17

Ich war nackt und schwitzte am ganzen Leibe. In der Nisthütte ist es heiß.

»Die Herrin scheint guter Laune zu sein«, bemerkte ich.

»Psst!« machte Barus, der den Oberkörper freigemacht hatte. Er legte das Ohr an den warmen Sand.

Ich machte es ihm nach und lauschte. Unter dem warmen Sand, etwa einen Fuß unter der Oberfläche, vernahmen wir ein leises Geräusch, eine Art Kratzen.

»Er kommt bald«, stellte Barus grinsend fest und richtete sich auf.

»Ja, Herr«, sagte ich.

»Taphris!« befahl Barus. »Leg neues Holz in den Flammengraben.«

Sie blickte uns an. Sie war nackt. Im Nistschuppen hatte sie sich ausziehen müssen wie ich. Ihre Haut war schweißfeucht und schimmerte rötlich im Widerschein des Feuergrabens, der die eingegrabene Brut beinahe vollständig umschloß. Tücher lagen bereit, aus alten Säcken gefertigt; mit ihnen sollten die geschlüpften Jungen abgetrocknet und geschützt werden. Maulgurte lagen griffbereit.

»Ich dürfte diese Arbeit eigentlich gar nicht tun!« sagte Taphris.

»Auf die Hände und Knie!« befahl Barus. »So bringst du die Holzscheite an Ort und Stelle.«

»Ja, Herr«, sagte sie zornig, und ich lächelte vor mich hin. Es befriedigte mich, die Spionin unserer Herrin so gehorsam zu sehen.

»Kenneth hat die Nase voll von ihr«, sagte Barus zu mir. »Er kann ja in den Ställen keinen Schritt tun, ohne daß dieser weibliche Sleen der Herrin davon Meldung macht.«

Ich nickte.

Wir sahen zu, wie Taphris das erste Holzstück ins Feuer warf. »Es geht an die Nerven«, fuhr Barus fort, »eine solche Spionin im Nacken zu haben. Außerdem hält sie sich für wichtig. Sie meint, sie wäre immer noch Haussklavin. Ihre Anwesenheit hier im Stall ist nicht gut für die Disziplin der anderen Mädchen.«

Damit hatte er recht. Wenn ihr nicht dieselben Strafen drohten wie allen anderen, bestand bald die Gefahr, daß sich Unsicherheit, Ratlosigkeit und vielleicht sogar Unfriede einschlichen mit dem Wunsch, dieselben Privilegien zu besitzen.

»Wir müssen etwas unternehmen«, fuhr Barus nachdenklich fort. Am frühen Morgen hatte eine Arbeitsgruppe männlicher Sklaven, zu der auch ich gehörte, unter Barus’ Aufsicht auf der Südost-Wiese gearbeitet. Taphris war bei uns gewesen, um Wasser zu tragen. Am Rand der Wiese stellten wir angespitzte Pfosten auf, die nach innen wiesen und weidende Tharlarions vom Ausbrechen abhalten sollten.

»Seht!« rief Barus und deutete zum Himmel.

Dort hatten wir eine Tarn-Kavalkade entdeckt, die etwa hundertfünfundzwanzig Mann umfaßte. Sie flogen auf Südkurs. Wir sahen die Speere, die jeweils im rechten Steigbügel standen und aus der Ferne wie Nadeln aussahen, und die Schilde, die sich klein und rund ausmachten. Der Wimpel des Standartenträgers wehte lang und schmal am Lanzenschaft; er zeigte die Farben Vondas. Dabei wußte ich, daß Vonda gar keine Tarntruppen hatte. Die Männer waren Söldner.

»Eine Patrouille«, sagte der Mann neben mir.

»Dafür ist die Truppe ziemlich groß«, stellte ich fest.

»Ich arbeite nun schon seit vier Jahren hier am Zaun«, sagte der Mann, »und habe die Truppe schon viermal gesehen. Normalerweise kehrt sie vor Dunkelwerden zurück.«

»Sicher hat auch Ar solche Patrouillen in der Luft«, schaltete sich ein anderer Mann ein.

»Gestern«, meldete sich ein weiterer, »habe ich einen einzelnen Tarnkämpfer beobachtet, der nach Nordosten flog. Vielleicht ein Kundschafter Ars.«

»Glaubst du, daß es Ärger gibt?« wandte sich ein Mann an Barus.

»Den hat es längst gegeben«, erwiderte dieser. »Scharmützel in umstrittenen Grenzgebieten.«

»Aber solche Dinge sind doch auch schon früher vorgekommen, oder?« erkundigte sich jemand.

»Ja«, sagte Barus.

»Und es entwickelte sich nichts weiter daraus?«

»Ja.«

»Du glaubst also nicht, daß es ernsthafte Probleme gibt?« fragte einer der Männer.

»Nein«, antwortete Barus und blickte den verschwindenden Tarnkämpfern nach. »Es gibt in Vonda eine Partei, die den Krieg anstrebt«, fuhr er fort. »Aber soweit ich weiß, findet der Gedanke an Krieg mit Ar in der Konföderation sonst kaum Freunde.«

»Aber was ist mit dem Ubar Marlenus aus Ar?«

»Der kann auf den Ärger mit der Konföderation gut verzichten«, erklärte Barus. »Er hat alle Hände voll zu tun mit Cos und den Schwierigkeiten im Vosk-Tal.« Er meinte die Rivalität zwischen Ar und Cos um die Märkte und Bodenschätze des weiten Vosk-Einzugsgebietes. Beide Staaten gedachten ihre Hegemonie in diese Bereiche auszudehnen. Zwischen diese Mühlsteine gerieten kleine Städte und Flecken am Fluß, zum Beispiel Ven und Turmus, gewöhnlich energisch und sogar kriegerisch auf ihre Unabhängigkeit pochend. Sie wurden nun halb durch militärische Übermacht gezwungen, halb durch Allianzen und Verträge dazu verlockt, in der Auseinandersetzung der Großmächte Position zu beziehen.

»Ja!« lachte Barus plötzlich los. »Wie schlau von euch! Ihr verwickelt mich in ein Gespräch und laßt unterdessen in eurer niederen Arbeit nach! Haltet ihr euch für freie Personen, die jederzeit das Recht haben, miteinander zu plaudern? Nein, ihr seid Sklaven! Arbeitet, ihr Kragenburschen, wenn ihr den Sonnenuntergang noch erleben wollt, arbeitet!«

Gezwungen lachend arbeiteten wir weiter.

»Fort!« brüllte Barus und wirbelte mit seinem Mantel einem Tharlarion vor der Schnauze herum, der ganz in der Nähe graste. Blinzelnd und mit zuckendem Schwanz wandte sich das riesige Wesen ab.

Zur Mittagsstunde wurde Barus auf der Südostwiese abgelöst und nahm mich mit, weil er später Hilfe im Nistschuppen brauchte. Taphris ließ die Wasserhaut bei der Sklavengruppe zurück und folgte uns.

»Wer ist der Anführer der Söldner, die da für Vonda flogen?« fragte ich. »Handelt es sich um Männer wie Terence aus Treve oder Ha-Keel, der früher einmal aus Ar stammte?« Ich hatte zwei bekannte Söldnerführer genannt; zu dieser Gruppe gehören noch Oleg aus Skjern, Leander aus Farnacium und William aus Thentis.

»So gut zahlt Vonda nicht«, hatte Barus lächelnd erwidert. »Es handelt sich um einen gewissen Artemidorus.«

»Artemidorus aus Cos?« fragte ich.

»Ja.«

»Vonda spielt mit dem Feuer«, stellte ich fest.

»Mag sein«, erwiderte Barus. Obwohl Söldnerführer wie Artemidorus freie Menschen waren, begleitete ihn doch bestimmt die Sympathie von ganz Cos. Und wenn es Probleme gab, würde den Anhängern Ars nicht entgehen, daß sie es hier mit Cosianern zu tun hatten.

»Die Wahl dieses Mannes scheint mir Gefahr zu verheißen«, äußerte ich.

»Selbst wenn Vonda in der Lage wäre, sich Männer wie Terence oder Ha-Keel zu leisten«, meinte Barus, »wäre doch kaum anzunehmen, daß jene bereit wären, sich gerade für diesen Namen in den Sattel zu schwingen. Terence, der aus Treve stammt, würde ungern gegen Ar reiten. Eine solche Handlungsweise könnte die Tarnkämpfer Ars zu einer neuen Angriffsexpedition in die Voltai-Berge veranlassen.«

Vor mehreren Jahren, das wußte ich, hatte es zwischen Ar und Treve einen Krieg gegeben. Die Tarnkämpfer Treves hatten die Schwadronen Ars in den roten VoltaiBergen abwehren können – in einem der heftigsten und blutigsten Kämpfe, die in der Geschichte des Planeten jemals ausgetragen worden waren. Ar hatte nie vergessen, daß es in den Voltai-Bergen an seine Grenzen gestoßen war, noch hatte Treve jemals vergessen können, welcher Preis dafür gezahlt worden war. Terence, so vermutete ich, würde nur gegen Ar vorgehen wollen, wenn er zuvor die Insignien von Helm und Schild entfernen durfte. Und daß er das tun würde, erschien mir nicht wahrscheinlich. Die Männer aus Treve lehnen es in der Regel ab, ihre Identität zu verschleiern. »Und Ha-Keel«, sagte Barus, »ist zwar aus Ar vertrieben worden, ich glaube aber nicht, daß er gegen diesen Staat kämpfen will.«

Ha-Keel war aus Ar verbannt worden. Dabei war es um einen Mordfall gegangen, in den eine Frau verstrickt war. Er hatte sie gefangengenommen, zu seiner Sklavin gemacht und sie dann verkauft. Es hieß aber, daß er die Frau in den langen Jahren seiner Verbannung niemals vergessen hatte. Er hatte sie auch nie wiedergefunden, denn es ist schwierig, einzelne Sklavinnen aufzuspüren. Zu oft wechseln sie Namen und Herrn.

»Ich verstehe«, sagte ich.

»Ich fürchte vielmehr, es ist kein Zufall, daß ausgerechnet Artemidorus in dieser Sache beauftragt wurde.«

»Du siehst darin das Bestreben jener Vondianer, die den Krieg mit Ar wollen, einen umfassenden Konflikt zwischen Cos und Ar zu provozieren, eine Auseinandersetzung, in der dann Cos und die Salerianische Konföderation automatisch Verbündete wären?«

Barus betrachtete mich nüchtern. »Natürlich«, erwiderte er. »Dabei meine ich, daß weder Cos noch Ar noch die Konföderation wirklich einen umfassenden Krieg wollen.«

»Vielleicht könnten jene, die anderen Sinnes sind, sie in eine Lage manövrieren, in der Krieg der einzige Ausweg ist.«

»Möglich wäre es«, meinte Barus. »Eine schwierige Sache. Manchmal wird auch das Kaissa um hohe Einsätze gespielt«, setzte er nachdenklich hinzu. Kaissa ist ein kompliziertes Brettspiel, das auf Gor weit verbreitet ist.

Barus schaute sich zu Taphris um. »Die hübsche Spionin begleitet uns.«

»Ja, Herr«, erwiderte ich.

Taphris senkte den Kopf und errötete. »Hier!« rief Barus nun im Nistschuppen. »Komm und lausch!«

Ich kniete mich neben ihn in den Sand. Vor ihm begann sich eine kleine Delle zu zeigen, in der sich etwas bewegte. Plötzlich brach die hornbesetzte Schnauze eines Tharlarion durch den heißen Sand. Die Augen blinzelten, die Zunge zuckte vor und zurück und entfernte den Sand vom Maul. Der Kopf war etwa acht Zoll breit.

»Maulgurt!«, forderte Barus.

Ich griff nach einem der bereitliegenden Ledergurte.

Der Kopf des schlüpfenden Wesens, etwa einen Fuß lang, ragte inzwischen voll aus dem Sand. Ein Krallenfuß zuckte aus der Tiefe empor. Das Geschöpf fauchte.

Ich wickelte dem kleinen Ungeheuer den Gurt um die Schnauze und band ihn fest. Es wand sich hin und her und befreite sich zur Hälfte von der ledrigen Hülle, in der es gesteckt hatte, und zog sie damit halb aus dem Sand.

»Ein Schutztuch, Taphris!« rief Barus.

Gemeinsam zogen Barus und ich das junge Wesen aus dem Sand. Mit dem Fuß stieß ich die klebrige Hülle zurück.

»Paß auf den Schwanz auf!« sagte Barus zu Taphris, die einen Schritt zurücktrat.

Barus und ich warfen den jungen Tharlarion auf den Rücken und rollten ihn in das dicke Leinen. Darin findet er auf dem Weg zum Jungtierraum Schutz vor der Tunnelluft. Ich bückte mich und wuchtete mir das Tier mit Barus’ Hilfe auf die Schultern. Der Kopf bewegte sich an einem etwa zwei Fuß langen Hals und stieß gegen meinen Oberschenkel; das zugebundene Maul konnte keinen Schaden anrichten. Das Gewicht betrug hundertundzwanzig bis hundertunddreißig Pfund. Barus zog den Riegel zurück und öffnete die große Falltür an einer Seite des Schuppens. Im Lichte des im Nistschuppen lodernden Feuers ging ich vorsichtig die Rampe hinab. Der darunter verlaufende Tunnel war mit einer einzelnen Bohle ausgelegt, die eine Art Steg bildete. So konnte man sich darin auch bei Dunkelheit bewegen. Man brauchte nur mit beiden Füßen auf dem Brett zu bleiben. Mit Hilfe des Holzes und ein wenig Übung, die man sich zulegt, indem man beim erstenmal einer Fackel folgt, bereitet es keine Mühe, sich bei Dunkelheit in den Tunneln zurechtzufinden. Von der Decke herabhängende Schnüre, die man mit den Händen streicht, deuten Abzweigungen an. Schrägen weisen auf Ausgänge hin. Die Schnüre besitzen Knoten an der Seite, auf der die Abzweigung kommt. Wenn man beispielsweise durch einen Nebengang geht und sich dem Haupttunnel nähert, dann wird das durch eine verknotete Reihe Schnüre angedeutet, die einem eine klare Ankündigung gibt.

»Jason«, sagte Barus, den ich über mir in der Öffnung der Falltür erblickte.

»Ja, Herr?« erwiderte ich und drehte mich auf der Rampe um. Der junge Tharlarion hatte sich von seiner Verwirrung noch nicht erholt und lag reglos auf meiner Schulter.

»Wenn du den Burschen im Jungtierraum abgegeben hast, kommst du in den Nistschuppen zurück. Sicher schlüpfen in dieser Nacht noch andere Tiere.«

»Ja, Herr.«

»Morgen kannst du dich ausruhen.«

Ich war überrascht. »Ja, Herr?«

»Und morgen abend meldest du dich im Haus.«

Diese Anweisung verstand ich nicht.

»Du hattest recht, als du vorhin sagtest, die Herrin sei guter Laune«, fuhr Barus fort. »Das ist sie in der Tat.«

»Ja, Herr.«

»Ihre Gäste treffen heute abend ein, anscheinend vorwiegend im Schutze der Dunkelheit.«

»Ja Herr.«

»Sie freut sich auf den morgigen Abend«, fuhr er fort. »Es heißt, sie habe für ihre Gäste ein exotisches Vergnügen vorbereitet.«

»Sollte ich eine Rolle dabei spielen?« fragte ich.

»Unmöglich ist es nicht.«

»Weißt du, worum es geht?«

»Nein«, antwortete Barus, »aber ich kann es mir denken.«

Nachdenklich stand ich im Tunnel.

»Dem Jungen darf nicht kalt werden«, sagte Barus. »Bring es in den Jungtierraum.«

»Ja, Herr«, sagte ich und wandte mich ab.

»Warte, Herr!« hörte ich Taphris rufen.

Wieder drehte ich mich um und sah das Mädchen, das sich die dünne Sklaventunika überstreifte und hastig die Rampe herabkam.

Ich kehrte ihr den Rücken zu und begann meinen Marsch durch den Tunnel. Ich hörte, wie die Falltür über uns geschlossen wurde. Augenblicklich herrschte undurchdringliche Finsternis in dem unterirdischen Gang.

Ich marschierte ungezwungen los, wobei ich mit dem rechten Fuß auf dem Mittelbrett blieb.

»Warte, Sklave!« rief sie hochmütig.

Aber ich wartete nicht. Ich kannte mich im Tunnel sehr gut aus.

»Warte, Sklave! Warte, Sklave!« rief sie zornig. Dann hörte ich sie durch die Dunkelheit stolpern.

Taphris war eine Plage. Ich hatte es satt, unentwegt von ihr verfolgt zu werden. Kenneth und Barus hatten ebenfalls genug von ihrem Herumspionieren; nichts entging ihr, und ständig gab sie Meldungen an ihre Herrin durch. Die beiden hätten nichts dagegen gehabt, das Mädchen aus den Ställen verschwinden zu sehen.

Ich spielte mit dem Gedanken, den jungen Tharlarion abzulegen und mich des Mädchens einmal gründlich anzunehmen. Aber dann verzichtete ich doch darauf. Nicht daß ich Angst vor der Herrin hatte. Vielmehr durfte dem Jungtier nicht kalt werden. Ich hatte sein Schlüpfen überwacht. Ich fühlte mich für das Wesen verantwortlich. Außerdem respektierte ich es. Es war ein freies Tier. Es war kein Sklave.

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