Diplomatisches Zeremoniell

Im Dämmerlicht des plumpen Empfangsgebäudes, dessen schmutziggraue Farbe den düsteren Eindruck noch verstärkte, scharten sich der Botschaftsrat, zwei Botschaftssekretäre und die Attaches um den Gesandten Spradley. Die bunten Orden der Diplomaten brachten ein wenig Farbe in die trübe Halle.

Ungeduldig sah der Gesandte auf seine Fingeruhr.

„Sind Sie sicher, Ben, daß die Zeit unserer Ankunft genau mitgeteilt wurde?“

Botschaftssekretär Magnan nickte eifrig. „Ich habe mich mit Mr. T’Cai-Cai in Verbindung gesetzt, ehe unser Zubringer die Kreisbahn verließ. Und ich habe ausdrücklich betont…“

„Hoffentlich wurden Sie nicht ausfallend!“ unterbrach ihn der Botschafter scharf.

„Keineswegs, Herr Botschafter. Ich habe lediglich…“

„Wissen Sie genau, daß es hier keinen Gästeraum gibt?“ Der Gesandte sah sich in dem düsteren Gewölbe um. „Recht eigenartig, daß nicht wenigstens für einige Stühle gesorgt wurde.“ Mißbilligend schüttelte Spradley den Kopf.

„Wenn Sie sich auf eine dieser Lattenkisten setzen möchten, ich will sie gern mit meinem Taschentuch.“

„Kommt gar nicht in Frage!“ Der Botschafter sah wieder auf seine Uhr und räusperte sich nervös.

„Ich kann die Wartezeit nützen, indem ich unseren jüngeren Mitgliedern kurz ins Gedächtnis rufe, warum wir hier sind. Wichtig ist, daß unser Besuch so harmonisch abläuft, wie es geplant wurde. Wir Terraner sind eine gutmütige Rasse und äußerst friedliebend!“ Der Botschafter lächelte — gutmütig, betont friedliebend.

„Wir sind ein hochkultiviertes Volk, handeln nach ethischen Grundsätzen und geben uns absolut aufrichtig!“

Ganz plötzlich verschwand das Lächeln vom Gesicht des Botschafters und er schürzte die Lippen. „Wir werden unsere Verhandlungen damit einleiten, daß wir um das gesamte SiriusSystem bitten. Später einigen wir uns auf die Hälfte. Wir werden Stützpunkte auf sämtlichen Planeten errichten, die wertvoll scheinen, und durch geschicktes Vorgehen sind wir in spätestens zehn Jahren in der Lage, mehr zu fordern.“

Der Botschafter sah seine Mitarbeiter an. „Wenn Sie keine Fragen haben.“

James Retief hatte eine Frage. Er trat vor.

Der junge Vizekonsul und Dritte Sekretär im Diplomatischen Corps Terras gehörte zum Nachwuchs der terranischen Gesandtschaft, die für den Planeten Yill zuständig war.

„Da wir die älteren Rechte für Sirius haben, sollten wir unsere Karten auf den Tisch legen. Wäre es nicht besser — auf lange Sicht gesehen —, wenn wir freimütig mit den Yill verhandelten?“

Botschafter Spradley blinzelte zu dem jungen Mann auf. Spradley und Botschaftssekretär Magnan räusperten sich fast gleichzeitig. Es war das einzige Geräusch, das die betretene Stille durchbrach.

Endlich äußerte Magnan: „Vizekonsul Retief meint lediglich…“

„Ich begreife die Ausführungen Mr. Retiefs auch ohne Ihre Hilfe Magnan“, unterbrach ihn der Botschafter unwirsch. Dann sah er Retief mit väterlicher Milde an.

„Junger Mann, Sie sind noch nicht lange im Dienst. Sie haben die hohe Schule der Diplomatie noch nicht in der Praxis kennengelernt. Ich erwarte von Ihnen, daß Sie die Arbeitsweise dieser in unzähligen Verhandlungen geschulten Männer studieren.“ Er deutete auf seine Untergebenen. „Sie müssen lernen, wie wichtig Fingerspitzengefühl in unserem Beruf ist. Wollte man sich zu sehr auf direkte Methoden verlassen, wo bliebe die Diplomatie? Ich möchte Ihnen die Konsequenzen gar nicht ausmalen!“

Spradley wandte sich zu den älteren Mitgliedern seines Stabes um, und Retief schlenderte zu einer Tür mit Glasfüllung. Er sah in den angrenzenden Raum. Dort drüben saßen zahlreiche grauhäutige Yill in tiefen Sesseln und tranken fliederfarbene Drinks aus schmalen Glasröhren. Diener in schwarzen Gewändern huschten hin und her, Tabletts in den Händen.

Retief sah einige der Yill zu einer großen Tür gehen. Einer aus der Gruppe, ein hochgewachsener junger Mann, wollte einem anderen den Weg vertreten. Der aber hob träge die zur Faust geballte Hand. Sofort trat der Hochgewachsene zurück, gab den Weg frei und legte beide Handflächen auf seinen Kopf, wobei er nickte. Beide Yill nahmen ihre Unterhaltung wieder auf, lächelten sich zu und gingen durch die Tür hinaus.

Nachdenklich trat Retief wieder zu der terranischen Delegation. Die Diplomaten standen vor einem Stapel rohgezimmerter Lattenkisten und blickten mißmutig drein. Plötzlich wurden Schritte laut. Ein lederhäutiger Yill kam auf die Männer zu.

„Ich bin P’Toi. Kommen Sie hierrr…“ Er ersetzte durch Gesten, was er nicht sagen konnte, und die Männer folgten ihm, Botschafter Spradley an der Spitze.

Als der stattliche Gesandte der Erde vor dem Ausgang stand, schoß der Yill an ihm vorbei, rempelte ihn mit der Schulter an und wartete ab, was nun geschehen würde.

Sekundenlang funkelte Spradley den Yill wütend an, doch dann erinnerte er sich an seine Mission. Er lächelte und ließ dem Yill mit einer verbindlichen Geste den Vortritt.

Der Yill murmelte etwas in seiner Sprache, schaute sich um und ging dann durch die Tür. Die Besucher von der Erde folgten.

„Ich möchte wissen, was der Bursche gesagt hat.“ Magnan holte den Botschafter ein. „Es war schimpflich, wie dieser Kerl Sie eben beiseite gestoßen hat, Exzellenz!“

Draußen auf dem Bürgersteig warteten einige Yill. Als Spradley auf den blitzenden Straßenkreuzer zugehen wollte, der an der Ecke stand, traten sie ihm in den Weg. Der Botschafter richtete sich hoch auf, öffnete den Mund und — schloß ihn mit Überwindung.

„Unerhört!“ Magnan folgte Spradley auf den Fersen, als der Botschafter wieder zu seinem Stab zurückging. Jetzt sah sich der Botschaftssekretär unsicher um. „Es sieht so aus, als wüßten die Leute nicht, mit welcher Höflichkeit man einem Botschafter zu begegnen hat.“

„Die könnten sich nicht mal einem chinesischen Kuli gegenüber benehmen.“ Spradley war wütend.

Die Yill drängten sich an die Terraner heran und schnatterten unverständliches Zeug.

„Wo ist unser verflixter Dolmetscher hin?“ schrie der Botschafter. „Es sieht ganz so aus, als ob die Kerle einen offenen Aufstand…“

„Ein Jammer, daß wir uns auf einen Dolmetscher der Yill verlassen müssen!“

„Hätte ich gewußt, daß uns ein derart unfreundlicher Empfang zuteil würde“, sagte der Botschafter steif, „so hätte ich mir die Sprache selbstverständlich angeeignet. Während der Reise stand ja genügend Zeit dafür zur Verfügung.“

„Ich wollte Sie nicht kritisieren, Herr Botschafter“, beeilte sich Magnan zu versichern. „Lieber Himmel, wer hätte denn gedacht.“

Retief trat neben den Botschafter.

„Herr Botschafter“, sagte er, „ich.“

„Später, junger Mann“, unterbrach ihn Spradley ungehalten. Er winkte dem Botschaftsrat zu, und die beiden schlenderten von der Gruppe weg.

Eine bläuliche Sonne strahlte von einem dunklen Himmel. Retief betrachtete seinen Atem, der als weiße Wolke vor dem Mund stand.

Eben fuhr ein breiter Wagen vor, und die Yill wiesen die Terraner durch Gesten an, hinten einzusteigen. Abwartend blieben die Yill dann stehen, gespannt, was die Männer von der Erde tun würden.

Der Botschafter bestieg den Wagen, und seine Leute folgten ihm. Genau wie im Empfangsgebäude gab es auch hier keine Sitzgelegenheiten.

Ehe Retief einstieg, versuchte er, die Schrift auf dem Laster zu entziffern. Vergeblich! Er beherrschte zwar die Yill-Sprache, nicht aber die Schrift. — Vielleicht würde er noch Gelegenheit finden, dem Botschafter zu sagen, daß er als Dolmetscher fungieren konnte.

In der Mitte des Lasters lag schmutziges Papier, und auf diesem Haufen entdeckte Retief das Gerippe eines Elektronenrechners und einen Strumpf, gelbrot gestreift, offensichtlich für den breiten Fuß eines Yill gefertigt.

Retief sah sich nach draußen um. Die Yill unterhielten sich aufgeregt. Keiner von ihnen stieg in den Wagen ein. Jetzt wurde die Ladeklappe des Lasters geschlossen, und mit einem heiseren Aufheulen der verbrauchten Turbinen setzte sich das Gefährt in Bewegung.

Die Männer von der Erde taumelten und suchten verzweifelt nach einem Halt. Das Verdeck war niedrig, und so mußten sie mit gesenkten Köpfen dastehen, eine denkbar unbequeme Stellung.

Die ungefederten Räder holperten über Katzenkopf-Pflaster und durch Schlaglöcher.

Jetzt ging es in die Kurve, und Retief streckte den Arm aus. Gerade noch rechtzeitig, um Botschafter Spradley, der wie ein Betrunkener umhertorkelte, vor einem Sturz zu bewahren. Zum Dank blitzte ihn der Botschafter wortlos an, rückte seinen Dreispitz zurecht und blieb steif wie ein Zinnsoldat stehen, bis der Wagen erneut schlingerte.

Retief bückte sich zu dem winzigen verstaubten Fenster hinunter, um hinauszublicken. Er sah eine breite Straße, rechts und links standen niedrige Gebäude.

Der Wagen fuhr durch ein massives Tor, eine Auffahrt hinauf und hielt dann an. Jetzt wurde die Ladeklappe geöffnet, und Retief sah eine nackte graue Fassade, deren Eintönigkeit kleine Fenster unterbrachen, die in unregelmäßigen Abständen in die Wände eingelassen waren.

Ein scharlachroter Wagen hielt vor dem Laster, und das Empfangskomitee der Yill stieg aus. Durch die breiten Fenster konnte Retief die bequeme Polsterung des Wagens sehen, und auf der eingebauten Bar standen halbgefüllte Gläser.

P’Toi, der Yill-Dolmetscher, kam heran und wies auf eine kleine Tür in der grauen Hauswand. Magnan stürzte darauf zu und hielt sie dem Botschafter auf. Als Spradley vor der Tür stand, vertrat ihm ein Yill den Weg und blieb dann abwartend stehen.

Spradley richtete sich auf, funkelte den Yill an, verzog seine Lippen zu einem süßsauren Lächeln und trat zur Seite. Die Yill sahen einander an und gingen dann in das Haus hinein.

Retief folgte als letzter, und so konnte er einen schwarzgekleideten Diener beobachten, der einen Papierkorb in der Hand hielt. Jetzt trat der Diener zu einer großen Kiste, nahm deren Deckel ab und leerte den Papierkorb hinein. Überrascht verglich Retief die Aufschrift der Kiste mit den Schriftzeichen des Lasters, in dem er und die anderen Besucher der Erde gekommen waren. Er konnte zwar noch immer nicht entziffern, was die Zeichen bedeuteten, aber soviel erkannte er: Die Aufschriften auf Laster und Abfallkiste waren identisch.

Das Schrillen der Pfeifen und Jammern der Flöten hatte sich innerhalb einer Stunde zu einem ohrenbetäubenden Lärm gesteigert.

Retief verließ seine Kabine und schritt die Treppe hinunter zum Festsaal. Vor der geöffneten Tür zündete er sich eine schlanke Zigarre an und beobachtete aus schmalen Augenschlitzen, wie unterwürfig dreinblickende Diener in Schwarz mit hochbeladenen Tabletts über die Korridore flitzten.

Drin im Festsaal deckten andere Bedienstete vier Tische, die, rechtwinklig zueinander aufgestellt, ein großes Quadrat bildeten, dessen Mitte frei blieb. Den Tisch, der parallel zum Eingang stand, deckten die Diener mit Brokattüchern, die beiden Tische rechts und links davon mit schweren weißen Decken, und auf den Tisch, der dem am Eingang gegenüberstand, stellten sie Blechnäpfe, ohne die rohe Platte mit Tischtüchern zu bedecken.

Ein Yill in prächtigem Gewand trat zur Tür und machte einem Diener Platz, ehe er selbst in den Festsaal trat.

Als er terranische Laute hörte, drehte sich Retief um. Der Botschafter kam heran, zwei Diplomaten folgten ihm auf den Fersen. Spradley schenkte Retief einen flüchtigen Blick, rückte seine Halskrause zurecht und blickte in den Festsaal.

„Offensichtlich will man uns wieder warten lassen“, brummte er ärgerlich. „Nach meinen Informationen sind die Yill entschlossen, keinen Fingerbreit von ihren Forderungen abzuweichen. In Anbetracht dessen wundert mich…“

„Herr Botschafter“, fragte Retief, „haben Sie schon bemerkt…?“

„Jedoch“, sagte Botschafter Spradley und betrachtete Retief, ohne ihn zu sehen, „muß ein hartgesottener Diplomat auch mal einen Nasenstüber einstecken können. Schließlich kommt es darauf an, wer zuletzt… Ah, da sind Sie, Magnan!“ Er wandte sich um und redete auf den Sekretär ein.

Irgendwo dröhnte ein Gong. Augenblicklich füllte sich der Korridor mit schnatternden Yill, die an den Besuchern vorbei in den Festsaal drängten. P’Toi, der Yill-Dolmetscher, trat heran und hob eine Hand.

„Warrrten hierrr!“ schnarrte er.

Immer noch drängten sich Yill in den Festsaal und nahmen ihre Plätze ein. Zwei Wächter mit Helmen auf den breiten Schädeln winkten die Terraner energisch zur Seite. Ein Hüne von einem Yill mit grauen Wangen watschelte zu der Tür. Ketten aus Perlen, Edelsteinen und wertvollen Metallen klirrten leise, als er in den Saal trat. Ihm folgten zahlreiche Wächter.

„Der Staatschef’, hörte Retief Magnan flüstern. „F’Kau- Kau-Kau, der Herrliche.“

„Ich hatte noch nicht einmal Gelegenheit, mich vorzustellen“, murrte der Botschafter. „Selbstverständlich ist auch rar bekannt, daß ein Protokoll hin und wieder durchbrochen wird. Aber ich muß gestehen.“ Er schüttelte den Kopf.

Der Yill-Dolmetscher meldete sich zu Wort.

„Sie werrrden nun legen auf Eingeweide und zu Festtafel krrriechen!“ Er deutete in den Saal.

„Eingeweide?“ Fassungslos sah der Botschafter die Leute seines Stabes an.

„Mr. P’Toi meint wohl unsere Bäuche“, vermutete Magnan. „Er verlangt lediglich, daß wir auf dem Bauch zu unseren Plätzen kriechen.“

„Zum Teufel, was gibt’s da zu grinsen, Sie Idiot!“ brüllte der Botschafter.

Magnan hörte augenblicklich auf zu lächeln und sah betroffen drein. — Spradley betrachtete die zahlreichen Orden, die seinen Bauch zierten.

„Das ist — ich habe noch nie.“

„Huldigung an Götterrr“, erklärte der Dolmetscher.

„Religion — auch das noch!“ sagte jemand.

„Nun, wenn es um religiöse Bräuche geht…“, sagte der Botschafter und sah sich unsicher um.

„Es sind ja nur ein paar hundert Meter“, tröstete ihn Magnan.

In diesem Augenblick trat Retief vor den Dolmetscher P’Toi und sagte: „Seine Exzellenz, der terranische Botschafter, wird nicht kriechen!“

„Augenblick, junger Mann“, mischte sich Spradley hastig ein. „Ich habe nichts dergleichen verlauten lassen.“

„Nicht krrriechen?“ Das Gesicht des Yill blieb unbeweglich und für die Terraner unergründlich.

„Es wäre gegen unsere religiöse Überzeugung.“

„Gegen?“

„Wir sind Jünger der Schlangen-Göttin“, erklärte Retief. „Es ist ein Sakrileg, zu kriechen.“ Er ging an dem Dolmetscher vorbei und schritt zu dem Tisch am anderen Ende des Raumes. Die Diplomaten von der Erde folgten ihm.

Außer Atem holte der Botschafter den jungen Retief ein, der hinter einem leeren Stuhl stand, dem brokatgedeckten Tisch gegenüber, an dem F’Kau-Kau-Kau, der Herrliche, Platz genommen hatte.

„Mr. Retief, Sie werden mich freundlicherweise nach diesem Zwischenfall aufsuchen, sobald wir Zeit haben“, zischte er. „Bis dahin erwarte ich von Ihnen, daß Sie jegliche unüberlegte Handlung unterlassen. Ich muß Ihnen wohl nicht ins Gedächtnis zurückrufen, daß ich Ihr Vorgesetzter bin.“

Magnan trat zu den beiden. „Ich gratuliere Ihnen, Retief. Sie sind schlagfertig.“

„Sind Sie nicht ganz richtig im Kopf, Magnan?“ Der Botschafter kochte. „Ich bin äußerst unzufrieden mit ihm.“

„Tja“, stotterte Magnan, „ich habe es selbstverständlich ironisch gemeint, Herr Botschafter. Natürlich fühlte auch ich mich durch Mr. Retiefs Anmaßung wie vor den Kopf geschlagen.“

Die Männer von der Erde nahmen Platz, Retief am Ende des Tisches. Die Tischplatte bestand aus grünem Holz. Es war keine Decke darüber gebreitet. Vor jedem Platz stand ein flacher Zinnteller.

Die Yill an diesem Tisch — manche in schlichtes Grau, andere in Schwarz gekleidet — musterten die Besucher schweigend. Diese Gruppe war dauernd in Bewegung. Immer wieder standen einige auf, gingen, andere kamen und setzten sich.

Die Flöten und Pfeifen des Orchesters jammerten in ohrenbetäubendem Furioso, und das Stimmengewirr der schnatternden Yill an den anderen Tischen wetteiferte mit dem Gedudel.

Ein hochgewachsener Yill in Schwarz stand nun neben dem Botschafter. Sämtliche Yill in seiner Nähe verstummten, als der Diener eine weißliche Suppe in den größten der vor Spradley stehenden Blechnäpfe goß. Der Dolmetscher blieb zögernd und abwartend hinter Spradley stehen.

„Danke, das ist genug“, sagte Botschafter Spradley, als die Schüssel bis zum Rand gefüllt war. Aber der Yill-Diener goß noch mehr nach, bis die Suppe auf den Tisch floß.

„Bedienen Sie bitte die anderen Mitglieder meines Stabes!“ befahl der Botschafter. Der Dolmetscher sagte etwas zu dem Diener, und der ging zögernd zu dem nächsten Stuhl. Auch hier schöpfte er Suppe in den Blechnapf.

Retief beobachtete und lauschte dem gedämpften Flüstern der Yill, die jetzt ihre Hälse reckten, um mehr zu sehen. Der Diener schöpfte hastig weiter Suppe aus und warf ab und zu verstohlene Blicke zur Seite. Jetzt kam er zu Retief und hielt den vollen Schöpflöffel über den Napf, der vor dem Diplomaten stand.

„Nein“, sagte Retief, „nicht für mich!“

Der Diener zögerte, und der Dolmetscher kam heran. Er winkte dem Diener auffordernd zu, und wieder schwebte der überlaufende Suppenlöffel über Retiefs Teller.

„Ich will nichts davon!“ Retief hatte die Stimme gehoben, was um so mehr auffiel, als die Yill an den anderen Tischen gespannt schwiegen. Er musterte den Dolmetscher eine Zeitlang, der den starren Blick erwiderte, ohne mit der Wimper zu zucken, dann aber dem Diener winkte und sich mit ihm entfernte.

„Mr. Retief!“ rief eine wütende Stimme. Retief sah zum anderen Ende des Tisches hinüber. Der Botschafter hatte sich vorgelegt und funkelte ihn aufgebracht an. Sein Gesicht war rot angelaufen.

„Ich warne Sie, Mr. Retief’, sagte er heiser. „Ich habe Schafsaugen im Sudan gegessen, ka swe in Burma, hundert Jahre alten cug auf Mars, kurzum, alles, was mir in meiner langen diplomatischen Laufbahn vorgesetzt wurde. Und, beim heiligen Sankt Ignaz, Sie werden genauso handeln!“ Er nahm einen Gegenstand auf, der einem Löffel ähnelte, und tauchte ihn in die Suppe.

„Essen Sie das nicht, Herr Botschafter!“ rief Retief.

Der Botschafter riß in fassungslosem Staunen die Augen auf, öffnete aber gleichzeitig den Mund und hob den Löffel.

Retief sprang auf, packte die Tischplatte, hob sie mit einem Ruck in die Höhe, und augenblicklich rutschten sämtliche Näpfe zu Boden. Dem blechernen Klappern der Näpfe folgte das Poltern des Tisches, den Retief umgeworfen hatte.

Weiße Suppe schwappte auf die bunten Fliesen des Festsaales. Die Yill schrien auf, ebenso der Botschafter, aber bei ihm klang es, als schnüre ihm jemand die Kehle zu.

An den erstarrten Mitgliedern des Stabes vorbei ging Retief auf den Botschafter zu. „Herr Botschafter“, sagte er, „ich würde gern.“

„Sie würden gern! — Ich werde dafür sorgen, daß Sie hinausfliegen. Begreifen Sie denn nicht…“

„Bitte“, mischte sich der Dolmetscher ein, der neben Retief getreten war.

Der Botschafter wandte sich an den Yill. „Tut mir leid!“ Er wischte sich die Stirn. „Bitte vielmals um Entschuldigung…“

„Schweigen Sie!“ sagte Retief zu seinem Vorgesetzten.

„W-wie b-bitte?“

„Entschuldigen Sie sich nicht, Herr Botschafter“, antwortete der junge Mann, ohne sich von dem durchbohrenden Blick des Diplomaten aus der Ruhe bringen zu lassen.

P’Toi winkte. „Bitte, alle mitkommen!“

Retief folgte ihm als erster.

Der Teil des Tisches, der ihnen nun zugewiesen wurde, war mit gesticktem Leinen gedeckt, und feines Porzellan stand vor jedem Platz. Die Yill, die dort gesessen hatten, erhoben sich mitten im Gespräch und machten den Besuchern Platz. Die schwarzgekleideten Yill am letzten Tisch rückten nach, um die leeren Plätze zu füllen.

Retief setzte sich, und Magnan nahm neben ihm Platz.

„Was geht hier eigentlich vor?“ wollte der Zweite Sekretär wissen.

„Sie setzten uns Hundefutter vor“, erklärte Retief. „Ich hörte einen Yill darüber sprechen. Außerdem placierten sie uns am Tisch der Diener.“

„Soll das heißen, daß Sie die Sprache verstehen?“

„Ich habe sie auf der Herfahrt gelernt. So viel wenigstens, daß ich…“

Das Orchester spielte einen Tusch, und eine Schar von Jongleuren, Tänzern und Akrobaten kam in den Festsaal. Im freien Raum zwischen den Tischen zeigten sie dann ihre Künste.

Emsig kamen und gingen die Diener mit duftenden Speisen, die sie auf die Teller der Yill und der Terraner häuften. Andere schenkten hellrote Flüssigkeit in schlanke Gläser. Retief kostete das Essen. Er fand es vorzüglich.

Bei dem Lärm war jegliche Unterhaltung illusorisch, und so beschränkte sich der junge Diplomat darauf, ausgiebig zu essen und dem lustigen Treiben der Künstler zuzusehen.

* * *

Aufatmend lehnte sich Retief zurück, als die Musiker eine Pause einlegten. Die letzten Teller wurden eben abgeräumt, und andere Diener schenkten Getränke aus.

Erschöpft bückten sich die Künstler nach den eckigen Münzen, die von den Speisenden in die Saalmitte geworfen wurden. Retief seufzte. Es war ein vortreffliches Festessen gewesen.

„Retief“, meldete sich Magnan nun zu Wort, da es im Vergleich zu dem Lärm der Musik still war. „Sie wollten mir etwas von Hundefutter erzählen.“

Retief sah ihn an. „Haben Sie das Ganze nicht durchschaut? Diese absichtlichen Beleidigungen, eine nach der anderen.“

„Beleidigungen? Moment mal, Retief. Sie sind unhöflich, diese Yill, das stimmt. Sie vertreten einem den Weg und so weiter. Aber Beleidigungen?“ Unsicher sah er Retief an.

„Sie pferchten uns in den Lagerschuppen für Gepäck, als wir ankamen. Dann transportierten sie uns in einem Wagen der Müllabfuhr.“

„Müllabfuhr?“

Retief nickte. „Dann ließen sie uns durch die Tür für Händler und Dienstboten herein und wiesen uns Zimmer im Personalflügel an. Zum Essen setzten sie uns an den letzten Tisch zu den Dienern, die nur grobe Arbeiten verrichten.“

„Sie müssen sich irren. Schließlich sind wir die Delegation der Erde. Selbstverständlich müssen diese Yill wissen, wie mächtig wir sind.“

„Kein Zweifel, Mister Magnan. Dennoch.“

Mit einem Beckenschlag leiteten die Musiker einen erneuten Angriff auf die Ohren ihrer Zuhörer ein, und sechs Yill sprangen in die Mitte des Raumes. Sie trugen Helme auf den Köpfen und begannen einen wilden Kriegstanz.

Magnan zupfte Retief am Ärmel, und seine Lippen bewegten sich. Aber Retief schüttelte den Kopf. Niemand konnte ein YillOrchester übertönen, das so richtig im Zuge war wie die Musiker jetzt. Der junge Diplomat kostete einen hellroten Wein und sah den Tanzenden zu.

Auf der Tanzfläche gab es ein Handgemenge. Zwei der Tänzer stolperten und fielen hin. Die anderen stoben davon, teilten sich wieder in Zweiergruppen, reizten einander und rasselten mit ihren stumpfen Säbeln. Schon fielen zwei weitere Yill verletzt zu Boden. Es war ein Tanz voller Gewalttätigkeit. Retief sah zu, sein Wein war vergessen.

Zwei Yill blieben übrig. Jetzt tanzten sie aufeinander zu, zogen sich zurück, wirbelten umeinander, drehten sich um die eigene Achse, hüpften hoch in die Luft und machten Finten und Scheinangriffe.

Und dann stolperte der eine, ging zu Boden, und der andere, ein Hüne, wandte sich ab, wirbelte zu den aufpeitschenden Klängen des Orchesters durch den Raum, und die Zuschauer bombardierten ihn mit Münzen.

Vor einem der Tische blieb er stehen und hob seinen Säbel. Dann schmetterte er seine Waffe auf die Tischplatte, daß die Gläser tanzten. Die Musik verstummte augenblicklich.

Der mit Spitzen und Schleifen gezierte Yill, vor dessen Platz der Tänzer stehengeblieben war, sprang mit einem Schrei auf und hob die geballte Faust. Sofort beugte der Tänzer den Kopf, spreizte die Hände über seinen Helm und tanzte weiter, sobald die Musik wieder lautstark einsetzte.

Der reichgeschmückte Yill winkte lässig mit der Hand, warf einige Münzen auf die Tanzfläche und setzte sich wieder.

Jetzt stand der Tänzer aufrecht vor dem brokatbedeckten Tisch, und die Musik brach abrupt ab, als der Säbel vor einem vierschrötigen Yill auf den Tisch dröhnte. Der herausgeforderte Yill erhob sich, ballte die Faust, und der Tänzer duckte sich, beide Hände schützend über den Helm gebreitet. Münzen fielen zu Boden, und der Tänzer zog sich auf die Tanzfläche zurück.

Er wirbelte an den Tischen vorbei, hieb mit dem Säbel durch die Luft, daß es schwirrte, und stach ein paarmal in symbolischer Geste zu. Dann plötzlich blieb er vor Retief stehen, den Säbel hoch über seinen Kopf erhoben.

Jäh verstummte die Musik, und in der plötzlich eingetretenen Stille peitschte der Säbel durch die Luft und donnerte mit solch wuchtigem Schlag auf die Tischplatte, daß die Teller hochhüpften und Gläser zersprangen.

Die Augen des Yill waren starr auf Retief gerichtet. Außer einem betrunkenen Kichern Magnans war kein Geräusch zu hören.

Retief stieß seinen Stuhl zurück.

„Ruhe bewahren!“ rief Botschafter Spradley, aber Retief stand schon. Der Yill-Tänzer überragte den einsneunzig großen Diplomaten um zwei Zentimeter. So rasch, daß der Yill sich nicht wehren konnte, entwand ihm Retief den Säbel und ließ ihn über seinem Kopf kreisen, daß es pfiff. Der Yill duckte sich, sprang auf die Tanzfläche und hob einen Säbel auf, den ein anderer Tänzer hatte fallen lassen.

„Haltet den Verrückten fest!“ heulte Spradley.

Mit einem Satz sprang Retief über den Tisch und auf die Tanzfläche.

Der Tänzer zog sich weiter zurück, und in diesem Augenblick setzte das Orchester wieder ein — lauter und aufpeitschender noch als zuvor, mit einem Trommelwirbel, der ins Blut ging.

Retief gab sich nicht die geringste Mühe, den Tanzschritten seines Gegners zu folgen. Er bedrängte ihn vielmehr auf seine Weise, gerade und direkt, wehrte jeden Streich geschickt ab, hieb unerbittlich auf seinen Herausforderer ein und trieb ihn, die linke Hand an der Hüfte, vor sich her.

Jetzt legte auch der Yill die Doppelrolle ab. Er tanzte nicht mehr, sondern konzentrierte sich auf den Kampf, parierte Retiefs Schläge, hieb und stach auf ihn ein. Jetzt standen sie einander gegenüber und lieferten sich einen Gang, daß die Funken stoben. Der Yill wich einen Schritt zurück, dann zwei, faßte sich aber wieder und trieb Retief vor sich her.

Retief täuschte und landete einen deftigen Treffer auf dem grauen Schädel.

Der Yill stolperte, und sein Säbel klirrte zu Boden. Retief trat zur Seite, als der Yill an ihm vorbeitaumelte und krachend auf die Tanzfläche fiel.

Das Orchester verstummte mit kläglichem Flötengewimmer, und Retief wischte sich, erleichtert aufatmend, die Stirn.

„Kommen Sie wieder her, Sie jugendlicher Unverstand in Person!“ rief Spradley heiser.

Retief packte den Säbel fester, wandte sich um und sah zu dem brokatgedeckten Tisch hinüber. Dann ging er langsam darauf zu. Die Yill saßen da wie vom Schlag getroffen.

„Nicht, Retief!“ brüllte Spradley.

Aber der junge Mann reagierte nicht. Er ging direkt auf F’Kau-Kau-Kau, den Herrlichen, zu, blieb vor ihm stehen und hob den Säbel.

„Nein, nicht den Staatschef!“ stöhnte ein Mitglied der terra- nischen Delegation.

Retief ließ den Säbel niedersausen. Die stumpfe Klinge zerschnitt den schweren Brokat und spaltete den Hartholztisch. Stille herrschte im Saal.

F’Kau-Kau-Kau, der Herrliche, erhob sich, zwei Meter vierzehn lang, fettleibig und grau wie alle Yill. Sein breites Gesicht wirkte für terranische Beobachter ausdruckslos. Er hob eine Faust, die einem mit Juwelen gespickten Schinken ähnelte.

Retief blieb eine Zeitlang aufrecht stehen. Dann neigte er würdevoll den Kopf und legte die Fingerspitzen an die Schläfen. Hinter Retief polterte Botschafter Spradley bewußtlos zu Boden.

Dann brüllte F’Kau-Kau-Kau etwas in den Saal, langte über die Tafel und umarmte den Mann von der Erde. Das Orchester begleitete dieses Ereignis mit einem wahnwitzigen Furioso. Graue Hände halfen Retief über den Tisch, Stühle wurden zur Seite gerückt, um an der Seite des Staatsoberhauptes Platz zu machen, und dann setzte sich Retief. Der junge Diplomat ergriff die bauchige Flasche mit schwarzem Brandy, die ihm sein Nachbar aufdrängte, stieß mit „dem Herrlichen“ an und trank.

* * *

„Das Fest geht zu Ende“, sagte F’Kau-Kau-Kau. „Nun müssen wir beide den Ratssessel besteigen, Retief.“

„Es wird mir eine Ehre sein, Euer Herrlichkeit“, antwortete Retief. „Ich muß jedoch meine Kollegen informieren.“

„Kollegen?“ F’Kau-Kau-Kau wunderte sich. „Häuptlinge palavern, niemand sonst. Wer sollte für einen König sprechen, solange der noch eine Zunge zum Reden hat?“

„Wie weise die Sitten der Yill sind!“ lobte Retief.

F’Kau-Kau-Kau leerte einen Bierkrug. „Ich werde mit dir verhandeln, Retief, als Vizekönig, da du sagst, daß dein König alt ist und es lange dauert, ehe man von eurem Planeten zu unserem gelangt. Aber ich dulde nicht, daß Ränkeschmiede und Duckmäuser unseren Verhandlungen beiwohnen.“ Er lächelte auf die für Yill so typische Art. „Danach werden wir zechen, Retief. Der Ratssessel ist hart, und die Dienerinnen, die auf uns warten, sind ergötzlich. Möge das dazu beitragen, daß wir uns schnell einigen.“

Retief lächelte. „Euer Herrlichkeit sind weise.“

„Natürlich zieht jedes Wesen Frauenzimmer seiner Rasse allen anderen vor“, grinste F’Kau-Kau-Kau. „Das Kultusministerium hat einige Tänzerinnen von der Erde importiert, von denen man behauptet, sie seien Spitzenklasse.“

„Euer Herrlichkeit sind sehr rücksichtsvoll.“

„Dann frisch ans Werk, Retief!“

Als Retief an F’Kau-Kau-Kaus Seite zur Tür schritt, lief Botschafter Spradley rot an.

„Entschuldigen Sie sich bei dem Staatschef und kommen Sie her! Ich habe mit Ihnen zu reden.“ Seine Worte klangen eisig. Magnan stand hinter ihm und rollte die Augen.

„Es tut mir leid, wenn ich unhöflich erscheine, Herr Botschafter“, antwortete Retief. „Aber im Augenblick habe ich keine Zeit zu Erklärungen.“

„Unhöflich!“ jaulte Spradley wie ein Hund, dem jemand auf den Schwanz getreten hatte. „Keine Zeit, he? Das eine kann ich Ihnen sagen…“

„Bitte nicht so laut, Herr Botschafter“, unterbrach ihn Retief besorgt. „Die Lage ist noch immer heikel.“

Spradley zitterte, und der Mund blieb ihm offen. Endlich fand er Worte. „Sie, Sie…“

„Ruhe!“ brüllte Retief. Entgeistert starrte der Botschafter seinen Untergebenen an und forschte in dessen grauen Augen. Dann schloß er seinen Mund und schluckte.

„Die Yill haben den Eindruck gewonnen, daß ich die Delegation leite“, erklärte Retief. „Wir müssen diese Täuschung aufrechterhalten.“

„Aber, das ist doch…“, stotterte Spradley. Dann richtete er sich auf. „Das ist das Letzte!“ flüsterte er heiser. „Ich bin der terranische Botschafter und Gesandte in einer Person, mit allen Vollmachten ausgestattet. Magnan berichtete mir, daß wir ständig beleidigt wurden, vom Augenblick unserer Ankunft an; man sperrte uns in einen Gepäckschuppen, transportierte uns in einem Wagen der Müllabfuhr, placierte uns bei Dienstboten und setzte uns Hundefutter vor. Jetzt legt man mich und meine bewährten Mitarbeiter auf Eis, ohne uns eine Audienz gewährt zu haben, während dieser vielfache Kau kneipen will mit einem — einem.“

Spradley s Stimme versagte. „Vielleicht war ich ein wenig voreilig, Retief, als ich Sie in Ihre Schranken verwies. Götter der Eingeborenen jedoch zu mißachten und eine Tafel umzuwerfen sind recht ungewöhnliche Maßnahmen. Aber Ihr Unbehagen gegen unsere Gastgeber ist vielleicht gerechtfertigt. Ich werde Ihnen gegenüber Milde walten lassen.“ Er warf Retief einen zornigen Blick zu.

„Genug geredet!“ sagte Retief. „Der Herrliche wartet.“

Spradley lief rot an.

Magnan mischte sich ein. „Was wollen Sie tun, Retief?“

„Ich werde die Verhandlung führen“, antwortete der junge Mann und reichte Magnan sein leeres Glas. „Nun gehen Sie zu Ihrem Platz zurück, setzen Sie sich, und arbeiten Sie an der Idee unserer Mission.“

* * *

Botschafter Spradley saß hinter seinem Schreibtisch in der für „hohe Tiere“ reservierten Kabine des Raumers, der um den Planeten der Yill kreiste.

„Weiterhin“, sagte er, „haben Sie bewiesen, daß Sie von Corpsdisziplin nichts verstehen. Ebensowenig wissen Sie, welchen Respekt man einem Vorgesetzten schuldet, ja, Sie beherrschen nicht einmal die Grundregeln der Höflichkeit. Ihr Mangel an Selbstbeherrschung, Ihre unkontrollierten Ausbrüche und Ihre unglaubliche Selbstüberschätzung, die Sie sogar zur Amtsanmaßung veranlaßte, zwingen mich zu veranlassen, daß Sie vom Dienst im Diplomatischen Corps Terras ausgeschlossen werden. Ich werde daher Ihre sofortige Rückberufung.“

Aus der Sprechanlage auf dem Schreibtisch drang ein gedämpftes Summen.

Der Botschafter räusperte sich.

„Bitte?“

„Eine Nachricht von Sektor HQ, Herr Botschafter“, sagte eine Stimme.

„Lesen Sie bitte ohne die Einleitung“, forderte Spradley.

„Gratulieren zum unvorhergesehenen Erfolg Ihrer Mission. Die Einverständniserklärungen, die Sie übermittelten, stellen eine sehr günstige Lösung der Sirius-Frage dar und werden das Fundament bilden zu einem künftigen freundschaftlichen Verhältnis zwischen den Staaten der Erde und dem Yill-Weltreich. Ihnen und Ihrem Stab gebührt volle Anerkennung für eine tadellos gelöste Aufgabe. Unterschrift: Staatssekretär Sternwhee- ler.“

Spradley schaltete ungeduldig ab. Er wühlte in seinen Papieren und musterte Retief dann scharf.

„Oberflächlich betrachtet, könnte ein uneingeweihter Beobachter den vorschnellen Schluß ziehen, daß — ahm — die Resultate, die trotz dieses undisziplinierten Verhaltens erzielt wurden, eben jenes Verhalten rechtfertigen.“ Der Botschafter lächelte traurig und weise. „Aber weit gefehlt! Aus meiner langjährigen Praxis weiß ich…“

Wieder summte die Sprechanlage.

„Verflixt!“ brummte Spradley. „Ja?“

„Mr. T’Cai-Cai ist hier“, sagte die Stimme. „Soll ich…“

„Reinschicken, sofort!“ Spradley sah Retief an. „Zwar kein einflußreicher Mann, dieser T’Cai-Cai, aber ich werde trotzdem versuchen, den ungünstigen Eindruck zu verwischen, den gewisse Leute hervorriefen.“

Der Botschafter und Vizekonsul Retief warteten schweigend, bis der yillische Protokollchef an die Tür klopfte.

„Ich hoffe“, mahnte der Botschafter, „daß es Ihnen gelingen wird, jegliche Anwandlung zu unterdrücken, hier den Herrn zu spielen.“ Er sah zur Tür. „Herein!“

T’Cai-Cai trat ein, musterte Spradley, wandte sich dann an Retief und begrüßte ihn in der Yill-Sprache. Er ging hinter den Schreibtisch, forderte den Botschafter durch Gesten auf, sich aus dem Sessel zu erheben, und setzte sich selbst hinein, nachdem ihm Spradley gehorcht hatte.

„Ich habe eine Überraschung für Sie, Retief’, sagte er dann in der terranischen Einheitssprache, die sämtliche Diplomaten der Erde beherrschen mußten. „Ich habe die Lehrmaschine fleißig benutzt, die Sie mir freundlicherweise überließen.“

„Das freut mich“, antwortete Retief. „Mr. Spradley wird sich sicher dafür interessieren, was wir uns zu sagen haben,“

„Lassen wir das jetzt. Ich bin nur aus gesellschaftlichen Gründen hier.“

Er sah sich in der geräumigen Kabine um. „So schlicht richtet ihr euch ein!“ Er lachte das typische Yill-Lachen. „Aber der Raum wirkt trotz dieser Strenge anziehend. — Ihr seid eigenartige Wesen, ihr Terraner. Ihr habt uns alle überrascht. Man hört so viele Geschichten, Gerüchte über euch. Wir dachten wirklich, ihr wäret Fußhasen.“

„Hasenfüße“, verbesserte Retief.

„Soviel Zurückhaltung. Wieviel Freude habt ihr uns gemacht — selbstverständlich mir ganz besonders —, als ihr das Zeremoniell an euch risset. Diese Finesse! Wie spitzfindig, daß ihr zunächst nicht zu bemerken schient, wie wir euch herausforderten. Manch einer von uns — aber nur die weniger klugen — glaubte, ihr wüßtet überhaupt nicht, wie man sich zu benehmen hat. Um so befriedigter waren alle — besonders wir vom Fach, die wir euer Können einzuschätzen wissen —, als ihr die Spannungen beseitigtet, indem ihr das Katzenfleisch in den Saal warft. Von da an war es eine reine Freude, abzuwarten, auf welche Weise ihr uns eine Ehrenbezeigung erweisen würdet.“

Der Yill bot orangefarbene Zigarren an und steckte sich selbst eine ins Nasenloch.

„Ich gebe zu, nicht einmal ich hätte zu hoffen gewagt, daß Sie unseren Herrscher so augenfällig ehren würden. Es ist ein Vergnügen, mit Kollegen zusammenzuarbeiten, die ebenfalls wissen, was sich gehört.“

Aus der Kehle des Botschafters drang ein halberstickter Laut.

„Dieser Bursche hat sich erkältet“, sagte T’Cai-Cai. Er sah den Botschafter mißtrauisch an. „Treten Sie zurück, Mann! Ich bin sehr empfindlich.“

Dann wandte sich der Yill wieder an Retief. „Und nun noch etwas Geschäftliches, mein lieber Retief. Zu meiner großen Freude kann ich Ihnen mitteilen, daß sich seine Herrlichkeit entschlossen haben, Sie — und nur Sie — für das Yill-Weltreich zu akkreditieren. Ich habe hier die Exequatur meiner Regierung, in der Sie zum terranischen Generalkonsul auf Yill ernannt werden, Mr. Retief. — Wir freuen uns auf Ihre Rückkehr.“

Retief sah seinen Vorgesetzten an. „Ich bin sicher, daß man im Hauptquartier des Diplomatischen Corps einverstanden sein wird“, sagte er.

„Auf Wiedersehen, Retief!“ T’Cai-Cai stand auf. „Und hoffentlich recht bald. Ich möchte Ihnen vieles zeigen. Gemeinsam werden wir den Glanz und die Pracht des Yill-Weltreiches bewundern.“

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