Geheimorder

„Stimmt“, sagte Konsul Passwyn, „ich bewarb mich um die Stelle eines leitenden Offiziers auf vorgeschobenem Posten. Aber ich erträumte mir einen kleinen Kur-Planeten, auf dem es außer Bewilligungen von Visas nicht viel zu entscheiden gibt. Hin und wieder mal ein Raumfahrer in Not, höchstens aber zwei pro Jahr. — Statt dessen bin ich Zoodirektor für einen Haufen von Siedlern. Und das nicht nur für eine Welt, sondern gleich für acht — man stelle sich vor: acht Planeten!“ Mürrisch betrachtete er Vizekonsul Retief.

„Immerhin haben Sie damit Gelegenheit zu Reisen“, entgegnete Retief.

„Reisen!“ brummte der Konsul. „Ich hasse Reisen! Besonders in dieser Gegend, wo sich Hasen und Füchse gute Nacht sagen.“ Er zwinkerte Retief zu und räusperte sich. „Für einen jungen Diplomaten jedoch ist eine Reise ausgezeichnet. Die beste Gelegenheit, um Erfahrungen zu sammeln.“

Er wandte sich zu der Leinwand in seinem Rücken um und drückte auf einen Knopf. Ein Sonnensystem erschien auf der Leinwand. Acht helle grüne Punkte umkreisten einen neunten größeren.

Passwyn griff nach einem Stock und deutete auf den sonnennächsten Planeten.

„Auf Adobe ist eine Krise zu erwarten. Die verflixten Siedler — bloß eine Handvoll übrigens — haben sich mit intelligenten Wesen angelegt, mit den Jaq. Ich kann mir nicht vorstellen, was sie sich dabei denken. Es geht lediglich um ein paar Oasen inmitten weiter Wüstengebiete. Jedenfalls habe ich vom Hauptquartier endlich die Genehmigung bekommen, einzuschreiten.“

Er wandte sich wieder um und sah Retief an. „Ich schicke Sie hin, Retief —, mit Geheimorder.“ Er nahm einen dicken Briefumschlag vom Schreibtisch. „Ich bedaure, daß ich die Siedler von der Erde nicht schon vor Wochen ausgewiesen habe, wie mir das vorschwebte. Jetzt ist es zu spät. Man erwartet von mir, daß ich ein Wunder vollbringe, eine Versöhnung der Siedler mit den Jaq herbeiführe und eine friedliche Aufteilung des Landes veranlasse. Idiotisch! Ein Versagen jedoch würde mein Führungszeugnis verunzieren. Und deshalb erwarte ich von Ihnen, daß Sie besagtes Wunder vollbringen.“ Er reichte Retief den lederfarbenen Umschlag.

„Ich dachte, Adobe sei unbewohnt gewesen, bis die Siedler von der Erde ankamen“, meinte Retief.

„Das war offensichtlich ein Irrtum. Die Jaq existieren.“ Der Konsul sah seinen „Vize“ mit tränenden Augen an. „Sie werden Ihre Instruktionen Punkt für Punkt befolgen. In einer heiklen Situation wie dieser gibt es keine Eingebungen, Improvisationen oder Entscheidungen aus dem Stegreif. Verstanden?“

Als Retief schwieg, fuhr der Konsul fort: „Ihre Instruktionen wurden im Hauptquartier genauestens ausgearbeitet.“

„Waren die Herren vom Hauptquartier schon mal auf Adobe?“

„Niemals! Keiner von ihnen reist gern. Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, machen Sie sich auf den Weg. Die Postrakete startet in einer knappen Stunde.“

„Wie sehen diese intelligenten Lebewesen — diese Jaq — aus, Sir?“

Passwyn lächelte. „Das sagen Sie mir, Retief — wenn Sie zurückkommen.“

* * *

Der Pilot der Postrakete, dessen wettergebräuntes Gesicht ein vierzehn Tage alter Bart bedeckte, spuckte in eine Ecke der Kanzel und beugte sich tiefer, über das Armaturenbrett.

„Da unten is wieder ma ’ne Schießerei im Gange“, sagte er. „Sieht man an die weißen Wolken am Rand von die Wüste.“

„Ich soll kriegerische Auseinandersetzungen verhindern“, antwortete Retief. „Scheint, als käme ich zu spät.“

Der Pilot wandte den Kopf mit einem Ruck zu Retief herum. „Krieg? Mich hat keiner nichts von Krieg geflüstert. Wenn das da unten Krieg is, dann mach ich Beine!“

„Moment mal!“ Retief wurde energisch. „Ich muß hinunter. Auf Sie schießt niemand.“

„Das kannste mich glauben, Jungchen. Weil sie nich können. Weil ich sie gar nich die Chance dazu gebe.“

Der Pilot drückte einige Knöpfe und wollte den Steuerknüppel eben zu sich heranreißen, als Retief mit hartem Griff sein Handgelenk umklammerte.

„Sie hören wohl schlecht! Ich habe gesagt, daß ich hinunter muß!“

Der Pilot riß sich los und holte zu einem Schwinger aus, den Retief abducken konnte. „Wohl verrückt geworden!“ keuchte der Postflieger. „Muß ’ne ganz anständige Schießerei sein, wenn ich sie schon aus fünfzig Meilen Entfernung sehe!“

„Die Post muß bestellt werden. Oder nicht?“

„Wenn’s ums Leben geht, hört sich der Ehrgeiz auf. Du scheinst drauf aus, dich eine Kugel verpassen zu lassen. Dann nimm den Rettungskahn, und ich sage die anderen, sie sollen deine sterblichen Reste zusammensuchen, wenn sie wieder mal vorbeikommen, vorausgesetzt, die Schießerei is vorbei.“

„Sie sind ein wahrer Freund! Ich nehme Ihr Angebot an.“

Der Pilot sprang auf und öffnete den Einlaß des Rettungsbootes.

„Rein mit dir! Wir kommen denen verdammt nah auf den Pelz. Haste nich gesehen, ballern die uns einen drauf.“

Retief kroch in die enge Kabine der Rettungsrakete. Der Pilot verschwand und kam mit einer altmodischen Pistole zurück.

„Wenn du schon mitten rein willst, nimm wenigstens das Schießeisen mit.“

„Danke!“ Retief steckte die Pistole in seinen Gürtel. „Hoffentlich wird’s nicht so schlimm, wie Sie fürchten.“

„Ich sorg dafür, daß man dir abholt — so oder so.“

Die Einstiegluke klappte zu.

Ein Stoß erschütterte die winzige Rakete, als sie sich vom Postschiff trennte, dann wurde sie im „Kielwasser“ der Postmaschine hin und her geworfen.

Retief beobachtete das kleine Armaturenbrett, die Finger an den Kontrollhebeln.

Die Rettungsrakete strebte der Planetenoberfläche zu. Noch vierzig Meilen, nur noch zwanzig, jetzt noch zehn.

In fünf Meilen Höhe schaltete Retief die Bremsraketen ein, und der Andruck preßte ihn in die Schaumgummipolster. Er korrigierte den Kurs und beobachtete auf dem Bildschirm, wie die Planetenoberfläche beängstigend schnell heranraste. Die Rakete fiel zu rasch. Retief schaltete den Notantrieb ein.

Von überallher flogen Lichtpunkte auf die Rettungsrakete zu. Wenn das Geschosse mit den üblichen Sprengköpfen waren, mußte der Meteor-Schutzschirm der Rakete damit fertig werden.

Der Bildschirm am Armaturenbrett leuchtete blendendweiß auf und erlosch dann. Die winzige Rakete schlingerte und bockte. Dann traf sie ein Schlag, der Retief durch Mark und Bein ging. Sekundenlang herrschte lähmende Stille, gleich darauf aber wurde das Pfeifen erhitzten Metalls laut, das sich nun abkühlte und zusammenzog.

Hustend befreite sich Retief von den Gurten, tastete nach dem Riegel der Einstiegluke, fand ihn zu seinen Füßen und zog ihn zurück. Unter äußerster Anstrengung aller Kräfte gelang es ihm, die Luke zu öffnen.

Heiße Dschungelluft schlug ihm entgegen. Er kroch aus der Rakete, landete auf einem Laubpolster und richtete sich auf. Augenblicklich aber ließ er sich wieder zu Boden fallen. Eine Kugel sauste an ihm vorbei.

Lauschend lag Retief da. Links von ihm bewegte sich etwas. Zentimeter um Zentimeter kroch er vorwärts und erreichte den dicken Stamm eines Zwergbaumes, hinter dem er in Deckung ging. Irgendwo gurgelte eine Singechse ihr trauriges Lied, und summende Insekten näherten sich dem Ankömmling, nahmen den fremdartigen Geruch wahr und verschwanden.

Laub raschelte in der Nähe, ein Busch bewegte sich, und ein herunterhängender Ast neigte sich noch mehr zu Boden.

Ein stämmiger Mann in schmierigem Lederanzug schlich sich vorsichtig näher, die Pistole in der Hand.

Als er vorbei war, erhob sich Retief, sprang ihn an und zog ihn zu Boden.

Der Mann schrie kurz auf und kämpfte dann schweigend und verbissen. Retief warf ihn auf den Rücken und hob die Faust.

„He!“ schrie der Siedler. „Sie sind ja ein Mensch wie ich!“

„Rasiert sehe ich noch besser aus“, antwortete Retief. „War um haben Sie auf mich geschossen?“

„Lassen Sie mich los! Ich heiße Potter. Tut mir leid; ich dachte, es wäre ein Jaq-Schiff. Sieht genauso aus. Ich schoß, weil sich was bewegte. Konnte ja nicht wissen, daß es ein Mensch war. Wer sind Sie? Was wollen Sie hier? Wir sind in der Nähe der Oase. Da drüben fängt das Jaq-Land an.“ Er deutete nach Norden — in Richtung Wüste.

„Ein Glück, daß Sie kein guter Schütze sind! Einige der Raketengeschosse kamen mir so verflixt nahe, daß mir heiß wurde.“

„Raketen? Das müssen die Jaqs gewesen sein. Wir haben so was nicht.“

„Ich habe gehört, daß hier ein Kampf auf Leben und Tod tobt“, entgegnete Retief. „Ich hatte nicht erwartet.“

„Gut so!“ Potter nickte zufrieden. „Wir hofften, daß ihr Jungs von Ivory mitmachen würdet, sobald ihr es spitz hättet. Sie sind doch von Ivory?“

„Ja, ich bin…“

„Dann müssen Sie Lemuels Vetter sein. Mahlzeit! Da hätte ich beinahe einen bösen Fehler gemacht. Lemuel schießt erst, und dann hört er Erklärungen an.“

„Ich bin…“

„Kopf runter! Diese verdammten Eierfladen haben teuflische Handwaffen. Kommen Sie!“ Er kroch voran durch das Unterholz, und Retief folgte ihm. Erst ein paar hundert Meter weiter stand Potter auf, zog ein feuchtes Taschentuch mit bunten Tupfen hervor und wischte sich die Stirn.

„Für einen Städter sind Sie ganz wendig. Ich dachte, auf Ivory sitzt man nur unter Plastikglocken und studiert Skalen. Aber als Lemuels Vetter.“

„Wissen Sie, das ist so.“

„Aber ’n paar anständige Kleider müssen wir Ihnen beschaffen. Diese dünnen Lumpen taugen nichts auf Adobe.“

Retief sah an sich hinunter. Sein dunkelblauer Sakko und die tadellos geschnittene Hose — die Ausgehuniform eines Dritten Sekretärs und Vizekonsuls im Diplomatischen Corps Terras — waren verschwitzt, beschmutzt und zerrissen.

„Zu Hause schien das Zeug unverwüstlich. Aber ich sehe an Ihnen, Leder hat seine Vorzüge.“

„Gehen wir zum Lager. Bis zum Sonnenuntergang müßten wir’s schaffen. Und sagen Sie bitte Ihrem Vetter Lemuel nichts darüber, daß ich Sie für einen Fladen gehalten habe.“

„Fladen?“

„So nennen wir die Jaqs.“

„Nein, das nicht. Aber.“

Potter war schon auf dem Weg. Retief zog seinen Sakko aus, hängte ihn über einen Busch, nahm den Binder ab und ließ ihn an einem Zweig baumeln. Dann folgte er Potter.

* * *

„Wir sind verdammt froh, daß Sie kommen, Mister“, sagte ein Dicker, in dessen Revolvergurt zwei Waffen steckten. „Wir können jeden Mann brauchen. Vor drei Monaten hatten wir ein Treffen mit den Fladen, und seitdem ist uns nichts Gescheites eingefallen. Einer von uns erschoß einen von ihnen. Damit fing der Krawall an.“ Er stocherte im Feuer.

„Und dann überfielen sie Swazeys Farm. Sie töteten zwei Rinder und zogen wieder ab.“

„Bestimmt hielten sie die Kühe für Menschen“, mischte Swazey sich ein. „Sie wollten sich rächen.“

„Wie kann jemand ’ne Kuh für ’nen Menschen halten?“ sagte ein anderer. „Die sehen doch wirklich nicht.“

„Sei nicht so dusslig, Bert!“ Swazey schüttelte den Kopf. „Damals hatten sie noch keinen Terraner gesehen. Heute wissen sie’s besser.“

Bert kicherte. „Das will ich meinen! Wir haben’s ihnen gezeigt. Stimmt’s, Potter? Haben vier erwischt…“

„Ein paar Tage nach dem ersten Überfall kamen sie zu meiner Farm“, unterbrach ihn Swazey. „Aber wir hatten sie erwartet und gaben ihnen Zunder. Sie gingen auf und davon.“

„Du meinst, sie hüpften. Die häßlichsten Dinger, die ich je gesehen habe! Sehen aus wie ein Stück dreckiger Wolldecke, das durch die Gegend saust.“

„Seitdem bekämpfen wir einander. Erst greifen sie an, dann wir. Aber neuerdings fahren sie gröbere Geschütze auf. Sie kommen mit Flugmaschinen an und schießen mit Automatics. Wir haben vier Männer verloren, und ein Dutzend Verletzte warten auf das Sanitäts-Schiff. Das können wir uns nicht leisten. In der Kolonie gibt es nur knapp dreihundert gesunde, kräftige Männer.“

„Aber wir verteidigen unsere Ländereien“, sagte Potter. „Diese Oasen sind fruchtbar, und es gibt noch ein paar hundert davon. Aber kein Fladen wird sie sich aneignen, solange noch ein Mann lebt.“

Bert nickte. „Und das Zeug, das wir anbauen, wird gebraucht. Es wird nicht ausreichen, aber es wird dem ganzen System helfen.“

„Wir haben beim DCT um Hilfe gebettelt. Aber Sie kennen ja diese geschniegelten Affen von Diplomaten.“

„Wir haben gehört, daß sie uns irgend so einen Bürohengst auf den Hals hetzen wollen, der uns ausweisen soll, damit die Fladen sich die Oasen unter den Nagel reißen können“, sagte Swazey. Er biß sich auf die Lippen. „Der soll nur kommen!“

„Wir kriegen nämlich Verstärkung. Wir alle haben nämlich Verwandte auf Ivory und Verde.“

„Halt den Mund, du Narr!“ schnarrte eine tiefe Stimme.

„Lemuel!“ rief Potter aus. „Kein anderer kann sich so anschleichen.“

„Wenn ich ein Fladen gewesen wäre, könntet ihr jetzt eure großen Klappen nicht mehr aufreißen.“

Der Neuankömmling trat ans Feuer. Er war hoch gewachsen, hatte ein breites Gesicht und trug einen schmierigen Lederanzug. Mißtrauisch musterte er Retief. „Wer ist das?“

„Was soll denn das heißen?“ fragte Potter verblüfft. „Ich denke, das ist dein Vetter?“

„Vetter? — So’n Quatsch!“ Er trat an Retief heran. „Für wen spionierst du, Bursche?“

Retief stand auf. „Sie werden gleich verstehen.“

Lemuel zog eine kurzläufige Automatic. „Mund halten! Ich sehe dir den Spitzel an der Nase an.“

„Jetzt möchte ich endlich mal ausreden“, sagte Retief. „Stekken Sie Ihre Feuerspritze nur wieder ein, sonst geht sie noch los.“

„Du nimmst den Mund verdammt voll.“

„Irrtum! Ich bin die Bescheidenheit in Person. — Meine letzte Aufforderung: weg mit dem Ding!“

Lemuel sah Retief von oben bis unten an. „Du willst mir befehlen?“

Retiefs Linke schoß vor und traf Lemuels Kinnspitze. Der Siedler taumelte zurück, seine Pistole ging los und feuerte in den Sand, als sie ihm entfiel. Er fing sich und sprang auf Retief zu.

Lemuel lief genau in die für ihn bereitgehaltene Rechte. Wie ein gefällter Baum schlug er zu Boden und blieb bewußtlos liegen.

„Mensch“, staunte Potter, „der Fremde hat Lemuel mit zwei Schlägen geschafft.“

„Mit einem“, widersprach Swazey. „Der erste war bloß ’ne Liebkosung.“

„Ruhe!“ zischte Bert und saß dann regungslos da. Der Ruf einer Singechse drang durch die plötzlich eingetretene Stille. Retief lauschte, hörte aber nichts. Er spähte aus schmalen Augenschlitzen am Feuer vorbei.

Mit einem raschen Griff packte er den Wassereimer, leerte ihn ins Feuer und warf sich auf den Bauch. Den Bruchteil einer Sekunde später hörte er die anderen neben sich landen.

„Für einen Städter sind Sie ziemlich gewandt“, flüsterte Swazey nahe an seinem Ohr. „Sie sehen auch verdammt gut. Wir teilen uns und greifen sie von zwei Seiten an. Sie und Bert von links, ich und Potter von rechts.“

„Nein“, gab Retief ebenso leise zurück. „Ich gehe allein.“

„Weshalb wollen Sie…?“

„Später! Ruhe halten und Augen auf.“ Retief orientierte sich an einem Baumwipfel, der sich gegen den Himmel abhob, und kroch vorwärts.

Fünf Minuten später lag er auf einer Anhöhe und spähte vorsichtig um einen Felsvorsprung. Die verkümmerten Bäume wuchsen hier nur noch spärlich. Drüben begann die Wüste — Jaq-Land.

Retief stand auf und kletterte über die noch warmen Felsen, die die Hitze des Tages ausstrahlten. Vor ihm dehnte sich endlos der Sand, hinter ihm im Dschungel war es still. Er setzte sich auf den Boden und wartete.

Es dauerte zehn Minuten, ehe sich etwas vor ihm bewegte. Ein Schatten löste sich von einem Steinhaufen, glitt einige Meter heran und verschmolz wieder mit den dunklen Konturen eines anderen Felsens. Minutenlang geschah nichts. Dann kam der Schatten wieder näher und verharrte in einer Vertiefung. Mit dem Ellbogen befühlte Retief den Knauf seiner Waffe. Hoffentlich irrte er sich nicht.

Es klang, als streife Leder über Beton, und eine Sandfontäne stieg auf, als der Jaq angriff. Retief warf sich zur Seite, dann hechtete er auf den Jaq und hielt ihn mit seinem Körper am Boden. Der Angreifer maß einen Meter im Quadrat, war in der Mitte zehn Zentimeter dick und bestand aus lauter Muskeln. Er hob sich, rollte sich zurück und versuchte auf dem Muskelring zu stehen, der ihn umgab. Seine tentakelförmigen Greifer, die ihn wie Fransen umrahmten, tasteten nach Retiefs Schulter.

Retief umklammerte den Jaq und kam auf die Füße. Das Ding war mindestens einen Zentner schwer.

Jetzt änderte es seine Kampftaktik und wurde schlapp. Retief griff zu. Er glitt mit dem Daumen in eine Öffnung. Der Jaq spielte verrückt, und Retief drückte fester zu.

„Tut mir leid, Junge!“ keuchte er. „Augen eindrücken ist nicht höflich, aber es wirkt Wunder.“

Der Fladen bewegte sich nicht mehr. Nur die Greifer zitterten noch.

Sobald Retief jedoch den Daumendruck verminderte, versuchte der Jaq wieder, sich loszureißen. Sofort drückte Retief wieder fester zu. Augenblicklich verhielt sich der Jaq still.

„Jetzt verstehen wir uns“, sagte Retief befriedigt. „Und nun gehen wir zu deinem Hauptquartier.“

* * *

Zwanzig Minuten marschierten sie durch die Wüste und erreichten einen Haufen dornigen Gestrüpps. Das mußte das äußerste Bollwerk der Fladen gegen die Terraner sein.

Retief ließ seinen Gefangenen von der Schulter gleiten, behielt aber den Daumendruck bei. Dann setzte er sich und wartete auf die Jaqs. Wenn er die Situation richtig beurteilte, mußte in Kürze eine Streife kommen.

Ein blendend roter Lichtstrahl traf Retiefs Gesicht und erlosch. Retief stand auf. Der Gefangene kräuselte erregt seine Greifer, und Retief verstärkte den Daumendruck.

„Immer ruhig Blut!“ sagte er. „Nicht so voreilig!“

Seine Bemerkungen trafen auf taube Ohren — oder gar keine Ohren. Aber seine Daumensprache wurde verstanden.

Hier und da stob Sand auf. Retief spürte, daß sie sich näherten.

Er faßte seinen Gefangenen fester, und jetzt sah er eine schwarze Gestalt, die fast so groß war wie er. Offenbar gab es Jaqs in allen Größen.

Ein dumpfes Knarren wurde laut, einem tiefen Knurren ähnlich. Es wurde lauter, ebbte dann ab und verstummte.

Retief hob den Kopf und runzelte die Brauen. „Zwei Oktaven höher, wenn ich bitten darf“, sagte er.

„Awwrrp! — Tut mir leid. Besser so?“ tönte es klar aus der Dunkelheit.

„Ausgezeichnet!“ lobte Retief. „Ich bin gekommen, um Gefangene auszutauschen.“

„Gefangene? Haben wir nicht.“

„Doch! Mich. Abgemacht?“

„Ach so! Das ist nur recht und billig. Brauchen Sie Garantien?“

„Das Ehrenwort eines würdigen Partners genügt mir.“ Retief ließ seinen Gefangenen los. Der Jaq schüttelte sich und wedelte davon.

„Wenn Sie mich zu meinem Hauptquartier begleiten möchten, können wir alles in Bequemlichkeit besprechen“, tönte es aus dem Dunkel.

„Gern!“

Rote Strahlen leuchteten kurz auf, und Retief sah eine Lücke im Dornengestrüpp. Er ging hindurch und folgte den schattenhaften Gestalten durch den warmen Sand zu einem höhlenähnlichen Eingang, der matt erleuchtet war.

„Ich muß mich wegen dieser seltsamen Behausung entschuldigen“, meldete sich die Stimme wieder. „Wir wußten nicht, daß uns ein Besucher die Ehre erweisen würde.“

„Macht nichts“, versicherte Retief. „Wir Diplomaten sind es gewöhnt, zu kriechen.“

Als Retief mit gebeugten Knien und gesenktem Kopf in dem niedrigen Raum stand, sah er sich um. Die Wände bestanden aus rosigem Perlmutt, der Fußboden schien aus einem Stoff hergestellt, der wie burgunderfarbenes Glas aussah, und war mit seidenen Teppichen bedeckt; der niedrige Tisch strahlte wie roter, polierter Granit. Er war mit silbernen Tellern und Trinkgefäßen aus hellrotem Kristall gedeckt.

„Ich gratuliere!“ sagte die Stimme. Retief wandte sich um.

Ein riesiger Fladen, mit karmesinroten Decken behängt, wedelte an seine Seite. Die Stimme kam aus einem tellerförmigen Gerät, das der Jaq auf seinem Rücken trug. „Deine Figuren kämpfen tapfer. Ich halte uns für Gegner, die einander würdig sind.“

„Danke! Der Versuch wäre sicher interessant. Aber ich hoffe, wir können es verhindern.“

„Verhindern?“ Aus dem Lautsprecher drang ein Summen. „Nun, essen wir erst einmal“, sagte der riesige Fladen endlich. „Ich heiße Hoshick vom Mosaik der Doppelmorgenröte.“

„Ich bin Retief.“

Hoshick wartete gespannt.

„Retief — ähem — vom wiehernden Amtsschimmel.“

„Nehmen Sie Platz, Retief’, lud ihn Hoshick ein. „Hoffentlich sind Ihnen unsere harten Sitze nicht zu unbequem.“

Zwei weitere Fladen wedelten herein und traten in stummen Kontakt mit Hoshick. „Entschuldigen Sie bitte, daß unsere Übersetzungsanlage nicht besser ist. Ich darf Ihnen meine beiden Kollegen vorstellen.“

Ein kleiner Fladen wedelte in den Raum. Auf dem Rücken trug er ein silbernes Tablett. Er legte vor und schenkte gelben Wein in die Pokale.

„Ich nehme an, daß Sie diese Speisen schmackhaft finden“, sagte Hoshick. „Unsere Organismen sind ähnlich.“

Retief kostete. Das Gericht schmeckte angenehm nach Nüssen. Der Wein war von einem guten Chateau d’Yquem nicht zu unterscheiden.

„Es war eine unerwartete Freude, Ihre Gesellschaft hier zu finden“, plauderte Hoshick munter, während er aß. „Zunächst hielten wir Sie tatsächlich für eine einheimische erdfressende Existenz, das muß ich zugeben. Aber bald schon wurden wir eines Besseren belehrt.“ Er hob den Kristallpokal geschickt mit einem seiner Greifer, und Retief tat ihm Bescheid.

„Als wir dann erkannten, daß auch ihr Kämpfer seid, sorgten wir dafür, daß es ein wenig lebhafter zuging. Wir ließen schwere Waffen kommen und sandten ein paar geschulte Sportkämpfer aus. Vielleicht sind wir schon bald in der Lage, Ihnen eine anständige Vorstellung zu geben. Ich hoffe es jedenfalls.“

„Noch mehr Sportkämpfer? Wie viele, wenn mir die Frage erlaubt ist?“ fühlte Retief vor.

„Im Augenblick vielleicht nur einige hundert. Später — nun, ich bin sicher, wir werden uns darüber einig. Ich würde ja einen Wettkampf ohne Atomwaffen vorziehen. Es ist zum Gähnen langweilig, jeden einzelnen gegen die Strahlung abzuschirmen. — Wir haben übrigens ein paar sehr brauchbare Sportkämpfer. Zum Beispiel den Typ Stoßtruppkämpfer. Einen davon haben Sie ja gefangengenommen. Er ist nicht sonderlich intelligent, dafür aber im Fährtensuchen unübertroffen.“

„Ich bin ganz Ihrer Meinung, keine Atomwaffen. Die reine Truppenverschwendung.“

„Eben. Man kommt gut ohne aus.“

„Haben Sie schon mal bedacht, ganz ohne Waffen zu kämpfen?“

Ein Schnarren drang aus dem Lautsprecher. „Entschuldigen Sie, daß ich lache, aber Sie scherzen doch?“ fragte Hoshick.

„Wir versuchen immer wieder, ohne Waffen auszukommen“, sagte Retief.

„Ich erinnere mich aber, daß eine Ihrer Gruppen bei unserem ersten Geplänkel Waffen benutzte.“

„Stimmt, ich bitte um Vergebung. Der — ähem — Sportkämp fer hatte nicht erkannt, daß er einem Sportler gegenüberstand.“

„Nun schön, macht ja nichts. Da wir aber nun so fröhlich mit Waffen spielen…“ Hoshick winkte dem Diener und ließ die Kristallpokale nachfüllen.

„Es gibt da einen Gesichtspunkt, den ich noch nicht erwähnt habe“, sagte Retief. „Unsere Sportkämpfer sind der Auffassung, daß man Waffen nur ganz bestimmten Lebewesen gegenüber anwendet.“

„Oh? Eigenartig! Und was für Lebewesen sind das?“

„Ungeziefer! Todfeinde ohne Ehre. Ich möchte aber nicht, daß unsere Sportkämpfer würdige Gegner wie euch für Ungeziefer halten.“

„Meine Güte! Das konnte ich nicht wissen. Äußerst rücksichtsvoll, daß Sie darauf hinweisen. Daraus sehe ich, daß Ihre Sportkämpfer den unsrigen sehr ähnlich sind. Sie haben keinerlei Vorstellungskraft.“ Hoshick kicherte schnarrend.

„Damit kommen wir zum Kernpunkt. Wir haben Schwierigkeiten. Durch Geburtenrückgang bedingt, stehen uns nicht genügend Sportkämpfer zur Verfügung. Deshalb mußten wir für die.Massenaktionen, die jedem Sportler so am Herzen liegen, Ersatz verwenden. Wir haben sogar in Erwägung gezogen, dio Wettkämpfe zu beenden.“

Hoshick bekam einen Hustenanfall und spuckte eine Weinfontäne über den Tisch. „Wollen Sie damit sagen, daß Hoshick vom Mosaik der Doppelmorgenröte seine Ehre aufgeben soll?“

„Sir, Sie vergessen sich“, sagte Retief finster. „Ich, Retief vom wiehernden Amtsschimmel, schlage lediglich vor, die Wettkämpfe nach den neuesten sportlichen Prinzipien durchzuführen.“

„Neu?“ schrie Hoshick. „Mein lieber Retief, welch eine wundervolle Überraschung! Moderne Methoden bezaubern mich. Man ist gar nicht mehr auf dem laufenden. Bitte, entwik- keln Sie mir Ihre Pläne!“

„Es ist eigentlich ganz einfach. Jede Partei wählt einen Vertreter, und diese beiden Personen machen die Sache unter sich aus.“

„Ich verstehe wohl nicht. Welche Bedeutung könnte man den Leistungen einzelner Sportkämpfer zuschreiben?“

„Sicher habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt.“ Retief nippte an seinem Wein. „Die Sportkämpfer werden nicht mehr eingesetzt. Das ist veraltet.“

„Sie meinen doch nicht etwa…?“

„Doch, genau! Sie und ich.“

* * *

Draußen, in der vom Sternenschimmer erleuchteten Wüste warf Retief Hemd und Pistole ab. Im schwachen Dämmerlicht konnte er die Gestalt Hoshicks kaum ausmachen. Hinter ihm schlossen Jaq-Diener einen Halbkreis.

„Ich muß den Übersetzer ablegen, Retief“, sagte Hoshick. Er seufzte. „Meine Brüder werden dies nicht gutheißen. Merkwürdig, wie sich die Mode ändert. Es ist viel schöner, den Wettkampf aus der Ferne zu beobachten.“

„Ich schlage vor, wir kämpfen nach den Tennessee-Regeln. Sie sind sehr freizügig. Erlaubt sind: beißen, treten, kratzen, würgen — und natürlich wie üblich — schlagen, stoßen und kneifen.“

„Hmmm. — Mir scheint, daß diese Regeln Lebewesen bevorteilen, die steife Gliedmaßen haben. Da bin ich schlecht dran.“

„Wir können natürlich auch primitivere Regeln wählen.“

„Keinesfalls! Aber vielleicht sehen Sie davon ab, meine Greifer zu verdrehen. Das scheint mir gerechter.“

„Wie Sie wünschen. Können wir anfangen?“

Hoshick warf seinen Übersetzer von sich und flatterte auf Retief zu. Der Diplomat duckte sich, wandte sich um und sprang auf Hoshiks Rücken. Mit gewaltigem Schwung schleuderte der Jaq seinen Reiter von sich.

Retief wälzte sich zur Seite, als Hoshick wieder angriff, sprang auf die Füße und landete eine rechte Gerade in Hoshicks Mitte. Der Jaq schlang seine Greifer um den Diplomaten und schwang sich auf dessen Rücken. Hoshicks Gewicht traf Retief, als habe man eine Kipplore voll Beton über ihn entleert. Er knickte zusammen und versuchte freizukommen. Aber der flache Körper lag auf ihm wie eine schwere Decke. Er konnte einen Arm befreien und hämmerte auf den lederharten Rücken des Jaq. Hoshick preßte sich fester auf ihn.

Der Diplomat rang nach Luft. Er stemmte sich gegen die drückende Last, aber nichts rührte sich. Es war Kraftverschwendung.

Jetzt erinnerte sich Retief an den Stoßtruppkämpfer, den er überwältigt hatte. Die empfindliche Öffnung war dort gewesen, wo man den Bauch des Jaq vermuten mußte.

Er tastete den Körper seines Gegners ab. Das dicke Fell war hart und mit hornigen Schuppen bedeckt. Morgen würde ihm die Haut in Fetzen herunterhängen — wenn es ein Morgen gab, dachte Retief. Jetzt hatte sein Daumen das Loch berührt und drang ein.

Der Fladen prallte zurück. Tiefer drückte Retief seinen Daumen in die Öffnung, und mit der anderen Hand fuhr er über die Schuppenhaut des Jaq. Wenn er symmetrisch gebaut war, mußte er noch eine zweite Öffnung haben.

Und richtig, Retief fand sie. Er preßte seinen Daumen hinein, sprang auf und warf sich über den Jaq. Hoshick schlug mit seinen Greifern um sich und flatterte gepeinigt auf und ab. Dann wurde sein Körper schlaff.

Retief ließ ihn los und stand auf. Hoshick humpelte zu seinen Dienern, ließ sich anziehen und streifte den Übersetzer wieder über.

„Die alten Methoden hatten viel für sich“, stöhnte er dann. „Ein Sportler zu sein, kann zur Last werden.“

„War ein Erlebnis, was?“ strahlte Retief. „Ich weiß, Sie wollen unbedingt weiterkämpfen. Lassen Sie mich einige unserer Beißkämpfer holen. Sie haben lange spitze Zähne und dringen damit tiefer ein als ich mit meinen kurzen Daumen.“

„Moment!“ wehrte Hoshick ab. „Ich bin jetzt schon wund. Mein Fell fühlt sich an, als wäre die Haut abgezogen. Ich habe genug.“

Er schrie so laut, daß der Übersetzer auf seinem Rücken wackelte. „Ich hatte gehofft, hier ein Land zu finden, in dem ich mein eigenes Mosaik errichten könnte. Ich wollte im Sand Paradiesflechten in Massen anbauen und ernten, bis die Märkte sämtlicher Welten überfüllt gewesen wären. Aber ich bin Ihren Sportlern nicht gewachsen, die in mein Fleisch eindringen werden. Schon Ihre kurzen Daumen — wie Sie das nennen — haben mir fast unerträgliche Qualen zugefügt. Jetzt bin ich Ihnen gegenüber entehrt.“

„Um die Wahrheit zu sagen“, gestand Retief, „auch ich lasse lieber andere für mich kämpfen — ein altmodischer Zug von mir.“

„Aber Ihre Brutgenossen würden das nicht gutheißen?“

„Meine Brutgenossen sind weit. Habe ich das nicht erwähnt? Auf diesem Planeten ist niemand, der die neuen Regeln kennt — außer mir. Und wer würde schon kämpfen, wenn es andere Wege gibt?“ Er lächelte hintergründig. „Sie sprachen von der Absicht, den Sand zu bebauen und Paradiesflechten zu ernten?“

„Eben die Flechte, aus der Wein und Nahrungsmittel hergestellt werden.“

„In der heutigen Diplomatie geht es hauptsächlich um landwirtschaftlichen Wettbewerb. Wenn Sie damit zufrieden wären, in den Wüsten Flechten anzubauen, würden wir versprechen, lediglich die Oasen mit Gemüse zu bepflanzen.“

Hoshick richtete sich voller Spannung zu einem Maulwurfshügel auf. „Ist das Ihr Ernst, Retief? Sie würden uns die fruchtbaren Wüsten überlassen?“

„Mein Ehrenwort, ich würde sie Ihnen opfern und mich mit den Oasen begnügen.“

Erregt fuchtelte Hoshick mit seinen Tentakeln durch die Luft. „Sie haben mich zum zweitenmal beschämt, Retief!“ rief er. „Diesmal durch Ihre Großmut.“

„Wir können die Einzelheiten später besprechen. Bestimmt kommen wir zu einem Reglement, das allen Beteiligten gerecht wird. Leider muß ich jetzt gehen. Meine Sportkämpfer erwarten mich.“

* * *

Im Lager staunten die Siedler, Retief lebend zu sehen. Lemuel kam auf ihn zu; sein blaues Auge verlieh ihm ein gefährliches Aussehen.

„Tut mir leid, daß ich Sie angriff, Fremder.“ Er streckte die Hand aus. „Aber ich hielt Sie für einen geschniegelten Affen vom DCT.“

Bert trat heran. „Und woher willst du wissen, daß er keiner von denen ist? Vielleicht.“

Lemuel ließ seinen Ellbogen nach hinten schießen, und Bert ging zu Boden. „Noch jemand, der behauptet, ein saftloser Diplomat könnte mich umhauen?“ fragte er angriffslustig. „Dem geht es noch ganz anders.“

„Habt ihr Wein?“ fragte Retief.

„Wein? Wir haben seit einem Jahr bloß Wasser zu kosten gekriegt. Auf Adobe sterben sämtliche Hefepilze ab. Es gibt keine Gärung hier.“

„Probiert das mal!“ Retief reichte ihnen einen verschlossenen Krug. Swazey zog den Korken aus dem Hals und trank, dann reichte er Lemuel den Krug.

„Wo haben Sie das her, Mister?“

„Die Fladen stellen es her. — Eine Frage: Würdet ihr den Planeten mit den Jaqs teilen?“

Nach einer halbstündigen erregten Debatte sagte Lemuel: „Wir machen einen Friedensvertrag, wenn er annehmbar ist. Sie haben ja wohl genausoviel Recht auf die Oasen wie wir. Also teilen wir sie, dann bleiben für jede Partei hundertfünfzig Oasen.“

„Und wie wär’s, wenn ihr die Oasen alle behalten dürftet, den Jaqs aber die Wüsten überlassen müßtet?“

Lemuel griff nach dem Weinkrug. „Nur weiter so, Mister!“ sagte er und musterte Retief nachdenklich. „Wenn Sie so weitermachen, soll es mich nicht wundern, wenn wir handelseinig werden.“

* * *

Konsul Passwyn sah auf, als Retief in sein Büro trat.

„Setzen Sie sich, Retief!“ sagte er geistesabwesend. „Ich dachte, Sie seien auf Pueblo oder Schlammhausen oder wie immer diese Einöde heißt.“

„Ich bin hier.“

Passwyn sah seinen Vizekonsul scharf an. „Schön, das sehe ich. Was brauchen Sie, Mann? Reden Sie schon! Aber erwarten Sie von mir keine Bataillone.“

Retief schob ein Bündel Dokumente über den Tisch. „Hier ist der Friedensvertrag, ein bilateraler Beistandspakt und ein Handelsabkommen.“

„He?“ Passwyn nahm die Dokumente auf, sah sie durch und lehnte sich dann mit einer Verbeugung gegen Retief in seinem Sessel zurück.

„Schön, Retief, das ging schnell.“ Jetzt erst sah er Retief genauer an. „Haben Sie da etwa eine Beule am Kinn? Ich hoffe doch, daß Sie sich so benommen haben, wie das von einem Vertreter des Diplomatischen Corps’ erwartet wird?“

„Ich habe an einem Kampfspiel teilgenommen. Einer der Spieler übertrieb ein bißchen.“

„Tja, das gehört nun mal zu unserem Beruf Wir müssen so tun, als interessierten wir uns für solche Dinge.“ Der Konsul stand auf und reichte Retief die Hand. „Sie haben sich gut gehalten, mein Junge. Lassen Sie sich dies eine Lehre sein. Auch der schwierigste Auftrag wird zum Kinderspiel, wenn man sich genau an die Anweisungen des Hauptquartiers hält. Die wissen schon, was sie austüfteln.“

Draußen auf dem Korridor blieb Retief vor dem Müllfresser stehen. Er zog einen versiegelten Umschlag mit dem Absender des DCT-Hauptquartiers aus seiner Brieftasche und wart ihn in den Atombrenner.

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