Die Tiere in der Tonne saßen so dicht zusammengedrängt, daß eines den Herzschlag des anderen spüren konnte. Sie wagten kaum zu atmen. Das Gespräch zwischen Zauberer und Hexe ging noch eine Weile in diesem albernen Ton weiter. Es war offensichtlich, daß sie sich gegenseitig belauerten und keiner dem anderen traute. Aber schließlich versiegte ihr Vorrat an leeren Redensarten. Beide hatten inzwischen auf Stühlen Platz genommen, einander gegenüber, und musterten sich mit schmalen Augen wie zwei Pokerspieler vor der Partie. Frostiges Schweigen erfüllte den Raum. An der Stelle mitten zwischen ihnen, wo ihre Blicke sich kreuzten, entstand in der Luft ein dicker Eiszapfen und fiel klirrend zu Boden.»Und nun zum Geschäft«, sagte Tyrannja. Irrwitzers Gesicht blieb undurchdringlich.»Ich dachte mir schon, daß du nicht nur kommen würdest, um irgendeinen Sylvesterpunsch mit mir zu trinken.«Die Hexe richtete sich auf.»Wie kommst du denn ausgerechnet auf sowas?«»Nun, durch deinen Raben da - Jakob Krakel, oder wie er heißt.«»Der war hier?«»Ja, du hast ihn doch geschickt.«»Das habe ich nicht getan«, sagte Tyrannja böse.»Ich wollte dich mit meinem Besuch überraschen.«Irrwitzer lächelte freudlos.»Nimm's nicht so schwer, liebe Tante Tyti. So konnte ich mich doch wenigstens auf deinen lieben Besuch vorbereiten.«»Dieser Rabe«, fuhr die Hexe fort,»nimmt sich einfach zu viel heraus.«»Das finde ich allerdings auch«, antwortete Irrwitzer.»Er ist auffallend unverschämt.«Die Tante nickte.»Ich habe ihn seit ungefähr einem Jahr, aber er hatte von Anfang an einen aufsässigen Charakter.«Wieder starrten Zauberer und Hexe sich schweigend an.»Wieviel«, fragte Irrwitzer schließlich,»weiß er denn über dich - und deine Geschäfte?«»Gar nichts«, sagte Tyrannja,»er ist bloß ein Prolet, weiter nichts.«»Bist du da ganz sicher?«»Hundertprozentig!«Jakob kicherte laudos in sich hinein und flüsterte dem kleinen Kater ins Ohr:»So kann man sich irren.«»Warum behältst du das impertinente Federvieh überhaupt bei dir?«forschte Irrwitzer weiter.»Weil ich zuviel von ihm weiß.«»Und was weißt du von ihm?«Die Hexe ließ ihre Brillantplomben blitzen.»Alles.«»Was heißt das?«»Er ist in Wirklichkeit ein Spion, den mir der Hohe Rat der Tiere ins Haus geschickt hat, um mich zu überwachen. Dieser Galgenvogel hält sich für sehr gerissen. Er glaubt tatsächlich bis heute noch, ich hätte nichts davon gemerkt.«Jakob klappte fast hörbar seinen großen Schnabel zu. Maurizio stieß ihn an und raunte:»So kann man sich irren - Kollege.«Der Zauberer zog die Augenbrauen hoch und nickte nachdenklich.»Sieh mal einer an«, sagte er,»auch ich habe seit einiger Zeit solch einen Spion im Haus - einen völlig verblödeten Kater, der sich einbildet, ein Sänger zu sein. Er ist leichtgläubig, gefräßig und eitel, also ein sehr angenehmer Charakter -

für mich jedenfalls. Es war ein Kinderspiel, ihn von Anfang an unschädlich zu machen. Ich habe ihn mit Fressen vollgestopft - und mit Betäubungsmittelchen. Er döst nur noch vor sich hin, aber er ist glücklich und zufrieden, der kleine Idiot. Er vergöttert mich geradezu.«»Und er ahnt nichts?«»Er ist vollkommen vertrauensselig«, antwortete Irrwitzer.»Weißt du, was er heute getan hat? Er hat mir von sich aus alles gestanden - warum er hier ist und wer ihn geschickt hat. Er hat mich sogar um Verzeihung gebeten, weil er mich all die Zeit über getäuscht hätte. Kannst du dir einen solchen Trottel vorstellen?«Die Spannung zwischen Zauberer und Hexe explodierte in einem schallenden Gelächter. Obwohl es zweistimmig war, klang es nicht gerade harmonisch. Maurizio in der Tonne konnte ein kleines, lautloses Schluchzen nicht unterdrücken. Jakob, der gerade etwas Spöttisches hatte sagen wollen, fühlte es und verzichtete taktvollerweise auf jeden Kommentar.

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