Zwei

Sekundenlang herrschte Schweigen im Raum, dann meldete sich Captain Faresa wieder zu Wort und sprach nach wie vor in schrof-fem Tonfall: »Und wie, Captain? Welche Magie werden Sie zum Einsatz bringen? Uns bleibt weniger als eine Stunde, bis das Ultimatum der Syndiks abläuft.«

Geary bedachte sie mit dem gleichen abweisenden Blick, den sie ihm zuteilwerden ließ, und die Mienen der anderen Offiziere verrieten ihm, dass seine Autorität auf des Messers Schneide stand. Zum ersten Mal fiel ihm auf, wie jung viele von ihnen waren. Jünger als die Captains, die vor einem Jahrhundert Schiffe befehligten, und eindeutig nicht so abgebrüht und erfahren. Zu viele von ihnen saßen da, beobachteten das Geschehen und warteten ab. Sie waren offensichtlich bereit, sich der Seite anzuschließen, die die Mehrheit stellte, ganz gleich, welcher Ansicht diese Mehrheit war. Wenn es erst einmal dazu kam, dann könnte die Flotte daran zerbrechen, und das würde es den Syndiks umso leichter machen, sie restlos zu zerschlagen. »Dann sollten wir diese Zeit besser sinnvoll nutzen, anstatt uns gegenseitig spitze Bemerkungen an den Kopf zu werfen, oder finden Sie nicht?« Er zeigte auf die Tischmitte, wo die Positionen der Allianz-Schiffe angezeigt wurden. Die am schwersten beschädigten Schiffe hatten sich annähernd zu einer großen Sphäre formiert. Zwischen ihnen und der bedrohlichen Front aus Syndik-Schiffen stand eine rechteckige, in Richtung des Feindes gewölbte Mauerformation aus Allianz-Schiffen. Es wirkte auf den ersten Blick recht beeindruckend, aber wenn man die Flotte durchzählte, dann war die Mauer der Allianz nicht viel mehr als eine dünne Glasscheibe, die der Vor-schlaghammer aus Syndik-Schiffen mühelos zerschlagen würde.

Auch Captain Duellos zeigte zur Tischmitte. »Bedauerlicherweise ist diese Darstellung akkurat, und weder die Gesetzmäßigkeiten des Krieges noch die physikalischen Gesetze haben sich seit Ihrem letzten Gefecht geändert, Captain Geary. Wir befinden uns hier, und die Syndiks sind nur zweieinhalb Lichtminuten von unseren vorderen Schiffen entfernt. Das Hypernet-Portal befindet sich«, sein Finger wies auf einen Punkt jenseits der gegnerischen Flotte, »dort, dreißig Lichtminuten entfernt, und das auf der falschen Seite des Feindes.«

»Hätten wir nur ein paar Stunden mehr, um die beschädigten Schiffe zu reparieren«, meinte einer der anderen Captains.

»Da würden auch ein paar Tage nichts ausmachen«, wandte jemand ein. »Die Syndiks reparieren ihre Schiffe ebenfalls, und sie können darauf zählen, dass sie durch das Portal hinter ihnen mit Verstärkung und Nachschub versorgt werden!«

Duellos nickte zustimmend. »Das sehe ich auch so. Selbst wenn die Syndiks ihr Ultimatum verstreichen lassen sollten, bleibt uns nicht genug Zeit.«

Geary sah der Reihe nach die Offiziere am Konferenztisch an.

»Wir können einen Angriff nicht zurückschlagen, und genauso wenig können wir sie attackieren und darauf hoffen, dass wir das überleben würden.«

»Einzelne Schiffe«, sprach Numos, dessen Gesicht rot angelaufen war, »könnten in der Lage sein…«

»In der Lage wozu, Captain? Dieses… Portal zu erreichen? Und was dann?« Geary hörte, wie etliche Anwesende hastig einatmeten und die Luft anhielten. »Diese Flotte verfügt über einen Hypernet-Schlüssel der Syndiks. Das ist mir bekannt. Aber ich gehe davon aus, dass die Schiffe, die ihn benutzen wollen, gleichzeitig in dieses Portal fliegen müssen.« Zustimmendes Gemurmel kam auf. »Ich sage es noch einmal. Ein Plan, wonach jeder für sich selbst kämpft, kommt bei dieser Flotte nicht zur Anwendung, und jeder Offizier, der das trotzdem versucht, wird von mir vor ein Kriegsgericht gestellt, sofern ich ihn zu fassen bekomme. Und sofern er nicht bereits von den Syndiks bei der Ankunft am Portal getötet wird, in das er allein nicht einfliegen kann.« Wieder herrschte Schweigen.

Geary lehnte sich zurück und rieb sich das Kinn. »Diesen Weg können wir nicht gehen. Aber das ist ja auch nicht unsere einzige Option. Vielleicht kann mir einer von Ihnen das hier erklären.« Er zögerte kurz, bevor er sich sicher war, dass er auch die richtigen Tasten erwischte. »Hier.« Er deutete auf einen Punkt seitlich hinter der Allianz-Flotte. »Das ist zwanzig Lichtminuten vom nächsten Allianz-Schiff entfernt. Warum wird das nicht bewacht?«

Alle stutzten und reckten den Hals, um besser zu sehen. Schließlich warf Captain Faresa Geary wieder einen von diesen Blicken zu, die in der Lage schienen, sich durch Stahlwände zu fressen. »Weil es ohne Bedeutung ist.«

»Ohne Bedeutung«, wiederholte Geary und ließ die Worte einen Moment lang im Raum hängen, während er überlegte, ob er einen legitimen Grund finden konnte, die Frau nicht noch einmal ansehen zu müssen. »Das ist der Sprungpunkt in diesem System.« Die anderen reagierten mit einem Schulterzucken auf seine Bemerkung.

»Verdammt noch mal, warum können wir den nicht benutzen, um von hier zu verschwinden?«

»Captain Geary«, sagte Duellos betont langsam. »Es gibt wahrscheinlich nur ein oder zwei Sterne, die in Sprungreichweite liegen.«

»Es gibt nur einen«, gab Geary zurück. Es war nicht schwierig gewesen, diese Information zu finden. »Corvus.«

»Dann erkennen Sie ja unser Problem, Sir. Die Methode, von System zu System zu springen, besitzt eine zu geringe Reichweite. Das Corvus-System ist nur ein paar Lichtjahre entfernt und liegt noch immer tief im Syndik-Territorium.«

»Das weiß ich, aber von Corvus aus können wir zu einem von…«, er überprüfte seine Informationen, »…drei Systemen weitersprin-gen.« Er sah, wie die Offiziere sich untereinander anschauten, doch niemand sagte einen Ton. »Von einem dieser Systeme können wir dann zum nächsten springen.«

Captain Faresa schüttelte den Kopf. »Sie wollen doch nicht allen Ernstes vorschlagen, dass wir den Sprungantrieb einsetzen, um in Allianz-Gebiet zurückzukehren, oder?«

»Warum denn nicht? Wir reisen immer noch mit Überlichtgeschwindigkeit.«

»Aber nicht schnell genug! Haben Sie irgendeine Ahnung, wie tief im Syndik-Raum wir uns befinden?«


Geary machte keinen Hehl aus seiner Verärgerung, als er sie anschaute. »Da sich seit meinem letzten Kommando die Form der Ga-laxis nicht grundlegend verschoben hat, weiß ich, wie tief im Syndik-Raum wir sind. Das heißt, wir haben einen weiten Weg vor uns.

Es ist eine Möglichkeit. Oder möchten Sie lieber hier sterben?«

»Immer noch besser, als Selbstmord auf Raten zu begehen! Wir verfügen nicht über die notwendigen Vorräte, um eine solche Reise durchzustehen. Es würde Monate dauern, je nach Route sogar Jahre.

Aber das ist völlig unbedeutend, weil die Syndik-Flotte schlichtweg vor uns dort eintreffen und uns bei unserer Ankunft auslöschen würde.«

Geary versuchte, seine Wut so sehr zu bändigen, dass er darauf antworten konnte, doch Captain Desjani kam ihm zuvor. »Das Corvus-System befindet sich nicht im Syndik-Hypernet. Sie könnten uns dort also nicht erwarten.« Desjani sah sich in der Runde um.

»Sie müssten uns durch den Sprungpunkt folgen, und das dauert.«

Captain Duellos nickte eifrig. »Ja! Wir hätten ein Zeitfenster, um von Corvus zum nächsten Sprungpunkt zu gelangen. Kein großes, aber ein ausreichendes Zeitfenster. Dann müssten die Syndiks rät-seln, was unser anschließendes Ziel ist.«

»Wir haben keine Vorräte!«, beharrte Faresa. Der Blick, den Duellos ihr zuwarf, ließ deutlich erkennen, dass die beiden nichts füreinander übrig hatten. »Und wer weiß, was uns bei Corvus erwartet!«

»So wichtig kann es nicht sein«, hielt jemand dagegen. »Sonst wäre das System mit dem Syndik-Hypernet verbunden.«

»Wir wissen aber nicht, was uns da erwartet!«

»Captain Faresa.« Sie drehte sich um und sah Geary aufgebracht an, während der auf die Darstellung der Syndik-Flotte zeigte. »Wir wissen, was uns dort erwartet, richtig? Kann uns bei Corvus irgendetwas erwarten, das schlimmer ist als das da? Unsere Chancen stehen in jedem Fall besser, und die Transitzeit im Sprungraum können wir nutzen, um Reparaturen an den Schiffen vorzunehmen.«

Es wurde zustimmend genickt, einige Captains begannen zu lächeln. »Aber die Vorräte…«, versuchte Faresa beharrlich zu bleiben.

»Ich nehme an, auf Corvus wird sich irgendetwas finden lassen.«


Geary reckte den Hals, um die Daten besser sehen zu können. »Hier steht, dass sich dort eine Selbstverteidigungsbasis der Syndiks befindet. Halten die immer noch Vorräte bereit, bei denen sich vorbei-kommende Syndik-Schiffe bedienen können?«

»Bislang war das so…«

»Dann werden sie auch etwas haben. Außerdem gibt es in dem System eine bewohnte Welt. Es wird Einrichtungen nahe dieser Welt geben sowie Schiffe, die innerhalb des Systems unterwegs sind. Das sind Möglichkeiten für uns, an Ersatzteile, Lebensmittel und andere Vorräte heranzukommen.« Geary betrachtete die Anzeige und verlor sich in seinen Berechnungen, weshalb er die Captains der anderen Schiffe für einen Moment vergaß. »Das wäre ein sehr kurzer Aufenthalt bei Corvus. Die Syndiks werden hinter uns den Sprungpunkt so schnell wie möglich verlassen, daher wird es ein Wettlauf mit der Zeit werden, unsere langsameren und stärker beschädigten Schiffe durch das System zu bringen, bevor man uns einholen kann.« Er sah sich um und bemerkte die Unsicherheit auf den Gesichtern der Männer und Frauen. »Wir können das schaffen.«

»Captain Geary«, meldete sich Tulev wieder zu Wort. »Ich muss Sie darauf hinweisen, dass es nicht leicht werden wird, diesen Sprungpunkt überhaupt erst zu erreichen.«

»Er ist nicht bewacht.«

»Nein, aber die Syndik-Flotte sitzt uns im Nacken, und sie verfügen über einige sehr schnelle Schiffe. Die langsameren Schiffe können sie hinter sich zurücklassen, doch das können wir uns nicht leisten.«

Geary nickte. »Das stimmt. Ladys and Gentlemen, ich werde die Syndiks so lange aufhalten, wie ich kann. Aber sobald wir uns in Bewegung setzen…«

»Captain.« Eine kleine Frau mit eindringlichem Blick beugte sich vor. »Wir könnten die Flotte umordnen und es so aussehen lassen, als würden wir uns für einen Angriff wappnen. Dabei könnten wir die beschädigten und langsamen Schiffe unbemerkt näher an den Sprungpunkt heranführen.«

Geary lächelte. Commander Cresida von der Furious. Ihr Gesicht musste er sich ebenfalls merken. »Haben Sie auch schon konkrete Ideen?«

»Ja, Sir. Die habe ich.«

»Zeigen Sie sie mir, sobald Sie sie ausgearbeitet haben.«

»Wird mir ein Vergnügen sein, Captain Geary.« Cresida lehnte sich wieder zurück und bedachte Numos und Faresa mit einem verächtlichen Blick.

Wieder sah sich Geary einen nach dem anderen an. Noch immer unschlüssig, aber wenigstens haben sie so etwas zu tun. Etwas, das funktionieren könnte, auch wenn es so weit hergeholt ist, dass sie es ohne mein Drängen nicht in Erwägung gezogen hätten. Gib’s zu, Geary, ohne dich wären sie doch nicht mal auf diese Idee gekommen, weil sie alle nur auf das Hypernet-Portal fixiert waren. Und indem sie andere Optionen von vornherein ausschlossen, spielten sie auch noch dem Feind in die Hände.

»Dann wollen wir mal.« Anstatt einer direkten Reaktion sahen sich die anderen Captains überrascht an. »Was ist los? Würde mir das bitte mal jemand sagen?«

Sichtlich widerstrebend reagierte Captain Desjani. »Es ist üblich, dass eine vorgeschlagene Vorgehensweise von den Senioroffizieren und den Schiffskommandanten diskutiert wird, um anschließend darüber abzustimmen.«

»Abstimmen?« Er sah sie fassungslos an, dann die anderen Offiziere. Kein Wunder, dass ihm Admiral Bloch zeitweise wie ein Politiker vorgekommen war, der sich zum Präsidenten wählen lassen wollte.

»Wann zum Teufel ist denn diese Methode eingerissen?«

Desjani verzog den Mund. »Ich bin nicht persönlich vertraut mit den…«

»Egal, ich habe jetzt ohnehin keine Zeit für Nachhilfeunterricht in Geschichte. Und wir haben auch keine Zeit, um über die weitere Vorgehensweise zu diskutieren. Mag sein, dass ich nicht weiß, wie die Dinge heute laufen, aber ich weiß, es gibt nichts Schlimmeres, als gelähmt dazusitzen und darauf zu warten, dass die Schlange als Erste zuschlägt. Unentschlossenheit ist der Tod für Schiffe und Flotten.

In der uns verbleibenden Zeit müssen wir entschlossen handeln, und solange ich das Kommando habe, werde ich keine Abstimmun-gen abhalten. Ich höre mir gern Ihre Vorschläge und Ideen an. Ich will diese Dinge sogar von Ihnen hören, aber ich gebe die Befehle.

Das wollen Sie doch schließlich, oder? Sie wollen, dass Black Jack Geary Sie aus diesem Schlamassel herausholt, nicht wahr? Gut, das werde ich auch machen, aber auf die bestmögliche Art, die ich kenne!«

Er verstummte und sah die Offiziere an, wobei er sich fragte, ob er jetzt womöglich den Bogen überspannt hatte. Eine Weile geschah nichts, dann auf einmal beugte sich Commander Cresida vor. »Ich habe Befehle auszuführen, die vom Flottenkommandeur kommen.

Ich habe keine Zeit für irgendwelchen Unsinn, wenn es auf der Furious Arbeit zu erledigen gibt. Captain Geary?«

Er grinste sie an. »Sie haben freie Hand, Commander.«

Cresida verschwand von ihrem Platz, als die Verbindung unterbrochen wurde. Als hätte sie einen Dominostein umgeworfen, der eine Kettenreaktion auslöste, erhoben sich die anderen Offiziere zügig und verabschiedeten sich von ihm. Ironischerweise kam es Geary so vor, dass viele von ihnen es vorzogen, seine Befehle auszuführen, anstatt sich auf eine Diskussion mit ihm einzulassen.

Eine sonderbare Sehnsucht nach vergangenen Zeiten regte sich in ihm, als er sah, wie sich einer nach dem anderen in Luft auflöste.

Früher gab man sich die Hand, und man unterhielt sich, während man durch die Luke nach draußen ging. Es waren kurze Momente menschlicher Beziehungen, die jedem aufgezwungen wurden, weil eine große Zahl Menschen einen schmalen Durchgang passieren musste. Aber jetzt und hier fehlte das völlig. Die Projektionen seiner Untergebenen verschwanden so abrupt, als würde eine Seifenblase platzen. Mit jedem virtuellen Teilnehmer weniger wurde auch der Konferenzraum ein Stück kleiner, und nach wenigen Augenblicken war nichts weiter übrig als ein unbedeutender kleiner Raum mit einem unbedeutenden kleinen Tisch.

Außer der real anwesenden Captain Desjani gleich neben ihm waren noch zwei kleinere Gruppen Offiziere zurückgeblieben. Geary stutzte bei ihrem Anblick, da ihm erst jetzt auffiel, dass ihre Uniformen sich geringfügig von denen der Allianz-Flotte unterschieden. Er konzentrierte sich darauf, sie zu identifizieren, und sah, dass die eine Gruppe zur Rift-Föderation gehörte, während die etwas größe-re Gruppe Teil der Callas-Republik war. An beide Planetenbünde konnte er sich noch gut erinnern. Beide hatten über keine große Zahl von Mitgliedswelten verfügt und waren zu seiner Zeit neutral gewesen. Offenbar hatten die Ereignisse sie inzwischen aber gezwungen, sich auf die Seite der Allianz zu stellen. Geary nickte ihnen zu, wobei er sich fragte, wie viel Autorität er über diese Verbündeten be-saß. »Ja?«

Die Offiziere der Rift-Föderation sahen zu den Offizieren der Callas-Republik, die Platz machten für eine Frau in Zivilkleidung. Geary bemühte sich, eine ausdruckslose Miene zu wahren, als er diese Frau bemerkte. Ich habe nicht gesagt, dass niemand außer den Schiffskommandanten an der Besprechung teilnehmen darf richtig? Ich glaube es jedenfalls nicht. Wer ist das? Auf dem Namensschild neben ihrem Bild stand »C-P Rione« geschrieben. Wofür steht denn das?

Die Frau betrachtete Geary, ohne eine Regung zu zeigen. »Ist Ihnen bekannt, dass gemäß den Bestimmungen unserer Vereinbarung unsere Schiffe der Kontrolle durch die Allianz entzogen werden dürfen, wenn eine zuständige Autorität zu dem Schluss kommt, dass ihr Einsatz nicht im besten Interesse unserer Heimatwelt erfolgt?«

»Nein, das wusste ich noch nicht. Ich darf annehmen, Sie sind die ›zuständige Autorität‹?«

»Ja.« Sie deutete ein minimales Nicken an. »Ich bin Co-Präsidentin Victoria Rione von der Callas-Republik.«

Geary schaute zu Captain Desjani, die entschuldigend mit den Schultern zuckte, und wandte sich dann wieder Victoria Rione zu.

»Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Ma’am. Aber es gibt momentan eine Menge zu…«

Sie hob eine Hand hoch, um ihn zu unterbrechen. »Bitte, Captain Geary. Ich muss auf einer Besprechung unter vier Augen bestehen.«

»Dafür werden wir bestimmt noch viel Zeit haben, wenn…«

»Bevor ich unsere Schiffe Ihrem Kommando unterstelle.« Sie warf den Offizieren der Rift-Föderation einen Blick zu. »Die Schiffe der Rift-Navy haben sich einverstanden erklärt, meiner Empfehlung zu folgen.«

Ach, verdammt. Wieder sah er zu Desjani und sah, wie sie nickte.

Er würde das also über sich ergehen lassen müssen. »Wo…?«

Desjani ging einen Schritt zurück. »Hier, Captain Geary. Ich werde den Raum verlassen, dann wird um Sie und die Co-Präsidentin eine virtuelle Privatsphäre errichtet. Wenn Ihre Besprechung abgeschlossen ist, sagen Sie einfach ›Ende Privatkonferenz Ende‹, und dann können Sie sich wieder an die anderen Offiziere wenden, wenn Sie das möchten.« Mit diesen Worten eilte sie aus dem Konferenzraum, als sei sie froh, wenigstens dieser Besprechung entfliehen zu können.

Geary schaute ihr nach und setzte wieder eine möglichst neutrale Miene auf. Während er sich wünschte, er könnte nochmals in jenen betäubten Zustand versinken, in dem er sich seit seinem Erwachen befunden hatte, drehte er sich zu der Politikerin um, die ihren eisigen, starren Blick nicht für einen Moment von ihm abgewandt hatte.

»Worüber wollen Sie mit mir reden?«

»Über Vertrauen.« Ihre Stimme war genauso unterkühlt wie ihr Gesichtsausdruck. »Um es präziser auszudrücken: Warum sollte ich die verbliebenen Schiffe der Republik Ihrem Kommando anvertrauen?«

Geary senkte den Blick, rieb sich die Stirn und musterte sein Gegenüber. »Ich könnte Sie darauf hinweisen, dass die einzige Alternative darin besteht, ihr Schicksal in die Hände der Syndiks zu legen, und wir alle haben eben erst zu sehen bekommen, wozu das führt.«

»Mit uns könnten sie anders verfahren, Captain.«

Dann geh doch und lass dir deinen kostbaren Hintern von den Spezial-kräften der Syndiks wegschießen. Dann wirst du ja sehen, ob mich das kümmert! Er wusste jedoch, er brauchte jedes verfügbare Schiff, zudem missfiel ihm die Vorstellung, jemanden hier zurückzulassen, selbst wenn der das aus freien Stücken so wollte. »Ich halte das für keine gute Idee.«

»Dann erklären Sie mir den Grund für Ihre Ansicht, Captain Geary.«


Er atmete tief durch und erwiderte den abweisenden Blick der Frau. »Weil die Syndiks Admiral Bloch und seine Leute abge-schlachtet haben, als der mit ihnen verhandeln wollte und noch alle verbliebenen Schiffe da waren, um seine Forderungen zu unterstreichen. Sie dagegen werden nur noch mit einem Bruchteil dieses Rückhalts verhandeln können. Glauben Sie wirklich, die Syndiks sind eher zum Verhandeln bereit, wenn sich ihr Gegenüber in einer noch schwächeren Position befindet?«

»Ich verstehe.« Endlich wandte sie den Blick von ihm ab und begann, an einer Seite des Raumes auf und ab zu gehen. »Sie sind also nicht der Ansicht, dass sie sich von den vereinten Flotten der Republik und der Föderation beeindrucken lassen werden?«

»Ich bin der Ansicht, dass nicht mal die vereinten Flotten von Republik, Föderation und Allianz eine Chance haben, wenn die versammelten Streitkräfte der Syndiks auf uns losgehen. Wir könnten ihnen wehtun, vielleicht sogar ganz erheblich, aber wir würden es nicht überleben. Und wenn die Syndiks sich in den letzten hundert Jahren nicht grundlegend geändert haben, dann kann man mit ihnen auch jetzt nicht fair verhandeln. Die stärkere Seite diktiert die Bedingungen in der Form, in der sie glaubt, sie auch durchsetzen zu können.«

Rione blieb stehen, betrachtete sekundenlang das Deck und sah dann wieder zu ihm. »Das ist richtig. Sie haben sich das Ganze nicht nur aus der reinen Gefechtsperspektive durch den Kopf gehen lassen.«

Geary ließ sich auf den nächstbesten Stuhl sinken. Seit seiner Rettung hatte er sich körperlich und geistig nicht mehr so verausgabt wie jetzt. Die Flottenärzte hatten aus genau diesem Grund nervös über ihn gewacht, seit er aufgetaut war. Niemand vermochte zu sagen, welche Wirkung ein so langer Tiefschlaf auf Gearys Physiologie haben würde, weshalb sie ihn eindringlich gewarnt hatten, mit seinen Kräften zu haushalten. Ich schätze, diese Frage werde ich als ihr Versuchskaninchen wohl beantworten können. »Ja, Madam Co-Präsidentin, ich habe versucht, es mir durch den Kopf gehen zu lassen.«

»Behandeln Sie mich nicht so von oben herab. Diese Schiffe sind von existenzieller Bedeutung für die Republik. Wenn sie zerstört werden…«

»Ich will möglichst jedes Schiff nach Hause bringen.«

»Tatsächlich? Sie wollen nicht die Flotte neu formieren und einen genialen Gegenangriff unternehmen, der zu einem glorreichen Sieg führt? Ist das nicht eigentlich das, was Sie wirklich wollen, Captain Geary?«

Geary sah sie an und machte keinen Hehl aus seiner Müdigkeit.

»Sie scheinen zu glauben, dass Sie mich kennen.«

»Ich kenne Sie auch, Captain Geary. Ich habe viel über Sie gehört.

Sie sind ein Held, aber ich mag keine Helden, Captain. Helden führen Armeen und Flotten in den Tod.«

Er lehnte sich nach hinten und rieb sich die Augen. » Ich bin derjenige, der hier eigentlich tot sein sollte«, hielt er ihr vor.

»Was das Problem nur noch verschärft.« Die Darstellung auf dem Konferenztisch war noch nicht abgeschaltet worden. Rione machte zwei Schritte und zeigte darauf. »Wissen Sie, warum Admiral Bloch dieses Risiko einging? Warum er bei dieser Operation alles auf eine Karte setzte?«

»Er sagte mir, dass er darin einen Weg sah, diesem Krieg ein für alle Mal ein Ende zu setzen.«

»O ja.« Rione nickte, während sie weiter die Darstellung der Flotte betrachtete. »Ein mutiger, kühner Schlag. Eine Operation, auf die Black Jack Geary persönlich stolz sein könnte«, fügte sie hinzu. »Das ist ein Zitat, Captain.«

Er versteifte sich. »Davon hat er mir gegenüber kein Wort verlauten lassen.«

»Natürlich nicht. Aber anderen gegenüber. Und indem er den Geist des großen Black Jack Geary beschwor, sicherte er sich die Unterstützung für diesen Angriff auf die Syndiks. Der ja wirklich hervorragend verlaufen ist, wie Sie selbst sehen können.«

»Geben Sie mir nicht die Schuld! Ich muss mit dem arbeiten, was von der Flotte noch übrig ist, aber ich habe sie nicht hergebracht!«

Sie hielt inne, als ob sie sich seine Worte durch den Kopf gehen ließ. »Warum haben Sie das Kommando übernommen?«

»Warum?« Mit einer Hand fuchtelte er in Richtung Luke. »Weil Admiral Bloch mich darum bat. Weil er es mir befahl! Und dann…

dann haben die…« Er senkte den Blick, da er diese Frau nicht länger ansehen wollte. »Ich hatte keine andere Wahl.«

»Sie haben aber sehr darum gekämpft, Ihre Autorität durchzusetzen. Das konnte ich miterleben, Captain Geary.«

»Das musste ich auch. Wenn niemand das Kommando übernommen hätte, der auch ein legitimes Recht hat, die Befehlsgewalt auszuüben, dann wäre diese Flotte zersplittert, und die Syndiks hätten sie in aller Seelenruhe auslöschen können. Das muss Ihnen doch auch klar sein.«

Sie beugte sich vor, weil sie ihm in die Augen sehen wollte. »Kann ich Black Jack Geary vertrauen? Denn der sind Sie.«

»Ich bin ein Offizier der Allianz. Und… ich habe eine Aufgabe zu erledigen. Falls ich das kann.« Den letzten Satz hätte er sich liebend gern verkniffen, doch er war ihm über die Lippen gekommen, ehe er sich zurückhalten konnte. Er wollte keine Schwäche zeigen, da er nicht wusste, wie sehr das der ohnehin schon winzigen Chance der Flotte schaden würde. »Mehr als das bin ich nicht.«

»Mehr nicht? Nicht der Held aus der Legende?« Sie kam näher und musterte ihn aufmerksam. »Wer sind Sie dann?«

»Sie sagten doch, das wüssten Sie längst.«

»Ich kenne Black Jack Geary, und ich fürchte, der große Black Jack Geary wird irgendetwas Heldenhaftes versuchen, das das Schicksal dieser Flotte und das der gesamten Allianz einschließlich meiner Leute besiegeln könnte. Sind Sie Black Jack Geary?«

Ungewollt begann er laut zu lachen. »Niemand könnte er sein.«

Wieder schaute sie ihn an, dann machte sie kehrt und entfernte sich ein paar Schritte. »Wo ist der Hypernet-Schlüssel?«

»Was?«

Mit aufblitzenden Augen wirbelte sie zu ihm herum. »Der Hypernet-Schlüssel der Syndiks. Ich weiß, die Flotte verfügt immer noch über einen. Wäre er zerstört worden, hätten Sie es allen gesagt, damit sie sich Ihrem Plan anschließen. Er existiert noch. Wo ist er?«

»Tut mir leid, aber ich…«

»Existiert er noch?«

Er sah ihr in die Augen und versuchte zu entscheiden, was er tun und sagen sollte. Er hasste es zu lügen. »Ja.«

»Wo?«

»Darüber möchte ich lieber nicht reden.«

»Angenommen, ich erkläre mich bereit, meine Schiffe und die der Föderation Ihrem Kommando zu unterstellen, allerdings unter der Bedingung, dass Sie mir die Frage nach dem Wo beantworten…«

Er brachte ein schiefes Lächeln zustande. »Selbst dann würde ich es Ihnen lieber nicht sagen. Aber wenn ich auf diese Weise Ihre Schiffe retten kann, würde ich es Ihnen sagen.«

»Dazu wären Sie bereit? Ihnen ist doch klar, wie wichtig diese Information ist, nicht wahr?«

»Ja. Wie gesagt: Ich würde die Information mit Ihnen teilen, wenn ich dafür Ihre Schiffe zusammen mit dem Rest der Flotte hier rausholen kann.«

Rione kniff die Augen zusammen. »Ich könnte die Information an die Syndiks weitergeben, damit die uns im Gegenzug unbehelligt passieren lassen.«

Der Gedanke war ihm nicht gekommen. Er schaute sie wütend an.

»Warum zum Teufel erzählen Sie mir das?«

»Um Ihnen zu zeigen, dass es tödlich enden kann, wenn man leichtfertig einem anderen vertraut. Aber Sie waren bereit, mir Ihr Vertrauen zu schenken. Ich werde es Ihnen ohne Umschweife sagen, Captain Geary: Ich erkläre mich damit nur einverstanden, weil ich keine andere Lösung sehe. Die Schiffe der Republik werden in der Flotte bleiben, und ich bin mir sicher, die Schiffe der Rift-Föderation werden meiner Empfehlung folgen und das Gleiche tun. Allerdings behalte ich mir das Recht vor, diese Schiffe Ihrem Kommando zu entziehen, wenn ich die Notwendigkeit dazu sehe.«

»Sieht nicht so aus, als hätte ich irgendeine andere Wahl«, meinte er schulterzuckend.

Rione lächelte ihn tatsächlich an. »Stimmt, die haben Sie auch nicht.«

»Danke.« Er hielt kurz inne, dann stand er vorsichtig auf, wobei er sich mit einer Hand auf der Armlehne abstützte. »Ich würde Sie gern um einen Gefallen bitten.« Die Co-Präsidentin sah ihn skeptisch an. »Ich benötige einen Politiker. Jemanden, der aus einem Argument so viel wie möglich herausholen kann. Der viele Worte machen kann, die nicht das bedeuten, wonach sie sich anhören, und mit denen er sich letztlich zu nichts verpflichtet.«

»Ein Kompliment? Wie nett von Ihnen, Captain Geary.« Offenbar besaß die Co-Präsidentin einen Sinn für Humor, der allerdings tief vergraben zu sein schien.

»Keine Ursache.« Er deutete auf die Anzeige auf dem Tisch, die die übermächtige Syndik-Flotte und die Überreste der Allianz-Flotte darstellte. »In einer halben Stunde läuft das Ultimatum der Syndiks ab. Wir benötigen jede verfügbare Minute, um Schäden zu beheben und um die Flotte in eine Position zu bringen, von der aus der Sprungpunkt schnell zu erreichen ist. Können Sie mit den Syndiks reden und sie hinhalten, damit sie so lange wie möglich ihre Position halten?«

»Meinen Sie, im Namen der Republik und der Föderation, oder im Namen der gesamten Flotte?«

»Das ist mir egal. Hauptsache, Sie verwickeln sie in eine möglichst lange Unterhaltung. Schinden Sie für uns Zeit raus, Madam Co-Präsidentin. So viel Sie nur können.«

Sie nickte. »Das ist ein vernünftiges Anliegen, Captain Geary. Ich werde mit den Syndiks einen Dialog eröffnen, sobald ich an Bord meines Shuttles bin.«

Er sah sie verdutzt an. »An Bord Ihres Shuttles? Sie werden auf keinen Fall zum…«

»…zum Flaggschiff der Syndiks aufbrechen? Nein, nein, Captain Geary. Ich komme zu Ihnen auf die Dauntless. Ich möchte Sie höchstpersönlich im Auge behalten. Und einen bestimmten, sehr wichtigen Ausrüstungsgegenstand. Ja, ganz genau. Gesagt haben Sie mir nichts, aber ich glaube, ich kann die Interessen meines Volks am besten wahren, wenn ich mich auf Ihrem Schiff aufhalte.«

Geary atmete tief durch, dann nickte er. »Ich werde Captain Desjani davon in Kenntnis setzen, dass Sie auf dem Weg hierher sind.«

»Vielen Dank, Captain Geary.« Wieder ein Lächeln, das genauso herausfordernd war wie ihr Blick. »Dann werde ich jetzt versuchen, die Syndiks einzuschüchtern, damit sie uns mehr Zeit geben.« Mit diesen Worten löste sie sich vor seinen Augen in Luft auf.

Geary schaute sekundenlang auf die Stelle, an der sich eben noch Riones Bild befunden hatte. Vielleicht kann sie die Syndiks tatsächlich einschüchtern, dass sie uns mehr Zeit geben. Mir macht sie auf jeden Fall Angst.

Captain Desjani nahm die Nachricht von der bevorstehenden Ankunft der Co-Präsidentin Rione wie ein weiteres übles Ereignis hin, von denen es den ganzen Tag über schon mehr als genug gegeben hatte. »Wenigstens haben wir noch deren Schiffe.«

»Ja.« Geary sah sich um. »Captain Desjani, wo ist Admiral Blochs Stab?«

»Sein Stab?«

»Ja. Alle Offiziere, die ihm als dem Flottenkommandeur zugeteilt sind? Wo sind diese Leute? Ich dachte, sie würden sich von sich aus an mich wenden.«

Einen Moment lang war Desjani sichtlich irritiert, dann verstand sie. »Ach, jetzt weiß ich, was Sie meinen. Sie denken da an früher.

Tut mir leid«, fügte sie hastig an, als sie Gearys Reaktion auf ihre Bemerkung erkannte, »aber seitdem hat sich viel verändert. Wir haben schon seit langer Zeit einen Mangel an erfahrenen Offizieren. Der Stab, wie Sie ihn kennen, ist nach und nach immer weiter reduziert worden, damit man die Leute auf andere Schiffe versetzen konnte.«

Geary schüttelte den Kopf. »So schwere Verluste?«

»Schwere Verluste?«, wiederholte Desjani und zögerte kurz. »Wir haben im Verlauf des Krieges zahlreiche Schiffe verloren, aber die Verluste der Syndiks waren größer«, fügte sie noch schnell hinzu.

»Ich hatte mich bereits gewundert, warum so viele der Captains so jung sind.«

»Wir… können uns nicht immer den Luxus leisten, Offizieren eine lange Karriere zu ermöglichen, bevor sie das Kommando über ein Schiff übernehmen müssen.«

»Ich verstehe«, erklärte Geary, obwohl er es eigentlich gar nicht verstand. All diese jungen Captains, die neuen Schiffe… einen Moment spürte er wieder das Eis in seinem Inneren, als ihm bewusst wurde, dass sämtliche Schiffe, mit deren Daten er sich beschäftigt hatte, neu oder zumindest fast neu waren. Er war davon ausgegangen, dass man ältere Schiffe nicht mitgenommen hatte, da sie technisch nicht auf dem aktuellen Stand waren. Jetzt allerdings begann er sich zu fragen, wie viele ältere Schiffe es überhaupt noch gab und wie hoch in diesem Krieg inzwischen die durchschnittliche Lebens-erwartung eines Crewmitglieds war.

Captain Desjani führte noch weiter aus, als verspüre sie das Be-dürfnis, die Situation persönlich zu rechtfertigen. »Die Verluste waren nicht durchgehend so schwer, aber phasenweise haben wir schon sehr viele Schiffe verloren. Ein Jahrhundert Krieg kostet viele Schiffe und noch mehr Menschenleben.« Sie wirkte wütend und müde zugleich. »Zu viele Menschenleben. Admiral Bloch hatte zwei Senioradjutanten. Vermutlich haben Sie nicht mitbekommen, dass sie mit ihm und Admiral Blochs Stabschef an Bord des Shuttles gegangen sind, das zum Flaggschiff der Syndiks flog.«

»Nein.« Aber zu dem Zeitpunkt habe ich ohnehin kaum etwas mitbekommen.

»Natürlich sind sie jetzt alle tot. Es gibt noch ein paar Junioroffizie-re, die dem Stab zugeteilt waren, aber sie gehörten in erster Linie zu meiner Crew und hatten zuallererst Aufgaben an Bord der Dauntless zu erledigen.«

»Ich nehme an, diese Leute werden anderweitig benötigt.«

»Ja, allerdings ist einer von ihnen tot und ein anderer so schwer-verletzt, dass er die Krankenstation nicht verlassen kann. Die beiden restlichen würde ich gerne auf ihren momentanen Posten belassen und…«

Geary hob eine Hand, um Desjani zu unterbrechen. »Selbstverständlich. Ich werde mich mit ihnen unterhalten, wenn die Umstän-de es zulassen. Könnten Sie mir nur verraten, wie Admiral Bloch mit einem so kleinen Stab eine ganze Flotte geführt hat?«

Sie verzog das Gesicht. »Indem er nur tat, was unbedingt nötig war, und den Rest seinen Kommandanten überließ, würde ich sagen. Außerdem stehen Ihnen sehr leistungsfähige Systeme zur Verfügung, die wirklich effizient arbeiten.« Sie sah auf die Uhr und er-schrak. »Mit Ihrer Erlaubnis, Captain Geary, möchte ich jetzt auf die Brücke zurückkehren. Es ist dringend.«

»Erlaubnis erteilt.« Desjani stürmte bereits davon, während Gearys Arm noch zuckte, da er damit gerechnet hatte, ihren Salut zu erwidern, der aber nie gekommen war. Werde ich mich daran gewöhnen müssen, oder werde ich etwas daran ändern müssen, wie die Dinge hier laufen? Er sah zu dem Marine, der nach wie vor neben der Tür zum Konferenzraum stand. »Danke.« Der Marine reagierte mit einem präzisen Salut, den Geary prompt erwiderte.

Er wollte Desjani folgen, da er wusste, dass er sich besser auch auf der Brücke aufhalten sollte. Doch mit einem Mal wurden seine Beine kraftlos, und Geary musste sich am Schott abstützen. Erst als er das Gefühl hatte, das Gleichgewicht wieder wahren zu können, kehrte er in gemächlichem Tempo zu seiner Kabine zurück.

Dort ließ er sich erleichtert und angestrengt atmend in den Sessel sinken. Ich kann mir so etwas jetzt nicht leisten. Es gibt zu vieles, das getan werden muss. Er griff in eine Schublade und nahm ein MedPack heraus, das alles enthielt, was ihm nach Ansicht der Flottenärzte half, sich auf den Beinen zu halten. Sie haben gesagt, dass dieses Zeugs meine geistigen Fähigkeiten nicht beeinträchtigt. Aber wenn doch? Bloß wenn ich es nicht nehme, kann ich meinen Job schon gar nicht erledigen.

Ich muss mich unbedingt von Situationen fernhalten, in denen sämtliche Optionen potentiell schlecht sind.

Er drückte das MedPack auf seinen Arm und verspürte das leichte Kribbeln, das ihm verriet, dass es seine Aufgabe erledigte. Ein paar Momente würden vergehen, bevor er die Wirkung spüren könnte, also nutzte er die Zeit, indem er die unterstützenden Systeme auf-rief, von denen Desjani gesprochen hatte.

Kaum hatte er damit begonnen, sah er, dass eine Nachricht von Commander Cresida von der Furious eingegangen war. Enthalten war der Plan, von dem sie gesprochen hatte, um die Flotte in eine bessere Position zu bringen, damit die Flucht zum Sprungpunkt weniger Zeit in Anspruch nahm. Geary studierte diesen Plan so gründlich er konnte. Dabei spürte er den Zeitdruck, der auf ihm lastete.

Keine halbe Stunde mehr, dann war das Ultimatum der Syndiks abgelaufen. Vielleicht sogar noch weniger, wenn sie gelogen hatten, wie viel Zeit sie den Allianz-Captains geben wollten, um sich zu entscheiden. Sobald alle Allianz-Schiffe ihre neue Position eingenommen hatten – oder sobald die Syndiks sich in Bewegung setzten –, würde der Codename Ouvertüre das Signal sein, um die Flotte in Richtung Sprungpunkt zurückzuziehen.

Frustriert überflog er die Schiffsnamen und wünschte, er wüsste mehr über die jeweilige Manövrierfähigkeit und Feuerkraft jedes einzelnen Schiffs. Numos hat recht, dass mein Wissen seit Langem überholt ist. Aber meine Vorfahren wissen, dass ich trotzdem ein besserer Kommandeur bin, als er es je sein wird. Und wie er ganz richtig zu Numos gesagt hatte, kam es jetzt darauf an, zu handeln anstatt abzuwarten. Von einem leisen Stoßgebet begleitet stimmte er dem Plan zu und kennzeichnete ihn, damit er an die ganze Flotte übermittelt wurde.

Als er aufzustehen versuchte, verspürte er immer noch eine gewisse Schwäche und Unsicherheit, sodass er sich wieder hinsetzte und sich dazu zwang, noch ein paar Minuten zu warten. Er widmete sich erneut den statistischen Angaben der Flotte und begann, sich so viel Wissen über die Schiffe anzueignen, wie es ihm in der kurzen Zeit möglich war. Wie bereits erwartet, handelte es sich durchweg um neue oder fast neue Schiffe. Wenn das Durchschnittsalter dieser Schiffe das bedeutete, was er glaubte, dann musste dieser Krieg eine ungeheure Zahl an Opfern gefordert haben.

Der Verlust eines Schiffs bedeutete nicht zwangsläufig, dass auch der Tod der gesamten Crew zu beklagen war, doch es kamen noch immer zu viele Besatzungsmitglieder ums Leben.

Geary starrte auf die raue Kante an seinem Schreibtisch, und jetzt endlich wurde ihm klar, was sie zu bedeuten hatte. Die Schiffe wurden so schnell wie möglich montiert, um die Schiffe zu ersetzen, die in den verschiedenen Schlachten zerstört wurden. Offiziere und Matrosen wurden durch die Ausbildung gehetzt, damit sie diese Schiffe bemannen konnten, dann folgten rasche Beförderungen bis hinauf zum Captain, um gefallene Kameraden zu ersetzen. Man schickte unerfahrene Besatzungen mit hastig zusammengebauten Schiffen ins Gefecht, wo man schwere Verluste hinnehmen musste und die Besatzungen starben, bevor sie eine Chance hatten, Erfahrungen zu sammeln und zu überleben.

Seit wann war die Flotte schon in dieser Todesspirale gefangen?

Kein Wunder, dass sie das Salutieren verlernt haben. Und dass sie vergessen haben, wie eine Flotte befehligt werden sollte: Sie sind allesamt Amateure. Amateure, denen man das Leben ihrer Kameraden und das Schicksal der Allianz in die Hände gelegt hat. Bin ich in der gesamten Rotte etwa der Einzige, der noch über eine Ausbildung und über Erfahrung verfügt?

Was ist mit all den Schiffen und Menschen passiert, die ich kannte? Sind sie alle dem Feind zum Opfer gefallen, während ich schlief?

Nein, darüber wollte Geary lieber nicht nachdenken. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Daten vor ihm, die er schnell genug durchging, um sich voll und ganz darauf konzentrieren zu müssen.

Plötzlich stutzte er, weil er das Gefühl hatte, etwas übersehen zu haben. Aufmerksam blätterte er zurück. Da war es: Allianz-Schlachtkreuzer Repulse, befehlshabender Offizier Michael J. Geary. Mein Bruder hieß Michael. Aber er muss schon lange tot sein, und ich wüsste nicht, dass er je in den Flottendienst gegangen wäre. Jedenfalls nicht, bevor ich ein Jahrhundert verschlafen habe.

Habe ich Zeit, mich damit zu beschäftigen? Wir dürften wohl in ein Gefecht verwickelt werden, und wenn etwas geschieht, dann werde ich es vielleicht nie erfahren. Geary zögerte, dann tippte er den Code ein, um mit dem Befehlshaber der Repulse verbunden zu werden. Es dauerte einen Moment, dann tauchte ein beängstigend vertraut aussehendes Gesicht vor ihm auf. »Ja, Sir?«

Weder der Tonfall noch der Gesichtsausdruck des Mannes hatten etwas Freundliches an sich, dennoch musste Geary ihn fragen. »Verzeihen Sie, Commander Geary, aber ich würde gern wissen, ob wir verwandt sind.«

Der Mann verzog keine Miene. »Ja.«

»Und wie? Sind Sie…«

»Mein Großvater war Ihr Bruder.«

Das Eis drohte ihn wieder einzuverleiben. Sein Bruder. Ein paar Jahre jünger als er selbst. Geary schaute in ein Gesicht, in dem sich das Erbe erkennen ließ, das von seinem Bruder auf dessen Enkel übergegangen war. Mit einem Mal kam ihm der Verlust seiner eigenen Zeit schier unerträglich vor – und das lag nicht nur daran, dass der Kommandant der Repulse einige Jahre älter zu sein schien als Geary selbst, wenn man die hundert Jahre im Kälteschlaf unberücksichtigt ließ. Sein Großneffe hatte es geschafft, älter zu werden als viele andere in dieser Flotte, doch er machte nicht den Eindruck, dass ihn das freute. »Was…« Geary sah kurz zur Seite und musste tief durchatmen, ehe er weiterreden konnte. »Tut mir leid. Ich weiß gar nichts über Sie und… und… meinen Bruder. Was wurde aus ihm?«

»Er lebte und ist gestorben«, gab sein Großneffe ungerührt zurück.

Etwas an diesem feindseligen Tonfall ließ Gearys Temperament hochkochen. »Das ist mir auch klar. Er war schließlich mein Bruder, Sie kaltherziger Bastard!«

»Benötigen Sie sonst noch etwas, Sir?«

Geary musterte den Mann und sah, dass die Falten nicht nur die Folge des Alters, sondern auch intensiver Gefühle waren. Sein Großneffe musste einige Jahrzehnte älter sein als er, und die Zeit war mit ihm nicht gnädig gewesen. »Ja, ich benötige noch etwas. Nämlich eine Antwort auf die Frage, was um alles in der Welt ich Ihnen eigentlich getan habe.«

Der andere Mann lächelte daraufhin, jedoch ohne einen Funken Humor. »Sie? Gar nichts. Weder mir, noch meinem Vater oder meinem Großvater. Großvater sagte immer, er hätte alles dafür gegeben, Sie zurückzubekommen, andererseits hat er im Glanz von Black Jack Geary gelebt, dem Helden der Allianz, nicht in dessen Schatten.«

Ihm entging nicht die Art und Weise, wie der Kommandant der Repulse diese Worte aussprach. »Das bin nicht ich«, erwiderte Geary.

»Nein, denn Sie sind ein Mensch. Das war mir auch klar. Aber für den Rest der Allianz waren Sie kein Mensch, sondern der perfekte Held, das strahlende Vorbild für die gesamte Jugend der Allianz.«

Commander Michael Geary beugte sich über seinen Bildschirm. »Jeder Tag meines Lebens wurde an den Leistungen von Black Jack Geary gemessen. Können Sie sich vorstellen, was das für mich bedeutete?«

Er konnte es sich vorstellen, nachdem er die Blicke der Menschen gesehen hatte, denen er bislang begegnet war. »Und warum sind Sie dann zur Navy gegangen?«

»Weil ich es musste. So wie mein Vater. Wir sind Gearys, das ist Grund genug.«

Er kniff die Augen zusammen und presste die Hände gegen den Kopf. Ich muss erst seit ein paar Wochen mit dem Bild zurechtkommen, das die Leute von mir haben. Aber ein ganzes Leben in diesem Schatten zu verbringen… »Es tut mir sehr leid.«

»Sie haben mir nichts getan«, wiederholte sein Großneffe.

»Und warum ist es dann so offensichtlich, dass Sie mich hassen?«

»Es ist nicht leicht, mit einer lebenslangen Gewohnheit zu brechen.«

Ich möchte etwas über meinen Bruder erfahren, ich möchte wissen, was aus seinen Kindern geworden ist. Ich möchte alles erfahren, was meine anderen Freunde und Verwandten betrifft. Aber ich kann darüber nicht mit jemandem reden, der mich sein Leben lang gehasst hat und der mir diesen Hass so offen zeigt. »Zum Teufel mit Ihnen.«

»Da war ich schon.«

Geary wollte die Verbindung unterbrechen, doch dann warf er seinem Großneffen einen eisigen Blick zu. »Sehen Sie sich dazu in der Lage, meine Befehle nach bestem Können auszuführen?«

»O ja, dazu bin ich in der Lage.«

»Wenn ich sehe, dass Sie sich störrisch benehmen oder durch Ihr Handeln in irgendeiner Weise andere Schiffe in Gefahr bringen, werde ich Sie auf der Stelle Ihres Postens entheben. Haben Sie verstanden? Ob Sie mich hassen, ist mir dabei gleich.« Das war gelogen, und zweifellos wusste sein Gegenüber das auch, dennoch musste es gesagt werden. »Aber ich werde kein Verhalten tolerieren, das Schiffe oder Menschenleben gefährdet.«


Der andere Geary verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln.

»Ich versichere Ihnen, ich werde jeden Ihrer Befehle ausführen, als wäre Black Jack Geary höchstpersönlich mein Vorgesetzter.«

»Sagen Sie mir, dass das keine Redewendung ist.«

»Es ist eine Redewendung.«

»Ich weiß nicht, ob ich Sie jetzt noch mal zum Teufel schicken oder ob ich mich lieber erschießen soll.«

Das Lächeln wurde breiter. »Sie können es auch nicht ausstehen, wie?«

»Natürlich nicht.«

»Dann kann ich Ihnen vielleicht um Großvaters willen doch noch alles Gute wünschen. Es ist schwer, und vielleicht sogar noch schwerer, wenn ich sehe, dass Sie jünger sind als ich, doch von nun an werden Sie auch mit Black Jack Geary leben müssen.«

»Sie erwarten, dass ich versagen werde, richtig?«

»Scheitern ist ein relativer Begriff. Ich musste in meinem Leben ziemlich hohen Erwartungen gerecht werden, aber in Sie wird man noch viel höhere Erwartungen setzen.«

Geary nickte, was sowohl an ihn selbst als auch an seinen alten, verbitterten Großneffen gerichtet war. »Und Sie werden danebenste-hen und zusehen, wie es mir nicht gelingt, die Erwartungen zu er-füllen, die man in einen Halbgott gesetzt hat. Das ist wohl nur gerecht. Ich habe noch zu arbeiten, und Sie ebenfalls.«

»Ja, Sir. Bitte um Erlaubnis, meine Arbeit wiederaufzunehmen.

Wie Sie sicherlich wissen, wurde die Repulse im Gefecht schwer beschädigt.«

Nein, das wusste ich nicht. Ich muss in zu kurzer Zeit zu viel lernen.

»Natürlich, Commander.« Geary unterbrach die Verbindung, dann saß er einen Moment lang da und sah auf den dunklen Monitor, ehe er wieder aufzustehen versuchte. Sein linkes Bein zitterte ein wenig, woraufhin er die Faust ballte und sich so fest auf den Oberschenkel schlug, dass er wohl einen blauen Fleck davontragen würde. Dann machte er sich auf den Weg zur Brücke der Dauntless, dankbar für die kleine Ablenkung, für die der anhaltende Schmerz in seinem Bein sorgte.


Die Matrosen, die die Gänge der Dauntless unmittelbar nach dem Gefecht bevölkerten, hatten sich inzwischen zum Teil an jene Orte zurückgezogen, an denen sie benötigt wurden, um das zu tun, was getan werden musste. Die noch verbliebenen Matrosen machten Geary wieder sofort Platz, doch etwas war anders an der Art, in der sie ihn ansahen. Ihre Gesichter spiegelten nicht nur die unerwünschte Ehrfurcht und Hoffnung wider, sondern auch eine gestärkte Zuversicht. Ob diese Zuversicht ihren eigenen oder Gearys Fähigkeiten galt, war nicht wichtig. Aber nun war er ihr Befehlshaber, und er musste jetzt in diese Gesichter blicken, wobei er versuchte, die gleiche Zuversicht auszustrahlen.

Die halbkreisförmige Brücke war nicht allzu groß geraten, doch gerade auf Kriegsschiffen ergaben großzügig gestaltete Räume keinen Sinn. Der Platz des Captains, der üblicherweise den Mittelpunkt einer jeden Brücke darstellte, war an den Rand gerückt, und gleich daneben hatte man einen weiteren Sessel im Boden verankert, dessen Rückenlehne mit der geprägten Flagge des Flottenkommandan-ten versehen worden war. Captain Desjani saß angegurtet auf ihrem Platz und betrachtete aufmerksam die virtuellen Anzeigen, die vor ihr in der Luft schwebten, während sie hin und wieder einen Befehl erteilte oder eine Frage an einen Offizier oder Unteroffizier richtete, die an den verschiedenen Stationen der halbrunden Brücke vor dem Captain ihren Dienst verrichteten. Sekundenlang ließ Geary diese Szene auf sich wirken, die mit ihren vertrauten Navy-Ritualen einen willkommenen Trost spendete.

Dann bemerkte ein Wachhabender ihn und gab Captain Desjani ein Zeichen, woraufhin sie sich zu ihm umdrehte und ihm kurz zu-nickte, ehe sie sich wieder der Überwachung der Reparaturen und der Vorbereitung auf das zu erwartende nächste Gefecht widmete.

Geary ging mit steifen Schritten zum Platz des Admirals und blieb kurz stehen, um mit den Fingern über die Prägung der Flagge zu streichen. Auf eine unerklärliche Weise kam es ihm wie ein unum-kehrbarer Schritt vor, wenn er in diesem Sessel Platz nähme. Von dem Moment an würde er tatsächlich aktiv die Flotte befehligen. Es war ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt, sich daran zu erinnern, dass sein bislang verantwortungsvollstes Kommando eine aus drei Schiffen bestehende Eskorte gewesen war.

Er nahm Platz und sah sich um, während er versuchte, sich an die neue Rolle zu gewöhnen. »Captain Desjani, ist Co-Präsidentin Rione bereits an Bord gekommen?«

Desjani warf ihm einen bewusst neutralen Blick zu und antwortete: »Ja, jedenfalls wurde mir das so mitgeteilt. Ihr Shuttle hat vor wenigen Minuten angedockt.«

Geary sah auf die Uhr. »Es muss ihr gelungen sein, etwas Zeit zu schinden. Das Ultimatum der Syndiks ist vor über zehn Minuten abgelaufen.«

»Kann sein.« Desjani beugte sich zu ihm herüber und senkte ihre Stimme: »Wie viel weiß Rione? Über die Dauntless, meine ich.«

»Zu viel«, gab Geary zurück und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.

»Möglicherweise hat Admiral Bloch ihr einiges erzählt«, gab sie zu bedenken.

Daran hatte er noch gar nicht gedacht, aber es war durchaus anzunehmen, dass Rione Bloch die gleichen Forderungen gestellt hatte wie ihm und dass sie längst wusste, wo sich der Schlüssel befand.

Aber warum fragt sie mich dann auch noch? Vielleicht wollte sie feststellen, wie ehrlich ich bin. Ich schätze, die Prüfung habe ich bestanden. »Wenigstens hat sie sich nicht zu uns auf die Brücke gesellt.«

»Ganz sicher redet sie immer noch«, meinte Desjani todernst.

Unwillkürlich musste Geary grinsen, wurde dennoch gleich wieder ernst und rief seine Anzeigen auf. Ein Display schwebte gleich vor ihm auf Augenhöhe und zeigte die aktuelle Situation.

Die Syndik-Schiffe hatten alle ihre Position gehalten, während Geschwindigkeits-und Richtungsvektoren erkennen ließen, dass ein Großteil der Allianz-Schiffe in Bewegung war. Die langsameren Schiffe näherten sich dabei dem Sprungpunkt, während andere, schnellere Schiffe in die entgegengesetzte Richtung flogen, um über die wahren Absichten der Flotte hinwegzutäuschen. So viele Schiffe in dieser Flotte… Wenn ich mich zu sehr auf einen Bereich konzentriere, verliere ich das Gesamtbild aus den Augen. Sein Blick wanderte zur Formation der feindlichen Flotte, und sein Magen verkrampfte sich.

Und so viele Syndik-Schiffe. Was, wenn sie schneller oder wir langsamer als erwartet sind? Oder wenn jemandem ein Fehler unterläuft?

Was, wenn ich dieser Jemand bin?

Er musterte die Anzeigen, dann versuchte er Daten über die Allianz-Schiffe aufzurufen, doch angezeigt wurden ihm stattdessen die Personalakten aller Offiziere der Flotte. Mit einem verärgerten Murmeln versuchte er einen anderen Befehl. Diesmal bekam er statistische Werte für alle Schiffsklassen. Auch nicht das Gewünschte, aber schon brauchbarer. Wenn ihm jetzt noch ein paar Minuten blieben, um mehr über diese Schiffe zu erfahren und sich ein Bild davon zu machen, inwieweit sie sich von den Typen unterschieden, mit denen er vertraut gewesen war… »Ich suche Angaben zu den Schiffen«, wandte er sich an Desjani. »Die meisten Waffensysteme erkenne ich wieder.«

Sie erteilte einem ihrer Untergebenen einen knappen Befehl, dann nickte sie Geary zu. »Ja, an der Grundkonzeption der meisten Waffen hat sich nicht viel geändert, auch wenn ihre Leistungsfähigkeit deutlich erhöht werden konnte. Wir setzen Höllenspeere immer noch als primäre Waffe ein, aber deren geladene ›Partikelspeere‹ sind schneller, besitzen eine größere Reichweite und weisen eine höhere Ladung auf. Außerdem lassen sich die Werfer viel schneller aufladen als bei Ihrem letzten Schiff.«

»Und Kartätschen setzen Sie auch immer noch ein.«

»Selbstverständlich. Das ist eine simple und tödliche Waffe. Die Werfer können die Salven mit höherer Geschwindigkeit abfeuern als zu Ihrer Zeit, und die verbesserte Zielerfassung erlaubt uns eine etwas größere Reichweite bei den Kartätschen. Trotzdem ist das nach wie vor eine Waffe, die sich eher für den Nahkampf eignet, denn wenn die Strukturen sich erst einmal zu großflächig verteilt haben, schwinden die Chancen, die Verteidigung des Feindes zu überwinden oder zumindest nennenswert zu schwächen.«

»Was ist ein Phantom?«

»Im Wesentlichen eine verbesserte Version der Flugkörper, wie Sie sie kennen.«


»Reden Sie von Geistern?«

»Ja. Ein Phantom ist vom Prinzip her ein autonomer Flugkörper, ganz so wie die alten Geister. Aber ein Phantom kann besser manövrieren und ist mit mehreren Sprengköpfen bestückt, um bessere Chancen zu haben, Schutzschilde zu durchdringen und ein Loch in den Rumpf zu reißen. Außerdem ist ein Phantom besser in der Lage, aktive Verteidigungsmethoden des Feindes zu überleben.« Sie machte eine Geste von sich fort. »Auch die Möglichkeiten der Verteidigung wurden verbessert. Schilde sind leistungsfähiger, sie bauen sich schneller wieder auf und können sich schneller anpassen.

Zudem ist der Schiffsrumpf so angepasst worden, dass er mehr Widerstand bietet.«

Also hatten sich die Waffensysteme nicht radikal verändert. Für größere Reichweiten wurden noch immer Flugkörper verwendet, und bei geringeren Reichweiten kamen Höllenspeere und Kartätschen zum Einsatz. Schwerere Geschütze, die aber auch gegen eine verbesserte Abwehr antreten mussten. »Was ist dieses…«

»Captain?« Geary und Desjani drehten sich beide zu dem Matrosen um, der soeben gesprochen hatte. Nach ein paar Sekunden wurde Geary klar, dass er gar nicht gemeint war, während der Matrose sich seinerseits erkennbar verunsichert fühlte, wem von den beiden er Meldung machen sollte. »Die Syndik-Flotte übermittelt an einzelne Schiffe die Aufforderung, sich zu ergeben.«

Geary kämpfte gegen das Gefühl an, das Gesicht zu verziehen, da er sich nur zu gut der Tatsache bewusst war, dass er von allen aufmerksam beobachtet wurde, denn jeder wollte seine Reaktion sehen.

Riones Bemühungen waren offenbar an ihre Grenzen gestoßen. Er fragte sich, ob beharrliches Schweigen die Syndiks dazu veranlassen würde, ihre Forderung zu wiederholen und auf diese Weise weitere Zeit zu vergeuden. »Captain Desjani, ich wäre Ihnen für eine Einschätzung dankbar, was passieren wird, wenn wir einfach nicht reagieren.«

Nach kurzem Zögern antwortete sie hastig: »Ich bin mir nicht sicher, was die Syndiks machen werden, aber wenn wir nicht antworten, besteht die Gefahr, dass einige unserer Schiffe von sich aus reagieren. Und wenn erst einmal die Ersten kapitulieren…«

»Verdammt.« Nach allem, was er im Konferenzraum miterlebt hatte, wusste er, dass sie recht hatte. Er konnte nicht schweigen und riskieren, dass einzelne Captains eigenmächtig handelten. »Ich will mit dem Syndik-Commander reden.«

»Privater Kanal, Sir?«

»Nein, ich will, dass jeder das sieht und hört.«

»Wir werden das Syndik-Flaggschiff rufen. Es ist nur ein paar Lichtminuten entfernt.« Desjani gab der Kommunikationsstation ein Zeichen und übermittelte mit einer Geste ihren Befehl. Der angesprochene Matrose nickte und begann an seinem Pult zu arbeiten.

Mehrere Minuten vergingen, dann deutete der Mann nach vorn, wo ein neues Display auftauchte. In dessen Mitte befand sich das vertraute Gesicht des Syndik-CEO, der den Mord an Admiral Bloch und dessen Senioroffizieren angekündigt hatte. » Dauntless? «, fragte er. »Sie waren doch Blochs Flaggschiff, nicht wahr? Können Sie für die gesamte Flotte die Kapitulation erklären?«

Geary setzte sich aufrechter hin und versuchte, sein Temperament zu zügeln, er machte sich aber nicht die Mühe, auch seine Gefühlsregungen zu kaschieren. »Sie reden nicht mit dem Captain der Dauntless, sondern mit dem Befehlshaber der Flotte.«

Das Syndik-Flaggschiff befand sich kurz hinter den führenden Einheiten der feindlichen Flotte, womit der Abstand zur Dauntless fast drei Lichtminuten betrug. Geary fasste seine Antwort so knapp, wie er es vertreten konnte, dann wartete er darauf, dass sie das andere Schiff erreichte. Die unvermeidliche Zeitverzögerung bedeutete, dass seine Flotte umso mehr Zeit gewann, je mehr er diese Unterhaltung in die Länge ziehen konnte.

Drei Minuten von der Dauntless zum feindlichen Flaggschiff, drei Minuten von dort zurück. Knapp sechs Minuten nach Gearys Antwort sah er schließlich, wie der Syndik-CEO die Augen wütend zu-sammenkniff. »Mir ist gleich, wie Sie sich bezeichnen. Ich war aus humanitärer Sorge um das Wohlergehen der Besatzungen sehr großzügig, aber jetzt ist Ihre Zeit abgelaufen. Kapitulieren Sie auf der Stelle, fahren Sie die Schilde herunter und deaktivieren Sie alle offensiven und defensiven Waffensysteme, sonst werden sie vernichtet.«

Geary schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein.«

Sechs Minuten später sah er, wie der Syndik-CEO auf die wortkar-ge Erwiderung mit Erstaunen reagierte. »Also gut. Dann wird die Dauntless zerstört. Wenn Sie nichts dagegen einzuwenden haben, werde ich mich an die übrigen Schiffe wenden, von denen sicherlich einige kapitulieren möchten.«

»Die Schiffe dieser Flotte unterstehen meinem Kommando, nicht Ihrem, und sie werden auch unter meinem Kommando kämpfen«, erklärte Geary und versuchte, all die Kälte in seine Stimme zu legen, die ihn noch vor Kurzem erfüllt hatte. Er wusste, dass man seine Erwiderung auf den Schiffen der eigenen Flotte deutlich früher hören würde, als auf dem weiter entfernten feindlichen Flaggschiff, und er konnte nur beten, dass er seine Kommandanten auf diese Weise davon abhalten konnte, eigenmächtig zu kapitulieren und ihr Schicksal in die Hände der Syndiks zu legen. »Die Flotte der Allianz ist nicht geschlagen und sie wird sich nicht ergeben.« Er hoffte, dass in seinen Worten eine Zuversicht mitschwang, die er eigentlich gar nicht verspürte. Solange er zumindest nach außen hin zuversichtlich wirkte, würden weder seine eigenen Leute noch die Syndiks wissen, was in ihm wirklich vorging.

Die Unterhaltung erstreckte sich über nahezu zwanzig Minuten, als Geary bemerkte, wie der Syndik-CEO zur Seite schaute, um offenbar seine eigenen Anzeigen zu überprüfen. »Wie es scheint, werde ich meine Geheimdienstmitarbeiter zur Nachschulung schicken müssen. In meiner Datenbank finde ich keinen Allianz-Offizier, zu dem Sie passen.«

»Sie suchen an der falschen Stelle«, gab Geary zurück und lächelte ihn humorlos an. »Suchen Sie mal unter den verstorbenen Offizieren. Und zwar in den ältesten Akten, die Sie finden können.«

Wieder sechs Minuten später. »Dann sind Sie also tot?« Der CEO schüttelte den Kopf. »Ein alberner Trick und reine Zeitverschwen-dung. Sie werden nirgendwo geführt. Eine Durchsuchung der gesamten Datenbank einschließlich aller Allianz-Offiziere, die je in diesem Krieg gedient haben, ergibt keine Übereinstimmung, weder vollständig noch…« Der Syndik-CEO verstummte. Sein Blick war auf das Display an seiner Seite gerichtet.

Abermals musste Geary lächeln, und diesmal kamen sogar seine Zähne zum Vorschein. »Ich darf annehmen, dass Sie mich gefunden haben. Vor gut einem Jahrhundert.«

Als die Antwort des CEO einging, war dessen Gesicht vor Wut ge-rötet. »Ein simpler, alberner Trick. Wenn Sie meinen, ich sei so dumm, Ihnen das zu glauben, dann täuschen Sie sich. Sie wollen lediglich Zeit schinden. Ich werde keine weitere Verzögerung dulden.«

»Mir ist egal, was Sie glauben.« Danach sprach Geary betont langsam weiter, da er sich nur zu deutlich der Tatsache bewusst war, dass seine eigene Flotte jedes Wort mitbekam. »Ich bin Captain John Geary. Ich habe jetzt das Kommando über die Allianz-Flotte. Wenn Sie etwas wollen, dann reden Sie mit mir, und zwar ausschließlich mit mir. Sie werden mit keinem meiner Schiffe Kontakt aufnehmen.«

Der CEO kochte vor Wut, als seine nächste Antwort eintraf.

»Selbst wenn Sie diese Person wären, könnten Sie nichts mehr unternehmen. Sie sind zahlenmäßig ebenso unterlegen wie im Hinblick auf Ihre Feuerkraft, außerdem ist Ihnen der Rückweg versperrt. Sie haben keine andere Wahl, als sich zu ergeben. Ich wiederhole, ich werde keine weitere Verzögerung dulden. Meine Geduld ist am Ende.«

Geary versuchte, so unbeeindruckt wie möglich dreinzuschauen.

»Ich habe die Syndiks schon einmal geschlagen, und ich kann es wiederholen.« Er wusste genau, was er sagen musste. Seine Worte waren ebenso sehr an seine eigenen Schiffe wie an den Syndik-CEO gerichtet. Vielleicht würde er die Syndiks ins Grübeln bringen, und hoffentlich konnte er gleichzeitig das Selbstbewusstsein seiner Flotte stärken. Zu seinem Erstaunen musste er feststellen, dass ihm die momentane Situation durchaus gefiel. Für die Matrosen der Allianz für den Black Jack Geary gehalten zu werden, war nervenaufreibend gewesen, doch dass er seine eigene Legende nun benutzen konnte, um die Syndiks in Unruhe zu versetzen, das bereitete ihm sogar Vergnügen. »Ein guter Kommandant hat immer noch andere Möglichkeiten in der Hinterhand. Ich wiederhole: Diese Flotte ist nicht geschlagen. Und wenn Sie dumm genug sind, einen Angriff zu unternehmen, dann werden Sie feststellen, wie bereit wir sind, Ihnen kräftig genug in den Hintern zu treten, damit Sie sich im nächsten Sternensystem wiederfinden.« Ihm war nur zu bewusst, dass das nicht stimmte, aber mit einem halbherzigen Bluff würde er erst recht nichts erreichen.

Nach weiteren sechs Minuten war dem Syndik-CEO eine leichte Unsicherheit deutlich anzusehen, auch wenn er sich noch so sehr be-mühte, Arroganz und Selbstsicherheit auszustrahlen. »Das ist Unsinn, und das wissen Sie so gut wie ich. Ihre Situation ist hoffnungslos. Wenn Sie nicht sofort kapitulieren, werden Sie sterben. Diese Unterhaltung ist damit beendet. Ich gehe davon aus, dass Sie mir mit Ihrer Antwort Ihre Kapitulation mitteilen werden.«

Geary ging über das jüngste Ultimatum hinweg. »Tut mir leid, wenn ich Sie enttäuschen muss. Die Syndik-Flotte dachte schon einmal, sie hätte mich umgebracht. Wie kommen Sie darauf, Sie könnten beim zweiten Anlauf mehr Glück haben? Sie dagegen sind noch nie gestorben. Und nachdem ich gesehen habe, was Sie mit Admiral Bloch gemacht haben, wäre es mir ein Vergnügen, Sie zu Ihren Ahnen zu schicken.«

Bislang hatte sich der Syndik-CEO recht gut im Griff gehabt, doch jetzt glaubte Geary ihm die Unsicherheit noch deutlicher anmerken zu können. Wenn er damit richtig lag, war das hervorragend. Das Selbstvertrauen des feindlichen Kommandanten zu unterhöhlen, war der erste Schritt auf dem Weg zur Niederlage seiner Flotte.

Auf der anderen Seite waren da allerdings Captain Desjani und die Brückencrew der Dauntless. Ihnen allen konnte er ansehen, dass sie sich einerseits freuten, wie Geary mit dem Syndik-Commander umsprang, andererseits aber fürchteten, er könnte damit erst recht einen sofortigen Angriff provozieren.

Geary wartete ab und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie sich die Schiffe der Allianz langsam neu formierten. Wie lange würde er sein Gegenüber noch hinhalten müssen, damit alle Schiffe bereit waren, mit voller Kraft den Sprungpunkt anzusteuern?

»Ich verfüge weder über die Zeit noch über die Geduld, mit einem Narren zu diskutieren«, fauchte der Syndik-CEO ihn sechs Minuten später an und unterbrach die Verbindung.

Seufzend ließ sich Geary in den Sessel sinken. »Captain Desjani, wie lange noch, bis alle Schiffe ihre Position erreicht haben?«

Sie überprüfte ihre eigenen Anzeigen. »Ihre… ähm… Verhandlungen mit dem Syndik-Commander haben uns etwa eine halbe Stunde eingebracht, aber nach meiner Einschätzung brauchen wir noch mal eine halbe Stunde, Sir. Die Titan hinkt hinterher, sie wurde schwer beschädigt«, fügte Desjani an.

»Ja, das sehe ich.« Geary überprüfte den Status der Titan. Vielleicht sollte er das Schiff evakuieren lassen… Nein, die Titan war ein Reparaturschiff, im Prinzip eine kleine mobile Schiffswerft, die die Flotte begleitete, um Schäden zu beseitigen, die eine Schiffscrew aus eigener Kraft nicht beheben konnte. Außerdem war sie in der Lage, aus Rohstoffen Ersatzteile herzustellen. Die Flotte war von zwei Schiffen dieses Typs begleitet worden, eines davon war während des letzten Gefechts in Stücke geschossen worden. Zwei weitere Re-paraturschiffe hatten die Konfrontation überstanden, aber sie konnten es mit den Fähigkeiten der Titan nicht aufnehmen. Wenn ich diese Flotte nach Hause zurückbringen will, dann kann ich auf die Titan nicht verzichten. Aber sie ist von Natur aus schon ein langsames Schiff, und durch die Treffer während der Schlacht ist die Leistungsfähigkeit der Trieb-werke weiter gesunken. Ich kann nur hoffen und beten, dass ich diesen Syndik genügend aus dem Konzept gebracht habe, dass er noch eine halbe Stunde lang zögert.

Soweit Geary das erkennen konnte, hatte sich die Syndik-Flotte noch nicht von der Stelle gerührt. Als Folge der Neuordnung der Allianz-Flotte hatte sich die Formation von einem Halbkreis in ein gro-bes Oval verändert, was auf der Anzeige so wirkte, als habe man einen Schild gebildet, um dahinter die am schwersten beschädigten und langsamsten Schiffe zu schützen, die sich ihrerseits, hoffentlich unauffällig genug, in Richtung Sprungpunkt auf den Weg gemacht hatten. Geary beobachtete die Symbole, die seine Schiffe darstellten.

Sie bewegten sich quälend langsam durchs All, während er hoffte, dass sie noch etwas mehr Zeit bekommen würden.

»Wir registrieren Bewegungen der Syndik-Schiffe. Blauverschiebung.«

Das bedeutete, dass die Syndiks Fahrt in Richtung der Allianz-Flotte aufgenommen hatten. Geary fluchte leise und sah sich das Bild der feindlichen Streitkräfte an. Die Formation der Syndiks war unverändert eine regelrechte Wand aus Feuerkraft, doch während er das Display betrachtete, versahen die optischen Langstreckensenso-ren der Dauntless ein Schiff nach dem anderen mit Bewegungsvektoren, die erkennen ließen, dass sie sich der Allianz-Flotte näherten. So wie jeder Schiffskommandant, den Geary je gekannt hatte, wünschte auch er sich ein magisches Warnsystem, das Informationen mit Überlichtgeschwindigkeit lieferte. Aber so wie die Kommunikation arbeiteten auch die Sensoren im Normalraum mit Lichtgeschwindigkeit. Das heißt, sie haben sich schon vor drei Minuten auf den Weg gemacht und sind uns damit einen Schritt voraus. »Sie behalten ihre Formation bei, also bestimmt ihr langsamstes Schiff das Tempo.«

Desjani nickte, ihre Miene war angespannt. »Das dürfte bedeuten, dass sie Ihren Plan nicht durchschaut haben.«

Meinen Plan. O ja. Hoffentlich funktioniert der. »Wie wende ich mich an die ganze Flotte?«, fragte er sie.

Sie tippte auf einige Tasten. »Die anderen hören Sie jetzt.«

Geary atmete tief durch. »An alle Schiffe, hier spricht der Flotten-kommandant Captain John Geary. Führen Sie sofort nach Empfang Operation Ouvertüre aus. Ich wiederhole: Sofort nach Empfang Operation Ouvertüre ausführen.« Ihnen blieb keine Zeit für ein im Voraus koordiniertes Manöver, das jedem Schiff Gelegenheit gegeben hätte, erst die Nachricht zu empfangen und dann gleichzeitig mit dem Rest der Flotte aufzubrechen. Allerdings waren die Schiffe der Flotte auch nicht zu weit verstreut aufgestellt, sodass spätestens in einer Minute die Mitteilung auch beim am weitesten entfernten Schiff angekommen sein würde und man dort reagieren konnte.

Auf seinem Display leuchteten grüne Punkte bei jenen Schiffen auf, die den Empfang der Nachricht bestätigten. Es war eine Welle, die sich in alle Richtungen rings um die Position der Dauntless ausbreitete. Auf die gleiche Weise setzte sich die Flotte etappenweise in Bewegung und nahm Kurs auf den Sprungpunkt. Die Maschinen der Dauntless erwachten zum Leben und lenkten das Schiff ins Zentrum der Streitmacht. Geary beobachtete, wie die Schiffe Fahrt aufnahmen, und er sah, wie einige der schnelleren Schiffe auf gleicher Höhe mit den langsameren blieben, um als Eskorte zu fungieren.

Gleichzeitig hielt er bei den vorrückenden Syndiks Ausschau nach ersten Hinweisen, ob ihnen auffiel, dass er seine Flotte nicht einfach nur zurückfallen ließ, um das scheinbar unausweichliche Gefecht um ein paar Minuten hinauszuzögern.

»Die Titan hinkt immer noch hinterher.«

Geary nickte bestätigend und spürte, wie sich bei Desjanis Worten sein Magen verkrampfte. »Ich wünschte, sie hätte näher an den Sprungpunkt herankommen können«, sagte er beim Anblick der Strecke, die das große, langsame Schiff bislang erst zurückgelegt hatte.

»In Anbetracht der Schäden und der Notdürftigkeit dieses Plans ist die Titan dem Sprungpunkt so nahe gekommen, wie es in der verfügbaren Zeit möglich war.«

Geary knirschte mit den Zähnen, allerdings nicht aus Ärger über Desjani. Sie tat genau das, was er von ihr erwartete: Sie nannte die Dinge beim Namen, ohne etwas zu beschönigen. Aber er hatte dem Plan zugestimmt. In diesem Plan, dem er nur wenig Zeit hatte widmen können, war auch die Titan berücksichtigt worden, doch da war ihm nicht klar gewesen, dass sich das riesige Reparaturschiff zu einem Sorgenkind entwickeln könnte. Er hatte nicht gewusst, wie langsam das Schiff sein würde. Natürlich war ihnen auch nicht viel Zeit geblieben, um die Titan in Richtung Sprungpunkt zu manövrieren, zudem durfte das nicht zu offensichtlich vonstattengehen.

Trotzdem hatte er den Plan abgesegnet, und es war ihnen nicht gelungen, die Syndiks lange genug hinzuhalten, und das brachte die Titan jetzt in Schwierigkeiten.

Inzwischen konnte er auch sehen, dass der Feind zu reagieren begann und offenbar erkannte, welche Absicht die Allianz-Flotte verfolgte. Die mit Verzögerung eintreffenden Bilder zeigten, wie die vormals schnurgerade Wand aus feindlichen Schiffen aus den Fugen geriet, da schnellere Schiffe sich aus der Formation lösten und die langsameren hinter sich zurückließen. Drei Minuten, bis sie sehen, was wir machen. Etwas mehr Zeit, bis sie begreifen, was unser Schachzug zu bedeuten hat, und dann wieder drei Minuten, bis ihre Reaktion zu sehen ist. Sie kommen jetzt näher, und damit werden die Informationen immer zeitnaher übermittelt. Aber das bedeutet auch, dass sie unserer Nachhut gefährlich werden können. Eigentlich war Nachhut der falsche Begriff, denn die am weitesten zurückliegenden Schiffe bildeten zwangsläufig das Schlusslicht der Flotte. Sie waren nicht dort, um den Pulk zu schützen.

Insgeheim wünschte Geary, er könnte ein Geschwader aus dem Hut zaubern, das aus einem Versteck hervorgeschossen kam, um die Spitze der Syndik-Formation zu zerschlagen. Doch da waren kein Geschwader und auch kein Versteck, und wenn er den Verfolgern ein Schiff entgegenschickte, um die Syndiks aufzuhalten, dann würde dieses Schiff keine Chance mehr haben, sich in Sicherheit zu bringen, bevor der Pulk der Flotte eintraf.

Geary verfolgte aufmerksam mit, wie die Schiffe und ihre Richtungsvektoren über das Display wanderten. Er musste sich das Ergebnis nicht erst berechnen lassen, die Erfahrung gab ihm die Antwort, während die Minuten quälend langsam verstrichen. »Die Abfangjäger der Syndiks sind zu schnell. Die Titan wird noch vor Erreichen des Sprungpunkts in deren Feuerreichweite geraten.«

Desjani nickte. »Das sehe ich auch so.«

»Können die Begleitschiffe sie aufhalten?«

Sie überlegte kurz, dann schüttelte sie den Kopf. »Nicht mit den Heckwaffen. Dafür müssten sie wenden.«

»Und dann sind sie verloren.« Vielleicht muss ich diesen Befehl geben.

Ich möchte keines dieser Schiffe und keine Crew verlieren, aber wenn ich zwischen ihnen und der Titan wählen muss… Wir brauchen die Titan, wenn wir eine Chance haben wollen, nach Hause zu gelangen…

Wieder nickte Captain Desjani. »Wir könnten die Titan aufgeben und versuchen, wenigstens einen Teil der Crew zu retten.«

»Wir brauchen dieses Schiff.«

Desjani zögerte, schließlich nickte sie ein drittes Mal. »Ja.«

»Dann können wir sie nicht aufgeben.« Desjani warf ihm einen besorgten Blick zu. Überlegen Sie, wie der legendäre Black Jack Geary sich aus der Situation retten würde? Wenn Ihnen die Antwort einfällt, dann lassen Sie sie mich wissen. Wie wäre es, wenn wir der Titan etwas Entlas-tung verschaffen? Mit finsterer Miene studierte er wieder das Display und suchte nach einer Möglichkeit, sich über die Gesetze der Physik hinwegzusetzen, doch so sehr er sich auch bemühte, ihm wollte immer nur eine einzige Antwort einfallen.

Er musste mindestens ein Schiff für ein anderes aufgeben. Entweder ein Geschwader aus leichteren Schiffen oder ein einzelnes Schiff, das es allein mit der heraneilenden Vorhut aufnehmen konnte und das nicht so »wichtig« war wie die Titan. Die Dauntless kann ich da-für nicht nehmen. Wäre es nicht eine Erleichterung, wenn ich das könnte?

Ein weiteres letztes Gefecht, und diesmal würde es garantiert vorbei sein.

Nicht mehr die Last des Kommandos, keine Heerscharen von Leuten, die mich voller Verzweiflung ansehen, weil ich ihre letzte Hoffnung bin. Kein Schicksal der Allianz mehr, das auf meinen Schultern lastet, kein Wort mehr über Black Jack Geary, den Helden der Allianz. Aber das geht nicht.

Der Schlüssel befindet sich an Bord. Ich habe ein Versprechen gegeben.

Doch selbst ohne dieses Versprechen könnte ich nicht all diese Menschen einfach im Stich lassen. Nur… welches Schiff soll ich opfern? Wen schicke ich in den sicheren Tod? Er ging die Namen der Schiffe durch und versuchte, eine Entscheidung zu treffen, die er mehr hasste als alles andere.

Plötzlich fiel ihm etwas auf. »Was ist mit der Repulse? Sie fällt zu-rück!«

Desjani gab ihrer Crew ein Zeichen und wartete auf die Antwort.

»Ich höre, die Repulse hat die Flotte darüber informiert, dass sie eigenständig handeln wird.«

»Was? Verbinden Sie mich sofort mit dem Kommandanten.« Die Repulse war nur dreißig Lichtsekunden entfernt, sodass es gerade einmal eine Minute dauerte, bis die Antwort eintraf. Auf dem Display vor Geary tauchte das bereits vertraute Gesicht des Kommandanten der Repulse auf. »Was soll das?«, fuhr Geary ihn ohne Vorre-de an. »Wenn Sie nicht sofort wieder Fahrt aufnehmen, werden die Syndik-Schiffe Sie überholen. Kehren Sie augenblicklich in die Formation zurück!«

Anstelle einer Antwort grinste Commander Michael Geary ihn eine Minute später nur triumphierend an. »Du hast es verbockt, Großonkel Black Jack. Das ist dir doch klar, oder? Die Titan steckt in Schwierigkeiten. Cresida ist kein schlechter Offizier, aber sie ist nicht so gut, wie sie gerne selbst von sich glaubt. Außerdem kann sie ziemlich hitzköpfig sein und handeln, ohne vorher nachzudenken. Du hättest dich mit ihrem Plan gründlicher befassen sollen.

Man braucht eine Weile, ehe man merkt, was für ein lahmer Kahn die Titan ist. Wenn sie gerettet werden soll, gibt es nur eine Lösung.«

Geary versuchte mit den Fingerspitzen den Schmerz zu verdrängen, der sich in seinen Schläfen festzusetzen begann. »Ich weiß, dass die Titan in Schwierigkeiten ist. Ich weiß auch, wir müssen etwas unternehmen. Aber es gibt verschiedene Möglichkeiten, um das zu tun.«

Wieder verstrich eine Minute, in der die verfolgenden Syndiks näher kamen. Geary beobachtete sie und war gegen seinen Willen davon beeindruckt, zu welcher Beschleunigung diese modernen Kriegsschiffe in der Lage waren.

Der befehlshabende Offizier der Repulse schüttelte den Kopf. »Alle Möglichkeiten laufen auf das Gleiche hinaus. Das weißt du so gut wie ich. Ich werde dir einen großen Gefallen tun, Großonkel Black Jack, indem ich dir die Entscheidung abnehme, wer sterben soll und wer leben darf. Die Repulse befindet sich nahe der Linie zwischen der Titan und den vordersten Syndik-Schiffen. Mein Schiff ist in einer guten Position, und es verfügt über die notwendige Feuerkraft.

Außerdem ist unser Hauptantrieb beschädigt, und so sehr, wie wir ihn im Augenblick belasten, kann er ohnehin jeden Moment ausfal-len. Wir würden also möglicherweise ohnehin nicht der Flotte folgen können. Beruhigt dich das ein wenig?«

Geary fühlte wieder die eisige Kälte in sich aufsteigen, doch ihm fiel nur ein Wort ein, das er darauf sagen konnte. »Nein.«

Der Kommandant der Repulse grinste noch breiter, sodass es bereits ein wenig grotesk auszusehen begann. »Durch deinen Fehler werde ich endlich in die Lage versetzt, dem Vermächtnis von Black Jack Geary gerecht zu werden! Mein Schiff hält die gesamte Syndik-Flotte auf! Meine Vorfahren… Unsere Vorfahren werden stolz auf mich sein. Was glaubst du, wie lange mein Schiff durchhalten wird, Großonkel Black Jack?«

Fast hätte Geary laut gefaucht, so frustriert war er über diese Entwicklung. Seinetwegen würden sie ein Schiff verlieren. Mindestens ein Schiff, denn wenn die Repulse den Feind nicht lange genug aufhalten konnte, dann würde die Titan es nach wie vor nicht bis zum Sprungpunkt schaffen. Es sei denn, Geary stellte weitere Schiffe zu ihrem Schutz ab. Und dieser Mann, der die einzige Verbindung zu seinem toten Bruder darstellte, konnte nicht mal jetzt seinen Zorn vergessen. »Halte sie auf, solange du kannst. Die werden versuchen, ein paar Schiffe an dir vorbeizuschleusen.«

Eine Minute später schüttelte Michael Geary einmal mehr den Kopf. »Das wird ihnen nicht gelingen. Wenn sie es versuchen, habe ich freie Schusslinie auf ihre Flanken.« Schließlich hörte er auf zu grinsen. »Das ist nicht so leicht, nicht wahr? Ich kann das jetzt ein wenig nachvollziehen. Ich habe das wirklich nicht gewollt. Aber man tut, was man tun muss, und es hängt von den Vorfahren ab, wie es letztlich ausgeht. Man muss einfach… Die Syndiks werden alle Besatzungsmitglieder gefangen nehmen, die die Repulse verlassen, bevor sie stirbt. Ich weiß, du kannst nicht warten und sie an Bord holen. Aber versprich mir, dass du eines Tages versuchen wirst, sie aus den Arbeitslagern der Syndiks zu befreien. Vergiss sie nicht.«

Noch ein Versprechen, das auf ihm lasten würde, und das auch noch von jemandem eingefordert, der verdammt gut wusste, dass er kein Halbgott war, und der dennoch an ihn glauben musste. »Ich schwöre dir, ich werde sie nicht vergessen. Und ich werde alles unternehmen, um sie eines Tages nach Hause zu holen.«

»Ich werde dich an dieses Versprechen erinnern! Und unsere Vorfahren haben dich auch gehört!« Michael Geary lachte hart, sein Blick wanderte abrupt zu den Anzeigen auf seiner eigenen Brücke.

»Hier wird es jeden Moment hoch hergehen. Ich muss Schluss machen. Und du, bring die Flotte von hier weg.« Er zögerte kurz. »Ich habe eine Schwester. Sie ist auf der Dreadnought, zu Hause im Gebiet der Allianz. Sag ihr, dass ich dich zum Schluss nicht mehr gehasst habe.« Die Verbindung wurde unterbrochen, und Geary starrte noch sekundenlang auf das Nachbild auf dem Monitor, das das Gesicht seines Großneffen zeigte.

Ihm wurde bewusst, dass Captain Desjani ihn beobachtete und sich fragte, um was es in seiner privaten Unterhaltung mit der Repulse gegangen sein mochte. Als Geary sich zu ihr umdrehte, versuchte er mit beherrschter, ausdrucksloser Stimme zu reden: »Die Repulse wird versuchen, die Syndik-Schiffe lange genug aufzuhalten, damit die Titan den Sprungpunkt erreichen kann.«

Desjani zögerte, während ihre Augen größer wurden. »Sir, Sie sollten wissen, dass der Kommandant der Repulse…«

»Ich weiß, wer er ist.« Vermutlich klang seine Stimme schroff, und er wusste nicht, wie die Brückencrew der Dauntless diesen Tonfall deuten würde, doch das war ihm in diesem Augenblick völlig egal.

Ein paar Sekunden sah Desjani ihn an, dann wandte sie ihren Blick ab.

Jede weitere Minute kam ihm unendlich lang vor, während Geary zusah, mit welch quälend niedriger Geschwindigkeit sich die Titan in Richtung Sprungpunkt bewegte und wie rasend schnell sich die Syndik-Kriegsschiffe näherten. Die schnellsten von ihnen lagen bei mehr als 0,1 Licht und beschleunigten immer noch. »Gibt es keine Möglichkeit, dass die Titan schneller fliegt?«, verlor er schließlich die Beherrschung.

Die anderen auf der Brücke sahen sich an, doch niemand erwiderte etwas darauf. Obwohl er sich vorgenommen hatte, das Gesamtbild nicht aus den Augen zu lassen, galt seine ganze Aufmerksamkeit der Repulse, da er wusste, dass ihr Schicksal entscheidend war für das Überleben der Flotte. Die übrigen Allianz-Schiffe bewegten sich auf den Sprungpunkt zu und beschleunigten weiter, aber ohne dabei die langsameren Schiffe zurückzulassen. Nur die Repulse fiel immer weiter zurück. Der beschädigte Kreuzer hatte seine Fahrt verlangsamt und folgte der Flotte, als wären die Antriebssysteme komplett ausgefallen. Der Abstand zur Dauntless betrug jetzt fast fünf-undvierzig Lichtsekunden und wurde beständig größer. Geary überschlug im Kopf, dass das schwer beschädigte Schiff über eine Lichtminute hinter dem Rest der Flotte liegen würde, wenn die verfolgenden Syndiks die Repulse einholten.

Der vormalige Wall aus Syndik-Schiffen erinnerte inzwischen mehr an eine Art zerfaserten Kegel, bei dem die schnellsten Schiffe die Spitze bildeten, die mit höchstmöglicher Geschwindigkeit die Verfolgung aufgenommen hatten, während der größte Teil der Flotte hinterhereilte. Da die Vorhut der Syndiks auf Abfangkurs zur Titan gegangen war, bot die lang gestreckte Formation eine hervorragende Gelegenheit zu einem vernichtenden Gegenschlag, der der Syndik-Flotte verheerende Verluste bescheren würde. Es war eine Gelegenheit, die ein mythischer Held wie Black Jack Geary nicht un-genutzt verstreichen lassen würde. Aber ich weiß, was mit meiner Flotte geschieht, wenn ich die vorausfliegenden Syndik-Schiffe zerstöre und wir von den anderen eingeholt werden. Außerdem bin ich nicht der Black Jack Geary, für den mich die Leute halten.

So wie Mitglieder eines erstklassigen Balletts, die zum Finale zu-sammenkommen, beschrieben die Abfangjäger der Syndiks einen eleganten Bogen, als sie auf die Titan und die Repulse zusteuerten, die ihnen den Weg versperrte. Drei Syndik-Jäger, die ihren Antrieb bis an seine Grenzen strapaziert haben mussten, führten die Verfolgergruppe an und versuchten mit mehr als 0,1 Lichtgeschwindigkeit die Repulse zu passieren. Geary verfolgte den Kampf, der sich zwar jetzt auf dem Display abspielte, tatsächlich aber bereits um eine Minute fortgeschritten war. Die Repulse wendete langsam, um sich den Verfolgern entgegenzustellen. Zu langsam, wie Geary feststellen musste. Der beschädigte Hauptantrieb musste die Repulse in ihrer Manövrierfähigkeit erheblich einschränken, weshalb sie sich nicht schneller bewegen konnte.

Laut dem letzten Statusbericht war der Antrieb doch gar nicht so schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Warum verhält sich das Schiff dann aber so schwerfällig? Dann auf einmal bemerkte Geary, dass die Syndik-Jäger zielstrebig auf die Titan zuflogen und keine Anstalten machten, der Repulse auszuweichen, und er verstand, was sein Großneffe vorhatte. Er täuscht vor, dass sein Schiff keinen ernst zu nehmenden Gegner mehr darstellt. Das ist das einzige Ass, das er im Ärmel hat, und das spielt er hervorragend aus. Hätte ich bloß ein wenig Zeit gehabt, um diesen Mann besser kennenzulernen.

Die Repulse drehte sich langsam und fast majestätisch und schaffte es gerade noch, ihre Waffen auszurichten, dann feuerte sie ihre kine-tischen Kartätschen ab, großflächig verteilte, große metallene Ku-geln, die auf die Flugbahn der herannahenden Syndik-Jäger zielten.

Bei der Geschwindigkeit, mit der sich die Syndik-Jäger durch das All bewegten, sorgten relativistische Effekte dafür, dass sie das Universum um sich herum verzerrt wahrnahmen, was zusammen mit den Verzögerungen aufgrund der großen Entfernungen zur Folge hatte, dass die Syndik-Schiffe zwischen dem Erkennen einer Gefahr und der Reaktion darauf wertvolle Zeit verloren.

Vielleicht war die Vorwarnzeit zu kurz, um zu reagieren, vielleicht ignorierten sie auch einfach nur das Sperrfeuer. In jedem Fall flogen die Syndik-Jäger geradewegs in die Kartätschen, wobei Funken sprühten, als die vorderen Schilde getroffen wurden, die das Sperrfeuer absorbierten. Die Schiffe flogen weiter, ihr Ziel war nach wie vor die Titan. »Keine Treffer«, kommentierte Geary tonlos.

Captain Desjani schüttelte den Kopf. »Die Chancen dafür waren auch eher gering, aber die zahlreichen direkten Treffer auf den vorderen Schilden müssen sie massiv geschwächt haben. Die relative Aufschlaggeschwindigkeit war immens hoch. Sie werden sehr viel Energie von den seitlichen oder hinteren Schilden umleiten müssen, damit die vorderen Schilde wieder volle Leistung erbringen können.«

»Ich sehe, was Sie meinen.« Tatsächlich sah er es auf seinem Display, auch wenn ihm das nur anzeigte, was sich vor über einer Minute abgespielt hatte. Die Syndik-Jäger begannen die Repulse zu passieren und schienen sich keine Gedanken darüber zu machen, nochmals von dem Allianz-Schiff unter Beschuss genommen zu werden.

Doch bevor die Syndik-Schiffe vorbeigeflogen waren, rollte sich der Schlachtkreuzer mit unerwarteter Schnelligkeit und Beweglichkeit herum, veränderte seine Position und richtete die Hauptgeschützgruppen auf die Punkte, die die Syndik-Jäger passieren mussten.

Vermutlich bekamen die Syndiks das abrupte Manöver nicht mehr rechtzeitig genug mit, um noch zu reagieren. Vielmehr behielten sie ihren Kurs bei und erlaubten es der Repulse, auf jene Punkte zu zielen, an denen sich die Schiffe auf ihrem weiteren Vorbeiflug jeden Moment befinden würden.

Ein Sperrfeuer aus Höllenspeeren schoss aus dem Allianz-Kreuzer hervor und erreichte sein Ziel exakt in dem Moment, als das feindliche Schiff den Punkt passierte. Als die geladenen Partikelspeere sich in den Rumpf schnitten, drehte sich die Repulse bereits um ihre eigene Achse und nahm den zweiten Gegner unter Beschuss. Auf relativ kurze Distanz fraßen sich die Energieblitze durch die geschwächten seitlichen Schilde und die dünne Panzerung, um dann die Eingewei-de des Syndik-Schiffs in Stücke zu reißen.

Mit einer Geschwindigkeit von immer noch mehr als 0,1 Licht schossen die Wracks der beiden Syndik-Jäger weiter durchs All, beschleunigten aber nicht mehr. Sie waren nicht länger lebende Kriegsschiffe und stellten weder für die Titan noch ein anderes Allianz-Schiff eine Bedrohung dar.

Aber Gearys Blick war wie gebannt auf den dritten Syndik-Jäger gerichtet. In einem abrupten Manöver brachte die Repulse den Bug hoch, um sich auch diesem Verfolger zu stellen. Er verspürte eine vertraute Anspannung, als würde er das Geschehen in Echtzeit beobachten, obwohl jede Aktion bereits über eine Minute alt war. Das Display zeigte etwas an, das wie ein riesiger glühender Ball aussah, der von der Repulse genau in die Flugbahn des Syndik-Jägers geschossen wurde. Als der Ball auf dessen Schilde traf, schien er einen Moment lang zu zögern, doch dann fraß er sich durch das geschwächte Hindernis und versank im Schiff, dessen vorderes Drittel von einer Sekunde auf die andere einfach verschwand. Die Reste des Syndik-Jägers flogen in alle Richtungen davon und wurden von nachfolgenden Explosionen in Stücke gerissen.

»Was zum Teufel war denn das?«, flüsterte Geary.

Captain Desjani grinste breit. »Ein Null-Feld. Es bewirkt genau das, was der Name besagt. Es neutralisiert zeitweilig jene Kräfte, von denen die Atome zusammengehalten werden.«

»Sie machen Witze.«

»Nein.« Sie deutete auf die Überreste des Syndik-Jägers. »Innerhalb des Null-Felds wird die atomare Bindung aufgehoben, und Materie zerfällt einfach in ihre Atome.«

Geary starrte erst sie an, dann die Anzeige. Materie. Materie, aus der das Schiff und die Crew bestand. Materie, die zerfällt und fort ist. Nicht einfach tot, sondern aufgelöst und verschwunden. »Verfügt jedes Schiff über ein solches Null-Feld?«

»Nein, nur die großen Schiffe, und nicht mal die sind alle damit ausgerüstet.« Desjani machte wieder eine ernste Miene. »Diese Null-Felder sind noch relativ neu, nur auf kurze Distanz einsetzbar und sie benötigen lange, um wieder aufgeladen zu werden. Ich weiß, warum er das Feld abgefeuert hat. Es war die einzige Möglichkeit, um den Syndik-Jäger zu stoppen. Aber es kann sein, dass er kein zweites Null-Feld mehr abfeuern wird. Außerdem bezweifle ich, dass eines der großen Syndik-Schiffe ihn nahe genug an sich heranlässt, dass er eine Chance dazu hätte.«

»Kann ein Schutzschild diese Dinger aufhalten?«

»Wenn er stark genug ist, dann ja.« Mittlerweile machte sie einen frustrierten Eindruck. »Null-Felder lassen sich nicht laden, wenn man sich zu tief in einem Schwerkraftfeld aufhält. Zudem kann die Ladung nur sehr kurze Zeit aufrechterhalten werden, bevor man das Feld abfeuert. Aus diesem Grund ist es uns bislang auch noch nicht möglich gewesen, Null-Felder gegen planetare Ziele der Syndiks einzusetzen.«

»Planetare Ziele? Sie meinen damit doch Planeten, oder?«

Aus ihrem Frust wurde Verärgerung, erst dann setzte Desjani wieder eine neutrale Miene auf. »Selbstverständlich.«

Selbstverständlich? Einen bewohnten Planeten mit etwas bombardieren zu wollen, das alles in seine einzelnen Atome zerfallen ließ, war »selbstverständlich«? Was ist nur aus diesen Menschen geworden?

Wie können sie es bedauern, dass sie nicht in der Lage sind, Welten auf diese Weise zu vernichten?

Seine Aufmerksamkeit wurde zurück auf die Repulse gelenkt. Eine weitere Gruppe Syndik-Jäger versuchte sie zu passieren, aber das Allianz-Schiff drehte sich mit einer Schnelligkeit, die bei einem Objekt von so hoher Tonnage eigentlich gar nicht möglich sein konnte.

Der größte Teil der Geschütze für die Höllenspeere konnte so auf die Flugbahn eines Syndik-Jägers gerichtet werden, der auch prompt in das Sperrfeuer flog. Die vorderen Schilde flammten auf und schalteten sich ab, sodass die Höllenspeere den Rumpf auf-schneiden konnten und das Schiff in einen mit hoher Geschwindigkeit weiterrasenden Schrotthaufen verwandelten.

Captain Desjani zeigte auf etwas und machte Geary darauf aufmerksam, dass die Repulse ihre Phantome so schnell abfeuerte, wie es die Werfer des Schiffs gerade noch bewältigen konnten. Der verbleibende Syndik-Jäger konnte die vorderste Linie an Flugkörpern abwehren, doch die nächsten Torpedos kamen durch, trafen den Schild, schwächten ihn und durchlöcherten schließlich den Rumpf.

Augenblicke später stellte auch dieser Angreifer keine Bedrohung mehr dar.

»Das waren nahezu alle Flugkörper, über die die Repulse noch verfügt, Captain Geary«, ließ Desjani ihn wissen. »Der Captain wirft alles in die Waagschale, um die Vorhut der Syndiks zu stoppen.«

Geary nickte gemächlich und versuchte, sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen. Er hat kaum noch etwas in der Hand, wenn die nächsten Schiffe ihn erreichen. Aber das ist auch nicht mehr von Bedeutung. Jedenfalls nicht, wenn man das eigentliche Ziel vor Augen hat, die Titan intakt den Sprungpunkt erreichen zu lassen. Zum Teufel mit dem eigentlichen Ziel. Und zum Teufel mit den Syndiks.

Er betrachtete die Bewegungsvektoren und bekam allmählich ein Gefühl für die Situation, nachdem die ersten fünf Syndik-Jäger ausgeschaltet worden waren. Dann sah er die Antwort. »Er könnte es geschafft haben.«

»Noch nicht ganz«, wandte Desjani ein.


Die nächste Angriffswelle wurde mit einem Sperrfeuer aus Kartätschen und Höllenspeeren empfangen. Hier und da gelang es einem Phantom, sich seinen Weg durch das Chaos zu bahnen und die Schilde der Syndiks zu strapazieren, dennoch kamen vier der fünf Syndik-Jäger durch. Drei von ihnen hatten durch den Aufprall der Kartätschen deutlich an Geschwindigkeit verloren, zudem waren sie so beschädigt worden, dass sie nicht wieder beschleunigen konnten.

Der vierte hatte erkennbar einen Großteil seiner Feuerkraft darauf verwendet, um unbehelligt die Repulse zu passieren.

»Er hat es geschafft«, sagte sie, wobei ihre Stimme vor Erleichterung lauter wurde. »Ich empfehle Ihnen, den Begleitschiffen der Titan zu sagen, sie sollen den vordersten Syndik-Jäger mit einem halben Dutzend Phantomen aus ihren Heckwerfern beschießen. Der Jäger wird das nicht überstehen, nachdem er so viel darauf verwendet hat, an der Repulse vorbeizukommen. Es sei denn, er weicht von seinem Kurs ab, und wenn er das macht, wird er es nicht zurück zur Titan schaffen, bevor die in den Sprung geht.«

»Gut. Geben Sie bitte diesen Befehl.« Er hörte ihr nicht zu, während Desjani sich an die Begleitschiffe wandte. Sein Blick galt dem Display vor ihm, auf dem zu sehen war, wie weitere Jäger – diesmal unterstützt von leichten Kreuzern – sich der Repulse näherten und das Schiff unter Beschuss nahmen. Obwohl die Syndik-Schiffe viel zu schnell waren und sie ihre Umgebung nur verzerrt wahrnehmen konnten, trug die Repulse schwere Schäden davon und war nicht in der Lage, schnell genug zu manövrieren, um dem Feuer auszuweichen, das auf ihre geschätzte Position gerichtet wurde. Der Repulse gelang es, ein weiteres Null-Feld abzufeuern, doch der damit anvisierte leichte Kreuzer konnte ausweichen, sodass das Feld lediglich die Schilde streifte.

Der Kampf war mittlerweile zweiundsiebzig Lichtsekunden von der Dauntless entfernt. Auch wenn Geary nur das zu sehen bekam, was sich vor mehr als einer Minute und zehn Sekunden zugetragen hatte, wusste er doch ganz genau, welche Situation in diesem Moment auf der Repulse herrschte. Er hatte sich in der gleichen Lage befunden, auch wenn die nicht ganz so aussichtslos gewesen war. Alle Waffenbestände waren inzwischen aufgebraucht, die Schilde rings um das Schiff glühten fast unablässig, während der Beschuss durch den Feind nach und nach die äußeren Verteidigungsebenen durchdrang. Dann folgten vereinzelte Treffer auf der Schiffshülle, sobald die Schilde punktuell ausfielen. Treffer, die wie Hammerschläge eines blinden Riesen wirkten, bis die Schilde vollständig versagten.

Die Geschützgruppen für die Höllenspeere feuerten weiter, bis sie sich vereinzelt oder gleich gruppenweise abschalteten, weil die Energieversorgung ausfiel. Dann jagten in immer größerer Zahl und immer schneller glühende Metallbälle und Speere aus überhitztem Gas in alle Richtungen durch den Rumpf, die alles auslöschten, was sich ihnen in den Weg stellte.

»Die Repulse hat Rettungskapseln abgesetzt.«

Es wurde allmählich schwierig, ein deutliches Bild von den Ereignissen zu bekommen. Durch den Kampf trieben so viele Trümmer im All, dass sie die Sicht aufs Geschehen nahmen. Aber die Systeme der Dauntless konnten dennoch die Funksignale der gestarteten Rettungskapseln ausmachen, und sie berechneten auch sofort mögliche Abfangkurse, um die Kapseln einzusammeln. Geary sah, dass deren Flugbahnen mitten durch den Pulk der näher rückenden Syndik-Flotte verliefen, und wusste, er konnte den Menschen in diesen Rettungskapseln jetzt nicht helfen. Wenn das Gefecht sich dem Ende zuneigte, würden die Syndiks sie an Bord holen und für den Rest ihres Lebens in ein Arbeitslager schicken. Aber ich werde mein Versprechen nicht vergessen, Michael Geary. Wenn es irgendwie möglich ist, werde ich sie aus diesen Lagern holen.

Die Repulse wurde mittlerweile unablässig von weiteren Syndik-Schiffen überholt, von denen keines mehr seine Fahrt verlangsamte, um sich mit ihr ein Gefecht zu liefern. Stattdessen eröffneten sie im Vorbeiflug lediglich das Feuer, wodurch dem Schiff keine Ruhepause gegönnt wurde. Die ersten schweren Kreuzer passierten die Repulse und trugen ihren Teil zum Untergang des Allianz-Schiffs bei.

»Vor fünfundsiebzig Sekunden hat die Repulse das Feuer eingestellt. Alle Waffensysteme sind entweder ausgefallen oder zerstört worden.«


Geary nickte nur, da er nicht wusste, ob er einen Ton herausbe-käme. Es wurden immer noch Rettungskapseln ausgestoßen, doch ihre Zahl nahm beständig ab.

»Wir haben ein Signal von der Repulse erhalten, wonach eine Zerstörung des Antriebs eingeleitet wurde.«

»Wie lange bis zur Zerstörung des Kerns?« Es dauerte einen Moment, bis Geary erkannte, dass er derjenige war, der diese Frage gestellt hatte.

»Ungewiss. Das Gleiche gilt auch für die Intensität der Detonation, da wir nicht wissen, welche Schäden der Kern bereits davongetragen hat.«

»Verstanden.« Womöglich war die Repulse bereits zerstört und das Licht der Explosion hatte nur noch nicht die Dauntless erreicht. Bald würde er es genau wissen. Einen Augenblick ließ er das Gefecht in den Hintergrund rücken und beschäftigte sich mit den Schiffen der Allianz-Flotte, die in jene Region innerhalb des Schwerkraftfelds um den Stern eintauchte, in der genau die richtigen Bedingungen herrschten, um in den Sprungraum überzuwechseln, der die Reise zu anderen Sternen auf einige Wochen oder Monate verkürzte.

»Commander Cresidas Plan enthielt den Hinweis, dass heutige Schiffe bei bis zu 0,1 Lichtgeschwindigkeit den Sprung vornehmen können.«

»Das ist richtig«, bestätigte Desjani. »Die Systeme des Sprungantriebs erreichten diese Leistung, aber durch das Hypernet wurde die weitere Forschung und Entwicklung überflüssig.«

Die Titan hatte es geschafft, während die Bewegungsvektoren der vordersten Syndik-Schiffe ihr nahezu hektisch folgten. Der Syndik-Jäger, der der Titan am nächsten war und der nur mit knapper Not den Angriff der Repulse überstanden hatte, wurde durch Phantome von den Begleitschiffen in Stücke geschossen. Andere Syndik-Schiffe versuchten, das große Allianz-Schiff zu erreichen, doch ihre Abfangkurse führten ins Leere, da die Titan und ihre Eskorte in diesem Augenblick in den Sprungraum überwechselten. Mehrere feindliche Schiffe, allesamt von einem leichteren Typ, wurden von dem Sperrfeuer jener schweren Allianz-Schiffe zerschmettert, die noch nicht zum Sprung angesetzt hatten. Die überlebenden Syndik-Jäger versuchten in aller Eile, die Vektoren zu verändern und andere Allianz-Schiffe flugunfähig zu schießen, bevor sie selbst ausgelöscht wurden.

Geary warf einen Blick auf die Repulse, doch sie war vom Display verschwunden. Eine Wolke aus Trümmern und Gasen, die inmitten der vorrückenden Syndik-Flotte trieb, kennzeichnete jene Stelle, an der das Schiff gestorben war. Mögen die lebenden Sterne dich führen, und mögen unsere Vorfahren dich willkommen heißen, Michael Geary.

Lebe wohl, bis wir uns an diesem Ort wiedersehen. »An alle verbliebenen Schiffe. Springen Sie, sobald es möglich ist. Ich wiederhole: Springen Sie, sobald es möglich ist. Jetzt!«

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