I Durch die Wolken der Venus

Lucky Starr und John Bigman Jones stießen sich von der gravitationslosen Raumstation Nr. 2 ab und schwebten auf den interplanetaren Kreuzer, der mit geöffneten Luftschleusen auf sie wartete, zu. Obwohl ihre Gestalten in den unförmigen Raumanzügen, die sie trugen, klobig aussahen, wirkten ihre Bewegungen elegant, was an der jahrelangen Gewöhnung an die Schwerelosigkeit lag.

Während er hochstieg, reckte Bigman den Kopf und schaute noch einmal auf die Venus hinunter. Seine Stimme klang laut in Luckys Sendeanlage auf. »Beim All! Nun schau' dir doch mal diesen Felsen an.« Jeder einzelne der hundertsiebenundfünfzig Zentimeter Bigmans war durch den erregenden Anblick angespannt.

Bigman war auf dem Mars geboren und aufgewachsen und noch nie so nahe bei der Venus gewesen. Er war an rötliche Planeten und felsige Asteroiden gewöhnt. Er hatte sogar schon die blau-grüne Erde besucht. Aber das war jetzt etwas, das völlig weiß und grau aussah.

Die Venus nahm mehr als die Hälfte des Himmels ein. Sie war nur dreitausend Kilometer von der Raumstation entfernt, auf der sie sich befanden. Auf der gegenüberliegenden Seite des Planeten befand sich noch eine Raumstation. Diese beiden Stationen, die als Andockhäfen für Schiffe im Venusverkehr fungierten, umflogen wie zwei Welpen, die beständig ihren eigenen Schwänzen nachjagten, den Planeten einmal in drei Stunden.

Und dennoch konnte man von den Raumstationen aus, so nahe sie dem Planeten auch sein mochten, nicht die geringste Kleinigkeit von der Venusoberfläche erkennen. Kontinente, Meere, Wüsten, Berge oder grüne Täler, nichts war zu sehen. Nur eine weiße Fläche, eine blendend weiße Fläche, unterbrochen von wechselnden grauen Linien, bot sich dem Auge des Betrachters.

Das Weiße war die durcheinanderquirlende Wolkendecke, die unablässig über der Venus schwebte, die grauen Linien markierten die Grenzgebiete, in denen sich die Wolkenbänke trafen und aufeinander stießen. An diesen Grenzen trieben Dampfschwaden hinab, und unterhalb dieser grauen Linien, auf der verhüllten Oberfläche der Venus, regnete es.

»Völlig zwecklos, zur Venus zu schauen, Bigman«, sagte Lucky Starr. »In der nächsten Zeit wirst du noch genug von der Venus zu sehen bekommen, du solltest lieber der Sonne >Auf Wiedersehen< sagen.«

Bigman schnaubte verächtlich durch die Nase. Seinen an Marsverhältnisse gewöhnten Augen kam die Sonne, schon von der Erde aus, aufgebläht und überhell vor. Von der Venus her gesehen, war die Sonne ein aufgedunsenes Monster, zweieinviertel Mal so hell, wie auf der Erde und viermal so intensiv leuchtend, wie die vertraute Sonne von Bigmans Marsheimat. Was ihn betraf, so war er recht froh darüber, daß die Wolkenbänke der Venus die Sonne verdeckten. Er war froh darüber, daß die Raumstation ihre Diopter immer so stellte, daß das Sonnenlicht abgehalten wurde.

»Also, du verrückter Marsmensch«, kam es von Lucky, »machst du endlich, daß du hineinkommst?«

Mit einer lässigen Handbewegung hatte sich Bigman an der Einfassung der Luftschleuse zum Stillstand gebracht. Er sah immer noch angestrengt auf die Venus hinab. Die sichtbare Hälfte des Planeten war voll der Sonneneinstrahlung ausgesetzt, aber von Osten her kroch der Nachtschatten heran und näherte sich schnell, während die Raumstation auf ihrer Umlaufbahn dahinraste.

Lucky, der immer noch nach oben schwebte, bekam nun seinerseits die Schleuseneinfassung zu packen, und mit der anderen behandschuhten Faust griff er jetzt nach Bigmans Hosenboden. Unter der herrschenden Schwerelosigkeit trudelte Bigmans kleine Gestalt langsam ins Innere, während Luckys Körper nach draußen schnellte.

Luckys Armmuskeln zogen sich zusammen, und schon schwebte er in einer federleichten fließenden Bewegung hoch und in das Innere der Schleuse. Im Augenblick hatte Lucky keinen Grund, guter Stimmung zu sein, aber er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er Bigman - alle Viere von sich gespreizt - mitten in der Luft hängen sah, während er sich mit einer Fingerspitze gegen das innere Schleusentor stemmte, um das Gleichgewicht halten zu können. Nachdem Lucky hindurch war, schloß sich die äußere Schleuse.

»Hör' mal, du Weihnachtsmann, eines schönen Tages laß' ich dich einfach im Stich, dann kannst du dir einen anderen Dummen...«, protestierte Bigman.

Luft zischte in die kleine Kammer, und die Innenschleuse schwang auf. Zwei Männer schwebten schnell hindurch, wobei sie sich an Bigmans baumelnden Füßen vorbei schlängelten. Der vordere, ein untersetzter Bursche mit dunklem Schopf und einem erstaunlich großen Schnurrbart sagte: »Gibt es irgendwelche Schwierigkeiten, meine Herren?«

Der zweite Mann - er war größer und schlanker als sein Begleiter und trug einen nicht minder riesigen Schnäuzer im Gesicht - fragte: »Können wir Ihnen behilflich sein?«

Bigman ließ sich von oben herab vernehmen: »Sie können uns helfen, indem Sie uns Platz machen, damit wir aus unseren Anzügen klettern können.« Er hatte sich inzwischen auf das Deck geschwungen und schälte sich, während er sprach, aus seinem Raumanzug. Lucky hatte sich währenddessen bereits von seinem befreit.

Die Männer gingen durch den inneren Schleusendurchlaß. Die Außenhaut der Raumanzüge war durch die Kälte des Weltraumes abgekühlt und überzog sich nun mit einer Reifschicht, als die Luftfeuchtigkeit der Innenräume des Kreuzers sich auf sie legte. Bigman warf sie über die gekachelten Ständer, wo sie abtropfen konnten.

»Also, dann wollen wir mal sehen«, sagte der dunkelhaarige Mann. »Sie beide sind William Williams und John Jones, ist das richtig?«

»Ich bin Williams«, sagte Lucky. Inzwischen war es ihm zur lieben Gewohnheit geworden, unter normalen Umständen diesen Decknamen zu benutzen. Es war üblich, daß Wissenschaftsratsmitglieder in jeder Situation öffentliches Aufsehen vermieden. Und jetzt, wo die Lage auf der Venus dermaßen verwirrend und undurchsichtig war, empfahl sich Geheimhaltung ganz besonders.

»Unsere Papiere sind in Ordnung, möchte ich annehmen, und unser Gepäck befindet sich an Bord«, fuhr Lucky fort.

»Alles in bester Ordnung«, meinte der Dunkelhaarige. »Ich bin George Reval, der Pilot, und dies hier ist Tor Johnson, mein Copilot. In ein paar Minuten fliegen wir los. Wenn sie irgend etwas brauchen sollten, lassen Sie es uns wissen.«

Die beiden Passagiere wurden in ihre kleinen Kabinen geführt und Lucky mußte innerlich seufzen. Außer auf seinem eigenen Schiff, der Shooting Starr, die jetzt im Hangar der Raumstation angedockt war, fühlte er sich auf keinem anderen Schiff völlig wohl.

Mit tiefer Stimme sagte Tor Johnson: »Ich möchte Sie übrigens warnen, wenn wir erst einmal die Umlaufbahn der Raumstation verlassen haben, befinden wir uns nicht mehr im freien Fall. Die Anziehungskräfte werden sich dann bemerkbar machen. Falls Sie raumkrank werden.«

»Raumkrank«, rief Bigman entrüstet, »Sie komischer Planetenkutscher, ich konnte schon als Baby Schwerkraftveränderungen aushalten, mit denen Sie jetzt noch nicht einmal fertig würden.« Er drückte sich mit den Fingerspitzen von der Wand ab, vollführte einen langsamen Salto, berührte die Wand erneut und stand schließlich mit den Füßen einen Zentimeter über dem Boden da. »Versuchen Sie das irgendwann, wenn Sie sich richtig stark vorkommen.«

»Hören Sie mal«, bemerkte der Copilot grinsend, »für eine halbe Portion sind Sie aber reichlich frech, mein Freund, wo bringen Sie das alles unter?«

Augenblicklich lief Bigman rot an. »Halbe Portion! Du Dünnbrettbohrer. «, brüllte er los, aber Luckys Hand lag schon auf seiner Schulter, und Bigman behielt den Rest für sich. »Wir sehen uns auf der Venus wieder«, murmelte der kleine Marsbewohner düster vor sich hin.

Tor grinste immer noch. Dann folgte er seinem Chef in die Kanzel des Schiffes am vorderen Ende.

Bigman, dessen Wut sofort verflogen war, fragte Lucky neugierig: »Sag' mal, diese Bärte sind aber komisch. Hab' noch nie so große Dinger gesehen, du etwa?«

»Das ist bloß ein venusischer Brauch, Bigman. Soweit ich weiß, läßt sich praktisch jeder hier so einen wachsen.«

»Ach, so ist das?« Bigman strich sich über seine bartlose Oberlippe. »Ich möchte mal gerne wissen, wie ich damit aussehen würde.«

»Mit einem Ding von der Größe?« erkundigte sich Lucky lächelnd. »Dein Gesicht würde dahinter verschwinden.«

Er duckte sich unter Bigmans Hieb weg. Im gleichen Augenblick erzitterte das Deck unter ihren Füßen, die Venus Marvel hob von der Raumstation ab. Der Kreuzer hielt mit dem Bug auf die spiralförmige Bahn zu, die ihn »herunter« zur Venus bringen würde.

Während der Planetenkreuzer Geschwindigkeit aufnahm, fühlte Lucky Starr, wie eine längst überfällige Entspannung in ihm aufkam. Seine braunen Augen blickten gedankenverloren, und sein intelligentes, feingeschnittenes Gesicht wirkte gelöst. Er war hoch aufgeschossen und schlank, aber unter dem schlanken Äußeren verbargen sich stahlharte Muskeln.

Das Leben hatte Lucky schon vieles beschert, Gutes und auch Schlechtes. Er war noch ein Kind gewesen, als er seine Eltern bei einem Piratenüberfall verloren hatte, ganz hier in der Nähe der Venus, auf die er nun zuflog. Er war von den beiden besten Freunden seines Vaters, Hector Conway, seines Zeichens Chef des Wissenschaftsrates, und Augustus Henree, Abteilungsdirektor in derselben Organisation, aufgezogen worden.

Luckys Erziehung und Ausbildung war auf ein einziges Ziel ausgerichtet gewesen: eines Tages sollte er dem Wissenschaftsrat beitreten, jener Organisation, deren Macht und Funktion sie zur wichtigsten und dabei doch am wenigsten bekannten Körperschaft im Milchstraßensystem machte.

Erst vor einem Jahr, nachdem er das Examen auf der Akademie bestanden hatte, war er zum Vollmitglied ernannt worden und hatte seitdem sein ganzes Sinnen und Trachten auf die Förderung der Geschicke der Menschheit und die Vernichtung der Feinde der Zivilisation gerichtet. Er war das jüngste Ratsmitglied und würde es wahrscheinlich auch noch die nächsten Jahre bleiben.

Aber trotzdem hatte er bereits seine ersten siegreichen Schlachten geschlagen. Er war in den Wüsten des Mars und im Zwielicht der Asteroiden gegen das Verbrechen angetreten und hatte dabei triumphiert.

Aber der Kampf gegen das Böse ist kein kurzfristig angelegter Konflikt. Hier auf der Venus war jetzt der Schauplatz neuerlicher Schwierigkeiten, Schwierigkeiten, die besonders beunruhigend waren, da die Einzelheiten im Verborgenen lagen.

Der Chef des Wissenschaftsrates, Hector Conway, hatte an der Lippe genagt und gesagt: »Ich bin mir nicht sicher, ob es sich um eine sirianische Verschwörung gegen die Solare Konföderation oder einfach nur um gewöhnliches Gangstertum handelt. Unsere Männer vor Ort nehmen die Angelegenheit allerdings ernst.«

»Hast du schon einen von unseren Einsatzspezialisten hingeschickt?« erkundigte sich Lucky. Es war noch gar nicht so lange her, daß er von seinem Auftrag im Asteroidengürtel zurückgekehrt war. Er hörte mit großem Interesse zu.

»Doch, habe ich«, gab Conway zurück, »ich habe Evans hinbeordert!«

»Lou Evans?« fragte Lucky, dabei leuchteten seine dunklen Augen vor Freude. »Er war einer meiner Zimmergenossen auf der Akademie. Er ist wirklich gut.«

»Ach, ist er das? Die Venusdienststelle wünscht, daß er abgelöst wird, und daß wir eine Untersuchung wegen Korruptionsverdacht gegen den Mann einleiten sollen.«

»Was?« Lucky sprang entsetzt auf. »Onkel Hector, das ist unmöglich.«

»Hast du Lust hinzufliegen und dir die Sache einmal persönlich anzusehen?«

»Und ob! Große Sterne und kleine Asteroiden! Bigman und ich sind unterwegs, sobald wir die Shooting Starr startklar haben.«

Und nun schaute Lucky auf der letzten Etappe ihrer Reise gedankenverloren durch das Bullauge. Der Nachtschatten war über die Venus gekrochen und eine Stunde lang gab es nur Dunkelheit zu sehen. Die riesige Masse der Venus verdeckte sämtliche Sterne.

Dann tauchten sie wieder ins Sonnenlicht, die Aussicht blieb jedoch grau in grau. Sie befanden sich zu nahe am Planeten, um ihn in seiner Gesamtheit sehen zu können. Selbst um die Wolkendecke ausmachen zu können, waren sie schon zu nahe. Sie flogen in Wirklichkeit gerade durch diese Wolkenbänke.

Bigman, der soeben ein großes Sandwich mit Huhn und Salat verputzt hatte, wischte sich über die Lippen und sagte: »Beim All, ich hätte nicht im mindesten Lust, ein Schiff durch diesen ganzen Dreck zu fliegen.«

Die Flügel des Kreuzers waren ausgeschwenkt worden, um sich die Vorteile der dichter werdenden Atmosphäre zunutze zu machen. Man konnte den Unterschied in der Flugruhe am eigenen Leibe feststellen. Die Windböen waren spürbar, ebenso das Steigen und Durchsacken in den Luftlöchern, Schiffe, die im All verkehren, sind ungeeignet für die Tücken und Fährnisse, die sich in dichterer Atmosphäre einstellen. Aus diesem Grunde benötigten Planeten wie Erde und Venus, die von dichten Luftschichten eingehüllt sind, Raumstationen. Bei diesen Raumstationen legen die ausschließlich für das Weltall konstruierten Schiffe an. Von diesen Raumstationen aus verkehren planetare Kreuzer mit Schwenkflügeln, die dann ihrerseits die tückischen Turbulenzen bis zur Oberfläche des betreffenden Planeten überwinden.

Bigman, der imstande war, ein Schiff mit verbundenen Augen vom Pluto zum Merkur zu steuern, wäre beim ersten Anzeichen sich verdichtender Atmosphäre verloren gewesen. Selbst Lucky, der während seiner intensiven Ausbildung an der Akademie Planetenkreuzer geflogen war, hätte sich inmitten der alles verdeckenden Wolken, von denen sie umgeben waren, nicht nach der Aufgabe gedrängt.

»Bis die ersten Entdecker auf der Venus gelandet sind«, sagte Lucky, »hat die Menschheit nichts weiter gesehen, als die Peripherie dieser Wolkenbänke, und das war alles. Die hatten damals merkwürdige Vorstellungen von diesem Planeten.«

Bigman antwortete nicht. Er inspizierte den Celloplexautomaten, um ganz sicher zu gehen, ob nicht doch noch ein Sandwich mit Huhn und Salat irgendwo versteckt war.

Lucky redete weiter. »Die konnten damals nicht genau sagen, wie schnell die Venus sich um ihre Achse drehte, oder ob sie sich überhaupt drehte. Selbst über die Zusammensetzung der Atmosphäre wußten sie nichts Genaues. Ihnen war bekannt, daß es hier Kohlendioxyd gab, aber bis spät in das zwanzigste Jahrhundert hinein waren die Astronomen der Überzeugung, daß es auf der Venus kein Wasser gibt. Als die ersten Schiffe hier landeten, stellte die Menschheit fest, daß dem nicht so ist.«

Er verstummte. Ganz gegen seinen Willen schweiften Luckys Gedanken wieder zu dem verschlüsselten Raumspruch, den er unterwegs, zehn Millionen Meilen von der Erde entfernt, erhalten hatte. Der Absender war Lou Evans gewesen, sein alter Klassenkamerad, dem er über Subäther mitgeteilt hatte, daß er sich auf dem Weg zur Venus befände.

Die Antwort war kurz, geradeheraus und eindeutig gewesen. Sie lautete: »Bleib, wo du bist!«

Das war alles! Es paßte gar nicht zu Evans. In Luckys Augen bedeutete eine Nachricht wie diese Ärger, großen Ärger, deshalb war er auch nicht »geblieben, wo er war«. Statt dessen hatte er den Energiepegel bis zum Anschlag geschoben und die Beschleunigung bis zu einem Punkt getrieben, der einem den Atem nahm.

»Ist schon ein komischer Gedanke, wenn man sich vorstellt, daß die Menschen einmal vor langer Zeit auf der Erde eingepfercht waren«, sagte Bigman jetzt. »Konnten einfach nicht wegkommen, egal, was sie auch versucht haben. Hatten keine Ahnung, wie es auf dem Mars, dem Mond oder sonstwo aussieht. Die Vorstellung läßt es mir kalt den Rücken runterlaufen.«

Genau zu diesem Zeitpunkt durchbrachen sie die Wolkenbänke, und sogar Luckys schwermütige Gedanken lösten sich bei dem, was sich seinen Augen darbot, in nichts auf.

Der Übergang war abrupt. Einen Augenblick zuvor waren sie von einer scheinbar ewig währenden Milchigkeit umgeben gewesen; im nächsten Moment war die Luft rings um sie herum klar und durchsichtig. Dort unten war alles in ein helles, strahlendes Licht getaucht. Über ihnen hingen die grauen Unterseiten der Wolkenbänke.

»He, schau mal, Lucky!«

Soweit das Auge reichte, erstreckte sich unter ihnen wie ein durchgehender Teppich die grün-blaue Vegetation der Venus.

Auf der Oberfläche gab es weder Höhenzüge noch Mulden. Alles war völlig plan, ganz so, als ob alles mit einer gigantischen atomgetriebenen Fräse eingeebnet worden sei.

Es gab auch nichts zu sehen, was einer normalen Erdlandschaft entsprochen hätte. Weder Straßen, noch Häuser oder Städte und Flüsse waren zu erkennen.

»Daran ist das Kohlendioxyd schuld«, sagte Lucky. »Davon ernähren sich die Pflanzen. Auf der Erde gibt es nur den dreihundertsten Teil eines Prozentes davon in der Luft, aber hier liegt der Kohlendioxydanteil bei fast zehn Prozent.«

Bigman hatte jahrelang auf den Marsfarmen gelebt und kannte sich mit Kohlendioxyd aus. »Aber warum ist es hier so hell, wo die Wolken doch so dicht sind?«

Lucky lächelte. »Du vergißt, daß die Sonne mehr als doppelt so hell scheint wie auf der Erde.« Als er nun wieder aus dem Bullauge sah, wurde sein Lächeln schwächer und verflüchtigte sich schließlich ganz.

»Komisch«, murmelte er.

Plötzlich wandte er sich von dem Bullauge ab. »Bigman, los, komm mit mir in die Kanzel.«

Mit zwei Sätzen hatte er die Kabine verlassen. Zwei weitere Schritte brachten ihn zum Cockpit. Die Tür war nicht abgesperrt. Er riß sie auf. Beide Piloten, George Reval und Tor Johnson saßen auf ihren Plätzen und starrten unverwandt auf die Instrumente. Keiner von beiden drehte sich bei ihrem Eintreten um.

Lucky sagte: »Männer.«

Keine Reaktion.

Er berührte Johnsons Schulter, woraufhin der Copilot irritiert zusammenzuckte und Luckys Hand abschüttelte.

Das junge Ratsmitglied packte Johnson an beiden Schultern und rief: »Schnapp' dir den anderen, Bigman!«

Der Kleine tat das bereits. Er stellte keine überflüssigen Fragen, sondern kniete sich mit der Aggressivität eines Leichtgewichtboxers in die Aufgabe.

Lucky stieß Johnson von sich. Der Mann stolperte rückwärts, straffte sich dann und stürmte auf Lucky los. Lucky duckte einen wilden Hieb ab und traf den Kinnwinkel des anderen mit einer rechten Geraden. Johnson ging zu Boden. Fast im selben Augenblick brachte Bigman bei George Reval einen fachgerechten Armhebel an, der Pilot flog durch die Luft und schlug lang hin. Er bekam keine Luft mehr.

Bigman zerrte die beiden aus der Kanzel und sperrte die Tür hinter ihnen ab. Als er zurückkam, sah er, wie Lucky fieberhaft an den Steuerhebeln arbeitete.

Erst jetzt verlangte er nach einer Erklärung. »Was ist passiert?«

»Der Anflugwinkel stimmte nicht«, antwortete Lucky. »Ich habe die Oberfläche genau beobachtet, sie kam uns zu schnell entgegen, tut es immer noch.«

Er bemühte sich verzweifelt, den Hebel zu finden, der den Anflugwinkel beeinflußt. Die blaue Oberfläche der Venus war jetzt viel näher. Sie raste ihnen geradezu entgegen.

Lucky schaute auf das Druckmanometer. Dieses Gerät maß das Gewicht der Luft über ihnen. Je höher die Anzeige kletterte, desto näher waren sie der Oberfläche. Der Anstieg auf der Skala verlangsamte sich jetzt. Luckys Faust schloß sich enger um die Gabelrute, er preßte die Zinken zusammen. Das mußte es sein. Er traute sich nicht, den Druck allzu schnell zu verstärken, dabei könnten die Schwenkflügel in dem tosenden Sturm, den sie durchflogen und der ihr Schiff umpeitschte, einfach abgerissen werden. Aber inzwischen waren es bis zur Nullhöhe nur noch hundertfünfzig Meter.

Luckys Nasenflügel waren gebläht, und die Muskelstränge zeichneten sich auf seinem Nacken ab, als er die Flügel gegen den Wind stellte.

»Die Flugkurve flacht ab«, stöhnte Bigman. »Die Flugkurve flacht ab.«

Aber es war einfach nicht genug Platz vorhanden. Das BlauGrün kam ihnen entgegen, bis es die Bullaugen völlig ausfüllte. Und dann traf die Venus Marvel, mit Lucky Starr und Bigman Jones an Bord, mit viel zu hoher Geschwindigkeit und in einem zu steilen Winkel auf der Oberfläche der Venus auf.

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