6

»Wie geht es ihm?« fragte Crysania leise, als sie den Raum betrat. Sie zog sich die weiße Kapuze vom Kopf, knöpfte ihren Umhang auf und erlaubte Caramon, ihn von ihren Schultern zu nehmen.

»Er ist unruhig«, erwiderte der Krieger mit einem Blick zu einer düsteren Ecke. »Er hat ungeduldig deine Rückkehr erwartet.«

Crysania seufzte und biß sich auf die Lippen. »Ich wünschte, ich hätte bessere Nachrichten«, murmelte sie.

»Ich freue mich darüber«, sagte Caramon bitter und legte Crysanias Umhang über einen Stuhl. »Vielleicht gibt er dann diesen verrückten Plan auf und kommt mit nach Hause.«

»Ich kann nicht...«, begann Crysania, wurde aber unterbrochen.

»Wenn ihr beide fertig seid mit dem, was ihr da in der Dunkelheit treibt, würdest du dann vielleicht zu mir kommen und mir erzählen, was du herausgefunden hast, Crysania?«

Crysania lief tiefrot an. Caramon einen verärgerten Blick zuwerfend, eilte sie durch den Raum zu Raistlin, der auf einem Lager neben dem Feuer ruhte.

Caramon hatte den Magier vom Laboratorium, wo sie ihn vor der blanken Steinwand liegend vorgefunden hatten, ins Arbeitszimmer getragen. Crysania hatte auf dem Boden ein Bett bereitet und dann hilflos zugesehen, wie Caramon seinen Bruder behutsam, wie eine Mutter ein krankes Kind, betreut hatte. Aber der große Mann konnte für seinen kranken Bruder nur wenig tun. Raistlin lag über einen Tag bewußtlos da und murmelte im Schlaf seltsame Worte. Einmal wurde er wach und schrie vor Entsetzen auf, sank aber unverzüglich in seine Dunkelheit zurück.

Des Lichtes des Stabes beraubt, den Caramon nicht zu berühren gewagt und gezwungenermaßen im Laboratorium zurücklassen mußte, hatten er und Crysania dicht bei Raistlin gekauert. Sie ließen das Feuer hell brennen, und beide waren sich der ständigen Gegenwart der Schatten der Wächter des Turms bewußt, die warteten, beobachteten.

Endlich erwachte Raistlin. Mit seinem ersten Atemzug befahl er Caramon, seinen Trank zu bereiten, und nachdem er ihn getrunken hatte, war er in der Lage, einen Wächter nach dem Stab zu schicken. Dann rief er Crysania zu sich. »Du mußt zu Astinus gehen«, flüsterte er.

»Astinus?« wiederholte Crysania verständnislos. »Dem Historiker? Aber warum – ich verstehe nicht...«

Raistlins Augen funkelten, ein Fleck brannte in seinen blassen Wangen in fieberhaftem Glanz. »Das Portal ist nicht hier!« knurrte er und knirschte dabei in ohnmächtiger Wut mit den Zähnen. Seine Hände ballten sich zusammen, und fast sofort begann er zu husten. Er warf Crysania einen finsteren Blick zu. »Verschwende meine Zeit nicht mit dummen Fragen! Geh!« befahl er in so entsetzlichem Zorn, daß sie erschrocken zurückwich.

Sie ging zu dem Schreibtisch und starrte auf einige der zerrissenen und geschwärzten Zauberbücher.

»Warte einen Augenblick, Crysania!« sagte Caramon leise, erhob sich und trat zu ihr. »Du ziehst doch nicht wirklich in Erwägung zu gehen? Wer ist dieser Astinus überhaupt? Und wie willst du ohne einen Zauber durch den Eichenwald gehen?«

»Ich habe einen Zauber«, murmelte Crysania. »Dein Bruder hat ihn mir gegeben, als... als ich ihn kennenlernte. Was Astinus betrifft, so betreut er die Große Bibliothek von Palanthas, er ist der Chronist der Geschichte Krynns.«

»Das ist er vielleicht in unserer Zeit, aber jetzt doch nicht!« entgegnete Caramon aufgebracht. »Denk doch mal nach!«

»Ich denke nach!« rief Crysania und warf ihm einen zornerfüllten Blick zu. »Astinus ist bekannt als der Zeitlose. Er war der erste, der seinen Fuß auf Krynn gesetzt hat, wie die Legende sagt, und er wird der letzte sein, der Krynn verläßt.«

Caramon musterte sie skeptisch.

»Er zeichnet die gesamte Geschichte auf, so wie sie verläuft. Er weiß alles, was in der Vergangenheit geschah und was in der Gegenwart geschieht. Aber er kann nicht in die Zukunft sehen. Darum bin ich mir nicht sicher, ob er uns helfen kann.«


Raistlins Zustand verschlimmerte sich, anstatt sich zu bessern. Seine Haut glühte im Fieber, er fiel in Zustände völliger Verwirrung, und wenn er wieder bei klarem Bewußtsein war, verlangte er zornig zu erfahren, warum Crysania Astinus noch nicht aufgesucht habe.

So hatte sie mutig dem entsetzlichen Eichenwald getrotzt und den gleichermaßen entsetzlichen Zuständen auf den Straßen von Palanthas. Jetzt kniete sie am Bett des Magiers.

»Erzähl mir alles!« befahl er heiser. »Laß nichts aus.«

Wortlos nickend, immer noch mitgenommen von dem furchterregenden Weg durch den Turm, zwang sich Crysania, ihre Gedanken zu sammeln. »Ich ging zur Großen Bibliothek und bat um Zutritt zu Astinus«, begann sie, nervös die Falten ihrer schlichten weißen Robe glättend, die Caramon ihr gekauft hatte. »Die Ästheten verwehrten mir zunächst den Einlaß, aber dann zeigte ich ihnen das Medaillon von Paladin. Das brachte sie in Verwirrung, wie du dir vorstellen kannst.« Sie lächelte.

»Zum ersten Mal seit hundert Jahren war ein Zeichen der alten Götter aufgetaucht, und schließlich eilte einer zur Berichterstattung zu Astinus. Nachdem ich einige Zeit gewartet hatte, wurde ich in seine Kammer geführt, in der er jeden Tag und häufig bis in die Nacht hinein sitzt und die Geschichte der Welt aufzeichnet.« Crysania hielt kurz inne, verunsichert von Raistlins ungeduldigem, eindringlichem Blick. »Ich betrat den Raum, und er saß einfach da, schrieb und übersah mich. Dann stellte mich der Ästhet vor, der bei mir war: ›Crysania aus dem Haus Tarinius‹, so wie du mich angewiesen hattest. Und dann...« Sie hielt inne und runzelte leicht die Stirn.

Raistlin rührte sich. »Was?«

»Dann hat Astinus aufgesehen«, sagte Crysania. »Er hörte tatsächlich mit dem Schreiben auf und legte seinen Federkiel nieder. Er sagte: ›Du!‹ mit so donnernder Stimme, daß ich erschrak und der Ästhet neben mir fast ohnmächtig wurde. Aber bevor ich etwas sagen oder fragen konnte, hob er seinen Federkiel, und die Wörter lesend, die er gerade geschrieben hatte, strich er sie durch!«

»Strich sie durch«, wiederholte Raistlin nachdenklich; seine Augen waren dunkel und abwesend. »Strich sie durch«, murmelte er und sank auf sein Bett zurück.

Als Crysania Raistlin in seine Gedanken vertieft sah, verhielt sie sich ruhig, bis er wieder zu ihr aufblickte.

»Was hat er dann getan?« fragte der Magier matt.

»Er schrieb etwas unter die Stelle, wo er den Fehler gemacht hatte, als ob es nicht weiter schlimm wäre. Dann richtete er seine Augen wieder auf mich, und ich hatte das Gefühl, er sei jetzt sehr wütend. Das dachte der Ästhet wohl auch, denn ich konnte ihn zittern spüren. Aber Astinus war ganz ruhig. Er entließ den Ästheten und bot mir einen Stuhl an. Dann fragte er nach dem Grund meines Kommens. Ich sagte ihm, daß wir das Portal suchten. Ich fügte hinzu, wie du mir aufgetragen hattest, daß uns gewisse Informationen zu dem Glauben geführt hätten, daß es sich im Turm der Erzmagier in Palanthas befinde, aber daß sich aufgrund unserer Nachforschungen die Unrichtigkeit dieser Information herausgestellt habe. Das Portal sei nicht dort. Er nickte, als ob ihn das nicht überrasche. ›Das Portal wurde an eine andere Stelle versetzt, als der Königspriester versucht hat, den Turm zu übernehmen. Natürlich aus Sicherheitsgründen. Im Lauf der Zeit wird es wohl zum Turm der Erzmagier in Palanthas zurückgebracht werden, aber es ist jetzt noch nicht dort.‹ – ›Wo ist es dann?‹ fragte ich. Lange Zeit antwortete er mir nicht. Und dann...« Hier stammelte Crysania und warf Caramon einen angsterfüllten Blick zu, als ob sie ihn bitten wollte, seinen Mut zusammenzunehmen.

Als er ihren Blick bemerkte, richtete sich Raistlin im Bett auf. »Sag es mir!« verlangte er barsch.

Crysania holte tief Atem. Sie wollte wegsehen, aber Raistlin ergriff ihr Handgelenk, und trotz seiner Schwäche hielt er sie so fest, daß sie sich nicht aus seinem Griff befreien konnte. »Er... er sagte, diese Information werde dich etwas kosten. Jeder Mensch habe seinen Preis, selbst er.«

»Mich etwas kosten!« wiederholte Raistlin unhörbar; seine Augen glühten.

Crysania versuchte erfolglos, sich zu befreien.

»Was ist der Preis?« herrschte Raistlin sie an.

»Er sagte, du wüßtest es!« keuchte Crysania.

Raistlin gab ihr Handgelenk frei. Crysania wich zurück, rieb sich den Arm, vermied Caramons mitleidigen Blick. Plötzlich erhob sich der große Mann. Raistlin sank auf sein Bett zurück.

Crysania stand auf und goß sich ein Glas Wasser ein. Aber ihre Hand zitterte so sehr, daß sie die Flüssigkeit auf den Scheibtisch verschüttete und gezwungen war, den Krug abzusetzen. Caramon trat hinter sie, goß Wasser ein und reichte ihr das Glas; ein ernster Ausdruck lag auf seinem Gesicht.

Als Crysania das Glas zu ihren Lippen führte, bemerkte sie plötzlich Caramons Blick auf ihr Handgelenk. Sie sah hinunter und erkannte die Male von Raistlins Hand auf ihrem Fleisch. Sie setzte das Glas auf dem Schreibtisch ab und zog schnell ihre Robe über den verletzten Arm. »Er wollte mir nicht weh tun«, sagte sie leise als Antwort auf Caramons ernsten, stummen Blick. »Sein Schmerz macht ihn ungeduldig. Was ist unser Leiden im Vergleich zu seinem? Das mußt du doch von allen Leuten am besten verstehen! Er ist so gefangen in seiner großen Vision, daß er es nicht merkt, wenn er andere verletzt.« Sie wandte sich ab, ging zu Raistlin zurück und starrte ins Feuer, ohne etwas zu erkennen.

»Oh, er weiß es genau«, brummte Caramon. »Er wußte es schon immer!«


Astinus von Palanthas, der Historiker Krynns, saß schreibend in seinem Zimmer. Es war schon spät, in der Tat nach Spätwacht. Die Ästheten hatten schon lange vorher die Türen zur Großen Bibliothek verschlossen. Nur wenigen wurde tagsüber der Eintritt gewährt, keinem in der Nacht. Aber Riegel und Schlösser galten dem Mann nichts, der, eine Gestalt der Dunkelheit, die Bibliothek betreten hatte und nun vor Astinus stand.

Der Historiker sah nicht auf. »Ich begann mich schon zu fragen, was mit dir los ist«, sagte er weiterschreibend.

»Mir ging es nicht gut«, erwiderte die Gestalt; ihre schwarzen Roben raschelten.

»Ich hoffte, es geht dir besser.« Astinus hob immer noch nicht den Kopf.

»Ich genese langsam«, antwortete die Gestalt. »Viele Dinge nehmen meine Kraft in Anspruch.«

»Nimm Platz!« sagte Astinus und zeigte mit dem Ende seines Federkiels zu einem Stuhl; sein Blick war noch auf seine Arbeit gerichtet.

Die Gestalt ging zu dem Stuhl und setzte sich. Viele Minuten herrschte Schweigen im Zimmer, das nur von Astinus’ kratzender Feder und dem gelegentlichen Husten des schwarzgekleideten Eindringlins unterbrochen wurde.

Schließlich legte Astinus den Federkiel nieder und hob den Blick. Sein Gast zog die schwarze Kapuze aus seinem Gesicht.

Astinus musterte ihn lang und schweigend, dann nickte er. »Ich kenne dieses Gesicht nicht, Fistandantilus, aber ich kenne deine Augen. In ihnen liegt jedoch etwas Seltsames. Ich sehe in ihren Tiefen die Zukunft. Du bist also Meister über die Zeit geworden, obgleich du noch nicht mit Macht zurückgekehrt bist, wie vorausgesagt wurde.«

»Mein Name lautet nicht Fistandantilus, Unsterblicher. Ich bin Raistlin, und das ist eine ausreichende Erklärung für das, was geschehen ist.« Raistlins Lächeln verschwand, seine Augen verengten sich. »Aber das wußtest du sicherlich?« Er machte eine Geste. »Die letzte Schlacht zwischen uns ist doch aufgezeichnet...«

»Ich zeichnete den Namen auf, so wie ich die Schlacht aufzeichnete«, unterbrach ihn Astinus kühl. »Möchtest du den Eintrag sehen, Fistandantilus?«

Raistlins Augen glitzerten gefährlich.

Aber Astinus blieb gelassen. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und betrachtete ruhig den Erzmagier. »Hast du mitgebracht, um was ich gebeten habe?«

»Das habe ich«, erwiderte Raistlin bitter. »Die Herstellung hat mich tagelangen Schmerz gekostet und meine Kraft geschwächt, sonst wäre ich früher gekommen.«

Jetzt erschien zum ersten Mal ein Hauch von Gefühl in Astinus’ kaltem und zeitlosem Gesicht. Gespannt beugte er sich vor, seine Augen glänzten, als Raistlin langsam die Falten seiner schwarzen Roben öffnete und etwas enthüllte, das wie eine leere Kristallkugel aussah, die in seiner Brusthöhle wie ein klares, kristallines Herz schwebte.

Selbst Astinus konnte bei dem Anblick ein Zusammenschrecken nicht unterdrücken, aber es war offenbar nichts weiter als eine Illusion, denn mit einer Geste ließ Raistlin die Kugel nach vorne schweben. Mit der anderen Hand zog er das schwarze Gewebe wieder über seine schmale Brust.

Als die Kugel in seine Nähe trieb, legte Astinus seine Hände über sie, streichelte sie liebevoll. Bei der Berührung wurde die Kugel mit Mondlicht erfüllt, silbernem, rotem; sogar die seltsame Aura des schwarzen Mondes war sichtbar. Unterhalb der Monde wirbelte eine Vision nach der anderen auf.

»Du siehst die Zeit vergehen, noch während wir hier sitzen«, sagte Raistlin; in seiner Stimme lag ein Hauch unbewußten Stolzes. »Und folglich, Astinus, wirst du nicht länger auf deine unsichtbaren Boten von den jenseitigen Ebenen angewiesen sein, um das Wissen, was auf der Welt geschieht, zu erhalten. Von jetzt an werden deine eigenen Augen deine Boten sein.«

»Ja! Ja!« keuchte Astinus. Die Augen, die in die Kugel blickten, schimmerten von Tränen, die Wände, die sie hielten, zitterten.

»Und jetzt mein Lohn«, fuhr Raistlin kühl fort. »Wo ist das Portal?«

Astinus sah von der Kugel auf. »Kannst du dir das nicht denken, Mann der Zukunft und der Vergangenheit? Du hast die Geschichtsbücher gelesen...«

Raistlin starrte Astinus schweigend an, und sein Gesicht wurde blaß und eisig, bis es wie eine Totenmaske wirkte. »Du hast recht. Ich habe die Geschichtsbücher gelesen. Darum reiste Fistandantilus nach Zaman«, sagte er schließlich.

Astinus nickte stumm.

»Zaman, die magische Festung, gelegen in den Ebenen von Dergod, in der Nähe von Thorbadin, der Heimat der Bergzwerge. Und Zaman befindet sich in dem Gebiet, das von den Bergzwergen kontrolliert wird«, sprach Raistlin weiter; seine Stimme war ausdruckslos, als ob er aus einem Buch vorläse. »Und wohin gerade jetzt ihre Vettern, die Hügelzwerge, gehen – vertrieben von dem Bösen, das die Welt seit der Umwälzung verzehrt —, um Schutz in der uralten Gebirgsheimat zu finden...«

»Das Portal liegt...«

»... tief in den Verliesen von Zaman«, sagte Raistlin bitter. »Hier führt Fistandantilus den Großen Zwergenkrieg...«

»Wird führen...«, berichtigte Astinus.

»Den Krieg, der seinen eigenen Untergang herbeiführen wird.« Der Magier verstummte. Dann erhob er sich und ging zu Astinus’ Schreibtisch. Er legte die Hände auf das Buch und drehte es zu sich.

Astinus beobachtete ihn mit kaltem, distanziertem Interesse.

»Du hast recht«, sagte Raistlin, der die immer noch nasse Schrift auf dem Pergament durchforschte. »Ich komme aus der Zukunft. Ich habe die ›Chroniken‹ gelesen, während du sie niedergeschrieben hast. Auf jeden Fall erinnere ich mich an Ausschnitte, wenn ich diesen Eintrag lese – einen, den du schreiben wirst.« Er zeigte auf eine leere Stelle, dann rezitierte er aus dem Gedächtnis: »›An diesem Tag nach Spätwacht, die auf dreißig gesunken ist, brachte mir Fistandantilus die Kugel der Gegenwart.‹«

Astinus erwiderte nichts.

Raistlins Hand begann zu zittern. »Du wirst das schreiben«, beharrte er, Zorn ließ seine Stimme heiser klingen.

Astinus hielt inne, dann gab er mit einem leichten Schulterzucken seine Einwilligung kund.

Raistlin seufzte. »Ich tue also nichts, was nicht zuvor getan wurde!« Seine Hand ballte sich plötzlich zusammen, und als er wieder sprach, klang seine Stimme angespannt vor Anstrengung. »Crysania besuchte dich vor mehreren Tagen. Sie erzählte mir, du habest bei ihrem Eintreten geschrieben und dann, als du sie gesehen hast, etwas durchgestrichen. Zeig mir die Stelle.«

Astinus’ Blick verdüsterte sich.

»Zeig sie mir!« Raistlins Stimme brach; es war fast ein Kreischen.

Astinus legte die Kugel auf eine Seite des Schreibtisches, wo sie in seiner Nähe schwebte, und nahm widerstrebend die Hände von ihrer Kristalloberfläche. Das Licht flimmerte, die Kugel wurde dunkel und leer. Der Historiker griff hinter sich und zog einen riesigen, ledergebundenen Band hervor und fand, ohne zu zögern, die gewünschte Stelle. Er drehte das Buch um, damit Raistlin hineinsehen konnte.

Der Erzmagier las das Geschriebene, dann die Verbesserung. Als er sich erhob, war sein Gesicht leichenblaß, aber beherrscht. »Dies verändert die Zeit.«

»Dies verändert nichts«, entgegnete Astinus kühl. »Sie trat an seine Stelle, das ist alles. Ein Austausch. Die Zeit fließt ungestört weiter.«

»Und trägt mich mit ihr?«

»Wenn du über die Macht verfügst, den Lauf der Flüsse zu verändern, indem du einen Kieselstein hineinwirfst«, erwiderte Astinus sarkastisch.

Raistlin sah ihn an und lächelte plötzlich. Dann zeigte er auf die Kugel. »Hüte dich, Astinus«, flüsterte er, »hüte dich vor dem Kieselstein! Lebwohl, Unsterblicher!«

Im Zimmer war plötzlich nur noch Astinus. Der Historiker saß still und nachdenklich da. Dann drehte er das Buch um und las noch einmal die Stelle, die er geschrieben hatte, als Crysania eingetreten war.

»An diesem Tag, wenn die Spätwacht auf 15 ansteigt, erscheint Denubis, ein Kleriker Paladins, von dem großen Erzmagier Fistandantilus geschickt, um den Verbleib des Portals herauszufinden. Für meine Hilfe wird Fistandantilus etwas herstellen, was er mir seit langem versprochen hat – die Kugel der Gegenwart...«

Denubis’ Namen war durchgestrichen, Crysanias Name hineingeschrieben.

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