Der Baum war ein fünfzig Meter breites Rad aus Laub und Holz. Seine Rotation verlangsamte sich, und zögernd ließ er sich auf der Gravitationsquelle des Sternenkerns nieder.
Pallis, der Baum-Pilot, hing mit Händen und Füßen unter dem knorrigen Stamm des Baums. Der Sternenkern und das ihn umkreisende Gürtel-Bergwerk lagen in seinem Rücken. Kritisch blickte er durch das Blätterdach auf den Rauch, der zerrissen über den obersten Zweigen hing. Die Rauchschicht war nirgendwo auch nur annähernd dick genug: Er konnte genau sehen, wie das Sternenlicht durchschien und die runden Blätter des Baums umflutete. Er tastete sich mit den Händen am nächsten Zweig entlang und fühlte das leise Zittern der dünnen Holzschicht. Sogar hier, am Ansatz der Zweige, konnte er die schwankende Unsicherheit des Baumes fühlen. Zwei Kräfte wirkten auf den Baum ein: Einerseits versuchte er der tödlichen Schwerkraftquelle des Sterns zu entgehen, andererseits floh er vor dem Schatten der Rauchwolke, wodurch er wieder auf die Gravitationsquelle zugetrieben wurde. Es bedurfte eines geschickten Floßsteuermanns, um einen Ausgleich zwischen diesen beiden Kräften herzustellen; der Baum sollte sich in der erforderlichen Entfernung in einem dynamischen Gleichgewicht befinden.
Nun stießen die rotierenden Zweige des Baumes in die Luft, und er bewegte sich mit einem Ruck um gut einen Meter nach oben. Beinahe wäre Pallis heruntergefallen. Eine Wolke von Skitters taumelte aus dem Laubwerk; die kleinen, radförmigen Wesen schwirrten um sein Gesicht und seine Arme, während sie versuchten, in den Schutz des Baumes, aus dem sie stammten, zurückzugelangen.
Zum Teufel mit diesem Bengel…
Mit einer wütenden, fließenden Bewegung seiner Arme hangelte er sich durch das Blattwerk zur Oberseite des Baumes. Die zerklüftete Decke aus Rauch und Dampf hing einige Meter über seinem Kopf und war durch Rauchfäden lose mit den Ästen verbunden. Bald erkannte er, daß das feuchte Holz in mindestens der Hälfte der an den Ästen angebrachten Feuerkesseln verbraucht worden war.
Und Gover, sein sogenannter Assistent, war nirgendwo zu sehen.
Mit ins Laub eingerollten Zehen richtete sich Pallis zu seiner vollen Größe auf. Mit fünfzigtausend Schichten hatte er ein für die Verhältnisse im Nebel hohes Alter erreicht; aber sein Bauch war immer noch so flach und hart wie einer von den Baumstämmen aus seiner geliebten Baumflotte, und bei seinem Anblick schraken die meisten Menschen zurück vor dem Muster der durch die Zweige verursachten Narben, die sein Gesicht, seine Hände und seine Unterarme bedeckten und rot wurden, wenn er wütend war.
Und jetzt war er wütend.
»Gover! Bei den leibhaftigen Boneys, wo steckst du?«
Ein schmales, kluges Gesicht erschien über einem der Kessel am Rande des Baums. Gover befreite sich aus einem Nest von Blättern und trippelte über die Plattform aus Blättern, wobei ein Paket auf seinem schmalen Rücken baumelte.
Pallis stand mit verschränkten Armen und angespannten Muskeln da. »Gover«, sagte er leise, »ich frage dich noch einmal: Wo, zum Teufel, hast du gesteckt?«
Gover fuhr sich mit dem Handrücken über die Nase, deformierte dabei die Nasenlöcher, und als er die Hand wieder wegnahm, glitzerte sie feucht. »Ich war schon fertig«, murmelte er.
Pallis beugte sich über ihn. Govers Blick glitt über die Augen des Baum-Piloten und wieder von ihnen weg. »Du bist fertig, wenn ich dir sage, daß du fertig bist. Und keinen Moment früher.«
Gover sagte nichts.
»Schau…« Pallis tippte mit einem Finger auf Govers Paket. »Du trägst noch immer die Hälfte deines Holzhaufens mit dir herum. Die Feuer erlöschen. Und sieh dir die Rauchwand an. Mehr Löcher als in deinem verdammten Hemd. Mein Baum weiß nicht, wohin, wegen dir. Fühlst du nicht, wie er zittert?«
»Jetzt hör zu, Gover. Du bist mir scheißegal, aber der Baum nicht. Wenn du den Baum noch mehr aufregst, schmeiß’ ich dich über den Rand; wenn du Glück hast, fressen dich die Boneys zum Frühstück, und ich fliege mit dem Baum allein zum Floß zurück. Kapiert?«
Gover hing vor ihm, und seine Hände zerrten gleichgültig an dem zerfetzten Saum seines Hemdes. Nach einem Moment des Wartens zischte Pallis: »Und jetzt hau ab!«
Mit einer schnellen Bewegung zog sich Gover zum nächsten Kessel hinauf und zog Holz aus seinem Bündel. Bald füllten frische Rauchschwaden die Löcher in der Wolke, und das Zittern des Baums wurde schwächer.
Mit brodelnder Erregung beobachtete Pallis die ungeschickten Bewegungen des Jungen. Oh, er hatte auch in der Vergangenheit schlechte Assistenten gehabt, aber in den guten alten Zeiten waren die meisten wenigstens bereit gewesen, zu lernen, es wenigstens zu versuchen. Und nach und nach, je mehr harte Schichten sie hinter sich gebracht hatten, waren diese jungen Leute zu verantwortungsbewußten Männern und Frauen geworden, deren Geist sich im gleichen Maße stählte wie ihr Körper.
Aber diese hier nicht. Nicht diese Generation.
Das war bereits sein dritter Flug mit dem jungen Gover. Und der Kerl war immer noch so mürrisch und störrisch wie beim ersten Einsatz auf den Bäumen; Pallis konnte es kaum erwarten, ihn an die Wissenschaft zurückzugeben.
Seine Augen suchten ruhelos den roten Himmel ab. Die fallenden Sterne sahen aus wie ein Haufen Nadelspitzen, die in den Weiten entschwanden; die Tiefen des Nebels, weit unter ihm gelegen, waren eine dunkelrote Sinkgrube. War seine nostalgische Verachtung für die Jugend von heute nur ein Symptom des Älterwerdens? Oder hatten sich die Menschen tatsächlich verändert?
Nun, es gab keinen Zweifel, daß zumindest die Welt um ihn herum sich wirklich verändert hatte. Der frischblaue Himmel und die wohlriechende Luft waren nur noch Erinnerungen aus seiner Jugendzeit; die Luft verwandelte sich in einen rauchigen Mief, und das Wesen der Menschen schien sich mit der Luft zu verdüstern.
Und eins stand fest: Seine Bäume mochten diesen Dunst nicht.
Er seufzte und versuchte, seine Grübeleien zu verdrängen. Die Sterne fielen weiter herunter, unabhängig von der Farbe des Himmels. Das Leben ging weiter, und er hatte seine Arbeit zu erledigen.
Leichte Vibrationen spielten unter den Sohlen seiner nackten Füße und signalisierten ihm, daß der Baum nun fast stabil war und am Rand der Schwerkraftquelle des Sternenkerns schaukelte. Gover bewegte sich schweigend an den Feuerkesseln entlang. Verdammt, der Kerl konnte seine Arbeit gut machen, wenn man ihn dazu zwang. Das war das Ärgerlichste an ihm. »Okay, Gover, ich möchte, daß diese Schicht Holz während meiner Abwesenheit am Brennen gehalten wird. »Und der Gürtel ist nicht sehr groß; wenn du faul bist, wird mir das nicht entgehen. Kapiert?«
Gover nickte, ohne ihn anzusehen.
Pallis schlüpfte durch das Laub und dachte an die bevorstehenden schwierigen Verhandlungen.
Rees hatte Schichtende. Müde schob er sich durch die Tür der Gießerei.
Kühle Luft trocknete den Schweiß auf seiner Stirn. Er hangelte sich an den Seilen und Dächern entlang zu seiner Kabine, wobei er seine Hände und Arme mit einem gewissen Interesse betrachtete. Einer der älteren Arbeiter hatte eine Schaufel mit flüssigem Eisen fallen lassen, und Rees hatte einem daraus entstehenden Hagel geschmolzenen Metalls gerade noch ausweichen können. Einige Tropfen waren trotzdem auf seine Haut geraten und hatten kleine Krater eingebrannt, die…
Ein großer Schatten huschte über den Gürtel, und ein Lufthauch strich über seinen Rücken. Er schaute auf, und ein Gefühl plötzlicher Kälte breitete sich auf seiner Schädeldecke aus.
Der Baum war eine großartige Erscheinung vor der Kulisse des rötlichen Himmels. Seine Dutzende von strahlenförmigen Zweigen und der Schleier seiner Blätter drehten sich mit ruhiger Gelassenheit; der Baum war wie ein großer, hölzerner Schädel, der in die endlosen Weiten der Atmosphäre blickte.
Das war es. Die Gelegenheit, vom Gürtel zu fliehen.
Die Proviantbäume waren das einzige bekannte Transportmittel vom Gürtel zum Floß, und so hatte Rees nach der Implosion der Gießerei beschlossen, sich mit dem nächsten Baum, der zum Gürtel kam, auf und davonzumachen. Er hatte begonnen, Lebensmittel zu horten, getrocknetes Fleisch in Tuchbündel einzupacken und Feldflaschen mit Wasser zu füllen…
Manchmal, während seiner Freischichten, hatte er wachgelegen und seine behelfsmäßigen Vorbereitungen angestarrt, und eine dünne Schweißschicht hatte seine Stirn bedeckt, wenn er darüber nachdachte, ob er den Mut haben würde, den entscheidenden Schritt zu tun.
Nun war der Moment da. Während er auf den herrlichen Baum starrte, erforschte er seine Gefühle: Er wußte, daß er kein Held war und hatte mehr oder weniger erwartet, daß Furcht ihn wie ein Netz aus Seilen festhalten würde. Aber keine Spur von Angst. Sogar der brennende Schmerz in seiner Hand war verschwunden. Er spürte nur eine gehobene Stimmung; die Zukunft war wie ein leerer Himmel, der sicherlich Raum für Hoffnungen bot.
Er eilte zu seiner Kabine und holte sein schon verschnürtes Proviantbündel. Dann erklomm er die Außenwand seiner Kabine.
Ein Seil hatte sich von dem Baumstamm gelöst, überbrückte die Distanz von fünfzig Metern zum Gürtel und streifte an den rotierenden Kabinen entlang. Ein Mann ließ sich mit selbstbewußtem Gesichtsausdruck am Seil herunter; er war mit Narben bedeckt, alt und muskulös, fast ein Teil des Baumes selbst. Ohne den ihn fixierenden Rees zu beachten, ließ sich der Mann durch die Luft zu einer Kabine fallen und begann seine Runde um den Gürtel zu machen.
Rees hing mit einer Hand an seiner Kabine. Die Rotation des Gürtels brachte die Kabine immer weiter in die Richtung des von dem Baum herabhängenden Seils; als es nur noch einen Meter von ihm entfernt war, packte er es und schwang sich ohne zu zögern vom Gürtel hinunter.
Wie immer beim Schichtwechsel war der Raum des Quartiermeisters voller Menschen. Pallis wartete draußen und beobachtete, wie sich die Rohre und Kabinen des Gürtels um den Sternenkern bewegten. Schließlich arbeitete sich Sheen mit zwei Feldflaschen durch die Menschenmenge.
Sie zogen sich in die relative Abgeschiedenheit eines langen Rohrstücks zurück und hoben schweigend ihre Flaschen. Ihre Augen trafen sich für einen Moment. Pallis schaute verlegen weg und schämte sich gleich darauf deswegen.
Zu den Boneys damit. Was vorbei war, war vorbei.
Er nippte an dem Schnaps und bemühte sich, sein Gesicht nicht zu verziehen. »Ich glaube, dieses Zeug ist besser geworden«, sagte er schließlich.
Sie runzelte die Stirn. »Tut mir leid, daß wir nichts Besseres anbieten können. Zweifellos habt ihr einen etwas gehobeneren Geschmack.«
Er fühlte, wie seiner Kehle ein Seufzer entwich. »Verdammt, Sheen, ich will mich nicht mit dir streiten. Ja, auf dem Floß gibt es eine Brennerei. Ja, das, was sie produziert, ist verdammt besser als diese wiederaufbereitete Pisse. Und jeder weiß das. Aber dieses Zeug ist wirklich etwas besser als früher. Okay? Können wir jetzt zum geschäftlichen Teil zurückkehren?«
Sie zuckte gleichmütig die Achseln und nippte an ihrem Getränk. Er beobachtete, wie sich das diffuse Licht in ihrem Haar reflektierte, und wieder fühlte er sich zu ihr hingezogen. Verdammt noch mal, er mußte sich dagegen wehren. Es mußten bereits fünftausend Schichten her sein, seit sie miteinander geschlafen hatten; damals hatten ihre Körper in Sheens Hängematte gebaumelt, während der Gürtel sich lautlos um seinen Stern drehte…
Es war ein Gelegenheitsfick gewesen; zwei erschöpfte Menschen hatten zueinandergefunden. Nun, zum Teufel damit, es störte nur die Geschäfte. Er hatte in der Tat den Eindruck, daß die Bergarbeiter sie dazu benutzten, in den Verhandlungen mit ihm ihre Position zu stärken, wohl wissend, welche Wirkung sie auf ihn ausübte. Es war ein hartes Spiel. Und es wurde immer härter…
Er versuchte sich darauf zu konzentrieren, was sie sagte. »…Unsere Produktion ist also rückläufig. Wir können die vereinbarte Ladung nicht liefern. Gord sagt, es wird fünfzig Schichten dauern, bis die Gießerei wieder funktionstüchtig ist. Und da hat er recht.« Sie schwieg und sah ihn herausfordernd an.
Seine Augen lösten sich von ihrem Gesicht und suchten unwillig den Gürtel ab. Die zerstörte Gießerei war eine rußige, runzlige Wunde in der Kette der Kabinen. Für einen Moment ließ er seine Gedanken zur Szene dort drinnen während des Unglücks abschweifen — die Wände eingedrückt, die Schaufeln zu geschmolzenem Eisen zerfließend…
Es schauderte ihn.
»Es tut mir leid, Sheen«, sagte er dann langsam. »Wirklich. Aber…«
»Aber du wirst uns nicht den vollen Preis zahlen«, meinte sie bitter.
»Verdammt, ich bestimme die Spielregeln nicht. Ich habe einen ganzen Baum mit Nachschub dort oben; ich bin bereit, dir so viel zu geben, wie ich in Eisen zurückbekomme, zum vereinbarten Tauschkurs.«
Sie zischte durch die zusammengepreßten Zähne und starrte ihr Getränk an. »Pallis, ich hasse es zu betteln. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich das hasse. Aber wir brauchen diesen Nachschub. Aus unseren Wasserhähnen kommt nur noch eine schmutzige Brühe. Wir sind krank, wir sterben…«
Er trank aus. »Hör auf damit, Sheen«, sagte er in einem rauheren Ton, als er beabsichtigt hatte.
Sie hob den Kopf und fixierte ihn mit zu Schlitzen verengten Augen. »Du brauchst unser Metall, Floßmensch. Vergiß das nicht.«
Er atmete tief durch. »Sheen, wir haben noch eine weitere Quelle. Du weißt das. Die alte Besatzung hatte zwei Sternenkerne gefunden, die sich in hübschen Kreisen um den Kern des Nebels drehen…«
Sie lachte leise. »Und weißt du, daß das andere Bergwerk nicht mehr produziert? Oder etwa doch, Pallis? Wir wissen noch nicht, was mit ihm geschehen ist, nur, daß es nicht mehr produziert. Lassen wir also diese Scharade.«
Scham wallte in ihm auf; er fühlte sein Gesicht rot werden und stellte sich seine Narben vor, wie sie als fahles Netz hervortraten. Sie wußten es also. Wenigstens, dachte er düster, wenigstens hatten wir das einzige andere Bergwerk des Nebels evakuiert, als jener Stern zu dicht an ihm herunterfiel. Wenigstens waren wir dazu anständig genug. Aber wir waren nicht anständig genug, um in dieser unangenehmen Sache die Wahrheit zu sagen, denn wir wollten unsere Dominanz über diese Leute aufrechterhalten…
»Sheen, das führt zu nichts. Ich tue nur meine Arbeit, und auf alles andere habe ich keinen Einfluß.« Er reichte seine Flasche zurück. »Du hast eine Schicht, um dir zu überlegen, ob du meine Bedingungen akzeptierst. Dann fahre ich ab, egal, wie du dich entschieden hast. Und — Sheen, überlege doch mal: Wir können unser Eisen viel leichter recyceln als ihr eure Nahrung und euer Wasser.«
Sie musterte ihn leidenschaftslos. »Geh zum Teufel, Floßmann!«
Pallis fühlte, wie seine Schultern einsackten. Er wandte sich um und ging langsam zur nächsten Wand, von wo aus er zu dem Baumseil springen konnte.
Eine Gruppe Mineure, die Eisenplatten auf ihren Rücken gebunden hatten, kletterte den Baum hinauf. Unter der Aufsicht des Piloten wurden die Platten in großen Abständen sicher am Rand des Baumes befestigt. Auf dem Rückweg zum Gürtel waren die Bergleute mit Körben voll frischer Lebensmittel und Wasser beladen.
Rees, der die Szene aus dem Laub beobachtete, konnte nicht verstehen, warum so viele Lebensmittelkörbe im Baum zurückgelassen wurden.
Er hatte sich dicht an einen über einen halben Meter starken Ast geschmiegt und achtete sorgfältig darauf, sich nicht die Handflächen an dem messerscharfen Grat aufzuschneiden — zudem hatte er sich in eine Blätterschicht eingewickelt. Er konnte nicht sagen, wie spät es war, aber das Be- und Entladen des Baumes mußte mehrere Schichten in Anspruch genommen haben. Seine Augen waren weit geöffnet, und er konnte nicht einschlafen. Er wußte, daß sein Fehlen bei der Arbeit mindestens ein paar Schichten lang unbemerkt bleiben würde — und, so dachte er mit einer leisen Traurigkeit, es würde noch länger dauern, bis irgend jemand sich die Mühe machen würde, nach ihm zu suchen.
Nun, die Welt des Gürtels lag jetzt runter ihm. Welche Gefahren die Zukunft auch immer für ihn bereithalten mochte, es würden auf jeden Fall neue sein.
Er hatte eigentlich nur zwei Probleme: Hunger und Durst…
Gleich nachdem er sein Versteck im Laub bezogen hatte, war ein Malheur passiert. Einer der Arbeiter des Gürtels war über seinen kärglichen Proviantvorrat gestolpert; im Glauben, daß dieser Vorrat den verhaßten Besatzungsmitgliedern des Floßes gehörte, hatte er die Bissen unter seinen Kameraden aufgeteilt. Rees hatte Glück gehabt, daß er selbst nicht entdeckt worden war… aber nun hatte er keinen Proviant mehr, und das Rumoren in seinem Bauch hatte nun auch seinen Kopf ergriffen.
Aber endlich war das Be- und Entladen beendet; und als der Pilot den Baum startete, vergaß Rees sogar seinen Durst.
Als der letzte Bergarbeiter zum Gürtel hinuntergerutscht war, wickelte Pallis das Seil auf und hängte es an einen am Baumstamm angebrachten Haken. Sein Besuch war also zu Ende. Sheen hatte nicht mehr mit ihm gesprochen, und für einige Schichten hatte er das mürrische Schweigen von Fremden ertragen müssen. Er schüttelte den Kopf und wandte seine Gedanken mit einiger Erleichterung dem bevorstehenden Flug zu. »Komm, Gover, rühr dich! Die Kessel müssen an der Unterseite des Baumes angebracht, gefüllt und angezündet sein, bevor ich mit dem Aufwickeln dieses Seiles fertig bin. Oder möchtest du lieber auf den nächsten Baum warten?«
Gover machte sich vergleichsweise entschlossen an die Arbeit, und bald breitete sich eine Rauchwolke unter dem Baum aus, die den Gürtel und seinen Stern verdeckte.
Pallis stand dicht am Stamm, wobei seine Hände und Füße das energische Pulsieren des Saftes spürten. Es war beinahe, als könne er die Gedanken des Baumes lesen, der auf die sich unter ihm ausbreitende Dunkelheit reagierte. Der Stamm summte hörbar; die Zweige stießen in die Luft; das Laub wogte und raschelte, und Skitters taumelten umher, verwirrt vom abrupten Wechsel der Windgeschwindigkeit; und dann hob die große Drehplattform mit einem grotesk wirkenden Stoß von dem Stern ab. Der Gürtel und das Elend seiner Menschen schrumpften auf Spielzeuggröße zusammen und verschwanden langsam im Nebel; und Pallis, Hände und Füße gegen das fliegende Holz gepreßt, war da, wo er sich am glücklichsten fühlte.
Seine Zufriedenheit dauerte ungefähr anderthalb Schichten an. Er ging auf der hölzernen Plattform umher und sah schwermütig zu, wie die Sterne durch die stille Luft glitten. Der Flug war nicht gerade sanft.
Oh, Govers ausgedehnte Schlafphasen waren dadurch nicht zu stören, aber für Pallis’ empfindliche Sinne war es, als ob er während eines Sturmes auf einem Skitter reiten würde. Er preßte das Ohr an den drei Meter hohen Baumstamm und konnte fühlen, wie der Bole in seiner Vakuumkammer herumwirbelte, um die Rotation des Baumes auszugleichen.
Es hatte den Anschein, als ob der Baum nicht gleichmäßig beladen worden wäre. Aber das war unmöglich. Er hatte das Verstauen der Ladung selbst beaufsichtigt, um sicher zu sein, daß die Masse gleichmäßig am Rand entlang verteilt wurde. Eine solche Unregelmäßigkeit nicht bemerkt zu haben, wäre für ihn gewesen wie… nun, als ob er vergessen hätte, zu atmen.
Was also war die Ursache?
Mit einem ungeduldigen Brummen stieß er sich von dem Baumstamm ab und stapfte zum Rand. Er machte sich an den vertäuten Ladungen zu schaffen, überprüfte nochmals systematisch jede Platte und jeden Korb und rief sich den Vorgang des Beiadens ins Gedächtnis zurück…
Er verlangsamte seine Schritte und hielt inne. Einer der Lebensmittelkörbe war aufgebrochen worden; seine Plastikhülle war an zwei Stellen aufgerissen, und der Korb selbst war halbleer. Schnell überprüfte er einen in der Nähe stehenden Wasserbehälter. Er war ebenfalls aufgebrochen und leer.
Er fühlte heißen Atem in die Nase steigen. »Gover! Gover, komm her!«
Der Junge näherte sich langsam; sein schmales Gesicht zeigte eine ängstliche Anspannung.
Pallis stand unbeweglich da, bis Gover auf Armeslänge herangekommen war; dann holte er mit seiner rechten Hand aus und packte den Assistenten an der Schulter. Der Junge schnappte nach Luft und wand sich, konnte sich aber nicht aus dem Griff befreien.
Pallis zeigte auf die beschädigten Körbe. »Was sagst du dazu?«
Der Blick, mit dem Gover die Körbe anstarrte, zeigte, daß er wirklich schockiert war.
»Ich hab’ es nicht getan, Pilot. Ich würde niemals so dumm sein… ah!«
Pallis bohrte seinen Daumen tiefer in das Gelenk des Jungen und suchte nach dem Nerv. »Glaubst du, ich habe diese Lebensmittel vor den Bergleuten versteckt, damit du dein nutzloses Gesicht damit fettfressen kannst? Jetzt, du kleiner Hosenscheißer, hält mich nichts mehr davon ab, dich über Bord zu werfen. Wenn ich zum Floß zurückkomme, werde ich dafür sorgen, daß kein einziger Tag deines Lebens vergeht, ohne daß die Welt erfährt, was für ein verlogener, diebischer… kleiner…«
Er brach ab, und seine Wut verzog sich.
Irgend etwas stimmte aber noch immer nicht. Die den Körben entnommene Proviantmenge reichte auch nicht annähernd aus, um die Unwucht des Baumes zu erklären. Und was Gover betraf nun, er hatte sich bereits in der Vergangenheit als ein Dieb, Lügner und noch Schlimmeres erwiesen, aber er hatte recht: Er war bei weitem nicht dumm genug, um so etwas zu tun.
Widerstrebend ließ er die Schulter des Jungen los. Gover rieb sich das Gelenk und starrte Pallis vorwurfsvoll an. Pallis kratzte sich am Kinn. »Wenn du das Zeug nicht genommen hast, Gover, wer dann? He?«
Bei den Boneys, sie hatten einen blinden Passagier.
Behende ließ Pallis sich auf alle viere nieder und preßte seine Hände und Füße gegen das Holz eines Zweiges. Er schloß die Augen und konzentrierte sich auf die leichte Vibration. Wenn die Unwucht nicht am Rand war, wo dann…?
Abrupt richtete er sich auf und rannte ungefähr ein Viertel des Umfangs am Rand entlang, wobei nur seine Zehen das Laub berührten. Er hielt einige Sekunden lang inne und umklammerte wieder mit den Händen einen Ast; dann bewegte er sich langsamer auf das Zentrum des Baumes zu und hielt auf halbem Wege zum Stamm an.
Es war ein kleines Nest im Laub. Durch die Blätterbüschel konnte er ein paar Fetzen von verblaßtem Tuch, einen unordentlichen schwarzen Haarschopf und eine kraftlos baumelnde Hand sehen; die Hand gehörte einem Jungen oder einem jungen Mann, aber sie war stark mit Schwielen bedeckt und wies eine Menge kleiner Wunden auf.
Pallis richtete sich zu voller Größe auf. »Nun, hier haben wir unsere unerwartete Fracht, Assistent. Wünsche wohl geruht zu haben, der Herr. Hätten Sie jetzt gerne Frühstück?«
Das Nest explodierte. Skitters schwirrten aufgescheucht aus dem Geäst und flogen weg; und schließlich stand halb gebeugt ein Junge vor Pallis, mit verschlafenen Augen und vor Schreck aufgerissenem Mund.
Gover trat neben Pallis. »Bei den Boneys, es ist eine Minenratte.«
Pallis’ Augen wanderten zwischen den beiden Jungen hin und her. Die beiden schienen im gleichen Alter zu sein, aber während Gover wohlgenährt war, jedoch wenig Muskeln hatte, hatte der blinde Passagier einen Leib wie eine Skulptur, und seine Muskeln waren so stark wie die eines Mannes; und was seine Hände betraf, so sah man ihnen die vielen Stunden harter Arbeit deutlich an. Um die Augen hatte der Junge dunkle Ränder. Pallis erinnerte sich an die implodierte Gießerei und fragte sich, wie viele Momente des Schreckens der junge Mann schon durchlebt hatte. Nun schwellte der Junge herausfordernd seine Brust und ballte die Hände zu Fäusten.
Gover stand mit verschränkten Armen da und grinste. »Was machen wir mit ihm, Pilot? Ihn den Boneys vorwerfen?«
Pallis wandte sich knurrend zu ihm um. »Gover, manchmal widerst du mich wirklich an.«
Gover zuckte zurück. »Aber…«
»Hast du die Feuerkessel schon gereinigt? Nein? Dann tu es. Jetzt!«
Mit einem letzten, unheilverkündenden Blick auf den blinden Passagier machte sich Gover unbeholfen über den Baum davon.
Der blinde Passagier sah ihm mit einiger Erleichterung nach und wandte sich dann wieder zu Pallis um.
Der Zorn des Piloten war verflogen. Er hob beschwichtigend die Hände. »Keine Angst. Ich werde dir nichts tun. Und vor diesem Nichtsnutz brauchst du auch keine Angst zu haben. Sag mir deinen Namen.«
Der Mund des Jungen bewegte sich, aber kein Laut kam heraus; er leckte über seine rissigen Lippen und brachte es dann fertig, ›Rees‹ zu sagen.
»Okay. Ich heiße Pallis. Ich bin der Pilot dieses Baumes. Weißt du, was das bedeutet?«
»Ich… ja.«
»Bei den Boneys, du bist ja vollkommen ausgetrocknet, nicht wahr? Kein Wunder, daß du das Wasser genommen hast. Das warst doch du, oder? Und die Lebensmittel?«
Der Junge nickte zögernd. »Tut mir leid. Ich werde es bezahlen…«
»Wann? Wenn du auf den Gürtel zurückkommst?«
Der Junge schüttelte mit glänzenden Augen den Kopf. »Nein, ich gehe nicht zurück.«
Pallis ballte die Hände zu Fäusten und stemmte sie in die Hüften. »Jetzt hör mir mal gut zu. Du wirst zurückgehen müssen. Du darfst auf dem Floß bleiben, bis der nächste Versorgungsbaum zum Gürtel abgeht; aber dann wirst du zurückgebracht. Ich erwarte, daß du als Gegenleistung für den Transport arbeitest. Alles klar?«
Rees schüttelte wieder seinen Kopf, und sein Gesicht war eine Maske der Entschlossenheit.
Pallis musterte den jungen Bergmann und begann ihn wider Willen sympathisch zu finden. »Du bist immer noch hungrig, nicht wahr? Und durstig wahrscheinlich auch. Komm mit. Ich habe meine — und Govers — Ration am Stamm deponiert.«
Er führte den Jungen über die Oberfläche des Baumes. Verstohlen blickte er sich um, als der Junge sich mühsam über die laubbedeckte Plattform schleppte, mit seinen Füßen Halt suchte und sie dann in das Blattwerk eingrub, so daß er auf dem Baum ›stehen‹ konnte. Der Kontrast zu Govers linkischem Stolpern war bemerkenswert. Pallis ertappte sich bei dem Gedanken, was für einen Waldläufer der Junge wohl abgeben würde…
Nach einigen Dutzend Metern scheuchten sie einen Schwarm Skitters auf. Die kleinen Wesen schwirrten in Rees’ Gesicht, und er machte verblüfft einige Schritte rückwärts. Pallis lachte. »Keine Angst. Skitters sind harmlos. Sie sind die Samen, aus denen ein Baum wird…«
Rees nickte. »Hab’ ich mir schon gedacht.«
Pallis zog eine Augenbraue hoch. »Wirklich?«
»Ja. Die Form ist offensichtlich dieselbe. Nur die Größe ist unterschiedlich.«
Pallis lauschte in überraschtem Schweigen der ernsten, rauhen Stimme.
Sie erreichten den Stamm. Rees stand vor dem großen, zylindrischen Gebilde und fuhr mit den Fingern über das knorrige Holz. Pallis unterdrückte ein Lächeln. »Leg dein Ohr an das Holz. Mach schon!«
Rees gehorchte ihm mit einem erstaunten Blick, der sich zu einer fast komischen Freude wandelte.
»Das ist der hole, der sich im Innern des Stamms dreht. Du siehst, der Baum ist durch und durch lebendig.«
Rees’ Augen waren weit aufgerissen.
Nun unterdrückte Pallis sein Lächeln nicht länger. »Aber ich fürchte, daß du nicht mehr allzu lange leben wirst, wenn du jetzt nichts zu trinken und zu essen bekommst. Hier…«
Nachdem er den Jungen eine Viertelschicht lang hatte schlafen lassen, schickte Pallis ihn an die Arbeit. Bald beugte sich Rees über einen Feuerkessel und kratzte mit geschnitzten Holzschaufeln Asche und Ruß von dem Eisen ab. Pallis stellte fest, daß Rees schnell und gründlich arbeitete, unabhängig davon, ob man ihn beaufsichtigte oder nicht. Wieder einmal nahm sich Gover dagegen schlecht aus, und den Blicken nach zu urteilen, die er Rees zuwarf, glaubte Pallis, daß Gover sich dessen auch bewußt war.
Nach einer halben Schicht brachte Pallis Rees eine Feldflasche. »Hier; du hast eine Pause verdient.«
Rees stapfte durch das Laubwerk zurück und knetete seine steifen Hände. Sein Gesicht war schmutzig von Schweiß und Ruß, und er sog dankbar an dem Getränk. Spontan sagte Pallis: »In diesen Kesseln ist Feuer. Vielleicht bist du schon von selbst darauf gekommen. Kannst du dir denken, wie sie funktionieren?«
Rees schüttelte den Kopf, und waches Interesse hellte sein müdes Gesicht auf.
Pallis beschrieb das einfache Sensorium des Baumes. Der Baum war im Grunde genommen ein großer Propeller. Das große Gewächs reagierte auf zwei Grundreize — Schwerkraftfelder und Licht — und in ihrem ungezähmten Zustand trieben große Wälder mit Bäumen aller Größen und Altersklassen durch die Wolken des Nebels, und ihre Blätter und ihr Geäst absorbierten Sternenlicht, von dem alle fliegenden Pflanzen und Tiere lebten, und fingen die Flüssigkeit von prallen Regenwolken auf.
Rees hörte zu und nickte ernst. »Also drückt der Baum gegen die Luft, indem er sich schneller oder langsamer dreht, und er kann Schwerkraftquellen ausweichen oder sich auf das Licht zubewegen.«
»Richtig. Die Kunst des Piloten besteht darin, eine Rauchwolke zu erzeugen, die das Licht nicht durchläßt, und so den Flug des Baumes zu steuern.«
Rees runzelte die Stirn, seine Augen blickten in die Ferne. »Aber was ich nicht verstehe, ist, wie der Baum seine Rotationsgeschwindigkeit ändern kann.«
Wieder war Pallis überrascht. »Du stellst kluge Fragen«, sagte er langsam. »Ich will versuchen, es dir zu erklären. Der Stamm ist ein hohler Zylinder; in ihm befindet sich ein anderer, solider Zylinder, bole genannt, der in einer Vakuumkammer aufgehängt ist. Der Stamm und der Rest des Baumes bestehen aus einem leichten, feinfaserigen Holz; aber der bole ist eine Masse von wesentlich kompakterem Material, und die Vakuumkammer ist mit Streben und Rippen verstärkt, damit sie nicht zusammenfällt. Und der bole dreht sich in seiner Kammer. Muskelähnliche Fasern bewirken, daß er sich schneller dreht als ein Skitter.
Also — wenn der Baum sich schneller drehen will, bremst er den bole ein wenig ab, und die Bewegungsenergie des bole überträgt sich auf den Baum. Und wenn der Baum langsamer werden will, dann ist es, als ob er etwas von seiner Rotationsgeschwindigkeit an den bole zurückgeben würde.« Er rang nach Worten, um den Sachverhalt klarer auszudrücken; vage, halbverstandene Bruchstücke aus naturwissenschaftlichen Vorlesungen schossen ihm durch den Kopf: Trägheitsmoment, Erhaltung der Winkelgeschwindigkeit…
Mit einem Achselzucken gab er seine Bemühungen auf. »Besser kann ich es nicht erklären. Hast du es verstanden?«
Rees nickte. »Ich glaube schon.« Merkwürdigerweise schien er mit Pallis’ Antwort zufrieden zu sein; es war ein Blick, der den Piloten an die Wissenschaftler erinnerte, mit denen er zusammengearbeitet hatte, ein Blick, der die Freude darüber ausdrückte, die Funktionsweise eines Mechanismus verstanden zu haben.
Vom Rand des Baumes beobachtete Gover sie mißmutig.
Pallis ging langsam zurück zu seinem Arbeitsplatz am Stamm. Er fragte sich, wieviel Bildung ein durchschnittlicher Bergmann mitbekam. Er bezweifelte, daß Rees auch nur lesen und schreiben konnte. Zweifellos wurde jedes Kind, sobald es stark genug war, zu muskelstählender Knochenarbeit in der Gießerei oder auf der brüchigen Oberfläche des Sterns herangezogen…
Und es wurde durch die ökonomischen Verhältnisse im Nebel dazu gezwungen, erinnerte er sich nachdrücklich; wirtschaftliche Verhältnisse, die er — Pallis — aufrechtzuerhalten half.
Er schüttelte betrübt den Kopf. Pallis hatte niemals die auf dem Floß verbreitete Ansicht akzeptiert, daß die Mineure eine Art Untermenschen waren, die nur für die Schufterei taugten, die sie auszuhalten hatten. Welche Lebenserwartung hatten die Bergleute überhaupt? Dreißigtausend Schichten? Oder vielleicht noch weniger? Würde Rees lange genug leben, um zu verstehen, was ›Winkelgeschwindigkeit‹ war? Welch einen tollen Waldläufer er abgeben würde… oder, wie er sich mit Bedauern eingestand, vielleicht einen noch besseren Wissenschaftler.
Ein vager Plan begann in seinem Kopf Gestalt anzunehmen.
Rees kam zum Stamm und nahm die Ration in Empfang, die es zu jedem Schichtende gab. Der junge Bergmann suchte geistesabwesend den leeren Himmel ab. Während der Baum zum Floß emporstieg, weg von dem Kern und auf den Rand des Nebels zu, wurde die Luft merklich heller.
Ein entferntes Geräusch überlagerte das Seufzen des Windes im Geäst; eine dissonante, laute und unheimliche Tonfolge.
Rees sah Pallis fragend an. Der Baumpilot lächelte. »Das ist der Gesang eines Wales.« Rees schaute sich eifrig um, aber Pallis meinte nur: »Ich würde mir darüber keine Gedanken machen. Das Biest könnte kilometerweit weg sein…« Der Pilot betrachtete Rees nachdenklich. »Rees, etwas hast du mir noch nicht gesagt. Du bist ein blinder Passagier, stimmt’s?« Aber du hast doch mit Sicherheit keine Vorstellung davon, wie es auf dem Floß aussieht. Also… warum hast du es dann getan? Wovor bist du weggelaufen?
Rees’ Augenbrauen wölbten sich, als er sich überlegte, was er auf die Frage antworten sollte. »Ich bin vor gar nichts weggelaufen, Pilot. Das Bergwerk ist ein rauher Ort, aber es war mein Zuhause. Nein. Ich bin abgehauen, um die Antwort zu finden.«
»Die Antwort? Worauf?«
»Die Antwort auf die Frage, warum der Nebel stirbt.«
Pallis musterte den ernsten jungen Bergmann und fühlte, wie ihm ein Schauer den Rücken hinunterlief.
Rees erwachte nach einem bequemen Schlaf in seinem Blätternest. Die Konturen des über ihm hängenden Pallis’ hoben sich gegen den hellen Himmel ab. »Schichtwechsel«, sagte der Pilot barsch. »Harte Arbeit für uns alle: Anlegen, Entladen und…«
»Anlegen?« Rees schüttelte sich den Schlaf aus dem Kopf.
»Dann sind wir also angekommen?« Pallis grinste. »Ist das nicht offensichtlich?« Er bewegte sich zur Seite. Hinter ihm hing groß das Floß am Himmel.