Eine ganze Weile passiert erst einmal: nix. Ich lege mich hin. Eigentlich bin ich unglaublich m?de, vielleicht sollte ich ein Nickerchen machen. Wenn das Monster auftaucht, werde ich bestimmt von allein wach. Andererseits: Was, wenn nicht? Dann w?rde ich den Angriff verpassen, und der ganze tolle Plan mit Charlotte w?re vergebens. Nein, ich bleibe lieber wach. Zumindest versuche ich es.

Kurz bevor mir doch die Augen zufallen, passiert es endlich: Ich h?re etwas hinter dem alten Schuppen rumpeln. Irgendjemand hat die T?r ge?ffnet. Schritte – dann sehe ich zwei Gestalten mit Leiter und Mistgabel auf das Schloss zuhuschen. Und ich habe richtig geschnuppert: Die Umrisse sind eindeutig menschlich, obwohl beide Gestalten weite Umh?nge mit Kapuzen tragen. Die Bewegungen kommen mir bekannt vor, als h?tte ich sie schon einmal gesehen.

Die beiden n?hern sich, ich dr?cke mich in den Schatten der Hauswand. Jetzt lehnt der eine die Leiter ans Fenster, und mit einem Mal scheint ihm der Mond, gespiegelt durch das Fenster, genau ins Gesicht. Wie gruselig! Es ist der Totenkopf! Ich reisse mich zusammen, um nicht wieder zu kl?ffen. F?r dieses Aussehen muss es eine ganz einfache Erkl?rung geben, denn Menschen sehen im Normalfall nicht so aus, und dieser Kollege riecht eindeutig wie ein normaler Mensch. Kein Grund zur Panik, Herkules! Aber mulmig ist mir trotzdem.

Totenkopf steigt auf die Leiter, der andere reicht ihm die Mistgabel– und nun beginnt das gleiche Spektakel wie gestern Abend, nur dass ich diesmal auf der anderen Seite des Fensters stehe. Erst kratzt Totenkopf mit der Gabel ein wenig an der Fensterscheibe, dann f?ngt er an zu heulen. Das ist mein Einsatz! Ich komme aus der Deckung, mache einen Satz auf die beiden Unholde zu und schnappe nach dem Erstbesten, was mir vor den Fang kommt. Offenbar eine menschliche Wade, denn jetzt heult nicht nur der Totenkopf, sondern auch sein Kumpan.

»Aua! Verdammt, was ist das?«

Ich h?pfe hinterher, um ihn nicht entkommen zu lassen. Dabei knurre und belle ich laut und springe an ihm hoch.

»He, lass los!« Totenkopf h?pft von der Leiter und versucht, nach mir zu greifen, aber ich bin schneller und springe einen Meter zur?ck. Die beiden Kapuzenm?nner stehen jetzt zwischen mir und dem Haus, mit dem R?cken zur Wand. In diesem Moment geht die Aussenbeleuchtung ?ber dem Seiteneingang an.

»Los, lass uns abhauen, sonst kriegen wir richtig ?rger!«

Das k?nnte euch so passen! Ich belle weiter so laut und furchteinfl?ssend, wie ich nur kann. Dabei springe ich vor den beiden auf und ab und dr?cke sie f?rmlich gegen die Wand.

»Nun lauf doch!«, ruft Totenkopfs Helfer, ohne allerdings selbst loszurennen.

»Ich trau mich nicht an dem Hund vorbei! Vielleicht hat der ja Tollwut. Und wenn wir rennen, beisst er garantiert nochmal.«

Richtig, mein Freund. Volle Punktzahl– genau das w?rde ich tun. Bevor es aber dazu kommt, biegt Gero von Eschersbach um die Ecke. Auch er hatte offenbar auf das Monster gewartet, jedenfalls hat er eine Taschenlampe in der Hand und leuchtet die beiden Gestalten an.

»Aha, ich dachte mir doch, dass wir heute Nacht wieder Besuch bekommen. Und nun lasst mich mal raten, wer unsere G?ste sind. So, Carl-Leopold, nun ist gut. Aus und sitz.«

Ich gebe den perfekt dressierten Dackel und tue, wie mir geheissen. Gero geht an mir vorbei und zieht Totenkopf und seinem Freund die Kapuzen von den K?pfen, und Totenkopf das b?se Gesicht gleich mit: Es ist eine Maske! Zum Vorschein kommen …

»Lasse und Max! Also wirklich! Sch?mt euch!«

Die beiden Jungs gucken schuldbewusst zu Boden.

»Was f?llt euch ein, diese kleinen M?dchen so zu erschrecken? Ich glaube, ihr habt sie nicht mehr alle. Ich dachte, ihr wolltet Corinna bei dem Ponywochenende helfen? Also, wenn die Hilfe so aussieht, dann vielen Dank!«

Nun kommen auch Corinna und die M?dchen zu uns nach draussen.

Corinna sch?ttelt den Kopf. »Ich bin wirklich ziemlich entt?uscht von euch. Wie seid ihr auf so eine Idee gekommen? Die M?dchen hatten Todesangst.«

Lasse r?uspert sich. »Na ja, wir wollten ja auch helfen. Aber dann waren die M?dchen gleich so doof zu uns. Besonders die da!« Er zeigt auf Lena. »Da haben wir uns ?berlegt, denen mal richtig Dampf zu machen. Wir dachten, dann freuen die sich vielleicht ?ber uns als Besch?tzer und sind ein bisschen netter zu uns.«

Gero sch?ttelt den Kopf. »Tja, da habt ihr aber offensichtlich die Rechnung ohne den Hund gemacht. Denn wenn wir hier schon von Besch?tzern reden – Carl-Leopold hat sich heute als Ia-Schutzhund erwiesen.Stellen und verbellen. Besser kann man es nicht machen.«

Luisa kommt zu mir und nimmt mich auf den Arm.»Mein lieber Herkules! So ein toller Hund! Du bist wirklich ein Held. Vielleicht von aussen nicht der Gr?sste, aber von innen bist du mindestens ein Sch?ferhund. Mindestens!«

Jetzt tritt Lena neben sie.»Du hast Recht, Luisa. Dein Hund ist wirklich ein Held. Es ist gut, dass er dabei war. Vielleicht bringst du ihn zum n?chsten Treffen vom Tussi-Club mal mit? Wir h?tten euch beide sehr gerne als Mitglieder.«

Luisa macht einen kleinen Freudensprung und dr?ckt mich noch fester. Dann fl?stert sie in mein Ohr: »Mein Heldendackel, vielen Dank f?r alles.«

Ich, ein Held? Und Mitglied in einem exklusiven Club? Ich sp?re, wie ich tats?chlich ein paar Zentimeter wachse. Und in diesem Moment kommt mir eine geniale Idee.

EINUNDZWANZIG

Stellen und verbellen? Und das ist dein toller Plan? Also, vielleicht bin ich etwas begriffsstutzig, aber ich kapiere echt nicht, was du meinst.«

Gut, ich kann und will Herrn Beck nicht vorwerfen, dass er keine Schutzhundausbildung hat. Aber dass er so wenig Phantasie aufbringt und sich nicht vorstellen kann, wie mich diese Strategie ans Ziel meiner Tr?ume bringt, ist schon ein wenig entt?uschend. Vielleicht liegt es aber auch an der grossen Hitze, die momentan herrscht. Selbst hier, im Schatten des grossen Baumes im Garten hinter der Werkstatt, ist es kaum auszuhalten. Das schl?gt mit Sicherheit aufs Hirn. Dann muss ich wohl ein wenig weiterausholen.

»Also: Ich habe es dir doch erkl?rt. Von dem Moment an, in dem ich die beiden B?sewichte gestellt und verbellt hatte, war ich f?r die M?dchen ein Held. Und: Ich wurde sofort in diesen exklusiven Club aufgenommen. Genauer gesagt wurde Luisa dort aufgenommen, aber das lag an mir. Was lehrt uns das? Wenn du ein Held bist, hast du bei einer Frau den Universalzugang: in ihren Club, in ihre Arme, in ihr Herz!«

»Ja, und? Das ist doch nun wirklich keine neue Erkenntnis. « Herr Beck guckt gelangweilt und streicht mit der Tatze an seinen Barthaaren entlang.

»Nat?rlich ist das eine neue Erkenntnis! Begreifst du denn nicht? Ich muss den B?sewicht stellen, dann habe ich eine Chance bei Cherie.«

»Welchen B?sewicht?«

»Sag mal, Herr Beck, hast du mir in den letzten Wochen eigentlich jemals richtig zugeh?rt? Ich habe dir doch alles haarklein erz?hlt. Von Cheries Unfall, dass der Typ mit dem Fahrrad einfach abgehauen ist, dass sie manchmal noch davon tr?umt und dass ihr Frauchen traurig ist, weil sie Marcs Rechnung nicht bezahlen konnte.«

»Stimmt. Das kommt mir jetzt irgendwie bekannt vor.«

»So, und dieser Fahrradfahrer ist mein Mann. Ich finde ihn, bringe ihn zur Strecke – und Cherie verliebt sich unsterblich in mich.«

Triumphierend schaue ich Herrn Beck an, aber in seinen Augen lese ich Zweifel.

»Also, mal ganz abgesehen davon, dass das nat?rlich ein Spitzenplan ist: Wie genau willst du denn den Typen finden? Wie du vielleicht schon bemerkt hast, ist der ein oder andere Fahrradfahrer hier in der Gegend unterwegs. Das stelle ich mir nun also gar nicht so leicht vor.«

»Hm. Dar?ber habe ich mir noch nicht so viele Gedanken gemacht. Aber am Wochenende auf Schloss Eschersbach war das jedenfalls ganz einfach.«

»Na ja, da sind die T?ter aber auch zum Tatort zur?ckgekehrt. So leicht wirst du es diesmal nicht haben.«

Stimmt. Der Kater hat Recht. In meiner Euphorie habe ich diesen Punkt nicht bedacht. Ich lasse die Ohren h?ngen.

»Aber m?glicherweise kann ich dir mit ein wenig meines neu erworbenen Wissens helfen. Um deinem Plan zum Erfolg zu verhelfen, brauchst du als Erstes ein T?terprofil.«

»Ein T?terprofil?«, echoe ich.

»Ja. Damit du weisst, nach wem du suchst, musst du m?glichst viel ?ber den Typen herausfinden. Zum Beispiel durch Spurensicherung vor Ort und Zeugenbefragung.«

»Woher hast du denn das jetzt? Ich denke, dein altes Herrchen war Anwalt, nicht Polizist. Und bei Frau Wiese hattest du damit doch auch nichts zu tun.«

Herr Beck nickt.»Deshalb sage ich doch auchneu erworbenes Wissen. Seitdem ich mit Nina zusammenlebe, habe ich schon jede Menge Fernsehen mit ihr geguckt. Ihre Lieblingssendungen sind dabei die sogenannten Krimis. Da f?ngt die Polizei mit sch?ner Regelm?ssigkeit Verbrecher, und dabei geht sie ungef?hr so vor, wie ich dir das gerade erkl?rt habe.«

»Ich weiss nicht. Nur weil du irgendwas im Fernsehen gesehen hast, muss das noch nicht so funktionieren. Immerhin wird Fernsehen f?r Menschen gemacht, nicht f?r Kater. Vielleicht hast du das auch falsch verstanden.«

»Wenn du eine bessere Idee hast, wie du den Kerl findest – bitte sehr, ich will mich nicht aufdr?ngen.«

»Entschuldigung. Du hast Recht. Ich habe auch keine bessere Idee. Zeugenbefragung – damit k?nnte ich doch beginnen. Wenn ich Cherie das n?chste Mal sehe, frage ich sie, ob ihr an dem Mann irgendetwas aufgefallen ist.«

»Genau. Mach das. Und sei gr?ndlich, noch das kleinste Detail kann …«

»Herkules! Komm mal rein!« Carolin hat die Terrassent?r ge?ffnet und ruft nach mir.

»Ich muss los, Kumpel. Bis demn?chst!«

»Ja. Und denk dran: Jedes Detail kann wichtig sein!«

Ich laufe zu Carolin und springe die Stufen zur Werkstatt hinunter.

»Da bist du ja schon. Braver Hund! Wir fahren kurz mit Nina zur Uniklinik. Ich habe versprochen, ihr mit dieser riesigen Kaffeemaschine zu helfen. Also komm!«

Typisch! Ich muss mit, und der Kater darf dableiben. Wieso meinen Menschen eigentlich immer, sie k?nnten einen Hund nicht allein im Garten lassen, eine Katze aber schon? Ich w?rde schon nicht abhauen. Gut, m?glicherweise w?rde ich kurz mal im Park nach den Kaninchen schauen, aber ich k?me wieder, versprochen!

Nina wartet im Treppenhaus, neben ihr ein riesiger Karton. Da muss die Kaffeemaschine drin sein, keine Frage. Caro packt mit an, unter?chzen und St?hnen schleppen die beiden das Ding aus dem Haus. Sieht ziemlich anstrengend aus, jetzt w?re ein Mann doch gar nicht schlecht. Von mir aus auch dieser Alexander aus dem zweiten Stock. Selbst wenn er Nina zu jung ist – zum Schleppen k?me er gerade recht. Aber wie sagte der alte von Eschersbach immer?Wer nicht will, der hat schon. Dann eben kein Mann f?r Nina. Die beiden Damen hieven den Karton schliesslich in Marcs Auto, das Caro heute wohl extra f?r den Transport mitgenommen hat. Klar, mit dem Fahrrad w?re es auch schwierig geworden.

Bei der Klinik angekommen, wuchten Nina und Carolin den Karton wieder aus dem Auto raus. Gott sei Dank parkt Caro direkt vor dem Geb?ude, in dem Ninas B?ro zu sein scheint, auf alle F?lle steuern wir die T?r des Rotklinkers gleich neben dem Parkplatz an.

»Wir m?ssen in den ersten Stock, dann haben wir es geschafft.«

»Dass du dir aber auch gerade so einen heissen Tag aussuchen musst, um das Ding in dein B?ro zu bringen. Puh!«

Caro und Nina rinnt der Schweiss, da kommt endlich jemand, um ihnen seine Hilfe anzubieten. Ein ?lterer Herr mit weissen Haaren, nicht besonders gross, aber recht kr?ftig gebaut.

»Hallo, Frau Dr. Bogner, was schleppen Sie denn da durch die Gegend?«

»Guten Tag, Herr Professor Sommer. Das ist meine neue Kaffeemaschine.«

»Warten Sie, ich helfe Ihnen.«

»Danke, das ist nett. Ich dachte, wo sich doch die neue Arbeitsgruppe in Zukunft ?fter bei mir treffen wird, w?re das bestimmt eine lohnende Investition in eine gute Arbeitsatmosph?re.«

Ninas B?ro ist nicht besonders gross, aber immerhin gibt es neben ihrem Schreibtisch noch einen weiteren Tisch mit ein paar St?hlen. Hinter dem Schreibtisch steht ein kleines Schr?nkchen, dort platziert der freiwillige Helfer den Karton. Dann wischt er sich den Schweiss von der Stirn.

»Sehr heiss heute, wirklich. Da w?rde ein kaltes Wasser wahrscheinlich besser passen als ein Kaffee. Die Idee ist nat?rlich trotzdem gut. Ich freue mich, dass Sie die neue Aufgabe so dynamisch angehen. Und apropos: Ich habe heute auch schon einen sehr engagierten Assistenten f?r Sie eingestellt. Also, eigentlich f?r mich, aber mit der andern H?lfte seiner Stelle wird er Sie unterst?tzen.«

»Oh, das ist ja toll«, freut sich Nina, »ich dachte, wir h?tten unser Personalbudget schon ?berzogen.«

Sommer nickt.

»Ja, das stimmt. Aber es handelt sich um einen meiner neuen Doktoranden. Bekommt ein Stipendium, kostet uns also nichts. Mediziner, sehr motiviert. Und er wollte unbedingt zu Ihnen.«

»Ach ja?«

»Er schien Sie zu kennen. Vielleicht hatte er als Student mit Ihnen zu tun? Vorklinik oder so? Jedenfalls war er ausgezeichnet ?ber die Arbeitsgruppe informiert, da haben wir bestimmt einen guten Fang gemacht.«

»Interessant. Wie heisst der junge Mann denn?«

»Tja, Frau Bogner. Ich und Namen, nicht? Aber ich gucke es gleich nach, wenn ich wieder im B?ro bin, versprochen. Dann rufe ich Sie an.«

»Eilt ja nicht. Aber eine Weile bin ich noch da. Wir versuchen gleich mal, die Maschine zum Laufen zu kriegen.«

Sommer verl?sst das Zimmer, und Nina und Carolin heben den Kaffeeautomaten aus dem Karton und stellen ihn wieder auf das Schr?nkchen. Den Stecker l?sst Nina in einer Dose dahinter verschwinden, dann klappt sie die Maschine auf und zieht eine Art kleinen Eimer heraus.

»Jetzt noch Wasser in den Tank – und schon k?nnen wir mit unserem ersten Cappuccino anstossen.«

Gesagt, getan– kurz darauf halten beide eine Tasse in der Hand, die nach Kaffee duftet und ein H?ubchen aus Milch tr?gt. Riecht ganz angenehm, ist aber wahrscheinlich nichts, was mir schmecken w?rde. Nina und Caro prosten sich zu.

»Auf gutes Gelingen in deiner neuen Arbeitsgruppe!«

»Danke!«

Das Telefon auf Ninas Schreibtisch klingelt, sie hebt den H?rer ab.

»Ja? Hallo, Herr Professor Sommer! Genau. Wie heisst er denn nun?« Sie horcht in den H?rer. »Aha. Klein. Ist ja ein Allerweltsname. Hm. Ja, schauen Sie mal.«

Einen Moment sagt Nina nichts, sie scheint darauf zu warten, dass Sommer noch etwas f?r sie heraussucht. Dann reisst sie die Augen auf – und l?sst die Tasse, die sie noch in der anderen Hand h?lt, auf den Boden fallen!

Im Auto kann sich Nina gar nicht wieder beruhigen.»Das gibt’s doch wohl nicht! Alexander Klein! Was f?llt dem ein? So was nennt man Stalking!«

»Vielleicht ist es ja ein anderer Alexander Klein«, wirft Carolin vorsichtig ein, »so selten ist der Name nun auch wieder nicht.«

Nina schnaubt w?tend. »Das glaubst du doch wohl selbst nicht! So viele Zuf?lle gibt’s gar nicht. Und vom Alter kommt es hin.«

»Ist dein Nachbar denn auch Medizinstudent?«

»Woher soll ich denn das wissen?«

»Na, aus den wertvollen und tiefsinnigen Gespr?chen, die ihr gef?hrt habt, bevor ihr miteinander geschlafen habt.« Caro grinst. Ich kann es von meinem Platz im Fussraum der Beifahrerseite zwar nicht sehen, aber am Ton ihrer Stimme erkenne ich es genau.

»Ha ha, sehr witzig. Wir hatten Sex, na und? Kein Grund, mich jetzt zu verfolgen.«

»Aber auch kein Grund, ihn komplett zu ignorieren. Ich hab’s dir gleich gesagt – vielleicht ist er ein bisschen verliebt in dich. Ist ja nicht strafbar. Und auch nicht so schwer zu verstehen.«

Nina sagt daraufhin nichts mehr und schweigt, bis wir wieder zu Hause angekommen sind. Dort verabschiedet sich Nina von uns und geht gleich nach oben in ihre Wohnung, Carolin und ich gehen in die Werkstatt. Sie legt ihre Handtasche auf die Kommode im Flur, dann schaut sie zu Daniel ins Zimmer.

»Ich bin wieder da!«

»Alles klar. Ich habe mir gerade einen Kaffee gekocht. M?chtest du auch einen?« Daniel guckt von seiner Werkbank hoch.

»Danke, ich habe eben einen Cappuccino mit Nina getrunken. Das heisst, ich habe meinen getrunken, sie hat ihren fallen lassen, als sie geh?rt hat, dass ihr neuer Nachbar auch gleichzeitig ihr neuer Assistent ist.«

»Echt? So schlimm? Oder so toll?«

Caro verzieht den Mund und wiegt den Kopf hin und her.»Ich w?rde denken: Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.«

»Klingt geheimnisvoll.«

»Sagen wir mal so: Nina hatte einen heftigen Flirt mit dem Kerl und behauptet nun, er w?rde sie nerven und sei nicht ihr Typ. Aber ich kenne meine Freundin: raue Schale, weicher Kern. Wenn sie so heftig auf ihn reagiert, hat er irgendwas, was sie eigentlich gut findet, aber nicht zugeben will. Weisst du, bloss nicht uncool werden – das ist doch Ninas Motto. Da wird sie gerne mal zum Gefrierschrank, obwohl sie jemanden mag. Oder vielleicht gerade deswegen.«

»Och, bei Marc war sie doch damals alles andere als frostig. «

»Ich weiss. Und ich glaube, das hat sie ihm bis heute nicht verziehen. Dass er sie aufgetaut hat.«

Daniel hebt die H?nde. »Also, da halte ich mich raus. Ich bin mit meiner eigenen schwierigen Freundin schon v?llig ausgelastet.«

»Echt? So schlimm?«

»Na ja. Einfach ist Aurora nicht.«

Beide lachen.

»Was h?ltst du denn davon, heute Abend mal mit einer pflegeleichten Frau ein Bierchen trinken zu gehen?«

»Eine Superidee. Bloss – wo soll ich die so schnell kennenlernen? Ich meine, ich muss hier noch arbeiten, und dann …«

»He!« Caro knufft Daniel in die Seite. »Nun mal nicht frech werden! Also, wie schaut es aus?«

»Heute Abend? Gerne. Wo?«

»Ich ?berlege mir noch was. Jetzt fahr ich erst mal los, zwei Geigen ausliefern, und anschliessend nach Hause. Bei dem sch?nen Wetter hat sich Herkules einen etwas l?ngeren Spaziergang verdient. Ich melde mich dann sp?ter bei dir.«

Es ist perfekt! Die Alster glitzert in der Nachmittagssonne, Carolin ist gut gelaunt, und endlich laufe ich mit ihr wieder eine richtig lange Runde. Klar, im Park hinter der Werkstatt geht sie oft mit mir spazieren, aber das ist nat?rlich nicht das Gleiche. Dort ist alles viel kleiner, und ausserdem kenne ich den Park mittlerweile in-und auswendig.

Der Ausflug an die Alster hat allerdings noch einen anderen unschlagbaren Vorteil: Wenn es irgendwo die Chance gibt, Cherie zu begegnen, dann hier. Und dann k?nnte ich gleich mal mit der Zeugenbefragung beginnen. Am besten lotse ich Carolin zur Hundewiese, da k?nnten wir Gl?ck haben.

Aber sosehr ich an der Leine auch in Richtung Wiese zerre, Carolin will sich erst mal ein Eis holen. Na gut, wenn es denn unbedingt sein muss! Gelangweilt warte ich, dass der Eismann ihr das H?rnchen in die Hand dr?ckt. So, nun aber los! Ich drehe mich um, will losrennen, und stolpere direkt in: Cherie!

»Hallo, Cherie! Das ist ja ein Zufall!«

Cherie legt den Kopf schief und mustert mich.»Findest du? Es ist sch?nes Wetter, es ist heiss – da ist doch der Weg zur Eisdiele an der Alster naheliegend. Jedenfalls, wenn man hier wohnt und sowieso mit dem Hund rausmuss.«

Hach, messerscharf, der Verstand dieser Frau. Sie ist eben nicht nur sch?n, sie ist auch noch schlau.

»Okay, du hast Recht. Vermutlich kann man heute noch viele Menschen und Hunde hier treffen, die man kennt. Aber gut, dass ich dich sehe. Ich wollte dich sowieso etwas fragen.«

»Dann schiess los. Die Gelegenheit ist g?nstig: Unsere beiden Frauchen haben sich gerade verquatscht.«

So ist es: Carolin und Claudia Serwe stehen ganz entspannt mit ihrem Eis in der Hand da und plaudern miteinander. Also, los geht’s mit meiner Zeugenbefragung: »Sag mal, der Typ, der dich umgefahren hat: Ist dir an dem irgendwas aufgefallen?«

Cherie sch?ttelt den Kopf. »Nein, daf?r ging es viel zu schnell.«

Hm, das ist nat?rlich nicht besonders ergiebig. Aber – nicht so schnell aufgeben, Herkules!

»Denk doch noch mal nach. Vielleicht irgendeine Kleinigkeit? Jedes Detail ist wichtig.«

»Wieso willst du denn das noch wissen? Der Typ ist doch sowieso ?ber alle Berge.«

Ich ignoriere diesen v?llig berechtigten Einwand. »Bitte, Cherie, denk nach!«

»Okay. Mal sehen. Also: Er hatte eine grosse Tasche mit Riemen ?ber seiner Schulter, die Tasche selbst hing hinten auf seinem R?cken. Und ich glaube, die war schwarz.«

»Das ist doch schon mal nicht schlecht.«

»Ich habe auch kurz seine Stimme geh?rt – er hatHoppla gerufen, als er mich fast?berfahren hat. Die klang jung, ziemlich jung. Ein junger Mann, kein alter.«

»Super, das ist gut!«

»Und dann«, Cherie scheint in ihrem Ged?chtnis zu kramen, »dann wehte noch ein Geruch hinter ihm her. Er roch irgendwie … irgendwie nach … Kaugummi oder so was.«

»Kaugummi?«

»Nein! Jetzt hab ich’s: Er roch nach Pfefferminz. Genau. Er roch nach Pfefferminz. Das war’s!«

Fahrradfahrer. Jung. Grosse Tasche. Pfefferminz. Hier in der Gegend unterwegs. Langsam beginnt es in meinem Kopf zu rattern. Langsam, aber unaufh?rlich.

ZWEIUNDZWANZIG

Dieser Schrank muss magische Kr?fte besitzen. Denn er hat eindeutig Macht ?ber Menschen. Leider nutzt er diese Macht nicht, um Gutes zu bewirken. Im Gegenteil: Schon zum zweiten Mal l?st der Kleiderschrank einen handfesten Streit zwischen Carolin und Marc aus. Wie macht er das bloss?

Ich sitze neben dem T?rrahmen zum Schlafzimmer und versuche zu verstehen, worum es bei dem Streit geht. Irgendwie um W?sche. Und wer die wohin gelegt hat, in besagtem Schrank. Es fing erst ganz harmlos an: Carolin wollte sich f?r ihr Treffen mit Daniel umziehen und hat eine bestimmte Sache nicht gefunden. Und jetzt ist sie richtig sauer auf Marc. Dabei hat der gar nichts gemacht, sondern seine Mutter. Marc wiederum ist nicht sauer, sondern klingt eher verzweifelt.

»Carolin, ich bitte dich – meine Mutter wollte sich doch nur n?tzlich machen. Ich verstehe nicht, was daran so schlimm ist.«

»Das verstehst du nicht? Ich will nicht, dass deine Mutter in meiner Unterw?sche rumw?hlt. So einfach ist das.«

»Sie hat doch nicht darin rumgew?hlt. Sie hat lediglich unseren Kleiderschrank etwas umorganisiert.«

Caro schnappt nach Luft, Marc guckt sehr ungl?cklich – und mir leuchtet der Grund f?r diesen Streit immer noch nicht ein. Also, ausser der Tatsache, dass der Kleiderschrank hier seine unheilvolle Macht entfaltet. Daran muss es liegen. Gut, ich selbst trage weder Unter-noch Oberw?sche, aber ich glaube, w?rde ich welche tragen, w?re esmir ziemlich egal, ob diese nun links oder rechts im Schrank liegt. Oder nicht? Ich schleiche mich n?her an den Schrank heran und schn?ffele, ob ich irgendwelche weiteren Indizien f?r die B?sartigkeit dieses M?belst?cks finde.

»Umorganisiert? Was f?llt dieser Frau ein? Dieser Schrank ist meine Intimsph?re. Ich bin eine erwachsene Frau, kein Teenager, dem Mutti die W?sche machen muss. Und du bist ?brigens auch ein erwachsener Mann!«

Der Schrank istwas? Caros Intimsph?re? Was bedeutet das? Ob es auch etwas mit dem Revierverhalten zu tun hat, das Marc bei unserem Einzug in Sachen Kleiderschrank an den Tag gelegt hat? Das w?rde nat?rlich erkl?ren, warum Caro nun so genervt reagiert. Mit dem Sortieren der W?sche h?tte Oma Wagner dann quasi ihr Beinchen gehoben. Im Schlafzimmer. So geht’s nat?rlich nicht. Der Kleiderschrank w?re dann doch nicht magisch, sondern unschuldig. Aber warum versteht Marc das nicht?

»Caro, ich habe eigentlich keine Lust, mich jeden Tag mit dir ?ber meine Mutter zu streiten.«

»Ja, glaubst du etwa, ich?«

»Nein, nat?rlich nicht. Aber ohne Sprechstundenhilfe kann ich nun mal nicht arbeiten. Frau Warnke ist von einem auf den anderen Tag ausgefallen, und die L?sung mit meiner Mutter war die einfachste.«

»Genau. F?r dich. F?r mich ist es mittlerweile eine ?tzende Situation. Sie mischt sich ?berall ein, sie kritisiert mich, wo sie nur kann – und nun macht sie auch noch unsere W?sche. Nee, wirklich, Marc, so habe ich mir das Zusammenleben mit dir nicht vorgestellt. Und wenn du das nicht kapierst, dann tut’s mir leid.«

»Aber, Caro, lass uns doch bitte in Ruhe dar?ber reden! Ich bin auch nicht gl?cklich mit der Situation.«

»Nixaber Caro. Ich ziehe mich jetzt um und gehe mit Daniel ein Bier trinken. Du kannst dir gerne allein Gedanken?ber die Situation machen. F?r heute habe ich die Nase voll. Komm, Herkules, du kannst mich begleiten, ich gehe zu Fuss.«

Wir landen– mal wieder – im Violetta. Offenbar kann man hier nicht nur ganz hervorragend Kaffee und Prosecco trinken, sondern auch Bier. Jedenfalls bestellt sich Caro gleich eins, kaum dass wir angekommen sind und ohne auf Daniel zu warten. Mit finsterer Miene trinkt sie es ziemlich schnell aus und bestellt sich sofort noch ein zweites. Als die Kellnerin es bringt, ist Caros Laune schon auf wundersame Weise besser geworden. Ob Bier gut f?rs Gem?t ist? Ich hoffe es sehr – nicht, dass sich Caro gleich auch noch mit Daniel streitet.

Der kommt jetzt geradewegs auf unseren Tisch zu und strahlt Carolin an.

»Hallo, Caro!« Dann guckt er nach unten. »Und hallo, Herkules, mein Freund.« Ich wedele mit dem Schwanz. »Was f?r ein netter Empfang, vielen Dank!« Er wendet sich wieder an Carolin. »Gut schaust du aus, hast du dich extra f?r mich noch umgezogen?«

Um Caros Mundwinkel zuckt es, aber sie sagt nichts weiter dazu. Offenbar will sie nicht von dem Streit mit Marc erz?hlen.

»Willst du auch ein Bier? Ich habe mir eben schon eins bestellt, ich hatte so Durst.«

»Ja, klar. F?r mich auch eins.« Sie winken der Kellnerin zu, und Daniel h?lt Caros Glas in die H?he. Die Kellnerin nickt und verschwindet.

»Bist du mit dem zweiten Cello fertig geworden?«, will Caro von Daniel wissen.

»Ja. Jedenfalls fast. Die Grundierung habe ich schon, es fehlt nur noch der Lack. Ein wundersch?nes Instrument. ?berhaupt ist die ganze Sammlung toll. Ich bin echt froh, dass du mich gefragt hast.«

Caro l?chelt ihn an. »Ich hoffe doch, du bist nicht nur wegen der Sammlung froh.«

»Nein. Nat?rlich nicht. Das Sch?nste ist, wieder mit dir zusammenzuarbeiten. Auch wenn es nur f?r einen begrenzten Zeitraum ist.«

Eine Weile schweigen beide. Die Kellnerin bringt Daniels Bier und stellt es vor ihn auf den Tisch.

»Prost! Auf unsere gemeinsame Zeit!«

»Ja, Prost! Und nochmal herzlich Willkommen in Hamburg. «

Sie trinken ein paar Schlucke und stellen die Gl?ser wieder ab.

»Wie l?uft es eigentlich so in M?nchen?«, erkundigt sich Carolin.

»Och, ganz gut. Meine Werkstatt da ist nat?rlich viel kleiner als deine hier. Aber weil ich Aurora auf fast jeder Konzertreise begleite, bin ich auch viel zu selten da, um mehr zu machen. Na ja, ich bin jetzt quasi Teilzeit-Handwerker.« Er lacht, aber es klingt nicht fr?hlich.

»Und du bekommst viel zu sehen von der Welt.«

»Ja. Flugh?fen, Hotels und Konzerthallen.« Jetzt lacht Daniel nicht einmal mehr unfr?hlich. Caro schaut ihn erstaunt an.

»Aber – mit dir und Aurora ist noch alles in Ordnung, oder?«

»Ja, ja«, beeilt Daniel sich zu sagen, »alles in Ordnung. Aber es ist eben auch ein anstrengender Lebensstil, und Aurora ist keine einfache Frau. Du kennst sie ja.«

»Hm, ich glaube, ich weiss was du meinst. Trotzdem – irgendwie passt ihr gut zusammen.«

Daniel schaut Caro nachdenklich an, sagt aber erst einmal nichts, sondern nippt an seinem Bier.

»Und bei dir und dem Tierarzt«, will er dann doch wissen, »alles gut?«

»Ja. Alles gut. Oder: fast alles.«

»Fast alles? Ich dachte, ihr seid Mr und Mrs Happy.«

»Waren wir auch. Aber seit ein paar Wochen arbeitet seine Mutter als Krankheitsvertretung f?r die Sprechstundenhilfe in seiner Praxis – und die macht mich echt wahnsinnig.«

»Echt? Aber du bist doch w?hrend der Sprechzeiten gar nicht da.«

»Richtig. Aber ihr Engagement beschr?nkt sich leider nicht darauf, Marc zu assistieren, sondern sie scheint auch noch f?r den TitelSuperhausfrau des Jahres zu kandidieren. Bleibt auch nach Sprechstundenende, kocht abends warm, macht mit Marcs Tochter die Hausaufgaben und hat st?ndig Verbesserungsvorschl?ge f?r mein Leben an der Seite ihres tollen Sohnes.«

»Hoppla! Kann es sein, dass sich da ein bisschen Frust angesammelt hat?«

»Also, wie w?rde es dir denn gehen, wenn du nicht nur mit Aurora, sondern auch noch mit Auroras Mutter zusammenleben m?sstest?«

Daniel verdreht die Augen.»Ich mag es mir gar nicht vorstellen! Aber was sagt denn Marc dazu? Ihn muss das doch auch nerven.«

»Ach, der tut so, als sei alles gar nicht so schlimm. Heute zum Beispiel: Seine Mutter hat es tats?chlich fertiggebracht,unseren Kleiderschrank umzusortieren. Mitmeiner W?sche. Ungefragt. Ich bin explodiert – und was sagt er?Sie wollte doch nur helfen.« Carolin sch?ttelt den Kopf.

»Okay, dann musst du wohl mal ein ernsteres Gespr?ch mit ihm f?hren.«

»Ja, du hast Recht. Das habe ich bisher noch nicht gemacht. Werde ich mal nachholen. Denn ansonsten ist es sehr sch?n, mit ihm zusammenzuwohnen. Auch mit Luisa, seiner Tochter, klappt es prima.«

»Na, also! Klingt doch gut. Dann war es ja die richtige Entscheidung, ihn zu nehmen – und nicht mich.«

Oh, oh– bahnt sich hier das n?chste Krisengespr?ch an? Ich robbe ein St?ck n?her an Daniel heran, um sein Gesicht betrachten zu k?nnen. Aber Entwarnung: Er grinst. Und auch Caro l?chelt.

»Ja, das war auf alle F?lle richtig. Und mit Marc habe ich ja nicht nurtwo for the price of one– nein, es sind eherthree oder auchfour.«

»Echt?« Daniel scheint diese Bemerkung genauso wenig zu kapieren wie ich. »Two ist klar– er hat ja das Kind. Und auchthree verstehe ich noch, wenn die Mutter st?ndig bei euch rumh?ngt. Aber wer bitte istnumber four?

»Oh, in letzter Zeit schaut auch hin und wieder die Exfrau vorbei.«

»Na, bravo. Damit h?tte ich nun wirklich nicht mithalten k?nnen.«

»Das kannst du laut sagen. Da habe ich mir ein echtes Spitzenpaket geschn?rt.«

Erst lachen beide, dann wird Daniel wieder ernst.»Ab und zu denke ich schon dar?ber nach, warum es mit uns nicht geklappt hat. Ich habe mir das damals sehr gew?nscht.«

Caro greift?ber den Tisch, nimmt Daniels Hand und dr?ckt sie. »Ich weiss. Und ob du es glaubst oder nicht: Ich habe es mir auch gew?nscht. Aber wahrscheinlich kannten wir uns einfach zu gut.«

Jetzt nimmt Daniel Carolins zweite Hand, und von meinem Blickwinkel sieht es so aus, als w?rde er mit seinen H?nden die ihren streicheln. Vielleicht bilde ich mir das aber auch nur ein. Auf alle F?lle sieht es sehr vertraut aus und – z?rtlich. Ob Marc dieses Bild gefallen w?rde, wenn er die beiden jetzt sehen k?nnte? Und m?sste ich in diesem Moment nicht eigentlich genauso einschreiten wie bei Marc und Sabine? Andererseits – Sabine war mir gleich unsympathisch, Daniel dagegen sofort mein Freund. Und wahrscheinlich gibt es Dinge, die kl?ren M?nner und Frauen lieber unter sich. Ohne die Einmischung eines Dackels.

»Also, die Befragung der Zeugin hat folgendes T?terprofil ergeben: Der Gesuchte ist ein junger Mann mit grosser Tasche, Fahrrad und rasantem Fahrstil. Des Weiteren riecht er nach Pfefferminz und h?lt sich im Grossraum Alster auf.« Herr Beck wiederholt noch einmal mit wichtiger Miene, was ich ihm soeben ?ber mein Gespr?ch mit Cherie berichtet habe. »Ein Fahrradkurier. Sehr selten in dieser Stadt. Ich w?rde sagen, der Typ ist so gut wie gefunden.«

Wenn dieser fette Kater h?misch grinsen k?nnte, w?rde er es nun mit Sicherheit tun. Aber ich habe noch ein Ass im ?rmel, von dem er nichts ahnt.

»Tja, mein Lieber, das w?rde ich auch sagen. Denn ich bin selbst Zeuge. Ich habe die Zielperson schon selbst gesehen.« Ha! Das hat gesessen, Herr Beck guckt ganz sch?n doof aus der W?sche. Kein Wunder. Gerade auf meinen letzten Satz bin ich besonders stolz. Der bl?de Kater ist n?mlich beileibe nicht das einzige Haustier, das schon einmal einen Krimi im Fernsehen geguckt hat. Und bevor ich Herrn Beck ?ber die neueste Entwicklung mit Cherie informiert habe, habe ich nochmal ganz tief in meinem Erinnerungsschatz an gemeinsame Fernsehabende mit Carolin gegraben.Zielperson. Ich bin ein Superdackel.

»?h, du hast ihn schon mal gesehen?«

»Ja. Damals an der Alster. Als Carolin mit dem Fuss umgeknickt ist. Ein junger Mann hat ihr ins Caf? geholfen, sie konnte ja kaum noch laufen. Und auf diesen Herrn passt die Beschreibung perfekt. Er war auch genauso frech, wie man wahrscheinlich sein muss, um wehrlose Retrieverdamen umzufahren. Hat gleich an Carolin rumgegraben. Bei der hatte er nat?rlich keine Chance. Egal – ich bin mir sicher, das ist unser Mann.«

Herr Beck guckt sehr zweifelnd.»Ich weiss nicht. So sensationell einzigartig ist das T?terprofil nun auch wieder nicht. Das passt bestimmt auf ein paar mehr Leute.«

Der nun wieder! Immer diese negative Art! Aber davon lasse ich mich gar nicht ersch?ttern.

»Gut, es mag sein, dass ich falschliege. Aber was spricht dagegen, den Kerl zu suchen? Ich erkenne ihn bestimmt wieder. Und wenn wir ihn haben, organisieren wir eineGegen?berstellung .« Noch so ein tolles Wort. Und tats?chlich scheint Herr Beck nun ein bisschen beeindruckt. Jedenfalls murmelt erGegen?berstellung in seinen Schnurrbart und streicht sich mit einer Tatze?ber die Barthaare.

»Gut«, befindet Beck, als er sich genug um seinen Bart gek?mmert hat, »ich habe dir vom T?terprofil berichtet. Kommen wir nun zu etwas, das der Fachmann als Bewegungsprofil bezeichnet.« Mist. Beck trumpft wieder auf, und ich habe kein weiteres Fachwort, das ich noch verbraten k?nnte. Offenbar sieht er mir an, dass ich nicht weiss, was damit gemeint sein k?nnte, denn er setzt in sehr g?nnerhaftem Ton zu einer Erkl?rung an. »Unter dem Bewegungsprofil verstehen wir einen durch Datensammlung erstellten Datensatz, der es uns erm?glicht, die Bewegungen und damit auch die Aufenthaltsorte einer Person nachzuvollziehen und zu ?berwachen. Gerade bei einem Fahrradkurier ein wichtiges kriminalistisches Werkzeug.«

H?? Ich verstehe kein Wort. Datensatz? Datensammlung? Das kann sich Herr Beck unm?glich durch ein paar gemeinsame Fernsehstunden mit Nina angeeignet haben. Langsam werden mir Katzen unheimlich.

»Gut, dann jetzt mal f?r Hunde: Du hast ihn gesehen, Cherie hat ihn gesehen. Dann ?berlegen wir doch mal, wann und wo das jeweils war, und vielleicht haben wir so eine Chance herauszufinden, wo man ihn eventuell wiederfindet.«

»Ach so. Sag das doch gleich. Also ich habe ihn an der Alster getroffen, und Cherie wurde direkt vor der Haust?r ?berfahren. Das ist aber auch in der N?he der Alster. Insgesamt also alles nicht weit von hier.«

»Okay. Dann spricht doch einiges daf?r, dass dieser Kurier hier sein Revier hat. Viele Kunden, die an der Alster wohnen und von ihm regelm?ssig beliefert werden. Wenn wir uns also eine Zeitlang an den Hauptverkehrsadern hier in der Gegend tummeln, sollten wir ihn finden.«

Klingt einfach und logisch– hat aber einen entscheidenden Haken: Ich kann mich nicht einfach tummeln. Wenn ich mal verschwinde, wird gleich nach mir gefahndet. Herr Beck seufzt.

»Gut, dann m?ssen wir eben immer dann losziehen, wenn Carolin wirklich gut besch?ftigt ist und denkt, dass wir im Garten sind. Und hoffen, dass wir ein bisschen Gl?ck haben.«

Ich bin skeptisch. Es war zwar mein eigener Plan, aber wenn Beck ihn so vortr?gt, bin ich nicht mehr ganz so ?berzeugt von ihm. Nett ist allerdings, dass Beck schon in derWir-Form davon spricht. Offensichtlich will er mir helfen. Er ist eben doch ein echter Freund.

»So, und nun habe ich Hunger. Ich werde mal schauen, ob Nina schon etwas Sch?nes in meinen Fressnapf gef?llt hat.«

Kein Wunder, dass Beck immer fetter wird. Wann der wohl das letzte Mal sein Essen selbst gejagt hat? Andererseits: meist f?llt bei Nina etwas f?r mich mit ab. Ich werde Beck also begleiten.

Im Treppenhaus treffen wir tats?chlich auf Nina. Allerdings ist sie weit davon entfernt, sich Gedanken ?ber Becks Verpflegung zu machen: Sie steht auf halber Treppe zwischen dem ersten und zweiten Stock und streitet sich mit Alexander Klein. Beck und ich hocken uns auf die erste Stufe des Absatzes und beobachten das Spektakel.

»Was soll das? Ich habe dir gesagt, dass ich dich nicht weiter treffen will. Und was machst du? Bewirbst dich f?r meine Arbeitsgruppe.«

»Na und? Ist ja ein freies Land mit freier Berufswahl. Oder ist es dir unangenehm, mit mir zusammenzuarbeiten?«

»Quatsch. Aber ich brauche Mitarbeiter, die an dem Projekt interessiert sind, nicht an mir.«

»Wer sagt dir denn, dass ich nicht an dem Projekt interessiert bin? Lass dir doch mal von Sommer meine Bewerbungsunterlagen geben. Ich glaube kaum, dass du einen besseren Assistenten findest. Ich bin n?mlich ziemlich gut.«

Jetzt muss Nina grinsen. Warum eigentlich?

»Das weiss ich, Alexander. Aber darum geht’s hier nicht.«

»Ach. Und worum geht es dann?«

»Das weisst du ganz genau.«

»Nee. Erkl?r’s mir.«

Die beiden starren sich an. Nina r?uspert sich. »Gut. Was muss ich tun, um dich nicht mehr zu sehen?«

»Gib mir eine Chance. Geh mit mir essen. Verbringe vierundzwanzig Stunden mit mir. Und wenn du mich dann immer noch loswerden willst, verspreche ich, mich in Luft aufzul?sen.«

»Okay. Also vierundzwanzig Stunden?«

Alexander nickt.

»Vierundzwanzig Stunden.«

»Abgemacht.«

DREIUNDZWANZIG

Noch so ein Tag, und ich schmeisse hin. Meine Augen tr?nen, und meine Nase ist von dem Gestank der Autos schon richtig geschwollen. Das ist das Schlimmste! Abgesehen von meinen tauben Ohren, die nun seit mehreren Tagen den Krach von vorbeiknatternden Wagen und Motorr?dern ertragen m?ssen. Und das alles ohne jeden Erfolg. Ich beginne zu jaulen.

»Ehrlich, Herkules, jetzt reiss dich mal zusammen! Ich habe dir gleich gesagt, dass so eine Fahndung kein Zuckerschlecken ist.«

Herr Beck guckt mich streng an.

»Aber ich kann nicht mehr! Dieser ganze Verkehr macht mich fertig!«, verteidige ich mich.

»Nun sei doch nicht so weinerlich! Hart in der Sache und gegen sich selbst – das ist das Erfolgsrezept des wahren Kriminalisten.«

Das sagt nun gerade der Richtige. Sonst ist es doch immer Beck, der rummeckert. Und ausserdem bin ich ein Dackel, kein Kriminalist. Ich weiss ja nicht mal genau, was das Letztere ?berhaupt bedeutet.

»Beck, vielleicht ist unser Plan einfach gescheitert, und wir sollten nach Hause gehen.«

»Quatsch. So schnell willst du doch wohl nicht aufgeben. Denk an deine grosse Liebe – f?r eine H?ndin finde ?brigens selbst ich sie recht attraktiv und sportlich, wenn sie jeden Tag auf der Hundewiese trainiert. Ich muss sagen: Geschmack hast du.«

Tats?chlich hat unser bisheriger Einsatz zumindest dazu gef?hrt, dass Beck Cherie kennengelernt hat, als sie gestern mit ihrem Frauchen zur Hundewiese spazierte. Sie war sichtlich erstaunt, mich ohne Mensch, daf?r aber in Begleitung eines Katers anzutreffen.

»Wahrscheinlich findet mich Cherie jetzt erst recht wunderlich. Wir h?tten ihr schon mal von unserem Plan erz?hlen sollen.«

»Auf keinen Fall. Der ist streng geheim. Und nun mach dir nicht so viele Sorgen. Denk einfach daran, was f?r ein Held du sein wirst, wenn du ihr den Schurken auf dem Silbertablett pr?sentierst.«

»Genau:wenn. Ich meine, seit fast einer Woche h?ngen wir in jeder freien Minute hier rum – und von dem Typen keine Spur.«

»Ach, der wird schon kommen. Und unser Beobachtungsposten ist perfekt: Hier muss eigentlich jeder vorbei, der von Cheries Haus zur Alster will. Du siehst doch, wie viel hier los ist.«

Keine Frage, das sehe ich. Und riechen und h?ren tue ich es leider auch. Ich seufze und frage mich, ob ich unseren Kandidaten schon verpasst habe. Vielleicht ist er so schnell gefahren, dass ich keine Witterung aufnehmen konnte. Andererseits – die Stelle ist von Beck tats?chlich perfekt gew?hlt. Denn an der neben uns liegenden Kreuzung m?ssen alle, die Richtung Alster wollen, abbiegen, werden also langsamer oder halten ganz an. W?re der Kurier an mir vorbeigekommen, h?tte ich ihn bemerken m?ssen. Ich beschliesse, der Sache noch eine letzte Chance zu geben. Ohnehin m?ssen wir gleich wieder in die Werkstatt zur?ck. Zu lange k?nnen wir nicht auf unserem Posten bleiben, denn sonst w?rde Carolin merken, dass ich gar nicht mehr mit Beck im Garten bin.

»He, guck mal, ist das unser Mann?«

W?hrend mich diese Bemerkung von Beck noch vor drei Tagen elektrisiert h?tte, wende ich jetzt nur kurz den Kopf. Es ist immerhin das ungef?hr f?nfhundertste Mal, dass Herr Beck einen Verd?chtigen sichtet.

Von unserem Blickwinkel aus sieht der Fahrradfahrer allerdings schon sehr nach dem Typen aus, den wir suchen. Ich m?sste mal an ihm schnuppern. Ich trabe n?her an den Bordstein zur Strasse – und habe endlich mal Gl?ck: Die Ampel springt offensichtlich gerade auf Rot, jedenfalls h?lt der Mann direkt neben mir. Ich schn?ffele an dem Bein hoch, das er praktischerweise direkt vor meiner Nase abgestellt hat: Pfefferminz! Nun bin ich wirklich elektrisiert.

»Beck! Ich glaube, das ist unsere Zielperson! K?nnte es zumindest sein!«

»Bist du sicher?«

»Ja.«

»Okay. Zugriff!«

Mit diesem Kommando beginnt Teil zwei unseres Plans. Und ich hoffe sehr, dass wir uns dabei nicht alle Knochen brechen. Immerhin steht unser Mann schon, das erleichtert das Vorhaben immens. In voller Fahrt w?re alles deutlich gef?hrlicher, aber auch dann h?tten wir versucht, was wir nun in die Tat umsetzen.

Wie vorher tausendmal besprochen, l?uft Herr Beck zum Fahrrad, springt auf das Vorderrad und krallt sich in den Reifen. Dann passiert tats?chlich das, was er vorausgesagt hatte: Der Typ steigt von seinem Fahrrad ab.

»Sach mal, bist du irre, du Viech? Geh weg von meinem Fahrrad, los!«

Ah! Die Stimme! Jetzt habe ich?berhaupt keinen Zweifel mehr – der Kurier ist der Typ von der Alster. Und bestimmt ist er auch der Verkehrsrowdy, den wir suchen.

»He, weg da!«

Aber Herr Beck denkt gar nicht daran, dieser Aufforderung zu folgen. Stattdessen attackiert er den Vorderreifen, als h?tte er es mit einer sehr appetitlichen Maus zu tun. Ich schleiche mich von hinten an die beiden heran. Der Mann beugt sich zu Beck, versucht ihn zu verscheuchen. Aber noch hat er leider seine Tasche nicht abgelegt. Beck macht also weiter und versucht, einen Kampf zu provozieren. Er beisst in den Reifen, faucht und kreischt, was das Zeug h?lt. Der Kurier wiederum versucht, ihn von dem Fahrrad wegzuziehen, hat aber deutlich Respekt vor Becks Krallen. Und dann, endlich, endlich, nimmt er seine Tasche von der Schulter, um sich beim Kampf mit Beck besser bewegen zu k?nnen.

Als er sie neben sich auf den B?rgersteig gestellt hat und sich wieder zu Beck umdreht, schleiche ich so unauff?llig wie m?glich in Richtung Tasche. Nicht dass der Typ noch merkt, dass er es in Wirklichkeit mit zweien von uns zu tun hat. Ich packe die Tasche und ziehe sie vorsichtig weg. Gott sei Dank ist sie nicht besonders schwer. Beck besch?ftigt den Mann derweil, so gut er kann. Schliesslich brauche ich ein bisschen Vorsprung, um nicht gleich geschnappt zu werden. Ich halte nach dem n?chsten Geb?sch Ausschau. Dorthin schleppe ich meine Beute und gucke vorsichtig durch die Bl?tter. Bisher funktioniert unser Plan:Der Mann hat das Fehlen der Tasche noch nicht bemerkt und versucht inzwischen, mit seinen durch die Hemds?rmel gesch?tzten H?nden Beck von dem Fahrradreifen zu ziehen. Verdeckt durch die Str?ucher, laufe ich immer weiter von den beiden weg.

Ich renne mittlerweile so schnell, wie ich es mit einer Tasche im Maul eben kann. Einfach ist das nicht, mein Nacken ist schon ganz steif, aber die Angst, erwischt zu werden und eine Riesenmenge?rger zu kriegen, treibt mich voran. Noch zwei Ecken – dann bin ich endlich im Park vor unserem Haus. Ich halte kurz an und drehe mich um: Niemand folgt mir. Mir f?llt ein ziemlich grosser Stein vom Herzen, denn wer Hunde mit dem Fahrrad auf die Strasse schubst, hat bestimmt auch wenig Skrupel,Dackeln das Fell ?ber die Ohren zu ziehen. Ich hoffe nur, dass die Kuriertasche auch wirklich die Informationen enth?lt, die wir brauchen. Sonst war alles umsonst.

Am Haus angekommen, schleppe ich die Tasche nicht in die Werkstatt, sondern versteckte sie hinter einem der Blumenbeete. Aus der Werkstatt klingt Musik. Carolin spielt auf einer Geige. Sehr gut. Offenbar hat sie mich noch nicht vermisst. Ich lege mich unter den grossen Baum und warte auf Beck. Hoffentlich ist bei ihm auch alles glattgegangen – immerhin tut er das nur mir zuliebe.

Bevor ich mir aber weiter Sorgen um ihn machen kann, kommt Beck schon l?ssig in den Garten geschlendert. Ein wenig zerzaust sieht er aus, aber alles in allem wie ein strahlender Sieger. Er legt sich neben mich und reckt und streckt sich gen?sslich.

»Gut, dass du wieder da bist! Ich hatte schon ein bisschen Angst, dass du mit dem Typen noch m?chtig ?rger bekommen hast.«

»Ach was! Mit einem unbewaffneten Menschen werde ich doch leicht fertig. Du solltest den mal sehen – ein paar Schrammen hat er schon abbekommen. Aber nun zum Wichtigsten: Hast du die Tasche?«

»Ja, sie liegt hinter dem Beet.«

»Sehr gut. Dann gibt es jetzt nur noch eine Schwierigkeit.«

»Echt? Welche denn?«

»Wie kriegen wir die Tasche zu Cheries Frauchen?«

Stimmt. Das ist noch ein klitzekleines Hindernis. Ansonsten hat der Plan bisher perfekt funktioniert. Wir haben dem Verbrecher tats?chlich die Tasche geklaut, und nach Becks Kenntnissen von menschlichen Taschen und Koffern d?rfte sich darin eine Information ?ber ihren Eigent?mer befinden. Wenn Cheries Frauchen also in die Tasche hineinschaut, wird sie herausfinden, wem diese geh?rt, und sie ihrem Besitzer zur?ckgeben wollen. Dabei wird sie erkennen, dass sie den Schurken vor sich hat, der den Unfall mit Cherie verursacht hat, und wird ihm das Geld f?r die Operation abkn?pfen. Und Cherie wird mich lieben, weil ich ein Held bin. Es ist einfach eine strategische Meisterleistung von Beck! Auch wenn wir noch nicht ganz am Ziel sind: Ich bin trotzdem stolz auf den Kater.

»Weisst du, Beck, das wird uns auch noch einfallen.«

»Ah, ich mag es, wenn du optimistisch bist.«

»Danke. Und weisst du noch was? Du bist ein echter Freund. Ich bin froh, dass es dich gibt.«

»Wie geht es eigentlich deinem neuen Mitarbeiter?«, will Carolin von Nina wissen, als diese sp?ter am Tag auf einen Kaffee in der Werkstatt aufkreuzt.

»Och, ich glaube, ganz gut.«

»So, glaubst du.«

»Ja«, erwidert Nina knapp. Das ist ungew?hnlich. Normalerweise redet sie doch gerne ?ber M?nner.

»Du musst ihn jetzt eigentlich gut behandeln, sonst nennt man das Bossing und ist bestimmt ein Fall f?r die Gleichstellungsbeauftragte. Nicht, dass die Arbeitsgruppe noch darunter leidet.«

»Ha, ha. Sehr witzig. Woher denn das pl?tzliche Interesse f?r meine Arbeitsgruppe?«

»Na, du bist schliesslich meine Freundin. Mich interessiert brennend, wie es beruflich so bei dir l?uft.«

»Aha. Wie esberuflich l?uft. Na klar. Gegenfrage: Wie l?uft es denn bei dir soberuflich– mit dem Kollegen Carini?«

»Och. Gut.« Nun ist es an Carolin, einsilbig zu sein.

»Soso. Gut ist gut.«

»Ja. Gut ist gut. Aber was h?ltst du denn davon, wenn wir uns heute Abend auf ein Glas Wein treffen? Ich habe Marc versprochen, Luisa sp?ter vom Flughafen abzuholen, aber danach h?tte ich Zeit. Dann k?nnten wir uns doch mal ausf?hrlich ?ber unser berufliches Fortkommen austauschen.« Carolingrinst.

»Eigentlich eine sehr gute Idee. Aber heute habe ich leider keine Zeit. Bin schon verabredet.«

»Aha? Habe ich da etwas verpasst?«

»Nein. Ein rein gesch?ftlicher Termin.«

»Abends?«

»Ja. Ein 24-Stunden-Versuchsaufbau. Ganz neues Studiendesign.«

»Schade. Dann w?nsche ich fr?hliches Forschen.«

»Danke.«

Nina trinkt ihren Kaffee aus und geht. Dabei gibt sie sich fast mit Daniel die Klinke in die Hand, der in diesem Moment in die Werkstatt kommt.

»Hallo, Nina! Musst du schon los?«

»Ja, leider, die Pflicht ruft.«

»Nina absolviert heute einen vierundzwanzigst?ndigen Versuch«, erkl?rt Carolin.

»Echt? Wow. Dann viel Erfolg!«

»Ja, den kann ich brauchen. Tsch?ss!«

Nina schliesst die T?r hinter sich, und Daniel stellt den grossen Cellokasten, den er gerade noch in der Hand gehalten hat, im Flur ab.

»Gibt es eigentlich Neuigkeiten von ihrem Nachbarn? Hat sie sich von dem Schock, dass er bei ihr arbeitet, erholt?«

Carolin zuckt mit den Schultern.»Schwer zu sagen. Da l?sst sich Nina nicht in die Karten gucken. Ich wollte mich heute Abend mit ihr verabreden, aber leider muss sie arbeiten. Na, ich werde es schon noch herausfinden. Aber mal was ganz anderes: Wie war es denn bei Lemke? Hat ihm die erste Restauration gefallen?«

»Ja, er war begeistert. Ehrlich. Ausserdem hatte er noch ein paar wertvolle Anregungen f?r die Sammlung. Ich bin jetzt noch motivierter als ohnehin schon – es macht Spass, f?r jemanden mit so viel Sachverstand zu arbeiten.«

»Finde ich auch. Ich w?rde ?brigens gleich gerne vondeinem Sachverstand profitieren. Bei der Geige, die ich momentan bearbeite, bin ich an einer heiklen Stelle angelangt. Kannst du dir das mal anschauen?«

»Klar, mache ich.«

Die beiden verschwinden in Richtung Werkbank, und ich beschliesse, mich ein bisschen in meinem K?rbchen im Flur auszuruhen. Der Tag war doch sehr anstrengend, und die Taschenentf?hrung hat mich ziemlich mitgenommen. Ausserdem muss ich die ganze Zeit dar?ber nachdenken, wie wir die Tasche nun m?glichst schnell zu Claudia Serwe schaffen.

Vielleicht f?llt mir im Schlaf etwas dazu ein. Ein kleines Nickerchen k?me mir ganz recht. Bevor mir die Augen zufallen, ?berlege ich noch kurz, ob Ninas 24-Stunden-Experiment etwas mit Alexander Klein zu tun haben k?nnte. War da nicht auch von 24 Stunden die Rede?

Luisa kommt an der Hand einer jungen Frau, die eine Art Uniform tr?gt, durch die grossen Glasschiebet?ren am Flughafen. Sie sieht uns, l?sst die Frau los und st?rzt auf uns zu.

»Carolin, Herkules! Das ist aber sch?n, dass ihr mich abholt! «

Sie f?llt Caro um den Hals, die dr?ckt das M?dchen herzlich.

»Das mach ich doch gerne. Ich war sogar ganz froh, dass Marc heute eine Fortbildung hat und ich einspringen konnte. Wie war es denn in M?nchen?«

»Och, das Fest bei Oma Burgel war ein bisschen langweilig. Das Beste war eigentlich, dass ich deswegen nicht zur Schule musste.«

Die Frau in der Uniform mischt sich ein.»Sind Sie Frau Neumann?«

»Ja, genau. Ich hole Luisa ab.«

»K?nnen Sie sich ausweisen?«

»Sicher.« Carolin h?lt der Dame ein K?rtchen unter die Nase.

»Alles klar. Dann noch einen sch?nen Abend!«

»Danke.«

Gemeinsam laufen wir zum Ausgang.

»Na, Luisa, haben die sich denn gut um dich gek?mmert an Bord?«, will Carolin wissen.

»Klar. Und einige von denen kennen mich ja. Mama ist doch auch Stewardess. Also bin ich fast Profi.«

Carolin lacht.»Dann ist ja gut. Gib mir doch deinen Koffer. Was hast du denn da alles drin? Der ist ja viel schwerer als auf dem Hinweg.«

»Oma hat mir noch ein paar Sachen gekauft. Und Mama hat mir auch noch etwas f?r Papa mitgegeben.«

»Aha. Was denn?«

»Ein Buch. Sie sagt, da hat sie sich neulich mit Papa dr?ber unterhalten, als sie ihn in Hamburg besucht hat.«

»Sie hat ihn in Hamburg besucht? Wann war denn das?«

Caros Stimme bekommt auf einmal einen ganz seltsamen Unterton, der mir?berhaupt nicht gef?llt. Aber Luisa bemerkt ihn nicht und plappert munter weiter. »Weiss nicht genau. Neulich irgendwann. Sie waren zusammen essen, weisst du, in dem Caf?, in das du auch immer so gerne gehst. Da hast du mir mal ein Eis gekauft.«

»Im Violetta?« Carolin klingt tonlos.

»Genau.«

Auf der Fahrt nach Hause sagt Carolin fast gar nichts mehr. Daf?r unterh?lt sich Luisa mit mir, krault mich hinter den Ohren und wird nicht m?de, mir zu versichern, wie toll der Tussi-Club ist und wie froh sie ist, wieder in Hamburg zu sein.

Carolin tr?gt Luisas Koffer nach oben und legt ihn auf ihr Bett. Sie setzt sich neben Luisa auf den Fussboden und guckt das Kind nachdenklich an.

»Luisa, darf ich das Buch f?r Papa mal sehen?«

»Logo.« Sie ?ffnet ihren B?rchenkoffer, kramt darin herum und gibt Caro schliesslich ein Buch. Die nimmt es, guckt auf den Titel und schl?gt die erste Seite auf. Neben den ganz geraden, dunklen Buchstaben hat offenbar jemand etwas in das Buch gemalt oder geschrieben – das ist f?r mich schwer zu unterscheiden.

»Sag mal, Luisa, Papa m?sste in einer halben Stunde wieder da sein. Ich muss noch etwas in der Werkstatt erledigen. Meinst du, du kannst so lange allein bleiben?«

Luisa nickt.

»Klar, kein Problem.«

Caro steht vom Boden auf.»Komm, Herkules. Lass uns nochmal los.«

Ich habe auf einmal ein ganz, ganz ungutes Gef?hl. Fast ein bisschen so wie an dem Tag, als mich der alte von Eschersbach in einen Karton setzte und ins Tierheim fuhr.

VIERUNDZWANZIG

Kein Zweifel: Daniel ist mehr als?berrascht, uns hier zu sehen. Er ?ffnet die T?r zu seinem Hotelapartment, und seine Lippen formen ein lautlosesOh.

»Darf ich reinkommen?« Carolin hat schon im Auto geweint, und man h?rt es ihr deutlich an. Daniel macht die T?r weit auf und legt seine Hand auf Caros Schulter.

»Um Gottes willen, was ist denn los?«

»Hier, lies selbst!«

Sie dr?ckt ihm das Buch in die Hand. Er studiert den Titel und liest laut vor. »Die zweite Chance. Ehekrisen?berwinden, zueinanderfinden. Aha. Muss mir das irgendetwas sagen?«

Er schl?gt das Buch auf und liest weiter. »Lieber Marc! Hast du dar?ber nachgedacht? Wie hast du dich entschieden? Ruf mich an. In Liebe, Sabine.«

Er r?uspert sich.

»Okay. Nicht ganz unverf?nglich. Aber vielleicht schon ?lteren Datums? Bevor du ihn kanntest?«

Caro sch?ttelt den Kopf und geht an Daniel vorbei in das kleine Wohnzimmer hinter dem Flur.

»Darf ich mich setzen?«

»Klar, entschuldige. Setz dich. Ich hatte irgendwie nicht mit Besuch gerechnet, aber du bist mir immer willkommen.«

»Danke.«

»Willst du etwas trinken?«

»Wenn du etwas mit Alkohol hast, gerne.«

O je. Alkohol. Mit Alkohol und Liebeskummer habe ich bei Carolin schon mal ganz schlechte Erfahrungen gemacht. Als wir damals endlich Thomas losgeworden waren, hat sie davon so viel getrunken, dass sie im Krankenhaus gelandet ist. Ich hoffe also, dass Daniel ihr jetzt nur einen Tee anbieten kann.

»Tja, mal sehen, was die Minibar hergibt.«

Er geht zu einem Schrank und?ffnet ihn. Die Flaschen, die zum Vorschein kommen, sind zwar ziemlich klein, sehen ansonsten aber genauso aus wie die, in denen die Menschen f?r gew?hnlich Alkohol aufbewahren. Mist. Na, immerhin passt nicht so viel davon in eine Miniflasche.

»Also, ich kann dir anbieten: Sekt, Weisswein, Rotwein, Bier, Whisky, Gin und Cognac.«

»Okay, bitte genau in dieser Reihenfolge.«

Beide m?ssen lachen. Ich verstehe zwar nicht, was daran lustig sein soll, bin aber erleichtert, dass Carolin ?berhaupt noch lachen kann. Daniel nimmt zwei Gl?ser, ?ffnet eine der kleinen Flaschen, giesst ein und setzt sich neben Carolin.

»Du glaubst also nicht, dass das ein ?lteres Geschenk ist? Die Widmung hat immerhin kein Datum.«

»Nein. Sie hat das Buch Luisa erst heute mitgegeben. Und sie hat Marc getroffen. Erst vor ein oder zwei Wochen. Und er hat mir nichts davon erz?hlt.«

»Aber kann das nicht noch etwas anderes bedeuten? Ich meinehast du dar?ber nachgedacht– vielleicht meint das irgendetwas mit dem Kind oder so. Das heisst doch m?glicherweise gar nicht das, was du denkst.«

Carolin nimmt einen tiefen Schluck aus ihrem Glas.»Ja, und den Weihnachtsmann gibt’s bestimmt auch. Mensch, Daniel:Die zweite Chance– dar?ber soll er nachdenken. Das liegt doch auf der Hand. Sie haben dar?ber gesprochen, es wieder miteinander zu versuchen.« Noch ein Schluck, dann schluchzt Caro. Daniel legt den Arm um ihre Schulter.

»Caro, das kann ich mir nicht vorstellen. Das muss ein Missverst?ndnis sein.«

Daniel, du hast ja so Recht! Mir wird in diesem Moment klar, was es mit dem Buch und der Widmung wirklich auf sich hat. Ich erinnere mich an das Treffen von Marc und Sabine im Violetta. Stimmt, sie hatte damals schon von dem Buch erz?hlt. Und dann hat sie sich entschuldigt. Wof?r eigentlich? Das weiss ich nicht mehr genau. Auf alle F?lle wollte Marc dar?ber nachdenken, ob er die Entschuldigung annimmt. Und nicht etwa die ganze Sabine. Genau so war es. Aber wie mache ich das Carolin klar? Die scheint nun tats?chlich zu glauben, dass Marc sie verlassen will.

Mittlerweile hat Daniel schon die zweite kleine Flasche ge?ffnet, dazu eine kleine Dose, die er jetzt auf den Sofatisch vor sich stellt. Ich hebe meine Nase auf Tischkantenh?he. Hm, Erdn?sse, also nichts f?r mich. Schade, ich bekomme langsam ein wenig Hunger.

»Weisst du, er war in letzter Zeit auch irgendwie komisch. So angespannt und gereizt. Ich habe allerdings gedacht, dass er?rger mit Sabine hat, nicht, dass sich bei den beiden wieder etwas anbahnt.« Sie schluchzt, Daniel reicht ihr ein Taschentuch, in das sie sich ger?uschvoll schn?uzt.

»Aber das weisst du doch gar nicht. Ich finde, du solltest erst mal mit Marc sprechen, bevor du gleich vom Schlimmsten ausgehst.«

Carolin sch?ttelt den Kopf. »Nein. Ich kenne dieses Gef?hl. Damals bei Thomas war es genauso. Und dabei liebe ich Marc doch so. Wie kann er mir das antun?« Sie schluchzt lauter, Daniel streicht ihr ?ber das Haar.

Was g?be ich in diesem Moment darum, sprechen zu k?nnen! Ich weiss schliesslich ganz genau, dass Marc kein Betr?ger wie Thomas ist. Gut, vielleicht ist er ein nicht ganz so netter Kerl wie Daniel, aber der war ja auchzu nett f?r Carolin. Unruhig laufe ich hin und her – was soll ich bloss tun?

»Muss Herkules mal raus?«, erkundigt sich Daniel.

»Nee, ich bin ja gerade erst mit ihm hierhergelaufen. Wahrscheinlich sp?rt er, wie schlecht es mir geht. Nicht wahr, Herkules? Du merkst, dass Frauchen traurig ist.«

Ich setze mich neben Caros F?sse, sie hebt mich hoch auf ihren Schoss und vergr?bt ihr Gesicht in meinem Fell.

»Mein S?sser, ich glaube, du bist der einzige Mann, auf den ich mich wirklich verlassen kann.«

»An dieser Stelle muss ich scharf protestieren!«

»Tut mir leid. Du hast Recht. Auf dich kann ich mich auch immer verlassen.« Sie kommt wieder nach oben, nimmt Daniels Hand und dr?ckt sie.

Er guckt Caro nachdenklich an.»Ich kann allerdings nicht sagen, dass mich das als Mann bei dir weitergebracht h?tte.«

Caro schluckt.»Ja. Vielleicht war das falsch von mir.«

Beide schweigen, die Stille f?hlt sich fast unangenehm an. Dann steht Daniel auf, geht nochmal zu dem Schr?nkchen und nimmt eine der ganz kleinen Flaschen.

»Ich glaube, ich brauche jetzt etwas H?rteres.«

»Warum?« Caro klingt erstaunt.

»Das weisst du doch.«

»Nein, wirklich nicht.«

»Na, wir sitzen hier, und ich tr?ste dich wegen Liebeskummer mit einem anderen Mann. Es gibt sch?nere Momente.«

»Aber du bist doch mein Freund!«

»Ja!« Daniel lacht, es klingt bitter. »Genau. Ich bin eben immer der nette Kumpel. Weisst du, ich habe gerade genau das gleiche Gef?hl wie vor einem Jahr. Als ich dir gesagt habe, dass ich nach M?nchen gehe, weil ich Abstand brauche. Und nun ist es, als h?tte es diesen Abstand nie gegeben. Ich h?nge wieder genauso drin wie vorher.«

Caro reisst die Augen auf. »Aber … aber … ich dachte, du w?rst mit Aurora gl?cklich. Ich meine, ihr seid doch ein Paar.«

»Ja. Sind wir. Mal mehr, mal weniger. Trotzdem ist es f?r mich immer noch schwer mit dir. Merke ich gerade. H?tte ich auch nicht gedacht. Tja, und deswegen trinke ich jetzt mal einen sch?nen Whiskey.«

»Sind da zwei in der Bar? Dann gib mir auch einen!«

Daniel nickt und holt noch ein Fl?schchen.

»Auf die Freundschaft. Und die Liebe.« Sie prosten sich zu. Daniel leert sein Glas in einem Zug, Caro macht es genauso, sch?ttelt sich danach aber.

»Puh, ganz sch?n scharf. Vielleicht sollte ich auf den Sekt umsteigen, das liegt mir doch mehr.«

»Oder mal ein Wasser zwischendurch?«

Caro kichert.»Quatsch. Das wirft uns doch Stunden zur?ck. «

»Hast Recht. Dann nehme ich den Cognac, und du kriegst den Sekt.«

Auf dem Hinweg zum Schr?nkchen stellt Daniel noch das Radio an. Langsam geht es hier zu wie in einer Bar, und ich ?berlege, ob mir diese Entwicklung gef?llt.

Irgendwann ist das Schr?nkchen leer. Daf?r stehen alle Flaschen und Fl?schchen, die es zuvor enthielt, sch?n ordentlich in Reih und Glied auf dem Tisch vor dem Sofa. Und es ist eine ziemlich lange Reihe – erstaunlich, was so alles in diesen kleinen Schrank reingepasst hat. Caro sitzt nicht mehr auf dem Sofa, sondern liegt, und Daniel krault ihren Kopf, denn der wiederum liegt praktischerweise auf seinem Schoss. Gesagt haben die beiden schon eine ganze Zeitlang nichts mehr, sie gucken sich einfach nur in die Augen.

Auweia. So sch?n friedlich dieses Bild auch ist – ich kann mich daran nicht erfreuen. Denn Caro ist doch Marcs Frau, nicht Daniels. Und auch, wenn sie von Marc nun das Schlechteste denkt – ich weiss ja, dass es nicht stimmt. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass wiederum Marc nicht begeistert w?re, wenn erCaro und Daniel so s?he. Das w?re vielleicht sogar das Ende unserer kleinen Familie, oder? Immerhin hat Caro damals mit Thomas kurzen Prozess gemacht, als sie ihm auf die Schliche mit der anderen Frau gekommen ist. Oh, oh, oh, diese Menschen! Die treiben mich irgendwann noch in den Wahnsinn! Dabei will ich doch einfach nur friedlich mit ihnen zusammenleben.

Jetzt sagt Caro doch etwas.»Weisst du, ich bin schon ganz sch?n m?de. Und ganz sch?n betrunken. Kann ich vielleicht bei dir ?bernachten? Ich will heute nicht nach Hause.«

»Wenn du m?chtest, gerne. In meinem Schlafzimmer steht ein sehr komfortables Doppelbett. Da passt du locker mit rein.«

»Danke, das klingt geradezu verf?hrerisch.« Carolin kichert.

Mir hingegen stellen sich die Nackenhaare auf. Ins Bett? Gemeinsam? Das verheisst nichts Gutes – jedenfalls nicht, wenn man wie ich der Meinung ist, dass Carolin und Marc sehr gut zusammenpassen und deswegen bittesch?n ein Paar bleiben sollen. Denn nach meiner Kenntnis nutzen M?nner und Frauen das Bett auch gerne f?r andere Dinge als den reinen Nachtschlaf. Kein Dackel k?me zwar auf die Idee, mit der Dame seines Herzens im Hundek?rbchen … aber lassen wir das. Fakt ist: Hier ist Gefahr im Verzug, und ich muss einschreiten.

Als Daniel und Caro Richtung Schlafzimmer wanken– undwanken ist hier w?rtlich zu nehmen, denn die vielen sehr kleinen und etwas gr?sseren Fl?schchen scheinen ihre Wirkung zu tun – trabe ich sofort hinterher. Das Gute daran ist, dass die beiden so mit ihrer Koordination besch?ftigt sind, dass sie mich ?berhaupt nicht beachten. Ich gelange also problemlos ins Schlafzimmer. Caro wirft sich aufs Bett, Daniel legt sich dazu. Ich ?berlege kurz – dann springe ich hinterher und platziere mich m?glichst unauff?llig am Fussende. Von hier aus kann ich alles gut beobachten und notfalls sofort eingreifen. Und ich werde nicht z?gern, es zu tun!

W?hrend ich noch ?berlege, ob mich ein beherzter Biss in empfindliche Teile von Daniel wohl die Freundschaft zu ihm kosten w?rde, deutet ein Ger?usch direkt ?ber mir darauf hin, dass zumindest Carolin heute Nacht keine wilden Dinge mehr plant: Sie schnarcht, und zwar ziemlich laut. Daniel drehtsich zu ihr – will er sie etwa wecken? Untersteh dich! Ich schiebe mich ein St?ck h?her und knurre ihn ganz unmissverst?ndlich an. H?nde weg von meiner Carolin!

»He, Herkules – willst du dein Frauchen besch?tzen? Brav! Ist aber nicht n?tig. Bei mir ist sie sicher wie in Abrahams Schoss. Ich weiss ja, dass ihr alles andere als ein friedliches Nickerchen in meinem Bett morgen leidtun w?rde. Also, Kumpel, keine Sorge. Ich gebe dir mein Wort als Gentleman. « Er streichelt mir kurz ?ber den Kopf.

Na gut. Ich habe zwar keine Ahnung, wer nun wieder dieser Abraham ist. Aber Daniels Wort vertraue ich. Und mit diesem sicheren Gef?hl schlafe auch ich beruhigt ein.

»Weisst du noch, was du beim Umzug zu mir gesagt hast?«

Beck sch?ttelt den Kopf.

»Nein, was denn?«

»Dass es deiner Erfahrung nach kein Happy End bei Menschen gibt.«

»Echt? Das habe ich gesagt?«

»Ja, hast du. Und langsam glaube ich, du hattest Recht.«

Meine Laune k?nnte heute kaum schlechter sein. Erstens habe ich nicht besonders gut geschlafen, weil ich trotz aller Beteuerungen von Daniel zwischendurch immer wieder kontrolliert habe, ob jeder von den beiden auch noch brav auf seiner Seite des Betts lag. Zweitens zerbreche ich mir den Kopf dar?ber, wie mandas Missverst?ndnis zwischen Marc und Caro aus der Welt schaffen k?nnte – doch leider f?llt mir nichts ein. Drittens – und das ist nun wirklich eine Katastrophe – habe ich heute Morgen im Garten gleich als Erstes nach der versteckten Tasche geschaut. Weg! Spurlos verschwunden! Unser sch?ner Plan komplett zunichte! Der Schmerz in meinem eigenen kleinen Herzen erinnert mich daran, dass ich auch auf ein Happy End f?r mich pers?nlich gehofft hatte. Beck starrt mich an.

»Kein Happy End? Ach, ich weiss nicht. Vielleicht lag ich damit auch falsch.«

Bitte? Endlich will ich den Grundpessimismus von Herrn Beck mal geb?hrend w?rdigen, da ?ndert der seine Meinung? Offenbar sehe ich sehr erstaunt aus, denn Herr Beck setzt zu einer Erkl?rung an.

»Ja, m?glicherweise wird manchmal doch alles gut. Nehmen wir zum Beispiel Nina: Zum einen hat sie jetzt einen total netten und zuverl?ssigen Mitbewohner – n?mlich mich. Und zum anderen scheint sie frisch verliebt zu sein. Und das, obwohl sie den Typen neulich noch unangespitzt in den Boden rammen wollte. Tja – und heute fr?h kommt sie bestens gelaunt und fr?hlich pfeifend in unsere Wohnung spaziert. Mit dem Herrn Nachbarn an der Hand. Die beiden haben zusammen gefr?hst?ckt, was gar nicht so einfach war, weil sie sich zwischendurch immer k?ssen mussten. Und dann ist sie mit ihm wieder abged?st. So schnell kann’s also gehen mit dem Gl?ck.«

Ich bin beeindruckt. Aber nur kurz. Dann fallen mir alle Sachen wieder ein, die bei mir f?r extremes Kopfzerbrechen sorgen.

»Trotzdem. Ich f?rchte, dein Verdacht war richtig. Bei Marc und Carolin sieht es eher so aus, als w?rde dort alles m?chtig schiefgehen. Wegen eines ganz bl?den Missverst?ndnisses.«

Ich schildere Herrn Beck haarklein die ganze Geschichte von Caro, Marc und Sabine und zwar inklusive des Treffens im Violetta und des verd?chtigen Buches. Beck h?rt aufmerksam zu und sch?ttelt hin und wieder den Kopf.

»Und leider ist das mit dem fehlenden Happy End nicht auf Menschen beschr?nkt: Ich weiss immer noch nicht, ob ich jemals wenigstensein Rendezvous mit Cherie haben werde. Denn irgendjemand hat die bl?de Tasche aus dem Blumenbeet geklaut.«

»Ja, das habe ich auch schon gesehen. ?rgerlich, aber kein Drama.«

»Kein Drama? Mit unserem tollen Plan ist es jetzt Essig! Die ganze M?he umsonst. Ach, es ist einfach alles aussichtslos. « Frustriert lasse ich mich neben Beck ins Gras fallen. Wenigstens f?hlt sich das gut an, denn es ist warm und weich.

»Herkules, das ist ein klarer Fall von Katzenjammer, den du da gerade hast.«

»Katzenjammer? Was ist denn das? Klingt wie etwas, das Hunde gar nicht bekommen k?nnen.«

Herr Beck sch?ttelt den Kopf. »Nee. Den kann jeder kriegen, der eigentlich besonders gut gelaunt ist. Damit h?ngt der n?mlich zusammen. Mit der guten Laune, oder besser gesagt: mit zu guter Laune. Also, wenn sich jemand ganz doll freut und dann pl?tzlich merkt, dass doch nicht alles so rund l?uft, wie erdachte, dann ist er nat?rlich besonders entt?uscht. Und diese Entt?uschung nennt manKatzenjammer. Was eigentlich eine Frechheit ist, weil gerade wir Katzen doch viel zu schlau sind, um so?bertrieben euphorisch zu sein. Es m?sste vielleicht eherHundeungl?ck heissen.«

Na, vielen Dank. Wenn mir noch etwas gefehlt hat, dann Becks Schlaumeierei. Ich rapple mich wieder auf und laufe in Richtung Terrassent?r zur Werkstatt. Anstatt mich weiter verspotten zu lassen, gucke ich mal, ob es nicht wenigstens etwas zu fressen f?r mich gibt. Immerhin ist die Mittagszeit schon fast vorbei.

»He, warte doch!«, ruft mir Beck hinterher. »Das war nicht so gemeint! Entschuldige!«

Pah. Der kann mich mal. Bevor ich jedoch die Treppen zur Werkstatt hinunterspringen kann, kommt Herr Beck im gestreckten Galopp angeprescht und direkt neben mir zu stehen.

»Hallo, Herr von Eschersbach! Ich habe mich entschuldigt. Nun sein Se mal nicht nachtragend, sondern lassen Sie uns lieber ?berlegen, wie wir Sie aus diesem Stimmungstief wieder nach oben kriegen.«

Ich setze mich.

»Na gut. Was schl?gst du vor?«

»Mal sehen. Die Sache mit der Tasche, um die k?mmere ich mich. Es war meine Idee, also bringe ich das auch zu Ende. Wirst schon sehen.«

»Aber wie willst du das denn machen? Ohne die Tasche geht’s doch gar nicht. Wir h?tten sie einfach besser verstecken m?ssen – sie draussen liegen zu lassen war echt hirnrissig.«

»Mag sein, aber Selbstvorw?rfe bringen uns nun auch nicht weiter. Und Aufgeben kommt nicht in Frage. Mir wird schon etwas einfallen. Mir f?llt immer etwas ein.«

Ich seufze. Der Kater scheint wild entschlossen.

»Und mit Marc und Carolin?«

»Auch da w?rde ich sagen: nur die Ruhe. Denn sein wir mal ehrlich: Wenn Carolin mittlerweile so wenig Vertrauen zu Marc hat, dass sie ernsthaft glaubt, er w?rde hinter ihrem R?cken wieder was mit seiner Exfrau anfangen, dann kannst du auch nichts dran machen. Wenn sie ihn wirklich liebt, muss sie sich ein Herz fassen und mit ihm sprechen. Dir empfehle ich, dich da rauszuhalten. Das ist eindeutig Menschenkram.«

Wahrscheinlich hat Beck Recht. Ich sollte mich da raushalten. Das wird mir allerdings verdammt schwerfallen. Vielleicht haben wir auch Gl?ck, und alles regelt sich von selbst? Ich beschliesse vorzuf?hlen, ob die Stimmung in der Werkstatt vielleicht schon ein bisschen besser ist. Eben war Caro verdammt schweigsam, hoffentlich ist sie mittlerweile munterer.

Nein. Sie steht immer noch an ihrer Werkbank, scheinbar konzentriert auf ihre Arbeit. Daniel lehnt neben ihr an der Wand und mustert sie nachdenklich.

»Willst du ihn denn nicht wenigstens mal zur?ckrufen?«

»Nein.«

»Er hat schon dreimal angerufen. Beim vierten Mal verleugne ich dich nicht mehr.«

Schweigen. Daniel zieht sich seine Jacke an.»Ich fahre jetzt noch mal zu Lemke und komme heute nicht mehr rein. Und ich glaube, du machst einen Fehler. Marc weiss doch gar nicht, was eigentlich los ist.« Dann schnappt er sich die Schl?ssel, die auf seiner Werkbank liegen, und geht los.

Als die T?r ins Schloss f?llt, nimmt sich Caro das Telefon und tippt eine Nummer ein.

»Hallo, Nina. Bist du an der Uni? Und noch mit deinem Experiment besch?ftigt? Ach so … na, ich dachte, wir k?nnten vielleicht einen Kaffee zusammen trinken.« Nina scheint etwas l?nger auszuholen, jedenfalls sagt Caro eine ganze Weile gar nichts. »Aha. Na gut, dann komme ich sp?ter auf ein Glas Wein vorbei … nee, muss ich dir pers?nlich erz?hlen. Bis dann.« Klick.

Sie hat aufgelegt. Ohne mich eines Blickes zu w?rdigen, geht Caro in die kleine K?che und holt sich ein Glas Wasser. Aus ihrer Handtasche kramt sie ein kleines Pappsch?chtelchen, holt zwei kleine weisse Bonbons daraus hervor und schluckt diese. Dann stapft sie wieder zu ihrer Werkbank zur?ck.

Wenn Carolin in dieser Stimmung ist, mag ich sie gar nicht. Gut, so grimmig wie heute ist sie selten, und es ist?berdeutlich, dass es ihr nicht gut geht. Aber ist das ein Grund, seinen treuen vierbeinigen Freund zu ignorieren? Ich laufe hinter ihr her, springe dann auf den Korbsessel neben ihrer Werkbank und belle einmal laut und kr?ftig. Hallo, Caro! Nun guck mich doch wenigstens mal an! Endlich dreht siesich zu mir um.

»Mann, Herkules! Jetzt nerv du nicht auch noch!«

Bitte? So eine Unversch?mtheit! Ich, der immer nur ihr Bestes im Sinn hat. Undank ist der Welten Lohn. Ach, Quatsch: Undank ist der Menschen, insbesondere der Frauen Lohn. Beleidigt igle ich mich im Kissen des Sessels ein und starre b?se zu Caro hin?ber. Aber sie beachtet mich schon nicht mehr, sondern bl?ttert wieder in dem unseligen Buch von Sabine. Von wegendu bist der einzige Mann, auf den ich mich wirklich verlassen kann. Wenn du alle anderen M?nner auch so behandelst wie mich, dann bist du bald verlassen. Du wirst schon sehen, was du davon hast.

Genau– das ist ?berhaupt die Idee! Verlassen! Warum bin ich nicht schon eher darauf gekommen? Ich werde sie verlassen. Ich haue ab! Und zwar noch heute. Vielleicht kommt Caro dann wieder zur Besinnung. Ha, ein Spitzenplan! Wenn sie nachher mit Nina ein Glas Wein trinkt, mache ich mich davon. Ich weiss auch schon genau, wohin ich fl?chten werde. Zu einem Leidensgenossen. Und ich bringe ihm etwas mit. Etwas, das ihm geh?rt.

F?NFUNDZWANZIG

Herkules, was machst du denn hier? Und was hast du da im Maul?«

Marc beugt sich zu mir hinunter und zieht vorsichtig an dem Buch, das ich immer noch im Fang halte. Langsam lasse ich los und hoffe, dass es meine Flucht aus der Werkstatt heil?berstanden hat. Na ja, es ist ein bisschen vollgesabbert, aber insgesamt sieht es doch noch anst?ndig aus. Marc wischt mit seinem ?rmel ?ber den Buchdeckel und betrachtet ihn eingehend.

»Die zweite Chance. Hm.« Dann schl?gt er das Buch auf und liest. »Lieber Marc… auweia!« Irritiert starrt er mich an. »Woher hast du das, Herkules?« Er steht auf und geht kurz aus dem Behandlungszimmer. Ich h?re ihn mit seiner Mutter sprechen.

»Sag mal, und sonst war niemand vor der Haust?r?«

»Nein. Nur Herkules mit dem Teil im Maul. Wollte er mir ?brigens nicht geben, hat gleich geknurrt. Ich habe mich auch gewundert. Aber er wird ausgeb?xt sein. Typisch Jagdhund. Erinnerst du dich noch an unseren Terrier Trudi? Die ist doch auch immer …«

»Ja, Mutti«, unterbricht Marc sie, »ich weiss. Ich dachte nur, dass Carolin vielleicht mit ihm unterwegs war, und er schon mal vorgelaufen ist.«

»Aber Junge, Carolin hat doch einen Schl?ssel. Die w?rde einfach reinkommen. Und falls sie ihn vergessen h?tte, h?tte sie l?ngst geklingelt. Nein, als ich eben zur Post wollte, sass nur Herkules vor dem Hauseingang. Sonst niemand.«

»Hm.«

»Sag mal, wo steckt Carolin denn? Ich habe sie heute Morgen gar nicht gesehen.«

»?h … sie hat doch gerade diesen Riesenauftrag. Musste zu einem Ausw?rtstermin.«

»Na, und l?sst dich hier einfach allein? Ja, ja, diese berufst?tigen Frauen.« Sie lacht.

»Ach, Mutter, wo du gerade davon sprichst – wenn du mit der Post fertig bist, w?rde ich mich gerne mal in Ruhe mit dir unterhalten.«

»Wor?ber denn?«

»Wie wir hier weitermachen. Sag einfach Bescheid, wenn du wieder da bist.« Er kommt zur?ck zu mir ins Behandlungszimmer.

»Herkules, ich w?nschte, du k?nntest sprechen. Wie bist du nur an dieses Buch gekommen? Und was ist gestern passiert? Weisst du, ich mache mir wirklich Sorgen.«

Da sagt er was! Auch ich w?rde ihm zu gerne erz?hlen, was es mit dem Buch auf sich hat und warum Carolin sich so schrecklich verh?lt. Aber stattdessen kann ich nur die Ohren h?ngen lassen und ihn traurig angucken. Marc seufzt.

»Tja, Kumpel. Hoffen wir einfach mal, dass sich alles wieder einrenkt. Ich schlage vor, du vergn?gst dich ein bisschen im Garten. Und wenn ich das unangenehme Gespr?ch mit meiner Mutter hinter mich gebracht habe, machen wir beide etwas Sch?nes: Wir holen Luisa vom Hort ab und gehen gemeinsam ein Eis essen. Was h?ltst du davon? Ich finde, das haben wir uns als kleinen Lichtblick verdient.«

Ich wedele mit dem Schwanz. Solche positiven Ans?tze m?ssen unbedingt verst?rkt werden! Bis es so weit ist, werde ich mich ein bisschen in der Sonne entspannen. Schliesslich waren die letzten Tage auch f?r mich sehr anstrengend – da muss ein kleines Schl?fchen drin sein.

Als wir vor der Schule ankommen, wartet Luisa schon auf uns.

»Mensch, Papa, du bist zu sp?t!«

»Tut mir leid, mein Schatz. Ich musste noch etwas mit der Oma besprechen, und das hat l?nger gedauert. Aber daf?r habe ich Herkules mitgebracht.«

»Oh, klasse! Ist Carolin denn auch wieder da?«

»?h, nein, die ist noch unterwegs. Kommt aber bestimmt bald nach Hause. Ich finde, wir gehen jetzt mal ein Eis essen.«

»Superidee!«

»Wie war es denn sonst so?«

»Och, ganz gut. Greta vom Tussi-Club feiert Geburtstag, und ich bin auch eingeladen. Sie macht eine Rollschuh-Rallye, und du, Herkules, sollst auch mitkommen. Toll, nicht? Ich geh?re jetzt richtig dazu. Und alles wegen Herkules!«

Stolz recke ich mich und mache M?nnchen. Genau, alles wegen mir! Endlich mal eine Frau, die das erkennt und zu w?rdigen weiss. Luisa nimmt Marc die Leine aus der Hand und l?uft mit mir los.

»Kommt, wer als Erster an der Eisdiele ist!«

»Auch das noch! Dein armer, alter Vater!«

Auch Marc beginnt zu laufen, und schon kurz darauf biegen wir um die Ecke zur Eisdiele.

»Erster!«, ruft Luisa und stellt sich mit mir an die lange Schlange vor dem Eingang.

»Ja, aber du hast geschummelt. Herkules hat dich gezogen. Das z?hlt nicht.«

»Nee, Papa, du bist einfach zu langsam.«

Sie gibt Marc einen Kuss, und ich merke, wie mir wohlig warm wird. Nicht vom Rennen, sondern von dem sch?nen Gef?hl, dass hier endlich mal zwei Menschen miteinander gl?cklich sind. Hach, wenn Carolin nicht mehr auftaucht, bleibe ich einfach bei Marc und Luisa. Die kann mich gernhaben.

Offenbar kann Marc meine Gedanken lesen.

»Na, wir machen uns das auch ohne dein Frauchen nett, was?«

Luisa guckt Marc streng an.»Aber Papa! Wir k?nnen Caro doch ein Eis mitbringen! Oder ist sie heute Abend immer noch nicht da? Wo ist sie denn bloss?«

Marc streicht sich durch die Haare, er scheint zu?berlegen, was er Luisa antworten soll.

»Sag mal, Schatz, du hast mir gesagt, dass Caro noch mal wegwollte?«

»Genau. Du hast mir doch erkl?rt, dass sie momentan viel um die Ohren hat.«

»Richtig. Aber habt ihr euch noch ?ber irgendetwas anderes unterhalten?«

Luisa denkt nach.»Nein, eigentlich nicht … obwohl: doch! Ich habe ihr erz?hlt, dass du neulich mit Mama im Violetta warst.«

»Was? Woher weisst du das?«

»Von Mama. Mama hat mir ein Buch f?r dich mitgegeben. Sie sagt, dar?ber habt ihr im Violetta gesprochen. Und dann wollte Caro das Buch mal sehen. Aber ich habe mich gar nicht mehr mit ihr dar?ber unterhalten, denn dann musste sie ja schon weg.«

Marc schl?gt sich mit der Hand vor die Stirn. »Verdammte Scheisse!«

»Papa! So was darf man nicht sagen, das ist doch ein Klo-Wort!«

»Du hast Recht, entschuldige. Ist mir so rausgerutscht.«

»Bist du irgendwie b?se auf mich?«

»Nein, nein! Ich bin froh, dass du mir das erz?hlt hast.«

Und ich erst! Vielleicht wird doch wieder alles gut. Auch, wenn ich noch ziemlich sauer auf Carolin bin: Ich h?tte sie sehr, sehr gerne wieder zur?ck.

Auf dem R?ckweg erz?hlt Luisa jede Menge Geschichten aus dem Tussi-Club. Offenbar sind Lena und sie nun ein Herz und eine Seele, und ich bin froh, dass sich Luisa an der Schule endlich wohl zu f?hlen scheint. Und okay – stolz bin ich nat?rlich auch. Immerhin bin ich der Held in dieser Geschichte. Der Gedanke daran gibt meinem Herzen allerdings einen Stich: Eigentlich wollte ich doch auch f?r Cherie ein Held sein. Und dieser Plan ist wohl trotz aller Anstrengung grandios gescheitert. Ich glaube nicht, dass Herr Beck daran noch etwas ?ndern kann. So werde ich f?r Cherie immer der kleine, lustige Dackel bleiben.

Ich atme schwer. Irgendwie tue ich mir heute selbst leid. Der?rger mit Carolin, kein Gl?ck in der Liebe – das Dackelleben ist schwer. Ich lasse die ?hrchen h?ngen und laufe mit gesenktem Kopf hinter Marc und Luisa her. Vielleicht ist es auch besser, wenn ich Cherie nie, nie wiedersehe. Genau: Ich muss sie mir aus dem Herzen reissen! Besser einmal leiden, als immer das Gef?hl zu haben, ihr nicht gut genug zu sein. Wenn ich sie also in Zukunft sehe, werde ich einfach die Strassenseite wechseln. Ich werde mich in B?schen verstecken und werde in Zukunft …

»Hallo, Herkules.«

Ha! Eine Wahnvorstellung! Wir sind vor der Praxis angekommen, und direkt neben dem Hauseingang sitzt Cherie. Das ist doch nicht m?glich!

»Guten Tag, Herr Doktor Wagner!«

»Hallo, Frau Serwe! Alles in Ordnung? Ich habe heute ein bisschen fr?her Schluss gemacht, um meine Tochter abzuholen. Meine Mutter sollte mich allerdings anrufen, wenn etwas Dringendes passiert.«

»Nein, nein, alles in Ordnung. Es klingt verr?ckt, aber Cherie wollte unbedingt in diese Richtung. Wir drehen um diese Uhrzeit immer unsere Runde, und sie hat so gezogen und gezerrt, bis ich diesen Weg eingeschlagen habe. Seltsam, nicht? Wahrscheinlich kehrt sie immer gerne zu ihrem Lebensretter zur?ck.«

Marc zuckt mit den Schultern.»Tja, man h?rt die unglaublichsten Dinge ?ber Hunde. Sie sind eben schon sehr intelligente Tiere. Na, Cherie, wolltest du mich besuchen?« Er streichelt ihr ?ber den Kopf. Sie dreht sich zu mir.

»Nee, wollte ich eigentlich nicht. Ich wollte zu dir, Herkules. «

»Zu mir?«

»Dein Freund, der fette Kater, hat mich heute auf der Hundeauslaufwiese an der Alster besucht. Das war vielleicht ein Hallo unter den Hunden – er musste sich schnell auf einen Baum in Sicherheit bringen. Jedenfalls hat er mir erz?hlt, dass ihr diesen Verkehrsrowdy gefunden und ihm sogar seine Tasche geklaut habt.«

Ich nicke.»Ja, stimmt. Wir dachten, dass dein Frauchen ihn vielleicht mit der Tasche finden kann. Aber der zweite Teil des Plans hat nicht mehr geklappt – irgendjemand hat die Tasche aus unserem Versteck geklaut.«

»Herkules, du bist wirklich s?ss.«

Bilde ich es mir ein, oder strahlt mich Cherie an.»Aber … aber … jetzt bin ich doch kein Held. Weisst du, so wie der bl?de Alonzo. Ich meine, ich hab’s echt versucht. Und bin gescheitert.«

»Ist mir doch egal. Noch nie hat sich jemand so viele Gedanken um mich gemacht und so etwas Wagemutiges f?r mich getan. Das ist, was z?hlt. Wieso glaubst du denn, dass du ein Held sein musst?«

»Weil ich doch so gerne mal mit dir zusammen w?re. Nur wir zwei, weisst du?«

Es ist keine Einbildung: Cherie schenkt mir einen sehr warmen, liebevollen Blick.

»Ach, Herkules, warum hast du mich das denn nicht einfach mal gefragt?«

Gute Frage. Warum eigentlich nicht?

»Hm. Also, ich habe mich das nicht getraut. Du bist doch so eine tolle Frau. Und ich nur ein kleiner Mischling. Ich dachte, du lachst dich schlapp. Immerhin musstest du mich aus der Alster retten und nennst mich immerKleiner. Da dachte ich, ich muss erst etwas Besonderes schaffen.«

»Aber du bist doch selbst etwas Besonderes! Welcher Dackel kommt schon auf so viele verr?ckte Ideen wie du?«

Ich lasse wieder die Ohren h?ngen. Verr?ckte Ideen – das ist nun nicht gerade ein Kompliment. Aber Cherie stupst mich mit der Schnauze an und leckt mir ?ber das Maul. Ein tolles Gef?hl – mein ganzer K?rper f?ngt an zu kribbeln.

»He, das meine ich nett! Die meisten anderen wollen mich durch Kraft und Gr?sse beeindrucken. Das hast du gar nicht n?tig. Ich mag dich. Ehrlich!«

Wirklich? Ich gucke sie erstaunt an und werde verlegen.

»Ui, guck mal, Papi – ich glaube, Cherie und Herkules m?gen sich. Die haben sich eben abgeschleckt.«

Marc r?uspert sich, dann grinst er. »Tja, tats?chlich ein untr?gliches Zeichen f?r Zuneigung zwischen M?nnern und Frauen.«

»Sag mal, Luisa«, macht nun Claudia Serwe einen Vorschlag, »wo sich unsere beiden hier doch so gut verstehen, wollen wir da nicht mal mit ihnen zusammen spazieren gehen? Ich muss jetzt leider los, aber ich finde, wir sollten uns bald verabreden, damit Herkules und Cherie sich wiedersehen k?nnen.«

»Au ja!«, ruft Luisa. »Das ist eine Superidee. Vielleicht werden die beiden dann richtige Freunde. Und neue Freunde finden ist toll, das weiss ich von mir selbst.«

»Gut, ich rufe deinen Vater an, und dann machen wir etwas aus. Ich w?nsche noch einen sch?nen Abend!«

Bevor sich auch Cherie umdreht, um weiterzulaufen, zwinkert sie mir zu. Glaube ich jedenfalls. Ach was, ich bin mir sicher. Und mein kleines Herz schl?gt ganz schnell. Ich habe eine Verabredung!

Sehr beschwingt h?pfe ich hinter Marc und Luisa die Stufen zur Wohnung hoch. Dort empf?ngt uns Oma Wagner mit einer Miene wie mindestens drei Tage Regenwetter.

»Hat dich deine Freundin schon erreicht? Die Gute wirkte etwas aufgel?st.« So, wie Marcs Mutterdie Gute sagt, klingt es nicht eben freundlich. Sie hat schon den Abendbrottisch gedeckt und mir ein sehr leckeres Fresschen in den Napf gef?llt. Sch?n, so umsorgt zu werden – obwohl Oma Wagner momentan keinen besonders liebevollen Eindruck macht. Im Gegenteil. Sie scheint irgendwie sauer zu sein. Aber warum bloss?

»Nein. Warum? Was war denn los?«

»Sie vermisst ihren Hund. Ich habe dir gleich gesagt, dass der wohl ausgeb?xt war. Aber auf mich h?rt ja keiner.«

»Hast du ihr denn nicht gesagt, dass Herkules bei uns ist?«

»Nein.«

»Bitte?! Du hast es ihr nicht gesagt?«

»Weisst du, ich hatte nun wirklich keine Veranlassung, mit dieser Frau zu plaudern. Und ausserdem wollte sie ja unbedingt dich sprechen.«

»Also wirklich, Mutter!« Marc haut mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Was soll denn das? Wenn du jetzt beleidigt bist, weil ich eine neue Sprechstundenhilfe suche, beschwer dich bei mir. Aber h?r auf, Carolin so zu behandeln.«

In diesem Moment kommt Luisa ins Esszimmer.»Was ist mit Carolin? Kommt sie heute Abend immer noch nicht?«

»Doch, doch. Mach dir keine Sorgen. Ich rufe sie mal an.« Marc holt das Telefon, das auf der Anrichte liegt, und w?hlt eine Nummer, horcht kurz, w?hlt nochmal. »Mist. Festnetz besetzt und Handy ausgeschaltet. Komm, Herkules, du alter Fahnenfl?chtling. Wir fahren zu Frauchen.«

Carolin?ffnet uns die T?r, sieht mich – und nimmt mich sofort auf den Arm.

»Herkules, mein Schatz! Wo bist du denn gewesen? Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht!«

»Er sass vor etwa einer Stunde auf einmal vor unserer T?r. ?brigens: Hallo, Carolin.« Huch. Marc klingt sehr, sehr streng.

»Entschuldige – hallo erst mal. Aber weisst du, ich bin noch ganz aufgel?st. Ich habe Herkules ?berall gesucht. Und ich habe auch mit deiner Mutter telefoniert. Sie hat mir nicht gesagt, dass Herkules bei euch ist.«

»Ich weiss. Sie ist etwas indisponiert.«

»Bist du etwa abgehauen, Herkules?«

Ich wedele mit dem Schwanz. Schliesslich habe ich kein schlechtes Gewissen. Caro hat sich das selbst zuzuschreiben.

»Du b?ser, b?ser Hund! Frauchen hatte solche Angst. Warum machst du denn solche Sachen?«

»Na, wenn du diesen jungen Mann so schlecht behandelt hast wie mich, ist es offen gestanden kein Wunder.«

Carolin zieht die Augenbrauen nach oben, was von meiner Position auf ihrem Arm aus sehr lustig aussieht.»Ich dich schlecht behandelt? Was f?llt dir ein? Ich habe eher den Eindruck, dass du mir einiges zu erz?hlen hast.«

»Richtig, meine Liebe. Zuallererst n?mlich eines: Wer fremde Post liest, muss mit dem Inhalt auch selbst fertig werden.«

Carolin schnappt nach Luft.»Bitte? Wie meinst du das denn?«

Marc grinst.»Das Buch und die Widmung. Eindeutig f?r mich bestimmt.«

»Aber … aber … woher weisst du? Hat Luisa …?«

»Nein. Luisa hat das Gott sei Dank alles gar nicht mitbekommen. Aber mein Kumpel Herkules, der weiss noch, was Eigentum bedeutet. Er kam n?mlich nicht allein, sondern hatte das Buch in der Schnauze.«

Carolin starrt mich mit offenem Mund an.»Er hatte … was?!«

»Genau. Er hatte das Buch dabei. Ein Blick auf die Widmung, und ich wusste sofort, was los ist. Das h?tte mich allerdings nicht dazu gebracht, hier aufzulaufen. Denn ich bin mir keiner Schuld bewusst. Ja – ich habe mich mit Sabine getroffen. Weil sie mit mir ?ber unseren Streit sprechen wollte, und ich mit der Mutter meiner Tochter nicht in einer Dauerfehde leben will. Sie hat sich entschuldigt f?r die Tatsache, dass sie mich damals ohne jede Vorwarnung verlassen hat, und hat mich gebeten, die Entschuldigung anzunehmen. Ich habe gesagt, dass ich dr?ber nachdenke. Nicht mehr und nicht weniger ist passiert.«

Carolin vergr?bt ihr Gesicht in meinem Nacken. Das scheint ihr doch einigermassen unangenehm zu sein. Mit Recht! Dann guckt sie wieder hoch.

»Aber warum hast du mir denn nicht gesagt, dass du dich mit ihr triffst?«

»Ganz einfach: Weil du auf das Thema Sabine schon so gereizt reagiert hast, dass ich einfach keine Lust auf einen weiteren Streit mit dir hatte. Das war wahrscheinlich ein Fehler – aber keine Tods?nde. Finde ich jedenfalls.«

Caro setzt mich wieder runter und macht einen Schritt auf Marc zu.

»Es tut mir leid. Das war nicht richtig von mir.«

Marc nickt.»Aber jetzt habe ich auch eine Frage. Wo warst du gestern Nacht? Bei Nina?«

Caro sch?ttelt den Kopf. Marc atmet tief durch.

»Etwa bei Daniel?«

»Ja. Aber da habe ich gleich mal einen Vorschlag: Ich glaube dir – und du glaubst mir. Es ist nichts passiert, ich brauchte nur ein Bett.«

Marc z?gert, dann nickt er. »Okay. Vertrauen gegen Vertrauen.«

Endlich! Das klingt doch schon ganz gut, und ich pers?nlich finde, das w?re nun eine gute Gelegenheit f?r die beiden, sich zu k?ssen. Leider kommt in diesem Moment Nina die Treppe herunter und ruft schon von oben: »Mensch, Caro, wo bleibst du denn? Du wolltest doch jetzt … oh, hallo, Marc. Eigentlich dachte ich, wir steuern hier auf einen Frauenabend zu.«

»Nimm’s mir nicht ?bel – aber ich w?rde meine S?sse jetzt gerne mitnehmen. Bitte!«

»Marc, du kannst fast so herzerweichend wie Herkules gucken. Na gut. Ich habe zwar schon eine Flasche Rotwein aufgemacht, aber dann muss ich mir wohl Ersatz besorgen.«

»Du k?nntest dich doch zum Beispiel mit deinem Mitarbeiter treffen«, schl?gt Caro kurzerhand vor, »der wohnt ja nicht so weit von hier.« Sie kichert.

»Das ist nicht mehr mein Mitarbeiter. Ich habe ihn rausgeschmissen. «

»Echt? Wie gemein. Ich finde, du solltest da Privates und Berufliches trennen.«

Nina grinst.»Das tue ich auch. Genau deswegen hat Alex heute die Gruppe gewechselt. Ich kann Liebe im Job n?mlich nicht gebrauchen. Und er auch nicht. Das lenkt uns zu sehr ab. So, und jetzt werde ich ihm mal schnell Bescheid sagen, dass sich mein Frauenabend erledigt hat. Tsch?ss, ihr beiden. « Kurz bevorsie wieder nach oben verschwindet, dreht sie sich noch einmal um. »Ach, was wolltest du mir eigentlich so Dringendes erz?hlen?«

Caro guckt sie mit grossen Augen an. »Ich? Nichts. Ich wollte nur ein bisschen kl?nen.«

Ich liege in meinem K?rbchen und bin eigentlich gl?cklich und zufrieden. Aber nur eigentlich. Denn leider k?ndet ein dumpfes Grollen von draussen ein heftiges Gewitter an. Auch das noch! Dabei bin ich doch so m?de und w?rde gerne schlafen. Das Donnern wird lauter und kommt immer n?her. Ich versuche mich ganz tiefin meine Kuscheldecke zu vergraben. Vielleicht ist es dann nicht mehr ganz so laut.

Aber es nutzt nichts: Obwohl die Decke nun schon meine Ohren bedeckt, jagt mir jeder Donnerschlag neue Schauer?ber den R?cken. Der n?chste Blitz erleuchtet die Wohnung fast taghell. Und jetzt kracht es so laut, dass ich das Gef?hl habe, das ganz Haus wackelt. Mama! Angst!

Carolin hat es mir zwar streng verboten, aber es f?hrt kein Weg daran vorbei: Ich muss zu ihr ins Bett. Sonst kriege ich heute Nacht kein Auge mehr zu. Ich schleiche Richtung Schlafzimmer und dr?cke vorsichtig, aber feste mit der Schnauze gegen die T?r. Mit einem leisenKlack?ffnet sie sich, und ich husche hinein. Es ist zwar sehr dunkel, aber die Umrisse des Betts kann ich einigermassen erkennen. Schwupp! Schon habe ich es mir am Fussende bequem gemacht. So ist es eindeutig besser!

Zwei helle Blitze, direkt hintereinander, dann ein f?rchterlicher Donnerschlag! Ein ohrenbet?ubender L?rm – trotzdem f?hle ich mich jetzt sicher. Das Get?se scheint auch Marc und Carolin geweckt zu haben.

»Kannst du auch nicht schlafen?«

»Nee. Bei dem L?rm schwierig.«

»Ich bin froh, wieder hier zu sein. An wen sollte ich mich sonst kuscheln?«

»Hm, das klingt gut. Dann komm mal her, ich besch?tze dich.« Es kommt Bewegung unter die Bettdecke, und ich h?re, wie die beiden sich k?ssen. Na endlich! Darauf warte ich doch schon den ganzen Tag.

»Sag mal, bist du noch b?se wegen des Buchs?«

»Nein. Schwamm dr?ber. Bist du noch b?se wegen Sabine?«

Caro kichert.»Nein. Vergeben und vergessen. Und ich bin sehr, sehr froh, dass du dir eine neue Hilfe in der Praxis suchst.«

»Ja. Ich auch. Aber weisst du, was mich trotz des ganzen Streits heute sehr gl?cklich gemacht hat?«

»Nein, keine Ahnung.«

»Dass sich Luisa wirklich gefreut hat, dass du wiedergekommen bist. Sie hat dich ehrlich vermisst. Das finde ich sch?n. Ich bin n?mlich gerne eine Familie mit dir.«

Sie k?ssen sich wieder.

»Hm, das ist sch?n. Ich auch.«

»Weisst du, ich k?nnte mir sogar vorstellen, sie noch ein bisschen zu vergr?ssern.«

Wieder ein Kuss.

»Echt?«

»Ja, denn ich liebe dich. Sehr, sehr sogar.«

»Ich liebe dich auch.«

»Hmmhm. Das klingt gut. Dann k?nnten wir doch gleich mal … Ah! Was ist das? Irgendetwas Komisches liegt im Bett!«

Marc schaltet seine Nachttischlampe an.

»Herkules! Was f?llt dir ein? Was machst du hier?«

Carolin f?ngt an zu lachen. »Na, das Gewitter. Wahrscheinlich hat er Angst. Dann lass ihn halt hier schlafen.«

»Och n?! Nicht in unserem Bett. Okay, Herkules. Du kannst im Zimmer bleiben. Aber du schl?fstneben dem Bett!«

Wie hartherzig! Aber Marc klingt so entschlossen, dass ich brav von der warmen Decke h?pfe und mich neben das Bett lege. Wenigstens legt mir Carolin noch ein Kissen auf den Boden, in das ich mich kuscheln kann.

Ein paar Minuten vergehen, das Gewitter wird wieder heftiger. Ich bem?he mich, ruhig zu bleiben. Leicht ist es nicht.

»S?sse, kannst du schlafen?«

»Ja, in deinen Armen geht es.«

»Komm noch n?her ran, ich besch?tze dich.« Marc scheint sie jetzt an einer heiklen Stelle zu k?ssen. Jedenfalls kichert Caro. Toll. Und an mich denkt keiner.

Klack. Die T?r geht auf, und Luisa steht im Schlafzimmer.

»Papa, ich hab Angst. Ich kann nicht schlafen.«

Marc seufzt, und Carolin lacht.

»Na, dann komm zu uns ins Bett.«

Sofort schl?pft Luisa zu den beiden. Ein weiterer Donnerschlag. Nee, so geht es wirklich nicht. Ich will nicht der Einzige sein, der in so einer Nacht draussen schl?ft. Alle Verbote ignorierend, h?pfe ich wieder zu den dreien ins Bett.

»Oh, hallo, Herkules!«, freut sich Luisa. »Das ist ja toll! Jetzt sind wir alle in einem Bett. Komm zu mir, ich streichle dich, dann hast du bestimmt keine Angst mehr.« Das lasse ich mir nat?rlich nicht zweimal sagen und krieche weiter hoch.

»Na, bist du immer noch sicher, dass du eine gr?ssere Familie willst?«, zieht Caro Marc auf.

?ber Luisas und meinen Kopf hinweg gibt Marc ihr einen Kuss.

»Kurz und b?ndig: ja!«

Da ist es also endlich, mein Happy End. Schon seltsam, diese Menschen. Anstrengend ist es mit ihnen. Aber manchmal auch ganz sch?n sch?n.

Загрузка...