter einer grausigen Vorstellung, und er dachte an den Mann jenes Gedichts, der im Brunnen hängt, Tod unter und Tod über sich erblickt.
Endlich kam eine Schenke und da hielt die Bauernkarre still. Arnold und Hanka kehrten auf einem näheren Weg gegen Podolin zurück. Eine eigentümliche Verachtung begann in Hanka zu wirken. Er verachtete das Ding, welches ihm das Herz auffraß.
Im Schweigen liegt oft die aufdringlichste Mitteilung. Das erfuhr Arnold bald. Seine Lebensstimmung wurde durch das beeinflußt, was Hanka schweigend in sich verschloß. Er trieb wieder mathematische Studien. Er spielte und es ist im Grund, dasselbe, ob man mit Zahlen oder mit Karten spielt. Über all dem, wolkengleich, spannte sich etwas trist die Sehnsucht nach Verena. Bisweilen senkte sie sich nieder wie Regen und erfüllte seine Brust mit Traurigkeit. Er suchte das Rätsel ihrer Person zu ergründen und wollte ihr beikommen wie den algebraischen Formeln.
Er langweilte sich. Mitten in die Stille und Einsamkeit kam ein Brief Anna Borromeos. Sie schrieb an Arnold, daß sie für sein langes Ausbleiben keine andere Ursache vermuten könne, als daß ihn ihr Haus abgestoßen und ihre Person verscheucht habe. »Aber lieber Neffe und Freund, wir können dich, so scheint es, weniger entbehren als du uns. Wir zerbrechen uns den von zahllosen Geschäften ermüdeten Kopf, indessen du boshaft hinter deinem Dorfofen sitzest. Mein Gatte quält sich mit der Befürchtung, daß du unsere Gastfreundschaft mangelhaft gefunden haben könnest, und auch mich drängt es, dir eine bessere Idee von Anna Borromeo zu geben, als du jetzt in deine Heimat getragen. Für die Schlechtesten gibt man sich aus und dem, den man umschließen sollte, dem sperrt man sich zu. Komm bald. Deine A. B.«
Arnold war Anna Borromeo fast dankbar für dieses Schreiben, durch welches sein Schwanken beendigt und der Entschluß der Abreise bewirkt wurde. Er freute sich auf die Stadt, und gleich teilte er Hanka seinen Vorsatz mit.
Da es mit Agnes besser ging, wollte Hanka ebenfalls in die Stadt zurückkehren und Arnold war es angenehm, Gesellschaft zu haben. Am letzten Abend raffte er sich auf und unternahm endlich eine Durchsicht der Rechnungen und Berichte, welche ihm der Verwalter vorlegte. Es vergingen Stunden damit. Der Inspektor schien es darauf anzulegen, ihn zu verwirren, aber Arnold zeigte ihm, daß es nicht leicht war, ihn zu übertölpeln. Er sollte sich darüber entscheiden, ob er ein Stück Acker an die Gemeinde verkaufen wollte, die es zum Bau einer Lokalbahn haben wollte, jedoch einen Spottpreis anschlug. Ungeduldig verschob Arnold den Bescheid, wodurch freilich nichts gewonnen war.
Der Wagen mit Hanka kam; winkend und nickend fuhr Arnold gegen die Straße hinaus. Ursula ließ ein weißes Handtuch flattern, das noch lange zu sehen war.
»Ich bin froh, nun geht’s wieder an die Arbeit«, sagte Arnold. »Weshalb sind Sie so schlecht gelaunt?«
Hanka streckte die Beine aus und sein Kopf wackelte verdrießlich auf dem Hals. »Es geht mir schief«, antwortete er. »Die Montanpapiere sind um zehn Perzent zurückgegangen.«
»Was werden Sie tun?«
»Ich muß verkaufen.«
»Und dann?«
»Dann steht mir ein großes Unglück bevor, — Arbeit.«
Arnold lachte. »Schade«, meinte er, »Sie sind zum Müßiggang geboren.«
Wohltätig wurde Arnold von dem Gewirr und dem Lärm berührt, als sie am Nachmittag in der Stadt eintrafen. Am Bahnhof trennte er sich von Hanka. Die Wärme des Lebens strömte ihm aus den Straßen entgegen. Hier war es nicht von Belang, ob die Sonne schien oder nicht, ob es regnete oder nicht.
In seinem Zimmer angelangt, entlohnte Arnold die Leute mit dem Gepäck, und während dem trat Anna Borromeo unter die Türe. Mit großer Freude streckte sie ihm beide Hände entgegen und Arnold war sehr überrascht, in ihr eine so schöne Frau zu sehen, denn für sein Auge war sie bisher nur die Gattin Borromeos gewesen. Sie erzählte ihm Neuigkeiten, und obwohl sie beide nie in so vertraulicher Weise geplaudert hatten, schien es Arnold doch natürlich zu sein und entsprach seiner gehobenen Stimmung. Anna war erstaunt darüber, daß er auch ihre halbgesprochenen Sätze im Stillen zu ergänzen wußte, und daß er jenes andeutungsreiche Wesen begriff, welches zwischen Menschen von gleicher Kultur und gleichen Gewohnheiten entsteht.
Später las Arnold die Briefe, die für ihn eingetroffen waren. Zuerst nahm er Stück um Stück in die Hand, jedoch er fand nicht, was zu finden er gehofft hatte. Es waren meist Bettelbriefe und Einladungen. Ein Schreiben Wolmuts war dabei, der ihn benachrichtigte, daß er in die Statthalterei nach Graz berufen worden sei, und daß ihm wahrscheinlich bald eine weitere Beförderung in Aussicht stehe. Arnold war nicht sehr zufrieden damit; ihm war, als habe ein guter Geist das Haus verlassen.
Geschäftig räumte Arnold alle Bücher aus den Regalen, rief den Diener, damit die Bände abgestaubt würden, und ordnete alles mit peinlicher Sorgfalt nach Größe, Gattung und Aussehen wieder ein. Die Schreibereien legte er Blatt auf Blatt zusammen und spannte das Gleichartige zwischen Drähte. Er ließ die Fenster waschen, die Dielen fegen, die Teppiche klopfen, begab sich auf die Jagd nach Tintenflecken, Spinneweben, Flöhen und setzte alles im Haus in Bewegung.
Als einige Tage vergangen waren, suchte er Hanka auf. In der Villa wurde ihm gesagt, Hanka wohne in einem Hotel in der Stadt. Verwundert fuhr er hin und fand ihn in trübseliger Laune. Hanka gestand ihm, daß er den größten Teil seines Vermögens an der Börse verloren habe.
Die Unterhaltung schleppte sich einsilbig weiter. Plötzlich begann Arnold von Verena zu erzählen. Die Ereignisse verschoben sich sonderbar in seinem Mund; gefärbt durch selbstsüchtiges Leiden, wirkten sie romantisch und verzwickt. Schon die Befürchtung, ein Liebesabenteuerchen wie hundert andere zu erzählen, verwischte den natürlichen und so ruhigen Lauf der Begebenheit. Hanka wurde nicht klug aus der Geschichte. Er äußerte sanfte Zweifel an der gepriesenen Verena, und mehr als den Verlust seines Vermögens betrauerte er plötzlich Arnolds übertriebene Beredsamkeit. Arnold fühlte es. In ziemlicher Erregung begann er von neuem, Verenas seltene Natur begreiflich zu machen; aber stets überhebt man sich, wenn man loben muß, was man liebt, und Hanka wurde immer mißtrauischer und betrübter. So sehr er Äußerungen des Temperaments achtete, so sehr schreckte ihn erhitzte Empfindung ab.
Aber er begab sich des Nachdenkens darüber und begnügte sich mit der Feststellung der Tatsache. Er ging an den Ereignissen vorüber wie man im Flur eines Hotels an den Zimmern vorbeigeht, in denen man nicht wohnt. Aber da sein alles voraussehender und stets auf das Schlimmste vorbereiteter Geist von Schrecken erfüllt war durch die Erwartung der Millionen Wirkungen aus einer einzigen Ursache, so wurde all sein Handeln eigentlich durch ein alles umgürtendes Verantwortlichkeitsgefühl erdrosselt. Hanka dachte an die Worte Marc Aurels: Schändlich ist es, wenn deine Seele ermüdet, ohne daß dein Leib müde ist; und grübelte mit dem heiligen Augustinus: Woher diese Unnatur? und warum? Der Geist gebietet dem Körper, und der Körper gehorcht; der Geist gebietet sich selbst und findet Widerstand.
Hankas einzige Zuflucht bildete das Glücksspiel. Er verbrauchte alle Kräfte seines Gemüts gegen die aufreibenden Erregungen am Kartentisch. Hier sah er alles im kleinen vollendet, was sonst seinen rechnenden Geist mit finsterm Beharren erfüllte, das Ungefähr, das vernunftlos-notwendige, seit Ewigkeit im Weltraum lauernde Ungefähr, welches als Zufall, mit einer Narrenkappe versehen, oder als Schicksal, das Antlitz eines Gottes tragend, den kleinen und großen Gerichtshof für die Lebendigen bildet. Aber betrübte Spieler können nicht gewinnen. Er hatte das Gefühl, als werfe er das Geld ins Wasser. In wenigen Wochen verlor er gegen fünftausend Gulden. Als die Summe voll war und sich der Weg deutlich zum Abgrund hinunterbog, erhob er sich mit der ihm eigenen Kaltblütigkeit und sagte: »Genug, ich werde keine Karte mehr berühren.«
Als ob er nun die Mauer zerstört hätte, die ihn von Arnold trennte, war sein erster Gedanke, den Freund aufzusuchen. Die Zimmer, in die er trat, sahen aus wie ein Platz nach dem Jahrmarkt. Kisten, Koffer, Bücher, Betten lagen durcheinander; Arnold hantierte mit rotem Kopf auf einer Leiter, der Diener war mit Packen beschäftigt. »Hollah!« rief Arnold herab, »Sie kommen gerade recht. Bei mir gibt es Arbeit, wie Sie sehen.«
»Ich sehe wenigstens, daß Sie beschäftigt sind«, erwiderte Hanka etwas verdrießlich.
»Ich ziehe nämlich aus«, erklärte Arnold, sprang mit einem Satz auf den Boden und rollte eifrig einen Strick über die Hand. »Hier ist mir alles zu klein. Ich habe eine neue Wohnung gemietet mit hohen Zimmern. Man muß atmen können.«
»Da bin ich also überflüssig«, meinte Hanka; »ich dachte, wir könnten eine kleine Spazierfahrt unternehmen.«
»Sehr gut!« rief Arnold, wandte sich zum Diener und gebot ihm, einen Wagen zu besorgen. »Ich habe schon zu viel Staub geschluckt«, sagte er und bahnte sich einen Weg zu Hanka, dem er nun mit strahlendem Lächeln die Hand drückte.
»Ich finde eigentlich keinen Grund, weshalb Sie das stille Haus hier verlassen«, sagte Hanka kopfschüttelnd.
»Es ist mir eben zu still«, erwiderte Arnold. »Alles ist alt und krumm hier im Haus. Wenn man ordentlich auftritt, krachen die Bretter im Boden. Es wird zu früh dunkel, es kommt keine rechte Sonne herein. Das ist nichts für mich. Dort, Sie werden sehen, der reinste Palast. Und etwas hab ich gekauft, Hanka! Da werden Ihnen die Augen vor Erstaunen herausfallen.« Er lachte, auch Hanka lächelte.
»Man kommt nicht zur Besinnung«, sagte Arnold, als sie im Wagen saßen, der die Richtung gegen den Prater nahm. »Und wie schön es heute ist, wie gut die Luft. Das Leben ist eine sehr angenehme Erfindung.«
»So?« erwiderte Hanka ernsthaft und blickte bedächtig in den vollkommen blauen Himmel.
»Und Sie, schwarzer Kater, schnurren immer noch über schlechtes Wetter?«
»Ich schnurre«, gab Hanka zurück, »obwohl es mir dabei nicht so wohl ist, wie es die Beschäftigung des Schnurrens mit sich bringen sollte.«
Der Kutscher ließ die Pferde laufen, und das leichte Fuhrwerk sauste geschwind die breite Allee hinab und mit gleicher Geschwindigkeit flogen zurückkommende Wagen an ihnen vorbei. Wunderschöne Frauengesichter tauchten auf und Arnolds Mund öffnete sich begehrlich. Unersättlich im Wunsch, ließ er die Augen über die Massen hingleiten, welche sich auf den Fußwegen drängten, und ihm war, als sei er es, der ihre Herzen schneller schlagen lassen könnte. Keiner weiß vom andern, jeder birgt in sich die größte Fülle der Bitterkeit, des Lebensüberdrusses und der Armut, und Arnold hat die Macht, all ihre Fähigkeit auf ein Ziel zu richten, tätig nach außen werden zu lassen, was zerstörend im Innern wirkte, aber er rast an ihnen vorbei zu andern Sternen.
Sie fuhren zurück gegen die Stadt. Arnold lud Hanka zum Tee ein. »Anna Borromeo hat mich längst gebeten, Sie zu ihr zu führen. Sie vermutet in Ihnen einen Philosophen.« Die Pferde gingen im Schritt, Dampf entstieg ihren Lenden, gleichwie auch von den Straßen der schwüle Dampf der Arbeit emporstieg.
»Ah, Besuche und noch dazu Damen«, sagte Arnold im Vorzimmer der Borromeoschen Wohnung. Sie traten ein. Baron Valescott war da, dessen Mutter und zwei seiner Schwestern. Arnold stellte Hanka vor und wurde selbst mit den fremden Damen bekannt gemacht.
Es wurde über ein Blumenfest gesprochen, das im Belvederegarten stattfinden und wozu der Kaiser und der ganze Hof kommen sollte. Der Leutnant Valescott hatte zu der Gelegenheit ein Festspiel mit lebenden Bildern gemacht und forderte Arnold auf, dabei mitzuwirken.
»Es ist auch beschlossen worden, daß du dem Komitee beitrittst«, sagte Anna Borromeo.
»Beschlossen worden?«
»Ja, wir werden Sie einfach zu unserm Gefangenen machen«, sagte die
Baronin.
»Aber hauptsächlich sollen Sie mitspielen«, fügte Valescott hinzu.
»Ich habe keine Ahnung, wie man so was macht«, erwiderte Arnold verlegen.
»Das ist überflüssig. Es genügt, daß Sie gut gewachsen sind. Sie sollen nur Figur machen.«
»Also ungefähr das Beschwerlichste, was es gibt«, meinte Hanka trocken.
Alle lachten, ausgenommen die ältere der Baronessen, deren kluges und etwas verdrossenes Gesicht sich bloß für einen Augenblick erhellte.
»Ich glaube sogar, Sie müßten den Narziß geben«, fuhr Valescott eifrig fort. »Das Spiel behandelt nämlich die Sache vom Narziß in etwas modernisierter Form, ins Barock übersetzt. Kommen Sie doch dieser Tage zu mir, wir wollen darüber sprechen. Sie haben wirklich nichts weiter zu tun als eine Pose anzunehmen. Die Verse werden von einem Schauspieler gesprochen.«
»Was sagen Sie dazu, Hanka?« fragte Arnold lachend.
Hanka zuckte die Achseln. Plötzlich stand er auf und verabschiedete sich. Er wurde mit Kälte entlassen.
»So schweigsam zu sein, das ist unbescheiden«, sagte Anna Borromeo, als er fort war.
Arnold verabredete mit Valescott den Tag, an dem er kommen wollte.
Gegen Abend schritt er seiner neuen Wohnung zu. Das Pflaster war rot vom Sonnenuntergang, auch der Staub in der Luft schimmerte farbig.
Auf einmal blieb er stehen und starrte erschrocken einem Manne nach, der soeben an ihm vorübergegangen war; einen langen Bart und trübe, fast erloschene Augen hatte Arnold gewahrt; er glaubte, Elasser sei es gewesen. Rasch folgte er dem Menschen, konnte ihn aber nicht mehr einholen. Er blickte in die Hausgänge, schaute durch die Glastüren in die Läden, vergeblich. Nachdenklich blieb er im Menschengewühl stehen. Und plötzlich sah er die Erscheinung, zurückkehrend, zum zweitenmal, — es war nicht Elasser; eine Ähnlichkeit hatte Arnold genarrt. Er setzte seinen Weg fort und erwog im Stillen einen Plan. Er suchte das nächste Postamt auf, schrieb eine Anweisung auf hundert Gulden und sandte sie an den Hausierer Elasser in Podolin. Er atmete auf, als er wieder die Straße betrat.
Am nächsten Abend kam Hanka zu Arnold. In den saalartigen Zimmern waren überall noch Leute beschäftigt. Kostbare Gegenstände lagen umher wie im Laden eines Trödlers.
»Sie treffen Anstalten, das Geschäft zu vergrößern«, meinte Hanka und machte einen Riesenschritt über eine flache Kiste. Arnold führte ihn durch ein halbdunkles Zimmer in einen vollständig finstern Raum und sagte: »Passen Sie auf.« Er drehte den Knopf dreier elektrischer Lampen auf und es entstand blendende Helle. In der Mitte des Gemachs stand auf breitem Postament der marmorne Antinous.
»Wo haben Sie das Ding her?« fragte Hanka nach einigem Stillschweigen.
»Es hat dem reichen Pottgießer gehört.«
»Richtig, auch den hat der Krach zerschmettert. Sie haben es gekauft?
Eine wertvolle Sache.«
»Wie gefällt es Ihnen, Hanka?« fragte Arnold fast schüchtern.
»Ganz gut. Sehr schön, — vorausgesetzt, daß Sie keine Tendenz damit verbinden.«
»Was soll das heißen?«
»Ich meine, etwa Griechentum, Schönheit und so weiter.« Hanka ging mit seinem sonderbar stampfenden Schritt umher, hatte die Hände fest auf die Hüftknochen gestemmt und so schien alles an ihm in einer Art Bewegung, ausgenommen die Augen, die in eine eingebildete Tiefe starrten und zwei Ebenholzkugeln glichen.
»Und wenn ichs täte –?« erwiderte Arnold. »Ich weiß nichts davon, aber wenn ichs täte –?«
Hanka blieb stehen. »Es wäre nicht weiter schlimm«, sagte er. »Ich meine nur, damit haben wir nichts zu tun. Das ist alles Schwindel. Wir müssen unsere Ideale viel niedriger hängen. Es ist für uns schon Ideal genug, ein anständiger Mensch zu sein. Übrigens«, fügte er hinzu, mit einer eklen Mundbewegung, als ob seine Worte ihm bitter geschmeckt hätten, »wollen Sie wirklich ein lebendes Bild machen –, dort?«
»Ich denke nein«, entgegnete Arnold.
Hanka fing an zu rauchen und zu schweigen. Arnold stand am Fenster, und blickte auf die Statue.
Hanka ging und Arnold blieb allein vor der marmornen Figur, aber wenn sie ihm gleich in Hankas Gegenwart belebt erschienen war, so erblickte er jetzt nichts anderes als den gemeißelten Stein darin. Er lauschte gegen die Straßen. Ein leises, unveränderliches Kochen, Surren und Zittern drang zu seinem Ohr und durchbrach die täuschende Stille. Dort war Leben, ewiges Wach-Sein. Ein unersättlicher Hunger erfüllte Arnolds Brust. Ohne Zögern hätte er all das Unbekannte an sich reißen mögen, anstatt hier zu sitzen und zu warten. Nicht Glück, nicht Befriedigung, nicht Ausfüllung der Stunden, nicht Freundschaft, nicht Wissenschaft war es, wonach dies Unersättliche Verlangen trug. Kein Wort konnte es benennen, kein Gedanke es umfassen. Es glich einem aufgesperrten Rachen, für den die Millionen eines Goldbergwerks nur ein verächtlicher Bissen, die Umarmung der Psyche kaum ein Tröpfchen Erquickung bedeutet hätte. Im Schmerz der Willensanstrengung oder im Rausch der Ahnung umhergetrieben, schien es ihm, als ob sein blindes Begehren die Welt ausfülle. Was ihn ehedem hatte erglühen lassen, erschien ihm nichtig, was er ehemals begehrt, bettelhaft. Zahllose Wünsche waren beschäftigt, ihm ein reizendes Wandelpanorama der Welt zu malen, dessen entzückter Betrachtung er sich hingab. Doch so oft der Sturm sich legte, woher kam es, daß aus irgend einer Ecke ein lauerndes Ungeheuer kroch, wie eine Spinne, deren feine Fäden das Herz umspannen und es kalt und lustlos machten?
Am Tag darauf hatte Arnold mit Borromeo wegen der veränderten Anlage eines Kapitalsteiles zu reden. Er hatte Lust zu kühnen Unternehmungen; was er anpackte, ging den glücklichsten Weg. In der Kanzlei traf er den Oheim nicht. So wartete er bis zum Abend und ging dann in die Wohnung. Als er angepocht hatte und eintrat, standen Borromeo und Anna einander gegenüber. Beide waren blaß.
»Verzeiht«, sagte Arnold und reichte die Hand. Frau Anna sah ihn mit einem durchbohrenden Blick ihrer glühendblauen Augen an, Borromeo lächelte dünn und leer.
»Habt ihr zu sprechen?« fragte Anna Borromeo. Mit einem trägen Nicken gegen Arnold verließ sie das Zimmer. Arnold nahm eine Zigarette von der Schale und setzte sie mit nachdenklichen Geberden in Brand.
Borromeo konnte zu dem Vorhaben Arnolds nicht seinen Segen geben. Mit halbgeschlossenen Augen und zur Seite geneigtem Kopf ging er langsam auf und ab. Bisweilen hob er mit dem Handrücken den Bart unter dem Kinn empor und zog die fahlen Lippen zwischen die Zähne. Dann blieb er stehen, lauschte, öffnete die Türe, durch welche Anna gegangen war, und finster lag der große Raum des Empfangszimmers vor ihm. Dann ging er zur zweiten Türe, die er gleichfalls öffnete, aber nach kurzem Hinausstarren wieder schloß. Die Augen emporschlagend, mit regungslos hängenden Armen, im festgeschlossenen langen Gehrock stand er vor Arnold.
»Du hast mir noch nichts von Podolin erzählt«, sagte er. Er hatte etwas ganz anderes unterdrückt, das ihm zu sagen näher lag.
»Es hat sich nichts verändert«, antwortete Arnold. »Der Verwalter scheint mir nicht zuverlässig, Ursula wird alt. Ich möchte das Ganze losschlagen. Es ist ein Stein am Hals.«
Borromeo starrte auf den Tisch, auf welchem Spielkarten verstreut lagen. Er nahm einen Pack in die Hand und zog einen König heraus, den er düster betrachtete.
»Was denkst du dazu?« fragte Arnold.
Borromeo schüttelte sanft den Kopf. »Ich kann nicht raten«, sagte er leise. »Ich bedürfte selbst des Rates. Warum willst du deine Heimat verkaufen?«
Arnold blickte ihn aufmerksam an. Ein innerer Unwille erhob sich in ihm gegen die eisige Trauer dieses Mannes.
»Ich bedürfte selbst des Rates«, wiederholte Borromeo.
Erschrocken zuckte Arnold zusammen; doppelt erschrocken, als er den verehrenden, klaren, gläubigen Blick des Oheims auf sich ruhen fühlte. Er vermochte nichts zu sagen, doch war es ihm eine Sekunde lang zumute wie damals, als er in Verenas Hause in den Spiegel geschaut, um zu sehen ob sein Bild auch wirklich darin sei.
Arnold träumte, er stehe auf einem gläsernen Feld und bei jedem Schritt, den er zu machen versuchte, rutschte er in eine glatte Furche zurück. Über diesen Bemühungen erwachte er und verspürte Kopfschmerzen. Er konnte nicht mehr einschlafen, machte Licht, nahm ein Buch und las. Während des Lesens faßte er den Plan, in der neuen Wohnung alle Bekannten und Freunde an einem Abend zu versammeln. Er beschäftigte sich mit der Zusammenstellung köstlicher Speisen und seine Phantasie schmückte im voraus die Räume. Antinous sollte eine Rosenguirlande über der Schulter tragen. Dann dachte er an Arbeit; es schien ihm lockend, viel zu wissen und durch Wissen zu herrschen. In der Tat ging er am Morgen zur Universität, um eine Vorlesung zu hören, schrieb fleißig mit und zwang seine widerspenstigen Gedanken in den Kreis des Gegenstandes.
Zum Mittagessen ging er nicht nach Hause, obwohl er dort für sich hatte kochen lassen, sondern in ein Restaurant, welches in der Nähe der Oper lag. Es war ein sehr vornehmes und teures Haus, aber Arnold hatte Lust bekommen, gute und seltene Dinge zu essen. Solche Antriebe lagen für ihn in der Luft. Es machte ihm Vergnügen, einen Kellner zu beobachten, der vor ihm zusammenknickte wie ein Messerchen. Als er am Tisch saß, gewahrte er gegenüber an der entgegengesetzten Wand Maxim Specht und Beate. Specht grüßte mit einem nachlässigen kalten Neigen seines Kopfes. Zwei Diamantringe funkelten an seiner Hand, und eine erbsengroße Perle steckte in seiner Kravatte. Beate trug ein hellgrünes Tuchkleid in englischer Machart. Ihr Gesicht war außerordentlich bleich, müde, langgezogen und hatte den Ausdruck einer maskenhaften, kalten Anständigkeit. Als Arnold grüßte, lachte sie ihm einfach ins Gesicht. Specht schien innerlich zu kämpfen; er flüsterte mit Beate, nach einer Weile kam er herüber und drückte Arnold die Hand. Er zeigte eine boshafte Förmlichkeit in seinem Benehmen.
»Es scheint Ihnen gut zu gehen?« sagte Arnold. Seine Miene suchte jede überflüssige Annäherung im voraus abzuweisen.
»Ich bin jetzt Redakteur des Adelsblattes«, erzählte Specht und nahm mit einer leichten Verbeugung Platz. »Auch Sie haben viel Erfolg, wie ich höre«, fuhr er fort und legte den Kopf leicht fragend gegen die eine Schulter. »Sie haben vorteilhaft in bulgarischer Rente spekuliert, erzählt man sich.«
Arnold legte seine Forelle auseinander und schabte das weiße Fleisch sorgsam von den Gräten. Er lächelte.
»Übrigens muß ich Ihnen etwas mitteilen«, sagte Maxim Specht plötzlich in heiterer Belebtheit, »und es ist gut, daß ich Sie treffe. Eine ganz unheimliche Parallelgeschichte, wie Sie bald sehen werden. Ich hatte mich mit einer kleinen Schauspielergesellschaft verabredet. Wir wollten nach dem Theater im Stephanskeller essen und hatten ein separiertes Zimmerchen bestellt. Ich telephoniere am Nachmittag, und der Oberkellner nennt mir die Nummer des Zimmers. Das Theater ist aus, ich gehe hin, der Kellner, der mich sehr gut kennt, läßt mich vorbeigehen, und ich höre schon von weitem unsere Gesellschaft lärmen. Da passiert mir das Unglück, ich muß die Nummer des Zimmers vergessen haben, daß ich nun eine falsche Türe öffne und sehe, wen glauben Sie? Den jungen Baron Valescott und –«
»Nicht weiter Specht!« rief Arnold herrisch und legte die Gabel auf den Tisch.
Specht senkte die hochgewölbten Lider und sagte: »Namen sind verpönt, Sie haben Recht. Aber Sie verstehen mich hoffentlich. Ich sah später noch dieselbe Dame, dicht vermummt, in einem undurchsichtigen Schleier, es war Mitternacht, als sie gingen. Baron Valescott hatte sich beim Kellner erkundigt und war sehr aufgebracht über den dummen Irrtum, der mir passiert war. Ich dachte mir nur, Sie könnten hier ebenso erfolgreich den Wahrheitsmann machen wie damals Hanka gegenüber. Die Wahrheit ist eine sehr schöne Sache, besonders wenn man für sie einsteht … Teufel, ich verplaudere mich, leben Sie wohl, auf Wiedersehn.«
Arnold reichte ihm nicht die Hand. Er hatte die Eßlust eingebüßt, zahlte und ging. Zorn gegen Specht erfüllte ihn, Unschlüssigkeit, Trauer, allgemeine Tatensehnsucht, aber es dauerte nicht lange, so senkte sich ein wohltätiger Schleier über das unharmonische Wogen der Gefühle.
Es war vier Uhr und er entschloß sich, zu Valescott zu gehen. Das Haus, welches die Familie bewohnte, lag im Mittelpunkt der Stadt und war einer jener alten verwitterten Paläste, deren ursprüngliche Majestät, in eine enge, finstere, wurmartig gekrümmte Gasse verdrängt, sich ganz in Melancholie verwandelt hat. Das Zimmer, in welches Arnold geführt wurde, war sehr hoch, hatte rot tapezierte Wände und eine stuckverkleidete Decke, von der ein altmodischer, kostbarer Kronleuchter herabhing. Der Diener kam zurück und sagte, der Herr Baron müsse jeden Augenblick zurückkommen, er habe hinterlassen, Herr Ansorge möge bestimmt auf ihn warten.
Arnold nickte. Er stand am Fenster und blickte ruhig auf die einsame Gasse hinab. Während er bemüht war, einem bestimmten Gedanken Einlaß in sein Gehirn zu verwehren, ertönte ein Klavier im Nebenraum und ein wiegender Gesang, sehr gedämpft durch die geschlossene Türe und die dicke Portiere. Arnold ging zur Tür und lauschte. Es war eine Mädchenstimme, welche die Tanzweise begleitete. Lächelnd schob er die Portiere beiseite, drückte auf die Klinke, öffnete behutsam und steckte den Kopf vorsichtig in die Spalte. Die ältere Valescott saß am Klavier und spielte mit einer müden, doch rhythmisch schaukelnden Bewegung des Körpers. Das brünette Haar, im griechischen Knoten lose gesteckt, hing tief über den Nacken und gab der Gestalt von rückwärts etwas Nachlässig-Verträumtes. Die andere Schwester und noch ein sehr junges Mädchen tanzten auf dem Teppich in der Mitte des Zimmers. Sie hielten einander zag bei den Händen. Die ältere der beiden war im Straßenkleid; die jüngste trug ein Kostüm, kurzes lila Röckchen, zu den Knieen reichend, violette Strümpfe und seidene Schuhe von der gleichen Farbe. Das braune Haar war mit violetten Stiefmütterchen bekränzt, und in der Hand trug sie einen Strohkorb, dicht gefüllt mit denselben Blumen.
Diese erblickte zuerst Arnolds Kopf in der Türe. Sie schrie und lief davon. Die Spielerin erhob sich erschreckt, aber bald lachte sie mit der zweiten Schwester im Verein. »Kommen Sie nur ganz, da Sie doch einmal eingebrochen sind«, sagte die mittlere, welche die gewandteste war. Die Älteste blieb still mit rückwärts verschränkten Armen am Flügel stehen. In ihrem Gesicht lag Sinnlichkeit und Selbstsucht, aber ohne Frohsinn. Sie schien weder leichtsinnig noch ernst. Ihre schlanke Gestalt machte den Eindruck der Gesundheit, die aber durch irgendwelche einander entgegenwirkenden Kräfte gestört wurde. Ein seltsames Gemisch von Haltlosigkeit und dumpfem Eigensinn war an ihr auffallend.
Arnold drückte beiden die Hand und sagte: »Nun weiß ich noch nicht einmal Ihre Namen.«
»Raten Sie«, sagte die Älteste fast streng.
Er riet, — stellte sich ein wenig verschmitzt und verzweifelt, bis die Mädchen ihm zu Hilfe kamen. Felicia hieß die älteste, Dora die zweite und die jüngste, die eben fortgelaufen war, Anastasia.
»Sind Sie denn allein zu Hause?« fragte Arnold.
»Mama und Franz wurden zu Tante Rochlitz gerufen«, antwortete Dora. »Jedenfalls müssen Sie auf Franz warten. Es ist sonst nicht üblich, auf diese Art Herrenbesuche zu empfangen«, — sie lachte, — »aber bei Ihnen wollen wir eine Ausnahme machen.«
Felicia, die sich wieder ans Klavier gesetzt hatte, schlug leise einen Mollakkord an.
»Sind Sie eigentlich schon lange in Wien?« fragte Dora, indem sie Platz nahm. »Erzählen Sie uns doch etwas. Wir hören gern Geschichten.«
»Geschichten weiß ich nicht«, erwiderte Arnold.
»Dann erzählen Sie Wahrheiten oder Lügen oder Träume.« Dora lachte.
»Es ist sehr schwer, nicht zu lügen, wenn man Träume erzählt«, sagte Arnold. Er stockte, schwieg und sah geradeaus. Ein sinnendes und sogar ein wenig schwärmerisches Lächeln wich nicht von seinen Lippen. Das gerade schien die Mädchen wunderbar zu berühren. Dora blickte voll ernster Aufmerksamkeit in sein Gesicht. Felicia hatte ein paarmal kurz über die Schulter zurückgeschaut, nun legte sie die Hände in den Schoß und lauschte. »Ich erinnere mich«, begann Arnold, »einst hatte ich einen sonderbaren Traum. Es waren zwei Pferde da… grüne Pferde. Auf einer Mauer stand geschrieben: diese Pferde können sprechen. Eine Glocke hing über der Mauer und sobald die Glocke tönte, machte das eine Pferd sein Maul auf und sagte: wer reiner Hände ist, mehrt die Kraft. Ich fürchtete mich, mir grauste und ich lief davon. Aber damals verachtete ich Träume.«
»Wo waren Sie denn da?« fragte Dora.
»In Podolin. Dort ist meine Heimat. Es ist ein schmuckloses Land, eine Ebene, Wald, ein Hügel, ein schmutziger Fluß. Aber wenn ich zurückdenke –! Einmal, ich war siebzehn Jahre alt, passiert folgendes. Ich liege im Wald, weitab vom Weg in der Nähe der wilden Kapelle, wie sie genannt wird. Ein ganz altes Weiberl kommt, schaut sich um, sieht mich aber nicht und gräbt etwas in den Boden. Ich denke nichts dabei, niemals dacht ich über etwas nach. Ein paar Tage später heißt es, der Waldhofbäuerin ist die Mutter Gottes im Traum erschienen und hat ihr angezeigt, daß bei der wilden Kapelle ein wundertätiger Rosenkranz vergraben ist. Am Sonntag strömen Tausende aus allen Dörfern hinaus, die bucklige alte Bäuerin voraus. Ein schreckliches Gedränge entsteht bei der Kapelle, die Alte betet, dann gräbt sie und gräbt mit bloßen Fingern die Erde, die tausend Männer, Weiber und Kinder knieen hin, weinen, beten und schluchzen und graben ebenfalls mit den Händen in den Boden, als meine Alte ihren gefundenen Rosenkranz in die Luft hält. Hunderte fallen über sie her, reißen ihr die Kleider vom Leib, denn sie ist jetzt eine Heilige, und jedes will seine Reliquie haben. Die rohesten Bauern küssen sie, heulen und sind zerknirscht. So ein Land ist das mit solchen Menschen.«
Die Mädchen schwiegen. Felicia hatte sich umgewandt, in vorgebeugter Haltung blickte sie anscheinend ruhig zu Boden.
»Mademoiselle Dora!« rief eine krähende Stimme vom Flur.
Dora erhob sich. »Die Französin«, sagte sie geringschätzig und ging hinaus.
Arnold blickte Felicia an. Er trat vor sie hin und fragte: »Warum spielen Sie nicht?«
»Was lieben Sie?« entgegnete das junge Mädchen, indem es ihn mit prüfenden Augen ansah und die linke Hand rückwärts auf den Haarknoten legte.
Auf einmal hatte Arnold sein Gesicht herabgebeugt, und sie küßten einander hastig wie Verbrecher. Arnold blickte trüb vor sich hin.
Valescott und die Baronin traten mit Dora ins Zimmer. Der Leutnant zog Arnold sogleich beiseite und fragte ihn, wozu er sich entschlossen habe. Als Arnold seine Einwilligung gab, zu spielen, drückte er ihm die Hand.
Der Diener kam mit zwei Karten auf einem Bronzeteller. Die Baronin sagte, sie lasse bitten. Dann forderte sie mit anmutiger Handbewegung Arnold auf, ihr in das Empfangszimmer zu folgen. Dort begrüßte sie die beiden Besucher, einen Herrn von Gröden und den alten Baron Drusius. Der Tisch zum Tee war gedeckt.
Die beiden jungen Mädchen saßen nebeneinander. Drusius knackte wie immer mit seinen Fingern. Dora starrte wie verzaubert auf seinen riesigen Kehlkopfapfel, der sich beim Sprechen auf und abbewegte. Herr von Gröden, der etwas beleibt war, ein dickes, rundes Gesicht und freundliche, höflich-aufmerksame Augen hatte, wandte sich zuvorkommend an Arnold. »Herr Ansorge, — wenn ich recht verstanden habe –?« sagte er. »Haben Sie Verwandte dort oben in Mähren in … Podolin?«
»Nein, aber ich selbst bin dort zu Hause«, erwiderte Arnold.
Herr von Gröden räusperte sich. »Ich war drei Jahre lang Gerichtsadjunkt in der Nähe, in Lomnitz, Sie werden das Nest kennen.«
»Ja, es ist ein altes Dorf«, erwiderte Arnold.
»Gott verzeih mir«, fuhr der junge, behagliche Mann mit einem Aufschlagen seiner Augen fort, »es war eine schreckliche Zeit. Nichts als Bauern und Juden und langweilige Kommissionen. Sagen Sie, Herr Ansorge, Sie erinnern sich doch an die Affäre mit dem Juden Elasser –? Sind Sie es vielleicht selbst, der damals, wie soll ich sagen, so starken Anteil daran genommen hat? Sind Sie es selbst?«
»Jawohl«, erwiderte Arnold.
»Das ist mir ein Rätsel«, fuhr Herr von Gröden mit aufrichtigem Erstaunen fort. »Es ist ja schon ziemlich lange her, ich erinnere mich nicht mehr genau, ein Lehrer dort namens … namens…«
»Specht?«
»Ganz recht! Specht! Dieser Specht hatte mir von Ihnen erzählt.«
Alle blickten auf Arnold.
»Warum ist Ihnen das ein Rätsel?« entgegnete Arnold, der sich ein wenig verfärbt hatte. »Es handelte sich doch um öffentlichen Raub –?« Er heftete den Blick streng und erwartungsvoll auf den jungen Mann.
»Ja, ja, ja! ganz gewiß, natürlich«, sagte Herr von Gröden bereitwillig, »aber immerhin, das verrottete jüdische Gesindel muß ein wenig gepeitscht werden. Sie müssen mir doch zugeben, daß diese Leute nicht unserer differenzierten Empfindung zugänglich sind. Das Mädchen wird es im Kloster tausendmal besser haben, als in dem Stall, in dem sie aufgewachsen ist. Der ganze Lärm, den man deshalb aufgeschlagen hat, war doch nur eine verabredete Komödie. Sie müssen doch zugeben –«
»Ich gebe nichts zu«, unterbrach ihn Arnold. »Wie können Sie so sprechen, Sie, ein Jurist, ein Diener der Regierung? Als ich zum erstenmal davon hörte, ich glaubte zu sterben vor Scham. Ich sollte das gewiß nicht sagen, denn solche Worte sind eben Worte. Aber wie können Sie es entschuldigen? Kein Mensch darf das wagen, der selbst darauf angewiesen ist, daß man gerecht gegen ihn ist. Denken Sie doch nach. Alles beiseite gelassen, Jude und Kloster, Ihre Verachtung, oder Ihre Bequemlichkeit zu urteilen, so bleibt doch eine so ungeheure Versündigung übrig, daß kein Gedanke sich daran gewöhnen kann. Ich konnte damals nichts davon begreifen, die ganze Welt brach zusammen wie unter einem furchtbaren Fußtritt. Man raubt ein Kind, man will es zwingen, die Religion zu verlassen, die mit ihm geboren ist, was für eine Religion, das ist doch gleichgültig, und nichts geschieht, keine Gerechtigkeit gibt es, das Recht wird böswillig erstickt. Und Sie reden von Komödie!«
Arnold hatte den Kopf erhoben, und der Ernst seiner Worte war mit dem Gefühl der Erleichterung verbunden, welche ihm dieser Ausbruch verschaffte.
Drusius klopfte ihm auf die Schulter. »Wacker«, sagte er, »ein wackeres Wort. Ich hab es immer gesagt, der hat Fleisch und Blut. Redet wie der Teufel!« Er lachte, und dies Lachen wirkte befreiend auf die unbehagliche Stimmung der Baronin. Sie reichte Arnold die Hand über den Tisch und sagte mit verbindlichem Lächeln: »Sie haben mir aus dem Herzen gesprochen.«
Herr von Gröden antwortete nicht; nach einiger Zeit erhob er sich und nahm ziemlich verstimmt Abschied.
»Wir haben nicht viel Zeit«, sagte die Baronin zu ihren Töchtern, »die Oper beginnt um halb sieben. Herrn Ansorge macht es vielleicht Vergnügen, mit in unsere Loge zu kommen –?«
Arnold verbeugte sich dankend, und sagte, es würde zu spät werden, bis er sich umgekleidet hätte. Aber der Leutnant drängte ihn und erbot sich, ihn zu begleiten.
Valescott plauderte auf dem Weg durch die Straßen von allem möglichen. Er war äußerlich von sehr angenehmer Wirkung, hübsch, außerordentlich gepflegt und besaß eine angeborene Liebenswürdigkeit. Schließlich erzählte er Weibergeschichten. »Am liebsten hab ich mit verheirateten Frauen zu tun«, sagte er kühl und wissenschaftlich, »es ist oft gefährlich, gewiß, aber in den meisten Fällen bequem. Sie werden ja die Erfahrung selbst gemacht haben. Der Aufwand an Gefühl steht in einem vollkommen richtigen Verhältnis zu dem, was an Gefühl verlangt wird.«
Arnold berührte die Schamlosigkeit dieses Geständnisses erstaunlich. Er blieb plötzlich stehen, als ob er etwas erwidern wollte. Er dachte an das heutige Gespräch mit Specht und den Rücken hinab rieselte etwas wie ein kalter Wassertropfen. Aber er schwieg. Es war noch nicht lang genug her, daß er eine entrüstete Rede vom Stapel gelassen hatte. Er hatte Eindruck damit gemacht. Jemand hatte ihm auf die Schulter geklopft und hatte gesagt: ein wackeres Wort. Entrüstung, Zorn, Empörung — kleine Aderlässe für das überströmende Herz. Er schwieg, er schwieg. Man konnte nicht schon wieder, man konnte nicht zweimal hintereinander den Moralisten machen. Man wäre lächerlich erschienen, und nur nicht lächerlich werden, alles nur das nicht.
Aber Arnold war aufrichtig betrübt. Er zog mit großer Eile seinen Frack an, um keine Zeit zu verlieren, aber er war so betrübt, daß er falsche Knöpfe in das Hemd steckte und sich trotz des Eilens noch zwei Minuten lang niedersetzte, um nachzudenken.
Gegen das Ende des ersten Aktes kamen sie in die Oper. Als Arnold seine Blicke über die Reihe der geschmückten Damen schweifen ließ, die an den Brüstungen der Logen saßen, empfand er wieder jenes berauschende Machtgefühl eines Menschen, der zu besitzen erhoffen kann, was immer sein frechster Traum umspannt.
Er lernte Leute kennen, welche kamen, um die Baronin während der Pausen zu besuchen. Er bemerkte wohl, daß er Eindruck machte. Er mühte sich, herauszufinden, welche Eigenschaften es denn eigentlich seien, durch die er eroberte. Um nicht zu verlieren, was ihm einmal gehörte, beobachtete er sich und hielt sich fest im Zaum. Daß er sich gegen Felicia hatte hinreißen lassen, bereute er, denn er fand es unwürdig, mit einer lebendigen Seele zu spielen. Aber sie, sonderbar, auch sie zog sich zurück und das ärgerte ihn. Er hatte ihr imponiert durch seine Heiterkeit und eine gewisse liebenswürdige Vertieftheit, die sie nie zuvor an irgend einem Mann bemerkt. Aber ihr Herz war ohne Halt.
Arnold trank von seinem Becher. Die Tage erwiesen sich als zu kurz, die Nächte ebenfalls. Wie reich erschien ihm das Leben! Er geriet in Bestürzung, wenn er überlegte, wie wenig auch bei der günstigsten Fügung von diesem Reichtum für ihn abfallen konnte.
Gegen Ende der Woche schrieb ihm Borromeo wegen der schwebenden Kapitalsangelegenheit. Er bat Arnold in sein Bureau. Arnold verschob es zwei Tage lang, dann nahm er einen Wagen und fuhr hin. Durch einen düstern Flur kam er in ein großes, gewölbeartiges Zimmer mit plumpen Möbeln und hohen Regalen, in denen die Bücherreihen pedantisch geordnet standen. Unbefangen setzte sich Arnold in einen lederbezogenen Sessel, Borromeo gegenüber, dessen Bart heute besonders steifgebügelt schien, während die Lippen fahl wie Sand waren. Arnold fühlte seine Stärke, seinen Frohsinn, sein Vertrauen in dem finsteren Gewölbe doppelt. Da geschah das Grausige, daß nach den ersten Worten, die Arnold geredet, ein heftiger Donnerschlag ertönte. Arnold hatte nichts von einem Gewitter am Himmel gesehen, in Sekunden mußte sich das Wetter geballt haben. Er hörte Spechts Worte wie ein Echo des Donners in seinem Innern: »Eine unheimliche Parallelgeschichte, wie Sie bald sehen werden …« Auch damals war ein Gewitter, als ich zu Hanka kam, dachte Arnold.
»Sechs Prozent ist ja eine sehr hohe Verzinsung«, sagte Borromeo, nachdem er flüchtig gegen das Fenster geschaut und dem Verrollen des Donners nachgelauscht hatte, »aber bedenke, was du dabei riskierst. Ich habe mich erkundigt, — man zuckt die Achseln.«
Arnold nahm sich zusammen, fest zusammen, wie selten zuvor. Soll ich reden? dachte er und wußte doch schon, daß er nicht reden würde. Er blickte auf den schwarzen Bart Borromeos und erwiderte: »Die Konjunktur ist aber günstig. Das Unternehmen hat jetzt gute Aussichten. Das übrige ist Sache des Glücks.«
Damit war der Betrug entschieden. Die Elemente hatten keine Macht mehr über Arnold.
Kaum hatte Natalie Osterburg von der Veranstaltung des großen Blumenfestes gehört, als sie, von einer schwindelnden Aufregung ergriffen, alles Denkbare unternahm, um eine Rolle dabei spielen zu dürfen. Es gelang ihr, der Fürstin-Protektorin vorgestellt zu werden, ein paar leutselige Worte zu erwischen und beglückt eilte sie nach Hause. Sie sollte zusammen mit zwei adligen Damen ein Verkaufszelt für Zuckerwaren erhalten.
Noch die Türe in der Hand, rief sie atemlos: »Petra, denk dir –!« Und sie erzählte. Aber Petra zeigte sich nicht besonders gerührt von den Erfolgen der Schwester. Sie hielt Natalie vor, daß es unrecht sei, bei der täglich schlimmer werdenden Krankheit der Mutter an Vergnügungen zu denken. Petra hatte Pflichtgefühl.
Natalie hatte kein Pflichtgefühl. Sie war von allen Wärmegraden abhängig, welche die Luft der Gesellschaft erzeugt. Ihre Ehe, ihre Kinder, ihr Haushalt, alles war für sie eine niedliche, bald unterhaltende, bald langweilige Spielerei.
Ihre Sinne waren jetzt nur auf das Blumenfest gerichtet. Für nichts anderes hatte sie Teilnahme. Sie war nur besorgt, ob das Wetter schön bleiben werde, und jeden, bis zum Bäckerjungen und zur Milchfrau ersuchte sie um ausführliche Meinung darüber. Sie bezog das ganze Weltall auf das Gelingen ihrer Wünsche.
So rückte der Tag heran. Die Schneiderin kam um elf Uhr morgens und sofort begann Natalie sich anzukleiden. Es war ein Empirekleid aus blauer Seide, kunstvoll mit Veilchen bestickt. Es floß wie Paradieseshauch um die zarten Glieder Natalies. Um zwölf Uhr kam die Friseurin. Sorgsam zusammengesteckte Veilchen wurden in das dunkle Haar verwoben. Um den Hals legte Natalie eine goldene Kette, an welcher über der Brust ein rundes Medaillon mit einem schönen Edelstein befestigt war. Dann die langen Handschuhe, deren Zuknöpfen eine Viertelstunde dauerte, und so, blauseidene Schuhe und blauseidene Strümpfe an den Füßen, trat Natalie in das Krankenzimmer der Mutter, wo ihr Mann und Petra mit Kartenspielen beschäftigt waren.
Frau König lag im Bette und trank Sauerstoff aus einem großen Ballon, welchen die Wärterin hielt. Sie ließ beim Eintritt Natalies das Saugrohr sinken und ihr Gesicht wurde durch ein zärtliches Lächeln nicht verschönt, sondern entstellt. »Natalie, mein Kind, du gehst zum Vergnügen. Recht hast du«, sagte sie, und ihre Stimme glich einem rauhen Krächzen. »Auch ich war vergnügt in deinem Alter. Und du, Petra, mein Kind, wirst zu Hause bleiben bei deiner armen Mutter? Recht so. Sie ist ein philosophisches Kind, meine Petra. Sie war immer überlegt und taktvoll.«
»Sprich nicht so viel, Mama«, sagte Petra stirnrunzelnd.
Natalie stand beschämt und ärgerlich da wie ein Sänger, der bemerkt, daß er vor tauben Ohren singt. »Glaubst du, daß das Kleid zu tief ausgeschnitten ist?« fragte sie ihren Mann.
»Meine liebe Natalie«, erwiderte Osterburg rauflustig, »ich habe andere Sorgen, das kannst du mir glauben. Ich weiß nicht, ob irgend ein Mensch in der Welt je solche Schmerzen gelitten hat wie ich –« Er rieb sein Knie. »Du bist eine leichtsinnige Frau«, fuhr er wütend fort, »ich traue mich nicht eine Zigarre zu kaufen und du –« Alle starrten ihn entsetzt an. Er schwieg zerknirscht, beobachtete einen Augenblick die Wärterin und begann plötzlich französisch zu reden, wobei jedoch das Wort alors die Hauptrolle spielte; mehr war kaum zu verstehen.
Frau König verfolgte mit stillem Haß dies Gespräch. Sie glaubte weder an ihre Krankheit noch glaubte sie, daß sie je würde sterben müssen. Daß sie so liegen mußte und Sauerstoff atmen, schrieb sie einem Zusammenwirken boshafter Umstände zu, und sie haßte die eigenen Kinder, wenn sie ihr allzudeutlich zeigten, was es heißt, mitzuleben. Es gab nur einen Menschen, dem sie Vertrauen entgegenbrachte, das war der Arzt. Wenn sie sich in seiner Gunst festsetzte, so glaubte sie den Tod machtlos. Krampfhaft klammerte sie sich an das Leben wie sie es verstand: daß man in der Frühe gemütlich Kaffee trank, dann die Klatschereien hörte, mit Behagen beim Mittagstisch saß, nachmittags in die Geschäfte oder in den Prater fuhr, abends wohlgelaunt im Kreis der Familie sich unterhielt, um dann zehn Stunden fest und tief zu schlafen, zwei Gläser mit Wasser auf dem Nachttisch. So hätte sie es gern ein paar tausend Jahre lang getrieben.
Mit klopfendem Herzen setzte sich Natalie in den Wagen und gelangte noch zu früher Stunde in den festlich geschmückten Park des Belvedere-Schlosses. Befangen blickte sie umher. Sie sah nicht den blauen Himmel, nicht das grüne Laub, nicht die Blumenkränze, die sich von Baum zu Baum spannten, nicht die Wasserkünste, die langen Reihen der Verkaufszelte, die neugierigen Menschen; ihr war alles ein unbefriedigender Spiegel für ihre eigene geschmückte Person, und sie lächelte, lächelte wie im Schlaf, wußte kaum, daß sie ging, wo sie stand, was sie sprach und was zu ihr gesprochen wurde. Ihr kleines Herz war leicht und lustig, und nicht mehr sah daraus das gefesselte Seelchen wie durch Gitterfenster in die Welt. So hätte es auch Natalie gern tausend Jahre lang gehabt.
Sie trank braunen, eisgekühlten, süßen Kaffee und weißschaumige Torte, beantwortete mit demselben inhaltlosen, seligen Lächeln die Fragen eines jungen Adeligen, der wie ein Backfisch aussah und eigentlich auch nichts anderes war. Sie verkaufte eine Nichtigkeit und erhielt eine Banknote dafür. Anna Borromeo kam, um Natalie zu begrüßen. Sie hatte eine Glückslotterie zusammen mit zwei Hofschauspielerinnen. Sie trug ein Kleid, weiß wie Jasmin, mit schweren, griechischen Falten, über den Hüften durch einen kostbaren mit fünf Smaragden besteckten Gürtel zusammengehalten. Das rotgoldne, kronengleiche Haar gab der Gestalt etwas Königliches, das durch das bleiche Gesicht und den bleichen, unter bläulichen Blutgefäßen vibrierenden Hals verstärkt wurde.
»Wo ist Herr Ansorge?« fragte Natalie und ihr neugieriges Kindergesicht drehte sich mit einem Ausdruck der Verzagtheit und des Neides der schöneren Frau zu. Anna Borromeo deutete auf einen Seitenweg, wo Arnold im Gespräch mit den Valescotts stand. Er verbeugte sich aus der Ferne vor Natalie. Gequält musterte Natalie die beiden Valescottschen Damen, deren einfache Kleidung sie mit Besorgnis erfüllte. Arnold kam herüber und sagte: »Sie sind schön, Frau Natalie«, und diese Worte genügten, sie zur Zufriedenheit und Menschenliebe zu stimmen. Sie versuchte auch nicht, etwas dagegen einzuwenden, sondern wurde rot bis zu den Schultern herab.
Bald war ihr rosenbekränztes Verkaufszelt dicht umdrängt. Gräfinnen, Fürstinnen kamen, mit Natalie ein freundliches Wort, einen Gruß zu tauschen, ein Erzherzog blieb stehen und ließ sich die anmutige Dame vorstellen, junge Kavaliere näherten sich dienstbeflissen. Sie sprühte von Geist; die Triumphe betäubten ihr Herz. Sie kam sich vor wie eine fremde Prinzessin, die, lange verkannt, endlich die ihr gebührenden Ehren empfängt.
Drei Musikkapellen spielten, auf drei Plätze des Gartens verteilt. Sich auf den Zehen wiegend, lauschte Natalie entzückt einem Walzer, als sie unter dem Menschenstrom, der sich heranwälzte, ihren Mann bemerkte, dessen Augen hastig unter den Zeltdächern umherblickten. Dieser düstere, unheilvolle Blick ihres Gatten berührte wie ein eisiger Anhauch Natalies Stirn und Wangen. Sie hatte vollständig vergessen, daß sie mit diesem Menschen verheiratet war, und ihn gerade jetzt zu sehen, war ihr wie ein Peitschenschlag.
Als Osterburg sie gewahrt und sich zu ihr durchgedrängt hatte, sagte er: »Natalie, komm nach Hause, deine Mutter …«
Natalie seufzte leise und schwer. Ihr war, als würde sie plötzlich blind vor Schrecken. Ihre Augen füllten sich mit Tränen; sie rührte sich nicht von der Stelle.
»Du mußt kommen«, drängte Osterburg, während er zu gleicher Zeit neugierig und begehrlich um sich blickte. »Die Mutter hat einen furchtbaren Anfall …«
»Es ist sicher nicht ärger als sonst«, erwiderte Natalie vorwurfsvoll. »Nur noch bis der Kaiser kommt, laß mich hier.«
Osterburg hätte sehr gern eingewilligt, denn er fing an, mit dem festlichen Treiben sich zu befreunden und zu vergessen, was ihn hergeführt. Aber Natalies erwachtes Gewissen rief. Mit zitternden Händen warf sie ihren Umhang um die Schultern. In ihrem verwirrten Herzen zürnte sie der Mutter.
Eifrig begegnete ihnen Arnold auf einem der Wiesenwege, die schneller zum Ausgang führten. »Wohin? wohin?« rief er.
Natalie schluchzte wie ein Kind.
Arnold schaute Natalie bestürzt nach. Dann bahnte er sich durch die immer dichter werdende Volksmenge einen Weg zum Zelt der Valescottschen Damen, welche Lose feilboten, und zwar kam auf alle Lose nur ein einziger Treffer, eine goldene Chrysantheme.
»Was zahlt man für ein Los?« fragte Arnold, vor das Zelt tretend.
»Das steht bei Ihnen«, erwiderte Dora.
Er warf fünf Gulden auf das Brett und zog lachend. Es war nichts. Zum zweiten und dritten Mal, ohne Erfolg. Er entnahm einen Hundertguldenschein der Brieftasche und wählte dafür zwanzig Lose. Von allen Seiten kamen Neugierige und stellten sich hastig drängend in engem Halbkreis auf. Hinter den Zelten wurden die Damen des Festes und mehrere Herren sichtbar. Anna Borromeo verlor keine Bewegung Arnolds aus den Augen. »Ich habe kein Geld mehr«, sagte Arnold und blickte sich um. »Aber Kredit, so viel Sie wollen!« rief Dora. Er nahm lachend zwei Hände voll Lose und schrieb einen Schuldzettel über fünfhundert Gulden. »Bravo Narziß!« rief Valescott, der ebenfalls zwischen die Zelte getreten war; die Damen klatschten in die Hände, und einige waren ihm behülflich, die Röllchen zu öffnen. Die Leute drängten sich näher. Arnold griff nach beiden noch gefüllten Schalen, schwenkte sie in den Armen und warf den leicht fliegenden Inhalt über die Köpfe der Leute hinweg. Unzählige Hände streckten sich aus, und in beängstigender Kreiselbewegung drehte sich die ganze Masse um sich selbst. Mitten in das tolle Wesen erschallte der Ruf: »Der Kaiser! Der Kaiser!«
Die Musikkapellen traten zusammen und spielten die Hymne, Soldaten schoben die Menge auseinander, und es bildete sich eine Gasse, durch welche von fern der Kaiser herangeschritten kam. Ein Schauer fuhr Arnold durch den Körper. Wie in einem früheren Dasein sah er sich selbst, mit törichten Erwartungen auf die damals so ferne Gestalt des Monarchen blickend. Nun stand der Fürst kaum fünf Schritte weit, nickte lächelnd und ging vorüber, durch das schweigende Volk.
Es wurde Abend. Auf der Balustrade am oberen Ende des Gartens war Feuerwerk.
Die Buden wurden geschlossen, und die vornehme Welt versammelte sich im Schloß, um die Tänze und lebenden Bilder zu sehen. Arnold stand unter den Bäumen und blickte still in den Lichterglanz des Gartens.
Hier war es dunkel, und er wollte ein wenig zu sich selbst kommen. Aus der Ferne kam das alberne Klappern der Musik und das Geschrei der Menschen, des »Volkes«, wie Baronin Valescott bedeutsam sagte. Arnold zuckte zusammen. Zwei Arme hatten ihn von rückwärts umfaßt, und eine Stimme flüsterte: »Schon lange, schon lange lieb ich dich.«
Als er sich umwandte, ließen ihn die Arme los, ein weißes Kleid rauschte durch das Laub, die Gestalt wandte sich noch einmal um und an einem goldenen Gürtel blitzten Smaragde im Schein einiger verirrter Lichtstrahlen.
Arnold senkte den Kopf und blieb gedankenlos lächelnd stehen. Wohl ahnte er, wer ihn umfangen hatte, doch er erstickte das Nachdenken. Denn sonst hätte er niederstürzen müssen ins Gras, um Gott zu bitten, daß er ihn flüchten lasse oder die Seele in einen stärkeren Körper presse. Er hob seine Augen eine Sekunde lang demütig zum Himmel.
Die Tage schlichen gleichmäßig vorüber. Arnold machte viele Besuche, aber selten vermochte ihn ein Gespräch zu fesseln. Ein paarmal suchte er Hyrtl auf, der ihn liebte und ihn auf jede Weise an sich zu binden suchte, aber der kränkliche Mann erregte seinen Widerwillen.
Er nahm an den Zusammenkünften einer Anzahl von Schauspielern und sonstigen Theaterleuten teil, trieb sich nächtelang umher und machte sich die unwahre Lustigkeit dieser Menschen zu eigen. Er übte wie jeder Kritik an jedem und urteilte schlecht über den, dem er soeben vertraut. Seine tieferen menschlichen Eigenschaften, seine Entschiedenheit, die witzige und lebhafte Art, durch die er im Sprechen selbst das Gewöhnliche zu adeln schien, verschafften ihm Ansehen und er wurde für eine ursprüngliche Natur erklärt. Aber auf dem Gipfel seiner Erfolge schüttelte er diese Anhänger von sich ab und kehrte auf die reinlichere Schwelle der guten Gesellschaft zurück. Er wollte unterbrochene Arbeiten vollenden, aber sein Herz war unruhig wie eine Maus in der Falle. Wünsche traten an die Stelle der Pläne. Leere Verabredungen trieben ihn auf, er folgte ihnen gehorsam, ging hin, war gesprächig, unternehmungslustig, teilnehmend und sorglos. Aber die Not wurde größer; er machte Reisepläne und verwarf sie wieder in der Befürchtung, Wichtiges zu versäumen. Die Welt lockte ihn, sobald er die Augen schloß; offenen Auges stieß sie ihn ab. In seinem Innern entstanden Zänkereien wie unter den Parteien eines Hauses. Ungesammelt begann der Tag, ungesammelt endigte er. Jede Kraft erwies sich nun als verderblich, auch die der Selbstbeherrschung, denn sie nötigte zur Heuchelei. Mitten in einer Nacht erhob sich Arnold aus dem Bett und begann den Aufenthalt in diesen Räumen widerwärtig zu finden. Er beschloß Hanka aufzusuchen, den er seit Wochen nicht gesehen hatte. Kaum war es Tag geworden, so führte er seinen Vorsatz aus.
Im Hotel erhielt er die Auskunft, daß Hanka nicht mehr dort wohne, sondern ein Logis im dritten Bezirk bezogen habe. Er nahm einen Wagen und fuhr hin. Die Köchin sagte, der Herr Doktor schlafe noch. »Wecken Sie ihn nur auf«, erwiderte Arnold, »es ist elf Uhr. Sagen Sie ihm, ein Freund sei da.«
Hanka räkelte sich im Bette, als Arnold eintrat, und fragte: »Nun, mein
Teurer, was führt Sie zu mir?«
»Ich wollte mich nur überzeugen, ob Sie noch am Leben sind«, antwortete Arnold und nahm neben dem Bett Platz. »Weshalb machen Sie sich unsichtbar? Warum sind Sie nicht zu mir gekommen?«
Hanka richtete sich ein wenig empor und stützte den Kopf auf den Arm. »Es ist kein gutes Zeichen für Ihr geistiges Wohlbefinden, daß Sie gerade mich suchen«, sagte er.
»Unsinn«, versetzte Arnold. »Stehen Sie auf und reden wir vernünftig.«
Hanka lachte, sprang aus dem Bett, streichelte mit kläglichem Gesicht seine dünnen Beine und fuhr schlotternd in die Unterhosen. »Was treiben Sie?« orgelte seine tiefe Stimme. »Haben Sie noch immer so großen Lebensappetit?«
Arnold deutete auf ein Ölbildnis an der Wand und fragte: »Wer ist das?«
Hanka wusch sich und entgegnete prustend: »Das ist ein Mann, der früher oder später wahnsinnig werden wird.«
»Und deshalb hängt sein Bild hier?«
»Jawohl. Für den Einbeinigen ist es eine Erquickung, jemand zu sehen, der gar keine Beine hat. Darauf beruht alle wahre Zufriedenheit.«
Sie gingen zusammen zum Essen, saßen im Kaffeehaus, blieben den Abend über beieinander und trennten sich erst in der Nacht.
Hanka sah wohl, daß Arnold gleichsam als Bittsteller zu ihm komme. Er bittet mich um meine Zeit, dachte Hanka, und wirklich, mit diesem Gegenstand kann ich verschwenderisch sein, aber je mehr ich ihm davon geben kann, je ärmer wird er daran werden; ein sonderbares Rechenexempel.
Hanka wollte allein gehen. In jeder Beziehung zwischen Menschen sah er das Ende voraus und fürchtete es. Er sah das liebevollste Gesicht zu Haß und Würdelosigkeit verzerrt, und die Schönheit atmete ihm schon Fäulnis entgegen. Ihm hätte es gedient, in einer wandellosen Welt zu leben, in welcher das Wasser nicht die Erde höhlt und nicht der Freund einst zum Verleumder werden wird. Er lebte in allem was verdarb, was sich zum Tod neigte und an den Gesetzen der Veränderung teilnahm. Er sah das Wasser schon als Wolke, die Wolke als Regen. Keine Bewegung, kein Lächeln, kein Entschluß, der nicht den Lauf der Schicksale unterbrechen und verwandeln, keine Speise, kein Trunk, kein Härchen des Körpers, welches nicht auf seine besondere Weise das Ende bringen konnte.
Seine Logik war grausam, sein Scharfblick unbestechlich und sein Wissen profund. Dem grenzenlosen Schweifen unreifer Empirie setzte er die Formel entgegen, und zu anderer Zeit stieß er alles Lehrwerk wie morsche Hölzer beiseite und trat in den lichten Raum der Anschauung und der Idee.
Arnold kämpfte hier vergebens um Freundschaft. Er begann Hanka dunkel zu hassen. Er verlegte sich auf den leeren Widerspruch, auf eine scheinbare Verachtung von Hankas enger Sachlichkeit, und wie furchtbar war es ihm in manchem Augenblick zumut, wenn er ahnen mußte, daß er um etwas ganz anderes stritt, als was er vorgab. Er beneidete Hanka um die ruhige Überlegenheit, und mit formloser und zaghafter Begierde suchte er nach Mitteln des Sieges, irgendwelchen Sieges, um jeden Preis; er fürchtete sich vor der stummen Kritik in Hanka, wie er sich vor sich selbst, vor der Welt, vor der Vergangenheit und vor der Zukunft fürchtet. Eines Tages sah er bei Hanka in der Ecke des Schreibtisches eine kleine Pappendeckel-Tafel, auf welcher in Hankas Schrift die Worte standen: »Precaria salus: ich durchschritt die Pforten des Todes, ich betrat die Schwelle der Proserpina, und nachdem ich durch alle Elemente gefahren, kehrte ich zurück. In der Mitte der Nacht sah ich die Sonne in ihrem hellsten Schein.«
Arnold las es und fragte ironisch: »Was ist das für ein Geschwätz? Schämen Sie sich nicht, solche Dunkelmeierei zu treiben?« Er nahm den Pappendeckel und ließ ihn geringschätzig fallen.
Hanka erwiderte ebenso bedächtig wie nachsichtig: »Das ist ein Spruch aus den Isis-Mysterien, mein Teurer.«
Nicht die Antwort oder der Ton bewirkte eine Veränderung in Arnold, so daß er schweigend zum Fenster trat. Nur Hankas Blick hatte ihn getroffen, groß, fragend, sehr erstaunt: was kann dich berechtigen, in mein Leben einzugreifen? nicht zu billigen, was ich denke –? fliehst du vielleicht aus dir, wunderlicher Mensch, und willst dich in einer fremden Wohnung niederlassen?
Als Arnold nach Hause kam, fand er einen Brief von Hyrtl. »Vergessen? gänzlich vergessen?« schrieb Hyrtl. »Vor einigen Tagen dachte ich wieder an Sie, und nun kann ich Sie nicht wieder loswerden. Kommen Sie doch! Ich darf nicht ausgehen. Kommen Sie heute Abend. Ich bin gänzlich verlassen, sitze zu Hause und bin übel dran. Das beste Backwerk Europas laß ich für Sie herrichten, und wenn Sie nicht reden wollen, können Sie bei mir auch schweigen. Nur kommen sollen Sie. Ich habe seit Monaten keinen wirklichen Menschen gesehen und bin allein. Bald wird es mit mir zu Ende gehen. Ihr Hyrtl.«
Gleichgültig warf Arnold das Schreiben beiseite. Dies weibliche Werben erregte seinen Abscheu. Er versuchte zu lesen, warf aber bald das Buch wieder weg, nahm Hut und Stock und ging ins Kaffeehaus. Doch auch hier hielt es ihn nicht lange. Die Straße lockte ihn. Langsam schlenderte er durch die Dämmerung, kehrte aber bald nach Hause zurück, denn zum Abendessen erwartete er Hanka. Oben auf der Treppe stand der eine Diener und murmelte mit zerknirschtem Gesicht: »Gnädiger Herr, es ist etwas passiert.« Arnold sah ihn von oben bis unten an; der junge Mensch ging voraus und öffnete die Türe zu dem Raum, worin der Antinous sich befand. Die Statue lag auf der Erde; der Kopf war gegen das Fenster gerollt und der linke Arm, ebenfalls abgebrochen, lag mit seiner schönen Geberde neben dem Leib. Es erwies sich, daß die beiden Diener während seiner Abwesenheit sich in jenem Zimmer mit Raufen vergnügt hatten. Sie waren an die Statue gestoßen und mitsamt der Figur zu Falle gekommen. Arnold sagte den zwei Leuten den Dienst auf und setzte sich dann traurig vor die Trümmer. Als Hanka kam, hoben sie zusammen den Rumpf empor und untersuchten die Bruchstellen. Hanka sagte, das Unglück sei nicht groß, es lasse sich mit geringen Kosten wieder gutmachen, aber ihn belustigte Arnolds Niedergeschlagenheit. »Seit wann lieben Sie denn die toten Dinge so sehr?« fragte er etwas ungeduldig.
Sie gingen in das Speisezimmer. Während des Essens erzählte Hanka, daß ihm der Verkauf seines Hauses, seiner Wertgegenstände, die Vereinfachung seiner Lebensweise nicht viel genützt habe. Er habe noch Schuldverpflichtungen im Betrag von fünfzehntausend Gulden. Außerdem stehe noch die Zahlung an seine frühere Gattin aus, und da dürfe er nicht lange zögern, schaltete er bitter ein, wo die Moralität eine Geldfrage sei. Er schrecke davor zurück, sich an seine Schwester Agnes zu wenden, die sich auf dem Wege der Genesung befinde und durch die leiseste Andeutung seines Ruins in ihrer schwachen Natur erschüttert werden könne.
Arnold hörte mit halbem Ohr zu. Nach einem neuen Gesprächsstoff suchend, erinnerte er sich an Hyrtls Brief und gab ihn Hanka. Der las ihn zweimal, betrachtete das Papier von allen Seiten und fragte endlich: »Weshalb sind Sie nicht zu ihm gegangen?«
Arnold zuckte die Achseln. »Der Mann lügt«, sagte er kalt. »Nicht der Tat nach, sondern dem Gefühl nach.«
»So lügt man nicht«, antwortete Hanka kopfschüttelnd. »In früherer Zeit bin ich oft mit Hyrtl beisammen gewesen, meist durch Natalie Osterburg. Er ist ein gutmütiger Mensch.«
»Hyrtl freut sich seiner Wehleidigkeit«, sagte Arnold lebhaft, »er würde mit Vergnügen sterben, wenn er den Eindruck seines Todes erleben könnte.«
Hanka schmunzelte, schaute aber Arnold ziemlich überrascht ins Gesicht.
»Sie sind ja ein Psycholog«, erwiderte er. »Aber das ist eigentlich nicht die rechte Art. Ich meine, diese Art, ein Urteil zu bilden und einen Menschen für alle Zeiten abzufertigen. Nein, das ist nicht gut.«
Arnold wollte etwas entgegnen, doch es läutete draußen, und darnach kam der Diener und meldete Herrn Hyrtl. Arnold und Hanka sahen einander an.
Mit steifen Schrittchen trat Hyrtl ein. Er reichte beiden die Hand und setzte sich. »Kinder, wenn ihr wüßtet, was es heißt, allein zu sein!« sagte er mit einem Seufzer, welchem er etwas Scherzhaftes beizumischen versuchte. »Man sieht Gesichter in der Luft, die Wände schrumpfen zusammen, das Zimmer wird bodenlos.« Hyrtls Augen lagen tief und irrten angstvoll in den Höhlen, und auf der Stirne brach beständig Schweiß hervor, den er mit dem Taschentuch von Zeit zu Zeit abwischte. Hanka hörte nicht auf, ihn zu betrachten; bisweilen warf er einen hastigen Seitenblick auf Arnold, der schweigend den Rauch einer Zigarre in dünnen Kegeln emporblies.
»Und wie geht es Ihnen also, mein Liebster?« wandte sich Hyrtl an Arnold und in seinem Blick glühte ehrliche Freundschaft, rührende Hingebung. Er sah in Arnold das Leben, die Gesundheit, die Kraft, und es war ihm dabei zumut wie dem Sklaven, der einen Adler in der blauen Luft schweben sieht.
»Gut, sehr gut«, antwortete Arnold trocken. »Und Sie, Sie sind krank wie immer. Raffen Sie sich doch auf! Warum rauchen Sie, wenn es Ihnen schädlich ist? Welche Widersprüche!«
Hyrtl wiegte den Kopf, als ob ihm kein Ratschlag mehr nützen könne. »Jetzt ist mir wieder wohl«, sagte er. »Ich habe meinen Arzt betrogen und bin ausgegangen. Wenn ich liebe Menschen sehe, gehts mir gut. Nun, was wollen Sie, ich bin ein Schwächling. Und Sie, Doktor«, wandte er sich an Hanka, »was treiben Sie? Hanka ist ein ehrenhafter Mensch«, bemerkte er nach seiner Gewohnheit, einen Anwesenden rücksichtslos ins Gesicht zu loben. »Wenn das Wort ehrenhaft nicht da wäre, für Hanka müßte man es erfinden.«
Errötend, wirklich errötend, legte Hanka ein Bein über das andere. Hyrtl und Arnold lachten, und Hyrtl so sehr, daß ihm Tränen in die Augen traten. Dann erhob er sich, legte einen Arm zärtlich um Arnolds Nacken und tätschelte dessen Wange. »Erinnern Sie sich an unsere hübschen Abende?« fragte er. »Erinnern Sie sich an den Hausball? Verena! Welch eine Schönheit! Wo ist sie? wo ist Verena?«
»Sie sind wieder einmal kindisch«, sagte Arnold mit einem fast drohenden Blick und schob Hyrtl von sich weg.
»Ich sehne mich nach einem Stück Wald«, sagte Hyrtl umhergehend, »und ich möchte für mein Leben gern mit euch beiden morgen Mittag über Land fahren. Mein Wagen steht zur Verfügung, wir essen draußen in aller Gemütlichkeit, wollen Sie? Sagen Sie doch ja, Arnold, seien Sie nicht so finster …!«
Arnold schüttelte den Kopf und Hyrtl wurde traurig. Er nahm wieder Platz und plauderte in melancholischer Selbstvergessenheit. »Ich wäre gern mit Ihnen nach Dornbach gefahren, Arnold. Da draußen ist noch ein Spielplatz, auf dem ich als Kind fast täglich herumtrieb. Ich erinnere mich, ich hatte ein weißes Lamm, dem ich einmal die Augen herausbrach, denn es interessierte mich riesig, was hinter den Augen steckte. Aber es waren natürlich nur Sägespäne da, wie bei manchem unserer wackeren Mitbürger.« Er lachte. »Und meine erste Liebe hab ich da erlebt, — ach! Sie war ein Bäckertöchterlein, vier Jahre alt. Einst glaubte ich mich von ihr vernachlässigt und sagte zu ihr: Sophie, heut muß ich sterben. Darauf lachte sie verächtlich und gab mir zur Antwort: Menschen sterben nicht, du Dummkopf.«
»Na, fahren wir doch mit ihm hinaus«, sagte Hanka gutmütig.
»Ja, tun Sie es!« rief Hyrtl. »Tun Sies, Arnold! Wenn Sie wüßten wie gern ich Sie habe! Sie sind so eine Art Ideal für mich. Wenn ich wieder anfangen dürfte zu leben, möcht ich so sein wie Sie.«
Endlich ließ sich Arnold bewegen und Hyrtl ging zufrieden fort, von Hanka begleitet.
Gegen elf Uhr am andern Morgen kamen Arnold und Hanka fast gleichzeitig in Hyrtls Wohnung. Der Diener trat ihnen im Flur entgegen und flüsterte: »Der gnädige Herr schläft noch.«
Arnold war entrüstet. Die Tür des Schlafzimmers weit öffnend, rief er: »Auf! auf! Langschläfer! der schönste Tag!«
Hyrtl lag mit friedlichem Lächeln im Bett und rührte sich nicht. Der Diener stand mißbilligend unter der Türe, näherte sich langsam, beugte sich über das Bett und ergriff die Hand des Schläfers. Plötzlich rief er schluchzend: »Der gnädige Herr!« und fiel neben dem Bett auf die Knie.
Hanka hielt sich an den Messingknöpfen der beiden Bettpfosten fest. Sein Gesicht war grünlich bleich geworden. Arnold schrie: »Laufen Sie zum Arzt!« Der weinende Mensch erhob sich schnell und folgte dem Befehl. Schweigend setzte sich Hanka in eine Ecke. Nach einer Viertelstunde kam der Arzt. Das Ergebnis seiner Untersuchung war, daß der Tod schon vor Stunden eingetreten sein müsse, ein Herzschlag während des Schlafes.
Fremde Leute traten ein, die einen Ausdruck komischer Finsternis in ihr Gesicht gelegt hatten, als ob sie versprochen hätten, eine Stunde lang nicht zu lachen. Arnold und Hanka verständigten sich durch ein Zeichen und gingen. Keiner von ihnen vermochte den andern anzureden. Arnold fürchtete Hankas Gesicht, Hankas Gedanken; er fürchtete ebenso sehr, daß Hanka ihn jetzt allein lassen könnte. Plötzlich blieb er stehen und sagte: »Hören Sie Hanka, ich habe mir das überlegt, was Sie mir gestern erzählt haben. Sie sind in einer mißlichen Lage und ich kann Ihnen leicht die fünfzehntausend Gulden leihen, die Sie brauchen.«
Hanka blieb ebenfalls stehen und starrte gerade aus. Aha, dachte er betrübt, bestechen willst du mich, mein Urteil willst du bestechen. »Ich danke Ihnen«, sagte er kalt, »ich brauche es nicht.«
Noch gestern und er hätte das Geld angenommen. Sein Herz wünschte sich in dieser Sekunde weit weg. Ihm war, als hätte ihn eine gespensterhafte Hand ins Gesicht geschlagen. Mit traurigen, verächtlichen Augen blickte er vor sich hin und stieß sein leer gewordenes Schifflein gleichgültig ins Meer. Er mochte nicht so von Arnold gehen, wie er innerlich schon von ihm gegangen, darum blieben sie noch ein paar Stunden beieinander. Es kommt gar nicht darauf an, eine schlechte oder eine lobenswerte Handlung zu begehen, dachte Hanka, nur muß der Sinn, aus dem sie geflossen, unwandelbar sein. Er hatte nicht Willenskraft genug, dies Arnold zu sagen.
Gegen Abend gingen sie noch einmal hin, um den toten Hyrtl aufzusuchen. Die Außentüre stand offen. Kränze lagen im Flur. Sie wollten in das Sterbezimmer treten, als Hanka stehen blieb und seine Hand auf Arnolds Schulter legte, um ihn gleichfalls aufmerksam zu machen. Durch die angelehnte Tür sahen sie, wie der Diener, allein mit dem Toten, sich mit natürlicher Verehrung über die Leiche beugte und die Hand des Herrn küßte.
Leise kehrte Hanka um, und Arnold folgte ihm mechanisch. »Gute Nacht«, sagte Hanka, als sie draußen waren. »Sehen Sie, nicht einmal so viel war er uns wie der Kreatur, die er bezahlt hat.«
Hanka ging nach Hause.