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»Wie viele sind es?« hörte ich den Offizier Callimachus fragen; die beiden standen über mir auf dem Deck des Bugkastells.

»Zweiundvierzig«, lautete die Antwort.

Wir lagen reglos im Wasser, zweiundzwanzig Schiffe, die eine Doppelreihe bildeten. Die Ruder waren eingezogen.

»Die Kette hat gehalten«, sagte ein Mann in meiner Nähe.

»Ja«, antwortete ich. Im Norden war sie durchbrochen worden, hier aber, nahe dem Vosk-Südufer, hatte sie gehalten. Dies hatte uns die Möglichkeit eröffnet, unsere Flotte zu formieren. Zugleich war die linke Flanke unserer Position noch immer durch die schweren Glieder der cosianischen Kette geschützt, die zwischen ihren Pfeilern hing.

»Wo sind Callisthenes’ Schiffe?« fragte ein Offizier.

»Sie werden in Kürze zu uns stoßen«, antwortete Callimachus. »Und bis dahin müssen wir die Stellung halten.«

Obwohl wir ziemlich weit südlich standen, war das Südufer des Vosk nicht auszumachen, nicht einmal von der Höhe der Bugaufbauten aus.

»Sie bilden den Angriffskeil«, sagte ein Offizier neben Callimachus.

Unsere rechte Flanke wurde durch sieben Schiffe aus Port Cos gedeckt, sieben von den zehn, die ursprünglich auf dem Fluß unterwegs gewesen waren. Wir hatten bereits etliche Verluste zu beklagen, aber auch Ragnar Voskjard war nicht ungeschoren geblieben.

»Ja«, sagte Callimachus und reichte einem seiner Offiziere das Fernglas der Hausbauer zurück. »Es ist der Keil.«

»Und westlich der Kette stehen weitere Schiffe Voskjards«, sagte ein Mann niedergeschlagen.

Es waren die Schiffe, die seit gut einem Tag in unserem Sektor gegen die Kette anzurennen versuchten. Wir hatten noch keinen rechten Eindruck von der Zusammensetzung dieser Flotte gewinnen können, doch wurde angenommen, daß diese südliche Flotte größer war als die im Norden, die erfolgreich gegen die Kette vorgegangen war.

Auf der Grundlage von Callisthenes’ Angaben hatten wir geschätzt, daß Ragnar Voskjard etwa fünfzig Schiffe unter seinem Kommando hatte. Diese Zahl hatte sich inzwischen als grundlegend falsch herausgestellt und mußte vermutlich beinahe doppelt so groß angesetzt werden.

Während die Kette im Norden vermutlich immer weiter geöffnet wurde, hatte sie im Süden lange genug zu halten, um uns daran entlang zurückzuziehen und zu formieren.

»Es gibt kaum Hoffnung für uns«, sagte jemand.

»Die Piraten bilden den Keil«, bemerkte ein Mann.

»Wo sind Callisthenes’ Einheiten?« wollte ein anderer wissen.

»Sie werden bald eintreffen«, antwortete jemand.

»Kapitän!« sagte ein Offizier.

»Ja?« antwortete Callimachus.

»Soll ich den Befehl geben, die Schiffe zusammenzuketten?«

Solche Kommandos ließen sich mit Flaggen und Hornsignalen verbreiten.

»Nein.«

»Wie wollen wir dem Stoß eines solchen Keils anders widerstehen?«

»Wir werden unsere Beweglichkeit nicht einschränken«, befahl Callimachus. »Wir lassen uns die Wirksamkeit unserer Rammen und Scherblätter nicht beschneiden.«

»Wir müssen eine schwimmende Holzfestung bilden«, beharrte der Offizier. »Gegen eine solche Zitadelle rennt der Keil vergeblich an.«

»Die Schiffe in unserer inneren Verteidigungslinie könnten nicht zum Einsatz kommen«, erklärte Callimachus. »Wir wären nichts anderes als ein festgezurrtes, träge daliegendes Angriffsziel, das unmöglich zu verfehlen wäre. Außerdem könnten wir uns nicht wehren, sollte jemand uns seitlich umgehen. Uns bliebe nichts anderes übrig, als den Rammen des Feindes die ungeschützten Bordwände hinzuhalten. Nach knapp einer Ahn wäre deine schwimmende Festung ein einziges Gewirr aus hin und her schwappenden Wrackteilen.«

»Dann wollen wir uns zurückziehen«, sagte der Offizier.

»Dazu ist es zu spät«, widersprach Callimachus.

Mit bleichem Gesicht schaute der Offizier über das Wasser. »Die Flotte ist schon in Bewegung«, sagte er.

»Ja.«

»Was können wir tun?«

»Wir müssen die Stellung halten, bis Callisthenes eintrifft«, sagte Callimachus.

»Dem Stoß des Keils können wir niemals standhalten!« jammerte der Offizier.

»Hier meine Befehle«, sagte Callimachus.


Es war eine Galeere der schweren Klasse, geeignet für die Hochseefahrt. Sie bildete die Spitze des Keils. Nie zuvor hatte ich eine Galeere so schnell durchs Wasser pflügen sehen. An jedem Ruder saßen zwei Männer. Unser Bug war so ausgerichtet, daß der Eindruck entstand, wir wollten den Rammstoß mit unserem Rammschild auffangen. Der Aufprall, sollte es dazu kommen, konnte unseren Kiel zerbrechen lassen.

An unserer Backbordseite lag, beinahe auf Tuchfühlung, die Mira, unser Schwesterschiff aus Victoria.

Auf dem Bugkastell des angreifenden Schiffes hob der Kapitän den Arm. Beinahe sofort schwenkte die Galeere, die bei dieser Geschwindigkeit auf die geringste Regung des Ruders ansprach, einen Strich nach ihrem Steuerbord. Sie wollte nicht von der Tina abgebremst werden, sondern zwischen uns und der Mira durchbrechen und damit die Frontlinie aufreißen. Links und rechts von ihrem Heck folgten zwei weitere Galeeren wie gehorsam mitlaufende Sleen und hatten offenbar die Absicht, die Öffnung auszunutzen, die die Spitze des Keils reißen mußte. Hinter diesen nachrückenden Galeeren erweiterte sich die Formation durch andere Schiffe; auch direkt hinter der ersten Galeere pflügten Angreifer durch das Wasser. Es war wohl unausweichlich, daß unsere Formation durchbrochen, daß unsere Kommunikation gestört werden würde. Die Feinde würden sich unter uns mischen, womit sich die zu verteidigenden Flanken vervielfachen mußten. Getrennt würden wir uns wehren müssen, behindert durch die Versuche, uns gegenseitig abzuschirmen und zu unterstützen. Einzeln verfolgt, würde man uns zusammentreiben und umringen, woraufhin dann die Piraten ihr böses Spiel mit uns treiben konnten. Ragnar Voskjard war an der Kette im Süden aufgehalten worden. Ich nahm nicht an, daß er daran großen Spaß gehabt hatte. Und ich rechnete nicht damit, daß er Gefangene machen würde.

»Jetzt!« brüllte Callimachus.

Normalerweise hat jedes goreanische Schiff drei Stangen an Bord, mit denen die Boote beim Ablegen vom Ufer weggestoßen werden. So natürlich auch die Tina und die Mira. Die Ruder waren eingezogen.

Als das feindliche Schiff schon Anstalten machte, sich wie ein Messer zwischen uns zu pressen, hoben Männer auf der Mira und der Tina diese Stangen und stießen auf ein Kommando hin die Schiffe auseinander. Es gab ein dröhnendes Kratzen, doch schon stand die feindliche Galeere, die uns mit Gewalt hatte auseinanderdrücken wollen, ohne allerdings auf großen Widerstand zu stoßen, ein gutes Stück achteraus. Beinahe sofort traten andere Männer in Aktion und zogen unsere Schiffe mit Hilfe von Enterhaken und Seilen wieder dichter zusammen. Die Schiffe hinter der ersten Galeere hatten dem Anführer folgen und die Öffnung ausnutzen wollen, die er in unsere Formation riß. Die Spitze des Keils lag bis auf einige Splitter und Farbkratzer unbeschädigt hinter uns. Die beiden nachfolgenden Schiffe schabten mit den Bordwänden gegeneinander. Brennendes Pech und Pfeile regneten auf die Decksplanken nieder. Ich hörte an Backbord und Steuerbord Rammen dröhnen. Und schon wurde eines der Schiffe aus der zweiten Reihe von einem nachfolgenden Schiff, das nicht mehr aus dem Schwung genommen werden konnte, ins Heck getroffen. Die Piratengaleeren begannen rückwärts zu rudern, in dem verzweifelten Bemühen, sich zu lösen, doch wehrlos daliegend, halb aus dem Kurs gedreht, mußten sie unseren Beschuß hinnehmen. Zwei weitere Schiffe, die nicht mehr rechtzeitig abbremsen konnten, bohrten sich von hinten in das Schiffsgewirr.

Ich drehte mich um. Die erste Galeere, die hinter unseren Linien isoliert war, versuchte nach Südosten zu entkommen, wo sie nicht von der Kette behindert wurde. Darin aber wurde sie von der Tais gestört, die von unserer rechten Flanke aus das andere Schiff umrundete und voll auf der Backbordseite traf. Der Rammstoß landete hoch, dennoch strömte Wasser in den Schiffsleib. Männer sprangen vom Deck ins Wasser. Kurze Zeit später lag die Galeere mit Schlagseite im Wasser, unbemannt. Das Leck in der Wandung hob sich schließlich gänzlich über die Wasserlinie. Ich sah, wie Männer von der Tais übersetzten und sich auf den schrägen Decks bewegten. Kurze Zeit später kehrten sie auf ihr eigenes Schiff zurück.

Anschließend entfernte sich die Tais von dem angeschlagenen Schiff, dessen Heck plötzlich ruckhaft herumschwang.

»Die Galeere sitzt auf einer Sandbank fest!« rief jemand.

»Ja«, sagte ich. Die beschädigte Galeere schwamm nicht länger mit der Strömung auf die Kette zu.

»Es ist die Tuka«, sagte ein Mann neben mir.

»Ist das ein bekanntes Schiff Ragnar Voskjards?« fragte ich.

»Ja.«

»Und wieder der Keil!« rief eine Männerstimme.

Ich blickte nach Norden. Die feindliche Flotte hatte sich neu formiert.

»Sie fahren nur halbe Rudergeschwindigkeit«, sagte ein Mann.

»Sie werden ihren ersten Fehler nicht wiederholen«, meinte ein anderer.

Diesmal hatte man sich vorgenommen, unsere Linie mit beständigem Druck zu sprengen – nicht in einem plötzlichen Aufprall, sondern als heranströmende Flut, als Lawine aus Holz und Stahl, kontrolliert, geordnet, jeden Augenblick auf die taktische Situation eingestellt. Es sollte nicht wieder vorkommen, daß die Spitze des Keils hinter unseren Linien verlorenging, sich ins Leere richtend.

An den Signalleinen stiegen Flaggen empor, zerrissen, im Wind knallend. Signalfahnen, Wimpel und Streifen, in gemischten Farben und Mustern, liefen am Bug der Tais auf und bestätigten diese Befehle.

»Sie macht volle Rudergeschwindigkeit«, sagte ein Mann.

Die Tais, das Heck tief im Wasser hängend, die Ramme halb in die Luft gereckt, raste nach Nordosten davon.

»Voskjards Keil rückt näher!« rief ein Offizier von unserem Bugkastell.

»Wir wollen die Schiffe zusammenketten, solange es noch möglich ist«, bat ein anderer Offizier.

»Nein«, sagte Callimachus.

»Seht doch!« rief ein Mann, der sich an einen Vorsprung unserer Bugaufbauten gehängt hatte. »Seht, die Tais verläßt unseren Verband. Die Schiffe aus Port Cos folgen ihr.«

»Unsere Flanke ist ungeschützt!« ertönte eine ängstliche Stimme und löste auf unseren Ruderbänken Verwirrung aus.

»Voskjard kann aus der Keilformation nicht mehr heraus«, sagte ich zu dem Mann neben mir.

»Unsere Flanke ist nicht unmittelbar gefährdet«, bemerkte er und legte einen Pfeil auf die Sehne seines kurzen Bogens.

»Nein!« rief ich lachend. »Nein! Schau doch! Plötzlich ist Voskjards Flanke nicht mehr geschützt.«

Die Tais und ihre schnellen, schnittigen Schwesterschiffe waren hinten um unsere Formation herumgekommen, vollführten eine unerwartete Umkreisungsbewegung und pflügten mit wirbelnden Rudern dahin, die Bugrammen halb erhoben, in der Sonne feucht schimmernd, von dröhnendem Trommelrhythmus angepeitscht, einer abgeschossenen Waffe vergleichbar.

Jubelnd waren unsere Ruderer auf die Bänke gestiegen.

Das führende Schiff des Angriffskeils versuchte den Kurs zu wechseln und fiel nach Steuerbord ab. Das unmittelbar nachfolgende Schiff, das fünfzig Meter zurücklag, vermochte nicht mehr innezuhalten. Seine Ramme traf den Anführer ins Heck, riß Holz auf und löste das Steuerbordruder. Beinahe gleichzeitig schwärmten die sieben Schiffe aus Port Cos auseinander, nahmen sich eine wehrlose Schiffsflanke zum Ziel und kamen in den ersten Kontakt mit ihrem Gegner. Und widmeten sich auf das tüchtigste dem Kriegshandwerk.

Mir war unverständlich, wie sich Ar bei seiner Auseinandersetzung mit Cos auf dem Vosk gegen solche Schiffe und Kämpfer auch nur die geringste Chance ausrechnen konnte. Die Schiffe, die Ar-Station zur Flotte entsandt hatte, schienen eher Rundschiffe zu sein als Kampfeinheiten. Manche besaßen überhaupt keine Rammen und Scherblätter, geschweige denn umlegbare Masten. Nur wenige Einheiten verfügten über mehr als zwanzig Ruder. Keines der Schiffe schien ausreichend bemannt zu sein. Ar, so wollte mir scheinen, mußte seine Politik am Vosk behutsam angehen.

Die Schiffe aus Port Cos, die unter dem Kommando der Tais standen, zogen sich von den Schiffen zurück, die sie leckgeschlagen hatten. In Voskjards Flotte herrschte Verwirrung. Viele Schiffe kollidierten. Immer wieder gellten Signalhörner auf. Kapitäne bemühten sich, aus der Enge der Keilformation freizukommen und zu wenden. Immer wieder suchten die Tais und ihre Schwesterschiffe wie lauernde Flußraubtiere das Äußere der verwirrten, behäbigen Stadt aus Holz ab und wählten beinahe ungestört ihre Opfer.

Wie gedachte sich Ar, so fragte ich mich, auf dem breiten Vosk gegen solche Männer und Schiffe zu behaupten?

Geradezu lächerlich wirkten die behäbigen, gedrungenen Schiffe aus Ar-Station im Vergleich zu den flotten Räubern aus Port Cos und auch noch zu den Schiffen Ragnar Voskjards.

»Die Tais hat zum drittenmal zugeschlagen!« rief jemand. Die Besatzung der Tina jubelte.

Jedes Schiff aus Ar-Station verfügte über lange schwere Plankenplatten, durch Querstreben zusammengehalten, jeweils etwa fünfundzwanzig Fuß breit und sieben oder acht Fuß lang. Diese waren unweit der Masten auf hochgelegenen Plattformen angebracht, eine Platte an jedem Mast, und ließen sich auf Rollen von den Masten fortziehen, an denen sie mit verstellbaren Ketten befestigt waren. Nach oben zu lehnten die Gebilde rückwärts zu den Masten und waren oben mit Tauen gesichert. Von der Oberkante jedes Plattengebildes wölbte sich ein riesiger geschmiedeter Dorn auswärts, der an einen krummgeschlagenen Nagel erinnerte.

»Die Flotte wendet!« rief eine Männerstimme.

Und tatsächlich: Trotz der Enge und der zahlreichen Wracks und obwohl manches Schiff gegen die Kette gedrückt wurde, hatte die Flotte Voskjards wenden können.

»Flieht!« rief ein Mann dicht neben mir, als könnte man ihn über das Wasser hören.

Die Rammen der Voskjardschen Flotte richteten sich auf die Tais und ihre Schwesterschiffe. Zwischen ihnen lagen mit Schlagseite oder bereits halb gesunken die Überreste von etwa achtzehn Schiffen. Einige weitere waren untergegangen.

»Die Flotte Voskjards ist wieder zum Angriff bereit«, sagte ein Seemann hinter mir.

»Schade um die mutigen Kämpfer aus Port Cos«, bemerkte jemand.

»Ruder durch!« rief Callimachus.

»Ruder durch!« rief sein Offizier.

»Ruder durch!« wiederholte der Rudermeister. Hinter uns dröhnte die kupferbedeckte Trommel unter dem Aufprall der fellbedeckten Schlegel.

»Ja! Ja!« rief ich. »Ragnar Voskjard zeigte nur uns die ungeschützte Flanke!«

Die Tina und ihre Kampfformation begannen vorzurücken.


»Zurückziehen! Neu formieren!« rief Callimachus.

Die Insel aus Holz in der Mitte des Vosk, die aneinanderschabenden, kämpfenden Schiffe, drehten sich an der Kette. Rammen und konkave Bugpartien bedrohten uns.

Wir zogen uns vom Schauplatz der Vernichtung zurück.

Wir, unsere Formation, hatte Voskjards Flotte an der rechten Flanke erwischt, während sie noch wendete, um die Tais und ihre Schwesterschiffe aus Port Cos zu bestrafen. Unser kühnes Manöver hatte Voskjards Flotte völlig überrascht. Daß Schiffe wie die aus Ar-Station und den unabhängigen Städten, zumeist umgebaute Handelsschiffe, die Sicherheit der eigenen Position verlassen würden, um einen Angriff zu beginnen, hatte man sich drüben nicht träumen lassen. Vermutlich wußte man nicht, daß auf unserem Bugkastell ein Mann namens Callimachus regierte.

Wir zogen uns von den Wracks zurück, die zum Teil in Brand standen. Pechgeruch lag in der Luft.

Dutzende von Schiffen, die sich bei ihren verzweifelten Befreiungsversuchen immer wieder gegenseitig behinderten, saßen an der Kette fest. Hunderte von Männern schwammen im Wasser. Hunderte von Rudern waren bei den zahlreichen Kollisionen zerbrochen worden, oft an der eigenen Schiffshülle. Dicht geflochtene Bogenschützenschilde schwammen im Wasser, durchbrochene Stützbalken und Planken und abgebrochene Ruder. Inmitten des Chaos stießen immer wieder Voskmöwen auf das Wasser hinab, um Fische zu jagen.

Dicht an der Kette sank eine Piratengaleere.

»Ruder rückwärts!« befahl Callimachus. »Neu formieren!« Er war kein Dummkopf. Einen offenen Kampf wollte er nicht riskieren. Selbst wenn die Zahl der Einheiten identisch gewesen wäre, hätte er gegen die Schiffe Voskjards keine Chance gehabt.

»Wir haben bisher nur Glück gehabt«, sagte jemand.

»Ja. Voskjard wird wütend sein.«

Die Tina, flankiert von der Mira an Steuerbord und der Talender an Backbord, lag schließlich wieder in Position. Die Schiffe aus Port Cos, die Tais und nur noch vier andere, kehrten an die ursprüngliche Position rechts von uns zurück. Nicht auszudenken, wie es jetzt um uns stünde, wenn sie nicht gewesen wären. Sie hatten den Gegner empfindlich getroffen, ehe er den Keil herumdrehte, um dann in totaler Verwirrung, von unserem Angriff überrascht, wieder in die andere Richtung zu schwenken, woraufhin die Tais und ihre Schwesterschiffe den Angriff erneuert hatten. Ich hielt es für nicht unwahrscheinlich, daß Voskjard etwa dreißig Schiffe verloren hatte. Dennoch standen uns immer noch etwa fünfzig Schiffe gegenüber – vermutlich erhielt er durch die im Norden gebrochene Kette laufend Verstärkung. Wir dagegen waren nur noch siebzehn Schiffe, einschließlich der Einheiten aus Port Cos, von denen unser Wohl und Wehe abhing.

»Die feindliche Flotte formiert sich!« rief eine Stimme.

»Wieder der Keil?« erkundigte sich jemand.

»Nein, je zwei Schiffe zusammen, das zweite Steuerbord achteraus.«

»Sie werden vorsichtig anrücken und uns paarweise jagen«, vermutete jemand.

»Ich würde empfehlen«, sagte ein Offizier über mir auf dem erhobenen Vorderdeck, »daß wir uns sofort zurückziehen.«

»Wir müssen die Stellung für Callisthenes halten«, widersprach Callimachus.

»Zieh dich zur südlichen Wachtstation zurück! Schließ dich ihm sofort an!« beharrte der Offizier.

»Damit man uns umzingeln und zwischen Kette und Südufer festnageln kann?« fragte Callimachus. »Außerdem sind die Piratenschiffe schneller als unsere.«

»Nicht schneller als die Tina«, sagte der Offizier.

»Soll ich die Flotte im Stich lassen?« fragte Callimachus.

Der Offizier nickte ihn zornig an.

»Nein, wir warten auf Callisthenes«, fuhr Callimachus fort.

»Vergiß Callisthenes!« sagte der Offizier nachdrücklich.

»Ich werde ihn ebensowenig vergessen, wie er mich vergessen würde. Wir sollten uns hier mit Callisthenes treffen, und hier werden wir ihn erwarten.«

»Aber wo ist Callisthenes?« fragte eine Männerstimme.

»Ich weiß es nicht«, sagte ich.

Ich beobachtete die Annäherung der feindlichen Flotte in der Paarformation, wobei zwischen den Partnern jeweils mehr als hundert Meter lagen. Natürlich ist es für ein einzelnes Schiff sehr schwer, sich vor einem solchen doppelten Angriff zu schützen. Die beiden belauern sich gegenseitig, um im rechten Winkel angreifen zu können. Wird man erwischt, kann man sich nicht gegen beide wehren: Automatisch wird zumindest eine Schiffswand einer Ramme schutzlos dargeboten.

»Wir müssen die Stellung halten«, sagte ein Mann neben mir nervös.

»Befiehl den Rückzug!« flehte der Offizier über uns auf dem Bugkastell.

»Sie hätten uns erreicht, ehe wir wenden könnten.«

Ringsum wurden Schwerter aus den Scheiden gezogen.

»Laßt das Signal zum Kampf ertönen!« befahl Callimachus.

Auch ich zog blank.

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