Der erste Teil ihrer Reise zu Erdstoß hinüber erfolgte in völligem Schweigen. Nachdem einmal klar geworden war, dass Rebka darauf bestand, die Reise anzutreten, und sich auch nicht davon abbringen lassen würde, hatte Perry sämtliche Energie verloren. Er versank in einer sonderbaren Lethargie, saß schweigend neben Rebka im Flugwagen und starrte nur noch geradeaus. Kurz erwachte er, als sie den Fuß von ›Nabelschnur‹ erreichten, aber gerade nur lange genug, um sie zu einer Passagierkapsel zu führen und die Steuersequenz für den Aufstieg einzugeben.
Von der Höhe des Meeresspiegels aus betrachtet war ›Nabelschnur‹ beeindruckend, aber nicht überwältigend. Für Rebka sah es aus wie ein hoher, schmaler Turm von vielleicht vierzig Metern im Durchmesser, der von der Oberfläche des Ozeans von Opal bis in die dicke, gleichförmige Wolkendecke hinaufragte. Der Hauptrumpf der Struktur bestand aus einer silbrigen Legierung, entlang der Passagiere und Lasten in großen Kapseln hinauf und hinunter befördert werden konnten. Diese wurden elektromagnetisch an der Röhre gehalten, gehalten und bewegt wurden sie durch Synchronmotoren. Die genaue Konstruktion war ihm gewiss unbekannt, doch das Konzept hatte Rebka schon auf einem Dutzend anderer Welten erlebt: Menschen und Material wurde in Gebäuden von mehreren Kilometern Höhe hinauf und hinunter befördert, manchmal sogar bis in eine Umlaufbahn hinauf. Zu wissen, dass ›Nabelschnur‹ unter der Meeresoberfläche noch mehr als zwei Kilometer weiterging, sich bis zur Vertäuung am Grunde des Ozeans erstreckte, war schon etwas überraschender, doch das vermochte der menschliche Verstand noch zu begreifen.
Was der menschliche Verstand — oder zumindest Rebkas Verstand — nicht so leicht zu begreifen vermochte, waren die zwölftausend Kilometer, die ›Nabelschnur‹ jenseits der Wolkendecke noch weiterging: ›Nabelschnur‹ reichte von Opal bis hin zu der ausgetrockneten, unruhigen Oberfläche von Erdstoß. Ein Betrachter, der eine der Kapseln bestieg, sah weniger als ein Zehntausendstel der gesamten Struktur. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von etwa eintausend Stundenkilometern, die eine solche Kapsel im Raum erreichen konnte, durften Passagiere damit rechnen, zwei Sonnenaufgänge auf Erdstoß miterleben zu können, bevor sie ihr Ziel erreichten.
Und nun waren er, Rebka, und Perry also auf dem Weg.
Die Kapsel war so hoch und so breit wie das größte Gebäude, das es auf Opal gab. Als die Baumeister sie zurückgelassen hatten, war das Innere völlig leer gewesen, ein einziger, einförmiger Hohlraum. Die Menschen hatten dann mehrere Etagen eingezogen, von einem gewaltigen Laderaum im untersten Geschoss bis zu einer Steuerungs- und Beobachtungskabine — im obersten Teil der Kapsel.
Die Motoren des Fahrzeugs waren absolut lautlos. Das Einzige, was zu hören war, waren das Pfeifen des Luftstroms und das Murmeln atmosphärischer Turbulenzen. Noch fünf Sekunden, dann dürfte Hans Rebka einen ersten Blick auf Erdstoß werfen können, Erdstoß so sehen, wie man den Planeten von Opal aus betrachten konnte. Er hörte, wie Max Perry neben ihm ein leises Schnauben ausstieß.
Vielleicht tat Rebka es ihm nach. Denn auf einmal erschien ihm die ständige Wolkendecke von Opal wie ein Segen. Er war froh, dass der andere Planet nicht zu erkennen gewesen war, während er sich auf seinem Schwesterplaneten befunden hatte.
Gewaltig hing Erdstoß am Himmel, eine sonnenbeschienene, marmorierte Kugel, die drohend über ihm schwebte, jederzeit bereit, auf ihn herabzustürzen. Sein Verstand sagte ihm, dass keine Kraft des Universums ein derartiges Gewicht zu tragen im Stande wäre, dass man sich an diesen Anblick niemals würde gewöhnen können. Gleichzeitig führte sein Vorderhirn eine Berechnung der Umlaufgeschwindigkeiten und der sich daraus ergebenden Zentrifugal- und Gravitationskräfte durch, und das brachte ihn zu dem Schluss, alles befinde sich in einem perfekten dynamischen Gleichgewicht. Ein oder zwei Tage lang mochte einen diese ständige Bedrohung, die von Erdstoß auszugehen schien, noch beunruhigen; dann hatte man sich daran gewöhnt und ignorierte den Planeten und die Drohung, die von ihm auszugehen schien, einfach.
Auf diese Entfernung waren Details nicht auszumachen, doch es war eindeutig, dass Rebka eine Welt ohne größere Seen oder Ozeane betrachtete. Sofort dachte er an Terra-Formierung; nicht nur mit Erdstoß oder Opal allein, sondern gleich mit dem ganzen Dublett. Das war doch das perfekte Anwendungsgebiet! Erdstoß verfügte über Metalle und Mineralien, Opal über Wasser. Es wäre gewiss eine beträchtliche Aufgabe, aber auch nicht größer als manch andere, die er bereits übernommen hatte. Und ein Anfang für das dafür erforderliche Transportsystem war auch schon gemacht und befand sich in optimaler Position.
Er schaute an der Länge von ›Nabelschnur‹ entlang. Er konnte den Strang, der sich immer weiter nach oben zog, etwa einhundert Kilometer lang verfolgen, dann verlor er ihn aus den Augen. ›Mittelstation‹, das viertausend Kilometer über ihnen hing, genau im Schwerpunkt des Opal-Erdstoß-Systems, war als winziger goldener Knoten in einem unsichtbaren Fadenstrang zu erkennen. In einem halben Tag würden sie ›Station‹ erreichen, um dort das Fahrzeug zu wechseln. Es blieb noch genügend Zeit nachzudenken.
Und genügend, worüber es nachzudenken galt.
Rebka schloss die Augen und ging alle seine Sorgen der Reihe nach durch.
Fangen wir mit Max Perry an! Obwohl Rebka diesen Mann erst wenige Tage beobachtet hatte, war jetzt schon klar, dass es zwei Max Perrys gab. Der eine war ein ruhiger, langweiliger Bürokrat, jemand, von dem Rebka erwarten würde, dass er einen langweiligen Job ohne jede Aufstiegschance auf irgendeinem Rattenloch von Welt innerhalb des Phemus-Kreises versähe. Doch irgendwo darunter verbarg sich eine zweite Persönlichkeit, eine energiegeladene, scharfsinnige Person mit guten eigenen Ideen. Dieser zweite Max Perry schien nur hin und wieder zu erwachen.
Nein, das war falsch. Dieser andere Max erwachte, sobald es um Erdstoß ging, und nur dann! Und Max II musste der schlaue, entschlossene Mann sein, der Perry früher immer einmal gewesen war, die ganze Zeit über, vor sieben Jahren — als man ihn in das Dobelle-System versetzt hatte.
Rebka lehnte sich in seinem Sessel zurück, körperlich entspannt und geistig höchst aktiv. Also. Nehmen wir also einmal an, dass Max Perry ein Geheimnis hat. Aber die Frage ist, ob dieses Geheimnis rechtfertigt, einen ranghöheren, stets auf Handeln bedachten Mann wie Hans Rebka von einem wichtigen Projekt abzuziehen, bei dem es um die Erkundung von ›Paradox‹ geht, damit dieser auf der unbedeutenden Welt Opal Amateur-Psychologe spielen kann!
Das alles ergab keinen Sinn. Wenn die Männer und Frauen, die mit der Leitung des Phemus-Kreises betraut waren, in irgendetwas gut waren, dann darin, Ressourcen zu schonen; und menschliche Ressourcen waren die kostbarsten von allen.
Wir müssen nach einem anderen Motiv suchen, einem anderen Grund, weswegen man ihn, Rebka, hierher versetzt hat.
Rebka war nicht naiv genug, um zu glauben, seine Vorgesetzten würden ihm wirklich alles über seine Aufträge erzählen. Vielleicht wussten sie tatsächlich nicht einmal alles, was nötig war. Das hatte er auf die harte Tour herausgefunden, auf Pelikan-Wirbel. Von einem Krisenmanager wurde erwartet, auch dann handeln zu können, wenn die Karten noch nicht auf dem Tisch lagen, und Rebka konnte die besten Leistungen bringen, wenn er gezwungen war, manche Dinge auf sich allein gestellt herauszufinden.
Terraformierung von Erdstoß und Opal?
Seine Vorgesetzten mussten gewusst haben, dass er, sobald er das Planeten-Dublett des Dobelle-Systems zum ersten Mal zu Gesicht bekäme, sofort beide Welten als mögliche Kandidaten auf eine Eignung für entsprechende Terraformierungsprojekte hin abklopfen würde. War das der wahre Grund, warum man ihn hierher beordert hatte? Um dieses Projekt in Gang zu setzen?
Diese Alternative fühlte sich aber auch noch nicht richtig an.
Also noch ein paar weitere Variablen hinzunehmen. Vier Gruppierungen hatten ein Gesuch eingereicht, Erdstoß während des Gezeitensturms aufzusuchen. Rebka war bereit zu glauben, dass einer dieser Anträge tatsächlich nichts als reiner Zufall sein mochte — der Rat der Allianz stand nicht in dem Ruf, gegebenenfalls auf Betrug zurückzugreifen —, doch vier auf einmal war nicht mehr plausibel.
Und der bevorstehende Gezeitensturm würde der größte sein, den die Menschheit jemals würde miterleben können. Vielleicht war das der Schlüssel zu diesem Geheimnis. Die Besucher kamen, weil es ein besonderer Gezeitensturm sein würde.
Auch das fühlte sich nicht wie des Rätsels Lösung an. Darya Lang hatte ihm gesagt, sie habe nicht gewusst, dass ein besonders starker Gezeitensturm bevorstünde, bis Perry es ihr erklärt habe.
Rebka glaubte ihr. Sonderbar, dass er das tat. Er hatte seine derzeitige Lebensgefährtin auf der Station zurückgelassen, die sich im Orbit um ›Paradox‹ befand. Was auch immer sein Verstand ihm als Erklärung für sein Verhalten bieten mochte, seine Drüsen suchten wahrscheinlich schon nach einem Ersatz. In den ersten zwei Minuten, die er mit Lang verbracht hatte, war ihm bereits ihre wechselseitige Anziehung aufgefallen. Und das musste ihn noch vorsichtiger machen, wenn es um Darya Lang ging, denn schließlich wollte er ihr glauben.
Lang hat also nicht gewusst, dass Opal und Erdstoß ein Monster von Gezeitensturm bevorsteht. Fein. Du kannst das ja glauben, aber das bedeutet immer noch nicht, dass sie wirklich diejenige ist, die sie zu sein vorgibt! Nein. Sie kann durchaus eine andere, sehr viel komplexere Rolle spielen.
War sie das, was sie zu sein vorgab? Das ließ sich überprüfen. Bevor sie die Sternenseite verlassen hatten, hatte Rebka eine verschlüsselte Nachricht über das Bose-Kommunikationsnetzwerk abgeschickt, in der er den Nachrichtendienst des Kreises um eine Bestätigung dafür bat, dass Darya Lang tatsächlich eine Expertin auf dem Gebiet der Baumeister-Artefakte war. Die Antwort würde bereits vorliegen, wenn sie von Erdstoß zurückkehrten. Bis dahin mussten alle Fragen, die Professorin Lang betrafen, vorerst beiseitegeschoben werden.
Doch es blieben noch reichlich andere Fragen offen. Hans Rebka wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er sanft am Arm berührt wurde. Er öffnete die Augen.
Max Perry deutete aufwärts, an der Linie von ›Nabelschnur‹ entlang. Über ihnen hing Erdstoß bedrohlich am Himmel, noch einmal um die Hälfte größer als zu Beginn ihrer Fahrt. Doch im Augenblick reflektierte diese Welt nur das trübe Licht von Amarant, dessen Farbe Rebka an getrocknetes Blut denken ließ. Mandel war hinter dem Planeten verborgen, und während der Gezeitensturm immer näher rückte, kam der Zwergsternbegleiter des Primärsterns ebenfalls immer näher. Schon bald würde es auf Erdstoß und Opal keine Nacht mehr geben.
Wieder deutete Perry auf irgendetwas, und Rebka begriff, dass das Hauptinteresse seines Begleiters im Augenblick nicht Erdstoß galt. Sie hatten ›Mittelstation‹ schon fast erreicht, und erstaunlicherweise schien ›Nabelschnur‹ hier zu enden. Deutlich konnte Rebka eine Lücke erkennen, eine Region, in der die zylindrische Struktur als leuchtend blauer Punkt endete. Sie bewegten sich rasch darauf zu, bis Erdstoß selbst durch den schimmernden Goldglanz von ›Mittelstation‹ verdeckt zu werden drohte.
»Was passiert denn hier?«, fragte Rebka. »Ich dachte, ›Nabelschnur‹ würde von Opal ganz bis nach Erdstoß reichen!« Er hätte ein wenig nervös sein sollen, schließlich herrschte außerhalb ihres Fahrzeugs reines Vakuum; doch Perry hatte ein Lächeln auf dem Gesicht, und er verhielt sich ganz und gar nicht wie ein Mann, der kurz vor dem Tod stand.
»Das ist auch so«, erwiderte er. »Wir nähern uns jetzt der ›Winde‹. Dort müssen wir rangieren und dann auf der anderen Seite von ›Mittelstation‹ wieder mit ›Nabelschnur‹ verbunden werden. Reisende können ›Station‹ betreten, wenn sie das wünschen — die ist gut ausgestattet, Energie und Lebensmittel und Unterkünfte —, aber ich sehe jetzt keinen Sinn darin, dort Zwischenstation zu machen. Wenn Sie möchten, können Sie sich ›Mittelstation‹ ja auf dem Rückweg anschauen.«
Während Perry noch sprach, schwang die Kapsel, in der sie sich befanden, vom Hauptkabel fort und wurde dann durch eine ganze Reihe Tore und über Verbindungsschienen geleitet. Erdstoß war verschwunden. Die Mittelstation lag jetzt zu ihrer Rechten. Rebka konnte eine ganze Reihe Andockstationen erkennen, jede einzelne davon groß genug, auch ihrer Kapsel Platz zu bieten. Er schaute zurück, an die Stelle, wo das Hauptkabel von ›Nabelschnur‹ im leuchtend blauen Nichts verschwand und dann, in einigen Kilometern Entfernung, wieder auftauchte.
»Ich sehe keine Winde.«
»Werden Sie auch nicht.« Der zweite Max war wieder da, aufmerksam und energiegeladen. »So haben wir das nur genannt. Wissen Sie, Opal und Erdstoß befinden sich in einem fast kreisförmigen wechselseitigen Orbit, aber ihr Abstand zueinander ändert sich ständig — die Divergenz beträgt bis zu vierhundert Kilometern. Eine permanente ›Nabelschnur‹ kann nicht funktionieren, es sei denn, es existiert eine Vorrichtung, über die überschüssiges Kabel eingeholt oder wieder ausgerollt kann. Und genau das macht die ›Winde‹.«
»Dieses Loch im Raum da?«
»Genau. Funktioniert prächtig, und während des Gezeitensturms holt sie zusätzlich Kabel ein, sodass die Vertäuung auf Erdstoß gelöst wird. Und zugleich ist die ›Winde‹ schlau genug, die Vertäuung auf Opal nicht zu lösen. Aber das ist alles Technologie der Baumeister. Wir haben keine Ahnung, wo das Kabel hingeht oder wo es herkommt oder woher es weiß, was es gerade tun muss. Den Leuten auf Erdstoß und Opal ist es egal, solange sie nur die ›Nabelschnur‹ über spezielle Steuersequenzen anheben oder absenken können.«
Perrys Widerwille, Erdstoß aufzusuchen, war in dem Augenblick wie weggeblasen, da sie von Opal abgehoben hatten. Nun spähte er hinaus, während sie den massigen Rumpf der Mittelstation umrundeten und dann wieder Erdstoß vor ihnen am Himmel stand.
Die Kapsel bewegte sich seitwärts, wurde am anderen Strang der ›Nabelschnur‹ befestigt, und schon nahm sie wieder Fahrt auf. Bald hatte die Kapsel mit ihren Passagieren den Schwerpunkt des Dobelle-Systems hinter sich gelassen, und nun spürte man deutlich, dass sie in Richtung Erdstoß ›fielen‹, ihre eigene Zentrifugalkraft addierte sich zur Schwerkraft des Planeten. Der schwarze Himmelskörper wurde zusehends größer, von Minute zu Minute, unmittelbar vor ihnen. Dann konnte man die ersten Details der Oberfläche erkennen.
Und Rebka beobachtete eine weitere Veränderung bei Perry. Die Atmung des jüngeren Mannes hatte sich beschleunigt. Er starrte hinaus und beobachtete angespannt, wie sie sich Erdstoß näherten, seine Augen leuchteten, und er konnte den Blick sichtlich nicht abwenden. Rebka war bereit zu wetten, dass auch der Puls seines Begleiters schneller ging.
Aber was gab es denn dort unten? Rebka hätte einiges dafür gegeben, Erdstoß mit den Augen von Max Perry sehen zu können.
Auf Erdstoß gab es keine größeren Wasseransammlungen wie Ozeane etwa, doch es gab viele Flüsse und kleinere Seen. Rings um diese wuchs die charakteristische dunkelgrüne und rostfarbene Vegetation. Die meisten dieser Pflanzen waren hart und dornig, doch an einigen Stellen wuchsen dicht üppige Farne, zart und doch robust. Eine dieser Stellen lag am Ufer des größten Sees, nicht weit vom Fuß der ›Nabelschnur‹ entfernt. Ein idealer Ort, um sich dort niederzulassen und auszuruhen. Oder für zwei Menschen, die an diesem idealen Ort anderen Freuden nachgehen wollten.
Amy redete, flüsterte ihm atemlos ins Ohr. »Du bist ein Experte, was?«
»Das weiß ich nicht.« Er klang träge, entspannt. »Aber ich weiß wahrscheinlich über diesen Ort genauso viel wie jeder andere.«
»Läuft aufs Gleiche raus. Also warum willst du mich nicht noch einmal hierher bringen? Das könntest du doch, Max, wenn du nur wolltest! Schließlich kontrollierst du den Zutritt doch!«
»Ich hätte dich gar nicht erst hierher bringen sollen.«
Dieses Gefühl der Macht. Er hatte es ursprünglich getan, um mit seinen neu gewonnenen Befugnissen anzugeben, doch sobald sie den Planeten erst einmal erreicht hatten, gab es andere, bessere Gründe. Erdstoß war immer noch ungefährlich, es war noch lange bis zum Gezeitensturm, doch schon jetzt war die Atmosphäre mit Vulkanasche geschwängert. Die Abende, die alle acht Stunden aufflammten, waren von unvergleichlicher Schönheit, leuchteten rot, purpurn, golden. Im ganzen Universum kannte er nichts, was dem auch nur ansatzweise nahe kam — hatte von nichts gelesen, hatte von nichts auch nur Gerüchte gehört. Selbst mit geschlossenen Augen sah er noch diese herrlichen Farben.
Damit hatte er unbedingt vor Amy angehen wollen — und doch wollte er selbst nicht den Blick davon abwenden, noch nicht. Er lag auf dem Rücken, starrte an diesem atemberaubenden Sonnenuntergang vorbei zu der immer heller werdenden Scheibe von Opal hinüber. Neben ihm hatte Amy einen dieser zarten Farnwedel herausgezupft und kitzelte damit jetzt seinen nackten Oberkörper. Nach einigen Augenblicken beugte sie sich zu ihm hinüber, nahm ihm den Blick auf Opal und schaute mit weit aufgerissenen, ernsten Augen auf ihn hinunter.
»Das machst du doch, oder? Das machst du ganz bestimmt. Sag, dass du das machst!«
»Was mache?!« Er tat, als verstünde er sie nicht.
»Mich wieder hierher mitnehmen! Wenn der Gezeitensturm noch etwas näher ist.«
»Mach ich ganz bestimmt nicht!« Er ließ den Kopf auf dem weichen Farnbett von einer Seiten zur anderen rollen, zu träge, ihn ganz anzuheben. Er fühlte sich wie der König der ganzen Welt. »Dann wäre es gefährlich, Amy. Also bitte nicht gerade dann.«
»Aber du kommst doch hierher!«
»Nicht während des Gezeitensturms. Ich bin dann schon lange weg, ich breche auf, solange es noch ungefährlich ist. Niemand bleibt dann hier.«
»Also könnte ich doch zusammen mit dir aufbrechen, wenn es dann noch ungefährlich ist. Oder nicht?«
»Nein. Nicht kurz vor dem Gezeitensturm.«
Amy beugte sich zu ihm hinunter, während das letzte Licht aus der Luft von Erdstoß ausblutete. Er konnte ihr Gesicht nicht mehr erkennen. Es war zusammen mit dem sterbenden Licht verblasst.
»Ich könnte!« Ihre Lippen waren nur noch ein paar Zentimeter von den seinen entfernt. »Sag, dass ich das könnte! Sag ja!«
»Nein«, wiederholte er. »Nicht kurz vor dem Gezeitensturm.«
Doch Amy antwortete ihm nicht. Sie versuchte, andere Argumente zu finden.