Das Humphries-Anwesen

»Es funktioniert wirklich?«, fragte Humphries. »Sie haben es geschafft?«

»Es funktioniert wirklich«, sagte Victoria Ferrer, seine aktuelle Verwaltungsassistentin. »Ihr bester Nanotech-Experte, dieser Levinson, hat es Ms. Lane vor zwei Tagen in einer Vorführung bewiesen. Sie ist nun mit ihm auf dem Rückweg hierher.«

Ferrer war eine kleine, etwas knochige junge Frau mit großen, klaren Augen, vollen sinnlichen Lippen und großen Brüsten. Als sie ihm beim Vörstellungsgespräch gegenübersaß, hatte Humphries sich gefragt, ob ihre Brüste mit Silikon aufgepumpt waren. Sie schienen nämlich zu groß für den Rest ihres Körpers. Ziemlich bald fand er jedoch heraus, dass sie durchaus echt waren — wenn auch durch eine genetische Modifizierung vergrößert, auf der Victorias ruhmsüchtige Mutter bestanden hatte, als sie ihre Tochter im Teenager-Alter zu einer Karriere im Showbusiness drängte. Jung Vickie ging stattdessen zur Universität und erwarb Meriten in Volks- und Finanzwirtschaft. Schließlich stellte Humphries fest, dass Victoria, so gut ihre Fähigkeiten im Bett auch waren, im Büro noch besser war. Ferrers bester Aktivposten war ihr Gehirn, wie er sich schließlich bewusst wurde. Aber das hielt Humphries nicht davon ab, hin und wieder mit ihr ins Bett zu gehen.

Im Moment überbrachte sie ihm jedoch beunruhigende Nachrichten über die Nanotech-Arbeiten, die im Felsenratten-Habitat im Gürtel vonstatten gingen.

»Das ändert alles«, sagte er nachdenklich und lehnte sich auf dem selbst regulierenden Bürostuhl zurück. »Ich hätte es kommen sehen müssen. Das wird den Markt für Asteroiden-Rohstoffe in den Keller prügeln.«

»Nicht unbedingt«, sagte Ferrer. Sie machte einen sehr adretten und geschäftsmäßigen Eindruck, wie sie in einer maßgeschneiderten cremefarbenen Bluse und anthrazitfarbenen Hose auf dem Polsterstuhl vor seinem Schreibtisch saß.

»Begreifen Sie denn nicht?«, fragte Humphries und zog die Brauen zu einem Strich zusammen. »Sobald sie Nanomaschinen einsetzen, um Reinmetalle aus den Asteroiden zu gewinnen, wird der Preis für diese Metalle ins Bodenlose fallen. Für Mineralien ebenfalls. Der wesentliche Preisfaktor wird dann nur noch der Transport sein.«

»Nur wenn die Felsenratten wirklich Nanos einsetzen«, entgegnete Ferrer. Humphries richtete sich auf. »Sie glauben, dass sie es nicht tun werden?«

»Ich glaube, dass Ambrose klug genug ist, um zu erkennen, dass Nanomaschinen die meisten Bergarbeiter in die Arbeitslosigkeit entlassen würden«, sagte sie mit einem sparsamen Lächeln. »Ich glaube, dass er die Sache unter Verschluss halten wird.«

»Den Wissenschaftler bestechen? Wie heißt er gleich noch mal, dieser Junge vom MIT.«

»Levinson«, sagte Ferrer. »Ich bezweifle jedoch, dass er bestechlich ist. Er ist der Typ, der Wert darauf legt, dass die ganze Welt von seinem Genie erfährt. Vielleicht werden Ambrose und die übrigen vom Regierungsrat von Ceres geltend machen, dass Nanomaschinen zu gefährlich seien, um sie auf den Asteroiden einzusetzen.«

»Das klingt ziemlich weit hergeholt.«

Sie schüttelte den Kopf — kaum merklich und gerade so viel, um Humphries zu verstehen zu geben, dass er sich in ihren Augen irrte. »Um auf den Asteroiden eingesetzt zu werden, müssten die Nanos gegen ultraviolettes Licht gehärtet sein. Das würde wiederum bedeuten, dass das wesentliche Sicherheitsmerkmal, das Cardenas vor Jahren in die Nanos integriert hatte, Makulatur wäre. Ambrose könnte dann mit Fug und Recht behaupten, dass der Einsatz der Nanos zu gefährlich wäre.«

»Und damit würden die Felsenratten so weitermachen wie bisher.«

»Genau.«

Humphries trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. »Damit würde ein Zusammenbruch des Marktes vermieden.«

»Was im besten Interesse der Felsenratten wäre.«

»Erinnert mich an die Maschinenstürmer, die zu Beginn der Industriellen Revolution die dampfbetriebenen Webstühle zertrümmert haben.«

Ferrer wirkte im ersten Moment verwirrt, und Humphries lächelte innerlich. Eins zu null für den Chef, sagte er sich. Ich bin schlauer als du.

»Glauben Sie wirklich, dass Ambrose und die anderen das unterdrücken werden?«, fragte er laut.

»Meine Information ist, dass er und Ms. Lane das bereits erörtert haben. Ich bin sicher, dass er es unterdrücken wird.«

»Und es mit Sicherheitsaspekten begründet?«

»Das ist eine plausible Begründung.«

Humphries schaute zur cremefarbenen Decke empor und dann aufs Holofenster an der rückwärtigen Wand, das einen Ausblick auf den Kilimandscharo zeigte, als sein Gipfel noch von Schnee gekrönt war.

»Spielt auch keine Rolle«, sagte er schließlich. »Langfristig wird diese Entwicklung des Nanotech-Bergbaus der letzte Strohhalm sein. Ich muss jetzt die Kontrolle über Astro übernehmen, bevor dieser Schraubfix Pancho auf den Trichter kommt, dass sie durch den Einsatz der Nanomaschinen meine Preise unterbieten könnte und …«

»Wenn Astro Nanomaschinen zum Ausbeuten der Asteroiden einsetzt«, unterbrach Ferrer ihn, »könnten wir doch das Gleiche tun.«

»Ja, und den Preis für Asteroiden-Rohstoffe auf null drücken oder knapp darüber«, sagte Humphries unwirsch. »Nein, ich muss Astro jetzt in die Hände bekommen, ohne weiteres Zögern und Zaudern. Sobald ich Astro habe, können wir die Bergbaukosten durch den Einsatz von Nanomaschinen reduzieren. Weil wir dann aber ein Monopol im verdammten Gürtel haben, werden wir die Verkaufspreise nach Gusto festlegen!«

Ferrer wollte schon zustimmend nicken, besann sich dann aber. »Was ist eigentlich mit dieser neuen Firma, Nairobi Industries?«

»Ihre Aktivitäten erstrecken sich nicht in den Gürtel.«

»Das könnte sich aber ändern.«

Humphries tat das mit einem schnaubenden Lachen ab. »Wenn ihre Basis hier auf dem Mond fertig gestellt ist und falls sie sich dann mit dem Gedanken tragen, in den Gürtel zu expandieren, werde ich schon alles in trockenen Tüchern haben. Sie haben verloren, ehe sie auch nur angefangen haben.«

Sie wirkte skeptisch, sagte aber nichts.

Humphries schlug die Hände zusammen. »Okay! Jetzt wird mit harten Bandagen gekämpft. Es sind alle Vorbereitungen getroffen. Wir vertreiben Astro ein für alle Mal aus dem Gürtel.«

Ferrer schien noch immer nicht begeistert. Sie erhob sich vom Stuhl und ging zur Tür.

Doch bevor sie das Büro noch halbwegs durchquert hatte, sagte Humphries: »Richten Sie Grigor aus, dass ich ihn sprechen will. In einer halben Stunde. Nein, sagen wir in einer Stunde.«

Und dann winkte er sie mit gekrümmtem Finger herbei. Pflichtschuldig drehte sie sich um und ging zurück zu ihm.

Er knöpfte ihr die Bluse auf.

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