Die Donnerhöhlen

Bevor der erste rosige Schein der Morgendämmerung den Himmel erleuchtete, ritten Buliwyf und seine Krieger und ich unter ihnen fort aus dem Königreich des Rothgar und folgten dem Saume der Klippen über der See. An diesem Tage fühlte ich mich nicht wohlauf, denn mein Kopf schmerzte; überdies war mein Magen von den Feierlichkeiten der vorigen Nacht übersäuert. Sicherlich befanden sich sämtliche Krieger des Buliwyf in einem nämlichen Zustand, doch verriet kein Mann ein Anzeichen dieses Ungemaches.

Wir ritten scharf und hielten uns hart am Saume der Klippen, welche überall an dieser Küste hoch und abweisend und schroff sind; in steilen Wänden aus grauem Stein fallen sie ab zu der schäumenden und aufgewühlten See darunter. An manchen Orten entlang dieser Küstenlinie gibt es felsige Strande, doch oftmals stoßen Land und Meer unmittelbar aufeinander, und die Wogen krachen wie Hammer auf die Felsen; und dies war zum größten Teil der Umstand. Ich sah Herger, welcher auf seinem Pferde die Taue der Zwerge aus Robbenhaut mitführte, und ich ritt voran, um neben ihm zu reisen. Ich erkundigte mich, was diesen Tags unser Ansinnen sei. In Wahrheit bekümmerte mich dies nicht sonderlich, so schlimm schmerzte mein Kopf und brannte mein Magen.

Herger sagte zu mir: »An diesem Morgen greifen wir die Mutter der Wendol in den Donnerhöhlen an. Dies werden wir mittels eines Angriffes von der See her vollbringen, wie ich Euch gestern erklärte.«

Derweil ich ritt, blickte ich von meinem Pferd hinab auf die See, welche auf die Felsenklippen klatschte. »Greifen wir mit einem Boote an?« erkundigte ich mich bei Herger. »Nein«, sagte Herger und schlug mit seiner Hand auf die Taue aus Robbenhaut.

Diesem entnahm ich die Bedeutung, daß wir an den Tauen die Klippen hinabklettern wollten und uns dergestalt auf irgendeine Weise Zugang zu den Höhlen verschaffen. Ich war höchst erschreckt ob dieser Aussicht, denn niemals mochte ich mich hohen Orten überantworten; selbst die hohen Bauwerke in der Stadt des Friedens mied ich. Ich verlieh dergleichen Ausdruck.

Herger sagte zur mir: »Seid dankbar, denn Ihr seid vom Glück begünstigt.«

Ich erkundigte mich nach der Ursache meines Glückes. Herger sagte in Erwiderung: »So Ihr Furcht vor hohen Orten habt, werdet Ihr sie an diesem Tage überwinden; und darum habt Ihr Euch einer großen Herausforderung gestellt; und darum werdet Ihr als Held erachtet.« Ich sagte zu ihm: »Ich möchte kein Held sein.« Darauf lachte er und sagte, ich würde diese Ansicht nur äußern, weil ich ein Araber sei. Sodann sagte er überdies, daß ich ein steifes Haupt hätte, womit die Nordmänner die Folgen des Trinkens meinen. Dies traf zu, wie ich bereits erklärt habe. Überdies trifft es zu, daß ich höchst bedrückt war ob der Aussicht, die Klippe hinunterzuklettern. Wahrlich, ich fühlte mich dergestalt: daß ich eher eine jegliche Tat auf dem Antlitz der Erde vollbringen würde, sei es, bei einer Frau in der Monatsblutung zu liegen, aus einem Goldbecher zu trinken, die Ausscheidungen von Schweinen zu verzehren, meine Augen herauszureißen, selbst zu sterben - ein jegliches dieser Dinge würde ich dem Hinabklettern über diese verfluchten Klippen vorziehen. Überdies war ich in schlechter Stimmung. Zu Herger sagte ich: »Ihr und Buliwyf und all Euer Gefolge mögt Helden sein, wie es Eurem Gemüte entspricht, doch habe ich keinen Anteil an dieser Angelegenheit und werde nicht als einer der Euren zählen.«

Auf diese Rede hin lachte Herger. Darauf rief er zu Buliwyf und sprach mit rascher Zunge; Buliwyf antwortete ihm über seine Schulter. Darauf sprach Herger zu mir: »Buliwyf sagt, Ihr werdet es uns gleichtun.« Nun befiel mich wahrhaft Verzweiflung, und ich sagte zu Herger: »Ich kann dies nicht tun. So Ihr mich dazu zwingt, werde ich gewißlich sterben.«

Herger sagte: »Wie werdet Ihr sterben?« Ich sagte zu ihm: »Ich werde an den Tauen den Halt verlieren.«

Diese Antwort rief bei Herger von neuem ein herzliches Lachen hervor, und er wiederholte meine Worte allen Nordmännern, und sie lachten allesamt ob dessen, was ich gesagt. Darauf sprach Buliwyf ein paar Worte. Herger sagte zu mir: »Buliwyf sagt, daß Ihr nur den Halt verlieren werdet, wenn Ihr die Taue aus Euren Händen gleiten laßt, und nur ein Narr würde dergleichen tun. Buliwyf sagt, Ihr seid ein Araber, doch kein Narr.«

Hier ist nun ein wahres Bild vom Wesen des Menschen: daß Buliwyf auf seine Art sagte, ich sollte an den Tauen klettern; und daß ich dies ob seiner Rede ebenso glaubte wie er und in einem leichten Maße fröhlichen Herzens ward. Dies erkannte Herger, und er sprach diese Worte: »Ein jeglicher Mann trägt Furcht in sich, welche ihm eigen ist. Der eine Mann fürchtet geschlossene Räume, und ein anderer Mann fürchtet sich vor dem Ertrinken; ein jeglicher verlacht den anderen und heißt ihn töricht. Darum ist Furcht nur eine Vorliebe und sollte ebenso gewertet werden wie die Vorliebe zu dieser Frau oder einer anderen oder zu Hammel statt Schwein oder Kohl statt Zwiebeln. Wir sagen, Furcht ist Furcht.«

Mir war nicht nach seinen Weltweisheiten zumute; diesem verlieh ich ihm gegenüber Ausdruck, denn in Wahrheit erwuchs in mir eher Verärgerung denn Furcht. Nun lachte mir Herger ins Antlitz und sprach diese Worte: »Gelobt sei Allah, denn in seiner Weisheit stellte er den Tod ans Ende des Lebens und nicht an den Anfang.« Kurzerhand sagte ich zur Erwiderung, daß ich keinen Nutzen darin sähe, das Ende zu beschleunigen. »Dies tut in der Tat kein Mann«, entgegnete mir Herger, und darauf sagte er: »Schaut zu Buliwyf. Seht, wie aufrecht er sitzt. Seht, wie er voranreitet, obgleich er weiß, daß er bald sterben wird.«

Ich antwortete: »Ich weiß nicht, daß er sterben wird.« »Ja«, sagte Herger, »doch Buliwyf weiß es.« Darauf sprach Herger fürderhin nicht mit mir, und wir ritten eine gute Zeitspanne dahin, bis daß die Sonne hoch und strahlend am Himmel stand. Darauf gab Buliwyf das Zeichen zum Anhalten, und sämtliche Reiter saßen ab und bereiteten sich auf das Eindringen in die Donnerhöhlen vor. Nun weiß ich sehr wohl, daß diese Nordmänner tapfer bis zur Leichtfertigkeit sind, doch als ich den Abgrund der Klippe unter uns sah, kehrte sich mir das Herz in meiner Brust um, und ich dachte, ich müßte mich jeden Augenblick erleichtern. Wahrlich, die Klippe war völlig blank, bar eines jeglichen Haltes für Hand oder Fuß, und sie fiel über eine Strecke von vielleicht vierhundert Schritt ab. Wahrlich, die krachenden Wogen befanden sich so weit unter uns, daß sie winzig wie das allerfeinste Gemälde eines Künstlers wirkten. Doch wußte ich, daß sie so mächtig waren wie jegliche Wogen auf Erden, sobald man hinabgestiegen war. Mich dünkte das Hinabklettern über diese Klippen als Wahnwitz jenseits des Wahnwitzes eines tollen Hundes. Doch die Nordmänner fuhren in üblicher Weise fort. Buliwyf wies sie an, starke hölzerne Pfähle in die Erde zu hämmern; um diese wurden die Taue aus Robbenhaut gebunden und die frei schwingenden Enden über den Saum der Klippen geworfen. Wahrlich, die Taue waren nicht lang genug für einen so tiefen Abstieg, und daher mußten sie wiederum eingeholt und zwei Taue miteinander verbunden werden, auf daß eine einzige Spanne entstand, welche zu den Wogen am Grunde hinabreichte.

In geziemender Zeit verfügten wir über zwei solche Taue, welche über den ganzen Abfall der Klippe hinabreichten. Darauf sprach Buliwyf zu seinem Gefolge: »Zuerst werde ich vorangehen, auf daß, wenn ich den Grund erreiche, alle wissen, daß die Taue stark sind und die Reise vollendet werden kann. Ich erwarte euch am Fuße, auf der schmalen Leiste, welche ihr unten erkennt.« Ich blickte auf diese schmale Leiste. Sie als schmal zu bezeichnen hieße, ein Kamel als freundlich zu bezeichnen. Es handelte sich in Wahrheit um das allerblankeste Stück flachen Felsens, fortwährend von der Brandung umspielt und umtost.

»Wenn ich den Fuß erreicht habe«, sagte Buliwyf, »können wir die Mutter der Wendol in den Donnerhöhlen angreifen.« Dergestalt sprach er mit einer so gewöhnlichen Stimme, als unterweise er einen Sklaven in der Zubereitung eines Schmortopfes oder einer anderen häuslichen Verrichtung. Und ohne weitere Worte begab er sich über den Saum der Klippe. Hier ist nun die Art seines Abstieges, welche ich bemerkenswert fand, doch die Nordmänner erachten dies als nichts Besonderes. Herger erklärte mir, daß sie auf diese Weise zu einer bestimmten Jahreszeit die Eier von Seevögeln einsammeln, wenn die Seevögel am Klippenhange ihre Nester bauen. Es geschieht dergestalt: Eine Schlinge wird um die Hüfte des hinabkletternden Mannes gelegt, und alle seine Gefährten packen an und senken ihn an der Klippe hinab. Unterdessen hält sich der Mann zur Unterstützung am zweiten Taue fest, welches am Klippenabfall baumelt. Ferner führt der hinabsteigende Mann einen starken Stock aus Eichenholz mit sich, welcher am einen Ende mit einer ledernen Schnur, oder einem Riemen, an seinem Handgelenk befestigt ist; diesen Stab verwendet er als Stecken, mit welchem er sich hierhin und dorthin stößt, derweil er sich über die felsige Fläche hinab bewegt. Da Buliwyf hinabstieg und vor meinen Augen immer kleiner ward, sah ich, daß er die Schlinge, das Tau und den Stock überaus behende handhabte; doch ließ ich mich nicht dazu verleiten, dies als eine Kleinigkeit zu betrachten, denn ich erkannte, daß es schwierig war und Übung erforderte. Endlich erreichte er sicher den Grund und stand auf der schmalen Leiste, wo die Gischt über ihm zusammenschlug. In Wahrheit war er so verkleinert, daß wir kaum erkennen konnten, wie er zum Zeichen, daß er sicher angelangt war, mit der Hand winkte. Nun ward die Schlinge eingeholt; und mit ihr ebenso der Eichenstab. Herger wandte sich an mich und sprach: »Ihr werdet als nächster gehen.« Ich sagte, daß ich mich elend fühlte. Überdies sagte ich, ich wünschte einen anderen Mann hinabsteigen zu sehen, auf daß ich die Art seines Absteigens besser erlernen könnte. Herger sagte: »Es wird mit einem jeglichen Abstieg schwieriger, da immer weniger hier oben verbleiben, welche den Mann hinabsenken. Der letzte Mann muß ohne eine Schlinge hinabsteigen, und dies wird Ecthgow sein, denn seine Arme sind ehern. Es ist eine Bezeugung unserer Gunst, welche Euch gestattet, als zweiter Mann hinabzusteigen. Geht nun.«

An seinen Augen erkannte ich, daß es keine Hoffnung auf einen Aufschub gab, und so ward ich an der Schlinge befestigt, und ich ergriff den starken Stab mit meinen Händen, welche schlüpfrig waren vom Schweiß; und mein ganzer Leib war gleichermaßen schlüpfrig vom Schweiß; und ich schauderte im Winde, als ich mich über den Saum der Klippe begab, und ein letztes Mal sah ich die fünf Nordmänner das Tau straffen, und darauf waren sie meinem Blicke entzogen. Ich unternahm meinen Abstieg. Ich hatte mir ausgesonnen, viele Gebete an Allah zu sprechen und überdies mit meinem geistigen Auge, dem Gedächtnis meiner Seele, die zahlreichen Erfahrungen aufzuzeichnen, welchen ein Mann unterworfen ist, derweil er an Tauen von einer solch windzerzausten Klippe herabbaumelt. Sobald ich außer Sicht meiner Nordmännerfreunde oben war, vergaß ich all mein Ansinnen und flüsterte wieder und wieder »gepriesen sei Allah«, wie ein geistloser Mensch oder ein so alter, daß sein Hirn nicht länger denkt, oder ein Kind oder ein Narr.

In Wahrheit vermag ich mich nur an einige wenige Geschehnisse zu erinnern. Nur an dies: daß der Wind einen Menschen mit solch einer Geschwindigkeit über den Felsen hin und her bläst, daß das Auge auf der Oberfläche, welche ein verschwommenes Grau ist, nicht zu verweilen vermag; und daß ich viele Male an den Felsen schlug und meine Knochen stauchte und meine Haut zerschürfte; und einmal stieß ich mit dem Haupte an und sah strahlende weiße Punkte wie Sterne vor meinen Augen, und ich dachte, ich würde ohnmächtig, doch ward es nicht. Und in geziemender Zeit, welche mich in Wahrheit wie die ganze Spanne meines Lebens und noch mehr dünkte, erreichte ich den Grund, und Buliwyf schlug mir auf die Schulter und sagte, ich hätte wohlgetan.

Nun ward die Schlinge hochgezogen; und die Wogen krachten auf mich ein und auf Buliwyf an meiner Seite. Nun rang ich um mein Gleichgewicht auf dieser schlüpfrigen Leiste, und dies nahm meine Aufmerksamkeit derart in Beschlag, daß ich nicht hinsah, als die anderen über die Klippe herabkamen. Mein einzig Begehren war dies: nicht in die See hineingefegt zu werden. Wahrlich, ich sah mit eigenen Augen, daß die Wogen höher waren als drei übereinanderstehende Männer, und beim Anbranden einer jeglichen Woge war ich für einen Augenblick empfindungslos inmitten eines Strudels aus eisigem Wasser und wirbelnder Wucht. Viele Male ward ich von diesen Wogen von den Beinen gerissen; ich war am ganzen Körper durchtränkt und schauderte so schlimm, daß meine Zähne klapperten wie ein galoppierendes Pferd. Ich konnte ob des Klapperns meiner Zähne nicht ein Wort sprechen.

Nun unternahmen sämtliche Krieger des Buliwyf ihren Abstieg; und alle gelangten sicher an, wobei Ecthgow mittels der rohen Kraft seiner Arme als letzter herunterkam, und als er schließlich stand, zitterten seine Beine so unbeherrscht, wie ein Mann im Todeskampfe erbebt; wir warteten einige Augenblicke, bis er wieder bei sich war. Darauf sprach Buliwyf: »Wir werden in das Wasser hineinsteigen und in die Höhle schwimmen. Ich will der erste sein. Tragt eure Dolche zwischen den Zähnen, auf daß eure Arme frei sind, gegen die Strömung anzukämpfen.« Diese Worte neuerlichen Wahnwitzes trafen mich zu einer Zeit, da ich fürderhin nichts mehr ertragen konnte. In meinen Augen war das Vorhaben des Buliwyf töricht über alle Maßen. Ich sah die Wogen herankrachen und auf den zackigen Felsen bersten; ich sah die Wogen wiederum zurückweichen mit einem Sog von gewaltiger Kraft, doch nur, um wiederum Wucht zu erlangen und neuerlich heranzutosen. Wahrlich, ich beobachtete dies, und ich glaubte, daß kein Mann in diesem Wasser schwimmen konnte, sondern daß er vielmehr auf der Stelle zu knochigen Trümmern zerschlagen würde.

Doch brachte ich kein Widerwort vor, denn ich war bar jeden Fassungsvermögens. Meines Denkens nach war ich dem Tode so nah, daß es nicht von Bedeutung war, ob ich ihm noch näher kam. Daher ergriff ich meinen Dolch, welchen ich in meinen Gurt schob, denn meine Zähne klapperten zu heftig, um ihn mit dem Munde festzuhalten. Was die anderen Nordmänner anbetrifft, so verrieten sie keinerlei Anzeichen von Kälte oder Ermattung, sondern begrüßten vielmehr eine jegliche Woge als neuerliche Belebung; überdies lächelten sie in freudiger Erwartung der bevorstehenden Schlacht, und ob des letzteren haßte ich sie.

Buliwyf beobachtete die Bewegung der Wogen, derweil er den rechten Zeitpunkt auserkor, und darauf sprang er in die Gischt. Ich zauderte, und jemand - ich habe stets geglaubt, daß es Herger war - stieß mich. Tief fiel ich in die strudelnde See von betäubender Kälte; wahrlich, ich ward kopfüber davongerissen und seitwärts ebenso. Ich konnte nichts sehen denn grünes Wasser. Dann nahm ich Buliwyf wahr, welcher in die Tiefen der See hinabstieß; und ich folgte ihm nach, und er schwamm in eine Art Durchgang zwischen den Felsen. In jeglichem tat ich es ihm gleich. Dergestalt war sein Vorgehen: Im einen Augenblick sog die Brandung an ihm und suchte ihn in das offene Meer hinauszuziehen und mich ebenso. In diesen Augenblicken ergriff Buliwyf mit beiden Händen einen Fels und hielt sich wider die Strömung fest; dies tat ich ebenso. Mit aller Macht und berstender Lunge hielt ich mich an den Felsen fest. Unmittelbar darauf toste die Sturzsee in die entgegengesetzte Richtung, und ich ward mit furchtbarer Wucht nach vorne gerissen und prallte auf Felsen und Hindernisse. Und darauf wechselte die Brandung wiederum und sog nach rückwärts, wie sie es zuvor getan; und ich ward gezwungen, dem Beispiel des Buliwyf zu folgen und mich an Felsen zu klammern. Nun trifft es zu, daß meine Lunge brannte wie entflammt, und ich wußte im Herzen, daß ich nicht viel länger in dieser eisigen See ausharren konnte. Darauf strömte die Brandung voran, und ich ward kopfüber mitgerissen, schlug hier und dort an, und dann war ich mit einem Male obenauf und atmete Luft.

Wahrlich, dies trug sich mit einer solchen Schnelligkeit zu, daß ich zu überrascht war, Erleichterung zu empfinden, welche das rechte Gefühl war; noch dachte ich daran, Allah ob meines Glückes im Überleben zu preisen. Ich schnappte nach Luft, und rund um mich her ruhten die Krieger des Buliwyf mit ihren Häuptern auf der Wasserfläche und keuchten gleichermaßen. Hier folgt nun, was ich sah: Wir befanden uns in einer Art Teich oder See im Inneren einer Höhle mit einer glatten felsigen Kuppel und einem Eingang zur See, durch welchen wir just vorgedrungen waren. Unmittelbar vor uns befand sich ein flacher felsiger Raum. Ich sah drei oder vier dunkle Gestalten um ein Feuer kauern; diese Wesen sangen mit hohen Stimmen. Nun verstand ich überdies, weshalb dies die Höhle des Donners geheißen ward, denn bei jedem Krachen der Brandung hallte die Höhle mit solch einer Macht wider, daß die Ohren schmerzten und die Luft höchst selbst zu schwingen und zu beben schien.

An diesem Orte, in dieser Höhle, unternahmen Buliwyf und seine Krieger ihren Angriff, und ich schloß mich ihnen an, und mit unseren kurzen Dolchen töteten wir die vier Unholde in der Höhle. Im flackernden Lichte des Feuers, dessen Flammen mit einem jeglichen Einhämmern der donnernden Brandung wild aufloderten, sah ich sie zum ersten Male deutlich. Der Anblick dieser Dämonen war dergestalt: Sie wirkten in jeglicher Hinsicht menschenähnlich, doch nicht wie ein Mensch auf dem Antlitz der Erde. Sie waren von kleiner Gestalt und breit und gedrungen und behaart an sämtlichen Teilen ihres Körpers, ausgenommen ihre Handteller, die Sohlen ihrer Füße und ihre Gesichter. Ihre Gesichter waren sehr groß, mit großem und vorstehendem Mund und Kiefer, und häßlich anzuschauen; überdies waren ihre Häupter größer denn die Häupter gewöhnlicher Menschen. Ihre Augen waren tief in ihre Häupter eingesunken; die Brauen waren groß, und dies nicht aufgrund behaarter Brauen, sondern aufgrund der Knochen; überdies waren ihre Zähne groß und scharf, obzwar die Zähne bei vielen in Wahrheit abgeschliffen und abgeflacht waren. Im Hinblick auf ihre weiteren leiblichen Beschaffenheiten wie auch auf ihre Geschlechtsorgane und zahlreichen Körperöffnungen waren sie ebenso wie Menschen. (Diese Beschreibung der körperlichen Merkmale der Wendol hat, wie vorauszusehen war, einen Disput entfacht, siehe Anhang.) Eine dieser Gestalten starb eines langsamen Todes, und mit seiner Zunge bildete es Töne, welche für mein Ohr das Wesen einer Sprache besaßen; doch weiß ich nicht zu sagen, ob dies so war, und ich teile es wiederum ohne Überzeugung in dieser Angelegenheit mit.

Nun musterte Buliwyf diese vier toten Wesen mit ihrem dichten, verfilzten Fell, darauf vernahmen wir einen gespenstischen, hallenden Gesang, ein Geräusch, welches mit dem donnernden Hämmern der Brandung anschwoll und abfiel, und dieses Geräusch rührte aus den Tiefen der Höhle. Buliwyf führte uns hinein.

Dort stießen wir auf drei dieser Wesen, welche sich zu Boden geworfen, die Gesichter an die Erde gedrückt und die Hände in Anbetung eines im Schatten dräuenden alten Wesens erhoben.

Diese Anbeter sangen und bemerkten unsere Ankunft nicht. Doch das Wesen sah uns und schrie abscheulich bei unserem Nahen. Dieses Wesen, so nahm ch an, mußte die Mutter der Wendol sein, doch so es weiblichen Geschlechtes war, erkannte ich keinerlei Anzeichen, denn es war alt in einem Maße, daß es geschlechtslos war.

Buliwyf fiel allein über die Anbeter her und tötete sie allesamt, derweil das Mutterwesen sich in den Schatten zurückzog und entsetzlich schrie. Ich konnte sie nicht gut sehen, doch soviel ist wahr: daß sie umringt war von Schlangen, welche sich zu ihren Fußen wanden und auf ihren Händen und um ihren Hals. Diese Schlangen zischten und zuckten mit ihren Zungen; und da sie überall an ihr waren, an ihrem Leibe und ebenso am Boden, wagte es keiner der Krieger des Buliwyf, näher zu treten. Darauf griff Buliwyf sie an, und sie stieß einen furchtbaren Schrei aus, als er den Dolch tief in ihre Brust stieß, denn er war unbekümmert ob der Schlangen. Viele Male stach er mit seinem Dolche auf die Mutter der Wendol ein. Niemals brach diese Frau zusammen, sondern allzeit blieb sie stehen, obgleich das Blut aus ihr strömte wie aus einem Quell und von den zahlreichen Wunden, welche Buliwyf ihr zufügte. Und die ganze Zeit schrie sie in höchst fürchterlichem Tone. Dann sank sie schließlich zusammen und blieb tot liegen, und Buliwyf wandte sich seinen Kriegern zu. Nun sahen wir, daß diese Frau, diese Mutter der Verzehrer der Toten, ihn verwundet hatte. Eine silberne Nadel, wie eine Nadel für das Haar, stak in seinem Bauche; diese nämliche Nadel erbebte mit einem jeglichen Herzschlag. Buliwyf zog sie heraus, und es gab einen Schwall Blutes. Doch sank er nicht tödlich verwundet in die Knie, sondern blieb stehen und erteilte den Befehl, die Höhle zu verlassen.

Dies taten wir durch den zweiten und landwärtigen Zugang; dieser Zugang war bewacht gewesen, doch sämtliche Wendolwächter waren vor den Schreien ihrer sterbenden Mutter geflohen. Wir zogen ohne Belästigung ab.

Buliwyf führte uns hinfort von den Höhlen und zurück zu unseren Pferden, und darauf sank er zu Boden. Ecthgow, dessen Antlitz eine unter den Nordmännern höchst ungewöhnliche Betrübnis aufwies, ordnete das Anfertigen einer Bahre an, und vermittels dieser trugen wir Buliwyf über die Felder zurück zum Königreich des Rothgar. Und die ganze Zeit war Buliwyf voller Fröhlichkeit und heiter; viele der Dinge, welche er sprach, verstand ich nicht, doch einmal hörte ich ihn sagen: »Rothgar wird nicht froh sein, uns zu sehen, denn er muß ein weiteres Gelage ausrichten, und mittlerweile ist er ein höchst erschöpfter Gastgeber.« Die Krieger lachten auf dieses und andere Worte des Buliwyf hin. Ich sah, daß ihr Lachen aufrichtig war.

Nun gelangten wir zum Königreich des Rothgar, wo wir mit Freude und Fröhlichkeit und ohne Betrübnis begrüßt wurden, obzwar Buliwyf gräßlich verletzt war und sein Fleisch grau ward und sein Leib zitterte und seine Augen vom Funkeln einer kranken und fiebrigen Seele brannten. Diese Anzeichen kannte ich nur zu wohl, und ebenso erging es auch den Menschen des Nordens.

Eine Schale mit Zwiebeln ward zu ihm gebracht, und er wies sie zurück und sagte: »Ich habe das Suppenleiden; bekümmert euch nicht um mein Schicksal.« Dann rief Buliwyf zum Gelage auf und beharrte, er wolle ihm, aufgestutzt auf einer steinernen Liege zur Seite des Königs Rothgar, Vorsitzen, und er trank Met, und er war fröhlich. Ich war ihm nahe, als er inmitten der Feierlichkeiten zu König Rothgar sagte: »Ich besitze keine Sklaven.« »All meine Sklaven sind Eure Sklaven«, sagte Rothgar.

Darauf sagte Buliwyf: »Ich besitze keine Pferde.« »All meine Pferde sind Euer«, antwortete Rothgar. »Denkt nicht mehr an diese Angelegenheiten.« Und Buliwyf, dessen Wunden verbunden, war heiter, und er lächelte, und an diesem Abend kehrte wieder Farbe in seine Züge, und tatsächlich schien er mit jeder verstreichenden Spanne der Nacht stärker zu werden.

Und obzwar ich es nicht für möglich gehalten hätte, ergötzte er sich an einem Sklavenmädchen, und danach sagte er zu mir im Scherze: »Ein toter Mann ist für niemanden von Nutzen.« Und darauf fiel Buliwyf in Schlaf, und seine Farbe ward bleicher und sein Odem flacher; ich fürchtete, er werde niemals mehr aus diesem Schlafe erwachen. Er mag dies ebenso gedacht haben, denn derweil er schlief, hielt er sein Schwert mit fester Hand umfangen.

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