15

Der Trainingsbaum, etwa einen goreanischen Fuß im Quadrat messend, einen Meter tief in die holzgesäumte Grube versenkt, in der mit Holzboden ausgelegten, hohen Scheune zusätzlich befestigt, erbebte unter den Schlägen, die ihn trafen. An den Händen trug ich Übungsgeräte, Gunni genannt, die aus gekrümmten Bleigewichten bestanden, mehrere Pfund schwer. Die Griffe waren mit Tuch abgesichert. Mit diesen Geräten wird zweierlei erreicht. Erstens kräftigen sie die Muskeln an Schultern, Rücken und Armen und wecken unglaubliche Kräfte; zweitens kommt es einem vor, als könnten die Hände wie Hornissen fliegen, sobald die Gewichte fortgenommen werden. Ich hielt mich dicht an den Stamm.

Die Faust bewegt sich ungemein schnell und hat innerhalb der ersten sechs Zoll ihrer Bewegung die größte Wirkungskraft, dann stecken noch Arm und Rücken hinter dem Hieb. Darin ähnelt sie dem Pfeil, der unmittelbar nach Verlassen der Bogensehne die größte Schnelligkeit und Durchschlagskraft besitzt. Die konkave Oberfläche der Gunni sind dem Benutzer zugewendet, und die Griffe befinden sich in einer Vertiefung. Die Außenflächen der Gunni, die Aufprallfläche, ist leicht konvex gestaltet, was ein vorzeitiges Splittern des Stammes verhindert. Auf eine Weise komprimieren die Schläge das Holz des Stammes und verlängern sein Leben, bis er dann nach einigen letzten Stößen bricht. Trainingsbäume müssen immer wieder ausgewechselt werden. Es mag überraschend erscheinen, doch ein kräftiger, entschlossener Mann, der gegen die Zeit arbeitet, kann innerhalb weniger Ehn einen Trainingsstamm zum Brechen bringen. Gewichtsmäßig ähneln die Gunni den Köpfen von Vorschlaghämmern. Man kann mit ihnen Wände durchbrechen oder Eisen biegen.

Ich hämmerte auf den Stamm los, beulte ihn ein, ließ ihn im Fundament und in den Stützen erbeben.

Gestern waren wir von unserer Herrin inspiziert worden. Nachdem sie mich beschaut hatte, war die Inspektion – so wollte mir scheinen – ziemlich schnell zu Ende gewesen. Die restlichen Sklaven in der Reihe hatte sie eher oberflächlich gemustert und sich die Kajirae kaum angesehen.

Immer wieder schlug ich gegen den Stamm. Dabei muß man auf das Gleichgewicht achten, was einem die Beweglichkeit verschafft und dem Gegner kaum eine Möglichkeit läßt, einen Fehlschritt oder eine vorübergehende Ungeschicklichkeit in der Verteilung des eigenen Gewichts auszunutzen; außerdem bekommen die eigenen Hiebe dadurch eine bessere Wirkung. Ich nahm die Füße selten weiter als zwanzig Zoll auseinander; zu Beginn des Trainings hatte ich eine Fußfessel getragen, jetzt gelang es mir auch ohne Gedächtnishilfe, ohne überhaupt darüber nachzudenken, einen vernünftigen Abstand zwischen den Füßen einzuhalten; dabei bewegte ich mich vorwiegend auf Zehenspitzen; dies mindert die Reibung und läßt schnelle Bewegungen zu. In der Kampfarena bohren sich die Zehen überdies in den weichen Sand und geben besseren Halt. Viele Sklavenkämpfe sind kaum mehr als blutige Schlägereien, die gern von freien Personen verfolgt werden. Kenneth und Barus dagegen, die sich auf Wetten einließen, nahmen solche Kämpfe ernst. Im Laufe der Jahre hatten sie viel Zeit und Überlegung auf das Training und die Entwicklung von Kampfsklaven verwendet. In der Folge waren die Ställe der Lady Florence, besonders in den letzten vier oder fünf Jahren, bei Stallkämpfen ungewöhnlich erfolgreich gewesen. Dies hatte Kenneth und Barus ein kleines Vermögen eingebracht. Die Angehörigen hoher goreanischer Kasten interessierten sich allerdings kaum für solche Dinge.

Der Stamm vor mir ächzte und begann zu knacken. Immer wieder hieb ich zu. Die Decke der hohen Scheune und die Wände hallten von den Schlägen auf das nachgebende Holz wider. Ich spürte, daß der Balken bald weichen würde, und erhöhte das Tempo meiner Schläge.

Es geschah zuweilen jeden vierten oder fünften Tag, daß ich eine Haube übergestülpt bekam und angekettet in einen Wagen geschafft wurde, gewöhnlich mit anderen Sklaven, die ebenfalls Kämpfer waren. Wenn ich dann wieder losgekettet wurde, befand ich mich meistens in einer niedrigen Grube, um die sich freie Personen versammelt hatten, die zumeist aus niederen Kasten stammten. In der Grube stand mir ein anderer Sklave gegenüber. Unsere Hände waren in Leder gewickelt, damit sie nicht so schnell brachen. Es durfte getreten werden, doch waren tödliche Umklammerungen verboten. Man kämpfte, bis der Gegner nicht mehr konnte – unterbrochen durch kurze Pausen, die den Kampf in die Länge zogen und in denen sich die Kämpfer ein wenig erfrischen konnten. Begleitet war der Kampf von lautem Gebrüll und lebhaftem Wetten. In unseren Ställen hatte ich die ersten sechs Kämpfe verloren, doch je mehr meine Erfahrung in der Arena zunahm, desto positiver machte sich mein Training bemerkbar, und mit der Zeit schlug ich mich ganz gut. Die letzten siebzehn Kämpfe hatte ich gewonnen – davon hatten fünf außerhalb unserer Ställe stattgefunden. In der Regel gehörte ich zu einer Mannschaft aus fünf Kämpfern, die sich gewichtmäßig unterschieden. Ich kämpfte in der schwersten Klasse. Auch unter den kleinen Männern gibt es ungewöhnlich gute Kämpfer, wenn sie auch nicht die Größe und das Gewicht mitbringen, um sich nachhaltig gegen größere Männer durchzusetzen, die etwa das gleiche Kampfgeschick besitzen.

Plötzlich spaltete sich der Stamm und brach splitternd vor den Gewichten in meinen Händen weg.

Ich warf den Kopf in den Nacken und atmete schnell tief durch.

Im gleichen Augenblick spürte ich es neben mir, das kleine blonde Weib in dem braunen Fetzen.

»Telitsia«, sagte ich.

Sie nahm mir eine der Gunni ab, die von der linken Faust. Das Gebilde war schwer. Sie trug es mit beiden Händen zu einem Regal an der Wand.

»Weiß Kenneth, daß du hier bist?« fragte ich.

Sie kehrte zurück und zog mir sanft das gekrümmte Gewicht von der rechten Faust.

»Weiß Kenneth, daß du hier bist?« wiederholte ich meine Frage.

Sie stellte das zweite Gewicht in das Regal. Dann wandte sie sich um und schaute mich an. Ich erwiderte den Blick. Sie begann zu zittern, senkte den Kopf und ging zu einem wassergefüllten Holzeimer in der Ecke der Scheune. Sie senkte eine große Schöpfkelle hinein und brachte sie mir. Ich trank, gab ihr die Kelle zurück, die sie zum Eimer zurücktrug. Ihre kleinen, bloßen Füße wühlten die Sägespäne auf, die den Boden bedeckten. Sie brachte ein großes rauhes Handtuch und begann mich zart abzureiben. Ich war schweißnaß. Wir waren allein in der Scheune.

»Sprich, Frau!« forderte ich.

»Nein«, flüsterte sie.

Plötzlich hob sie den Kopf. »Heute nachmittag soll mich der Wagen abholen«, sagte sie. »Ich soll auf dem Markt verkauft werden.«

»Ich weiß«, sagte ich.

»Aber ich möchte nicht verkauft werden!« rief sie schluchzend.

»Du bist Sklavin. Deine Wünsche sind unwichtig.«

»Ich weiß«, flüsterte sie. Plötzlich warf sie das Handtuch zur Seite und blickte schluchzend zu mir auf. Sie bot einen wunderschönen Anblick. »Telitsia kniet zu deinen Füßen«, flüsterte sie mitleiderregend, »… Herr.«

Ich nahm sie in die Arme und trug sie in eine der leeren Boxen, wo ich sie sanft ins Stroh legte. »Sei gegrüßt, Kenneth«, sagte Borto, der Fahrer des flachen Tharlarion-Wagens. »Wie ich sehe, ist die Sklavin bereit.«

»Sei gegrüßt, Borto«, antwortete Kenneth.

»Ich bringe dir Ersatz«, meldete Borto und deutete auf eine Gestalt in einem Sklavensack.

»Gut«, meinte Kenneth. »Wir haben ohnehin zu wenig Stalldirnen.«

Borto lächelte, zog einen Zettel aus seiner Tunika und reichte ihn Kenneth. Dieser las den Text und runzelte die Stirn.

»Aha«, sagte er und wandte sich an mich. »Setz sie auf den Wagen.«

»Ja, Herr«, sagte ich.

Telitsia blickte zu mir auf. In ihren Augen standen Tränen. Sie hob die Lippen den meinen entgegen. Ich küßte sie. Dann hob ich sie auf die Ladefläche des Wagens und sicherte sie dort ab, wie mir befohlen worden war.

Das andere Mädchen zappelte unruhig in ihrem Sklavensack.

»Weiß sie nicht, daß sie sich nicht rühren darf?« fragte Kenneth.

Borto lachte. »Anscheinend nicht«, sagte er.

»In der Nachricht steht nichts davon, daß sie keine Stallsklavin sei«, stellte Kenneth fest.

»Zweifellos muß sie noch etliches lernen.«

Kenneth überreichte Barus den Schlüssel zu Telitsias Kragen. Dieser Kragen würde ihr erst abgenommen werden, wenn ein Ersatz bereit war, vermutlich das Eisen irgendeines Sklavenhändlers.

»Holt die Neue aus dem Sack«, befahl Kenneth. »Wir wollen sie uns mal ansehen.«

Borto öffnete den Sack am unteren Ende, zog ihn ein Stück hoch und schob das Mädchen in eine kniende Stellung. Schließlich raffte er den Sack ganz fort.

»Ah!« rief Kenneth.

Ich war ebenfalls überrascht. Auf dem Wagen kniete Taphris, die Hände auf dem Rücken gefesselt. An ihrem Emaillekragen baumelten zwei kleine Schlüssel. Sie hatte zu den Leibsklavinnen der Lady Florence gehört.

»Anscheinend bist du bei der Herrin in Ungnade gefallen, Taphris«, sagte Kenneth.

»Mag sein.«

Kenneth nahm ihr die Schlüssel ab und entfernte den Emaillekragen, den er auf dem Wagen deponierte. Anschließend legte er ihr den Stallkragen um. »Du bist keine Haussklavin mehr«, sagte er und betrachtete sie von Kopf bis Fuß. »Wir haben kräftige Männer in den Ställen. Stell dich gerade hin, laß dich anschauen.«

»Ich nehme an, der Herr hat die Nachricht gelesen, die mich begleitet hat.«

Kenneth zog den Zettel aus seiner Tunika und studierte ihn erneut.

Sie warf den Kopf in den Nacken.

»Hier steht nicht, daß du keine Stalldirne bist«, bemerkte er.

»Herr!« protestierte sie.

»Na, bist du etwa keine Stalldirne?« fragte er.

Taphris warf mir einen kurzen Blick zu. »Doch, Herr«, antwortete sie. »Ich habe die Gunst meiner Herrin verscherzt. Ich bin nur noch eine einfache Stalldirne.«

Barus öffnete die Handfesseln des Mädchens mit dem zweiten Schlüssel, der am Emaillekragen gehangen hatte, und legte sie ebenfalls auf den Wagen.

»Ich muß zurück«, sagte Borto zu den beiden freien Männern. »Ich wünsche euch alles Gute.«

»Ich dir auch«, antworteten Kenneth und Barus.

Und schon hatte Borto den Wagen erstiegen und die beiden Zug-Tharlarion mit einem Peitschenknall in Bewegung gesetzt.

Ich blickte dem Wagen nach, der im weichen Sand des Stallhofs tiefe Spuren hinterließ. Auf dem Wagen saß mit zuckenden Schultern Telitsia, eine Sklavin, die auf den Markt gebracht werden sollte.

»Barus«, sagte Kenneth zu Taphris, »wird dir dein Gehege zeigen und dich in deine Pflichten einweisen.« Mit festem Griff packte er ihr Haar. »Und dazu gehört, daß wir dir das Haar abschneiden. Barus?«

»Ja, Herr?«

»Sorge dafür, daß das neue Mädchen gut zu arbeiten hat«, sagte Kenneth.

»Der Süd-Stall müßte saubergemacht werden«, sagte Barus.

»Ausmisten und schrubben«, bestätigte Kenneth.

Barus grinste.

»Und dann müssen die Tanks in den Ställen sechs bis zehn mit Wasser aufgefüllt werden.«

»Ja«, sagte Barus, faßte Taphris am Arm und zerrte sie mit.

Das Wasser wird aus Brunnen geschöpft und mit Eimern in bestimmten Ställen in große Bottiche gefüllt. Die Eimer werden an breiten Jochhölzern getragen.

Ich beneidete die hübsche Taphris nicht.

Kenneth wandte sich an mich. »Du kannst nicht lesen«, stellte er fest.

»Nein, Herr«, erwiderte ich. »Nicht das Goreanische.« Die Sklaven werden absichtlich nicht im Lesen unterrichtet. So etwas steigert das Gefühl der Abhängigkeit, festigt die Kontrolle, die man über sie ausübt. Warum sollte außerdem ein Sklave lesen können?

»Ich glaube nicht, daß unsere kleine Freundin Taphris die Gunst der Herrin nicht mehr besitzt«, sagte Kenneth.

»Nein, Herr? Aber sie ist doch zu uns in die Ställe geschickt worden.«

»Sie soll auch erfahren, was es bedeutet, eine Stalldirne zu sein«, sagte Kenneth grimmig.

Ich lächelte.

»Dürfte ich fragen, was auf dem Zettel stand, der mit dem Mädchen kam?« fragte ich. Ich vermute, daß Kenneth ihn mich hätte lesen lassen, wenn ich gekonnt hätte.

»Darin steht, daß sie keinen männlichen Sklaven zugeführt werden darf.«

»Interessant«, sagte ich.

»Außerdem wird angeordnet, daß sie sich unter bestimmten Umständen in gewissem Rahmen frei bewegen darf. Und sie soll einmal wöchentlich mit irgendeiner Aufgabe ins Haus der Herrin geschickt werden.«

»Was sind das für Umstände, unter denen sie sich halbwegs frei bewegen darf?« fragte ich.

»Umstände, die den Aufenthalt und die Umtriebe eines gewissen männlichen Sklaven betreffen.«

»Meine?«

»Ja«, sagte Kenneth grinsend.

Ich schwieg.

»Es sieht so aus«, stellte Kenneth fest, »als habe unsere hübsche Taphris in den Ställen eine Aufgabe.«

Ich antwortete nicht.

»Es will mir scheinen, als habe die Herrin ihren ehemaligen Seidensklaven noch nicht vergessen.«

Ich blieb stumm.

»Taphris ist eine Spionin«, fuhr Kenneth fort. »Sie wurde von der Herrin zu uns in die Ställe geschickt, um dich zu bespitzeln.«

»Ich verstehe«, sagte ich.

»Nimm dich vor ihr in acht.«

»Das werde ich tun.«

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