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In meiner Position auf dem großen gekrümmten Scherblatt vermochte ich außer dem Himmel nicht viel zu sehen. Allerdings hörte ich ein anderes Schiff in der Nähe.

»Es ist der Wendige Tharlarion!« rief eine Stimme. Wir mußten uns bereits in der Nähe Victorias befinden. Der Wendige Tharlarion, das wußte ich, war Ragnar Voskjards ureigenstes Schiff. Er kam von Westen den Fluß herauf, um mit seiner Flotte und den Einheiten des Policrates zusammenzutreffen. Diese Zusammenkunft hatte ursprünglich in Policrates’ Festung stattfinden sollen. Nun waren an der Kanalmündung Kundschafterschiffe zurückgeblieben, um ihn nach Victoria umzuleiten.

»Du bist Policrates?« hörte ich einen Ruf.

»Ja!« antwortete Policrates.

»Er ist es, es ist Policrates«, meldete sich eine andere Stimme rechts über mir. Es war die Stimme Reginalds, der beide Männer kannte.

»Wo sind meine Schiffe?« fragte die erste Stimme, die links von mir ertönte. Wut schwang in dieser Stimme. Erst vor kurzem – vermutlich erst in den letzten Ahn – hatte Voskjard von dem Schicksal so vieler Schiffe seiner Flotte erfahren. Dem mächtigen Voskjard waren erheblich die Flügel gestutzt worden. Von seinen ursprünglichen drei Flotten, die hundertundfünfzig bis hundertundsechzig Schiffe umfassen mochten, blieben ihm nun weniger als zwanzig. Es würde Zeit kosten, die alte Macht am Fluß zurückzugewinnen.

»Frag den Vosk und deine Kapitäne, diesen traurigen Haufen«, antwortete Policrates.

»Willst du mich herausfordern, Kapitän?« fragte die Stimme von links.

»Das kannst du sehen, wie du willst«, antwortete Policrates.

»Wie kommt es, daß meine Schiffe nicht unterstützt wurden?« wollte die Stimme von links wissen.

»Ich habe meinen Teil getan«, antwortete Policrates. »Ich verteidigte den östlichen Teil des Flusses und hielt damit die gemachten Zusagen.«

»Keines deiner Schiffe hat auch nur einen Kratzer abbekommen«, klagte die andere Stimme.

»Die Leute wußten eben, daß der Kampf gegen mich sinnlos sein würde«, entgegnete Policrates. »Allein meine Gegenwart schützte deine Flanke.«

»In deiner Festung gerieten meine Leute in einen Hinterhalt!« rief die Stimme von links.

»Ich war nicht dabei«, wandte Policrates ein. »Hier war List im Spiel. Meine Leute wurden getäuscht.«

»Deine Leute sind töricht!«

»Das gleiche gilt folglich für die deinen, die in die Festung einfuhren wie Verr, die sich freiwillig in ein Gehege treiben lassen.«

»Wie kommt es dann, daß die Losungsworte bekannt waren?« wollte die Stimme von links wissen.

»Das weiß ich nicht!« rief Reginald. »Von mir können sie nicht kommen. Die Tamira ist gesunken. Und zwar an der Kette. Ich hatte noch Glück, daß ich mit dem Leben davonkam.«

»Zwei Männer, die mit dieser schlimmen Angelegenheit zu tun haben«, sagte Policrates, »hängen jetzt nackt und hilflos auf unseren Scherblättern.«

»Gut«, sagte die Stimme von links. »Ich werde dafür sorgen, daß sie für ihre Mühen ausgiebig entschädigt werden – ganz nach meinem Belieben.« Die Stimme klang schon etwas ruhiger, und ich spürte Blicke auf mir ruhen.

»Es sind meine Gefangenen«, stellte Policrates fest. »Mit ihnen tue ich, was mir gefällt.«

»Wie du willst«, sagte die Stimme links von mir. Ich erkannte, daß Policrates seine Rache an Callimachus und mir persönlich vollziehen wollte. Wir waren ihm sehr wichtig. Er hatte nicht die Absicht, uns einem anderen zu überlassen. Ich wagte mir nicht vorzustellen, was er uns antun wollte.

»Übergib mir jetzt die Kommandoflaggen!« rief die Stimme von links.

»Ich bin der führende Mann am Fluß«, sagte Policrates.

»Ich bin Ragnar Voskjard!« rief die Stimme von links.

»Und ich Policrates!«

»Ich bin der erste Mann am Fluß!«

»Du hast höchstens noch zwanzig Schiffe. Ich verfüge über vierzig!«

»Wir haben einen Vertrag!« rief Ragnar Voskjard. »Das Versprechen, das wir uns im Schatten des Topases gegeben haben.«

»Ich habe die Bedingungen dieses Vertrages geändert, mein guter Kapitän«, sagte Policrates.

»Mit welchem Recht?«

»Mit dem Recht meiner vierzig Schiffe.«

»Ich werde mich in meine Festung zurückziehen.«

»Tu das, wenn es dir gefällt«, sagte Policrates.

»Ich bin nicht auf dem Fluß nach Osten gefahren, um mit leeren Schatztruhen zurückzukehren.«

»In Victoria gibt es für uns alle mehr als genug«, äußerte Policrates.

»Dann werde ich mich dir anschließen.«

»Ich bin der führende Mann am Fluß«, sagte Policrates. »Solltest du das bestreiten wollen, werden wir es auskämpfen, Schiff um Schiff.«

»Ich gedenke es nicht zu bestreiten«, sagte Ragnar Voskjard verbittert.

»Dann bin ich der führende Mann am Fluß«, sagte Policrates.

»Ja«, erwiderte Ragnar Voskjard bitter, »du bist der erste Mann am Fluß.«

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