18. Die Würfel Gottes

Acht Tage verstrichen, und Maria Mayrhofer lebte immer noch - doch Grey konnte die Schatten in Trevelyans Augen sehen und wusste, wie sehr er die Rückkehr des Fiebers fürchtete. Sie hatte zwei weitere Fieberanfälle überlebt, doch Jack Byrd hatte Tom erzählt - und dieser hatte es natürlich ihm erzählt -, dass es knapp gewesen war.

»Sie ist nicht viel mehr als ein gelber Geist, sagt Jack«, unterrichtete ihn Tom. »Mr. Scanion macht sich große Sorgen, auch wenn er gute Miene zu alledem macht und ständig wiederholt, dass sie gesund wird.«

»Nun, das hoffen wir doch wohl alle, Tom.« Er hatte Frau Mayrhofer nicht wieder gesehen, doch das, was er bei jener einen, kurzen Gelegenheit von ihr gesehen hatte, hatte ihn beeindruckt. Er neigte dazu, Frauen anders wahrzunehmen als die meisten anderen Männer; er schätzte Gesichter, Brüste und Pobacken als Objekte der Schönheit, nicht aber der Lust, und war daher nicht blind für die Persönlichkeiten, die dahinter lagen. Maria Mayrhofer hatte auf ihn Eindruck gemacht, als hätte sie eine Persönlichkeit von genügend Kraft, um den Tod persönlich in die Flucht zu schlagen - wenn sie es wollte.

Und würde sie es tun? Er glaubte, dass sie sich zwischen zwei Polen hin- und hergerissen fühlen musste: der Stärke ihrer Liebe zu Trevelyan, die sie zum Leben zog, während die Schatten ihres ermordeten Mannes und Kindes sie zum Tod hinabziehen mussten. Möglicherweise hatte sie Scanions Okulum als Glücksspiel akzeptiert und die Würfel in Gottes Hände gelegt.

Wenn sie die Malaria überlebte, würde sie frei sein - nicht nur von der Krankheit, sondern auch von ihrem Leben davor. Wenn nicht. nun, dann würde sie für immer vom Leben befreit sein.

Grey lag in der Hängematte, die man ihm im Mannschaftsquartier zugewiesen hatte, während Tom im Schneidersitz darunter auf dem Boden saß und einen Strumpf stopfte.

»Verbringt Mr. Trevelyan viel Zeit bei ihr?«, fragte er neugierig.

»Ja, Mylord. Jack sagt, er lässt sich nicht mehr abweisen, sondern weicht ihr kaum noch von der Seite.«

»Ah.«

»Jack macht sich auch Sorgen«, sagte Tom und blickte heftig blinzelnd auf seine Arbeit. »Aber ich weiß nicht, ob sie es ist, um die er sich Sorgen macht, oder er.«

»Ah«, sagte Grey erneut und fragte sich, was Jack seinem Bruder verraten hatte - und was Tom vermutete.

»Am besten lasst Ihr Eure Schuhe aus, Mylord, und geht barfuß wie die Matrosen. Seht Euch das an - das ist ja so groß wie eine Teetasse!« Zur Illustration steckte er zwei Finger durch das Loch in dem Strumpf und blickte tadelnd zu Grey auf. »Außerdem werdet Ihr Euch noch den Hals brechen, wenn Ihr das nächste Mal an Deck ausrutscht und hinfallt.«

»Da habt Ihr wohl Recht, Tom«, sagte Grey und stieß sich mit den Zehen an der Wand ab, um die Hängematte zum Schaukeln zu bringen. Zwei Beinahe-Katastrophen auf dem feuchten Deck hatten ihn zum gleichen Schluss gebracht. Wen kümmerten schließlich Schuhe oder Strümpfe?

Oben an Deck erklang ein Ruf, der sogar die dicken Planken durchdrang, und Tom ließ die Nadel fallen und starrte hinauf. Die meisten Rufe aus der Takelage waren für Grey unverständlich, doch die Worte, die jetzt erschollen, waren

glockenklar.

»Schiff ahoi!«

Er stürzte sich aus der Hängematte und rannte zur Leiter, dicht gefolgt von Tom.

Eine Masse von Männern stand an der Reling, die Köpfe nach Norden gerichtet, und aus den Gesichtern mehrerer Schiffsoffiziere ragten Teleskope hervor wie die Antennen einer Horde gieriger Insekten. Grey selbst konnte nicht mehr als einen winzigen Segelklecks am Horizont sehen, unbedeutend wie ein Papierschnipsel - aber unauslöschlich da.

»Hol mich doch der Teufel«, sagte Grey, erregt trotz der Warnungen seines Verstandes. »Fährt es Richtung England?«

»Kann ich nicht sagen.« Der Teleskopbesitzer neben ihm ließ sein Instrument sinken und schob es ordentlich zusammen. »Auf jeden Fall aber nach Europa.«

Grey trat zurück und suchte in der Menge nach Trevelyan, doch er war nirgendwo in Sicht. Scanion war jedoch da. Er fing den Blick des Mannes auf, und der Apotheker nickte.

»Ich gehe sofort, Sir«, sagte er und schritt auf die Luke zu.

Etwas spät kam Grey der Gedanke, dass er mitgehen sollte, um Scanions Argumenten gegenüber Trevelyan und dem Kapitän mehr Gewicht zu verleihen. Er konnte es kaum ertragen, das Deck zu verlassen, aus Angst, das winzige Segel könnte für immer verschwinden, sobald er den Blick davon abwendete. Aber die plötzliche Hoffnung auf Befreiung war zu stark, um sich unterdrücken zu lassen. Er klopfte mit der Hand an seine Seite, doch natürlich trug er seinen Rock nicht; sein Brief war unter Deck.

Er schoss auf die Luke zu und war die Leiter schon halb hinuntergestiegen, als er sich den ausholenden, nackten Fuß an der Wand stieß. Er schwankte, suchte nach Halt, fand ihn - doch seine verschwitzte Hand rutschte am polierten Geländer ab, und er stürzte zweieinhalb Meter tief auf das Unterdeck. Etwas Festes schlug gegen seinen Kopf, und Schwärze überkam ihn.

Er erwachte langsam und fragte sich im ersten Moment, ob man ihn aus Versehen in einen Sarg gelegt hatte. Er war von gedämpftem, flackerndem Licht wie von einer Kerze umgeben, und fünf Zentimeter vor seiner Nase war eine Holzwand. Dann regte er sich, drehte sich auf den Rücken und stellte fest, dass er in einer winzigen Koje lag, die an der Wand befestigt war wie eine Werkzeugkiste und gerade so lang war, dass er sich ganz darin ausstrecken konnte.

Ein großes Prismenfenster, das über ihm in die Decke eingelassen war, ließ das Licht vom Oberdeck herein; als sich seine Augen daran gewöhnt hatten, sah er einige Wandborde über einem Miniaturschreibtisch hängen und schloss aus ihrem Inhalt, dass er sich in der Kabine des Proviantmeisters befand. Dann wanderten seine Augen nach links, und er stellte fest, dass er nicht allein war.

Jack Byrd saß auf einem Hocker neben seiner Koje, die Arme gemütlich verschränkt, mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Als er sah, dass Grey erwacht war, streckte er die Arme und stand auf.

»Seid Ihr wohlauf, Mylord?«

»Ja«, erwiderte Grey automatisch und überprüfte erst dann, ob es auch stimmte.

Glücklicherweise schien es so zu sein. An der Stelle, wo er sich an der Leiter gestoßen hatte, hatte er eine empfindliche Beule hinter dem Ohr, und er hatte ein paar blaue Flecken, aber nichts, was ernst gewesen wäre.

»Das ist gut. Der Schiffsarzt und Mr. Scanion haben beide gesagt, dass Euch nichts passiert ist, aber Tom hat nicht zugelassen, dass man Euch allein ließ, nur zur Vorsicht.«

»Dann seid Ihr also hier, um Wache zu halten? Das war nicht nötig, aber ich danke Euch.« Grey bewegte sich, um sich hinzusetzen, und bemerkte ein warmes, weiches Gewicht neben ihm im Bett. Die Katze des Proviantmeisters, ein kleiner Tiger, hatte sich wie ein Apostroph an seiner Seite zusammengerollt und schnurrte sanft vor sich hin.

»Nun, Ihr hattet ja schon Gesellschaft«, sagte Jack mit einem Lächeln und wies kopfnickend auf die Katze. »Aber Tom war nicht davon abzubringen, ebenfalls zu bleiben - ich glaube, er hatte Angst, es könnte jemand kommen und Euch in der Nacht ein Messer zwischen die Rippen jagen. Ein argwöhnischer kleiner Kerl, dieser Tom.«

»Ich würde sagen, er hat auch allen Grund dazu«, erwiderte Grey trocken. »Wo ist er jetzt?«

»Er schläft. Es dämmert gerade. Ich habe ihn vor ein paar Stunden ins Bett geschickt und gesagt, ich würde für ihn wachen.«

»Danke.« Er richtete sich vorsichtig in den Kissen auf. »Wir fahren gar nicht, oder?«

Erst jetzt wurde ihm klar, dass es die fehlende Bewegung war, die ihn geweckt hatte; das Schiff wiegte sich sanft auf den Wellen, die sich unter dem Kiel hoben und senkten, aber seine rasende Fahrt war zum Stillstand gekommen.

»Nein, Mylord. Wir haben angehalten, damit das andere Schiff neben uns längsseits gehen kann.«

»Schiff. Das Segel! Was für ein Schiff ist es?« Grey setzte sich senkrecht hin und stieß sich um ein Haar erneut den Kopf an einem schmalen Bücherbord über der Koje.

»Die Scorpion«, erwiderte Jack Byrd. »Ein Truppenschiff, sagt der Maat.«

»Ein Truppenschiff? Dem Himmel sei Dank! Wohin ist es unterwegs?«

Durch seine abrupte Bewegung aufgestört, rollte sich die Katze mit einem protestierenden Mirp! auseinander.

»Weiß nicht. Sie sind noch nicht in Rufweite. Der Kapitän ist nicht besonders erfreut«, merkte Byrd an. »Aber Mr. Trevelyan hat die Order erteilt.«

»Ach, wirklich?« Grey sah Byrd fragend an, doch dessen glattes, schlankes Gesicht zeigte keine besondere Reaktion. Es mochte Trevelyans Order gewesen sein, die dazu geführt hatte, dass sie Kontakt zu dem anderen Schiff suchten - doch er hätte ein Jahreseinkommen darauf verwettet, dass die tatsächliche Order von Finbar Scanion gekommen war.

Er atmete tief durch und wagte es kaum zu hoffen. Möglicherweise fuhr das andere Schiff ja gar nicht nach England; es konnte sie leicht überholt haben und aus England nahezu überallhin unterwegs sein. Doch wenn es Frankreich oder Spanien ansteuerte, irgendein Land, von dem er relativ schnell nach England gelangen konnte, dann würde er bald zurück in London sein. Hoffentlich noch rechtzeitig.

Er verspürte den unmittelbaren Impuls, aus dem Bett zu hechten und sich in seine Kleider zu stürzen - irgendjemand, wahrscheinlich Tom, hatte ihn entkleidet und ihn im Hemd ins Bett gelegt -, doch es war klar, dass noch einige Zeit vergehen würde, bis die beiden Schiffe sich Seite an Seite manövriert hatten, und Jack Byrd machte keine Anstalten, sich zu erheben und zu gehen, sondern saß stumm da und betrachtete ihn nachdenklich.

Plötzlich wurde ihm klar, warum das so war, und er hielt in seiner Bewegung inne und wandelte sie so ab, dass er stattdessen nach der Katze griff, die er auf seinen Schoß legte, wo sie sich prompt erneut zusammenrollte.

»Wenn das Schiff in die richtige Richtung unterwegs ist, werde ich natürlich an Bord gehen und nach England zurückkehren«, hob er vorsichtig an. »Euer Bruder Tom meint

Ihr, er möchte mich begleiten?«

»Oh, das möchte er gewiss, Mylord.« Byrd richtete sich auf dem Hocker auf. »Besser, wenn er nach England heimfahren kann, damit unser Vater und die anderen erfahren, dass es ihm gut geht - und mir«, fügte er etwas verspätet an. »Ich nehme an, sie werden sich ein wenig Sorgen machen.«

»Davon gehe ich aus.«

Es folgte eine peinliche Pause, doch Byrd bequemte sich immer noch nicht zum Gehen. Grey erwiderte seinen Blick.

»Möchtet Ihr mit Eurem Bruder nach England zurückkehren?«, fragte Grey schließlich ganz unverblümt. »Oder möchtet Ihr in Mr. Trevelyans Diensten nach Indien weiterfahren?«

»Nun, genau das, Mylord, frage ich mich selbst, seit dieses Schiff uns so nah gekommen ist, dass Mr. Hudson sagen konnte, was für ein Schiff es ist.« Jack Byrd kratzte sich nachdenklich unter dem Kinn. »Ich bin schon sehr lange bei Mr. Trevelyan -seit ich zwölf war. Ich. hänge an ihm.« Er warf Grey einen raschen Blick zu, dann hielt er inne, als warte er auf etwas.

Also hatte er sich nicht geirrt. Er hatte diesen unbewachten Ausdruck in Jack Byrds Gesicht gesehen - und Jack Byrd hatte gesehen, dass er ihn beobachtete. Er zog eine Augenbraue hoch und sah, wie sich die Schultern des jungen Mannes plötzlich entspannt senkten.

»Nun. denn.« Jack Byrd zuckte mit den Achseln und ließ die Hände auf seine Knie sinken.

»Tja.« Grey rieb sich ebenfalls das Kinn und fühlte seinen starken Bartwuchs. Tom würde noch Zeit haben, ihn zu rasieren, bevor die Scorpion neben der Nampara längsseits ging, dachte er.

»Habt Ihr mit Tom gesprochen? Er hofft doch bestimmt, dass Ihr mit ihm nach England zurückkommt.«

Jack Byrd biss sich auf die Unterlippe.

»Ich weiß.«

Jetzt ertönten oben Stimmen, die merkwürdig klangen; langgezogene Rufe, als heule jemand in einem Schornstein - er nahm an, dass die Nampara versuchte, mit jemandem auf dem Truppenschiff zu kommunizieren. Wo war seine Uniform? Ah, da, ordentlich gebürstet an einem Haken neben der Tür aufgehängt. Würde Tom Byrd mit ihm gehen wollen, wenn das Regiment einen neuen Posten bezog? Er konnte es nur hoffen.

Vorerst jedoch war da noch Toms Bruder, der hier vor ihm saß.

»Ich würde Euch eine Stelle anbieten - als Hausdiener -«, fügte er hinzu und sah den jungen Mann direkt an, damit diesem auch ganz klar war, was hier angeboten wurde und was nicht, »im Haus meiner Mutter. Ihr hättet also Arbeit.«

Jack Byrd nickte, die Lippen leicht gespitzt.

»Nun, Mylord, das ist sehr liebenswürdig. Obwohl Mr. Trevelyan für mich vorgesorgt hat; ich würde nicht hungern. Aber ich sehe keine Möglichkeit, ihn zu verlassen.«

Dieser letzte Satz klang so fragend, dass Grey sich hinsetzte, um sich der Situation angemessen zu widmen, und sich so drehte, dass er mit dem Rücken zur Wand saß.

Suchte Jack Byrd eine Rechtfertigung, um zu bleiben, oder eine Entschuldigung, um zu gehen?

»Es ist nur so. ich bin schon sehr lange bei Mr. Joseph«, sagte Byrd und streckte die Hand aus, um die Katze an den Ohren zu kraulen - mehr, um Greys Blick auszuweichen als aus angeborener Katzenliebe, dachte Grey. »Er hat gut für mich gesorgt; ist immer gut zu mir gewesen.«

Und wie gut genau? fragte sich Grey. Er war sich in Bezug auf Byrds Gefühle vollkommen sicher - und auch hinreichend sicher in Bezug auf Trevelyans, was das anging. Ganz gleich, ob es jemals Intimitäten zwischen Trevelyan und seinem Bediensteten gegeben hatte - und er neigte dazu, dies zu bezweifeln -, es gab keinen Zweifel, dass Trevelyans Gefühle jetzt einzig der Frau galten, die unter Deck lag, schweigend und gelb zwischen zwei Schüben ihrer Krankheit.

»Er ist solcher Loyalität nicht würdig. Das wisst Ihr«, sagte Grey und beließ den letzten Satz irgendwo im Niemandsland zwischen Behauptung und Frage.

»Und Ihr seid es, Mylord?« Die Frage wurde ohne jeden Sarkasmus gestellt und Byrds grünbraune Augen ruhten ernst auf seinem Gesicht.

»Wenn Ihr Euren Bruder meint, so schätze ich seine Dienste mehr, als ich sagen kann«, erwiderte Grey. »Ich hoffe, dass er das weiß.«

Jack Byrd lächelte schwach und sah auf seine Hände hinunter, die auf seinen Knien lagen.

»Oh, das glaube ich schon.«

Eine Zeit lang saßen sie da, ohne etwas zu sagen. Die Spannung zwischen ihnen ließ allmählich nach, als löste das Schnurren der Katze sie auf. Das Rufen über ihnen war verstummt.

»Es ist möglich, dass sie stirbt«, sagte Jack Byrd. »Nicht, dass ich ihr das wünsche; ganz und gar nicht. Aber es könnte sein.« Er sagte es nachdenklich und ohne jede Spur von Hoffung - und Grey glaubte ihm, dass es keine gab.

»Es könnte sein«, pflichtete er ihm bei. »Sie ist sehr krank. Aber Ihr meint, wenn dieses Unglück eintreten sollte -«

»Nur, dass er dann jemanden braucht, der sich um ihn kümmert«, antwortete Byrd rasch. »Nur das. Ich würde nicht wollen, dass er allein ist.«

Grey verkniff sich die Antwort, dass es Trevelyan schwer fallen dürfte, an Bord eines Schiffes mit zweihundert Matrosen allein zu sein. Die Geräusche des Hin und Hers der Mannschaft waren nicht verstummt, sondern hatten ihren Rhythmus geändert. Das Schiff rauschte nicht mehr dahin, doch es lag auch nicht reglos im Wasser; er konnte den sanften Sog von Wind und Strömung an der Schiffswand spüren. Er streichelte die Katze und stellte es sich wie die Hände des Ozeans auf der Haut des Schiffes vor. Er fragte sich flüchtig, ob es ihm wohl gefallen hätte, zur See zu fahren.

»Er sagt, dass er ohne sie nicht leben will«, sagte er schließlich. »Ich weiß nicht, ob er es ernst meint.«

Byrd schloss kurz die Augen, und seine langen Wimpern warfen ihre Schatten auf seine Wangen.

»Oh, er meint es ernst«, sagte er. »Aber ich glaube nicht, dass er es tun würde.« Er öffnete die Augen und lächelte ein wenig. »Damit will ich natürlich nicht sagen, dass er ein Heuchler ist -das ist er nicht, nicht mehr, als jeder Mensch es von Natur aus ist. Aber er -« Er hielt inne und schob die Unterlippe vor, während er überlegte, wie er ausdrücken sollte, was er meinte.

»Es ist einfach so, dass er so lebendig scheint«, sagte er schließlich langsam. Er blickte zu Grey auf, und seine dunklen Augen leuchteten. »Nicht die Art Mensch, die sich umbringt. Ihr wisst, was ich meine, Mylord?«

»Ich denke schon, ja.« Die Katze, die der Aufmerksamkeit schließlich doch müde wurde, hörte auf zu schnurren und streckte sich, wobei sie ihre Vorderpfoten rhythmisch in die Decke auf Greys Beinen krallte. Er hob das Tier auf und setzte es auf den Boden, wo es sich unverzüglich auf die Suche nach Milch und Nagern machte.

Als sie die Wahrheit erfuhr, hatte Maria Mayrhofer an Selbstzerstörung gedacht; Trevelyan nicht. Nicht aus irgendeinem Prinzip oder dem Gefühl heraus, dass seine Religion es verbot - sondern einfach nur, weil er sich keinen Lebensumstand vorstellen konnte, den er nicht irgendwie in den

Griff bekommen konnte.

»Ich weiß, was Ihr meint«, wiederholte Grey und schwang die Beine aus dem Bett, um der Katze die Tür zu öffnen, denn sie kratzte ungeduldig daran. »Er mag zwar vom Tod reden, aber er hat.«, jetzt war es an ihm, nach Worten zu suchen, ». keine Beziehung zu ihm?«

Jack Byrd nickte.

»Aye, das ist ein Teil von dem, was ich meine. Die Dame dagegen - sie hat ihm ins Gesicht gesehen.« Er schüttelte den Kopf, und Grey stellte mit Interesse fest, dass seine Haltung zwar Sympathie und Respekt auszudrücken schien, er jedoch Maria Mayrhofer nie beim Namen nannte.

Grey schloss die Tür hinter der Katze. Dann wandte er sich um und lehnte sich an die Tür. Das Schiff schwankte zwar unter ihm, doch sein Kopf war zum ersten Mal seit Tagen klar und ruhig.

Da die Kabine so klein war, saß Jack Byrd kaum mehr als einen halben Meter von ihm entfernt. Das Licht des Prismenfensters über ihnen verlieh ihm das Aussehen eines Wesens vom Meeresgrund, das weiche Haar wellig wie Tang auf seinen Schultern, ein Hauch von Grün in den bräunlichen Augen.

»Was Ihr sagt, ist wahr«, sagte Grey schließlich. »Aber ich bin überzeugt, er wird sie nicht vergessen, selbst wenn sie stirbt. Vor allem nicht dann, wenn sie stirbt«, fügte er nachdenklich hinzu.

Jack Byrds Gesichtsausdruck veränderte sich nicht; er saß einfach nur da und sah Grey in die Augen, die seinen leicht zusammengekniffen, wie ein Mann, der aus einer näher kommenden Staubwolke schlau zu werden versucht, in der sich sowohl ein Feind als auch das Glück verbergen könnte.

Dann nickte er, stand auf und öffnete die Tür.

»Ich schicke Euch meinen Bruder, Mylord. Ihr wollt Euch sicher ankleiden.«

Doch es war schon zu spät; ein Getrappel von Schritten huschte durch den Flur, und Toms leuchtendes Gesicht tauchte in der Tür auf.

»Mylord, Jack, Mylord!«, sagte er so aufgeregt, dass er nichts Zusammenhängendes herausbrachte. »Was sie sagen, was die Seeleute sagen! Auf dem Kahn da!«

»Schiff«, verbesserte Jack seinen Bruder stirnrunzelnd. »Nun, was sagen sie denn?«

»Ach, zum Teufel mit deinen verflixten Schiffen«, schimpfte Tom und schubste seinen Bruder beiseite. Er fuhr zu Grey herum, und sein Gesicht strahlte. »Sie sagen, General Clive hat den Nawab an einem Ort namens Plassey geschlagen, Mylord! Wir haben Indien erobert! Hört Ihr - wir haben gesiegt!«

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